DOWNLOAD-Teil2 - GLOWA-Elbe

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2.6 Projektionen zur Änderung der regionalen landwirtschaftlichen Landnutzung, Produktion und Stickstoffüberschüsse bis 2020 im Elbeeinzugsgebiet vor dem Hintergrund sich wandelnder Rahmenbedingungen (Gömann et al.) 2.6 Projektionen zur Änderung der regionalen landwirtschaftlichen Landnutzung, Produktion und Stickstoffüberschüsse bis 2020 im Elbeeinzugsgebiet vor dem Hintergrund sich wandelnder Rahmenbedingungen Horst Gömann, Peter Kreins und Agnes Richmann Institut für Ländliche Räume Johann Heinrich von Thünen-Institut Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei (vTI), Bundesallee 50, D-38116 Braunschweig Tel. +49-531-596-5504 http://www.vti-bund.de Zusammenfassung Im Hinblick auf den globalen Wandel wurden die Auswirkungen unterschiedlicher Entwicklungen bei zentralen Einflussfaktoren für den Agrarsektor auf die landwirtschaftliche Landnutzung, Produktion und Stickstoffbilanzüberschüsse im Elbegebiet bis zum Jahr 2020 mit Hilfe des regionalisierten Agrarsektormodells RAUMIS bis zum Jahr 2020 projiziert und analysiert. Dabei wurden die Annahmen bezüglich der Einflussfaktoren konsistent an den im Rahmen des Projektes definierten Entwicklungsrahmen bzw. Baselines ausgerichtet. Als zwei kontrastierenden Entwicklungen spannen zum einen die Partizipation des Agrarsektors an der fortschreitenden Globalisierung und zum anderen eine Differenzierung mit weitgehender Beschränkung der Produktion auf den heimischen Markt ein weites Spektrum auf. Im Fall der Globalisierung stand die Intensivierung der landwirtschaftlichen Landnutzung im Vordergrund, die sich durch einen als nachhaltig unterstellten Agrarpreisanstieg sowie der Förderung von Bioenergie ergibt. Nach den Modellergebnissen nimmt der Anbau von Energiemais zur Biogaserzeugung bei einem angenommenen Getreidepreisanstieg um rund 50 % auf 250.000 ha im Elbegebiet vor allem zu Lasten der Stilllegungsfläche zu. Der Stickstoffüberschuss im Elbegebiet verringert sich vor allem im Zuge des durch die Milchleistungssteigerungen bedingten Rindviehbestandsabbaus um insgesamt 23.000 t bzw. durchschnittlich 8 kg/ha LF. Die Beschränkung der Produktion auf die heimische Nachfrage führt gegenüber der Globalisierung zu keiner Reduktion der Stickstoffüberschüsse. Zwar werden 620.000 ha nicht mehr benötigt und können stillgelegt werden, jedoch ist eine Ausdehnung der Geflügelfleisch und Eiererzeugung notwendig. Infolge eines unterstellten Rückgang des Verbrauchs tierischer Produkte um 20 % und entsprechenden Produktionsanpassung geht der Stickstoffüberschuss um 40.000 t zurück, so dass sich der durchschnittliche Stickstoffbilanzüberschuss auf rund 61 kg/ha LF beläuft. Vor dem Hintergrund der Wasserrahmenrichtlinie erfolgten Analysen zu den Auswirkungen von Maßnahmen des landwirtschaftlichen Gewässerschutzes. Aufgrund der geringen Viehbesatzdichte im Elbegebiet werden die in der Düngeverordnung (DüV) geforderten Werte bis auf wenige Ausnahmen eingehalten, so dass aus ordnungsrechtlicher Sicht kein großer Handlungsbedarf besteht. Allerdings können die eintragsrelevanten Stickstoffüberschüsse um etwa 30 kg höher liegen, was durch die in der DüV angewendete Stickstoffbilanzierung bedingt ist. Weitere schrittweise Senkungen des zulässigen Stickstoffüberschusses auf 30 kg N/ha verursachen den auf Milchproduktion spezialisierten Regionen am Unterlauf der Elbe Vermeidungskosten von bis zu 8 € je kg N. Diese im Ansatz flächendeckende Maßnahme würde Viehintensivregionen außerhalb des Elbegebietes insbesondere im Nordwesten vor weitaus größere Probleme stellen. Schlüsselwörter Globaler Wandel, Landnutzung, Agrarsektormodellierung, landwirtschaftliche Stickstoffbilanzüberschüsse, Vermeidungskosten Kapitel 2 – Seite 171

2.6 Projektionen zur Änderung der regionalen landwirtschaftlichen Landnutzung, Produktion und<br />

Stickstoffüberschüsse bis 2020 im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet vor dem Hintergrund sich wandelnder<br />

Rahmenbedingungen (Gömann et al.)<br />

2.6 Projektionen zur Änderung der regionalen landwirtschaftlichen<br />

Landnutzung, Produktion und Stickstoffüberschüsse<br />

bis 2020 im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet vor dem<br />

Hintergrund sich wandelnder Rahmenbedingungen<br />

Horst Gömann, Peter Kreins und Agnes Richmann<br />

Institut für Ländliche Räume<br />

Johann Heinrich von Thünen-Institut<br />

Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei (vTI),<br />

Bundesallee 50, D-38116 Braunschweig<br />

Tel. +49-531-596-5504<br />

http://www.vti-bund.de<br />

Zusammenfassung<br />

Im Hinblick auf den globalen Wandel wurden die Auswirkungen unterschiedlicher Entwicklungen bei zentralen<br />

Einflussfaktoren für den Agrarsektor auf die landwirtschaftliche Landnutzung, Produktion und Stickstoffbilanzüberschüsse<br />

im <strong>Elbe</strong>gebiet bis zum Jahr 2020 mit Hilfe des regionalisierten Agrarsektormodells RAUMIS bis<br />

zum Jahr 2020 projiziert und analysiert. Dabei wurden die Annahmen bezüglich der Einflussfaktoren konsistent<br />

an den im Rahmen des Projektes definierten Entwicklungsrahmen bzw. Baselines ausgerichtet. Als zwei kontrastierenden<br />

Entwicklungen spannen zum einen die Partizipation des Agrarsektors an der fortschreitenden Globalisierung<br />

und zum anderen eine Differenzierung mit weitgehender Beschränkung der Produktion auf den heimischen<br />

Markt ein weites Spektrum auf. Im Fall der Globalisierung stand die Intensivierung der landwirtschaftlichen<br />

Landnutzung im Vordergrund, die sich durch einen als nachhaltig unterstellten Agrarpreisanstieg sowie der<br />

Förderung von Bioenergie ergibt. Nach den Modellergebnissen nimmt der Anbau von Energiemais zur Biogaserzeugung<br />

bei einem angenommenen Getreidepreisanstieg um rund 50 % auf 250.000 ha im <strong>Elbe</strong>gebiet vor allem<br />

zu Lasten der Stilllegungsfläche zu. Der Stickstoffüberschuss im <strong>Elbe</strong>gebiet verringert sich vor allem im<br />

Zuge des durch die Milchleistungssteigerungen bedingten Rindviehbestandsabbaus um insgesamt 23.000 t bzw.<br />

durchschnittlich 8 kg/ha LF. Die Beschränkung der Produktion auf die heimische Nachfrage führt gegenüber der<br />

Globalisierung zu keiner Reduktion der Stickstoffüberschüsse. Zwar werden 620.000 ha nicht mehr benötigt und<br />

können stillgelegt werden, jedoch ist eine Ausdehnung der Geflügelfleisch und Eiererzeugung notwendig. Infolge<br />

eines unterstellten Rückgang des Verbrauchs tierischer Produkte um 20 % und entsprechenden Produktionsanpassung<br />

geht der Stickstoffüberschuss um 40.000 t zurück, so dass sich der durchschnittliche Stickstoffbilanzüberschuss<br />

auf rund 61 kg/ha LF beläuft.<br />

Vor dem Hintergrund der Wasserrahmenrichtlinie erfolgten Analysen zu den Auswirkungen von Maßnahmen<br />

des landwirtschaftlichen Gewässerschutzes. Aufgrund der geringen Viehbesatzdichte im <strong>Elbe</strong>gebiet werden die<br />

in der Düngeverordnung (DüV) geforderten Werte bis auf wenige Ausnahmen eingehalten, so dass aus ordnungsrechtlicher<br />

Sicht kein großer Handlungsbedarf besteht. Allerdings können die eintragsrelevanten Stickstoffüberschüsse<br />

um etwa 30 kg höher liegen, was durch die in der DüV angewendete Stickstoffbilanzierung<br />

bedingt ist. Weitere schrittweise Senkungen des zulässigen Stickstoffüberschusses auf 30 kg N/ha verursachen<br />

den auf Milchproduktion spezialisierten Regionen am Unterlauf der <strong>Elbe</strong> Vermeidungskosten von bis zu 8 € je<br />

kg N. Diese im Ansatz flächendeckende Maßnahme würde Viehintensivregionen außerhalb des <strong>Elbe</strong>gebietes<br />

insbesondere im Nordwesten vor weitaus größere Probleme stellen.<br />

Schlüsselwörter<br />

Globaler Wandel, Landnutzung, Agrarsektormodellierung, landwirtschaftliche Stickstoffbilanzüberschüsse,<br />

Vermeidungskosten<br />

Kapitel 2 – Seite 171


2.6 Projektionen zur Änderung der regionalen landwirtschaftlichen Landnutzung, Produktion und<br />

Stickstoffüberschüsse bis 2020 im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet vor dem Hintergrund sich wandelnder<br />

Rahmenbedingungen (Gömann et al.)<br />

2.6.1 Einleitung<br />

Die Bedingungen für den EU-Agrarsektor haben sich in den letzten Jahren infolge einer voranschreitenden<br />

Globalisierung vor allem durch die Weiterentwicklungen der EU-<br />

Agrarpolitik und der Energiepolitik sowie durch die aktuellen Entwicklungen auf den Weltagrarmärkten<br />

grundlegend gewandelt. Im Rahmen der Luxemburger Beschlüsse von 2003 wurde<br />

der Umbau der EU-Agrarpolitik mit dem Ziel vertieft, eine verstärkte Marktorientierung<br />

der landwirtschaftlichen Produktion unter Einhaltung von Produktionsstandards zu erreichen.<br />

Auf den Weltagrarmärkten zeichnet sich ein deutlicher Anstieg der Agrarpreise ab, der im<br />

Wesentlichen auf nachstehenden Faktoren beruht. Erstens nimmt infolge des anhaltenden<br />

weltweiten Wirtschaftswachstums die Nachfrage nach Agrarprodukten zu. Zweitens werden<br />

in einigen im Bereich der Bioenergieproduktion sehr wettbewerbsfähigen Ländern, beispielsweise<br />

in Lateinamerika, Nachwachsende Rohstoffe bereits bei einem Ölpreisniveau von rund<br />

50 US$ pro Barrel ohne Förderung angebaut und zu Biokraftstoffen verarbeitet. Auf diese<br />

Weise kommt es zu einer Koppelung der Agrarrohstoffproduktion bzw. des Nahrungsmittelangebots<br />

an den Ölpreis, wodurch das Weltagrarpreisniveau unmittelbar beeinflusst wird.<br />

Drittens wird der Anbau nachwachsender Rohstoffe in Ländern wie der EU, in denen die Biokraftstoffproduktion<br />

derzeit nicht wettbewerbsfähig ist, unter dem Aspekt des Klimaschutzes<br />

gefördert. In Deutschland wurde darüber hinaus durch die Novellierung des Erneuerbare-<br />

Energien-Gesetzes im Jahr 2004 eine attraktive Förderung des Einsatzes von Energiepflanzen<br />

in Biogasanlagen eingeführt, die seitdem zu einer rasanten Ausdehnung des Maisanbaus zur<br />

Biogaserzeugung geführt hat.<br />

Vor diesem Hintergrund wird im Vergleich zu den Einschätzungen in den vergangenen Jahren,<br />

die auch Grundlage für die erste Szenariostudie im Vorhaben <strong>GLOWA</strong>-<strong>Elbe</strong> (GÖMANN,<br />

KREINS & JULIUS, 2005) waren, eine ganz andere Entwicklung der landwirtschaftlichen Landnutzung<br />

und Produktion erwartet. Wurde in der Vergangenheit noch ein großflächiges Brachfallen<br />

landwirtschaftlicher Flächen insbesondere im <strong>Elbe</strong>gebiet projiziert, läuft nun als Folge<br />

der steigenden Flächennutzungskonkurrenz die obligatorische Flächenstilllegung aus, d. h.<br />

sämtliche landwirtschaftsfähige Flächen werden wieder in Bewirtschaftung genommen, was<br />

nicht ohne Konsequenzen für die Wassermenge und Wasserqualität im <strong>Elbe</strong>gebiet bleiben<br />

wird, zumal die Landwirtschaft im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet rund 6 Mio. ha - etwa die Hälfte der<br />

Gesamtfläche - bewirtschaftet. Zum einen werden durch die Landbewirtschaftung Nährstoffe<br />

und Pflanzenschutzmittel in Grund- und Oberflächengewässer ausgetragen und zum anderen<br />

beeinflussen Bodenbearbeitungstechnologie sowie Fruchtfolgegestaltung die Evapotranspiration,<br />

die eine Determinante des Landschaftswasserhaushaltes ist.<br />

Angesichts der großen Unsicherheiten bei Projektionen im Agrarbereich, die durch die oben<br />

skizzierten Entwicklungen in den Jahren 2006 und 2007 deutlich wurden, wird in der zweiten<br />

Szenariostudie von <strong>GLOWA</strong>-<strong>Elbe</strong> ein Spektrum unterschiedlicher Wirkungsrichtungen aufgespannt.<br />

Die Leitmotive der unterschiedlichen Entwicklungen, die auf den Entwicklungsrahmen<br />

A1 und B2 des IPCC (2007) aufbauen, sind Globalisierung bzw. Differenzierung.<br />

Vor diesem Hintergrund können dem derzeit vorherrschenden Trend zur Globalisierung der<br />

Märkte erkennbare und sich möglicherweise verstärkende Tendenzen der gesellschaftlichen<br />

und wirtschaftlichen Entwicklung entgegenwirken und eine Differenzierung von Entwicklungen<br />

bedeuten. Beispielsweise würde eine zunehmende Wertschätzung der Herkunft von Nahrungsmitteln<br />

bei den Konsumenten einen Anstieg des Verbrauchs regionaler Erzeugnisse bewirken<br />

und eine Fokussierung auf den inländischen Markt bedeuten. Darüber hinaus könnte<br />

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2.6 Projektionen zur Änderung der regionalen landwirtschaftlichen Landnutzung, Produktion und<br />

Stickstoffüberschüsse bis 2020 im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet vor dem Hintergrund sich wandelnder<br />

Rahmenbedingungen (Gömann et al.)<br />

ein zunehmendes Bewusstsein für eine Ressourcen schonende Produktion sowie eine gesundheitsbewusste<br />

Ernährungsweise zu einem Rückgang des Fleischkonsums führen.<br />

In den Entwicklungsrahmen sind unterschiedliche landwirtschaftliche Landnutzung, Produktion<br />

und Stickstoffüberschüsse erwartbar. Die daraus resultierenden Konsequenzen für die<br />

Wassermenge und Wasserqualität im <strong>Elbe</strong>gebiet sind bspw. im Hinblick auf die Umsetzung<br />

der EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) von besonderem Interesse. Die Erreichung der Ziele<br />

der WRRL ist nach den Ergebnissen der 2005 abgeschlossenen Bestandsaufnahme für einen<br />

Großteil (jeweils mehr als 50 %) der Oberflächen- und Grundgewässer in Deutschland laut<br />

den zehn ausgewerteten Flussgebietsberichten unwahrscheinlich (BMU & UBA, 2005). Als<br />

zweithäufigste Ursache für die Zielverfehlung in Oberflächengewässern wurden Nährstoffbelastungen<br />

genannt. Bei den Grundgewässern wurden diffuse Quellen, hauptsächlich Nährstoffe,<br />

als wichtigster Grund für die mögliche Zielverfehlung angegeben. Ein Großteil dieser<br />

Nährstoffeinträge entfällt auf die Landwirtschaft. Da andere Sektoren ihre Nährstoffeinträge<br />

in Gewässer in der Vergangenheit deutlicher reduziert haben als die Landwirtschaft, nahm der<br />

Anteil der Landwirtschaft an den Nährstoffeinträgen zu. Infolgedessen wird seitens der Wasserwirtschaft<br />

ein stärkerer Beitrag von der Landwirtschaft zur Reduzierung der Nährstoffbelastungen<br />

gefordert.<br />

Die Effekte von Maßnahmen des landwirtschaftlichen Gewässerschutzes, z. B. die im Jahr<br />

2006 novellierte Düngeverordnung (DüV), sind in den Projektionen zur landwirtschaftlichen<br />

Produktion im Rahmen der in <strong>GLOWA</strong>-<strong>Elbe</strong> untersuchten Entwicklungsrahmen „Globalisierung“<br />

bzw. „Differenzierung“ zu berücksichtigen. Die Auswirkungen können je nach unterstelltem<br />

Grad der Einhaltung der Auflagen seitens der Landwirtschaft bspw. der maximalen<br />

Nährstoffbilanzüberschüsse sehr unterschiedlich ausfallen.<br />

Die jeweils in den untersuchten Entwicklungsrahmen erwartbare landwirtschaftliche Landnutzung,<br />

Produktion und Stickstoffbilanzüberschüsse im <strong>Elbe</strong>gebiet wurden mit Hilfe des Regionalisierten<br />

Agrar- und Umweltinformationssystems RAUMIS projiziert, das ein Bestandteil<br />

des im <strong>GLOWA</strong>-<strong>Elbe</strong> Projektes entwickelten interdisziplinären Modellverbundes ist. Angesichts<br />

der derzeit erfolgenden Intensivierung der landwirtschaftlichen Produktion nehmen<br />

Konflikte zwischen der Landnutzung und Umwelt im ländlichen Raum zu. Vor diesem Hintergrund<br />

werden Wirkungsanalysen von Maßnahmen zur Reduktion von Stickstoffbilanzüberschüssen<br />

als Beitrag zur Verminderung diffuser Nährstoffeinträge aus der Landwirtschaft<br />

durchgeführt.<br />

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2.6 Projektionen zur Änderung der regionalen landwirtschaftlichen Landnutzung, Produktion und<br />

Stickstoffüberschüsse bis 2020 im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet vor dem Hintergrund sich wandelnder<br />

Rahmenbedingungen (Gömann et al.)<br />

2.6.2 Material und Methoden<br />

2.6.2.1 Stand der Wissenschaft im Bereich der agrarökonomischen Modellierung<br />

von Landnutzungsänderungen<br />

Modellierungen der regionalen Landnutzung erfolgen im Rahmen der Integrierten Projekte<br />

SEAMLESS2 und SENSOR mit einem europäischen Fokus.3 Die landwirtschaftliche Landnutzung<br />

wird in beiden Projekten u. a. mit dem Common Agricultural Regional Policy Impact<br />

Modell CAPRI (BRITZ, 2005) abgebildet. Ähnlich wie RAUMIS (siehe unten) bildet CAPRI<br />

die landwirtschaftliche Landnutzung nach dem so genannten Regionshofprinzip ab, allerdings<br />

für die EU-27 auf NUTS II Ebene. Eine statistische Regionalisierung der landwirtschaftlichen<br />

Landnutzung von NUTS II auf 1x1 km Raster wurde im Rahmen des Projektes DynaSpat4 für<br />

Landnutzungsergebnisse des CAPRI-Modells durchgeführt (KEMPEN ET AL., 2007), die eine<br />

Koppelung des Modells an biophysikalische Modelle erlaubt.<br />

Im Rahmen der Projekte <strong>GLOWA</strong>-Danube5 sowie RIVERTWIN6 wurde das Modell ACRE<br />

(HENSELER ET AL., 2006) entwickelt, das die landwirtschaftliche Landnutzung wie CAPRI<br />

und RAUMIS auf der Basis eines Nicht-Linearen Programmierungsansatzes abbildet. Um die<br />

landkreisweiten (NUTS III Regionen) Ergebnisse den Betrachtungseinheiten (1x1 km Raster)<br />

zuzuordnen, wird eine auf einem Regel-Netzwerk beruhende interne Mehrkriterien-<br />

Entscheidungsmatrix als Disaggregationswerkzeug verwendet (VOGEL ET AL., 2002).<br />

Im Sonderforschungsbereich 2997 wurde das Modell ProLand (WEINMANN ET AL, 2005) zur<br />

Abbildung der landwirtschaftlichen Landnutzung entwickelt und mit bio-physikalischen Modellen<br />

gekoppelt. Flächenelemente eines betrachteten Wirtschaftsraums werden nicht als Regionshöfe<br />

definiert, sondern in Form von 25x25 Meter Rastern abgebildet, um einen Aggregationsfehler<br />

zu minimieren. Die (naturalen) Leistungen der einzelnen Landnutzungsaktivitäten<br />

werden als endogene Variable betrachtet, deren Werte von den rasterweise zugeordneten Boden-Klima-Eigenschaften<br />

abhängen. Sensitivitätsanalysen mit ProLand haben gezeigt, dass<br />

die im Modell verwendeten Verfahren zur Schätzung der maximal realisierbaren Naturalerträge<br />

erheblichen Einfluss auf die Prognoseergebnisse haben und bei der Übertragung des<br />

Modells auf andere Regionen zu überprüfen sind.<br />

2 System for Environmental and Agricultural Modelling; Linking European Science and Society<br />

(http://www.seamless-ip.org/).<br />

3 Sustainability Impact Assessment: Tools for Environmental, Social and Economic Effects of Multifunctional<br />

Land Use in European Regions (http://www.sensor-ip.org/).<br />

4 Dynamic and Spatial Dimension (http://www.ilr1.uni-bonn.de/Agpo/rsrch/dynaspat/dynaspat_e.htm).<br />

5 <strong>GLOWA</strong>-Danube Project: Integrative Techniques, Scenarios and Strategies for the Future of Water in the<br />

Upper Danube Basin (http://www.glowa-danube.de).<br />

6 RIVERTWIN - a Regional Model for Integrated Water Management in Twinned River Basins<br />

(http://www.rivertwin-neckar.de).<br />

7 Landnutzungskonzepte für periphere Regionen. Sonderforschungsbereich 299 der Deutschen Forschungsgemeinschaft<br />

an der Justus-Liebig-Universität Giessen (http://www.sfb299.de/).<br />

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Rahmenbedingungen (Gömann et al.)<br />

2.6.2.2 Agrarökonomische Modellierung mit RAUMIS im integrierten <strong>GLOWA</strong>-<br />

<strong>Elbe</strong> Modellverbund<br />

Im <strong>GLOWA</strong>-<strong>Elbe</strong> Projekt werden regionale Anpassungen der landwirtschaftlichen Landnutzung,<br />

Produktion und Nährstoffüberschüsse im <strong>Elbe</strong>gebiet mit dem Regionalisierten Agrarund<br />

Umweltinformationssystem RAUMIS abgebildet. Die landwirtschaftliche Produktion<br />

sowie der dazu erforderliche Input werden auf der Basis eines Prozessanalyseansatzes durch<br />

rund 40 Aktivitäten und über 50 Produkte dargestellt. Das Modell ist in enger Anlehnung an<br />

die offizielle Landwirtschaftliche Gesamtrechnung (LGR) konzipiert und basiert auf den Regeln<br />

und Definitionen des „Europäischen Systems Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen“<br />

(ESVG) (vgl. EUROSTAT, 1989).<br />

Auf der Grundlage einer geschlossenen und konsistenten Datengrundlage werden derzeit 326<br />

so genannte „Modellregionen“ unterschieden, die auf einer Zuordnung der meisten der kreisfreien<br />

Städte zu benachbarten Landkreisen basieren. Für jeden der Modellkreise wird eine aktivitätsanalytisch<br />

differenzierte Matrize aufgestellt, die in einem Konsistenzrahmenmodell mit<br />

der LGR abgeglichen wird. Um von jahresspezifischen Sondereinflüssen zu abstrahieren, dienen<br />

hierbei Dreijahresdurchschnitte der LGR. Die sektoralen Produktions- und Inputmengen<br />

werden auf die Modellregionen verteilt und den verschiedenen Produktionsaktivitäten zugeordnet.<br />

Dabei liegen auf Kreisebene umfassende Informationen aus Fachstatistiken zu den<br />

Produktionsumfängen der abgebildeten Aktivitäten vor, jedoch nicht zu den regional eingesetzten<br />

Inputmengen. Die ermittelten durchschnittlichen Input-Aufwendungen der einzelnen<br />

Produktionsalternativen in den jeweiligen Modellregionen basieren auf Kalkulationsdaten.<br />

Hier werden teils trendbasierte Funktionen verwendet, teils ertragsabhängige Bedarfsfunktionen<br />

eingesetzt. Zur Ableitung der Maschinenkosten, Reinvestitionskosten sowie Arbeitsbedarfe,<br />

die vor allem von der eingesetzten Technologie und den bestehenden Betriebsstrukturen<br />

abhängen, wird ein so genanntes Technologiemodul eingesetzt. Dieses Modul bildet unterschiedliche<br />

Technologien (bzw. Arbeitsgänge) ab, die eine flexible Definition und Spezifizierung<br />

von Produktionsverfahren erlauben. Da die Technologien als jeweils in sich konsistente<br />

Pakete formuliert wurden, ist gewährleistet, dass Arbeitsbedarfe, durchschnittliche Investitionskosten<br />

und variable Maschinen- und Energiekosten aufeinander abgestimmt sind.<br />

Im Hinblick auf das Angebotsverhalten der Landwirtschaft wird Gewinnmaximierung unterstellt,<br />

wobei optimale Produktionsstrukturen in den Modellregionen im Rahmen eines Positiv<br />

Mathematischen Programmierungsansatzes (PMP) (HOWITT, 1995) bestimmt werden. In<br />

dieser nichtlinearen Formulierung bewirken die nichtlinearen PMP-Terme eine implizite Veränderung<br />

der Grenzkosten eines Verfahrens bei Veränderungen des Verfahrensumfangs, was<br />

im Vergleich zu linearen Modellen zu „weichen“ Anpassungsreaktionen führt. Die aus der<br />

Kalibrierung des Basisjahres resultierenden PMP-Terme repräsentieren nicht explizit modellierte<br />

Effekte wie beispielsweise nicht-lineare Produktionsfunktionen, weitere Fruchtfolgeeffekte,<br />

Heterogenität der Standortbedingungen innerhalb der als homogen betrachteten Modellregion<br />

und Risikoaversion (CYPRIS, 2000, S. ff).<br />

Bei Prognosen und Wirkungsanalysen unterschiedlicher Rahmenbedingungen wird in RAU-<br />

MIS ein komparativstatischer Ansatz verfolgt. Dazu werden in einem ersten Schritt die für<br />

das Zieljahr geltenden Produktionsalternativen und Restriktionen definiert sowie die PMP-<br />

Terme fortgeschrieben. Die Spezifizierung nichtoptimierungsendogener Variablen basiert auf<br />

Trendfortschreibungen von Ertrags- und Inputkoeffizienten, Kapazitäten und auf exogenen<br />

Informationen, beispielsweise Preisen bzw. Preisindizes aus anderen Modellen (wie CAPRI<br />

und AGMEMOD) oder von Marktexperten z. B. BMELV und vTI. Die Anpassung der opti-<br />

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Stickstoffüberschüsse bis 2020 im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet vor dem Hintergrund sich wandelnder<br />

Rahmenbedingungen (Gömann et al.)<br />

malen speziellen Intensität der Pflanzenproduktion orientiert sich an geänderten Produkt- und<br />

Faktorpreisrelationen.<br />

RAUMIS ist in den interdisziplinären Modellverbund des <strong>GLOWA</strong>-<strong>Elbe</strong> Projektes integriert.<br />

Die Verknüpfung der unterschiedlichen Modelle und Analyseebenen erfolgt über Schnittstellen,<br />

die in der Szenarienstudie <strong>GLOWA</strong>-<strong>Elbe</strong> I (WECHSUNG ET AL., 2005) entwickelt und in<br />

<strong>GLOWA</strong>-<strong>Elbe</strong> II weiterentwickelt wurden. In RAUMIS sind Ergebnisse zur Acker- und<br />

Grünlandnutzung aus dem LANDUSESCANNER (HOYMANN, 2008), die auf dem Corine Land<br />

Cover Datensatz basieren, als Rahmengrößen eingegangen. Da zwischen der in RAUMIS verwendeten<br />

Agrarfachstatistik und Corine Land Cover Unterschiede bestehen, mussten die Ergebnisse<br />

aus dem LUS, mit der landwirtschaftlich genutzten Fläche in den RAUMIS-<br />

Modellregionen abgeglichen werden.<br />

Die mit RAUMIS ermittelten landwirtschaftlichen Nährstoffbilanzüberschüsse gehen in das<br />

Modell MONERIS ein, mit dem die Auswirkungen auf die Gewässerqualität analysiert werden<br />

(BEHRENDT ET AL., 2008). Gleichzeitig werden die mit RAUMIS berechneten Kosten von<br />

Maßnahmen zur Vermeidung diffuser Nährstoffeinträge aus der Landwirtschaft in Kosten-<br />

Wirksamkeitsanalysen verwendet (GROSSMANN, 2008).<br />

2.6.2.3 Modellierung der landwirtschaftlichen Landnutzung<br />

Die landwirtschaftlich genutzte Fläche (LF) wird in RAUMIS in Acker- und Dauergrünland<br />

unterteilt. Diese sind bei der Optimierung unveränderliche Größen, wodurch die geforderte<br />

weitgehende regionale Konstanz der Grünlandfläche berücksichtigt ist. Die Ackerfruchtverfahren<br />

einschließlich der Stilllegung und Brache stehen in direktem Wettbewerb um die knappe<br />

Fläche. Für ihren Flächenumfang sind der jeweilige Beitrag zur Zielfunktion und ackerbauliche<br />

Anbaubedingungen maßgeblich. Auf dem Grünland werden vier Aktivitäten mit unterschiedlicher<br />

Ertrags- und Nutzungsintensität zur Grundfutterbereitstellung unterschieden, wobei<br />

Grünlandbrache möglich ist. Bei der Optimierung beeinflussen sich die Acker- und Grünlandnutzung<br />

wechselseitig, beispielsweise über die Futterproduktion oder über die gemeinsame<br />

Nutzung von Produktionsfaktoren.<br />

2.6.2.4 Implementierung des Verfahrens „Energiemais“<br />

Eine Vielzahl von Kulturpflanzen in klassischen sowie neueren Anbauverfahren steht potenziell<br />

für die Biomasseproduktion zur energetischen Nutzung in Biogasanlagen zur Verfügung,<br />

die hinsichtlich ihrer Eignung unter verfahrenstechnischen, ökonomischen und ökologischen<br />

Gesichtspunkten geprüft wurden und werden (vgl. KAISER et al., 2004; VETTER und REIN-<br />

HOLD, 2005; GÖDEKE, 2006). Die dominierende Fruchtart war bisher Mais, vor allem aufgrund<br />

seiner vergleichsweise hohen Wirtschaftlichkeit der Gärsubstratbereitstellung und vorhandener<br />

Erfahrungen beim Anbau und bei der Konservierung. Vor diesem Hintergrund wurde<br />

Energiemais als Verfahren in RAUMIS implementiert und in Nutzungskonkurrenz zu den<br />

anderen landwirtschaftlichen Verfahren gestellt.<br />

Die Verfahrensspezifizierung erfolgte auf Grundlage der funktionalen Beziehungen zur Bestimmung<br />

des Vorleistungseinsatzes (z. B. Saatgut, Düngung, Pflanzenschutzmittel, Maschinen,<br />

usw.) des vergleichbaren Silomaisverfahrens, zumal gegenwärtig teilweise gleiche Sorten<br />

verwendet werden. Inwiefern sich die Energiemaiserträge zukünftig von den Silomaiser-<br />

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2.6 Projektionen zur Änderung der regionalen landwirtschaftlichen Landnutzung, Produktion und<br />

Stickstoffüberschüsse bis 2020 im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet vor dem Hintergrund sich wandelnder<br />

Rahmenbedingungen (Gömann et al.)<br />

trägen abheben werden, ist derzeit nach Meinung von Experten nicht eindeutig geklärt.8 Aus<br />

diesem Grund wird in den Projektionen des Energiemaisertrags die gleiche Ertragsentwicklung<br />

unterstellt wie beim Silomais.<br />

Hinsichtlich des Anpassungsverhaltens der Landwirtschaft liegen aus ex-post Analysen und<br />

Basisjahrkalibrierungen keine Informationen zum Energiemais vor, so dass die für die erwartbare<br />

Anbaufläche wichtigen nicht-linearen PMP-Terme von vergleichbaren Verfahren herangezogen<br />

wurden. Der Silomaisanbau war hierzu ungeeignet, da sich sein Umfang maßgeblich<br />

nach der für die regionale Viehhaltung notwendigen Grundfuttermenge richtet. Demgegenüber<br />

ist Energiemais als Marktfrucht einzustufen und steht daher in direkter Konkurrenz zu<br />

Getreide, Ölsaaten und Eiweißpflanzen. Ferner wurde davon ausgegangen, dass beim Energiemaisanbau<br />

ähnliche nicht explizit formulierte Produktionsbedingungen (z. B. Fruchtfolge,<br />

Standortgüte, etc.) gelten wie beim Getreideanbau. Aus diesem Grund wurden die nichtlinearen<br />

PMP-Terme der bedeutenden Getreidearten Winterweizen und Wintergerste verwendet;<br />

zunächst separat für Sensitivitätsanalysen und dann in den Szenarioanalysen als ein mit<br />

den jeweiligen Flächenumfängen gewichteter Durchschnitt.<br />

Für die Gewässerqualität ist die Nährstoffrücklieferung auf die Flächen aus dem Energiemaisverfahren<br />

von Bedeutung. Im Gegensatz zum Silomais, dem die Nährstoffe bei der tierischen<br />

Verdauung zum Großteil entzogen werden, bleiben die Nährstoffe nach der Vergärung<br />

in einer Biogasanlage weitgehend im Gärsubstrat enthalten und werden auf landwirtschaftlichen<br />

Flächen wieder ausgebracht. Auf der Grundlage von Experteneinschätzungen wurde bezüglich<br />

der Nährstoffrücklieferung des Verfahrens „Energiemais“ folgendes unterstellt: 10 %<br />

der im Erntegut enthaltenen Nährstoffe gehen auf dem Weg in die Biogasanlage verloren.<br />

Nach dem Gärprozess ist die Hälfte der Nährstoffe nicht pflanzenverfügbar, wovon 40 % gasförmig<br />

entweicht.<br />

2.6.2.5 Implementierung des Nährstoffvergleichs laut DüV<br />

Ein häufig genutzter Umweltindikator ist die Nährstoffbilanz. Die methodische Vorgehensweise<br />

der Nährstoffbilanzierung im RAUMIS stimmt weitgehend mit den Empfehlungen der<br />

PARCOM-Richtlinien (1993) überein und ermöglicht somit den nationalen Vergleich der Entwicklung<br />

landwirtschaftlicher Nährstoffüberschüsse mit anderen Vertragsstaaten (vgl. Abbildung<br />

1).<br />

8 Einschätzung von Vertretern des „Deutschen Maiskomitees“ in einer Diskussionsrunde am 14. September<br />

2007 in Bonn.<br />

Kapitel 2 – Seite 177


2.6 Projektionen zur Änderung der regionalen landwirtschaftlichen Landnutzung, Produktion und<br />

Stickstoffüberschüsse bis 2020 im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet vor dem Hintergrund sich wandelnder<br />

Rahmenbedingungen (Gömann et al.)<br />

Symbiotische<br />

Stickstofffixierung<br />

(Nitrogen Harvest-<br />

Index)<br />

Pflanzliche<br />

Produktion<br />

(Boden)<br />

Daten der regionalen<br />

Agrarfachstatistik<br />

Außerlandwirtschaftliche Stickstoffzufuhr<br />

Ernteertrag<br />

Überschuss<br />

Pflanzenproduktion<br />

Quelle: Eigene Darstellung.<br />

Asymbiotische<br />

Stickstofffixierung<br />

(pauschal 1,4 kg/ha)<br />

Ammoniak-Emission:<br />

40% des nicht<br />

pflanzenverfügbaren<br />

Stickstoffs<br />

Abbildung 1: Stickstoffbilanzierung in RAUMIS<br />

Stickstoffbilanzierung in RAUMIS<br />

Org. Dünger<br />

Mineraldünger<br />

(Differenz zwischen<br />

pflanzl. Nährstoffbedarf<br />

und organ. Dünger)<br />

Überschuss (Verluste),<br />

Denitrifizierung<br />

Kapitel 2 – Seite 178<br />

Atmosphärische<br />

Deposition<br />

(pauschal 30 kg/ha)<br />

Tierische Produktion<br />

(Stall)<br />

Daten aus Statistiken zur<br />

regionalen tierischen<br />

Produktion<br />

Koeffizienten zum Nährstoffgehalt<br />

im org. Dünger<br />

nach Angaben des BMVEL<br />

Überschuss<br />

Tierproduktion<br />

Durch die vollständige Abbildung der regionalen Flächennutzung und Tierhaltung und die<br />

Konsistenz zur LGR ist RAUMIS in besonderer Weise für die Berechnung regionaler Nährstoffbilanzen<br />

geeignet. Bei der Nährstoffbilanzierung in RAUMIS ist die landwirtschaftlich<br />

genutzte Fläche die Bezugsgröße, auf der Nährstoffzufuhr und -entzug gegeneinander aufgerechnet<br />

und im Ergebnis Nährstoffüberschüsse ermittelt werden. Hierbei werden durch die<br />

Ausweisung eines Nährstoff-Mehrbedarfsfaktors regionale Standorteigenschaften berücksichtigt.<br />

Positionen der Nährstoffzufuhr sind mineralische sowie organische Düngemittel. Zusätzlich<br />

werden bei der N-Bilanzierung der Eintrag atmosphärischen Stickstoffs sowie die symbiotische<br />

und asymbiotische N-Fixierung berücksichtigt. Nährstoffentzug entsteht zum einen<br />

durch das Erntegut sowie zum andern durch unvermeidbare Nährstoffverluste bei der Lagerung<br />

und Ausbringung von Wirtschaftsdünger in Form von NH3.<br />

Der aus der Bilanzierung resultierende Nährstoffüberschuss ist diejenige Menge beispielsweise<br />

an Stickstoff, die den landwirtschaftlichen Produktionskreislauf verlässt und ein mögliches<br />

Gefährdungs-/Belastungspotenzial für die Gewässer darstellt. Exemplarisch ist in Abbildung<br />

2 der Stickstoffbilanzüberschuss für das Basisjahr 1999 dargestellt. Diese regionalen<br />

Nährstoffüberschüsse können in Abhängigkeit von den Abbaubedingungen und der Verweilzeit<br />

des Sickerwassers im Boden zum Teil abgebaut werden. Die Berücksichtigung dieser<br />

Prozesse erfolgt im Modell MONERIS, an das die Ergebnisse für die Stickstoffbilanzüberschüsse<br />

übergeben werden.


