Kapitel 2 - Wasser für den menschlichen Verbrauch
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wo die demokratische Rechenschaftslegung nur<br />
schwach entwickelt ist, durch fehlen<strong>den</strong> Druck<br />
auf Regierungen und Unternehmen, Informationen<br />
offen zu legen, die Position der Regulierungsbehörde<br />
geschwächt.<br />
In Ländern, <strong>den</strong>en die administrative Kapazität<br />
und die Institutionen fehlen, die erforderlich<br />
wären, um eine wirkungsvolle Regulierung<br />
zu gewährleisten, können Transparenz und öffentliche<br />
Aktionen von Bürgern <strong>für</strong> einen regulieren<strong>den</strong><br />
Anstoß von der Basis her sorgen. Soziale<br />
Aktionen gut organisierter Bevölkerungsgruppen<br />
vor Ort haben eine wichtige Rolle dabei<br />
gespielt, die von Unternehmen verursachten<br />
Umweltschä<strong>den</strong> in Entwicklungsländern<br />
zu reduzieren und die Einhaltung entsprechender<br />
Standards und die Offenlegung von Informationen<br />
zu erzwingen. Auch die Zivilgesellschaft<br />
hat sich engagiert, mehr Informationen<br />
verlangt und Informationen über mangelhafte<br />
Leistungen von <strong>Wasser</strong>versorgungsunternehmen<br />
veröffentlicht. Durch die Verwendung<br />
von Bürger-Berichtskarten bekamen Anliegerverbände<br />
und lokale Bevölkerungsgruppen in<br />
Bangalore, Indien, die Gelegenheit, bei der<br />
Reform des <strong>Wasser</strong>versorgungsunternehmens<br />
mitzubestimmen, und die Rechenschaftslegung<br />
wurde durch Überprüfung und Veröffentlichung<br />
von Bewertungen über die Leistungen<br />
des Versorgungsunternehmens verbessert (Kasten<br />
2.8). Dieses Modell wurde in vielen Ländern<br />
nachgeahmt. Dort, wo die Manager der Versorgungsunternehmen<br />
und die kommunalen Führungspersönlichkeiten<br />
mit Dialogangeboten<br />
reagiert haben, hat es spürbare Verbesserungen<br />
im Dienstleistungsangebot gegeben.<br />
Diese Initiativen an der Basis sind wichtig,<br />
sie haben jedoch Grenzen. Bürgergruppen, Zivilgesellschaft<br />
und <strong>Wasser</strong>nutzer-Verbände<br />
operieren nicht in einem Vakuum. Ihre Aktivitäten<br />
und ihr Handlungsspielraum, Veränderungen<br />
zu bewirken, wer<strong>den</strong> von <strong>den</strong> politischen<br />
Maßnahmen und Institutionen der Regierung<br />
beeinflusst, insbesondere vom normativen<br />
und gesetzgeberischen Rahmen und vom<br />
politischen Spielraum, <strong>den</strong> die Regierung<br />
schafft. In Südafrika nach der Apartheid schuf<br />
die Verfolgung eines auf Rechten basieren<strong>den</strong><br />
Ansatzes bei der <strong>Wasser</strong>versorgung einen kla-<br />
ren gesetzgeberischen Rahmen <strong>für</strong> die Versorgungsunternehmen.<br />
Genauso wichtig war, dass<br />
dadurch bei <strong>den</strong> Bürgern ein Gefühl der Erwartung<br />
und des Anspruchs auf <strong>Wasser</strong> erzeugt<br />
wurde, wodurch lokale Gemeinschaften ermutigt<br />
wur<strong>den</strong>, von <strong>den</strong> Kommunalbehör<strong>den</strong>, privaten<br />
Versorgungsunternehmen und der Regierung<br />
Rechenschaftslegung zu verlangen. Unweigerlich<br />
bleibt das Menschenrecht auf <strong>Wasser</strong><br />
in Südafrika ein umstrittenes politisches<br />
Thema, wie man anhand des hohen Stellenwerts<br />
