Kapitel 2 - Wasser für den menschlichen Verbrauch
Kapitel 2 - Wasser für den menschlichen Verbrauch
Kapitel 2 - Wasser für den menschlichen Verbrauch
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
2<br />
<strong>Wasser</strong> <strong>für</strong> <strong>den</strong> <strong>menschlichen</strong> <strong>Verbrauch</strong><br />
124<br />
Ohne einen schlüssigen<br />
nationalen Plan und eine<br />
Finanzierungsstrategie<br />
zur Verwirklichung des<br />
<strong>Wasser</strong>zugangs <strong>für</strong> alle<br />
Menschen wer<strong>den</strong> weder<br />
der öffentliche noch der<br />
private Sektor das gegen-<br />
wärtige Enklavenmodell<br />
überwin<strong>den</strong> können<br />
BERICHT ÜBER DIE MENSCHLICHE ENTWICKLUNG 2006<br />
Plädoyer <strong>für</strong> eine unabhängige Regulierungsinstanz<br />
ableiten. 34<br />
Die Komplexität stellt bei Bewirtschaftungsverträgen<br />
ein weiteres Problem dar, insbesondere<br />
in Ländern, in <strong>den</strong>en es keine starke administrative<br />
Kompetenz gibt. Über Verträge,<br />
Verantwortlichkeiten, Versorgungszielvorgaben<br />
und Vertragsstrafen zu verhandeln, ist eine<br />
enorme Herausforderung. Das trifft sogar auf<br />
reiche Länder mit einer hoch entwickelten administrativen<br />
Kompetenz zu. Im Jahr 1999<br />
schloss die Stadt Atlanta in <strong>den</strong> USA mit einem<br />
Unternehmenskonsortium einen 20-Jahresvertrag<br />
über <strong>den</strong> Betrieb und die Instandhaltung<br />
der <strong>Wasser</strong>versorgung – ein Schachzug, der teilweise<br />
deshalb erfolgte, weil die Stadt von der<br />
Umweltschutzbehörde zur Zahlung von Bußgeldern<br />
wegen Nichteinhaltung der <strong>Wasser</strong>qualitätsstandards<br />
aufgrund von verfallender<br />
Infrastruktur verurteilt wor<strong>den</strong> war. Der Vertrag<br />
wurde nach vier Jahren wieder beendet,<br />
weil die städtischen Behör<strong>den</strong> behaupteten,<br />
dass das Unternehmen die vereinbarten Leistungen<br />
nicht erfüllt hätte. Im Zuge der Beendigung<br />
des Vertrages kam es allerdings zu umfangreichen<br />
Rechtsstreitigkeiten auf bei<strong>den</strong> Seiten.<br />
Ein anderer Weg, <strong>den</strong> kommunale Anbieter<br />
einschlagen können, um die Effizienzsteigerungen,<br />
die durch <strong>den</strong> Privatsektor angeboten<br />
wer<strong>den</strong>, anzuzapfen, führt über Dienstleistungsverträge.<br />
Bei einer solchen Vereinbarung<br />
kaufen Anbieter von einem Unternehmen, das<br />
nicht substanziell an der Unternehmensführung<br />
oder -finanzierung beteiligt ist, eine<br />
Dienstleistung. Solche Vereinbarungen wer<strong>den</strong><br />
sowohl in <strong>den</strong> Industrie- als auch in <strong>den</strong><br />
Entwicklungsländern immer üblicher. In einigen<br />
Fällen haben sich Dienstleistungsverträge<br />
als sehr effizient erwiesen. Untersuchungen in<br />
Maharashtra, in Indien, zeigen, dass die Vertragsvergabe<br />
von Rechnungswesen, Reparaturarbeiten,<br />
<strong>Wasser</strong>aufbereitung und Verbesserung<br />
der Infrastruktur an externe Anbieter die<br />
Leistung eines Versorgungsunternehmens verbessern<br />
kann. Untersuchungen bei <strong>Verbrauch</strong>ern<br />
weisen eine gestiegene Zufrie<strong>den</strong>heit<br />
nach. 35 Der Erfolg hängt jedoch von einer<br />
starken Regulierungsinstanz ab.<br />
In Finnland wird eine umfassende Vergabe<br />
von Verträgen über nicht-substanzielle <strong>Wasser</strong>versorgungsdienstleistungen<br />
an externe Anbieter<br />
praktiziert. 60-80 Prozent der Ausgaben<br />
kommunaler <strong>Wasser</strong>versorgungsunternehmen<br />
wer<strong>den</strong> auf diese Weise getätigt. 36 Die am häufigsten<br />
ausgelagerten Dienstleistungen im<br />
<strong>Wasser</strong>bereich sind die Erstellung von detaillierten<br />
Entwürfen, Konstruktionsarbeiten,<br />
Abwasserschlammbehandlung, Lieferung von<br />
Ausrüstung und Material, Reparaturen in<br />
Arbeitsräumen und Labordienste. Eine kleine<br />
Gruppe privater Unternehmen und ein öffentliches<br />
Versorgungsunternehmen, Helsinki<br />
<strong>Wasser</strong>, haben vor kurzem begonnen, Bewirtschaftungsdienstleistungen<br />
anzubieten. Der<br />
Markt ist allerdings immer noch recht beschränkt,<br />
da nur drei private Betreiber Dienstleistungen<br />
anbieten, hauptsächlich <strong>für</strong> die<br />
Abwasseraufbereitung.<br />
Ob öffentlich oder privat –<br />
einige Probleme bleiben die gleichen<br />
Aus einer Untersuchung über öffentliche und<br />
private Anbieter kann man wohl am ehesten die<br />
Lehre ziehen, dass es keine klaren und schnell<br />
umsetzbaren Erfolgsmuster gibt, die <strong>für</strong> alle<br />
Länder sinnvoll sind. Es gibt einige Anbieter in<br />
öffentlichem Besitz (Porto Alegre), die Weltspitzenleistungen<br />
erbringen, ebenso einige privatisierte<br />
Unternehmen (Chile). Viele Versorgungsunternehmen<br />
der öffentlichen Hand versagen<br />
bei nüchterner Betrachtung bei der Versorgung<br />
der Armen – und dieses Versagen<br />
hängt mit Unterfinanzierung und schlechtem<br />
Management zusammen. Die Vorstellung jedoch,<br />
dass das Versagen des öffentlichen Sektors<br />
durch die vermutete Effizienz, bessere Rechenschaftslegung<br />
und die finanziellen Vorteile<br />
privater Konzessionen schnell korrigiert wer<strong>den</strong><br />
kann, ist nur bedingt gerechtfertigt, wie<br />
man anhand der Entwicklungen in Cochabamba,<br />
Buenos Aires und West-Manila beobachten<br />
konnte. Ohne einen schlüssigen nationalen<br />
Plan und eine Finanzierungsstrategie zur Verwirklichung<br />
des <strong>Wasser</strong>zugangs <strong>für</strong> alle Menschen<br />
wer<strong>den</strong> weder der öffentliche noch der<br />
private Sektor das gegenwärtige Enklavenmodell<br />
überwin<strong>den</strong> können.