2.6 Projektionen zur Änderung der regionalen landwirtschaftlichen Landnutzung, Produktion und<br />

Stickstoffüberschüsse bis 2020 im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet vor dem Hintergrund sich wandelnder<br />

Rahmenbedingungen (Gömann et al.)<br />

Abbildung 2: Stickstoffflächenbilanzüberschüsse im <strong>Elbe</strong>-Einzugsgebiet inkl. atmosphärischer Deposition im<br />

Basisjahr 1999<br />

Die oben beschriebene Nährstoffbilanzierung können landwirtschaftliche Betriebe in der<br />

Komplexität nicht durchführen, so dass in der Düngeverordnung (DüV) an die Praxis angepasste<br />

Auflagen festgelegt wurden. Neben den Verhaltensregeln der Düngeverordnung zur<br />

guten Fachlichen Praxis, die sich in der Regel nicht quantitativ modellieren lassen und deren<br />

Wirkung (sofern vorhanden) schwer einschätzbar sind, beinhaltet die DüV zwei konkrete Restriktionen,<br />

die das Düngemanagement beeinflussen und in § 4 (Bestimmte Düngemittel, Bodenhilfsstoffe,<br />

Kultursubstrate oder Pflanzenhilfsmittel) und § 5 (Nährstoffvergleiche) der<br />

DüV festgelegt werden. Von diesen Restriktionen, die in das RAUMIS-Modell integriert<br />

wurden, wird nach Einschätzung der Experten die wesentliche Wirkung der DüV ausgehen. In<br />

RAUMIS wurde die DüV wie folgt umgesetzt:<br />

1. Maximale Ausbringungsmenge von Wirtschaftsdünger: In RAUMIS wurde eine zusätzliche<br />

Restriktion bzgl. der maximalen Ausbringungsmenge von Wirtschaftsdünger in Höhe<br />

von 170 kg N je ha Ackerfläche und 230 kg N je ha Grünlandfläche integriert. Bei den Berechnungen<br />

wurde der erlaubte Verlustabzug in Stall und Lager berücksichtigt, so wie sie in<br />

der Anlage „Kennzahlen für die sachgerechte Bewertung zugeführter Stickstoffdünger“ der<br />

Düngeverordnung beschrieben sind. Die Ausbringung von Wirtschaftsdünger auf Dauerkulturflächen<br />

(z.B. Obstflächen) wurde bei den Analysen nicht zugelassen.<br />

2. Nährstoffvergleich: Die Düngeverordnung schreibt vor, dass abgesehen von wenigen<br />

Ausnahmen von allen Betrieben ein Nährstoffvergleich zu erstellen ist. Hierbei wird die N-<br />

Zufuhr durch Wirtschaftsdünger nach Abzug der Stall-, Lagerungs- und der Ausbringungsver-<br />

Kapitel 2 – Seite 179


2.6 Projektionen zur Änderung der regionalen landwirtschaftlichen Landnutzung, Produktion und<br />

Stickstoffüberschüsse bis 2020 im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet vor dem Hintergrund sich wandelnder<br />

Rahmenbedingungen (Gömann et al.)<br />

luste (z.B. bei Rindergülle bis 30 %, Rindermist 40 %, bei Weide bis 75 %) berechnet. Zusätzlich<br />

sind unvermeidbare Verluste anrechenbar. Im RAUMIS- Modell wird in Abhängigkeit<br />

der Betriebsstruktur eine Einschätzung über den Anteil der Fest- und Flüssigmistverfahren<br />

vorgenommen. Diese Information kann zur Berechnung der Ausbringungsverluste herangezogen<br />

werden. Keine Informationen liegen hingegen für den Anteil der Tierhaltung vor, die<br />

mit Weidegang gehalten werden. Hier wurde ein regional einheitlicher Verlustkoeffizient von<br />

40 % für die Verfahren die üblicherweise wie zum Beispiel die Milchkuhhaltung oder Färsenaufzucht<br />

unterstellt.<br />

2.6.2.6 Szenarioentwicklung<br />

Das im Glowa-<strong>Elbe</strong> Projekt verfolgte Konzept zur Differenzierung zukünftiger Entwicklungen<br />

(HARTJE ET AL., 2008) wurde auf den Agrarbereich angewendet. Für die zwei verwendeten<br />

Entwicklungsrahmen A1 und B2 des (IPCC, 2007) wurden im Projekt die Leitmotive<br />

„Globalisierung: Partizipation an einer arbeitsteiligen Weltwirtschaft entsprechend der komparativen<br />

Produktionsvorteile“ bzw. „Differenzierung: Rückzug auf den heimischen Markt<br />

infolge einer Priorisierung der Versorgungsunabhängigkeit“ formuliert. Auf der Grundlage<br />

dieser Leitmotive wurden jeweils Annahmen zur zukünftigen Entwicklung der wichtigsten<br />

Einflussfaktoren für die Landwirtschaft getroffen, die die Unterschiede der Entwicklungsrahmen<br />

A1 bzw. B2 ausmachen.<br />

Als zentrale Einflussfaktoren für die Landwirtschaft im <strong>Elbe</strong>gebiet wurden die Entwicklungen<br />

auf den Weltagrarmärkten, Veränderungen des Klimas, Weiterentwicklung der Agrar-, Umwelt-<br />

und Handelspolitik der EU, Nationale (regionale) Agrarpolitik, Energiepolitik, Nachfrageverhalten<br />

der Bevölkerung (Verbraucherpräferenzen und –struktur) sowie technologische<br />

Entwicklungen betrachtet. Dabei dienten einige Faktoren mit einem Umweltbezug zur weiteren<br />

Ausdifferenzierung der zwei Entwicklungsrahmen zu Baselines, die jeweils keine verstärkte<br />

Umweltorientierung (A1 0 und B2 0 ) bzw. eine verstärkte Umweltorientierung (A1 + und<br />

B2 + ) aufweisen.<br />

Die für die Ausdifferenzierung der Baselines im Agrarsektor notwendigen Eingangsparameter<br />

stammen aus Modellen des interdisziplinären Modellverbundes - bspw. regionalisierte Daten<br />

zur Landnutzung aus dem LUS (HOYMANN, 2008). Darüber hinaus wird auf Ergebnisse der<br />

Modellierung der allgemeinen regionalen wirtschaftlichen Entwicklung (BLAZEJCZAK, GOR-<br />

NIG & SCHULZ, 2008) sowie auf die für den Energiesektor unterstellten Entwicklungen (VÖ-<br />

GELE & MARKEWITZ, 2008) aufgebaut.<br />

2.6.3 Ergebnisse<br />

Zur Ableitung der Entwicklung der Landbewirtschaftung im deutschen <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet bis<br />

zum Jahr 2020 sowie zur Analyse unterschiedlicher Entwicklungsrahmen wurde das regionalisierte<br />

Agrarsektormodell RAUMIS eingesetzt.<br />

2.6.3.1 Spezifizierung multipler Baselines für den Agrarsektor<br />

Die im Sinne der unterschiedlichen Leitmotive in den Entwicklungsrahmen A1 und B2 bzw.<br />

den dazugehörigen Baselines getroffenen Annahmen bezüglich der diskutierten Einflussfaktoren<br />

für die Landwirtschaft sind in Tabelle 1 dargestellt. Diese werden im Folgenden näher<br />

ausgeführt.<br />

Kapitel 2 – Seite 180


2.6 Projektionen zur Änderung der regionalen landwirtschaftlichen Landnutzung, Produktion und<br />

Stickstoffüberschüsse bis 2020 im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet vor dem Hintergrund sich wandelnder<br />

Rahmenbedingungen (Gömann et al.)<br />

Konsistenz zu übergeordneten Szenarioannahmen<br />

Die Ausgestaltung der Szenarien für den Agrarsektor basiert auf der im Projekt zugrunde gelegten<br />

Bevölkerungsentwicklung, die die Nachfrage nach Agrarprodukten maßgeblich determiniert.<br />

Änderungen des Nachfrageverhaltens beeinflussen die Ausrichtung der Agrarproduktion.<br />

Die Ansprüche der Gesellschaft an die Wirtschafts- und Produktionsweise der Landwirtschaft<br />

können sich zukünftig ändern. Diese Entwicklung ist bedeutsam für die Produktivitätsfortschritte<br />

in der Landwirtschaft. Derzeit wird von einer nachhaltigen und Umwelt schonenden<br />

Nutzung natürlicher Ressourcen ausgegangen. So kann beispielsweise die Zunahme einer<br />

gesundheitsbewussten Ernährungsweise zu einem Rückgang des Fleischkonsums führen oder<br />

eine zunehmende Wertschätzung der Herkunft von Nahrungsmitteln einen Anstieg des<br />

Verbrauchs regionaler Erzeugnisse bewirken. Die Annahmen zum Nahrungsmittelverbrauch<br />

in Deutschland leiten sich inhaltlich von den beschriebenen gesellschaftlichen Entwicklungen<br />

in den Entwicklungsrahmen A1 bzw. B2 ab.<br />

Tabelle 1: Überblick über die Ausgestaltung der Entwicklungsrahmen und Baselines im Agrarsektor<br />

Entwicklungsrahmen<br />

Umweltorientierung ohne verstärkte mit verstärkter ohne verstärkte mit verstärkter<br />

Akronym A1 0<br />

A1 +<br />

B2 0<br />

B2 +<br />

Globalisierung Differenzierung<br />

Leitmotiv<br />

Verbraucherverhalten<br />

EU-Agrar- und<br />

Agrarhandelspolitik<br />

Kapitel 2 – Seite 181<br />

Reduzierung des<br />

Fleischkonsums um<br />

20 %<br />

Handelsbeschränkungen durch<br />

Produktionsstandards, Beibehaltung<br />

bestehender Marktordnungsregelungen<br />

EU-Agrarpreise<br />

Orientierung an Weltmarktpreisen Abkopplung vom Weltmarkt<br />

Getreidepreis + 25% vs. 1999 + 45% vs. 1999 wie 1999 wie 1999<br />

Ölsaatenpreis + 35% vs. 1999 + 40% vs. 1999 + 50% vs. 1999 + 50% vs. 1999<br />

Schweinfleischpreis - 10% vs. 1999 - 10% vs. 1999 - 25% vs. 1999 - 30% vs. 1999<br />

Transferzahlungen<br />

Partizipation an einer arbeitsteiligen<br />

Weltwirtschaft entsprechend der<br />

komparativen Produktionsvorteile<br />

Keine Präferenzen für inländische<br />

Produkte<br />

zügige Liberalisierung, Deregulierung<br />

bestehender Marktordnungsregelungen<br />

Kürzung um 70 % gegenüber<br />

Luxemburger Beschlüssen<br />

Rückzug auf den heimischen Markt<br />

infolge einer Priorisierung der<br />

Versorgungsunabhängigkeit<br />

Präferenzen für inländische Produkte<br />

Beibehaltung der Transferzahlungen der<br />

Luxemburger Beschlüsse<br />

Flächenstilllegung<br />

fixierter Ackerflächenanteil,<br />

überregional handelbar<br />

flexibles Instrument zur<br />

Produktionssteuerung<br />

Milchquote<br />

entfällt<br />

Instrument zur Steuerung des<br />

Selbstversorgungsgrades<br />

Erneuerbare Energie aus Halbierung des Beibehaltung Beibehaltung Beibehaltung<br />

Biomasse<br />

NaWaRo-Bonus NaWaRo-Bonus NaWaRo-Bonus NaWaRo-Bonus<br />

Biokraftstoffe<br />

Herabsetzung der<br />

Beimischungsziele<br />

Beibehaltung der<br />

Beimischungsziele<br />

Herabsetzung der<br />

Beimischungsziele<br />

Beibehaltung der<br />

Beimischungsziele<br />

Quelle: Eigene Annahmen.<br />

Der zur Verfügung stehende Flächenumfang ist für die Landwirtschaft ein limitierender Produktionsfaktor.<br />

In der Vergangenheit hat die landwirtschaftlich genutzte Fläche durch die<br />

Ausdehnung anderer Flächennutzungen, insbesondere Siedlungsflächen, kontinuierlich abgenommen,<br />

d. h. die für die Landwirtschaft nutzbare Fläche ergibt sich weitgehend residual. Der<br />

regionale Umfang der landwirtschaftlich genutzten Fläche in den Baselines wird von den Er-


2.6 Projektionen zur Änderung der regionalen landwirtschaftlichen Landnutzung, Produktion und<br />

Stickstoffüberschüsse bis 2020 im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet vor dem Hintergrund sich wandelnder<br />

Rahmenbedingungen (Gömann et al.)<br />

gebnissen des LUS (vgl. Kap. 2.4) zum Acker- und Grünlandflächenumfang abgeleitet und<br />

geht als exogene Größe in die RAUMIS Analysen für die Landwirtschaft im <strong>Elbe</strong>gebiet ein.<br />

In der Vergangenheit beschränkte sich der Einfluss von Entwicklungen im Energiebereich auf<br />

die Landwirtschaft im Wesentlichen auf die Höhe der Vorleistungskosten für Treib- und<br />

Schmierstoffe, Strom und energieintensive Vorleistungen wie einige Stickstoffdüngemittel.<br />

Die für den Energiesektor getroffenen Annahmen werden im Agrarsektor als exogene Größe<br />

übernommen. Zukünftig wird die weltweite Entwicklung vor allem der Biokraftstofferzeugung<br />

an Bedeutung gewinnen, die in vielen Staaten durch unterschiedliche Maßnahmen gefördert<br />

wird9. Die zunehmende Nachfrage nach Agrarrohstoffen für die Biokraftstoffherstellung<br />

wird die Preisbildung auf den Weltagrarmärkten massiv beeinflussen. Im Hinblick auf<br />

die Abgrenzung der Baselines sind Annahmen bezüglich der jeweiligen Bedeutung der Biokraftstoffe<br />

zu treffen. Spürbare Rückwirkungen auf die Energiepreise sind angesichts des vergleichsweise<br />

geringen Anteils der Bioenergien am Gesamtenergieverbrauch nicht zu erwarten,<br />

zumal sich der Anstieg der Bioenergieproduktion bei steigenden Agrarrohstoffpreisen<br />

abschwächt.<br />

Es ist davon auszugehen, dass der Einfluss des Klimas auf die Agrarproduktion zukünftig zunimmt.<br />

Insbesondere die Entwicklung des Niederschlags, der Temperatur, der Sonnenscheindauer<br />

sowie der Klimavariabilität beeinflusst die Flächenerträge. Allerdings lassen sich klimabedingte<br />

Ertragsveränderungen derzeit nur mit einigen Unsicherheiten einschätzen. Die<br />

Unsicherheiten bestehen vor allem bei den Auswirkungen der Veränderung der Photosynthese-<br />

und Ertragsleistung der Pflanzen bei einem Temperaturanstieg oder der Veränderung des<br />

Atmungsverhaltens der Pflanzen bei einer den Klimawandel treibenden Erhöhung der CO2-<br />

Konzentration in der Luft. Der Effekt kann trockenstressbedingten Ertragsdepressionen in einigen<br />

landwirtschaftlichen Kulturarten entgegen wirken (CO2-Düngeeffekt). Simulationen mit<br />

dem Modell SWIM unter Berücksichtigung des CO2-Düngeeffektes ergaben, dass dieser im<br />

betrachteten Zeithorizont bis 2020 klimabedingte langfristige Veränderungen der Erträge<br />

landwirtschaftlicher Kulturpflanzen kompensiert. Aus diesem Grund wurden bei der Projizierung<br />

der Baselines im Agrarsektor keine klimabedingten Ertragsveränderungen unterstellt.<br />

Im Hinblick auf die Produktivitätsentwicklung in der Landwirtschaft sind technologische<br />

Fortschritte von zentraler Bedeutung. Diesbezüglich spielt der Einsatz der Gentechnologie, an<br />

deren Innovationspotenzial hohe Erwartungen geknüpft werden, eine bedeutende Rolle. Weiterentwicklungen<br />

in diesem Bereich sind nur schwer abzuschätzen, zumal sie in den unterschiedlichsten<br />

Bereichen erfolgen können. Der bisherige Einsatz Gentechnisch Veränderter<br />

Organismen (GVO) ist weitgehend auf die Schädlings- bzw. Pflanzenschutzmittelresistenz<br />

beschränkt. Über das Ausmaß künftiger GVO-bedingter Flächenertragszuwächse oder Verbesserungen<br />

der Nutzungseffizienz eingesetzter Ressourcen (z. B. Wasser und Nährstoffe)<br />

können derzeit keine belastbaren Aussagen getroffen werden, weshalb der Einfluss durch<br />

GVO in den Baselines nicht berücksichtigt wurde. Neuerungen im Bereich der Landtechnik<br />

und Informationstechnologie (z. B. Precision Farming), die ebenfalls zu Verbesserungen bei<br />

einer Ressourcen sparenden Landbewirtschaftung führen können, sind im Rahmen des unterstellten<br />

technischen Fortschritts in den vier Baselines gleichermaßen berücksichtigt.<br />

9 In den USA wird die Biokraftstoffherstellung durch Investitionsförderprogramme sowie Steuervergünstigungen<br />

in Höhe von 0,135 US$ je Liter Ethanol und 0,264 US$ je Liter Biodiesel gefördert (USDA, 2007). Dies<br />

kommt in den meisten Bundesstaaten einer weitgehenden Steuerbefreiung gleich. In der EU soll laut der<br />

Richtlinie 2003/30/EG bis 2010 ein Biokraftstoffanteil von 5,75 % erreicht werden (EUROPÄISCHES PARLA-<br />

MENT UND RAT, 2003).<br />

Kapitel 2 – Seite 182


2.6 Projektionen zur Änderung der regionalen landwirtschaftlichen Landnutzung, Produktion und<br />

Stickstoffüberschüsse bis 2020 im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet vor dem Hintergrund sich wandelnder<br />

Rahmenbedingungen (Gömann et al.)<br />

Entwicklung zentraler Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft<br />

Nachfrageverhalten und Verbrauchspräferenzen/struktur der Bevölkerung<br />

Im Entwicklungsrahmen A1 wurde konsistent zum Leitmotiv „Globalisierung“ unterstellt,<br />

dass die Verbraucher keine ausgeprägten Präferenzen für inländische (deutsche) bzw. regionale<br />

Produkte haben.<br />

Dem Entwicklungsrahmen B2 „Differenzierung“ liegt die Fragestellung zugrunde, welche<br />

Auswirkungen das Anstreben eines Selbstversorgungsgrades von 100 % bei den wichtigsten<br />

Agrarprodukten in Deutschland hätte, ohne dabei zunächst verstärkt Umweltbelange zu berücksichtigen<br />

(Baseline B2 0 ). Einen Überblick über den Selbstversorgungsgrad bei wichtigen<br />

Agrarprodukten gibt Abbildung 3. Eine zu diesem Leitmotiv konsistente (derzeit jedoch aus<br />

vielerlei Gründen wenig wahrscheinliche) „Storyline“ ist, dass Verbraucher eine sehr hohe<br />

Präferenz für heimische Produkte entwickeln und die Einhaltung von Produktionsstandards<br />

wünschen. Allerdings ist die einheitliche Definition von Produktionsstandards im Rahmen der<br />

WTO-Verhandlungen jedoch schwierig, so dass der internationale Handel als Folge davon<br />

beschränkt wird und daher auch keine weiteren Schritte zur Deregulierung des EU-<br />

Agrarsektors unternommen werden. Damit ist der EU-Markt weitgehend vom Weltmarkt abgekoppelt.<br />

Die landwirtschaftliche Produktion wird durch Flächenstilllegungen und Produktionsquoten<br />

gesteuert (vgl. Tabelle 1).<br />

Selbstversorgungsgrad<br />

in %<br />

160<br />

140<br />

120<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

Getreide<br />

Ölsaaten<br />

Zuckerrüben<br />

Rindfl.<br />

Schweinefl.<br />

Quelle: Statistisches Jahrbuch BMELV versch. Jgg.<br />

Milch<br />

Geflügelfl.<br />

Abbildung 3: Selbstversorgungsgrad bei wichtigen Agrarprodukten in Deutschland (2000/05)<br />

Positive Umwelteffekte resultieren in der Baseline B2 + aus einem steigenden Gesundheitsbewusstsein<br />

der Verbraucher, demzufolge sie ihren Fleischkonsum um 20 % einschränken (vgl.<br />

Tabelle 1). Ohne eine Abkopplung vom Weltmarkt würde dieses Verhalten nur zu geringfügigen<br />

Produktionsänderungen führen, da ein Großteil des nicht mehr auf dem Binnenmarkt absetzbaren<br />

Fleisches wettbewerbsfähig auf dem Weltmarkt abgesetzt werden könnte.<br />

EU-Agrar- und Agrarhandelspolitik<br />

Der 1992 begonnene Reformprozess der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik (GAP) wurde durch<br />

die Luxemburger Beschlüsse von 2003 (EUROPÄISCHE KOMMISSION, 2003a, b, c) sowie die<br />

EU-Zuckermarktreform von 2006 fortgesetzt. Zentrale Elemente sind eine Rückführung der<br />

Kapitel 2 – Seite 183<br />

Eier


2.6 Projektionen zur Änderung der regionalen landwirtschaftlichen Landnutzung, Produktion und<br />

Stickstoffüberschüsse bis 2020 im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet vor dem Hintergrund sich wandelnder<br />

Rahmenbedingungen (Gömann et al.)<br />

Agrarpreisstützung vor allem bei Milch bzw. Zucker. Darüber hinaus wird ein Ausstieg aus<br />

der EU-Milchquotenregelung ab 2015 diskutiert (ISERMEYER et al., 2006). Tier- und Flächenprämien<br />

werden sukzessive (bis 2013) von der Produktion entkoppelt, aber an die Einhaltung<br />

bestimmter Grundanforderungen an die Betriebsführung gekoppelt (Cross Compliance). Die<br />

Agrar- und Handelspolitik wird weiterhin Gegenstand von WTO-Verhandlungen sein, so dass<br />

der Spielraum für Agrarmarktregulierung sehr begrenzt ist.<br />

Im Entwicklungsrahmen A1 werden noch bestehende Marktregulierungen weiter liberalisiert,<br />

um den EU-Agrarsektor auf den Weltmarkt auszurichten. Konkret bedeutet das, dass die<br />

Milchquotenregelung ab 2015 nicht verlängert wird. Flächen- und Tierprämien, Milch- und<br />

Zuckerausgleichszahlungen werden zu einheitlichen Transferzahlungen an die Landwirtschaft<br />

zusammengefasst und insgesamt um 70 % gekürzt. Die Flächenstilllegungsverpflichtungen<br />

sind faktisch durch den NaWaRo-Anbau auf Stilllegungsflächen aufgehoben.<br />

Im Entwicklungsrahmen B2 bleiben strukturelle Agrarüberschüsse in der EU aufgrund des<br />

eingeschränkten Handels bestehen. Die Instrumente der Flächenstilllegungen und Produktionsquoten<br />

werden im Rahmen der bestehenden Marktregulierungen, z. B. für Getreide und<br />

Milch, grundsätzlich beibehalten. Zur Steuerung des Angebots und Begrenzung auf die inländische<br />

Nachfrage werden jedoch Preisanpassungen vorgenommen (s. unten). Die bis 2013<br />

entkoppelten Transferzahlungen an landwirtschaftliche Betriebe bleiben bestehen.<br />

Entwicklung der Agrarpreise<br />

Im Entwicklungsrahmen A1 wurde unterstellt, dass das Streben nach internationaler Wettbewerbsfähigkeit<br />

dominiert und eine zügige Liberalisierung der Agrarproduktion sowie ein<br />

weitgehender Abbau von Handelsbeschränkungen für Agrarprodukte erfolgt. Aus diesem<br />

Grund orientiert sich die Entwicklung der EU-Agrarpreise weitgehend an derjenigen auf dem<br />

Weltmarkt. Vor diesem Hintergrund wird die erwartete Weltmarktpreisentwicklung im Folgenden<br />

kurz dargestellt.<br />

Die Preisentwicklungen auf den Weltagrarmärkten ergeben sich im Wechselspiel zwischen<br />

den Entwicklungen der Nachfrage und des Angebots, wobei die einzelnen Märkte über Substitutionsbeziehungen<br />

auf der Produktions- und/oder Produktebene in mehr oder minder starker<br />

Wechselbeziehung stehen können. Die Nachfrage nach Nahrungsmitteln steht in engem<br />

Zusammenhang mit der Weltbevölkerungsentwicklung. In der Vergangenheit übertraf die<br />

durchschnittliche Zuwachsrate von 2,1 % pro Jahr der Getreideproduktion (Leitkultur) diejenige<br />

der Bevölkerung (vgl. Abbildung 4).<br />

Kapitel 2 – Seite 184


2.6 Projektionen zur Änderung der regionalen landwirtschaftlichen Landnutzung, Produktion und<br />

Stickstoffüberschüsse bis 2020 im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet vor dem Hintergrund sich wandelnder<br />

Rahmenbedingungen (Gömann et al.)<br />

Mrd.<br />

10<br />

9<br />

8<br />

7<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 2020 2030 2040 2050<br />

FAOSTAT (2007) Online Database.<br />

Kapitel 2 – Seite 185<br />

Ozeanien<br />

Afrika<br />

Latein Amerika<br />

(m. Karibik)<br />

Nord Amerika<br />

Europa<br />

Asien<br />

Getreideprod.<br />

(o. Reis) Mrd. t<br />

Quelle:<br />

Abbildung 4: Entwicklung der Weltbevölkerung (Mrd. Einwohner) und Weltgetreideproduktion (Mrd. t) im<br />

Zeitraum 1950 - 2050<br />

Bei einer differenzierten zeitlichen Betrachtung lässt sich feststellen, dass sich der Anstieg der<br />

weltweiten Getreideerzeugung von 1960 bis 1990 um 2,6 % im Zeitraum von 1990 bis 2005<br />

auf 1,1 % deutlich abgeschwächt hat und hinter das Bevölkerungswachstum von 1,4 %<br />

(1990-2005) zurückfiel. Da die Verbrauchsentwicklung die Produktionsentwicklung überstieg,<br />

wurden Lagerbestände abgebaut. Die Relation zwischen dem Getreidelagerbestand und<br />

dem Getreideverbrauch (Stock to Use Ratio) ist ein aussagekräftiger Indikator für die Versorgungslage<br />

auf dem Weltgetreidemarkt. Anhand von Abbildung 5 wird eine negative Korrelation<br />

zwischen der Preisentwicklung für Mais und der Stock to Use Ratio deutlich, die im Zeitraum<br />

von 1980 bis 2000 bei Futtergetreide durchschnittlich 0,25 betrug. Auffällig sind die<br />

hohen Lagerbestände Mitte der 80er Jahre; die durch die zu dieser Zeit stark subventionierte<br />

Getreideproduktion in den USA und der EU aufgebaut wurden und zu einem Preisverfall auf<br />

dem Weltgetreidemarkt führten.<br />

Wie sensibel die Preise auf eine temporäre Knappheitssituation reagieren, können zeigt die<br />

Preishausse Mitte der 90er Jahre, die unter anderem mit Umstellungen der Getreidemarktpolitiken<br />

in den USA und der EU einherging. Seit dem Jahr 2000 nimmt die Knappheitssituation<br />

auf den Getreidemärkten zu. Die Lagerbestände nahmen ab und die Getreidepreise steigen<br />

(vgl. Abbildung 5).


2.6 Projektionen zur Änderung der regionalen landwirtschaftlichen Landnutzung, Produktion und<br />

Stickstoffüberschüsse bis 2020 im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet vor dem Hintergrund sich wandelnder<br />

Rahmenbedingungen (Gömann et al.)<br />

US$ / t<br />

250<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50<br />

0<br />

Mais 2)<br />

1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015<br />

1) Hard Red Winter No. 2 fob Gulf. - 2) Corn, No. 2, Yellow fob Gulf. - 3) Corn, Barley, Sorghum.<br />

USDA (2007) Dataset.<br />

Weizen 1)<br />

Stock to Use Ratio 3)<br />

Kapitel 2 – Seite 186<br />

FAPRI<br />

OECD<br />

FAPRI<br />

OECD<br />

%<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

Quelle:<br />

Abbildung 5: Entwicklung der Getreidepreise in den USA (1975 – 2016)<br />

Eine wesentliche Ursache der abnehmenden Getreideversorgung ist die steigende Verarbeitung<br />

von Agrarrohstoffen zu Biokraftstoffen. In Brasilien erfolgte bereits seit Ende der 70er<br />

Jahre eine Ausdehnung der Ethanolherstellung. Dazu wurden 2006 rund 200 Mio. t bzw.<br />

50 % der Zuckerrohrproduktion verwendet (USDA, 2006). In den USA stieg im Zeitraum<br />

2001 bis 2006 der Anteil der Maisverarbeitung zu Ethanol von rund 7 % auf 18 % des gesamten<br />

US-Maisverbrauchs sprunghaft an (vgl. Abbildung 6).<br />

Mittelfristig wird bis zum Jahr 2010 ein Anteil von rund 30 % avisiert. Die zunehmende<br />

Nachfrage nach Mais zur Ethanolherstellung führte zu einem starken und anhaltenden Anstieg<br />

der Getreidepreise, die Anfang 2007 das Niveau der bisherigen Höchstpreise Mitte der 90er<br />

erreichten (vgl. Abbildung 6). Aufgrund der Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Agrarpreisen,<br />

für die der Getreidepreis eine Leitfunktion darstellt, ist von einem insgesamt steigenden<br />

Agrarpreisniveau auszugehen.<br />

US $/t<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50<br />

0<br />

Weizen 1)<br />

Mais 1)<br />

75 77 79 81 83 85 87 89 91 93 95 97 99 01 03 05 07 09 11 13 15<br />

1) Durchschnittlicher Erzeugerpreis. - 2) Anteil der Maisverwendung zur Ethanolproduktion.<br />

Quelle: USDA (2007) Dataset.<br />

Ethanol 2)<br />

Abbildung 6: Entwicklung der Getreidepreise und des Anteils der Maisverarbeitung zu Ethanol in den USA<br />

(1975 – 2016)<br />

Grundsätzlich wird im Entwicklungsrahmen „Globalisierung“ unterstellt, dass durch die Förderung<br />

technologischer Neuerungen und das Ausschöpfen von Anbaureserven, z. B. Einbeziehung<br />

stillgelegter Flächen in der EU und den USA sowie in Südamerika, ausreichend Potenzial<br />

besteht, die Nahrungsmittelproduktion zu steigern und die wachsende Nachfrage zu<br />

%<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0


2.6 Projektionen zur Änderung der regionalen landwirtschaftlichen Landnutzung, Produktion und<br />

Stickstoffüberschüsse bis 2020 im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet vor dem Hintergrund sich wandelnder<br />

Rahmenbedingungen (Gömann et al.)<br />

befriedigen. Dabei wird in der Baseline A1 0 davon ausgegangen, dass die oben beschriebenen<br />

Biokraftstoffziele weltweit herabgesetzt werden, so dass sich der Agrarpreisanstieg auf rund<br />

25 % gegenüber dem Basisjahr beläuft (vgl. Tabelle 1 sowie Tabelle 2).<br />

In der Baseline A1 + wird hingegen eine Beibehaltung der Biokraftstoffziele unterstellt, was zu<br />

einem zusätzlichen Preisanstieg führt, so dass das Getreidepreisniveau um rund 45 % im Vergleich<br />

zum Basisjahr steigt.<br />

Die Preisbildung im Entwicklungsrahmen B2 „Differenzierung“ erfolgt abgekoppelt vom<br />

Weltmarkt. Das derzeitige Stützpreisniveau bestimmt daher weiterhin bei den Überschussprodukten<br />

bspw. Getreide, Rindfleisch und Milch die EU-Marktpreise. Die Erzeugerpreisvektoren<br />

für B2 0 bzw. B2 + wurden mit RAUMIS iterativ ermittelt, bis die vom Modell berechneten<br />

Produktionsmengen bei den wichtigsten Agrarprodukten den jeweiligen Verbrauchsmengen<br />

entsprachen.<br />

Agrarrelevante Umweltpolitik<br />

Die Landwirtschaft hat zur Schonung der Umwelt ein umfangreiches Fachrecht zu beachten,<br />

das die Grundlage der guten landwirtschaftlichen Praxis darstellt. Verstöße gegen das Fachrecht<br />

werden entsprechend geahndet. Um die Nichteinhaltung des Fachrechts stärker zu sanktionieren,<br />

wurden verschiedene Richtlinien in einen Katalog von Grundanforderungen an die<br />

landwirtschaftliche Betriebsführung aufgenommen. Verstöße gegen diese Grundanforderungen<br />

können demnach mit Kürzungen der Direktzahlungen an den betreffenden Landwirt von<br />

bis zu 5 % geahndet werden (vgl. BMELV, 2006). Im Umweltbereich umfasst der Katalog<br />

derzeit die Vogelschutzrichtlinie 79/409/EWG, die Grundwasserrichtlinie 80/68/EWG, die<br />

Richtlinie 86/278/EWG zur Verwendung von Klärschlamm in der Landwirtschaft, die Nitrat-<br />

Richtlinie 91/676/EWG und die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie 92/43/EWG.<br />

Im Hinblick auf die Gewässerqualität sind in der Nitratrichtlinie, die in Deutschland durch die<br />

Düngeverordnung umgesetzt wurde, Höchstgrenzen für den Stickstoffeinsatz aus Wirtschaftsdünger<br />

auf landwirtschaftlich genutzten Flächen festgelegt, die nicht überschritten werden<br />

dürfen. Ferner ist ein betrieblicher Nährstoffvergleich durchzuführen. Sofern die Düngebilanz<br />

im Mittel der Jahre 2009 bis 2011 nicht mehr als 60 kg N je ha LF beträgt, wird davon ausgegangen,<br />

dass die gute fachliche Praxis eingehalten wurde. Für die Landwirtschaft ist es zukünftig<br />

bedeutsam, inwiefern bspw. die Einhaltung der Nährstoffbilanzgrenzen eine einzuhaltende<br />