der Debatten über Versorgung, Preisgestaltung<br />
und die angemessene Grenze <strong>für</strong> die<br />
kostenlose <strong>Wasser</strong>belieferung beobachten<br />
kann. Es ist jedoch sehr wichtig festzuhalten,<br />
dass die Menschenrechtsgesetzgebung <strong>den</strong> Bürgern<br />
ein tatsächliches Mitspracherecht in der<br />
<strong>Wasser</strong>versorgungspolitik gegeben hat. Ob<br />
Druck seitens der Basis erfolgreich ist, hängt<br />
Kasten 2.8 Bürger-Berichtskarten – ein Stimmrecht <strong>für</strong> Veränderungen<br />
<strong>Wasser</strong>versorgungsunternehmen, sowohl öffentliche als auch private, sind oft abgehoben<br />
und nicht rechenschaftspflichtig, es fehlt ihnen an Transparenz, und sie<br />
ignorieren die Anliegen der Öffentlichkeit. Wenn die Stimme der Nutzer in <strong>den</strong> Verwaltungsstrukturen<br />
berücksichtigt wird, kann man dieses Bild ändern.<br />
Vor zehn Jahren hat das Public Affairs Centre, eine indische Nichtregierungsorganisation<br />
aus Bangalore, eine neue Herangehensweise an regulative Kontrolle eingeführt.<br />
Mit öffentlichen Veranstaltungen und einer Fragebogenuntersuchung führte es<br />
eine großangelegte Bestandsaufnahme der gesellschaftlichen Wahrnehmung der<br />
öffentlichen Dienstleistungen durch, die die Stadtverwaltung bereitstellt, darunter<br />
auch das Bangalore Water Supply and Sewerage Board. In der Untersuchung, die in<br />
einer Bürger-Berichtskarte zusammengefasst wurde, wur<strong>den</strong> eine schwach ausgeprägte<br />
Kun<strong>den</strong>orientierung und ein hoher Korruptionsgrad konstatiert sowie die Wahrnehmung<br />
der Bürger, dass sie teure, qualitativ schlechte Dienstleistungen erhielten.<br />
Nach einer zweiten derartigen Untersuchung 1999 führten die Landesregierung<br />
und die Kommunalbehör<strong>den</strong> einen strukturierten Konsultationsprozess ein. Das<br />
Bangalore Water Supply and Sewerage Board initiierte gemeinsame Programme mit<br />
lokalen Bürgergruppen und Anwohnerverbän<strong>den</strong> zur Verbesserung der Dienstleistungen,<br />
zur Ausweitung der <strong>Wasser</strong>anschlüsse auf arme Haushalte und zur Diskussion<br />
von Reformoptionen. Zur Bekämpfung der Korruption wur<strong>den</strong> neue Beschwerdeverfahren<br />
eingerichtet. Bis 2003 verzeichnete diese Untersuchung echte Verbesserungen,<br />
wobei arme Haushalte über eine deutliche Verringerung der Bestechungsgelder<br />
<strong>für</strong> Anschlüsse und über Effizienzverbesserungen berichteten.<br />
Seit ihrer Einführung wurde diese Untersuchung auf ländliche und städtische Gebiete<br />
in 23 indischen Bundesstaaten ausgeweitet. Sie wurde auch in die Philippinen<br />
und die Ukraine sowie nach Tansania und Vietnam exportiert. Mitte 2005 begannen<br />
drei Städte in Kenia – Kisumu, Mombasa und Nairobi – eine Untersuchung bei der<br />
<strong>Wasser</strong>- und Sanitärversorgung, bei der Bürgervereinigungen, Nichtregierungsorganisationen<br />
und Dienstleistungsanbieter an einen Tisch gebracht wur<strong>den</strong>.<br />
Quelle: Paul 2005; Adikeshavalu 2004.<br />
BERICHT ÜBER DIE MENSCHLICHE ENTWICKLUNG 2006 131<br />
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<strong>Wasser</strong> <strong>für</strong> <strong>den</strong> <strong>menschlichen</strong> <strong>Verbrauch</strong>