Auflage darstellen wird und ob weitere Auflagen in den Katalog der einzuhaltenden Anforderungen<br />

aufgenommen werden.<br />

In den Baselines wird unterstellt, dass Cross Compliance Auflagen mit ähnlicher Intensität<br />

wie in der Vergangenheit kontrolliert werden. Die Auswirkungen der Einhaltung der Düngeverordnung<br />

werden für die als wahrscheinlichste erachtete Baseline A1 + als Handlungsoption<br />

separat analysiert.<br />

Nationale Agrarpolitik und Politik zur Entwicklung ländlicher Räume<br />

Während im Entwicklungsrahmen A1 die Marktregulierungen weitgehend aufgehoben wurden,<br />

bleiben im Entwicklungsrahmen B2 die regionalen Handelsgebiete für Milchquoten und<br />

Stilllegungsverpflichtungen bestehen, um regionale Wirtschaftskreisläufe nach dem Motto<br />

„Produkte aus der Region für die Region“ zu unterstützen. Dadurch soll gleichzeitig der fortschreitenden<br />

dualen Entwicklung hin zu Konzentrationen der landwirtschaftlichen Produktion<br />

auf wettbewerbsfähigen Standorten entgegengewirkt werden.<br />

Energiepolitik<br />

Kapitel 2 – Seite 187


2.6 Projektionen zur Änderung der regionalen landwirtschaftlichen Landnutzung, Produktion und<br />

Stickstoffüberschüsse bis 2020 im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet vor dem Hintergrund sich wandelnder<br />

Rahmenbedingungen (Gömann et al.)<br />

Neben der seit 2007 durch Beimischungsquoten geförderten Biokraftstofferzeugung besteht in<br />

Deutschland seit der Novellierung des Gesetzes für den Vorrang Erneuerbarer Energien<br />

(EEG) ein hoher Anreiz, Energiepflanzen in Biogasanlagen einzusetzen (DEUTSCHER BUN-<br />

DESTAG, 2004). Die Basisförderung bildet ein für 20 Jahre garantierter Stromeinspeisepreis.<br />

Hinzu kommen diverse Zuschläge, allen voran ein Bonus für Nachwachsende Rohstoffe<br />

(NaWaRo). Dabei hat sich der Maisanbau als günstigstes Verfahren für die Substratbereitstellung<br />

erwiesen (FNRa, 2005). Unter den Rahmenbedingungen in der Periode von 2003/06<br />

wurden von Biogasanlagenbetreibern zwischen 22 - 24 €/t für Energiemais (frei Siloplatte mit<br />

30 % Trockensubstanz in der Frischemasse) gezahlt. Dieses Preisniveau sowie seine gute Integrierbarkeit<br />

in die Fruchtfolge machen den Energiemaisanbau zu einem sehr wettbewerbsfähigen<br />

Verfahren.<br />

Während in der Baseline A1 0 die Förderung des NaWaRo-Anbaus zur Energieerzeugung<br />

durch eine unterstellte Halbierung des NaWaRo-Bonus (vgl. Tabelle 1) verringert wird, was<br />

zu einem Rückgang des Energiemaispreises auf 20 Euro/t führt, bleibt der NaWaRo-Bonus in<br />

den anderen Szenarien bestehen und der Substratpreis für Energiemais bei 24 Euro/t (vgl. Tabelle<br />

2).<br />

2.6.3.2 Entwicklung der landwirtschaftlichen Produktion und Nährstoffüberschüsse<br />

im <strong>Elbe</strong>gebiet<br />

Sektorale Entwicklungen<br />

Unter den in den Baselines spezifizierten Rahmenbedingungen entwickelt sich die Landbewirtschaftung<br />

im <strong>Elbe</strong>gebiet sehr unterschiedlich (vgl. Tabelle 2), wobei der jeweilige Flächenstilllegungsumfang<br />

maßgeblich ist. Aufgrund der in der Baseline A1 0 unterstellten niedrigen<br />

Futtergetreidepreise beläuft sich der Umfang stillgelegter bzw. brach fallender Flächen<br />

auf rund 250.000 ha im <strong>Elbe</strong>gebiet. Bei dem deutlich höheren Agrarpreisniveau in der Baseline<br />

A1 + erfolgt eine im Vergleich zu A1 0 intensivere Landbewirtschaftung. Dies kommt auch<br />

darin zum Ausdruck, dass die Flächenstilllegung durch die Möglichkeit, auf diesen Flächen<br />

Nachwachsende Rohstoffe anzubauen, praktisch aufgehoben ist.<br />

Kapitel 2 – Seite 188


2.6 Projektionen zur Änderung der regionalen landwirtschaftlichen Landnutzung, Produktion und<br />

Stickstoffüberschüsse bis 2020 im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet vor dem Hintergrund sich wandelnder<br />

Rahmenbedingungen (Gömann et al.)<br />

Tabelle 2: Landwirtschaftliche Landnutzung und Produktion im <strong>Elbe</strong>gebiet bei unterschiedlichen Entwicklungen<br />

des Globalen Wandels im Jahr 2020<br />

BASJ A1 0<br />

Einheit 1999 2020 2020 2020 2020<br />

Erzeugerpreise<br />

Weizen Euro / t 113 146 166 118 118<br />

Futtergetreide Euro / t 100 95 125 77 77<br />

Ölsaaten Euro / t 187 255 265 283 283<br />

Milch Euro / t 302 221 234 220 206<br />

Schweinefleisch Euro / t 1052 933 968 802 737<br />

Energiemais<br />

Landnutzung<br />

Euro / t . 20 24 24 24<br />

Getreide 1.000 ha 2.601 2.547 2.817 1.879 1.877<br />

Weizen 1.000 ha 1.009 1.347 1.401 1.004 1.001<br />

sonst. Getreide 1.000 ha 1.592 1.200 1.416 875 876<br />

Ölsaaten 1.000 ha 553 648 788 768 1.007<br />

Hülsen- u. Hackfrüchte 1.000 ha 392 310 319 289 290<br />

Silomais 1.000 ha 405 290 242 288 263<br />

Sonst. Ackerfutter 1.000 ha 195 354 314 355 356<br />

Energiemais 1.000 ha . 168 250 288 282<br />

Stilllegung und Brache<br />

Produktion<br />

1.000 ha 326 249 84 621 656<br />

Getreide 1.000 t 16.219 21.514 23.627 15.601 15.390<br />

Ölsaaten 1.000 t 1.891 3.864 3.331 4.810 4.794<br />

Energiemais 1.000 t . 8.514 12.536 14.877 14.559<br />

Milch 1.000 t 7.974 8.292 8.837 8.466 6.775<br />

Rind- und Kalbfleisch 1.000 t 344 227 222 243 203<br />

Schweinefleisch 1.000 t 782 1.017 878 869 680<br />

Geflügelfleisch 1.000 t 217 332 317 485 395<br />

Eier 1.000 t 253 255 225 314 240<br />

Stickstoffüberschuss 1.000 t 456 432 433 435 396<br />

Stickstoffüberschuss kg N ja ha 74,1 66,2 66,5 66,8 60,7<br />

Quelle: Eigene Berechnungen mit RAUMIS 2007.<br />

Die Landnutzung in den Baselines B2 0 und B2 + wird durch die Bestrebung determiniert, eine<br />

weitgehende Selbstversorgung zu erreichen. Zur Einschränkung der Getreideüberschüsse und<br />

Reduzierung des Ölsaatendefizits werden über eine entsprechende Veränderung der Preisrelation<br />

Produktionsanreize gesetzt. Dadurch sowie das insgesamt niedrigere Preisniveau wird die<br />

Getreidefläche um rund 720.000 ha reduziert, zugunsten einer Ausdehnung der Ölsaatenfläche<br />

um etwa 215.000 ha. Trotz der Umwidmung ist darüber hinaus eine Ausweitung der Flächenstilllegung<br />

erforderlich, die im Vergleich zum Basisjahr den doppelten Umfang einnimmt.<br />

Die Entwicklung der Produktionsmengen erfolgt parallel zur Landnutzung, wobei die Produktionsmengen<br />

in den Baselines B2 0 und B2 + jeweils die vorgegebenen Verbrauchsmengen widerspiegeln.<br />

Die Anpassungen zur Erreichung eines Selbstversorgungsgrades von 100 % sind<br />

auch Abbildung 3 zu entnehmen.<br />

Ferner ist hervorzuheben, dass infolge der unterstellten Herabsetzung der NaWaRo-Förderung<br />

in der Baseline A1 0 mit einem resultierenden Substratpreis von 20 Euro/t, sich die Energiemaisfläche<br />

im <strong>Elbe</strong>gebiet nach den Modellergebnissen auf 168.000 ha belaufen wird. Bei einem<br />

weiteren in A1 + unterstellten Getreidepreisanstieg, der bei einer Beibehaltung der Na-<br />

WaRo-Förderung mit einem Substratpreis von 24 Euro/t einhergeht, würde die Energiemais-<br />

Kapitel 2 – Seite 189<br />

A1 +<br />

B2 0<br />

B2 +


2.6 Projektionen zur Änderung der regionalen landwirtschaftlichen Landnutzung, Produktion und<br />

Stickstoffüberschüsse bis 2020 im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet vor dem Hintergrund sich wandelnder<br />

Rahmenbedingungen (Gömann et al.)<br />

fläche rund 250.000 ha betragen. Die erwartbare Energiemaisfläche hängt stark von der Ertragsentwicklung<br />

ab, die ein wichtiger Einflussfaktor für die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber<br />

anderen Kulturen ist. In einer RAUMIS-Simulation mit einem gegenüber Silomais im Zieljahr<br />

um 20 % höheren Ertragsniveau bei einem zur Baseline A1 + vergleichbaren Erzeugerpreisvektor<br />

wurde für das <strong>Elbe</strong>gebiet eine Energiemaisfläche von rund 400.000 ha ermittelt (GÖ-<br />

MANN, KREINS & BREUER, 2007). Sollte dieses Energiemaisertragsniveau im <strong>Elbe</strong>gebiet realisiert<br />

werden können, werden die in den Baselines B2 0 und B2 + ermittelten Flächenstilllegungsflächen<br />

überwiegend mit Energiemais bestellt.<br />

Der für die Gewässerqualität relevante Stickstoffüberschuss geht nach den Modellberechnungen<br />

im Zeitraum von 1999 bis 2020 in allen Baselines zurück. Ein wesentlicher Grund dafür<br />

ist der Rückgang des Rindviehbestands. Unter den Rahmenbedingungen der Baselines A1 0<br />

und A1 + wird der Milchviehbestand um rund 370.000 bzw. 300.000 Milchkühe reduziert.<br />

Hinzu kommt ein weiterer Abbau des Rindviehbestandes um rund 600.000 Tiere (Großvieheinheiten)<br />

durch die Entkopplung von Tierprämien. Der Stickstoffbilanzüberschuss, der sich<br />

im Basisjahr 1999 auf rund 74 kg N je ha LF beläuft, geht dadurch insgesamt auf 66 kg N je<br />

ha LF zurück. Das macht insgesamt eine Reduktion von rund 25.000 t im deutschen <strong>Elbe</strong>gebiet<br />

aus.<br />

Durch das Anstreben eines Selbstversorgungsgrades von 100 % in der Baseline B2 0 und B2 + ,<br />

infolgedessen die Schweinefleisch-, Geflügelfleisch- und Eiererzeugung gegenüber dem Basisjahr<br />

ausgedehnt wird, liegt der Stickstoffbilanzüberschuss im Vergleich zur Baseline A1 +<br />

zunächst geringfügig höher (vgl. Tabelle 2). Die Anpassung der Produktion auf eine um 20 %<br />

reduzierte Nachfrage nach tierischen Produkten in der Baseline B2 + bewirkt einen Rückgang<br />

des Stickstoffbilanzüberschusses im <strong>Elbe</strong>gebiet auf rund 61 kg N je ha LF bzw. um weitere<br />

40.000 t. Insgesamt würde der Stickstoffüberschuss in der Baseline B2 + rund 61.000 t unter<br />

dem Niveau des Basisjahres 1999 liegen.<br />

Die zukünftige Milcherzeugung hängt nach einem Wegfall der Milchquotenregelung jedoch<br />

stark vom Erzeugerpreis ab, der sich am Markt einstellen wird. Bei einer Milchpreiserhöhung<br />

um 10 % nimmt die Milcherzeugung in Deutschland nach Berechnungen von KREINS & GÖ-<br />

MANN (2008) um rund 22 % zu. Die Nährstoffbilanzüberschüsse würden dadurch im <strong>Elbe</strong>gebiet<br />

im Vergleich zur Baseline A1 + um rund 3 % höher ausfallen.<br />

Regionale Entwicklungen<br />

Die räumliche Verteilung der Landnutzung, die ein Einflussfaktor für die Evapotranspiration<br />

darstellt, ist für die regionalen Wasserbilanzen im <strong>Elbe</strong>gebiet von Bedeutung. In diesem Zusammenhang<br />

sind die Verteilung der Flächenstilllegung sowie des Maisanbaus von besonderem<br />

Interesse. Da sich die Flächenstilllegung in den Baselines als Ergebnis unterschiedlicher<br />

Erzeugerpreisvektoren ergibt, erfolgt das Stilllegen oder Brachfallen von Flächen im Wesentlichen<br />

auf den Ungunststandorten, vor allem in Brandenburg (vgl. Abbildung 7).<br />

Kapitel 2 – Seite 190


2.6 Projektionen zur Änderung der regionalen landwirtschaftlichen Landnutzung, Produktion und<br />

Stickstoffüberschüsse bis 2020 im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet vor dem Hintergrund sich wandelnder<br />

Rahmenbedingungen (Gömann et al.)<br />

A1 0 A1 + B2 0 B2 +<br />

Quelle: RAUMIS-Berechnungen 2007.<br />

Abbildung 7: Flächenstilllegungen im <strong>Elbe</strong>gebiet bei unterschiedlichen Baselines (2020; in % der LF)<br />

Veränderungen der Maisfläche basieren insbesondere auf dem zunehmenden Anbau von<br />

Energiemais zur Biogaserzeugung. Das größte Flächenpotenzial besteht hierbei in den Ackerbauregionen<br />

Sachsen-Anhalts, Thüringens und Sachsens (vgl. Abbildung 8), in denen der<br />

Energiemaisanteil teilweise über 10 % der landwirtschaftlich genutzten Fläche (LF) liegt.<br />

A1 0 A1 + B2 0 B2 +<br />

Quelle: RAUMIS-Berechnungen 2007.<br />

Abbildung 8: Energiemaisanbauflächen im <strong>Elbe</strong>gebiet bei unterschiedlichen Baselines (2020; in % der LF)<br />

Die Anbauflächen von Energiemais und Silomais zusammen ergeben in den genannten Gunstregionen<br />

Anbauanteile von über 15 % der LF. Der Maisanbau (vgl. Abbildung 9) am Unterlauf<br />

der <strong>Elbe</strong> sowie in Brandenburg wird überwiegend als Futtermais für die Milch- und Rindfleischerzeugung<br />

genutzt.<br />

Kapitel 2 – Seite 191


2.6 Projektionen zur Änderung der regionalen landwirtschaftlichen Landnutzung, Produktion und<br />

Stickstoffüberschüsse bis 2020 im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet vor dem Hintergrund sich wandelnder<br />

Rahmenbedingungen (Gömann et al.)<br />

A1 0 A1 + B2 0 B2 +<br />

Quelle: RAUMIS-Berechnungen 2007.<br />

Abbildung 9: Maisanbauflächen im <strong>Elbe</strong>gebiet bei unterschiedlichen Baselines (2020; in % der LF)<br />

Die Entwicklung und regionale Differenzierung der Stickstoffbilanzsalden stehen aufgrund<br />

des anfallenden Wirtschaftsdüngers in engem Zusammenhang mit der Tierproduktion. Aufgrund<br />

der geringeren Viehbesatzdichte im Vergleich zum Bundesgebiet lagen die durchschnittlichen<br />

Stickstoffbilanzüberschüsse bei rund 74 kg N je ha LF (vgl. Tabelle 2). Bis zum<br />

Jahr 2020 wird in den Baselines A1 0 , A1 + sowie B2 0 eine weitere Abnahme auf ca. 66 kg N je<br />

ha LF projiziert, vor allem aufgrund der oben erläuterten Reduzierung der Rindviehbestände.<br />

Auf regionaler Ebene ist das Spektrum der Stickstoffüberschüsse im <strong>Elbe</strong>gebiet aufgrund der<br />

Verteilung der Viehbestände breit gestreut (vgl. Abbildung 10). Aus den Modellergebnissen<br />

ergibt sich für das Jahr 2020 eine Spannweite von ca. 30 kg N pro ha LF (Region Erfurt) bis<br />

etwa 107 kg N pro ha LF (Region Cuxhafen). Zwischen den Baselines kommt es infolge der<br />

oben beschriebenen unterschiedlichen regionalen Ausrichtung der landwirtschaftlichen Produktion<br />

zu geringfügigen Verschiebungen der Stickstoffbilanzüberschüsse. Verglichen mit<br />

der Baseline B2 0 kommt es in B2 + zu einem flächendeckenden regionalen Rückgang der<br />

Stickstoffbilanzüberschüsse von 8 bis 12 %.<br />

Kapitel 2 – Seite 192


2.6 Projektionen zur Änderung der regionalen landwirtschaftlichen Landnutzung, Produktion und<br />

Stickstoffüberschüsse bis 2020 im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet vor dem Hintergrund sich wandelnder<br />

Rahmenbedingungen (Gömann et al.)<br />

A1 0 A1 + B2 0 B2 +<br />

Quelle: RAUMIS-Berechnungen 2007.<br />

Abbildung 10: Regionale Stickstoffbilanzüberschüsse im deutschen <strong>Elbe</strong>gebiet bei unterschiedlichen Entwicklungen<br />

des Globalen Wandels (2020; in kg je ha LF)<br />

2.6.3.3 Auswirkungen einer sukzessiven Reduzierung zulässiger Stickstoffüberschüsse<br />

Die Auswirkungen einer sukzessiven Reduktion zulässiger Stickstoffbilanzüberschüsse wurden<br />

exemplarisch für die Baseline A1 + durchgeführt. Grundsätzlich muss bei der Stickstoffbilanzierung<br />

zwischen einer eintragsrelevanten und maßnahmenrelevanten Bilanzierung unterschieden<br />

werden (vgl. Kap. 2.5.2.5). Eine in der Praxis umsetzbare maßnahmenrelevante Bilanzierung<br />

wurde mit dem in der DüV festgelegten Nährstoffvergleich vorgegeben. Die Ergebnisse<br />

des eintragsrelevanten Stickstoffbilanzüberschusses wurden in Abbildung 11 den<br />

Ergebnissen des Nährstoffvergleichs laut Düngeverordnung für das Jahr 2020 gegenübergestellt.<br />

Laut DüV sollen die Stickstoffüberschüsse nach dem Nährstoffvergleich 60 kg N je ha<br />

LF nicht überschreiten. Diese Auflage wird im <strong>Elbe</strong>gebiet bis auf sechs Regionen, die sich<br />

überwiegend am Unterlauf der <strong>Elbe</strong> befinden und hohe Viehbesatzdichten aufweisen, eingehalten.<br />

So würde eine strikte flächendeckende Einhaltung des Stickstoffüberschusses in<br />

Höhe von 60 kg N je ha LF gemäß der Düngeverordnung nur in den genannten Regionen zu<br />

einer Reduzierung der eintragsrelevanten Stickstoffüberschüsse führen. Die dadurch erzielbare<br />

Verminderung beläuft sich bezogen auf den Durchschnitt des <strong>Elbe</strong>gebietes laut den Modellergebnissen<br />

auf 1 kg N je ha LF gegenüber der Baseline A1 + im Jahr 2020 (vgl. Abbildung<br />

12).<br />

Kapitel 2 – Seite 193


2.6 Projektionen zur Änderung der regionalen landwirtschaftlichen Landnutzung, Produktion und<br />

Stickstoffüberschüsse bis 2020 im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet vor dem Hintergrund sich wandelnder<br />

Rahmenbedingungen (Gömann et al.)<br />

Eintragsrelevant<br />

Mittel = 66,5 kg N je ha LF<br />

Quelle: Eigene Berechnungen mit RAUMIS 2007.<br />

Kapitel 2 – Seite 194<br />

Düngeverordnung<br />

Mittel = 31,1 kg N je ha LF<br />

Abbildung 11: Eintragsrelevante regionale Stickstoffbilanzüberschüsse und Stickstoffüberschüsse nach dem<br />

Nährstoffvergleich laut Düngeverordnung im deutschen <strong>Elbe</strong>gebiet in der Baseline A1 + (2020)<br />

Eine weitere schrittweise Herabsetzung des maximalen Nährstoffvergleichsüberschusses bis<br />

hin zu einer Halbierung auf 30 kg N je ha LF betrifft rund die Hälfte der RAUMIS-<br />

Modellregionen im <strong>Elbe</strong>gebiet. Die Umsetzung dieser Maßnahme würde den durchschnittlichen<br />

eintragsrelevanten Stickstoffbilanzüberschuss um rund 6 kg N je ha LF verringern.<br />

kg N je ha LF DüV<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

A1+ 100kg 80kg 60kg 50kg 40kg 30kg 20kg 10kg<br />

maximale N-Überschüsse laut Düngeverordnung (kg je ha LF)<br />

Quelle: Eigene Berechnungen mit RAUMIS 2007.<br />

Abbildung 12: Reduktion eintragsrelevanter Stickstoffüberschüsse im <strong>Elbe</strong>gebiet infolge einer sukzessiven<br />

Herabsetzung maximaler Stickstoffbilanzüberschüsse laut Düngeverordnung in der Baseline A1 + (2020)<br />

Die mit der Reduktion verbundenen regionalen Grenzkosten wurden anhand der Veränderung<br />

des RAUMIS-Zielfunktionswertes ermittelt. Die sukzessive Reduktion der zulässigen Stickstoffbilanzüberschüsse<br />

laut DüV greifen im <strong>Elbe</strong>gebiet erst bei einer Verringerung von 80 auf


2.6 Projektionen zur Änderung der regionalen landwirtschaftlichen Landnutzung, Produktion und<br />

Stickstoffüberschüsse bis 2020 im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet vor dem Hintergrund sich wandelnder<br />

Rahmenbedingungen (Gömann et al.)<br />

60 kg N, und zwar in den viehintensiven Regionen am Unterlauf der <strong>Elbe</strong>. Die Grenzvermeidungskosten<br />

belaufen sich hier laut Modellergebnissen auf bis zu 2 € je reduziertem kg N. Je<br />

stärker die zulässigen Überschüsse gesenkt werden, desto stärker nehmen die Grenzkosten in<br />

diesen Regionen zu und können bei einem Reduktionsschritt von 40 auf 30 kg N bei über<br />

10 €/kg N liegen. Da bei den jeweiligen Reduktionsschritten sukzessive weitere Regionen<br />

Anpassungen vornehmen müssen, die zunächst geringe Grenzkosten verursachen, weisen die<br />

durchschnittlichen Grenzvermeidungskosten im <strong>Elbe</strong>gebiet einen vergleichsweise geringen<br />

Anstieg auf. Insgesamt zeigen die Regionen erwartungsgemäß in Abhängigkeit der Ausgangslage<br />

einen sehr unterschiedlichen Verlauf der Grenzvermeidungskosten (vgl. Abbildung 13).<br />

Die höchsten Vermeidungskosten entstehen in den Regionen, die aufgrund einer intensiven<br />

Viehhaltung hohe Stickstoffbilanzüberschüsse aufweisen.<br />

Euro / kgN<br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

A1+ bis<br />

100 kgN<br />

<strong>Elbe</strong><br />

100 bis 80<br />

kgN<br />

80 bis 60<br />

kgN<br />

60 bis 50<br />

kgN<br />

Quelle: Eigene Berechnungen mit RAUMIS 2007.<br />

50 bis 40<br />

kgN<br />

Kapitel 2 – Seite 195<br />

40 bis 30<br />

kgN<br />

30 bis 20<br />

kgN<br />

Abbildung 13: Grenzkosten in der Landwirtschaft bei Herabsetzung maximaler Stickstoffbilanzüberschüsse<br />

laut Düngeverordnung in der Baseline A1 + , differenziert nach RAUMIS-Regionen für das Jahr 2020 (in € / kg<br />

reduziertem N)<br />

Mit der Einrichtung von Ackeruferrandstreifen wurde eine weitere Handlungsoption zur Reduzierung<br />

diffuser Stickstoffeinträge aus der Landwirtschaft untersucht. Dabei wurden Randstreifenbreiten<br />

mit einer Breite von 10 m, 20 m und 30 m untersucht. Die bei einer Anbindung<br />

des Ackerlands an Oberflächengewässer jeweils aus der Produktion herauszunehmenden<br />

Ackerflächen wurden aus der MONERIS-Datenbank für die RAUMIS-Analysen bereitgestellt.<br />

Während sich die Stickstoffbilanzüberschüsse auf den weiterhin bewirtschafteten<br />

Ackerflächen nicht verändern, wurden die Ackeruferrandstreifen wie Stilllegungsflächen behandelt.<br />

Die resultierende Stickstoffbilanzüberschussreduktion bezogen auf die gesamte LF<br />

verhält sich somit proportional zur Breite des Ackeruferrandstreifens. So beträgt die Reduktion<br />

je 10 m Ackeruferrandstreifen durchschnittlich rund 0,5 kg N je ha LF im <strong>Elbe</strong>gebiet (vgl.<br />

Abbildung 14). Wie sich die Reduktion diffuser Nährstoffeinträge durch die untersuchten<br />

Maßnahmen auf die Qualität der Oberflächengewässer auswirkt, ist Gegenstand der Analysen<br />

mit MONERIS (vgl. BEHRENDT ET AL., 2008).<br />

Die Vermeidungskosten der Maßnahme verlaufen ebenfalls proportional zur Ackerrandstreifenbreite<br />

und belaufen sich auf rund 6 Euro je kg reduziertem Stickstoffbilanzüberschuss.


2.6 Projektionen zur Änderung der regionalen landwirtschaftlichen Landnutzung, Produktion und<br />

Stickstoffüberschüsse bis 2020 im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet vor dem Hintergrund sich wandelnder<br />

Rahmenbedingungen (Gömann et al.)<br />

kg N je ha LF<br />

70<br />

68<br />

66<br />

64<br />

62<br />

60<br />

58<br />

56<br />

54<br />

52<br />

50<br />

66,8 66,3 65,8 65,3<br />

A1+ 10m 20m 30m<br />

Ackeruferrandstreifenbreite (in Metern)<br />

Quelle: Eigene Berechnungen mit RAUMIS 2007.<br />

Abbildung 14: Reduktion eintragsrelevanter Stickstoffüberschüsse im <strong>Elbe</strong>gebiet infolge einer Einrichtung<br />

von Ackeruferrandstreifen in der Baseline A1 + (2020)<br />

2.6.4 Diskussion<br />

Die Abschätzung zukünftiger Entwicklungen der Landbewirtschaftung unter dem Einfluss des<br />

Globalen Wandels sowie deren Auswirkungen auf die Umwelt erweist sich aufgrund vielfältiger<br />

Zusammenhänge, Wechselwirkungen und regionaler Besonderheiten als sehr komplex.<br />

Zur Ableitung effizienter Strategien zur Vermeidung unerwünschter Entwicklungen des Globalen<br />

Wandels ist die simultane Berücksichtigung einer Vielzahl sozioökonomischer und naturwissenschaftlicher<br />

Wechselwirkungen erforderlich. Die Kopplung interdisziplinärer Modelle<br />

bietet eine gute Möglichkeit, Teile der komplexen Wechselwirkungen modellhaft abzubilden.<br />

Dabei lassen sich, wie die Erfahrungen im <strong>GLOWA</strong>-<strong>Elbe</strong> Projekt zeigen, bestehende<br />

Synergien nutzen. Der Modellverbund schafft eine direkte Verbindung zwischen Driving-<br />

Force, State und Response Indikatoren und ermöglicht neben der regionalen Spezifizierung<br />

des Zusammenspiels von Prozessen des Globalen Wandels mit politischen Handlungsoptionen<br />

eine zielgenaue Berücksichtigung der gesellschaftlichen Anforderungen an die Landwirtschaft.<br />

Die untersuchten Entwicklungsrahmen und daraus abgeleiteten Baselines weisen ein breites<br />

Spektrum möglicher Entwicklungen auf, die im Agrarsektor zu sehr unterschiedlichen Anpassungen<br />

bis zum Jahr 2020 führen können. Angesichts der derzeitigen Entwicklungen in Richtung<br />

einer zunehmenden „Globalisierung“ spielen die für den Entwicklungsrahmen A1 die<br />

zukünftigen Weltmarktpreise für Agrarprodukte sowie die Ausgestaltung der EU-Agrarpolitik<br />

und Energiepolitik eine zentrale Rolle. Aufgrund steigender Agrarpreise und der Förderung<br />

Nachwachsender Rohstoffe zur Energieerzeugung kommt es zu einer Intensivierung der Flächenutzung<br />

in Deutschland, so dass sich die Entwicklungen gänzlich anders darstellen, als<br />

noch bis zum Jahr 2006 absehbar war. Flächenstilllegungen finden praktisch nicht mehr statt,<br />

weil auf diesen Nachwachsende Rohstoffe angebaut werden.<br />

Die weltweite Förderung der Biokraftstoffproduktion stellt eine stärkere Kopplung zwischen<br />

den Nahrungsmittelpreisen und Ölpreisen her als es bisher über die Vorleistungsgüter (z.B.<br />

Kapitel 2 – Seite 196


2.6 Projektionen zur Änderung der regionalen landwirtschaftlichen Landnutzung, Produktion und<br />

Stickstoffüberschüsse bis 2020 im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet vor dem Hintergrund sich wandelnder<br />

Rahmenbedingungen (Gömann et al.)<br />

Düngemittel, Treib- und Schmierstoffe) der Agrarproduktion der Fall war. Dadurch entsteht<br />

eine Konkurrenzsituation zwischen Nahrungsmitteln, Futtermitteln und Treibstoffen, die sich<br />

negativ auf die Ernährungssituation in Entwicklungsländern, aber auch in unteren Einkommensschichten<br />

in entwickelten Ländern auswirkt. Die dadurch bedingten sozialen Spannungen<br />

können einen Prozess anstoßen, der der Globalisierung entgegen wirkt.<br />

Als eine zur „Globalisierung“ alternative Entwicklung wurde im Entwicklungsrahmen B2<br />

unter dem Leitmotiv „Differenzierung“ die Auswirkungen einer Beschränkung der landwirtschaftlichen<br />

Produktion auf den heimischen Markt angestrebt. Als ein möglicher treibender<br />

Einflussfaktor für diese Entwicklung wurden sich wandelnde Präferenzen der Verbraucher<br />

unterstellt, die zunehmend heimische Produkte unter Einhaltung von Produktionsstandards<br />

bevorzugen. Eine solche Entwicklung könnte zu einer weitgehenden Abkopplung des heimischen<br />

Marktes vom Weltmarkt führen. Interessante Fragestellungen sind hierbei, welche Auswirkungen<br />

zum einen das Anstreben eines Selbstversorgungsgrades von 100 % bei den wichtigsten<br />

Agrarprodukten hätte und zum anderen wie eine oft geforderte Reduktion des<br />

Verbrauchs tierischer Produkte auf die Stickstoffbilanzüberschüsse wirken würde. In diesem<br />

Zusammenhang führt ein Rückgang des Verbrauchs tierischer Produkte um 20 % nach den<br />

Modellergebnissen zu einer Verringerung um rund 7 kg N je ha LF im <strong>Elbe</strong>gebiet.<br />

Im <strong>Elbe</strong>gebiet liegen aufgrund der geringeren Viehbesatzdichten die eintragsrelevanten Stickstoffbilanzüberschüsse<br />

durchschnittlich niedriger im Vergleich zum Bundesdurchschnitt. Bis<br />

zum Jahr 2020 gehen sie vor allem aufgrund des durch die Milchleistungssteigerung bedingten<br />

Rindviehbestandsabbaus auf rund 67 kg N je ha LF um etwa 8 kg N je ha LF zurück.<br />

Nach dem in der Düngeverordnung festgelegten Nährstoffvergleich für Stickstoff liegen die<br />

regionalen Werte mit einigen wenigen Ausnahmen unter dem geforderten Wert von 60 kg N<br />

je ha LF. Vor diesem Hintergrund besteht aus Sicht des Ordnungsrechtes (DüV) im <strong>Elbe</strong>gebiet<br />

kein großer Handlungsbedarf. In diesem Zusammenhang ist auf substanzielle Unterschiede<br />

zwischen der in der DüV festgelegten Stickstoffbilanzierung und der eintragsrelevanten<br />

Bilanzierung hinzuweisen. So können die regionalen eintragsrelevanten Stickstoffüberschüsse<br />

um bis zu 30 kg N je ha LF über dem Bilanzsaldo der DüV liegen.<br />

Eine strikte flächendeckende Einhaltung der maximalen Stickstoffbilanzüberschüsse würde<br />

demnach laut Modellsimulationen zu einer Gesamtreduktion von rund 6.000 t N führen. Die<br />

Reduktion erfolgt in Regionen, die den zulässigen Überschuss überschreiten. Diese liegen am<br />

Unterlauf der <strong>Elbe</strong> und weisen wegen ihrer Spezialisierung auf die Milcherzeugung überdurchschnittliche<br />

Viehbesatzdichten auf.<br />

Eine weitergehende Herabsetzung der maximalen Stickstoffbilanzüberschüsse hätte je nach<br />

der regionalen Ausgangssituation sehr unterschiedliche Auswirkungen. So würde eine Halbierung<br />

der maximalen Stickstoffbilanzüberschüsse insgesamt den eintragsrelevanten Überschuss<br />

um rund 49.000 t N reduzieren. Die Grenzvermeidungskosten fallen dabei wie erwartet<br />

regional sehr unterschiedlich aus und überschreiten teilweise 10 Euro je kg reduziertem N-<br />

Bilanzüberschuss. Vor dem Hintergrund der DüV als flächendeckend anzuwendende Maßnahme<br />

ist das weitere Herabsetzen der zulässigen Stickstoffbilanzüberschüsse eine politisch<br />

wenig realistische Option. Dies würde Regionen außerhalb des <strong>Elbe</strong>gebietes, die weitaus höhere<br />

Bilanzüberschüsse aufweisen, vor unlösbare Probleme stellen. Je nach Problemlage sind<br />

hier regional differenzierte Maßnahmen zu ergreifen, um im Hinblick auf die Vermeidungskosten<br />

zu effizienten Lösungen bei der Reduktion diffuser Stickstoffeinträge zu kommen.<br />

In Bezug auf die anfangs aufgeführten Probleme wie der derzeitigen Intensivierung der landwirtschaftlichen<br />

Produktion und der damit verbundenen Zunahme des Konfliktpotenzial zwi-<br />

Kapitel 2 – Seite 197


2.6 Projektionen zur Änderung der regionalen landwirtschaftlichen Landnutzung, Produktion und<br />

Stickstoffüberschüsse bis 2020 im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet vor dem Hintergrund sich wandelnder<br />

Rahmenbedingungen (Gömann et al.)<br />

schen Landbewirtschaftung und Umwelt stellt diese Arbeit einen wichtigen Beitrag zur Darstellung<br />

erwartbarer Entwicklungsrichtungen dar, denn gerade im <strong>Elbe</strong>gebiet wurde noch vor<br />

wenigen Jahren großflächiges Brachfallen vieler Flächen prognostiziert. In diesem Zusammenhang<br />

spielen die Konsequenzen für die Wassermenge und -güte u. a. im Hinblick auf die<br />

Erreichung der Ziele der EU-Wasserrahmenrichtlinie eine besondere Rolle, zumal etwa die<br />

Hälfte der Gesamtfläche im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet landwirtschaftlich genutzt wird.<br />

2.6.5 Referenzen<br />

BEHRENDT, H. (2008): Auswirkungen des Globalen Wandels auf die Nährstoffeinträge und Frachten im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet.<br />

In: Wirkungen des Globalen Wandels auf den Wasserkreislauf im <strong>Elbe</strong>gebiet - Risiken und Optionen.<br />

Schlussbericht zum BMBF-Vorhaben <strong>GLOWA</strong>-<strong>Elbe</strong> II, Kapitel 4.1.<br />

BLAZEJCZAK, J., GORNIG, M., SCHULZ, E. (DIW Berlin): Szenarien zur Demographie und Ökonomie in der <strong>Elbe</strong>-<br />

Region. In: Wirkungen des Globalen Wandels auf den Wasserkreislauf im <strong>Elbe</strong>gebiet - Risiken und Optionen.<br />

Schlussbericht zum BMBF-Vorhaben <strong>GLOWA</strong>-<strong>Elbe</strong> II, Kapitel 2.3.<br />

BRITZ, W. (2005): “Development of a regionalised EU-wide operational model to assess the impact of current<br />

Common Agricultural Policy on farming sustainability”,<br />

http://www.ilr1.uni-bonn.de/agpo/rsrch/capri/capri-documentation.pdf.<br />

Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz BMELV (2006): Die EU-<br />

Agrarreform – Umsetzung in Deutschland. Ausgabe 2006. Berlin. Februar 2006.<br />

Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz BMELV (2006b): Statistisches Jahrbuch<br />

2006 sowie frühere Jahrgänge. Bonn.<br />

BUNDESMINISTERIUM FÜR UMWELT, NATURSCHUTZ und REAKTORSICHERHEIT BMU und BUNDESUMWELTAMT<br />

UBA (2005): Die Wasserrahmenrichtlinie – Ergebnisse der Bestandsaufnahme 2004 in Deutschland. Berlin.<br />

CYPRIS, Ch. (2000): Positive mathematische Programmierung (PMP) im Agrarsektormodell RAUMIS. Schriftenreihe<br />

der Forschungsgesellschaft für Agrarpolitik und Agrarsoziologie e.V. Bd. 313., zugl. Dissertation Universität<br />

Bonn, Bonn.<br />

DEUTSCHER BUNDESTAG (2004): Gesetz zur Neuregelung des Rechts der Erneuerbaren Energien im Strombereich<br />

vom 21. Juli 2004. Bundesgesetzblatt Jahrgang 2004 Teil I Nr. 40, ausgegeben zu Bonn am 31. Juli.<br />

EUROPÄISCHE KOMMISSION (2003a): Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates vom 29. September 2003 mit<br />

gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen<br />

für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe. Amtsblatt der Europäischen Union L270.<br />

EUROPÄISCHE KOMMISSION (2003b): Verordnung (EG) Nr. 1784/2003 des Rates vom 29. September 2003 über<br />

die gemeinsame Marktorganisation für Getreide.<br />

EUROPÄISCHE KOMMISSION (2003c): Verordnung (EG) Nr. 1787/2003 des Rates vom 29. September 2003 zur<br />

Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1255/1999 über die gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse.<br />

EUROPÄISCHES PARLAMENT UND RAT (2003): Richtlinie 2003/30/EG vom 8. Mai 2003 zur Förderung der Verwendung<br />

von Biokraftstoffen oder anderen erneuerbaren Kraftstoffen im Verkehrssektor. Amtsblatt der Europäischen<br />

Union L 123/42.<br />

EUROSTAT (1989): Handbuch zur landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Gesamtrechnung, Luxemburg.<br />

FAPRI (Food and Agricultural Policy Research Institute) (2006): U.S. and World Agricultural Outlook. FAPRI<br />

Staff Report 06-FSR 1. January. ISSN 1534-4533.<br />

FNR (2005): Handreichung Biogasgewinnung und -nutzung. Gülzow.<br />

FNR (2005a): Handreichung Biogasgewinnung und -nutzung. Gülzow.<br />

Food and Agriculture Organization of the United Nations (2007): http://faostat.fao.org/.<br />

GÖDEKE, K. (2006): „Entwicklung und Vergleich von optimierten Anbausystemen für die landwirtschaftliche<br />

Produktion von Energiepflanzen unter den verschiedenen Standortbedingungen Deutschlands“. Präsentation des<br />

vom BMELV über die FNR geförderten Verbundprojektes auf dem GFP-Workshop in Freising am 9./10. März.<br />

GÖMANN, H., KREINS, P. BREUER, T. (2007): Einfluss steigender Weltagrarpreise auf die Wettbewerbsfähigkeit<br />

des Energiemaisanbaus in Deutschland. Erscheint in: Tagungsband der GeWiSola/ÖGA 2007 (im Druck).<br />

Kapitel 2 – Seite 198


2.6 Projektionen zur Änderung der regionalen landwirtschaftlichen Landnutzung, Produktion und<br />

Stickstoffüberschüsse bis 2020 im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet vor dem Hintergrund sich wandelnder<br />

Rahmenbedingungen (Gömann et al.)<br />

GÖMANN, H.; KREINS, P.; JULIUS, CH. (2005): Perspektiven der Landbewirtschaftung im deutschen <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet<br />

unter dem Einfluss des Globalen Wandels - Ergebnisse eines interdisziplinären Modellverbundes. Konzepte<br />

für die nachhaltige Entwicklung einer Flusslandschaft, Band 6, ISBN10: 3-89998-062-X.<br />

GROSSMANN, M. (2008): Kosteneffiziente Maßnahmenkombinationen zur Reduktion der Nährstoffeinträge im<br />

Einzugsgebiet der <strong>Elbe</strong>. In: Wirkungen des Globalen Wandels auf den Wasserkreislauf im <strong>Elbe</strong>gebiet - Risiken<br />

und Optionen. Schlussbericht zum BMBF-Vorhaben <strong>GLOWA</strong>-<strong>Elbe</strong> II, Kapitel 4.2.<br />

Hartje, H., Ansmann, T., Blazejczak, J., Gömann, H., Gornig, M., Grossmann, M., Hillenbrand, Th., Hoymann,<br />

J., Kreins, P., Markewitz, P., Mutafoglu, K., Richmann, A., Sartorius, Ch., Schulz, E., Vögele, S., Walz, R.,<br />

(2008): Regionalisierung der Szenarioanalyse (der Antriebskräfte und des Nutzungsdruckes) des Globalen Wandels<br />

für die Wasserwirtschaft. Die <strong>Elbe</strong> als mittleres Einzugsgebiet in einer Transformationsökonomie. In: Wirkungen<br />

des globalen Wandels auf den Wasserkreislauf im <strong>Elbe</strong>gebiet - Risiken und Optionen. Schlussbericht<br />

zum BMBF-Vorhaben <strong>GLOWA</strong>-<strong>Elbe</strong> II, Kapitel 2.<br />

Henrichsmeyer, W., Cypris, Ch., Löhe, W., Meudt, M., Sander, R., Sothen, F. von, Isermeyer, F., Schefski, A.,<br />

Schleef, K.H., Neander, E., Fasterding, F., Helmke, B., Neumann, M., Nieberg, H., Manegold, D. & Meier, Th.<br />

(1996): Entwicklung des gesamtdeutschen Agrarsektormodells RAUMIS96. Endbericht zum Kooperationsprojekt.<br />

Forschungsbericht für das BML (94 HS 021). Vervielfältigtes Manuskript, Bonn/Braunschweig.<br />

HENSELER, M., WIRSIG, A., KRIMLY, T. (2006): Anwendung des Regionalmodells ACRE in zwei interdisziplinären<br />

Projekten. In: Wenkel, K.-O., Wagner, P., Morgenstern, Luzi, K. und P. Eisermann (Ed.) (2006):<br />

Land- und Ernährungswirtschaft im Wandel. Aufgaben und Herausforderungen für die Agrar- und Umweltinformatik,<br />

Proceedings of the 26th GIL-Jahrestagung, Potsdam (Germany), 06.-08.03.2006, pp.101-104.<br />

HOWITT, R. E. (1995): Positive Mathematical Programming. In: Amer. J. Agr. Econ. 77 (2): 329 - 342.<br />

HOYMANN, J. (2008): Szenarien der Landnutzung und Landbedeckung im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet. In: Wirkungen des<br />

Globalen Wandels auf den Wasserkreislauf im <strong>Elbe</strong>gebiet - Risiken und Optionen. Schlussbericht zum BMBF-<br />

Vorhaben <strong>GLOWA</strong>-<strong>Elbe</strong> II, Kapitel 2.4.<br />

IPCC (2007): Climate Change 2007: Synthesis Report. Contribution of Working Groups I, II and III to the<br />

Fourth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change [Core Writing Team, Pachauri,<br />

R.K and Reisinger, A. (eds.)]. IPCC, Geneva, Switzerland, 104 pp.<br />

Isermeyer, F., Brockmeier, M., Gömann, H., Hargens, R., Klepper, R., Kreins, P., Offermann, F., Osterburg, B.,<br />

Pelikan, J., Salamon, P., Thiele, H. (2006): Analyse politischer Handlungsoptionen für den Milchmarkt. Braunschweig:<br />

FAL, 178 p, Landbauforsch. Völkenrode SH 300.<br />

KAISER, F., DIEPOLDER, M., Eder, J., HARTMANN, S., PRESTELE, H., GERLACH, R., ZIEHFREUND, G., und A.<br />

GRONAUER (2004): Ertragspotenziale verschiedener nachwachsender Rohstoffe in landwirtschaftlichen Biogasanlagen.<br />

Schriftenreihe der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL). Bd. 13. ISSN 1611-4159. Freising.<br />

KEMPEN, M., HECKELEI, T., BRITZ, W., LEIP, A., KOEBELE, R., MARCHI, G. (2007): Computation of a European<br />

Agricultural Land Use Map – Statistical Approach and Validation. http://www.ilr1.unibonn.de/Agpo/rsrch/dynaspat/tp_dissaggregation_v1.gms.pdf.<br />

KREINS, P. & GÖMANN, H. (2008): Modellgestützte Abschätzung regionaler landwirtschaftlicher Landnutzung<br />

und Produktion in Deutschland vor dem Hintergrund der „Gesundheitsüberprüfung“ der GAP. In: Agrarwirtschaft<br />

57, Heft 3/4 (im Druck).<br />

OECD Organisation for Economic Cooperation and Development (2006): OECD-FAO Agricultural Outlook:<br />

2006-2015. Dataset. http://www.oecd.org. Zugriff im Februar 2007.<br />

PARCOM (Paris-Konvention zur Verhütung der Meeresverschmutzung) (1993): Dritte Sitzung der Ad-hoc-<br />

Arbeitsgruppe zur Reduzierung der Nährstoffeinträge aus der Landwirtschaft – Anlage 1: PARCOM-Richtlinien<br />

für die Berechnung von Mineralbilanzen.<br />

Persönliche Mitteilung am 14.09.2007 Vertreter des Deutschen Maiskomitees, Bonn.<br />

USDA (2006): GAIN Report. Brazil Sugar Annual 2006. http://www.fas.usda.gov/gainfiles/<br />

200604/146187491.pdf. Zugriff im Februar 2007<br />

USDA (2007): USDA Agricultural Projections to 2016. Long-term Projections Report OCE-2007-1.<br />

http://www.ers.usda.gov/publications/oce071/oce20071.pdf. Zugriff im Februar 2007.<br />

VETTER, A. und G. REINHOLD (2005): Bereitstellung von Biomasse für Biogasanlagen. Tagungsband 2. Mitteldeutscher<br />

Bioenergietag am 29. April in Leipzig. Informationsschrift der Sächsischen Landesanstalt für Landwirtschaft<br />

des Freistaates Sachsen.<br />

Kapitel 2 – Seite 199


2.6 Projektionen zur Änderung der regionalen landwirtschaftlichen Landnutzung, Produktion und<br />

Stickstoffüberschüsse bis 2020 im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet vor dem Hintergrund sich wandelnder<br />

Rahmenbedingungen (Gömann et al.)<br />

VOGEL, T., HERRMANN, S., DABBERT, S. & WINTER, TH. (2002): Socio economic analysis and modelling of agricultural<br />

water use and land use. 10th EAAE conferece paper. 4 S. (https://www.unihohenheim.de/i410a/glowa/soc-glowa01.pdf).<br />

VÖGELE, S., MARKEWITZ, P. (2008): Schätzung der Wassernachfrage großer Kraftwerke im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet.<br />

In: Wirkungen des Globalen Wandels auf den Wasserkreislauf im <strong>Elbe</strong>gebiet - Risiken und Optionen. Schlussbericht<br />

zum BMBF-Vorhaben <strong>GLOWA</strong>-<strong>Elbe</strong> II, Kapitel 2.6.<br />

WECHSUNG, F., BECKER, A. & GRÄFE, P. (Hrsg.) (2005): Auswirkungen des globalen Wandels auf Wasser, Umwelt<br />

und Gesellschaft im <strong>Elbe</strong>gebiet. Konzepte für die nachhaltige Entwicklung einer Flusslandschaft, Bd. 6, 416<br />

Seiten.<br />

WEINMANN, B., SCHROERS, J. O.; SHERIDAN, P. (2005): Spatially explicit land use modelling as basis for multifunctional<br />

land use evaluation – The land use model ProLand. - International Conference: Multifunctionality of<br />

Landscapes - Analysis, Evaluation, and Decision Support, Giessen 243.<br />

Kapitel 2 – Seite 200


2.7 Schätzung der Wassernachfrage großer Kraftwerke im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet (Vögele & Markewitz)<br />

2.7 Schätzung der Wassernachfrage großer Kraftwerke im<br />

<strong>Elbe</strong>einzugsgebiet<br />

Stefan Vögele, Peter Markewitz<br />

Institut für Energieforschung - Programmgruppe Systemforschung und Technologische Entwicklung<br />

(IEF-STE), 52425 Jülich<br />

Tel.: +49-2461-613393<br />

Fax: +49-2461-612540<br />

Email: s.voegele@fz-juelich.de<br />

Kurzfassung:<br />

Im Rahmen des BMBF geförderten Projektes „Auswirkungen des globalen Wandels auf Umwelt und Gesellschaft<br />

im <strong>Elbe</strong>gebiet“ (<strong>GLOWA</strong>) wurde das Institut für Energieforschung – Systemforschung und Technologische<br />

Entwicklung (IEF-STE) mit der Analyse der Wassernutzung im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet durch große Kraftwerke<br />

betraut. Neben einer Bestandsanalyse waren mit Hilfe eines Kraftwerksimulationstools Szenarien für zukünftige<br />

Entwicklungen generiert. In den untersuchten Szenarien verändert sich der Frischwasserbedarf im deutschen Teil<br />

des <strong>Elbe</strong>einzugsgebietes aufgrund des relativ neuen Kraftwerksbestandes nur relativ langsam. Die Kraftwerke im<br />

tschechischen Teil des Untersuchungsgebietes sind hingegen deutlich älter. Daher bestehen hier kurz- und mittelfristig<br />

größere Möglichkeiten für Veränderungen. Ob die vorhandenen Braunkohlekraftwerke dort bzw. in<br />

Deutschland durch neue Braunkohlekraftwerke ersetzt werden, hängt hierbei sehr stark von der Entwicklung der<br />

Energieträger- und CO2-Zertifikatspreise ab.<br />

Keywords:<br />

Kraftwerke, Wassernutzung, Szenarien<br />

2.7.1 Einführung<br />

Im Rahmen des vom BMBF geförderten Projektes „Wirkungen des globalen Wandels auf den<br />

Wasserkreislauf im <strong>Elbe</strong>gebiet - Risiken und Optionen" (<strong>GLOWA</strong>-<strong>Elbe</strong> II) wurde das Forschungszentrum<br />

Jülich mit der Modellierung energiewirtschaftlicher Szenarien zur Ermittlung<br />

der Oberflächenwassernachfrage des Energiesektors im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet betraut. Neben einer<br />

Bestandsanalyse waren mit Hilfe eines Kraftwerksimulationstools Szenarien hinsichtlich<br />

zukünftiger Entwicklungen zu generieren.<br />

Im Folgenden werden die Ergebnisse der durchgeführten Analysen vorgestellt. Zunächst wird<br />

auf die verwendeten Daten und die methodische Vorgehensweise eingegangen. Dies geschieht<br />

im zweiten Kapitel. Zusätzlich werden in diesem Kapital noch wichtige Begriffe definiert und<br />

die im Kraftwerksbereich eingesetzten Kühlsysteme erläutert. Im dritten Kapitel wird der in<br />

dieser Studie betrachtete Kraftwerksbestand und dessen Wassernachfrage vorgestellt. Auf der<br />

Basis von Angaben zum Bestand werden verschiedene Szenarien beschrieben.<br />

2.7.2 Material und Methoden<br />

2.7.2.1 Allgemeine Vorbemerkungen<br />

Im Folgenden werden für die Interpretation von Entwicklungen im Bereich der Wassernutzung<br />

im Kraftwerkssektor notwendige Begriffe und Zusammenhänge kurz erläutert. Außer<br />

Kapitel 2 – Seite 201


2.7 Schätzung der Wassernachfrage großer Kraftwerke im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet (Vögele & Markewitz)<br />

auf einzelne Begriffe wird hierbei auch näher auf den Anfall von Abwärme bei Kraftwerken<br />

und die Verfahren, die zur Kühlung eingesetzt werden, eingegangen.<br />

Begriffabgrenzungen<br />

Im Zusammenhang mit der Nutzung von Wasser im Kraftwerksbereich werden u.a. die Begriffe<br />

Wasserentnahme, -einleitung, -verlust und Wassergebrauch verwendet. Den Begriffen<br />

liegen folgende Definitionen zugrunde:<br />

Input oder Wasserentnahme: entspricht der Wassermenge, die aus dem Fluss bzw. Gewässer<br />

entnommen wird.<br />

Output oder Wassereinleitung: spiegelt die Wassermenge wider, die wieder in den Fluss eingeleitet<br />

wird.<br />

Verlust, Kühlwasserverlust/Kühlmittelverlust: entspricht der Wassermenge, die durch Verdunstung<br />

an die Umgebung abgegeben und nicht wieder in den Fluss bzw. das Gewässer eingeleitet<br />

wird.<br />

Wassergebrauch: umfasst die umgewälzte Wassermenge.<br />

Abwärme bei Kraftwerken<br />

Der größte Teil des im Kraftwerksbereich eingesetzten Wassers wird zu Kühlzwecken benötigt.<br />

Um Angaben zur Nutzung von Wasser in Kraftwerke richtig einschätzen bzw. Szenarien<br />

erstellen zu können, ist es deshalb sinnvoll, näher auf die Entstehung von Abwärme in Kraftwerken<br />

einzugehen: Bei den derzeit in Deutschland eingesetzten Kraftwerken wird im Durchschnitt<br />

rund 38% der eingesetzten Energie in Elektrizität umgewandelt, der Rest fällt in Form<br />

von Wärme an. [VGBPowerTech, 2005] Moderne Kohlekraftwerke weisen hierbei einen<br />

elektrischen Wirkungsgrad von 43% bis 46% auf, bei GuD-Kraftwerken sind es sogar 58%.<br />

Bei den Kraftwerken, die nach dem Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) arbeiten,<br />

wird ein Teil der anfallenden Wärme für die Nah- bzw. Fernwärmeversorgung genutzt. Der<br />

Gesamt-Brennstoffnutzungsgrad ist daher bei diesen Kraftwerken höher als bei einem vergleichbaren<br />

Kraftwerk ohne Wärmeauskopplung. Entsprechend geringer ist auch die Abwärmemenge,<br />

die an die Umwelt abgeführt wird.<br />

Grundsätzlich verändert sich die anfallende Abwärmemenge parallel zu Stromerzeugung, wobei<br />

sich zwischen den einzelnen Kraftwerken große Unterschiede hinsichtlich der täglichen<br />

Einsatzdauer ergeben können. So werden beispielsweise Spitzenlastkraftwerke tagsüber nur<br />

relativ kurz eingesetzt, während Mittellastkraftwerke und Grundlastkraftwerke annährend den<br />

ganzen Tag im Einsatz sind. Aufgrund von jahreszeitlich bedingten Schwankungen in der<br />

Strom- und Wärmenachfrage sowie von geplanten bzw. ungeplanten Außerbetriebnahmen<br />

variiert der Einsatz der einzelnen Kraftwerke teilweise auch von Monat zu Monat. Bei einer<br />

unterjährigen Betrachtungsweise des Kühlwasserbedarfs (z.B. Fokussierung auf einen bestimmten<br />

Monat oder Tag) ist zudem zu beachten, dass dieser je nach Kühlverfahren von der<br />

Temperatur des zu Kühlzwecken genutzten Gewässers und der Luftfeuchtigkeit bzw. der<br />

Lufttemperatur abhängt. Bei KWK-Anlagen mit Entnahme-Kondensation-Turbinen ist ferner<br />

zu berücksichtigen, dass bei ihnen die Wärmeauskopplung relativ flexibel erfolgen kann, so<br />

dass auch der Gesamt-Brennstoffnutzungsgrad während eines Jahres u.U. schwanken kann.<br />

Aufgrund der vielfältigen Einflussfaktoren auf die Höhe der anfallenden Abwärme schwankt<br />

i.d.R. auch die Abwärme von Jahr zu Jahr. Die Angaben zur Wassernutzung können somit<br />

Kapitel 2 – Seite 202


2.7 Schätzung der Wassernachfrage großer Kraftwerke im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet (Vögele & Markewitz)<br />

nicht ohne Einschränkungen bzw. ohne sich der Schwankungsbreite bewusst zu sein, auf andere<br />

Jahre übertragen werden.<br />

Kühlverfahren im Kraftwerksbereich<br />

Eine Übersicht über verschiedene Kühlverfahren, die im Kraftwerksbereich zur Abführung<br />

der anfallenden Abwärme eingesetzt werden zeigt Abbildung 2. Grundsätzlich ist zwischen<br />

nassen, trockenen und hybriden Kühlverfahren zu unterscheiden. [Länderarbeitsgemeinschaft<br />

Wasser (LAWA), 1983] Während im ersten Wasser als Kühlmittel eingesetzt wird, erfolgt die<br />

Kühlung im trockenen Verfahren per Luftkühlung. Das Hybrid-Verfahren stellt eine Mischung<br />

zwischen dem nassen und dem trockenen Verfahren dar.<br />

Bei der Trockenkühlung erfolgt die Kühlung mittels eines großflächigen (künstlich oder natürlich)<br />

belüfteten (Wasser-Luft-) Wärmetauschers. Der geringere Wärmeübergang von Wasser<br />

auf Luft erfordert einen wesentlich größeren Wärmetauscher und somit einen größeren<br />

Kühlturm als bei einer Wasserkühlung. Der Vorteil von Trockenkühltürmen ist, dass es zu<br />

keiner Schwadenbildung kommt. Außerdem sind Anlagen mit trockener Kühlung bei der<br />

Kühlung unabhängig vom örtlichen Wasserangebot. Diesen Vorteilen stehen höhere Kosten<br />

gegenüber.<br />

Abbildung 15: Kühlverfahren<br />

Bei einer nassen Kühlung des kalten Endes eines Kraftwerkes kommt Wasser, das aus Flüssen,<br />

Seen, Brunnen oder dem Meer entnommen wird, als Wärmeträger bzw. Kühlmedium<br />

zum Einsatz. Das zur Kühlung verwendete Wasser erhält außer einer mechanischen Reinigung<br />

keine weitere Behandlung. Im Bereich des nassen Kühlverfahrens wird unterschieden<br />

zwischen:<br />

Durchlaufkühlung / Frischwasserkühlung<br />

Bei diesem Verfahren wird Wasser aus einem Fluss, See oder dem Meer entnommen, mechanisch<br />

gereinigt, zur Kühlung im Kondensator benutzt und wieder in das Gewässer eingeleitet.<br />

Da Wasser mit steigender Temperatur weniger Sauerstoff aufnehmen kann, erfolgt im Auslaufbauwerk<br />

häufig eine Sauerstoffanreicherung. Die Vorteile der Durchlaufkühlung liegen in<br />

dem geringen Raum- bzw. Platzbedarf und der hohen Zuverlässigkeit. Die Durchlaufkühlung<br />

weist verglichen mit den anderen Kühlsystemen die geringsten Anlagen- und Betriebskosten<br />

auf, was u.a. darauf zurückzuführen ist, dass kein Kühlturm benötigt wird. Von Nachteil sind<br />

Kapitel 2 – Seite 203


2.7 Schätzung der Wassernachfrage großer Kraftwerke im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet (Vögele & Markewitz)<br />

die sehr hohen Wassermengen, die bei dieser Form der Kühlung benötigt werden. Da die<br />

Wärme, die nicht benötigt wird, vollständig an den Fluss, den See oder das Meer abgeführt<br />

wird, kann es zu hohen Wärmebelastungen des betroffenen Gewässers kommen. (Abbildung<br />

16)<br />

Abbildung 16: Verfahren der Frischwasserkühlung<br />

Ablaufkühlung<br />

Im Gegensatz zu den Kraftwerken mit Durchlaufkühlung, besitzen Kraftwerke, die nach dem<br />

Verfahren der Ablaufkühlung gekühlt werden, einen Kühlturm. Der Kühlturm wird hierbei<br />

genutzt, um die Temperatur des Kühlwassers, bevor es wieder in das Gewässer eingeleitet<br />

wird, weiter abzusenken. (Abbildung 17) Da dadurch die Temperatur des eingeleiteten Wassers<br />

reduziert wird, verringert sich auch die potenzielle Wärmebelastung des Gewässers. Die<br />

Höhe der an die Umwelt über den Kühlturm abgegebenen Abwärme hängt außer von der Auslegung<br />

des Kühlturms stark von den vorliegenden Umweltbedingungen (Lufttemperatur, Luftfeuchtigkeit)<br />

ab. Normalerweise liegt der Anteil der über den Kühlturm abgegebenen Abwärme<br />

zwischen 20% und 80%. [Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA), 1983]<br />

Abbildung 17: Verfahren der Ablaufkühlung<br />

Aus Kostengründen werden die Kraftwerke mit Ablaufkühlung, solange es Wasserführung<br />

und -temperatur erlauben, normalerweise ohne Kühlturm betrieben. Daher liegt der Frischwassereinsatz<br />

bei Kraftwerken mit Ablaufkühlung i.d.R. im Jahresmittel nur leicht unter dem<br />

vergleichbarer Anlagen mit Durchlaufkühlung. Beachtet werden muss hierbei, dass bei Einsatz<br />

des Kühlturms eine bestimmte Menge an Kühlwasser verdunstet und somit nicht wieder<br />

an das Gewässer zurückgeleitet wird. Von Nachteil gegenüber der Durchlaufkühlung sind des<br />

weiteren die höheren Investitionskosten und der geringfügig geringere Wirkungsgrad.<br />

Kapitel 2 – Seite 204


2.7 Schätzung der Wassernachfrage großer Kraftwerke im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet (Vögele & Markewitz)<br />

Zur Wärmeabfuhr an die Atmosphäre kommen verschiedene Arten von Kühltürmen in Frage:<br />

- Naturzug Nasskühlturm<br />

Bei dieser Art von Kühltürmen wird das Kühlwasser fein verrieselt bzw. versprüht.<br />

Der Kühlturm ist an seinem unteren Ende offen; dort strömt relativ kalte<br />

Luft ein. Durch die Erwärmung der Luft steigt diese auf und reißt Wassertröpfchen<br />

mit sich, die dann als Dampfschwaden sichtbar werden. Nasskühltürme haben<br />

wegen der Nutzung der Verdunstung eine sehr hohe Leistungsdichte, dafür<br />

aber auch einen Wasserverlust, der durch die Zuführung von neuem Frischwasser<br />

wieder ausgeglichen werden muss.<br />

- Trockenkühlturm<br />

Beim Trockenkühlturm wird die Wärme wird über Wärmetauscher durch Konvektion<br />

an die Luft abgegeben. Der Trockenkühlturm mit Naturzug hat baulich die<br />

größten Abmessungen. Kühltürme mit künstlichem Zug (Ventilator) sind erheblich<br />

kleiner, jedoch benötigen sie zusätzlich elektrische Energie für den Betrieb von<br />

Ventilatoren, die den natürlichen Luftzug verstärken. Der Kraftwerkswirkungsgrad<br />

fällt bei diesem Verfahren niedriger aus als bei einem Kraftwerk mit einem Nasskühlturm.<br />

- Hybridkühlturm<br />

Hybridkühltürme weisen die technisch-physikalischen Vorteile von Trocken-<br />

(Schwadenfreiheit) und Nasskühlturm (hohe Kühlleistung, besserer Wirkungsgrad)<br />

auf. Ihre baulichen Abmessungen sind geringer als die der „reinen“ Trockenkühlturme,<br />

jedoch wird auch hier Energie für den Ventilatorbetrieb benötigt.<br />

Kreislaufkühlung / Rückkühlung (bzw. Mischkühlung)<br />

Bei dem Verfahren der Kreislaufkühlung wird das im Kondensator erwärmte Wasser in einem<br />

Kühlturm rückgekühlt und wieder dem Kondensator zugeleitet. (Abbildung 18) Das Kühlwasser<br />

zirkuliert somit zwischen Kondensator und Kühlturm. Die Abwärmeabfuhr erfolgt<br />

hierbei fast vorwiegend über den Nasskühlturm.<br />

Aufgrund der Verdunstungsverluste und um hohe Salzkonzentrationen im Kühlsystem zu verhindern,<br />

ist es jedoch erforderlich, immer einen gewissen Teil des Wassers auszutauschen und<br />

die Verdunstungsverluste wieder durch Frischwasser auszugleichen.<br />

Abbildung 18: Verfahren der Kreislaufkühlung<br />

Kapitel 2 – Seite 205


2.7 Schätzung der Wassernachfrage großer Kraftwerke im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet (Vögele & Markewitz)<br />

Grundsätzlich werden beim Verfahren der Kreislaufkühlung deutlich geringere Frischwassermengen<br />

benötigt als bei den zuvor beschriebenen Verfahren. Man ist damit prinzipiell unabhängiger<br />

von größeren Gewässern. Von Nachteil sind die höheren Investitionskosten und die<br />

gegenüber den anderen Verfahren relativ hohen Wirkungsgradeinbußen.<br />

Einen Vergleich verschiedener Kühlverfahren zeigt Tabelle 3. Wie man dieser Tabelle entnehmen<br />

kann, unterscheiden sich die verschiedenen Kühlverfahren hinsichtlich der Wirkungsgradverluste<br />

und Kosten teilweise deutlich. Am ungünstigsten schneidet hierbei das<br />

Verfahren der Kreislaufkühlung mit Trockenkühlturm ab. Gegenüber den anderen Verfahren<br />

fallen die Kosten merklich höher aus, während sich der Wirkungsgrad deutlich verringert.<br />

Tabelle 3: Vergleich verschiedener Kühlverfahren<br />

Durchlaufkühlung<br />

Wirkungsgrad im Vergleich zur<br />

Durchlaufkühlung [%]<br />

Anlagenkosten im Vergleich zur<br />

Durchlaufkühlung [%]<br />

Erzeugungskosten im Vergleich<br />

zur Durchlaufkühlung [%]<br />

Kapitel 2 – Seite 206<br />

Kreislaufkühlung<br />

Naturzug nass trocken<br />

100 98 93<br />

100 105 112<br />

100 108 115<br />

Datenquelle: [Kugeler & Philippen, 1993]<br />

Zu beachten ist jedoch, dass man bei diesem Verfahren relativ unabhängig von Flüssen und<br />

Gewässern ist. Gleichzeitig nimmt jedoch der Einfluss der jahreszeitlich schwankenden Umgebungstemperatur<br />

auf den Wirkungsgrad beim Einsatz eines Trockenkühlturms besonders<br />

stark zu. [Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA), 1991]<br />

Grundsätzlich wird bei jedem der vorgestellten nassen Kühlverfahren der Fluss oder das Meer<br />

bzw. der See entweder durch erhöhte Wassertemperaturen bei Durchlaufkühlung oder durch<br />

geringere Wasserfracht bei Betrieb eines Kühlturms belastet. Die Wahl des Kühlverfahrens<br />

für ein neu zu errichtendes Kraftwerk ist grundsätzlich eng mit der Wahl des Standortes verbunden.<br />

Große Kraftwerke wurden in der Vergangenheit überwiegend in Flussnähe gebaut.<br />

Dies garantierte eine kostengünstige, sichere Kühlung über das gesamte Jahr hinweg. Seit den<br />

70er Jahren ist man verstärkt dazu übergegangen, den Einsatz von Durchlaufkühlung zu reduzieren.<br />

[Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA), 1983] Gründe für dieses Bestreben sind<br />

zunehmende Belastungen der Gewässer mit Wärme sowie zunehmende Wasserknappheit.<br />

Rechtliche Vorgaben<br />

Bei der Einleitung von aufgewärmtem Kühlwasser in Gewässer sind verschiedene Grenzwerte<br />

zu beachten. Hierzu gehören Grenzwerte hinsichtlich der maximal zulässigen<br />

Wasserentnahmemenge,<br />

Aufwärmung des Kühlwassers,<br />

Einleittemperatur und der<br />

Mischtemperatur.<br />

Weil Strömung, Wassertiefe und andere Faktoren entlang der Flüsse unterschiedlich sind, gibt<br />

es für Kraftwerke teilweise deutlich unterschiedliche Grenzwerte. Einige Beispiele hierfür<br />

zeigt Tabelle 4.


2.7 Schätzung der Wassernachfrage großer Kraftwerke im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet (Vögele & Markewitz)<br />

Tabelle 4: Beispiele für Grenzwerte im Kraftwerksbereich<br />

Kraftwerk Genehmigte Entnahme- max. zulässige Rücklauf- genehmigte Aufwärmmengetemperaturspannen<br />

(in m 3 /Jahr) (in °C) (in K)<br />

Klingenberg 54.620.000 28 10<br />

Berlin Mitte 22.076.000 28 10<br />

Moabit 60.842.500 28 8<br />

Werden im Bereich der Temperaturen die Grenzwerte erreicht, so muss entweder die Wasserentnahme<br />

erhöht oder der Betrieb des entsprechenden Kraftwerks eingeschränkt werden. Zu<br />

einer Einschränkung des Einsatzes eines Kraftwerks kann es insbesondere an warmen Sommertagen<br />

kommen, d.h. zu Zeitpunkten, an denen die Wasserführung gering und die Wassertemperatur<br />

durch die Sonneneinstrahlung sehr hoch ist.<br />

2.7.2.2 Kraftwerke im <strong>Elbe</strong>inzugsgebiet<br />

Grundsätzlich ist in der Flussgebietseinheit <strong>Elbe</strong> eine Vielzahl unterschiedlichster Kraftwerke<br />

im Einsatz. Die Spannweite reicht hierbei von Anlagen mit wenigen kW bis zu Kraftwerken<br />

mit einer Kapazität von mehreren GW. Um die Komplexität in Grenzen zu halten, werden im<br />

Folgenden grundsätzlich nur Kraftwerke mit einer Leistung über 50 MW berücksichtigt. Zudem<br />

erfolgt eine Beschränkung auf Anlagen mit wasserwirtschaftlicher Relevanz, d.h. auf<br />

Anlagen, die eine signifikante Menge an Wasser der <strong>Elbe</strong> bzw. ihrer Nebenflüsse entnehmen<br />

bzw. einleiten.10 (vgl. [IKSE, 2005])<br />

Neben Kraftwerken, die sich in Deutschland befinden, werden auch Kraftwerke in Tschechien<br />

in die Analysen mit einbezogen.<br />

Kraftwerke im deutschen Teil des <strong>Elbe</strong>einzugsgebietes<br />

Eine Übersicht über die Kraftwerke, die sich im deutschen Raum befinden und die in dieser<br />

Studie berücksichtigt werden, zeigt Abbildung 19.<br />

10 Von der zweiten Beschränkung wurde in den Fällen abgewichen, in denen das entsprechende Kraftwerk unmittelbar<br />

in der Nähe eines größeren Gewässers liegt und somit die Möglichkeit bestände dieses Wasser zu<br />

Kühlzwecken zu nutzten.<br />

Kapitel 2 – Seite 207


2.7 Schätzung der Wassernachfrage großer Kraftwerke im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet (Vögele & Markewitz)<br />

Abbildung 19: Berücksichtigte Kraftwerke im deutschen Teil des <strong>Elbe</strong>inzuggebietes<br />

Im Norden des <strong>Elbe</strong>gebiets befindet sich das Kernkraftwerk Brunsbüttel. Das 806 MW<br />

Kraftwerk wurde 1977 kommerziell in Betrieb genommen. Seitdem wird das Kraftwerk zur<br />

Deckung der Stromnachfrage im Grundlastbereich betrieben. Die Kühlung des Kraftwerks<br />

erfolgt nach dem Prinzip der Frischwasserkühlung, d.h. es wird der <strong>Elbe</strong> Frischwasser entnommen,<br />

durch den Kondensator geführt und wieder in die <strong>Elbe</strong> zurückgeleitet. Im Jahresdurchschnitt<br />

wird hierbei pro Stunde ca. 130.000 m 3 Frischwasser benötigt.<br />

(http://www.kkb.de/kraftwerk/index.html) Für das Jahr 2004, in dem das Kraftwerk 6585<br />

Volllaststunden im Einsatz war [Deutsches Atomforum, 2005] ergibt sich demzufolge ein<br />

Kühlwasserverbrauch von ca. 856 Mio. m 3 .<br />

Das Kernkraftwerk Brokdorf, das ebenfalls an der <strong>Elbe</strong> liegt, wurde 1986 in Betrieb genommen.<br />

In der Regel ist das 1.440 MW Kraftwerk jährlich über 8.000 Volllaststunden im Einsatz.<br />

Zur Kühlung wird hierbei pro Jahr ca. 1,7 Mrd. m 3 Frischwasser eingesetzt. Dieses wird<br />

der <strong>Elbe</strong> entnommen und im gleichen Umfang wieder zurückgespeist. [Deutsches Atomforum,<br />

2005, Informationskreis Kernenergie, 2005]<br />

Deutlich älter als die Kraftwerke Brokdorf und Brunsbüttel ist das Kraftwerk Wedel. Das<br />

1961/62 errichtete Kraftwerk wurde in den achtziger Jahren zu einem Heizkraftwerk umgebaut.<br />

Das vorwiegend mit Importsteinkohle befeuerte Kraftwerk hat eine Feuerungswärme-<br />

Leistung von 684 Megawatt und liefert je nach Betriebsweise maximal 349 MW Fernwärme<br />

bzw. maximal 260 MW Strom. [HEW, 2005a] Auch dieses Kraftwerk wird nach dem Prinzip<br />

der Frischwasserkühlung gekühlt. Der Frischwasserbedarf hängt hierbei u.a. von der Fahrweise<br />

(mehr Strom oder mehr Fernwärme) des Kraftwerks ab. Der jährliche Frischwassereinsatz<br />

lag in den letzten Jahren zwischen 144 und 177 Mio. m 3 . Produziert wurden dabei<br />

1.355 bzw. 1.269 GWh Strom und 1.379 bzw. 1.383 GWh Heizwasser.[HEW, 2005b]<br />

Kapitel 2 – Seite 208


2.7 Schätzung der Wassernachfrage großer Kraftwerke im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet (Vögele & Markewitz)<br />

Ähnlich wie das Kraftwerk Wedel wird auch das Heizkraftwerk Tiefstack betrieben. Hierbei<br />

handelt es sich um ein Heizwerk, dass später zu einem Heizkraftwerk umgebaut wurde. Die<br />

Feuerungswärmeleistung des Kraftwerks beträgt 848 MW. Je nach Fahrweise können bis zu<br />

785 MW Fernwärme bzw. 189 MW Strom erzeugt werden. Gekühlt wird das Kraftwerk mit<br />

Elbwasser, wobei das Wasser nach dem Kühlprozess wieder vollständig in die <strong>Elbe</strong> zurückgeleitet<br />

wird. Den aktuellsten Zahlen zur Folge werden pro kWh ca. 130 l Frischwasser eingesetzt.<br />

(Stromproduktion 2004: 1.110 GWh, Elbwassereinsatz: 145,5 Mio. m 3 ) [HEW, 2005b]<br />

Südöstlich von Hamburg befindet sich das Pumpspeicherwasserkraftwerk Geesthacht. Hier<br />

wird Elbwasser genutzt, um zu Schwachlastzeiten ein Speicherbecken mit Wasser zu füllen.<br />

[Vattenfall, 2005d] Zu Spitzenlastzeiten wird das Wasser wieder in die <strong>Elbe</strong> zurückgeführt.<br />

Die dabei freiwerdende Energie wird genutzt, um Strom zu erzeugen. Insgesamt werden in<br />

dem 120 MW Kraftwerk pro Jahr 500 bis 800 Mio. m 3 Wasser der <strong>Elbe</strong> entnommen und wieder<br />

zurückgeleitet.<br />

Seit 1983 produziert das Kernkraftwerk Krümmel Strom. In der Regel ist dieses Kraftwerk<br />

zwischen 7.500 und 8.000 Stunden pro Jahr im Einsatz. [Deutsches Atomforum, 2005] Auch<br />

das Kraftwerk Krümmel besitzt keinen Kühlturm, d.h. die Kühlung erfolgt nach dem Prinzip<br />

der Durchlaufkühlung. Pro Stunde wird hierbei 225.000 m 3 Wasser eingesetzt.<br />

[Kernkraftwerk Krümmel, 2005] 2004 wurde das Kraftwerk 7845 Stunden eingesetzt. Für<br />

2004 ergibt sich demnach ein Kühlwasserbedarf von 1,7 Mrd. m 3 .<br />

Bei dem Kraftwerk Jänschwalde handelt es sich um eine Anlage mit mehreren 500 MW Blöcken.<br />

Die Gesamtleistung beträgt 3000 MW. [Vattenfall, 2005b] Eingesetzt werden die Blöcke<br />

vorwiegend im Grundlastbereich. Gekühlt wird die Anlage nach Prinzip der Kreislaufkühlung.<br />

Dies hat zur Folge, dass trotz niedrigem Brennstoffausnutzungsgrad (35,8 %)<br />

der Frischwasserbedarf relativ niedrig ausfällt. Bei einer Auslastung von 7600 Stunden benötigt<br />

das Kraftwerk jährlich ca. 49 Mio. m 3 Frischwasser. (vgl. [VEAG, 1999]) Das Verfahren<br />

der Kreislaufkühlung hat zwar den Vorteil, dass nur wenig Frischwasser benötigt wird, jedoch<br />

geht über den Kühlturm eine gewisse Wassermenge auch verloren. Im Fall des Kraftwerks<br />

Jänschwalde sind dies bei einer Auslastung von 7600 Stunden ca. 38 Mio. m 3 .<br />

Ebenfalls im Grundlastbereich wird das Kraftwerk Schwarze Pumpe eingesetzt. Die Bruttoleistung<br />

des Kraftwerks beträgt hierbei 1600 MW. [Vattenfall, 2005c] Neben Strom wird auch<br />

Fernwärme produziert. Die Kühlung erfolgt nach dem Prinzip der Kreislaufkühlung. Pro erzeugter<br />

kWh werden hierbei durchschnittlich ca. 2 bis 2,5 l Frischwasser benötigt. Bei einer<br />

Auslastung von 7800 Stunden werden insgesamt ungefähr 18 Mio. m 3 Wasser über den Kühlturm<br />

an die Umwelt abgegeben und ca. 8 Mio. m 3 in die Spree abgeleitet. (vgl. [VEAG,<br />

1999])<br />

Auch das Kraftwerk Boxberg hat eine Kreislaufkühlung. Jährlich wird ca. 44 Mio. m 3 Frischwasser<br />

benötigt. Etwa 2/3 davon werden als Wasserdampf über den Kühlturm abgeführt. Der<br />

Rest wird in die Spree eingeleitet. Das Kraftwerk besteht aus 3 Blöcken, die in den Jahren<br />

1978, 1979 und 2000 errichtet wurden. Die in den 70 er Jahren errichteten Blöcke haben einen<br />

Wirkungsgrad von 35 %. Der neue Block hingegen besitzt einen Wirkungsgrad von fast 42%.<br />

Die elektrische Gesamtleistung des Kraftwerks beträgt 1907 MW. [Vattenfall, 2005a]<br />

Das 1995 in Betrieb genommene Heizkraftwerk Dessau hat eine Leistung von 58 MW. Bei<br />

dem Heizkraftwerk handelt es sich um eine erdgasbefeuerte GuD-Anlage. Abschätzungen<br />

nach, liegt der Frischwasserbedarf bei etwa 7 Mio. m 3 pro Jahr.<br />

Kapitel 2 – Seite 209


2.7 Schätzung der Wassernachfrage großer Kraftwerke im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet (Vögele & Markewitz)<br />

Etwa 30 bis 32 Mio. m 3 Frischwasser wird jedes Jahr für das 1994 in Betrieb genommene<br />

Heizkraftwerk Halle-Trotha benötigt. [EVH, 2005] Das Wasser wird hierbei in gleicher Höhe<br />

wieder zurückgespeist. Das Kraftwerk ist i.d.R. etwa 4900 Stunden im Jahr im Einsatz. Mit<br />

der Leistung von 85 MWel und 120 MWth werden hierbei ca. 410 GWh Strom und 365 GWh<br />

Fernwärme erzeugt.<br />

Während bei dem Heizkraftwerk Halle-Trotha mehr Strom als Fernwärme produziert wird,<br />

steht im Heizkraftwerk Dieselstr. die Produktion von Fernwärme im Vordergrund. So wurden<br />

beispielsweise mit diesem 64 MW Kraftwerk im Jahr 2004 562 GWh Fernwärme und 132<br />

GWh Strom erzeugt. Zu Kühlzwecken wurden 0,2 Mio. m 3 Wasser eingesetzt. 4 % davon<br />

wurde als Abwasser wieder in die Saale zurück geleitet. [EVH, 2005]<br />

Bei dem Kraftwerk Schkopau handelt es sich um ein Braunkohlekraftwerk. In Betrieb genommen<br />

wurden die beiden 450 MW-Blöcke des Kraftwerks in den Jahren 1995 und 1996.<br />

[E.on Kraftwerke] Gekühlt wird das Kraftwerk mittels Kreislaufkühlung. Der Bedarf an<br />

Frischwasser ist daher vergleichsweise relativ gering: In der Regel werden 3.500 m 3 Frischwasser<br />

pro Stunde benötigt.[VEBA-Kraftwerke Ruhr, 1998] Bei einer Auslastung von 7.500<br />

Stunden bedeutet dies einen jährlichen Bedarf an Frischwasser in Höhe von 26 Mio. m 3 .<br />

In Leuna sind zwei Heizkraftwerke in Einsatz. Das erste wurde im Jahr 1994 mit einer Leistung<br />

von 127 MW in Betrieb genommen. Als Brennstoff wird in diesem Kraftwerk Erdgas<br />

eingesetzt Das zweite, mit Destillations- und Konversionsrückständen befeuerte Kraftwerk<br />

hat seinen Betrieb 1996 aufgenommen. Mit 101 MW liegt die Leistung dieser Anlage unter<br />

der des anderen Heizkraftwerks. Ebenso weist es mit 58% einen niedrigeren Brennstoffausnutzungsgrad<br />

als die GuD-Anlage mit ihrem Brennstoffausnutzungsgrad von 85% auf. Pro<br />

Jahr benötigen diese beiden Kraftwerke zusammen jährlich ca. 23 Mio. m 3 Frischwasser.<br />

Die 1999 bzw. 2000 in Lippendorf in Betrieb genommenen Kraftwerksblöcke haben eine Kapazität<br />

von jeweils 933 MW. Der Wirkungsgrad der Blöcke beträgt ca. 42%. Da zusätzlich<br />

noch Fernwärme ausgekoppelt wird, ergibt sich ein Brennstoffausnutzungsgrad von 46%. Wie<br />

bei den anderen Braunkohlekraftwerken wird auch dieses Kraftwerk nach dem Prinzip der<br />

Kreislaufkühlung gekühlt. Benötigt wird jährlich bis zu 26 Mio. m 3 Frischwasser, wovon wiederum<br />

ca. 2/3 über den Kühlturm verdunstet werden. [VEAG, 1999]<br />

Bei dem Heizkraftwerk Jena-Süd handelt es sich um eine GuD-Anlage mit 199 MWel. In Betrieb<br />

genommen wurde das Kraftwerk im Jahr 1996. Durch die Auslegung des Kraftwerks als<br />

GuD-Anlage wird ein Brennstoffausnutzungsgrad von 70% erreicht.<br />

Auch bei dem von der BASF in Schwarzheide betriebenen Kraftwerk handelt es sich um eine<br />

GuD-Anlage. Nach Angaben der BASF Schwarzheide GmbH benötigt dieses Kraftwerk pro<br />

Jahr ca. 1,3 Mio. m 3 Frischwasser. [BASF Schwarzheide GmbH, 2005]<br />

Ebenfalls in den folgenden Analysen werden die in Berlin vorhandenen großen Heizkraftwerke<br />

Charlottenburg, Klingenberg, Lichterfelde, Mitte, Moabit, Reuter und Reuter-West berücksichtigt.<br />

Die Kraftwerke Charlottenburg (215 MW), Reuter (165 MW), Lichterfelde (450<br />

MW) und Moabit (150 MW) werden nach dem Prinzip der Ablaufkühlung gekühlt, d.h. das<br />

Kühlwasser wird, bevor es in die Spree zurückgeleitet, gegebenenfalls in einem Kühlturm abgekühlt.<br />

Einen Kühlturm besitzt auch das 1989 errichtete 600 MW-Heizkraftwerk Reuter-<br />

West. Hier wird jedoch das eingesetzte Kühlwasser mehrfach genutzt. (Kreislaufkühlung) Die<br />

Kraftwerke Klingenberg und Mitte arbeiten hingegen ohne Kühlturm. Das Frischwasser wird<br />

hierbei den Oberflächengewässern entnommen und nach der Nutzung zu Kühlzwecken in etwa<br />

der gleichen Menge wieder zurückgeleitet. [Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Ber-<br />

Kapitel 2 – Seite 210


2.7 Schätzung der Wassernachfrage großer Kraftwerke im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet (Vögele & Markewitz)<br />

lin, 2004] Im Jahr 2004 entnahm die damalige Bewag insgesamt ca. 484 Mio. m 3 Kühlwasser<br />

aus Gewässern. 479 Mio. m 3 und damit fast 99% des entnommenen Kühlwassers wurden<br />

wieder in die Gewässer zurückgeleitet. [BEWAG, 2005]<br />

Kraftwerke im tschechischen des <strong>Elbe</strong>einzugsgebietes<br />

Eine Übersicht über die Kraftwerke in Tschechien, die in dieser Studie berücksichtigt werden,<br />

zeigt Abbildung 20.<br />

Abbildung 20: Kraftwerke in Tschechien<br />

Direkt an der <strong>Elbe</strong> bzw. in ihrer unmittelbaren Nähe befinden sich in Tschechien die großen<br />

Braunkohle-Kraftwerksanlagen Ledvice, Mělník und Chvaletice. Die Anlage in Ledvice wurde<br />

im Zeitraum 1966 –1969 errichtet. In den 90er Jahren wurden drei der ursprünglich fünf<br />

Blöcke modernisiert bzw. überholt, die restlichen zwei Blöcke wurden stillgelegt. [CEZ,<br />

2005] Für Ledvice ergibt sich unter der Annahme, dass die vorhandenen Kraftwerksblöcke<br />

5500 h im Jahr im Einsatz sind und die Anlagen 0,23 bzw. 0,04 m 3 /s Frischwasser benötigen,<br />

ein jährlicher Bedarf von ca. 6 Mio. m 3 .<br />

Die Anlage in Mělník besteht aus drei größeren Einheiten. Mělník I gehört hierbei Energotrans,<br />

während sich Mělník II und III im Eigentum der CEZ befinden. Mělník I besteht aus<br />

zwei 60 MW Gegendruck-, zwei 60 MW Entnahmekondensations- und zwei 56 MW reinen<br />

Kondensationsanlagen. In Mělník II werden zwei 110 M Blöcke und in Mělník III ein 500<br />

MW Block eingesetzt. Die 110 MW Blöcke wurden 1971 errichtet, die 200 MW Blöcke<br />

1977/78 und der 500 MW Block 1981. [CEZ, 2005] Alle drei Kraftwerkseinheiten liegen<br />

ebenso wie das Kraftwerk in Chvaletice in der Nähe des Braunkohleabbaugebietes im Nord-<br />

Kapitel 2 – Seite 211


2.7 Schätzung der Wassernachfrage großer Kraftwerke im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet (Vögele & Markewitz)<br />

böhmischen Becken. In Mělník 1 wird nach dem Prinzip der Durchlaufkühlung gekühlt. Unter<br />

der Annahme, dass die Anlagen 5500 Stunden im Jahr im Einsatz sind und ca. 140 l pro kWh<br />

benötigt werden, ergibt sich ein jährlicher Frischwasserbedarf in Höhe von 0,2 Mrd. m 3 .<br />

Mělník II und III haben einen Kühlturm. Ihr Frischwasserbedarf liegt in der Größenordung<br />

von 10 Mio. m 3 .<br />

Die aus 4 Blöcken á 200 MW bestehende Anlage in Chvaletice wird nach dem Verfahren der<br />

Kreislaufkühlung gekühlt. Entsprechend geringer ist der Frischwasserbedarf. Unter der Annahme,<br />

dass auch dieses Kraftwerk 5500 Stunden eingesetzt wird und der spezifische<br />

Verbrauch ca. 2 l/kWh entspricht, ergibt ein jährlicher Frischwasserbedarf von etwa 9 Mio.<br />

m 3 .<br />

Ebenfalls nach dem Prinzip der Kreislaufkühlung werden nach Angaben von CEZ die großen<br />

Braunkohlekraftwerke in Tisova (296 MW), Prunérov (1490 MW), Tusimice (260 MW) und<br />

Pocerady (1000 MW) gekühlt. Diese benötigen unter den ähnlichen Annahmen wie sie für<br />

Chvaletice unterstellt wurden, 3 (Tisova), 18 (Prunérov), 9 (Tusimice) bzw. 13 (Pocerady)<br />

Mio. m 3 jährlich. Bei Interpretation der Verbrauchsmengen ist zu berücksichtigen, dass im<br />

Kraftwerk von Tisova auch Fernwärme ausgekoppelt wird. Der spezifische Wasserverbrauch<br />

ist entsprechend leicht niedriger anzusetzen als in den anderen Kraftwerken.<br />

2.7.2.3 Methodische Vorgehensweise<br />

Zur Generierung von Szenarien hinsichtlich der Entwicklung der Wassernutzung durch große<br />

Kraftwerke im <strong>Elbe</strong>einzuggebiets wird das Modell KrAftwerksSIMulationstool KASIM verwendet.<br />

Bei dem Modell KASIM handelt es sich um ein Simulationstool, das speziell für die<br />

Erstellung von Szenarien mit Fokus auf den Kraftwerksbereich entwickelt wurde. Die Grundlage<br />

des Modells bildet die STE-Kraftwerks- sowie die IKARUS-Datenbank. Die STE-<br />

Kraftwerksdatenbank enthält detaillierte Angaben zu über 600 in Deutschland vorhandenen<br />

Kraftwerken. Zudem liegen Daten über den weltweiten Kraftwerksbestand vor (ca. 97.000<br />

Datensätze). In der IKARUS-Datenbank sind u.a. Angaben über die technischen, ökologischen<br />

und ökonomischen Charakteristika einer Vielzahl unterschiedlichster Kraftwerkstypen<br />

hinterlegt.<br />

Um die in <strong>GLOWA</strong> II zu berücksichtigenden Kraftwerke möglichst realitätsnah abbilden zu<br />

können, wurden in den Fällen, in denen die tatsächlichen Charakteristika der Kraftwerke von<br />

den in der IKARUS-Datenbank abgelegten Durchschnittswerten abweichen, auf Informationen<br />

der Kraftwerksbetreiber zurückgegriffen. (Abbildung 21)<br />

In der eingesetzten KASIM-Version wird jeder einzelne Kraftwerksblock außer mit seiner<br />

Leistung, seinem Wirkungsgrad und seinem Baujahr auch mit seinem spezifischen Frischwasserbedarf<br />

abgebildet. Dabei wird angenommen, dass die einzelnen Blöcke jeweils bis an das<br />

Ende einer vorgegebenen maximalen Nutzungsdauer eingesetzt werden. Wird das Ende der<br />

Laufzeit erreicht, so wird der entsprechende Kraftwerksblock stillgelegt und, falls eine ausreichende<br />

Stromnachfrage vorhanden ist, durch ein neues Kraftwerk ersetzt. Neue Kraftwerke<br />

werden darüber hinaus errichtet, falls die Stromnachfrage deutlich steigt und sich entsprechend<br />

ein Neubaubedarf ergibt. Grundsätzlich wird hierbei unterstellt, dass die neuen<br />

Kraftwerke mit einer Ablauf- bzw. einer Kreislaufkühlung ausgestattet werden.<br />

Kapitel 2 – Seite 212


2.7 Schätzung der Wassernachfrage großer Kraftwerke im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet (Vögele & Markewitz)<br />

Abbildung 21: Grundaufbau KASIM<br />

Welche Art von Kraftwerk neu errichtet wird, hängt hierbei von den unterstellten szenariospezifischen<br />

Kostenparametern und Rahmenbedingungen ab. Im Bereich der Kosten werden<br />

hierbei sowohl die Investitionskosten als auch Betriebskosten (inkl. Brennstoffkosten) berücksichtigt.<br />

Zusätzlich werden noch CO2-Zertifikatspreise mit in die Berechnungen einbezogen.<br />

Für jeden Lastbereich wird nach dem Verfahren der ganzzahligen Optimierung die<br />

kostengünstigste Neubauoption im sinne einer Merit-order Folge bestimmt.<br />

Als Neubauoption stehen hierbei insbesondere Braun- und Steinkohlekraftwerke sowie GuD-<br />

Anlagen zur Wahl. Für den tschechischen Teil des <strong>Elbe</strong>einzugsgebietes wird zusätzlich noch<br />

der Bau von Kernkraftwerken zugelassen. Die Zuordnung der neu zu bauenden Kraftwerke zu<br />

einzelnen Standorten erfolgt mittels einer Zuordnungstabelle. Mit deren Hilfe können standortspezifische<br />

Besonderheiten (z.B. Zugang zu Ressourcen) mitberücksichtigt werden.<br />

Im Gegensatz zu den bisherigen Studien zur Entwicklung des Wasserverbrauchs von Kraftwerken<br />

(z.B. von [DOE/NETL, 2006, Feeley Iii et al., 2008, Vassolo & Döll, 2005]) wurde<br />

besonderen Wert auf der Erfassung der durch den Klimawandel ausgelösten Effekte auf die<br />

Wassernachfrage gelegt, wobei<br />

• standortspezifische Faktoren wie die Höhe der als Fernwärme genutzten Abwärme<br />

und die Verfügbarkeit von Ressourcen,<br />

• Veränderungen in den jahreszeitlichen Schwankungen der Lufttemperatur und –<br />

feuchtigkeit<br />

• und die Kosten bei Wasserknappheit<br />

• unter Berücksichtigung der langfristigen Entwicklung des entsprechenden Kraftwerksstandortes<br />

erfasst werden können.<br />

Der Frischwasserbedarf eines Kraftwerks mit Durchlaufkühlung wird durch folgende Formel<br />

abgeschätzt (vgl. [Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA), 1983]):<br />

Kapitel 2 – Seite 213


2.7 Schätzung der Wassernachfrage großer Kraftwerke im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet (Vögele & Markewitz)<br />

- mit Q:<br />

Φ<br />

Q =<br />

ϑ ⋅c<br />

⋅ AS<br />

Kühlwasserbedarf in [m 3 ]<br />

- Φ : abzuführender Wärmestrom in [MJ]<br />

- ϑ: Dichte des Wassers in [t/m 3 ]<br />

- c: spezifische Wärmekapazität des Wassers in [MJ/t . K]<br />

- AS: Aufwärmspanne des Kühlwassers in K<br />

Der Kühlwasserbedarf ergibt sich somit aus dem Quotienten von abzuführenden Wärmestrom<br />

und Wärmeaufnahmemöglichkeit einer Tonne Wasser. Die abzuführende Abwärme hängt<br />

vom Wirkungsgrad des Kraftwerks sowie von der Wärmemenge, die über andere Kraftwerkskomponenten<br />

wie z.B. dem Dampferzeuger und dem Schornstein an die Umwelt abgegeben<br />

wird, ab. Um die über das Medium Wasser abzuführende Abwärme berechnen zu können,<br />

wird die Gleichung<br />

( −η<br />

) ⋅ ( −α<br />

)<br />

Φ = BR ⋅ 1<br />

1 ges<br />

- mit BR : Brennstoffeinsatz in [MJ]<br />

- η ges : Brennstoffausnutzungsgrad der Anlage<br />

- α: Korrekturfaktor, mit dem die Abwärme erfasst wird, die<br />

nicht über das Kühlmedium Wasser abgeführt wird.<br />

verwendet. Die abzuführende Abwärme ergibt sich demnach aus der Energiemenge, die nicht<br />

in Strom- bzw. Fern- oder Nahwärme umgewandelt wird, abzüglich einer bestimmten Energiemenge,<br />

die direkt bzw. über Nebenkühlstellen o.ä. an die Umwelt abgegeben wird. Der<br />

Brennstoffeinsatz lässt sich durch<br />

1<br />

BR = KW ⋅ h ⋅3,<br />

6 ⋅<br />

η<br />

- mit KW: Leistung des Kraftwerks in [kW]<br />

- h: Auslastung des Kraftwerks in [Volllaststunden]<br />

- η elek : elektrischer Wirkungsgrad<br />

ermitteln. Unter Berücksichtigung dieses Terms erhält man<br />

Der Wasserbedarf lässt sich somit durch<br />

Kapitel 2 – Seite 214<br />

elek<br />

1−η<br />

ges<br />

Φ = KW ⋅ h ⋅3,<br />

6 ⋅ ⋅ 1<br />

η<br />

elek<br />

( −α<br />

)<br />

1−η<br />

ges<br />

1<br />

Q = KW ⋅ h ⋅3<br />

, 6 ⋅ ⋅ ( 1−<br />

α ) ⋅<br />

η<br />

ϑ ⋅c<br />

⋅ AS<br />

elek<br />

bestimmen. Ist die Wasserentnahme beschränkt und lässt sich auch die Temperatur des Abgabemediums<br />

nicht weiter erhöhen, so muss gegebenenfalls die Kapazität des Kraftwerks reduziert<br />

werden. Die maximale Kapazität ergibt sich hierbei durch


2.7 Schätzung der Wassernachfrage großer Kraftwerke im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet (Vögele & Markewitz)<br />

KW<br />

max<br />

Qmax<br />

⋅ , 2 ⋅ AS<br />

=<br />

1−η<br />

ges<br />

h ⋅ 3,<br />

6 ⋅ ⋅<br />

η<br />

4 max<br />

elek<br />

Kapitel 2 – Seite 215<br />

( 1−<br />

α )<br />

- mit Qmax: maximal zulässige Entnahmemenge in [m 3 ]<br />

- ASmax: maximal zulässige Aufwärmspanne in [K]<br />

Bei Kraftwerken mit Kreislaufkühlung erfolgt die Wärmeabfuhr vorwiegend über den Kühlturm.<br />

Die Abführung der Wärme hängt hierbei stark von der vorliegenden Lufttemperatur und<br />

der –feuchtigkeit ab. Der Frischwasserbedarf ergibt sich hierbei aus der Summe des im Kühlturm<br />

verdunsteten Wassers zuzüglich der Wassermenge, die zur Verhinderung von Aufsalzungen<br />

wieder abgeflutet wird. Da bei der Kreislaufkühlung eine bestimmte Menge an<br />

Wasser über den Kühlturm verdunstet, wird im Gegensatz zur Durchlaufkühlung nicht die<br />

volle, dem Gewässer entommene Frischwassermenge in das Gewässer zurückgespeist. Bei der<br />

Abschätzung der Bewertungsfunktion für Kraftwerke mit Kreislaufkühlung ist deshalb eine<br />

Differenzierung zwischen benötigter Frischwasser- und abgefluteter Abwassermenge notwendig.<br />

Im Folgenden wird deshalb mit Q F die benötigte Frischwassermenge und mit Q Ab die zurück<br />

gespeiste Abwassermenge bezeichnet. Unter Beachtung der Ableitung von Wärme über<br />

den Kühlturm ergib sich<br />

( 1−<br />

β )<br />

Q EZ<br />

c AS<br />

F<br />

- mit<br />

Φ ⋅ ⋅ω<br />

= ⋅<br />

ϑ ⋅ ⋅<br />

β : Anteil der Abwärme, die im Jahresmittel über den Kühlturm<br />

abgegeben wird,<br />

- ω : jahrezeitlicher Korrekturfaktor mit dem der Einfluss von<br />

Lufttemperatur- und -feuchtigkeit berücksichtigt wird,<br />

- EZ: Eindickungszahl<br />

Der Korrekturfaktor ω ist insbesondere bei einer unterjährlichen Betrachtngsweise notwendig.<br />

Er schwankt normalerweise zwischen 0,75 (kalter Wintertag) und 1,25 (heißer Sommertag,<br />

mit hoher Luftfeuchtigkeit). Die Eindickungszahl EZ dient als Maß für die Aufsalzung. Sie<br />

ergibt sich aus<br />

V<br />

Q<br />

EZ = 1 + Ab<br />

Q<br />

F<br />

Q<br />

= Ab<br />

Q<br />

mit Q V : über den Kühlturm verdunstete Wassermenge.<br />

Ihr Wert liegt i.d.R. zwischen 1 und 3. Die wieder abgeflutete Wassermenge ergibt sich durch<br />

Die maximale Kapazität errechnet sich durch<br />

KW<br />

max<br />

Q<br />

Ab =<br />

Q<br />

=<br />

1−η<br />

h ⋅3,<br />

6 ⋅<br />

η<br />

elek<br />

ges<br />

F<br />

max<br />

F<br />

Q<br />

EZ<br />

⋅<br />

⋅ 4,<br />

2 ⋅ AS<br />

( 1−<br />

α ) ⋅(<br />

1−<br />

β ) ⋅ϖ<br />

⋅EZ


2.7 Schätzung der Wassernachfrage großer Kraftwerke im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet (Vögele & Markewitz)<br />

Kraftwerken mit Ablaufkühlung besitzen einen Kühlturm, der zumeist relativ flexibel genutzt<br />

werden kann. Der Kühlturm dient bei solchen Kraftwerken u.a. dazu, das Kraftwerk auch zu<br />

Zeiten, an denen die beziehbare Kühlwassermenge beschränkt ist, betreiben zu können.<br />

Wird der Kühlturm nicht eingesetzt, so gelten für den Standardfall die für Kraftwerke mit<br />

Durchlaufkühlung vorgestellten Gleichungen für den Wasserbedarf. Zur Bestimmung der<br />

Mindestwassermengen werden dagegen die Gleichungen aus dem Abschnitt für Kraftwerke<br />

mit Kreisaufkühlung verwendet.<br />

2.7.3 Ergebnisse<br />

Im Rahmen des <strong>GLOWA</strong> II – Projektes wurde die Generierung von 4 Szenarien vereinbart.<br />

Hierbei handelt es sich um Szenarien, in deren Mittelpunkt eine zunehmende Globalisierung<br />

steht bzw. um Szenarien mit einer mehr an regionalen Kriterien orientierten Entwicklung. In<br />

den nächsten Kapiteln werden die einzelnen Szenarien im Hinblick auf Entwicklungen im<br />

Kraftwerksbereich konkretisiert.<br />

Allen Szenarien liegt der derzeitige Kraftwerksbestand zugrunde. Berücksichtigt werden dabei<br />

auch Kraftwerke, die derzeit in Bau bzw. in Planung sind. (siehe Tabelle 5)<br />

Tabelle 5: Im Bau oder in Planung befindliche Kraftwerke<br />

Netto-Leistung (MW) Energie-träger voraussichtliche Inbetriebnahme<br />

Kraftwerke in deutschen Teil des <strong>Elbe</strong>einzugsgebietes<br />

Tiefstack 125 Erdgas 2007<br />

Reuter West Topping 150 Erdgas 2008<br />

Boxberg 675 Braunkohle 2011<br />

Hamburg-Moorburg 1640 Steinkohle 2011<br />

GuD-Lichtenberg 500 Erdgas 2015<br />

GuD-Lichterfelde 150 Erdgas 2016<br />

Kraftwerke in tschechischen Teil des <strong>Elbe</strong>einzugsgebietes<br />

Pocerady 660 Braunkohle 2012<br />

Ledvice 660 Braunkohle 2012<br />

Quelle: VDEW 2006, CEZ 2006<br />

In Abhängigkeit von den unterstellten Rahmenbedingungen (z.B. Brennstoffpreise, Stromnachfrage)<br />

lassen sich unterschiedlichste Szenarien erstellen, die im Sinne von „Was wäre,<br />

wenn?“ zu interpretieren und demzufolge keine Prognosen sind. Hierbei ist zu beachten, dass<br />

es sich bei KASIM um ein Simulationstool handelt, mit dem mögliche Entwicklungspfade<br />

hinsichtlich der Entwicklung des Kraftwerksbestandes und des Frischwasserbedarfs aufgezeigt<br />

werden können. Grundsätzlich ist außer den im Folgenden dargestellten Szenarien noch<br />

eine Vielzahl alternativer Entwicklungspfade denkbar. Die Szenarien sind somit nicht als<br />

Prognosen zu verstehen.<br />

2.7.3.1 Konsistenzerfordernis mit übergeordneten Szenarien<br />

Um Aussagen über die zukünftige Entwicklung im Bereich der Stromerzeugung treffen zu<br />

können, werden neben Angaben über die Kosten der verschiedenen derzeit bzw. zukünftig zur<br />

Verfügung stehenden Stromerzeugungstechniken, deren technologische und umweltseitigen<br />

Eigenschaften, Angaben zur Entwicklung der Stromnachfrage benötigt. Die Stromnachfrage<br />

hängt grundsätzlich von einer Vielzahl von Faktoren ab. Vereinfachend werden im Folgenden<br />

Kapitel 2 – Seite 216


2.7 Schätzung der Wassernachfrage großer Kraftwerke im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet (Vögele & Markewitz)<br />

die Höhe des Bruttoinlandsproduktes bzw. dessen Veränderung über die Zeit sowie die demographische<br />

Entwicklung als Indikatoren für die Stromnachfrage verwendet. Aus Konsistenzgründen<br />

werden im Rahmen des <strong>GLOWA</strong>-II Projektes Vorgaben hinsichtlich der gesamtwirtschaftlichen<br />

sowie der demographischen Entwicklungen aus den Berechnungen des DIW<br />

übernommen. Den Szenarien „Globalisierung mit unveränderter Umweltorientierung“ und<br />

„Globalisierung mit verstärkter Umweltorientierung“ liegen hierbei die Rechenergebnisse des<br />

DIW-Szenarios „Globalisierung“ zugrunde, während die beiden anderen Szenarien („Differenzierung<br />

mit unveränderter Umweltorientierung“ und „Differenzierung mit verstärkter<br />

Umweltorientierung“) auf dem DIW-Szenario „Differenzierung“ basieren.<br />

2.7.3.2 Szenario „Globalisierung mit unveränderter Umweltorientierung“<br />

Rahmenannahmen<br />

In dem Szenario „Globalisierung“ des DIW wächst das deutsche BIP um 2% pro Jahr. Parallel<br />

hierzu wird unterstellt, dass die Bevölkerung zunimmt. Beide Faktoren führen tendenziell zu<br />

einer Zunahme des Stromverbrauchs. Unter Berücksichtigung der von [EWI/Prognos, 2005]<br />

angenommenen Beziehung zwischen diesen Faktoren und der Stromnachfrage ergibt sich ein<br />

Stromverbrauch wie in Tabelle 6 dargestellt. Da Angaben des DIW hinsichtlich der Entwicklung<br />

der Stromnachfrage in Tschechien zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichtes nicht<br />

vorliegen, wird in diesem Bereich auf Angaben von [EURELECTRIC, 2004] zurückgegriffen.<br />

Tabelle 6: Annahmen hinsichtlich zentraler Größen im Szenario „Wachstum und Globalisierung ohne verstärkte<br />

Aktivitäten im Umweltschutzbereich“<br />

2000 2010 2020 2030<br />

Entwicklung in Deutschland<br />

Stromverbrauch<br />

Anteil Erneuerbarer Ener-<br />

TWh 578 618 646 670<br />

gien an der Stromerzeugung<br />

% 8 15 20 20<br />

Anteil Biomasse (fest) % 0,2 1,3 1,3 1,3<br />

Entwicklung in Tschechien<br />

Stromverbrauch<br />

Anteil Erneuerbarer Ener-<br />

TWh 57 65 70 75<br />

gien an der Stromerzeugung<br />

% 1 3 3 3<br />

Entwicklung allgemein<br />

CO2-Zertifikatspreis Euro/t CO2 0 5 10 15<br />

Preis frei Kraftwerk (inkl. CO2- Aufschlag)<br />

Steinkohle Euro2000/GJ 1,59 2,18 2,74 3,24<br />

Braunkohle Euro2000/GJ 0,83 1,38 1,93 2,48<br />

Erdgas Euro2000/GJ 3,52 3,89 4,61 5,29<br />

(Netto-) Wirkungsgrade neuer Kraftwerke<br />

Steinkohlekraftwerk % 47% 48% 49,5%<br />

Braunkohlekraftwerk % 43,5% 45% 46%<br />

GuD-Kraftwerk % 58% 62% 66%<br />

Es wird angenommen, dass im Mittelpunkt der Energiepolitik vorwiegend ökonomische Kriterien<br />

stehen, wobei derzeit vorhandene energie- und umweltpolitische Maßnahmen nicht zurückgenommen<br />

werden. Erneuerbare Energien werden entsprechend weiterhin auf etwa dem<br />

Kapitel 2 – Seite 217


2.7 Schätzung der Wassernachfrage großer Kraftwerke im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet (Vögele & Markewitz)<br />

gegenwärtigen Niveau gefördert, wobei angenommen wird, dass eine Förderung über das im<br />

EEG festgelegte Ziel von 20% hinaus unterbleibt.<br />

Vorhandene Energiesteuern bleiben bestehen. Hinsichtlich der Entwicklung der Energiepreise<br />

wird in Anlehnung an [EWI/Prognos, 2005] von moderat steigenden Preisen ausgegangen.11<br />

Aufgrund der erwarteten Entwicklung der Energieträgerpreise und den Annahmen hinsichtlich<br />

der Förderung Erneuerbaren Energien dominieren im Bereich der Stromerzeugung weiterhin<br />

die fossilen Energieträger.<br />

Aufgrund einer Angleichung der Stromerzeugungsstrukturen kommt es in diesem Szenario zu<br />

keinen größeren Veränderungen des Stromimport-/-exportstaldos. Neue Kraftwerkwerke werden<br />

in dem Szenario wie in den anderen Szenarien vorwiegend an Standorten errichtet, an denen<br />

entsprechende Infrastrukturen (z.B. Ressourcen, Strom- und Wärmeverteilungsnetze) vorhanden<br />

sind, d.h. es werden überwiegend die frei werdenden Standorte genutzt.<br />

Die vorhandenen Technologien werden kontinuierlich weiterentwickelt. Neue Kraftwerke<br />

weisen dementsprechend stets einen höheren Wirkungsgrad auf als alte. Dies hat u.a. auch<br />

Auswirkungen auf den Kühlwasserbedarf, da mit zunehmendem Wirkungsgrad weniger Wasser<br />

für Kühlzwecke benötigt wird.<br />

Szenarioergebnisse<br />

Unter der Annahme, dass die aufgeführten Braunkohlekraftwerke 42 Jahre, die Steinkohlekraftwerke<br />

40, die Kernkraftwerke 33 und die Gaskraftwerke 35 Jahre in Betrieb sind,<br />

ergibt sich die in Abbildung 22 dargestellte Entwicklung der Wasserentnahmen im Kraftwerksbereich.<br />

Wie man dieser Abbildung entnehmen kann, ist aufgrund des relativ neuen<br />

Kraftwerksbestandes im <strong>Elbe</strong>gebiet kurzfristig nur mit geringen Veränderungen zu rechnen.<br />

Ein größerer Ersatzbedarf ergibt sich erst für den Zeitraum nach 2020.<br />

11 Grundsätzlich wäre es auch denkbar, dass das in den DIW Szenarien unterstellte starke wirtschaftliche<br />

Wachstum auf globaler Ebene zu einem Anstieg der Energiepreise führt. Da dies jedoch u.U. im Widerspruch<br />

zur unterstellten wirtschaftlichen Entwicklung steht, wird angenommen, dass aufgrund neuer Reserven die<br />

Anstiege der Energiepreise moderat bleiben.<br />

Kapitel 2 – Seite 218


2.7 Schätzung der Wassernachfrage großer Kraftwerke im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet (Vögele & Markewitz)<br />

Abbildung 22: Szenario 1: Entwicklung der Wasserentnahmen an Kraftwerksstandorten im deutschen Teil des<br />

<strong>Elbe</strong>einzugsgebietes (in Mrd. m 3 /Jahr)<br />

Dem Rückgang der Wasserentnahmen durch die Außerbetriebnahme alter Kraftwerke steht<br />

grundsätzlich der Frischwasserbedarf der neu errichteten Kraftwerke gegenüber. Da neue<br />

Kraftwerke annahmegemäß höhere Wirkungsgrade aufweisen als die alten, fällt deren spezifi-<br />

Kapitel 2 – Seite 219


2.7 Schätzung der Wassernachfrage großer Kraftwerke im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet (Vögele & Markewitz)<br />

scher Wasserbedarf niedriger aus. Im Saldo führt dies tendenziell zu einem niedrigeren Gesamtwasserbedarf.<br />

Zu beachten ist hierbei, dass in den Modellrechnungen ein Brennstoff- und<br />

somit Technologiewechsel, der wiederum den Abwärmeanfall beeinflusst, zugelassen wurde.<br />

Aufgrund der unterstellten Entwicklung der Energieträger- und CO2-Zertikatspreise (siehe<br />

Tabelle 6) sowie der für die einzelnen Kraftwerkstypen erforderlichen Investitionen werden in<br />

diesem Szenario die vorhandenen Braunkohlekraftwerke bis zum Ende ihrer technischen Lebensdauer<br />

genutzt. Da aufgrund des unterstellten technischen Fortschritts die neuen Kraftwerke<br />

einen höheren Wirkungsgrad aufweisen als die alten, verändert sich im Saldo der Braunkohlebedarf<br />

gegenüber heute nur geringfügig. Während der Strombedarf im Grundlastbereich<br />

in diesem Szenario vorwiegend durch den Einsatz von Braunkohlekraftwerken gedeckt wird,<br />

kommen im oberen Mittellastbereich weiterhin Steinkohlekraftwerke zum Einsatz. Entsprechend<br />

werden neue Steinkohlekraftwerke (z.B. in Berlin) errichtet, sobald an einem geeigneten<br />

Standort ein Neubaubedarf besteht. Gebaut wird des Weiteren eine größere Zahl von Gaskraftwerken.<br />

Diese kommen insbesondere im restlichen Mittel- und im Spitzenlastbereich<br />

zum Einsatz. In Abbildung 22 sind hierbei nur die Gaskraftwerke aufgeführt, die an den in<br />

Abbildung 19 aufgelisteten Standorten in Betrieb genommen werden. Weitere Kraftwerke<br />

werden in dem Szenario an Standorten außerhalb des <strong>Elbe</strong>einzugsgebiets bzw. abseits von<br />

größeren Flüssen oder Gewässern errichtet. Die Entwicklung der Wasserverluste im Kraftwerksbereich<br />

zeigt Abbildung 23.<br />

Aus dem Vergleich von Abbildung 22 und Abbildung 23 wird der Einfluss der verschiedenen<br />

Kühlverfahren deutlich. Während im Hinblick auf die Wasserentnahme Kraftwerke mit<br />

Durchlaufkühlung dominieren, spielen sie bei einer Betrachtung von Wasserverlusten keine<br />

Rolle, da das entnommene Frischwasser wieder vollständig zurückgespeist wird. Bei den anderen<br />

Kraftwerken werden tendenziell zwei Drittel des eingesetzten Frischwassers verdunstet.<br />

Kapitel 2 – Seite 220


2.7 Schätzung der Wassernachfrage großer Kraftwerke im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet (Vögele & Markewitz)<br />

Abbildung 23: Szenario 1: Entwicklung der Wasserverluste an Kraftwerksstandorten im deutschen Teil des <strong>Elbe</strong>einzugsgebietes<br />

(in Mrd. m 3 /Jahr)<br />

Die Entwicklung der Wasserentnahmen im tschechischen Bereich des Untersuchungsgebietes<br />

zeigt Abbildung 24. Im Gegensatz zu den Kraftwerken im deutschen Teil handelt es bei den<br />

angeführten tschechischen Kraftwerken um Anlagen, die schon seit mehreren Jahrzehnten im<br />

Kapitel 2 – Seite 221


2.7 Schätzung der Wassernachfrage großer Kraftwerke im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet (Vögele & Markewitz)<br />

Einsatz sind. Unter Berücksichtigung der Modernisierungsmaßnahmen, die in den 90iger Jahren<br />

erfolgten, ist anzunehmen, dass die meisten Anlagen ab 2010 ersetzt werden müssen.12 In<br />

den Braunkohlerevieren, in denen genügend Kohlevorräte vorhanden sind, werden die alten<br />

Kraftwerke durch neue Braunkohlekraftwerke ersetzt.13 Ab 2030 werden in dem Szenario<br />

keine neuen Braunkohlekraftwerke mehr errichtet, da dann die Braunkohlevorräte in allen<br />

Braunkohlerevieren allmählich zu Ende gehen. [Czech Coal, 2006, Czech Coal Group,<br />

2006]14 Als Ersatz werden für den Grund- und Mittellastbereich Steinkohlekraftwerke errichtet.<br />

Abbildung 24: Szenario 1: Entwicklung der Wasserentnahmen an Kraftwerksstandorten im tschechischen Teil<br />

des <strong>Elbe</strong>einzugsgebietes (in Mrd. m3/Jahr)<br />

Aus dem Vergleich von Abbildung 24 und Abbildung 25 wird erneut der Einfluss der verschiedenen<br />

Kühlverfahren deutlich. So entnimmt Mělník 1 die höchste Frischwassermenge,<br />

12 Hierbei wurde angenommen, dass sich je nach Modernisierungsgrad die Gesamtlaufzeit der Kraftwerke auf<br />

bis zu 55 Jahre verlängert.<br />

13 Implizit wird hierbei unterstellt, dass die Grenzen des Braunkohlereviers CSA entsprechend ausgedehnt wird.<br />

14 Für das Braunkohlerevier CSA wird hierbei von einer Reichweite bis zum Jahre 2061 ausgegangen. [Czech<br />

Coal Group, 2006]<br />

Kapitel 2 – Seite 222


2.7 Schätzung der Wassernachfrage großer Kraftwerke im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet (Vögele & Markewitz)<br />

da das Wasser jedoch vollständig wieder zurückgespeist wird, kommt es jedoch zu keinen<br />

Wasserverlusten.<br />

Im Zeitablauf wird der Kraftwerkpark in Tschechien in dem Szenario zwar relativ schnell erneuert,<br />

absolut gesehen, kommt es insgesamt jedoch nur zu geringeren Veränderungen bei<br />

den Wasserentnahmen bzw. -verlusten.<br />

Abbildung 25: Szenario 1: Entwicklung der Wasserverluste an Kraftwerkstandorten im tschechischen Teil des<br />

<strong>Elbe</strong>einzugsgebietes (in Mrd. m 3 /Jahr)<br />

2.7.3.3 Szenario „Globalisierung mit verstärkter Umweltorientierung“<br />

Rahmenannahmen<br />

Im Szenario „Globalisierung mit verstärkter Umweltorientierung“ wird analog zum Szenario<br />

„Globalisierung mit unveränderter Umweltorientierung“ von einem hohen BIP-Wachstum<br />

und einer Zunahme der Bevölkerung ausgegangen.<br />

Im Gegensatz zum Szenario ohne zusätzliche Umweltmaßnahmen wird in diesem Szenario<br />

unterstellt, dass nicht nur ökonomischen Kriterien sondern auch Nachhaltigkeitsaspekte auf<br />

globaler Ebene bei energiepolitischen Entscheidungen Berücksichtigung finden. So wird u.a.<br />

unterstellt, dass die derzeit vorhandenen Maßnahmen zum Schutz vor dem globalen Klima-<br />

Kapitel 2 – Seite 223


2.7 Schätzung der Wassernachfrage großer Kraftwerke im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet (Vögele & Markewitz)<br />

wandel ausgeweitet bzw. neue Maßnahmen ergriffen werden. Zum Maßnahmenkatalog zählt<br />

u.a. eine Ausweitung der Nutzung Erneuerbarer Energien zur Stromerzeugung. Als energiepolitisches<br />

Ziel wird in diesem Bereich eine Erhöhung des Anteils Erneuerbarer Energien an<br />

der Stromerzeugung bis 2030 auf 26% unterstellt. Hinsichtlich des CO2-Zertifikatepreises<br />

wird unterstellt, dass sich dieser aufgrund der gesetzten umweltpolitischen Zielsetzungen bis<br />

2030 auf 45 Euro/t CO2 erhöht. Hierdurch ergeben sich die Tabelle 7 dargestellten Brennstoffpreise<br />

(frei Kraftwerk).<br />

Tabelle 7: Annahmen hinsichtlich zentraler Größen im Szenario „Globalisierung mit verstärkter Umweltorientierung“<br />

2000 2010 2020 2030<br />

Entwicklung in Deutschland<br />

Stromverbrauch<br />

Anteil Erneuerbarer Ener-<br />

TWh 578 609 610 608<br />

gien an der Stromerzeugung<br />

% 8 15 20 26<br />

Anteil Biomasse (fest) % 0,2 1,3 1,4 1,6<br />

Entwicklung in Tschechien<br />

Stromverbrauch<br />

Anteil Erneuerbarer Ener-<br />

TWh 57 64 65 68<br />

gien an der Stromerzeugung<br />

% 1 3 4 5<br />

Entwicklung allgemein<br />

CO2-Zertifikatspreis Euro/t CO2 0 15 30 45<br />

Preis frei Kraftwerk (inkl. CO2- Aufschlag)<br />

Steinkohle Euro2000/GJ 1,59 3,10 4,48 6,00<br />

Braunkohle Euro2000/GJ 0,83 2,48 4,13 5,78<br />

Erdgas Euro2000/GJ 3,52 4,45 5,73 6,97<br />

Wirkungsgrade neuer Kraftwerke<br />

Steinkohlekraftwerk % 47% 53% 55%<br />

Braunkohlekraftwerk % 43,5% 49% 51%<br />

GuD-Kraftwerk % 58% 65% 70%<br />

Grundsätzlich führen die Erhöhung der Brennstoffpreise sowie die unterstellten Klimaschutzmassnahmen<br />

zu einer Reduktion der Nachfrage nach Endenergie. In dem Szenario wird<br />

entsprechend von einer deutlich geringeren Stromnachfrage ausgegangen als im Szenario ohne<br />

zusätzliche Umweltschutzmaßnahmen.<br />

Szenarioergebnisse<br />

Aufgrund der unterstellten Entwicklung der CO2-Zertifikatspreise verschlechtert sich die<br />

Wettbewerbssituation für Braunkohlekraftwerke. Neue Braunkohlekraftwerke werden in diesem<br />

Szenario aus Kostengründen nicht mehr zugebaut. Die vorhandenen Kraftwerke werden<br />

jedoch noch bis ans Ende ihrer technischen Lebensdauer genutzt.<br />

Anstelle von Braunkohle wird in diesem Szenario verstärkt auf Erdgas und Steinkohle gesetzt.<br />

Erdgasbefeuerte Kraftwerke sind dabei sowohl in der Anschaffung als auch im Betrieb<br />

grundsätzlich kostengünstiger als Steinkohlekraftwerke. Steinkohlekraftwerke kommen jedoch<br />

trotzdem zum Einsatz, da der Energieträger Kohle im Hinblick auf die Brennstoffkosten<br />

geringere Risiken aufweist. Des Weiteren dient die Diversifikation des Brennstoffmixes dazu,<br />

die Abhängigkeit von Brennstofflieferanten in Grenzen zu halten.<br />

Kapitel 2 – Seite 224


2.7 Schätzung der Wassernachfrage großer Kraftwerke im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet (Vögele & Markewitz)<br />

Die Wasserentnahmen fallen in diesem Szenario geringer aus als im Szenario „Globalisierung<br />

mit unveränderter Umweltorientierung“, was einerseits aus dem Wechsel zu mehr Gas und<br />

den höheren Wirkungsgraden der Kraftwerke resultiert. Andererseits verringert sich die an<br />

den betrachteten Standorten insgesamt installierte Kapazität, insbesondere dort wo alte<br />

Braunkohleblöcke nicht mehr durch neue Anlagen ersetzt werden. (Abbildung 26)<br />

Abbildung 26: Szenario 2: Entwicklung der Wasserentnahmen an Kraftwerksstandorten im deutschen Teil des<br />

<strong>Elbe</strong>einzugsgebietes (in Mrd. m 3 /Jahr)<br />

Kapitel 2 – Seite 225


2.7 Schätzung der Wassernachfrage großer Kraftwerke im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet (Vögele & Markewitz)<br />

Die Entwicklung der Wasserverluste im Kraftwerksbereich zeigt Abbildung 27. Auch hier ist<br />

ein starker Rückgang der Verluste an den Braunkohlestandorten zu verzeichnen, da in diesem<br />

Szenario an diesen Standorten keine Ersatzanlagen errichtet werden.<br />

Abbildung 27: Szenario 2: Entwicklung der Wasserverluste an Kraftwerksstandorten im deutschen Teil des <strong>Elbe</strong>einzugsgebietes<br />

(in Mrd. m 3 /Jahr)<br />

In Tschechien werden in diesem Szenario außer den beiden Braunkohlekraftwerken in Ledvice<br />

und Pocerady, die sich derzeit in der Planung befinden, keine neuen braunkohlebefeuerten<br />

Anlagen gebaut. Ersetzt werden die ausscheidenden Kraftwerke durch Erdgas- und Steinkohlekraftwerke,<br />

wobei Steinkohlekraftwerke im Grundlastbereich zum Einsatz kommen. Neben<br />

Kapitel 2 – Seite 226


2.7 Schätzung der Wassernachfrage großer Kraftwerke im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet (Vögele & Markewitz)<br />

fossilen Kraftwerken wird in diesem Szenario auch ein neuer Kernkraftwerksblock in Temelin<br />

errichtet.<br />

Abbildung 28: Szenario 2: Entwicklung der Wasserentnahmen an Kraftwerksstandorten im tschechischen Teil<br />

des <strong>Elbe</strong>einzugsgebietes (in Mrd. m 3 /Jahr)<br />

Abbildung 29 zeigt die Entwicklung der Wasserverluste. Im Vergleich zum Szenario „Globalisierung<br />

ohne verstärkte Umweltorientierung“ fallen die Wasserverluste etwas geringer aus,<br />

da verstärkt anstelle von Braun- Steinkohlekraftwerke errichtet werden. Ein Anstieg der<br />

Frischwasserentnahmen ergibt sich hierbei am Standort Temelin, da sich dort die installierte<br />

Kapazität um 1200 MW erhöht.15<br />

15 Eine Erweiterung der bestehenden Kernkraftwerkskapazitäten wird derzeit in Tschechien als eine Möglichkeit<br />

zur Aufrechterhaltung der hohen Importunabhängigkeit im Energiebereich gesehen. [Ministry of Industry<br />

and Trade of the Czech Republic, 2004]<br />

Kapitel 2 – Seite 227


2.7 Schätzung der Wassernachfrage großer Kraftwerke im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet (Vögele & Markewitz)<br />

Abbildung 29: Szenario 2: Entwicklung der Wasserverluste an Kraftwerksstandorten im tschechischen Teil des<br />

<strong>Elbe</strong>einzugsgebietes (in Mrd. m 3 /Jahr)<br />

2.7.3.4 Szenario „Differenzierung mit unveränderter Umweltorientierung“<br />

Rahmenannahmen<br />

Im Szenario „Differenzierung mit unveränderter Umweltorientierung“ wird ebenso wie im<br />

Szenario „Globalisierung ohne verstärkte Umweltorientierung“ angenommen, dass hauptsächlich<br />

ökonomische Kalküle im Vordergrund der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung stehen.<br />

Im Gegensatz zu den zuvor dargestellten Szenarien, werden in diesem Szenario die vorliegenden<br />

regionalen Besonderheiten und Strukturen betont. Hierbei wird u.a. davon ausgegangen,<br />

dass die wirtschaftlichen Entwicklungen in den einzelnen Regionen unterschiedlich verlaufen.<br />

Im Hinblick auf die Entwicklung des Kraftwerksparks bedeutet dies u.a., dass weiterhin in<br />

den verschiedenen Regionen unterschiedliche Stromerzeugungstechnologien zum Einsatz<br />

kommen können, d.h. dass keine größere Konzentration auf wenige Standardtechnologien erfolgt.<br />

Die Betonung von regionalen Strukturen wird in diesem Szenario des Weiteren berücksichtigt,<br />

indem angenommen wird, dass zunehmend regionale Versorger (z.B. Stadtwerke)<br />

dazu übergehen, eigene Kraftwerke zu errichten, um so eine größere Unabhängigkeit von<br />

großen EVU zu erreichen.<br />

Hinsichtlich der Entwicklung der Energieträgerpreise und des Anteils Erneuerbarer Energien<br />

werden die gleichen Annahmen wie im Szenario „Globalisierung mit unveränderter Umwelt-<br />

Kapitel 2 – Seite 228


2.7 Schätzung der Wassernachfrage großer Kraftwerke im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet (Vögele & Markewitz)<br />

orientierung“ verwendet. Entsprechend wird u.a. auch davon ausgegangen, dass ein verstärkter<br />

Ausbau der Erneuerbaren Energie unterbleibt. Gemäß den Vorgaben aus den DIW-<br />

Rechnungen wird für Deutschland von einem BIP-Wachstum von 1,5% und einer relativ geringen<br />

Anstieg der Anzahl der Einwohner ausgegangen. Unter Beachtung der von<br />

EWI/Prognos unterstellten Verbesserungen in der gesamtwirtschaftlichen Energieintensität<br />

ergibt sich damit eine relativ konstante Stromnachfrage für Deutschland. Hinsichtlich der Entwicklung<br />

der Stromnachfrage für Tschechien wurde von einem leichten Ansteigen ausgegangen.<br />

(Tabelle 8)<br />

Tabelle 8: Annahmen hinsichtlich zentraler Größen im Szenario „Regionalisierung und Differenzierung ohne<br />

verstärkte Umweltorientierung“<br />

2000 2010 2020 2030<br />

Entwicklung in Deutschland<br />

Stromverbrauch<br />

Anteil Erneuerbarer Ener-<br />

TWh 578 593 593 581<br />

gien an der Stromerzeugung<br />

% 8 15 20 20<br />

Anteil Biomasse (fest) % 0,2 1,3 1,3 1,4<br />

Entwicklung in Tschechien<br />

Stromverbrauch<br />

Anteil Erneuerbarer Ener-<br />

TWh 57 65 70 75<br />

gien an der Stromerzeugung<br />

% 1 3 3 3<br />

Entwicklung allgemein<br />

CO2-Zertifikatspreis Euro/t CO2 0 5 10 15<br />

Preis frei Kraftwerk (inkl. CO2- Aufschlag)<br />

Steinkohle Euro2000/GJ 1,59 2,18 2,74 3,24<br />

Braunkohle Euro2000/GJ 0,83 1,38 1,93 2,48<br />

Erdgas Euro2000/GJ 3,52 3,89 4,61 5,29<br />

(Netto-) Wirkungsgrade neuer Kraftwerke<br />

Steinkohlekraftwerk % 47% 48% 49,5%<br />

Braunkohlekraftwerk % 43,5% 45% 46%<br />

GuD-Kraftwerk % 58% 62% 66%<br />

Ergebnisse<br />

Im Szenario „Differenzierung mit unveränderter Umweltorientierung“ werden die vorhandenen<br />

Braunkohlekraftwerke bis zum Ende ihrer technischen Lebensdauer genutzt. Aufgrund<br />

der relativ niedrigen Zertifikatspreise und der mit Braunkohle verbundenen hohen Versorgungssicherheit<br />

werden auch in diesem Szenario alte Braunkohlekraftwerke kontinuierlich<br />

durch Neue ersetzt. Die installierte Kapazität bleibt entsprechend der unterstellten Entwicklung<br />

des Strombedarfs etwa auf dem derzeitigen Niveau. Da die neuen Kraftwerksblöcke einen<br />

höheren Wirkungsgrad aufweisen als die alten, nimmt der Braunkohlebedarf über dem<br />

Betrachtungszeitraum leicht ab.<br />

Da sich die Stromnachfrage in diesem Szenario im Zeitablauf nur geringfügig gegenüber heute<br />

ändert und weiterhin unterstellt wird, dass Neubauten bevorzugt an den vorhandenen bzw.<br />

freiwerdenden Kraftwerkstandorten errichtet werden, ändert sich die Kraftwerkstruktur an den<br />

betrachteten Kraftwerksstandorten gegenüber dem Szenario „Wachstum und Globalisierung<br />

ohne verstärkte Umweltorientierung“ nur geringfügig. Die Entwicklung des Frischwasserbedarfs<br />

und der Wasserverluste an den untersuchten deutschen und tschechischen Standorten im<br />

Kapitel 2 – Seite 229


2.7 Schätzung der Wassernachfrage großer Kraftwerke im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet (Vögele & Markewitz)<br />

<strong>Elbe</strong>einzugsgebiet folgt entsprechend denen aus Szenario „Globalisierung mit unveränderter<br />

Umweltorientierung“. (Abbildung 22, Abbildung 23, Abbildung 24, Abbildung 25)<br />

2.7.3.5 Szenario „Differenzierung mit verstärkter Umweltorientierung“<br />

Rahmenannahmen<br />

Im Szenario „Differenzierung mit verstärkter Umweltorientierung“ wird unterstellt, dass neben<br />

ökonomischen auch umweltpolitische Kriterien (insbesondere Reduktion der CO2-<br />

Emissionen) im Mittelpunkt der Energiepolitik stehen. Entsprechend wird in dem Szenario<br />

davon ausgegangen, dass vorhandene energie- und umweltpolitische Maßnahmen ausgeweitet<br />

werden.<br />

Ebenso wie im Szenario „Globalisierung mit verstärkter Umweltorientierung“ wird auch in<br />

diesem Szenario unterstellt, dass der Anteil Erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung<br />

deutlich erhöht wird (u.a. aufgrund des Baus von Off-Shore Windkraftanlagen).<br />

Tabelle 9: Annahmen hinsichtlich zentraler Größen im Szenario „Regionalisierung und Differenzierung mit verstärkten<br />

Aktivitäten im Umweltschutzbereich“<br />

2000 2010 2020 2030<br />

Entwicklung in Deutschland<br />

Stromverbrauch<br />

Anteil Erneuerbarer Ener-<br />

TWh 578 585 547 527<br />

gien an der Stromerzeugung<br />

% 8 15 20 26<br />

Anteil Biomasse (fest) % 0,2 1,3 1,5 1,7<br />

Entwicklung in Tschechien<br />

Stromverbrauch<br />

Anteil Erneuerbarer Ener-<br />

TWh 57 64 65 68<br />

gien an der Stromerzeugung<br />

% 1 3 4 5<br />

Entwicklung allgemein<br />

CO2-Zertifikatspreis Euro/t CO2 0 15 30 45<br />

Preis frei Kraftwerk (inkl. CO2- Aufschlag)<br />

Steinkohle Euro2000/GJ 1,59 3,10 4,48 6,00<br />

Braunkohle Euro2000/GJ 0,83 2,48 4,13 5,78<br />

Erdgas Euro2000/GJ 3,52 4,45 5,73 6,97<br />

Wirkungsgrade neuer Kraftwerke<br />

Steinkohlekraftwerk % 47% 53% 55%<br />

Braunkohlekraftwerk % 43,5% 49% 51%<br />

GuD-Kraftwerk % 58% 65% 70%<br />

Des Weiteren wird von einem durch die Ausweitung von Klimaschutzmaßnahmen bedingten<br />

Rückgang der Stromnachfrage ausgegangen. Ebenso wie im Szenario „Wachstum und Globalisierung<br />

mit verstärkter Umweltorientierung“ wird auch in diesem Szenario davon ausgegangen,<br />

dass die Wirkungsgrade der konventionellen Kraftwerke deutlich gesteigert werden.<br />

Ergebnisse<br />

Die unterstellten hohen Zertifikatspreise führen dazu, dass außer den derzeit in Bau bzw. in<br />

der Planungsphase befindlichen Anlagen keine neuen Braunkohlekraftwerke errichtet werden.<br />

Kapitel 2 – Seite 230


2.7 Schätzung der Wassernachfrage großer Kraftwerke im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet (Vögele & Markewitz)<br />

Aufgrund des Rückgangs der Stromnachfrage werden grundsätzlich geringere Kraftwerkskapazitäten<br />

benötigt als in den anderen Szenarien. Da die Stromnachfrage immer noch relativ<br />

hoch ist, führt die Annahme, dass zunächst Kraftwerke an den alten Standorten im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet<br />

und erst dann Anlagen außerhalb dieser Standorte errichtet werden dazu, dass an<br />

den betrachteten Standorten der gleiche Kraftwerksneubau erfolgt wie im Szenario „Globalisierung<br />

mit verstärkter Umweltorientierung“. Unterschiede zwischen den Szenarien „Globalisierung<br />

mit verstärkter Umweltorientierung“ und „Differenzierung mit verstärkter Umweltorientierung“<br />

ergeben sich hierbei nur hinsichtlich des Baus neuer Kraftwerke an anderen<br />

Standorten.<br />

Der Frischwasserbedarf und die Wasserverluste an den betrachteten Standorten entsprechen<br />

daher den Angaben zum Szenario „Globalisierung mit verstärkter Umweltorientierung“. (siehe<br />

Abbildung 26, Abbildung 27, Abbildung 28, Abbildung 29)<br />

2.7.4 Zusammenfassung<br />

Der Wasserbedarf thermischer bzw. nuklearer Kraftwerke hängt grundsätzlich sehr stark von<br />

den verwendeten Kühlverfahren sowie der anfallenden Abwärmemenge ab, wobei die Abwärmemenge<br />

durch den Brennstoffausnutzungsgrad und der Auslastung des Kraftwerks bestimmt<br />

wird. Zwischen den einzelnen Kraftwerken ergeben sich dabei große Unterschiede:<br />

Während Kraftwerke wie Wedel, Tiefstack und Melnik I mit über 100 l/kWh einen relativ hohen<br />

spezifischen Frischwasserbedarf aufweisen, benötigen andere Kraftwerke wie z.B.<br />

Jänschwalde, Boxberg und Lippendorf nur 2 bis 3 l/kWh. Zu beachten ist hierbei, dass Kraftwerke<br />

mit Durchlaufkühlung zwar einen hohen Wasserbedarf aufweisen, bei ihnen jedoch die<br />

gleiche Wassermenge, die entnommen wird, auch zurückgeleitet wird. Bei einem Einsatz eines<br />

Kühlturms hingegen wird zwar tendenziell weniger Wasser benötigt. Da ein Teil des<br />

Wassers über den Kühlturm verdunstet, liegt die zurück gespeiste Wassermenge jedoch normalerweise<br />

deutlich unter der Entnahmemenge.<br />

Die zukünftige Entwicklung des Wasserbedarfs großer Kraftwerke im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet<br />

hängt stark davon ab, wann und durch welche Kraftwerke die bestehenden Anlagen ersetzt<br />

werden. In den untersuchten Szenarien verändert sich der Frischwasserbedarf im deutschen<br />

Teil des <strong>Elbe</strong>einzugsgebietes aufgrund des relativ neuen Kraftwerksbestandes nur relativ<br />

langsam. Die Kraftwerke im tschechischen Teil des Untersuchungsgebietes sind hingegen<br />

deutlich älter. Daher bestehen hier kurz- und mittelfristig größere Möglichkeiten für Veränderungen.<br />

Ob die vorhandenen Braunkohlekraftwerke dort bzw. in Deutschland durch neue<br />

Braunkohlekraftwerke ersetzt werden, hängt hierbei sehr stark von der Entwicklung der Energieträger-<br />

und CO2-Zertifikatspreise ab. Bei hohen Zertifikatspreisen, wie sie in den Szenarien<br />

mit verstärkten Umweltaktivitäten unterstellt wurden, unterbleibt ein Zubau. In den anderen<br />

Szenarien werden hingegen, - insbesondere aus Versorgungssicherheitsgründen, - neue Anlagen<br />

errichtet.<br />

Bei der Interpretation der Szenarioergebnisse ist zu berücksichtigen, dass der Frischwasserbedarf<br />

von Kraftwerken sowie die anfallenden Kosten aufgrund der vielfältigen Faktoren, die<br />

den Bedarf bzw. die Kosten beeinflussen, nur grobe Abschätzungen von Entwicklungspfaden<br />

möglich sind. Darüber hinaus sind die Ergebnisse nicht als Prognosen sondern nur als „Was<br />

wäre, wenn?“ – Szenarien zu interpretieren.<br />

Kapitel 2 – Seite 231


2.7 Schätzung der Wassernachfrage großer Kraftwerke im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet (Vögele & Markewitz)<br />

2.7.5 Referenzen<br />

BASF SCHWARZHEIDE GMBH (2005) Umwelterklärung 2005. Schwarzheide.<br />

BEWAG (2005) Umweltbericht 2004/05. Berlin.<br />

CEZ (2005) Coal-fired Power Plants. http://www.cez.cz. 2005.<br />

CZECH COAL (2006) Brown coal. http://www.czechcoal.cz/en/produkty/uhli/index.html.<br />

CZECH COAL GROUP (2006) Sustainable Development Report.<br />

DEUTSCHES ATOMFORUM (2005) Jahresbericht 2004. Berlin.<br />

DOE/NETL (2006) Estimating Freshwater Needs to Meet Future Thermoelectric Generation Requirements.<br />

www.netl.doe.gov.<br />

E.ON KRAFTWERKE (2005) Kohlekraftwerk Schkopau. Hannover.<br />

EURELECTRIC (2004) Statistics and prospects for the European electricity sector (1980-1990, 2000-2020).<br />

Brussels.<br />

EVH (2005) Umwelterklärung 2005 Halle. www.evh.de.<br />

EWI/PROGNOS (2005) Die Entwicklung der Energiemärkte bis zum Jahre 2030. Köln, Basel.<br />

FEELEY III, T. J., et al. (2008) Water: A critical resource in the thermoelectric power industry. Energy, 33:1, 1-<br />

11.<br />

HEW (2005a) Das Heizkraftwerk Wedel. http://www.hew.de.<br />

HEW (2005b) Umweltbericht 2004/2005. Hamburg.<br />

IKSE (2005) Bericht 2005 der internationalen Flussgebietseinheit <strong>Elbe</strong>.<br />

INFORMATIONSKREIS KERNENERGIE (2005) Basiswissen Kernenergie. Berlin.<br />

KERNKRAFTWERK KRÜMMEL (2005) KKK-Kühlwassersysteme. http://www.kernkraftwerkkruemmel.de/kraftwerk/index.html.<br />

KUGELER, K. & PHILIPPEN, P.-W. (1993) Energietechnik. Berlin, Heidelberg, Springer-Verlag.<br />

LÄNDERARBEITSGEMEINSCHAFT WASSER (LAWA) (1983) Grundlagen zur Beurteilung des Kühlwassserverbrauchs<br />

und seiner Deckung o.O.<br />

LÄNDERARBEITSGEMEINSCHAFT WASSER (LAWA) (1991) Grundlagen zur Beurteilung des Kühlwasssereinleitungen<br />

in Gewässer. Berlin, Erich Schmidt.<br />

MINISTRY OF INDUSTRY AND TRADE OF THE CZECH REPUBLIC (2004) State energy policy of the<br />

Czech Republic. Prague. http://www.mpo.cz/.<br />

SENATSVERWALTUNG FÜR STADTENTWICKLUNG BERLIN (2004) Dokumentation der Umsetzung der<br />

EG-Wasserrahmenrichtlinie in Berlin (Länderbericht). Berlin.<br />

VASSOLO, S. & DÖLL, P. (2005) Global-scale gridded estimates of thermoelectric power and manufacturing<br />

water use. Water Resources Research, 41:4.<br />

VATTENFALL (2005a) Braunkohlekraftwerk Boxberg. http://www.vattenfall.de.<br />

VATTENFALL (2005b) Braunkohlekraftwerk Jänschwalde. http://www.vattenfall.de.<br />

VATTENFALL (2005c) Braunkohlekraftwerk Schwarze Pumpe. http://www.vattenfall.de.<br />

VATTENFALL (2005d) Pumpspeicher-Kraftwerk Geesthacht. http://www.vattenfall.de.<br />

VEAG (1999) Prognosewerte für das Arc GRM Spree-Schwarze Elster.<br />

VEBA-KRAFTWERKE RUHR (1998) Braunkohlekraftwerk Schkopau. Essen, Energiewirtschaft und Technik-<br />

Verl.-Ges.<br />

VGBPOWERTECH (2005) Zahlen und Fakten zur Stromerzeugung 2005. Essen.<br />

Kapitel 2 – Seite 232


2.7 Schätzung der Wassernachfrage großer Kraftwerke im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet (Vögele & Markewitz)<br />

2.7.6 Anhang<br />

Nr.<br />

Kraftwerk<br />

Baujahr <br />

Leistung(Brutto) <br />

Kühlverfahren<br />

Kapitel 2 – Seite 233<br />

Wasserentnahme<br />

(Mio. m 3 /Jahr)<br />

genehmigt<br />

1 Kernkraftwerk Brunsbüttel 1977 806 Durchlaufkühlung 1280<br />

tatsächlich<br />

818<br />

(2004)<br />

2 Kernkraftwerk Brokdorf 1986 1440 Durchlaufkühlung 2100 1.775 IKSE<br />

3 Heizkraftwerk Wedel<br />

1961/<br />

1962<br />

260 Durchlaufkühlung<br />

4 Heizkraftwerk Tiefstack 1993 189 Durchlaufkühlung<br />

5<br />

Pumpspeicherkraftwerk<br />

Geesthacht<br />

120 -<br />

6 Kernkraftwerk Krümmel 1983 1260 Durchlaufkühlung<br />

7 Kraftwerk Premnitz 1970 58 Durchlaufkühlung 6<br />

8 Kraftwerk Jänschwalde<br />

9<br />

Kraftwerk Schwarze Pumpe<br />

10 Kraftwerk Boxberg<br />

1976-<br />

1988<br />

1997/<br />

1998<br />

1978/<br />

1979/<br />

2000<br />

3000 Kreislaufkühlung 49<br />

1600 Kreislaufkühlung 26<br />

1900 Kreislaufkühlung<br />

12 Heizkraftwerk Dessau 1995 58 Durchlaufkühlung


2.7 Schätzung der Wassernachfrage großer Kraftwerke im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet (Vögele & Markewitz)<br />

Nr.<br />

Kraftwerk<br />

Baujahr <br />

Leistung(Brutto) <br />

Kühlverfahren<br />

Kapitel 2 – Seite 234<br />

Wasserentnahme<br />

(Mio. m 3 /Jahr)<br />

genehmigt<br />

22 Charlottenburg 1975 215 Ablaufkühlung 15<br />

23 Reuter 1988 165 Ablaufkühlung 300<br />

24 Reuter-West 1989 600 Kreislaufkühlung 11<br />

25 Lichterfelde 1983 450 Ablaufkühlung 210<br />

26 Moabit<br />

1972/<br />

1990<br />

150 Ablaufkühlung 60<br />

27 Klingenberg 1985 185 Durchlaufkühlung 55<br />

Nr. Kraftwerk<br />

Baujahr<br />

1 Kraftwerk Tisova<br />

1959-<br />

1961<br />

2 Kraftwerk Prunérov<br />

1968-<br />

1982<br />

3 Kraftwerk Tusimice<br />

1974-<br />

1975<br />

4 Kraftwerk Pocerady<br />

1970-<br />

1977<br />

5a Kraftwerk Melnik I<br />

1971-<br />

1981<br />

5b Kraftwerk Melnik II und III 1971-<br />

1981<br />

6 Kraftwerk Chvaletice<br />

1977-<br />

1978<br />

7 Heizkraftwerk Porici<br />

1957-<br />

1958<br />

8 Kernkraftwerk Temelin<br />

2002-<br />

2003<br />

Leistung<br />

(Brutto)<br />

296<br />

1490<br />

260<br />

1000<br />

352<br />

720<br />

800<br />

165<br />

2000<br />

9 Kraftwerk Ledvice II 1966 220<br />

10 Kraftwerk Ledvice III 1998 110<br />

tatsächlich<br />

378 *<br />

(2004)<br />

Wasserentnahme<br />

(Mio. m 3 Kühlverfahren<br />

/Jahr)<br />

getatnehmigtsächlichKreislaufkühlung 3<br />

Kreislaufkühlung<br />

18<br />

Kreislaufkühlung<br />

9<br />

Kreislaufkühlung<br />

13<br />

Durchlaufkühlung<br />

206<br />

Kreislaufkühlung<br />

10<br />

Kreislaufkühlung<br />

11<br />

Kreislaufkühlung<br />

2<br />

Kreislaufkühlung<br />

43<br />

Kreislaufkühlung<br />

1<br />

Kreislaufkühlung<br />

5<br />

Anmerkungen<br />

Umweltbericht<br />

BEWAG<br />

Anmerk-ungen<br />

Eigene Abschätzung<br />

Eigene Abschätzung<br />

Eigene Abschätzung<br />

Eigene Abschätzung<br />

Eigene Abschätzung<br />

Eigene Abschätzung<br />

Eigene Abschätzung<br />

Eigene Abschätzung<br />

Eigene Abschätzung<br />

Eigene Abschätzung<br />

Eigene Abschätzung


2.8 Szenarien der Wassernachfrage und Wassernutzung der Industrie im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet bis zum<br />

Jahr 2020 (Mutafoglu)<br />

2.8 Szenarien der Wassernachfrage und Wassernutzung<br />

der Industrie im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet bis zum Jahr 2020<br />

Konar Mutafoğlu<br />

Technische Universität Berlin, Fachgebiet Landschaftsökonomie, EB 4-2,<br />

Straße des 17. Juni 145, 10623 Berlin<br />

Tel + 49 30 314 73351<br />

Fax + 49 30 314 73517<br />

konar.mutafoglu@tu-berlin.de<br />

http://www.landschaftsoekonomie.tu-berlin.de<br />

Abstract<br />

Mit der Wassernachfrage der Industrie wird im Rahmen des <strong>GLOWA</strong>-<strong>Elbe</strong> Projektverbundes eine im Vergleich<br />

zu anderen Wassernutzern wie etwa privaten Haushalten oder der Energiewirtschaft vergleichsweise selten betrachtete<br />

Nutzergruppe einer eigenständigen Analyse unterzogen. Aufbauend auf den im Projektverbund GLO-<br />

WA-<strong>Elbe</strong> entwickelten Szenarien zur wirtschaftlichen und technischen Entwicklung werden für einzelne Branchen<br />

des verarbeitenden Gewerbes Szenarien der Wassernachfrage entwickelt. Im Ergebnis zeigt sich für die<br />

Mehrzahl der Szenarien und Branchen eine tendenziell rückläufiger Wassernachfrage der Industrie. Die auf<br />

Branchenebene abgeleiteten Pfade der Wassernachfrage werden im Rahmen der Modellierung von Wasserentnahmen<br />

direkt entnehmender industrieller Wassernutzer im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet verwendet.<br />

Keywords<br />

Industrielle Wassernachfrage, Szenarien, Wassermanagement, Direktentnahme, Technikentwicklung,<br />

Sektorale Produktion<br />

2.8.1 Einführung<br />

2.8.1.1 Motivation und Hintergrund der Untersuchung<br />

Sowohl in der öffentlichen Diskussion wie auch in der wissenschaftlichen Analyse von Wassernutzungen<br />

richtet sich das Augenmerk vorwiegend auf private Haushalte sowie einzelne<br />

prägnante Nutzer wie etwa thermische Kraftwerke der Elektrizitätswirtschaft. Im Vergleich<br />

hierzu wird der industrielle Sektor vergleichsweise selten einer eigenständigen Analyse unterzogen,<br />

obwohl dieser z. B. in quantitativer Hinsicht durchaus von regionaler Bedeutung sein<br />

kann.<br />

Überlegungen zur gegenwärtigen und insbesondere möglichen zukünftigen Entwicklungen<br />

der industriellen Wassernutzung sehen sich immer mit dessen vergleichsweise großer Heterogenität<br />

in den einzelnen Industriebranchen gegenüber. Wasser wird in Industriebetrieben typischerweise<br />

für verschiedene Verwendungszwecke eingesetzt. Von mengenmäßiger Bedeutung<br />

ist zum einen die Nutzung für Kühlzwecke z. B. in der chemischen Grundstoffindustrie,<br />

bei welcher verschiedenartige Kühlverfahren mit variierenden Mengen- und Qualitätsanforderungen<br />

zum Einsatz kommen können. Zum anderen hat Wasser in zahlreichen Branchen, wie<br />

z. B. dem Ernährungsgewerbe oder der pharmazeutischen Industrie eine bedeutsame Verwendung<br />

als Roh- und Hilfsstoff und kommt als solches mit Zwischen- und Endprodukten der<br />

industriellen Produktion in Berührung. Neben diesen beiden großen Verwendungszwecken<br />

wird Wasser in Betrieben auch für Belegschaftszwecke eingesetzt, etwa in Kantinen und sanitären<br />

Einrichtungen, aber auch für Reinigungsvorgänge im Produktionsbereich. Dieser dritte<br />

Kapitel 2 – Seite 235


2.8 Szenarien der Wassernachfrage und Wassernutzung der Industrie im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet bis zum<br />

Jahr 2020 (Mutafoglu)<br />

Einsatzbereich weist einige Gemeinsamkeiten mit Nutzungszwecken in privaten Haushalten<br />

auf und ist zumeist von relativ geringerer quantitativer Bedeutung.<br />

Im Unterschied zu üblicherweise netzversorgten privaten Haushalten, können industrielle<br />

Wassernutzer auch im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet häufig auf eine eigene Wasserversorgungs- und<br />

Abwasserbeseitigungsstruktur zugreifen. So bezog das verarbeitende Gewerbe im Jahre 2004<br />

insgesamt rund 917 Millionen m³ Wasser, davon entfielen mit gut 700 Mio. m³ allein 76,4%<br />

auf die Eigenförderung aus Oberflächengewässern (Abbildung 1). Weitere 89 Mio. m³<br />

stammten aus der Eigenförderung von Grundwasser. Demgegenüber stehen rund 129 Mio. m³<br />

Wasser, die das verarbeitende Gewerbe aus dem öffentlichen Netz oder über andere Betriebe<br />

und Einrichtungen, wie z. B. Betreibern von Industrie- und Gewerbeparks bezog.<br />

Wasseraufkommen in 1000 m³<br />

1400<br />

1200<br />

1000<br />

800<br />

600<br />

400<br />

200<br />

0<br />

Kapitel 2 – Seite 236<br />

Oberflächenwasser<br />

Fremdbezug<br />

Grundwasser<br />

1991 1995 1999 2003 2007<br />

Abbildung 1: Wasseraufkommen des verarbeitenden Gewerbes im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet (Sonderauswertungen des<br />

Statistischen Bundesamtes)<br />

Der Blick auf die Entwicklung des registrierten Wasseraufkommens verdeutlicht, dass die<br />

durch das verarbeitende Gewerbe geförderten bzw. bezogenen Wassermengen im Betrachtungszeitraum<br />

von 1991 bis 2004 überwiegend rückläufig waren. Einen maßgeblichen Anteil<br />

an dieser Entwicklung hatte die Restrukturierung des industriellen Sektors in den ostdeutschen<br />

Bundesländern nach der Wiedervereinigung. So ist insbesondere die verminderte Inanspruchnahme<br />

von Wasser zu Beginn der 1990er Jahre auf die Stilllegung zahlreicher Betriebe<br />

und Produktionsstätten zurückzuführen. In vielen der verbliebenen wasserintensiven Betriebe<br />

wurden im weiteren Verlauf der 1990er Jahre Produktionsanlagen modernisiert, so dass weiterhin<br />

ein Rückgang des Wasseraufkommens zu verzeichnen war. Insgesamt nahm dieses im<br />

Zeitraum von 1991 bis 2004 um 42,9% ab, wobei der Rückgang der Oberflächenwasserförderung<br />

mit 45,2% noch deutlicher ausfiel. Dabei entfiel der weitaus größere Anteil der Rückgänge<br />

auf die Jahre vor 1995, die beobachtete Entwicklung setzte sich auch darüber hinaus<br />

fort, wenn auch mit geringeren jährlichen Veränderungsraten.<br />

Der Blick auf die Entwicklung des Wasseraufkommens im Untersuchungsgebiet verdeutlicht<br />

die Notwendigkeit, im Rahmen der vorliegenden Analyse auch die Besonderheiten der Wirtschaftsstruktur<br />

im Untersuchungsgebiet zu berücksichtigen. Da der weitaus überwiegende


2.8 Szenarien der Wassernachfrage und Wassernutzung der Industrie im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet bis zum<br />

Jahr 2020 (Mutafoglu)<br />

Teil des deutschen <strong>Elbe</strong>einzugsgebietes das Gebiet der ostdeutschen Bundesländer umfasst,<br />

hat die Entwicklung der Produktion in den Branchen des verarbeitenden Gewerbes in diesem<br />

Teilraum eine besondere Bedeutung für die Inanspruchnahme von Wasserressourcen. So<br />

weist der für die neuen Bundesländer gesondert verfügbare Index der Nettoproduktion als Indikator<br />

für die Entwicklung der Nettoproduktionswerte für das verarbeitende Gewerbe einen<br />

Zuwachs von rund 72% im Zeitraum von 1995 bis 2004 aus (Abbildung 2). Für die einzelnen<br />

hier betrachteten wasserrelevanten Branchen lassen sich jedoch relativ heterogene Entwicklungspfade<br />

erkennen. Von besonderer Bedeutung ist die Feststellung, dass in der überwiegenden<br />

Anzahl der Branchen im Betrachtungszeitraum nur eine unterdurchschnittliche Produktionsausweitung<br />

feststellbar ist. Insbesondere im Bereich des Textilgewerbes, aber auch der<br />

Mineralölverarbeitung ist eine zuletzt stagnierende bzw. rückläufige Entwicklung der Nettoproduktionswerte<br />

zu verzeichnen. Dagegen bewegen sich das Ernährungsgewerbe und die Papierverarbeitung<br />

mit Zuwächsen von rund 53% bzw. 65% knapp unter der durchschnittlichen<br />

Entwicklung für das gesamte verarbeitende Gewerbe. In der Metallerzeugung und -<br />

verarbeitung, hier aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht getrennt dargestellt, war dagegen<br />

eine ähnliche Entwicklung wie im verarbeitenden Gewerbe insgesamt zu beobachten.<br />

Index der Nettoproduktion<br />

1995 = 100<br />

250<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50<br />

Kapitel 2 – Seite 237<br />

Chemie<br />

Verarbeitendes<br />

Gewerbe<br />

Papier<br />

Ernährung<br />

Mineralöl<br />

Textil<br />

1995 1997 1999 2001 2003 2005<br />

Abbildung 2: Entwicklung der Produktion in den neuen Bundesländern (Bundesministerium für Wirtschaft und<br />

Technologie 2008)<br />

Somit ist für die traditionell wasserintensiven Branchen eine relativ unterdurchschnittliche<br />

Entwicklung der Produktion im überwiegenden Teil des Untersuchungsgebietes festzustellen.<br />

Eine bedeutsame Ausnahme bildet jedoch die chemische Industrie mit einem Zuwachs des<br />

Indexes der Nettoproduktion von rund 139%. Dieser Zuwachs lässt sich zu einem guten Teil<br />

auf die Revitalisierung und Erweiterung traditioneller Chemie-Standorte z. B. im mitteldeutschen<br />

Chemiedreieck zurückführen. Er ist auch deswegen von Bedeutung, da auf die chemische<br />

Industrie der weitaus überwiegende Anteil des Wasseraufkommens im verarbeitenden<br />

Gewerbe fällt. So entfielen im Jahr 2004 im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet rund 56% des gesamten Oberflächenwasseraufkommens<br />

des verarbeitenden Gewerbes alleinig auf die chemische Industrie,<br />

gefolgt von der Mineralölverarbeitung mit rund 14% (Statistisches Bundesamt 2006b).<br />

Im Folgenden wird das Augenmerk auf die Wasserversorgungsseite und die entsprechende<br />

mengenmäßige Wassernachfrage von Betriebe gelegt, zu deren Deckung eine Eigenversor-


2.8 Szenarien der Wassernachfrage und Wassernutzung der Industrie im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet bis zum<br />

Jahr 2020 (Mutafoglu)<br />

gung sowohl mit Grundwasser als auch mit Oberflächenwasser in Frage kommen kann. Im<br />

Rahmen des <strong>GLOWA</strong>-<strong>Elbe</strong> II Projektes stehen die Wirkungen langfristiger sozioökonomischer<br />

und klimatisch-hydrologischer Veränderungen insbesondere auf Oberflächengewässer<br />

im Mittelpunkt. Vor diesem Hintergrund zielen die im Folgenden vorstellten Überlegungen<br />

auf die gegenwärtige und insbesondere zukünftige Entnahme von Wasser durch industrielle<br />

Direktentnehmer ab, die innerhalb eines Wassermengenbewirtschaftungsmodells als<br />

Wasserentnehmer Berücksichtigung finden. Speziell werden für die Wassernachfrage des verarbeitenden<br />

Gewerbes szenarienbasierte Pfade aufgezeigt, die u. a. auch vorliegende Arbeiten<br />

zur wirtschaftlichen und technischen Entwicklung im Untersuchungsgebiet berücksichtigen.<br />

Die im Ergebnis skizzierten Pfade zukünftiger Wassernachfrage finden Eingang in weitere<br />

Verwendungen, insbesondere im Rahmen der Modellierung der Wasserverfügbarkeit im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet<br />

unter den Rahmenbedingungen des globalen Wandels.<br />

Die Begriffe Wasserbedarf und Wassernachfrage werden in der vorliegenden Literatur nicht<br />

einheitlich verwendet. Der Bedarfsbegriff findet zumeist seine Anwendung in technischen<br />

Zusammenhängen und impliziert einen zumindest kurzfristig festen Zusammenhang zwischen<br />

Produktion und damit verbundenem Frischwassereinsatz. Von Bedarf wird bisweilen auch<br />

dann gesprochen, wenn eine Nutzung von Wasser ohne dessen physischen Verbrauch, also<br />

ein Wassergebrauch vorliegt. Dagegen findet der Wassernachfragebegriff eher Verwendung<br />

im ökonomischen Kontext und bezieht sich auf die Abhängigkeit einer nachgefragten Wassermenge<br />

von verschiedenen Faktoren, zu denen insbesondere auch Wasserpreise gehören. In<br />

der vorliegenden Arbeit werden die Begriffe Wasserbedarf und Wassernachfrage weitgehend<br />

synonym verwendet, jedoch in einer inhaltlichen Nähe zum Nachfragebegriff angesiedelt.<br />

2.8.1.2 Vorliegende Arbeiten in Deutschland und im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet<br />

Zum Wassernachfrage der Industrie liegen für Deutschland insgesamt nur sehr wenige veröffentliche<br />

Arbeiten vor, dabei reichen die ersten Beiträge zurück in die 1970er Jahre. So wurden<br />

durch (Batelle-Institut 1972), (Fakiner et al. 1976) und (Winje 1983) erste quantitative<br />

Prognosen des Wasserbedarfes von Haushalten, Industrie und Landwirtschaft in der Bundesrepublik<br />

Deutschland mit Betrachtungszeiträumen bis zum Jahr 2000 bzw. 2010 erarbeitet.<br />

Darüber hinaus finden sich auch einzelne regionale Betrachtungen z. B. durch (Frey et al.<br />

1978) für das Land Nordrhein-Westfalen oder durch (Rohmeier & Steigerwald 1981) für Niedersachsen.<br />

Prognosen des zukünftigen industriellen Wasserbedarfes wurden auch für kleinere<br />

spezielle räumliche Einheiten wie (Teil-)Einzugsgebiete von Fließgewässern oder Versorgungsgebiete<br />

kommunaler Wasserversorger erarbeitet (Wasserwirtschaftsamt Hannover 1977,<br />

Sättler et al. 1982).<br />

Aus methodischer Sicht wurde bei den genannten frühen Beiträgen auf verschiedene Prognosetechniken<br />

zurückgegriffen. Darunter finden sich sowohl Fortschreibungen von Trends der<br />

jüngeren Vergangenheit, koeffizientenbasierte Verfahren, wie auch formal anspruchsvollere<br />

Regressionsanalysen. Dabei wurde überwiegend auf Datenmaterial der amtlichen Statistik im<br />

Bereich der industriellen Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung zurückgegriffen. Diese<br />

wurden z. T. durch spezielle Betriebsbefragungen ergänzt. Die Ergebnisse wurden zumeist als<br />

Punktprognosen erarbeitet, welche für zukünftige Zieljahre entsprechende quantitative Wassermengenanforderungen<br />

des Industriesektors formulieren. Eine beachtenswerte methodische<br />

Ausnahme bildet der Beitrag von (Sättler et al. 1982) mit einer Bandbreitenprognose, kombiniert<br />

mit einer Anwendung der Szenariotechnik.<br />

Kapitel 2 – Seite 238


2.8 Szenarien der Wassernachfrage und Wassernutzung der Industrie im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet bis zum<br />

Jahr 2020 (Mutafoglu)<br />

In der überwiegenden Anzahl der frühen Prognosebeiträge wurde von einer weiteren, z. T.<br />

deutlichen Zunahme des Frischwasserbedarfes der Industrie ausgegangen. Dieser wurde im<br />

Wesentlichen durch die Annahme einer stetig steigenden industriellen Produktion und damit<br />

verbundenen erhöhten Wasserbedarfen begründet. Jedoch zeigten sich bereits nach wenigen<br />

Jahren deutliche Abweichungen zwischen der prognostizierten und tatsächlichen mengenmäßigen<br />

Wassernachfrage, da wesentliche weitere Einflussfaktoren unzureichend berücksichtigt<br />

worden waren. Eine besondere Stellung nimmt für den Bereich der industriellen Wassernutzung<br />

die Möglichkeit einer Mehrfach- und Kreislaufnutzung von Wasser im Betrieb ein, die<br />

in vielen Branchen und zahlreichen Produktionsverfahren in Betracht kommt. Ob und in welchem<br />

Umfang ein solches Wasserrecycling tatsächlich eingeführt oder ausgeweitet wird,<br />

hängt von verschiedenen technischen, aber auch ökonomischen Faktoren ab. So wurde der<br />

Einfluss der Kosten der Wassernutzung, gemessen an Wasserbezugs- und Aufbereitungskosten<br />

wie auch Kosten der Abwasseraufbereitung und -beseitigung, zwar auch in frühen Untersuchungen<br />

wie etwa durch (Jacobitz et al. 1981) erkannt, jedoch nur bedingt als Determinante<br />

im Rahmen von Prognosen berücksichtigt.<br />

Im weiteren Verlauf der 1980er und 1990er Jahre verloren Wasserbedarfsprognosen ihren<br />

Stellenwert der Vergangenheit. Dies trifft in besonderem Maße für Überlegungen zur industriellen<br />

Wassernutzung zu, da diese aufgrund des wirtschaftlichen Strukturwandels mit dem<br />

damit verbundenen Rückgang traditionell wasserintensiver Branchen, wie etwa der Textilindustrie<br />

oder der Eisen- und Stahlverarbeitung, eine quantitativ geringere Bedeutung einnahm.<br />

Zwar finden sich weiterhin einzelne veröffentlichte regionale Fallstudien etwa von (Roesler et<br />

al. 1986) (Möhle & Masannek 1993) oder (Bächle et al. 1998). Jedoch lässt sich parallel zum<br />

tendenziell rückläufigen Frischwasserbedarf des industriellen Sektors auch ein nachlassendes<br />

Interesse an Prognosen insbesondere großräumiger Art feststellen. Erst in jüngerer Vergangenheit<br />

finden sich erneute Beiträge zu dieser Thematik, zum einen motiviert durch veränderte<br />

Rahmenbedingen in der europäischen Wasserpolitik und zum anderen durch sich abzeichnende<br />

potenzielle zukünftige Herausforderungen an das Management von Wasserressourcen<br />

insbesondere vor dem Hintergrund langfristiger Klimaänderungen und deren Folgen für hydrologische<br />

Systeme.<br />

Beide Aspekte sind auch von Bedeutung für den Untersuchungsraum des <strong>Elbe</strong>einzugsgebietes.<br />

So entstanden jüngere Betrachtungen der industriellen Wassernachfrage zum einen vor<br />

dem Hintergrund der Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie und zum anderen im Rahmen<br />

von Forschungsarbeiten zur zukünftigen Wasserverfügbarkeit in <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet.<br />

So verlangt die Wasserrahmenrichtlinie der Europäischen Union in ihrer Umsetzung auch eine<br />

wirtschaftliche Analyse der Wassernutzung, die auf der Ebene von Flussgebietseinheiten<br />

zu erstellen ist. Ein erster Bericht hierzu wurde im Jahre 2005 durch die Internationale Kommission<br />

zum Schutz der <strong>Elbe</strong> vorgelegt (IKSE 2005a, b). Dabei erfolgt eine getrennte Betrachtung<br />

für den deutschen und den tschechischen Teil des Einzugsgebietes. Neben der Beschreibung<br />

der gegenwärtigen Wassernutzung im Flusseinzugsgebiet und ihrer wirtschaftlichen<br />

Bedeutung, werden auch Einschätzungen zur weiteren Entwicklung des Wasserdargebotes<br />

und der Wassernachfrage formuliert. Diese Einschätzungen bilden ein so genanntes Baseline-Szenario,<br />

dabei reicht der Zeithorizont der Betrachtungen bis zum Jahr 2015.<br />

Mit Blick auf die Entwicklung in Deutschland wird auf den deutlichen Rückgang der Wasserentnahme<br />

für industrielle Zwecke zwischen den Jahren 1991 und 2001 um 14,3% verwiesen<br />

(IKSE 2005a: 18). Im selben Betrachtungszeitraum nahm die wirtschaftliche Leistung weiter<br />

zu, das reale Bruttoinlandsprodukt wuchs um 16,3%. Zu einer im Zeitablauf immer effiziente-<br />

Kapitel 2 – Seite 239


2.8 Szenarien der Wassernachfrage und Wassernutzung der Industrie im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet bis zum<br />

Jahr 2020 (Mutafoglu)<br />

ren Wassernutzung hat nach Einschätzung der IKSE auch die Entwicklung der Wasser- und<br />

Abwasserpreise beigetragen. So nahm im bundesweiten Durchschnitt der Preis von Wasser<br />

bei Abgabe an Haushalte und die Industrie zwischen 1991 und 2001 um gut 51% zu, im gleichen<br />

Zeitraum war bei den Erzeugerpreisen lediglich ein Anstieg von 8,8% zu verzeichnen<br />

(IKSE 2005a: 18).<br />

Auf der Grundlage der in der Vergangenheit beobachteten Entwicklung wird davon ausgegangen,<br />

dass sich für den Bereich der Industrie der Trend der zurückgehenden Wassernutzung<br />

fortsetzen wird. Neben der weiteren Einführung Wasser sparender Techniken wird auch auf<br />

den "Trend zur fortgesetzten Verschiebung der Wertschöpfung hin zu Dienstleistungen und<br />

die Verlagerung der Produktion in Niedriglohnländer" verwiesen (IKSE 2005a: 21). Eine<br />

quantitative Einschätzung zum erwarteten Rückgang der Wassernachfrage durch die Industrie<br />

erfolgt für den deutschen Teil des <strong>Elbe</strong>einzugsgebietes jedoch nicht.<br />

Für obige Überlegungen im Rahmen der Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie werden<br />

als plausibel erachtete Annahmen über die zukünftige sozioökonomische und technische Entwicklung<br />

ad-hoc formuliert. Im Vergleich hierzu knüpfen (Döll & Vassolo 2004) an bestehende<br />

Szenarien zur globalen Wirtschafts- und Bevölkerungsentwicklung an, die durch das<br />

Intergovernmental Panel on Climate Change im Special Report on Emission Scenarios (SRES<br />

Szenarien) formuliert wurden (Nakicenovic et al. 2000). Die durch (Döll & Vassolo 2004)<br />

entwickelten Szenarien betrachten auch die Entwicklung der industriellen Wassernutzung im<br />

deutschen Teil des <strong>Elbe</strong>einzugsgebietes, dabei wird auf die SRES-Szenarien A1 und B2 zurückgegriffen.<br />

Als Determinanten der Wassernutzung im verarbeitenden Gewerbe ziehen (Döll & Vassolo<br />

2004) zum einen die wirtschaftliche Entwicklung und zum anderen die technische Entwicklung<br />

heran, wobei zwischen den Szenarien differenzierte Annahmen zu diesen Einflussfaktoren<br />

getroffen werden. Aufgrund der verfügbaren Datengrundlage ist zu berücksichtigen, dass<br />

dieser Regionalisierungsansatz für den Bereich des verarbeitenden Gewerbes sich im Wesentlichen<br />

auf Deutschland insgesamt bezieht, die daraus gezogenen Schlussfolgerungen werden<br />

in einem zweiten Schritt auf das <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet übertragen. Für die Wertschöpfung des<br />

verarbeitenden Gewerbes als Maß für die wirtschaftliche Entwicklung wird im Szenario A1<br />

eine Zunahme um 10% bzw. im Szenario B2 eine Abnahme von 10% im Zeitraum von 2000<br />

bis 2025 angenommen. Als Indikator für die technologische Entwicklung, insbesondere mit<br />

Blick auf die Effizienz der Wassernutzung, wird die spezifische Wasserentnahme je Einheit<br />

generierter Wertschöpfung zu Grunde gelegt. Die für die alten Bundesländer vorgenommene<br />

Betrachtung zeigt zwischen den Jahren 1975 bis 1995 eine stetige Abnahme der spezifischen,<br />

auf die Bruttowertschöpfung des verarbeitenden Gewerbes bezogenen Oberflächenwasserentnahme<br />

um jährlich durchschnittlich 2,7% (Döll & Vassolo 2004: 179). Für die zukünftige<br />

Entwicklung wird angenommen, dass sich diese allgemeine Entwicklung hin zu einer höheren<br />

Effizienz der Wassernutzung fortsetzt. So wird im Szenario A1 von einer jährlichen Abnahme<br />

um 2,2% ausgegangen und im Szenario B2 eine jährliche Abnahme um 3,2% zu Grunde gelegt.<br />

Aus dem Zusammenspiel der Faktoren Wirtschaftsentwicklung und Technologieentwicklung<br />

ergeben sich für den Betrachtungszeitraum 2005-2025 in beiden Szenarien deutliche Rückgänge<br />

der industriellen Wasserentnahmen von 37% in Szenario A1 und 60% in Szenario B2<br />

(Döll & Vassolo 2004: 173). Die ausgewiesenen Ergebnisse beziehen sich auf das verarbeitende<br />

Gewerbe insgesamt, eine Betrachtung einzelner Branchen wird nicht vorgenommen.<br />

Kapitel 2 – Seite 240


2.8 Szenarien der Wassernachfrage und Wassernutzung der Industrie im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet bis zum<br />

Jahr 2020 (Mutafoglu)<br />

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass auch in jüngeren Arbeiten von einer weiteren<br />

Fortsetzung des seit den späten 1970er Jahren beobachteten Rückgangs des Frischwasserbedarfes<br />

des Industriesektors ausgegangen wird. Jedoch liegen hierzu keine neueren Überlegungen<br />

vor, die insbesondere die Situation in einzelnen Branchen näher betrachten. Aufgrund<br />

verschiedenartiger Wassernutzungsstrukturen und ungleichförmiger sektoraler Entwicklungen<br />

erscheint eine solche differenzierte Betrachtung jedoch geboten.<br />

2.8.2 Material und Methoden<br />

2.8.2.1 Szenarioansatz der Untersuchung<br />

Die vorliegenden Überlegungen zur Entwicklung der Wassernachfrage durch industrielle Nutzer<br />

ordnen sich in vorliegende Szenarien zur sozioökonomischen und klimatischen Entwicklung<br />

im deutschen Teil des <strong>Elbe</strong>einzugsgebiets ein. Im Mittelpunkt steht die Nachfrage industrieller<br />

Nutzer nach Oberflächenwasser für den Einsatz zu Produktionszwecken im Betrachtungszeitraum<br />

von 2004 bis 2020.<br />

Aufgrund der langfristig orientierten Betrachtungsweise stellen die skizzierten Pfade der Wassernachfrage<br />

der Industrie keine Prognose dar, da insbesondere keine Wahrscheinlichkeiten<br />

bezüglich des Eintretens der einen oder anderen Entwicklung ausgewiesen werden können.<br />

Auch wird keines der aufgeworfenen Szenarien als wahrscheinlicher als ein anderes angesehen.<br />

Vielmehr sind die Szenarien als ein Beitrag zu der in sich konsistenten Formulierung<br />

kontrastierender Entwicklungspfade im deutschen Teil des <strong>Elbe</strong>einzugsgebiets zu interpretieren.<br />

Aufgrund der Datenverfügbarkeit konnten die Überlegungen innerhalb der Projektlaufzeit<br />

nicht auf den tschechischen Teil des Einzugsgebietes übertragen werden.<br />

Für die Entwicklung der Wassernachfrage der industriellen Nutzer werden zwei wichtige Faktoren<br />

herangezogen. Zum einen wird die sozioökonomische Entwicklung des Untersuchungsgebietes,<br />

insbesondere die Entwicklung der Produktion im verarbeitenden Gewerbe beleuchtet.<br />

Es stellt sich dabei die Frage, wie sich die wirtschaftliche Aktivität in den für die Direktentnahme<br />

relevanten Branchen entwickeln könnte. Zu diesem Zweck kann auf szenariobasierte<br />

Überlegungen des DIW Berlin zur zukünftigen sozioökonomischen Entwicklung in<br />

Deutschland bzw. im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet zurückgegriffen werden (siehe Blazejczak et al.<br />

2008). Dabei steht insbesondere die Entwicklung der industriellen Wertschöpfung in den relevanten<br />

Branchen im Mittelpunkt.<br />

Als zweiter wesentlicher Einflussfaktor werden Technikentwicklungen in der industriellen<br />

Wassernutzung berücksichtigt. Hier stehen die zu einer weiteren Reduzierung der für die Produktionsprozesse<br />

eingesetzten Wassermenge denkbaren technischen Optionen im Mittelpunkt.<br />

Insbesondere sind Einschätzungen zu einer Ausweitung der Mehrfach- und Kreislaufnutzung<br />

von Wasser, einschließlich der Einführung abwasserarmer bzw. abwasserfreier Produktionsverfahren<br />

erforderlich. Zu diesen Fragestellungen liegen Arbeiten des Fraunhofer-<br />

Institutes für Innovations- und Systemforschung vor, die Berücksichtigung finden (Hillenbrand<br />

et al. 2008).<br />

Eine wesentliche Zielsetzung der hier erarbeiteten Szenarien ist die Kontrastierung der mengenmäßigen<br />

Nachfrage nach Wasser mit dem für den Untersuchungszeitraum modellierten<br />

Wasserdargebot unter den Bedingungen des Klimawandels. Keine Berücksichtigung finden<br />

dagegen unmittelbare oder mittelbare Wirkungen klimatischer Veränderungen auf die industrielle<br />

Produktionstechnik oder Produktionsstruktur. Ein Beispiel für eine mittelbare Wirkung<br />

würde z. B. eine durch den Klimawandel begründbare zusätzliche Nachfrage nach Erzeugnis-<br />

Kapitel 2 – Seite 241


2.8 Szenarien der Wassernachfrage und Wassernutzung der Industrie im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet bis zum<br />

Jahr 2020 (Mutafoglu)<br />

sen einzelner Branchen darstellen, wie etwa der Getränkeerzeugung oder Klimaanlagentechnik<br />

(Herrington 1996). Eine unmittelbare Wirkung des Klimawandels wäre z. B. durch die<br />

Verminderung von Kühlkapazitäten aufgrund höherer Luft- und Gewässertemperaturen denkbar.<br />

Jedoch lassen sich gegenwärtig, auch insbesondere aufgrund der Heterogenität industrieller<br />

Wassernutzungen und im Unterschied zur thermischen Kraftwerken, keine verallgemeinerbaren<br />

Zusammenhänge ermitteln (Downing et al. 2003).<br />

Die Szenarien industrieller Wassernachfrage ordnen sich in die innerhalb des Verbundprojektes<br />

<strong>GLOWA</strong>-<strong>Elbe</strong> skizzierten Szenarien des globalen Wandels ein. Aus der Kombination der<br />

genannten Einflussfaktoren „Wirtschaftsentwicklung“ und „Technikentwicklung“ ergeben<br />

sich dabei in den einzelnen Szenarien differenzierte Entwicklungspfade. Den Ausgangpunkt<br />

bilden dabei zwei globale Szenarien zur sozioökonomischen Entwicklung im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet<br />

(A1/B2). Diese werden mit zwei Szenarien zur Technikentwicklung kombiniert, die sich<br />

zum einen durch eine Beibehaltung der Umweltorientierung in den einzelnen Branchen ( 0 )<br />

und zum anderen durch eine verstärkte Umweltorientierung ( + ) auszeichnen. Aus der Kombination<br />

der beiden Komponenten ergeben sich vier Szenarien (Tabelle 1).<br />

Tabelle 1: Qualitative Merkmale der <strong>GLOWA</strong>-<strong>Elbe</strong> Entwicklungsrahmen<br />

Szenario Wirtschaftsentwicklung Technikentwicklung<br />

A1 0 - Globalisierung ohne verstärkte<br />

Umweltorientierung<br />

A1 + - Globalisierung mit verstärkter<br />

Umweltorientierung<br />

B2 0 - Differenzierung ohne verstärkte<br />

Umweltorientierung<br />

B2 + - Differenzierung mit verstärkter<br />

Umweltorientierung<br />

Produktion wächst eher dynamisch<br />

Produktion wächst eher moderat<br />

Kapitel 2 – Seite 242<br />

Effizienzentwicklung folgt Trend<br />

Verstärke Effizienzanstrengungen<br />

Effizienzentwicklung folgt Trend<br />

Verstärke Effizienzanstrengungen<br />

Die zu Grunde gelegten Szenarien unterscheiden sich mit Blick auf qualitative und quantitative<br />

Annahmen. Sie lassen sich wie folgt charakterisieren.<br />

A1 0 : Globalisierung ohne verstärkte Umweltorientierung<br />

Das Szenario "A1 ohne verstärkte Umweltorientierung" bildet einen Verlauf ab, in der die industrielle<br />

Wassernutzung sich aus technischer Perspektive entlang der in der jüngeren Vergangenheit<br />

beobachteten Entwicklungslinien entwickelt. Dabei wird für alle relevanten Branchen<br />

des verarbeitenden Gewerbes in Deutschland von einer auch zukünftig zunehmenden<br />

Effizienz der Wassernutzung ausgegangen. Diese schlägt sich insbesondere in einer fortgesetzten<br />

Verringerung spezifischer Wassereinsätze in Produktionsprozessen nieder. In den einzelnen<br />

wasserintensiven Branchen des verarbeitenden Gewerbes setzt sich diese Tendenz mit<br />

unterschiedlicher Geschwindigkeit fort. So werden in einigen Branchen wie der Papierverarbeitung<br />

und der chemischen Industrie weitere deutliche Effizienzsteigerungen erwartet.<br />

Die wirtschaftliche Entwicklung folgt in diesem Szenario dem durch das überordnete makroökonomische<br />

Szenario vorgegeben Pfad, dabei ist insbesondere die Entwicklung der Produktion<br />

in den einzelnen Branchen von Bedeutung. Vielfach wird ein z. T. deutliches Wachstum<br />

der Produktion angenommen, dies gilt beispielsweise für die exportorientierten Branchen, etwa<br />

der chemischen Industrie oder der Kraftfahrzeugherstellung. Über das gesamte verarbei-


2.8 Szenarien der Wassernachfrage und Wassernutzung der Industrie im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet bis zum<br />

Jahr 2020 (Mutafoglu)<br />

tende Gewerbe hinweg wird eine jährliche Zunahme der Bruttoproduktion um 2% zu Grunde<br />

gelegt.<br />

A1 + : Globalisierung mit verstärkter Umweltorientierung<br />

Das Szenario "A1 mit verstärkter Umweltorientierung" bildet eine Entwicklung ab, in der innerhalb<br />

der Branchen des verarbeitenden Gewerbes verstärkte Anstrengungen zu einer weiteren<br />

Senkung des Wassereinsatzes und des Abwasseranfalls vorgenommen werden. Heute vorhandene<br />

technische Potenziale werden in einem hohen Maße ausgeschöpft. Aus diesem Grunde<br />

ergeben sich im Vergleich zum Szenario "A1 ohne verstärkte Umweltorientierung" weiter<br />

verringerte spezifische Wassereinsätze. Die wirtschaftliche Entwicklung folgt auch in diesem<br />

Szenario den skizzierten expansiven Pfad mit deutlichen Wachstumsraten der Produktion.<br />

B2 0 : Differenzierung ohne verstärkte Umweltorientierung<br />

Die wirtschaftliche Entwicklung ist in diesem Szenario in den einzelnen Branchen des verarbeitenden<br />

Gewerbes durch ein vergleichsweise moderates Wachstum der Produktion geprägt<br />

bzw. in einzelnen Fällen nahezu einer Stagnation. Über das gesamte verarbeitende Gewerbe<br />

hinweg wird eine jährliche Wachstumsrate von 1,2% angenommen.<br />

Die technische Entwicklung erfolgt wie im Falle des Szenarios A1 entlang der in der jüngeren<br />

Vergangenheit beobachteten Pfade, somit werden auch in diesem Falle weitere Effizienzverbesserungen<br />

in der industriellen Wassernutzung angenommen.<br />

B2 + : Differenzierung mit verstärkter Umweltorientierung<br />

Auch das Szenario B2 + legt eine moderate Entwicklung der Produktion in den einzelnen<br />

Branchen des verarbeitenden Gewerbes zu Grunde. Jedoch erfolgt, analog zu den Annahmen<br />

zur Technikentwicklung in Szenario A1 + , eine verstärkte Orientierung Richtung einer Senkung<br />

des Wassereinsatzes und des Abwasseranfalls.<br />

2.8.2.2 Auswahl des Modellierungsansatzes<br />

Optionen für die Modellierung<br />

Grundsätzlich stehen für die Prognose der zukünftigen Wassernachfrage verschiedene methodische<br />

Optionen zur Verfügung. Welche Methode zur Anwendung kommen kann, hängt neben<br />

der verfolgten Zielstellung, die sich u. a. in der Länge der Szenarioperiode ausdrückt,<br />

auch von der Verfügbarkeit einer ausreichenden Datengrundlage ab (UKWIR & Environment<br />

Agency 1997). Denkbar wäre eine Fortschreibung der beobachteten Vergangenheitsentwicklung,<br />

wie auch eine bivariate oder multivariate Modellierung, die die Entwicklung der Wassernachfrage<br />

in Abhängigkeit von einer oder mehrerer determinierender Faktoren abbildet.<br />

Trendextrapolation<br />

Als einfachste Möglichkeit wäre eine einfache Trendextrapolation denkbar. Dahinter verbirgt<br />

sich die implizite Annahme, dass alle Determinanten der industriellen Wassernachfrage vollkommen<br />

mit der Variable „Zeit“ korreliert sind. Diese Annahme ist sehr restriktiv und insbesondere<br />

bei einem langfristig orientierten Prognoseansatz mit einem Zeithorizont größer als<br />

10 Jahre regelmäßig nicht zutreffend. Für kurzfristigere Betrachtungen im Bereich von unter 5<br />

Jahren ist dieses Vorgehen jedoch denkbar und kann bei einem geringen Datenbedarf ähnlich<br />

befriedigende Resultate erbringen wie andere Methoden (DVWK 1991: 52-53).<br />

Kapitel 2 – Seite 243


2.8 Szenarien der Wassernachfrage und Wassernutzung der Industrie im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet bis zum<br />

Jahr 2020 (Mutafoglu)<br />

Bivariate Modellierung<br />

Während im Falle der Trendexploration die Nachfrage im Abhängigkeit vom Faktor „Zeit“<br />

angebildet wird, unterstellen bivariate Ansätze einen Zusammenhang der eingesetzten Wassermenge<br />

mit einer anderen, im Regelfall dem ökonomischen Kontext näher liegenden Größe.<br />

Regelmäßig wird auf einen Zusammenhang zu einer Kenngröße wie der Wertschöpfung einer<br />

Region oder der Beschäftigtenanzahl zurückgegriffen. Aufgrund dieser Verhältnisbetrachtung<br />

wird dieses Vorgehen auch als Koeffizientenansatz bzw. als analytisch-synthetische Methode<br />

bezeichnet (DVWK 1991: 52-53). Die mittels eines Koeffizienten erklärte Wassernachfrage<br />

kann eine Gesamtgröße sein (z.B. gesamte industrielle Wassernachfrage eines Landkreises)<br />

oder sich auf eine speziellere Größe beziehen (z.B. Nachfrage nach Oberflächenwasser zu<br />

Kühlzwecken).<br />

In der einfachsten Anwendungsform könnte ein im Zeitablauf konstanter Koeffizient angenommen<br />

werden, jedoch ist insbesondere für längerfristiger orientierte Überlegungen von dessen<br />

Veränderlichkeit auszugehen, die im Falle des Wassereinsatzes der Industrie insbesondere<br />

durch technischen Fortschritt ermöglicht wird. So ist im Zeitablauf tendenziell von einem<br />

Rückgang des spezifischen Wassereinsatzes je Einheit eines gefertigten Zwischen- oder Endproduktes<br />

auszugehen, jedoch vollzieht sich diese Entwicklung nicht in allen Branchen mit<br />

der gleichen Geschwindigkeit. Liegen Arbeiten zu technischen Entwicklungslinien in den relevanten<br />

Branchen vor, können diese durch eine Variation der zugrunde liegenden Koeffizienten<br />

Berücksichtigung finden.<br />

Der Datenbedarf für bivariate Modelle ist vergleichsweise überschaubar, gleichzeitig bietet<br />

dieses Vorgehen die Möglichkeit, die Entwicklung mehrerer Wirkfaktoren getrennt zu betrachten<br />

und im Rahmen der Vorausschau zu kombinieren.<br />

Multivariate Modellierung<br />

Eine realitätsnähere Abbildung der Wassernachfrage ermöglichen multivariate Modelle, da<br />

eine Mehrzahl von als relevant betrachteten Einflussgrößen herangezogen werden kann. Für<br />

den jeweiligen Einzelfall muss eine geeignete funktionale Formulierung spezifiziert werden.<br />

Beispielsweise kann zwischen den erklärenden Variablen ein additiver oder auch multiplikativer<br />

Zusammenhang zu Grunde gelegt werden.<br />

Soll durch multivariate Modelle tatsächlich eine realitätsgetreuere Abbildung der Zusammenhänge<br />

erfolgen, ist eine ausreichend breite Datengrundlage erforderlich, insbesondere wenn<br />

auch eine räumlich feinere Auflösung erwünscht ist. Die vergleichsweise anspruchsvollen Datenanforderungen<br />

haben in der Vergangenheit dazu geführt, dass dieses Vorgehen nur selten<br />

angewandt wurde. Beispielsweise liegen zu Wasserpreisen und anderen Kosten der Wassernutzung<br />

der Industrie für Deutschland keine zuverlässigen Daten vor, dies gilt insbesondere<br />

für die hier im Mittelpunkt stehende Eigenversorgung mit Wasser.<br />

Verwendete Methode<br />

Aufgrund der langfristig orientierten Betrachtung wird in der vorliegenden Arbeit nicht auf<br />

eine reine Trendextrapolation zurückgegriffen, auch wenn diese theoretisch möglich und aufgrund<br />

der in der Vergangenheit beobachteten, vielfach kontinuierlichen Abnahme der im verarbeitenden<br />

Gewerbe eingesetzten Wassermengen prinzipiell denkbar wäre.<br />

Multivariate Ansätze können aufgrund der verfügbaren Datengrundlage zum gegenwärtigen<br />

Zeitpunkt nicht eingesetzt werden. Im Bereich der amtlichen Wasserstatistiken liegen Branchendaten<br />

aus den Erhebungsjahren 1995, 1998, 2001 und 2004 vor, jedoch stellt sich die<br />

Kapitel 2 – Seite 244


2.8 Szenarien der Wassernachfrage und Wassernutzung der Industrie im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet bis zum<br />

Jahr 2020 (Mutafoglu)<br />

Frage nach der Belastbarkeit von Ergebnissen, die auf lediglich vier Stützjahren beruhen. Dagegen<br />

wird für die Erstellung multivariater Modellansätze einschlägig eine jährliche Datenbasis<br />

für mindestens 10 Jahre empfohlen (UKWIR & Environment Agency 1997).<br />

Somit wird im Folgenden ein bivariater Modellansatz verfolgt, wie er auch in anderen Regionen<br />

Verwendung findet. Beispielsweise beruht die Modellierung des industriellen Wassereinsatzes<br />

innerhalb des in den USA weit verbreiteten IWR-MAIN-Modells auf branchenspezifischen<br />

Koeffizienten des Wassereinsatzes je Beschäftigten und Tag (Opitz et al. 1998: 101-<br />

102). Dieses Modell wurde auch für Szenariobetrachtungen zu den möglichen Auswirkungen<br />

von Klimaveränderungen auf den Wasserbedarf verschiedener Nutzergruppen eingesetzt (Boland<br />

1997). In jüngerer Zeit wurden durch die britische Environment Agency in einem szenariobasierten<br />

Vorgehen mögliche Entwicklungen der Wassernachfrage durch verschiedene<br />

Nutzergruppen erarbeitet, die für den Bereich der Industrie auch auf einen analytischsynthetischen<br />

Ansatz zurückgreifen (Environment Agency 2001).<br />

Demnach werden ausgehend von den Daten des Basisjahres 2004 branchenbezogenen spezifische<br />

Wassereinsätze bezogen auf eine Einheit an Bruttowertschöpfung ermittelt. Aufbauend<br />

auf der Analyse der technischen Entwicklungen in den einzelnen wasserrelevanten Branchen<br />

werden Pfade für die zukünftige Entwicklung der spezifischen Wassereinsätze für Szenarien<br />

mit ( + ) und ohne ( 0 ) eine verstärkte Umweltorientierung abgeleitet. Unter Berücksichtigung<br />

der für das jeweilige Jahr angenommenen Entwicklung der Produktion in den einzelnen Branchen<br />

für die Szenarien A1/B2 ergibt sich in einem nächsten Schritt der damit verbundene<br />

Wassereinsatz in den betrachteten Branchen.<br />

Produktion<br />

Branche i<br />

Oberflächenwasseraufkommen<br />

Branche i<br />

Spezifisches<br />

Oberflächenwasseraufkommen<br />

Branche i<br />

Basisjahr<br />

2004<br />

Technikszenarien<br />

( 0 / + )<br />

Branche i<br />

Abbildung 3: Vorgehensweise der Szenarioentwicklung<br />

Spezifisches<br />

Oberflächenwasseraufkommen<br />

Branche i<br />

Szenariojahr<br />

20xx<br />

Kapitel 2 – Seite 245<br />

Szenarien<br />

Produktion (A1, B2)<br />

Branche i<br />

Szenariojahr 20xx<br />

Szenarien<br />

OW-Aufkommen<br />

(A10 / A1 + , B20 / B2 + )<br />

Branche i<br />

Szenariojahr 20xx<br />

Szenarien OW-Entnahmen<br />

(A10 / A1 + , B20 / B2 + )<br />

Wassernutzer j<br />

In einem letzten Schritt erfolgt die Übertragung der zunächst für einzelne Branchen ermittelten<br />

Pfade der Wassereinsätze auf einzelne bedeutsame industrielle Wassernutzer im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet,<br />

die als Entnehmer innerhalb der Wasserbewirtschaftungsmodells berücksichtigt<br />

werden.


2.8 Szenarien der Wassernachfrage und Wassernutzung der Industrie im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet bis zum<br />

Jahr 2020 (Mutafoglu)<br />

2.8.2.3 Datenbasis und Datenerfordernisse<br />

Nutzung von Sekundärdaten<br />

Für die Umsetzung des gewählten analytisch-synthetischen Ansatzes müssen zunächst Angaben<br />

zur Wassernutzung in den relevanten Branchen des verarbeitenden Gewebes für ein Basisjahr<br />

herangezogen werden. Diese werden der amtlichen Statistik entnommen. Zuletzt erhobene<br />

Daten zur Wassernutzung in der Industrie liegen für das Jahr 2004 vor (Statistisches<br />

Bundesamt 2006b). Dieses wird für die weiteren Betrachtungen als Basisjahr gewählt, alle<br />

korrespondierenden Angaben, insbesondere zur Produktion in den betrachteten Branchen beziehen<br />

sich auch auf dieses Jahr. Die im Rahmen der amtlichen Wasserstatistik erhobenen<br />

Angaben liegen auch auf der Ebene des <strong>Elbe</strong>einzugsgebietes vor, jedoch erweist es sich als<br />

methodisch schwierig, Daten zur wirtschaftlichen Aktivität ebenfalls auf der Ebene von<br />

Flusseinzugsgebieten zu gewinnen. Aus diesem Grund muss als räumliche Bezugsebene<br />

Deutschland insgesamt gewählt wählen. Damit wird implizit angenommen, dass sich die<br />

Entwicklung der Wassernutzung im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet ähnlich zu der Entwicklung im gesamten<br />

Bundesgebiet darstellt. Ein Vergleich der Entwicklung der Indizes der Nettoproduktion<br />

für die neuen Bundesländer mit der für das gesamte Bundesgebiet ausgewiesenen Entwicklung<br />

verdeutlicht insbesondere für die jüngere Vergangenheit eine überdurchschnittliche Produktionsausweitung<br />

in vielen Branchen des verarbeitenden Gewebes in den neuen Ländern.<br />

So sind mit der hier getroffenen Annahme gewisse Unsicherheiten verbunden, doch erscheint<br />

es mit Blick auf den relativ langen Szenariozeitraum vertretbar, von vergleichbaren Entwicklungen<br />

im gesamten Bundesgebiet auszugehen, da etwaige strukturelle Besonderheiten der<br />

Produktion in den ostdeutschen Bundesländern im Zeitablauf tendenziell in den Hintergrund<br />

treten dürften.<br />

Zur Erarbeitung von Szenarien zur Wassernutzung der Industrie sind weiterhin Überlegungen<br />

zur zukünftigen Entwicklung der Effizienz der Wassernutzung erforderlich, die insbesondere<br />

auch technologische Trends in einzelnen Branchen berücksichtigen. Eine ausreichende Differenzierung<br />

der relevanten Branchen ist auch deshalb geboten, um divergierende Entwicklungen<br />

etwa im Bereich der Technikentwicklung zu berücksichtigen. Da die entwickelten Szenarien<br />

zur Modellierung der Oberflächenwassernutzung bedeutsamer Direktentnehmer im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet<br />

genutzt werden sollen, werden insbesondere jene Branchen näher beleuchtet die<br />

als Direktentnehmer von Bedeutung sind.<br />

Betriebsbefragung im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet<br />

Zur Ergänzung der vorliegenden Datenlage der amtlichen Statistik wurde durch die TU Berlin<br />

im Herbst 2006 eine auf das <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet eingegrenzte Befragung von Betrieben des<br />

verarbeitenden Gewerbes durchgeführt. Auf der Basis einer Sonderauswertung der amtlichen<br />

Daten zur Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung für das Jahr 2004 wurden zunächst<br />

jene Branchen identifiziert, die bezogen auf den Frischwassereinsatz im Untersuchungsgebiet<br />

von quantitativer Bedeutung sind. Um den Untersuchungsaufwand in vertretbarem Rahmen<br />

zu halten, richtete sich die schriftliche Befragung an Betriebe mit 50 und mehr Beschäftigten.<br />

Insgesamt wurden 1602 Betriebe angeschrieben und um Angaben zur betrieblichen Wassernutzung<br />

einschließlich technischer und ökonomischer Aspekte gebeten. Von den eingegangenen<br />

301 Antworten konnten insgesamt 292 Fragebögen zu Auswertungszwecken genutzt<br />

werden. Dies entspricht einem verwertbaren Rücklauf von 18,2%.<br />

Kapitel 2 – Seite 246


2.8 Szenarien der Wassernachfrage und Wassernutzung der Industrie im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet bis zum<br />

Jahr 2020 (Mutafoglu)<br />

Tabelle 2: Branchenverteilung in Betriebsbefragung<br />

Branche Befragte Betriebe Antworten Rücklaufquote<br />

Ernährungsgewerbe 408 57 14,0%<br />

Textilgewerbe 14 10 71,4%<br />

Papierverarbeitung 93 20 21,5%<br />

Mineralölverarbeitung 18 4 22,2%<br />

Chemische Industrie 236 61 25,8%<br />

Metallerzeugung und -bearbeitung 138 23 16,7%<br />

Andere Branchen 695 117 16,8%<br />

Gesamt 1602 292 18,2%<br />

Die Bearbeitung der Fragebögen erfolgte zumeist durch Personen im Betrieb, die mit Aufgaben<br />

der Wasserversorgung und Abwasseraufbereitung vertraut sind. Neben einer Einschätzung<br />

des zukünftigen Einsatzes bestimmter Techniken und Verfahren im Wasser- und Abwasserbereich,<br />

wurden die Befragten auch um eine Einschätzung der Entwicklung des<br />

Frischwassereinsatzes in der näheren Zukunft gebeten. Dabei geht die Mehrzahl von 58% aller<br />

Betriebe von einem unveränderten Wassereinsatz bis zum Jahr 2011 aus (Abbildung 4).<br />

Dagegen wird in 29% aller Betriebe ein erhöhter Wassereinsatz vermutet, im Wesentlichen<br />

begründet durch eine Ausweitung der Produktion. Die verbleibenden 13% aller Betriebe geben<br />

einen voraussichtlichen Rückgang an, teilweise aufgrund von Umstellungen der Produktpalette,<br />

teilweise aufgrund der Ausweitung Wasser sparender Produktionsverfahren.<br />

Alle befragten Betriebe<br />

Betriebe mit<br />

Oberflächenwassernutzung<br />

Betriebe ohne<br />

Oberflächenwassernutzung<br />

0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />

Abnahme Keine Veränderung Zunahme<br />

Abbildung 4: Entwicklung des Frischwassereinsatzes bis zum Jahr 2011 (Eigene Erhebung in 284 Betrieben)<br />

Ein etwas anderes Bild ergibt sich bei einer speziellen Betrachtung der Betriebe mit und ohne<br />

eine Eigenversorgung mit Wasser. Unter jenen Betrieben die auf Oberflächenwasser zugreifen,<br />

gehen etwa 21% von sinkenden Frischwassereinsätzen aus, darunter befinden sich auch<br />

einige mengenmäßig bedeutsame Entnehmer innerhalb des <strong>Elbe</strong>einzugsgebietes. In Verbindung<br />

mit den weiteren Angaben zur technischen Entwicklung innerhalb der Befragung ergeben<br />

sich daher Hinweise auf einen tendenziell rückläufigen Frischwassereinsatz in den relevanten<br />

Branchen.<br />

Kapitel 2 – Seite 247


2.8 Szenarien der Wassernachfrage und Wassernutzung der Industrie im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet bis zum<br />

Jahr 2020 (Mutafoglu)<br />

2.8.2.4 Detailschritte der Nachfragemodellierung<br />

Spezifische Oberflächenwasserentnahme im Basisjahr<br />

Den Ausgangspunkt der Betrachtungen bildet die spezifische Oberflächenwasserentnahme in<br />

den einzelnen Branchen des verarbeitenden Gewerbes. Grundsätzlich wäre ein Bezug der entnommenen<br />

bzw. der eingesetzten Wassermenge je Einheit eines produzierten Zwischen- oder<br />

Endproduktes eine denkbare Grundlage, auf der die Wasserintensität der Produktion und deren<br />

Entwicklung im Zeitverlauf verfolgt werden könnte. Aufgrund der Vielfalt und Heterogenität<br />

der Erzeugnisse, sowie der verschiedenen Mengen- und Maßeinheiten, erweist sich ein<br />

solches Vorgehen für das verarbeitende Gewerbe als nicht praktikabel. Daher wird auf die<br />

Bruttowertschöpfung in den Branchen des verarbeitenden Gewerbes als ein Maß für den Umfang<br />

der Produktion zurückgegriffen. Abbildung 5 stellt die spezifische Oberflächenwasserentnahme<br />

je Euro an Bruttowertschöpfung in Deutschland für das Basisjahr 2004 dar.<br />

Spezifischer Oberflächenwassereinsatz<br />

in m³ je Euro Bruttowertschöpfung<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

Textil Ernährung Mineralöl Metall Papier Chemie Verarbeitendes<br />

Gewerbe<br />

Abbildung 5: Spezifischer Oberflächenwassereinsatz 2004 (Statistisches Bundesamt 2006a, b)<br />

Aus dieser Darstellung wird deutlich, dass einige Branchen durch eine vergleichsweise hohe<br />

spezifische Oberflächenwasserentnahme geprägt sind. Hierzu gehören das Papiergewerbe, die<br />

Mineralölverarbeitung, die chemische Industrie sowie die Metallerzeugung und -bearbeitung.<br />

Entwicklung des spezifischen Wassereinsatzes<br />

Für die hier langfristig orientierten Betrachtungen zur Wassernutzung des verarbeitenden<br />

Gewerbes kann nicht von einer Konstanz des spezifischen Wassereinsatzes und der damit verbundenen<br />

Wasserentnahmen ausgegangen werden. Vielmehr wird davon auszugehen sein,<br />

dass dieser aufgrund stetiger Veränderungen in der Produktionstechnologie variabel ist. Die<br />

Einführung neuer Produktionstechnologien kann prinzipiell mit einem niedrigeren wie auch<br />

höheren spezifischen Wassereinsatz verbunden sein. Jedoch ist unter den Rahmenbedingungen<br />

der industriellen Wassernutzung in Deutschland von einem im Zeitablauf rückläufigen<br />

spezifischen Wassereinsatz auszugehen, wie er auch über lange Jahre beobachtbar war. Diese<br />

Erwartung wird auch durch die Entwicklung des Nutzungsfaktors, definiert als das Verhältnis<br />

Kapitel 2 – Seite 248<br />

10,0


2.8 Szenarien der Wassernachfrage und Wassernutzung der Industrie im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet bis zum<br />

Jahr 2020 (Mutafoglu)<br />

der in Rahmen von Mehrfach- und Kreislaufnutzung genutzten Menge zur eingesetzten Menge<br />

an Frischwasser, im Zeitraum von 1991 bis 2004 bestätigt (Abbildung 6). Während sich für<br />

das gesamte verarbeitende Gewerbe ein um rund 55% höherer Nutzungsfaktor feststellen<br />

lässt, ist für einige Branchen auch eine deutlich stärkere Zunahme der Effizienz der Wassernutzung<br />

erkennbar. Ein herausragendes Beispiel bildet die Papierverarbeitung mit einer Steigerung<br />

des Nutzungsfaktors um 115% im Betrachtungszeitraum.<br />

Nutzungsfaktor<br />

14<br />

12<br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

Textil Chemie Ernährung Papier Metall Mineralöl Verarbeitendes<br />

Gewerbe<br />

Abbildung 6: Wassernutzungsfaktoren 1991 und 2004 (Statistisches Bundesamt 1995, 2006b)<br />

Grundsätzlich wäre eine einfache Fortschreibung der in der Vergangenheit beobachteten Entwicklung<br />

des spezifischen Wassereinsatzes auch für den Szenariozeitraum denkbar. Um die<br />

speziellen Branchengegebenheiten jedoch umfassender einschätzen zu können, wurden über<br />

die Auswertung der Vergangenheitsentwicklung hinaus verschiedene, einander ergänzende<br />

Methoden verwendet. Einen zentralen Baustein bildet dabei eine Analyse der technischen<br />

Entwicklungen insbesondere in den wasserintensiven Branchen des verarbeitenden Gewerbes<br />

(nach Hillenbrand et al. 2008).<br />

Im Ergebnis wird im Rahmen der vorliegenden Arbeit auch für die Zukunft von einer weiteren<br />

Abnahme des spezifischen Wassereinsatzes ausgegangen, der sich jedoch nicht in allen<br />

betrachteten Branchen mit der gleichen Geschwindigkeit vollzieht. S schreitet die Einführung<br />

von Membrantechnologien z. B. zur Wasserrückgewinnung aus Abwasserteilströmen in einigen<br />

Branchen wie der chemischen Industrie oder der Papierverarbeitung relativ schnell voran.<br />

Wegen der Heterogenität der technischen Prozesse kann sinnvoller Weise nur eine Bandbreite<br />

für die erwartete Entwicklung des spezifischen Wassereinsatzes angegeben werden. Aufgrund<br />

des Gesamtbildes der Auswertung der Technikentwicklung werden daher die in Tabelle 3 angegebenen<br />

Trends für die Entwicklung des spezifischen Wassereinsatzes zugrunde gelegt.<br />

Kapitel 2 – Seite 249<br />

4,0<br />

6,2


2.8 Szenarien der Wassernachfrage und Wassernutzung der Industrie im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet bis zum<br />

Jahr 2020 (Mutafoglu)<br />

Tabelle 3: Entwicklung der spezifischen Wassereinsätze bis 2020 (nach Hillenbrand et al. 2008)<br />

Wirtschaftszweig Erwarteter Rückgang Rate des jährlichen Rückgangs<br />

Ernährungsgewerbe 20 bis 30% 1,4 bis 2,2%<br />

Textilgewerbe 30 bis 40% 2,2 bis 3,1%<br />

Papiergewerbe 40 bis 50% 3,1 bis 4,2%<br />

Mineralölverarbeitung 20 bis 30% 1,4 bis 2,2%<br />

Chemische Industrie 30 bis 40% 2,2 bis 3,1%<br />

Metallerzeugung und -bearbeitung 20 bis 30% 1,4 bis 2,2%<br />

Sonstiges verarbeitendes Gewerbe 20 bis 30% 1,4 bis 2,2%<br />

Neben den sechs separat betrachteten wasserintensiven Branchen wird auch für das sonstige<br />

verarbeitende Gewebe ein allgemeiner Rückgang des spezifischen Wassereinsatzes angenommen.<br />

Die angegebenen Spannen des Rückgangs des spezifischen Wasserbedarfs werden<br />

im Rahmen der Szenarioentwicklung berücksichtigt. So wird in den Szenarien mit einer konventionellen<br />

Orientierung der Umweltpolitik der untere Wert verwendet, während in den Szenarien<br />

mit einer verstärkten Umweltpolitik der obere Wert zu Grunde gelegt wird.<br />

Die Anwendung der skizzierten Raten der Verringerung des spezifischen Wassereinsatzes<br />

führt für jede betrachtete Branche bzw. das sonstige verarbeitende Gewerbe zu zwei verschiedenen<br />

Pfaden für die Entwicklung des spezifischen Wassereinsatzes. Abbildung 7 illustriert<br />

die angenommene Entwicklung für die Szenarien ohne verstärkte Umweltorientierung<br />

(A1 0 /B2 0 ). Ein vergleichbarer Verlauf ergibt sich für die Szenarien mit verstärkter Umweltorientierung,<br />

dann jedoch mit deutlicheren Rückgängen des spezifischen Wassereinsatzes.<br />

Spezifischer Oberflächenwassereinsatz<br />

in m³ je Euro Bruttowertschöpfung<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

Chemie<br />

Papier<br />

Metall<br />

Mineralöl<br />

Verarbeitendes<br />

Gewerbe<br />

Ernährung<br />

Textil<br />

2000 2004 2008 2012 2016 2020<br />

Abbildung 7: Entwicklung spezifischer Wassereinsätze gemeinsam für Szenarien A1 0 und B2 0<br />

Die in der Vergangenheit beobachteten spezifischen Wassereinsätze unterliegen in den jeweiligen<br />

Stichjahren der amtlichen Statistik Schwankungen. Dagegen wird im vorliegenden Ansatz<br />

für deren zukünftige Entwicklung eine Abnahme mit einer konstanten Rate zugrunde ge-<br />

Kapitel 2 – Seite 250


2.8 Szenarien der Wassernachfrage und Wassernutzung der Industrie im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet bis zum<br />

Jahr 2020 (Mutafoglu)<br />

legt. Dies impliziert, dass der technische Fortschritt kontinuierlich verläuft, jedoch die absolute<br />

Abnahme der spezifischen Wassereinsätze von Jahr zu Jahr geringer wird.<br />

Eine vergleichende Betrachtung der Entwicklung spezifischer Wassereinsätze zwischen den<br />

Szenarien mit und ohne verstärkter Umweltorientierung, hier beispielhaft für die bedeutsamen<br />

Branchen Papierverarbeitung und chemische Industrie, zeigt die Bandbreite der erwarteten<br />

Entwicklungen auf (Abbildung 8).<br />

Spezifischer Oberflächenwassereinsatz<br />

in m³ je Euro Bruttowertschöpfung<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

2004 2008 2012 2016 2020<br />

Kapitel 2 – Seite 251<br />

Chemie 0<br />

Chemie +<br />

Papier 0<br />

Papier +<br />

Abbildung 8: Spezifischer Wassereinsatz in Szenarien mit ( + ) und ohne ( 0 ) verstärkter Umweltorientierung<br />

Die für die einzelnen Sektoren und Szenarien skizzierten Pfade reichen bis zum Jahr 2020.<br />

Grundsätzlich könnte auch über den Betrachtungszeitraum hinaus von einer weiterhin zunehmenden<br />

Effizienz der Wassernutzung in den einzelnen Branchen ausgegangen werden. Jedoch<br />

wird aufgrund der bis zum Jahr 2020 reichenden Technikvorausschau für darüber hinausgehende<br />

Modellierungsperioden zunächst von einer Konstanz der jeweiligen spezifischen Wassereinsätze<br />

ausgegangen.<br />

Entwicklung der Produktion<br />

Neben der Technikentwicklung ist als zweiter wesentlicher Einflussfaktor die Entwicklung<br />

der Produktion in den einzelnen Branchen des verarbeitenden Gewerbes zu berücksichtigen.<br />

Aufgrund des stetigen strukturellen Wandels kann nicht von einer gleichartigen Entwicklung<br />

der Produktionsmengen innerhalb des verarbeitenden Gewerbes ausgegangen werden.<br />

Angaben über die sektorale Entwicklung der Produktion im Betrachtungszeitraum bis 2020<br />

stehen in Form der Szenarien "Globalisierung" und "Differenzierung" für Deutschland insgesamt<br />

zur Verfügung, die durch das DIW Berlin erarbeitet wurden (siehe Blazejczak et al.<br />

2008). Insgesamt stellt es sich als methodisch sehr schwierig dar, belastbare Aussagen zu<br />

sektoralen Entwicklungen unterhalb der nationalen Ebene zu treffen. So liegen für Deutschland<br />

beispielsweise keine regionalen Input-Output-Tabellen vor, die wirtschaftlichen Verflechtungen<br />

abbilden und somit räumlich feiner aufgelöste Angaben zur Produktionsentwicklung<br />

gestatten würden. Aus diesem Grunde wird für die langfristige wirtschaftliche Entwicklung<br />

innerhalb des <strong>Elbe</strong>einzugsgebietes angenommen, dass sich diese vergleichbar zur Ent-


2.8 Szenarien der Wassernachfrage und Wassernutzung der Industrie im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet bis zum<br />

Jahr 2020 (Mutafoglu)<br />

wicklung in Deutschland insgesamt vollzieht. In Erweiterung zu anderen vorliegenden Arbeiten<br />

(siehe Kapitel 1.2) kann jedoch eine sektorale Differenzierung vorgenommen werden,<br />

welche auch eine adäquatere Modellierung der Wassernutzung in verschiedenen Branchen<br />

ermöglicht. Für diese werden Änderungsraten des Bruttoproduktionswertes im Zeitraum 2002<br />

bis 2020 ausgewiesen (Abbildung 9).<br />

Durchschnittliches jährliches<br />

Wachstum des Bruttoproduktionswertes<br />

3%<br />

2%<br />

1%<br />

0%<br />

A1 Globalisierung<br />

B2 Differenzierung<br />

Ernährung Textil Papier Mineralöl Chemie Metall Verarbeitendes<br />

Gewerbe<br />

Abbildung 9: Entwicklung der Produktion in ausgewählten Branchen (nach Blazejczak et al. 2008)<br />

Eine geeignete Bezugsgröße für den Umfang der Produktion in den einzelnen Branchen stellt<br />

der Nettoproduktionswert dar. Diese ergibt sich als Differenz zwischen dem Bruttoproduktionswert<br />

und den inländischen wie ausländischen Vorleistungen. Aufgrund der verfügbaren<br />

Datengrundlage wird angenommen, dass sich die Nettoproduktionswerte in den einzelnen<br />

Branchen ähnlich entwickeln wie die Bruttoproduktionswerte. Aufgrund der möglichen und<br />

tendenziell zu erwartenden Verringerung der Fertigungstiefe, die sich in einer fortschreitenden<br />

Zunahme von Vorleistungen niederschlägt, impliziert diese Annahme, dass die ausgewiesenen<br />

Werte für die Entwicklung der Nettoproduktion eine obere Grenze der erwartbaren<br />

Entwicklung aufzeigen.<br />

Analytisch-synthetische Zusammenführung<br />

Mit der nach Branchen und zwei Pfaden der Technikentwicklung (konventionelle vs. verstärkte<br />

Umweltorientierung) unterschiedenen Entwicklung der spezifischen Wassereinsatzes<br />

sowie zwei Pfaden der Wirtschaftsentwicklung in den einzelnen Branchen (Globalisierung vs.<br />

Differenzierung) stehen die für die Umsetzung des analytisch-synthetischen Ansatzes erforderlichen<br />

Elemente bereit. Deren paarweise Kombination führt zu insgesamt vier verschiedenen<br />

Pfaden der Entwicklung des Wassereinsatzes in den Branchen des verarbeitenden Gewerbes.<br />

Für ein bestimmtes Szenariojahr (t=2004, ... , 2020) ergibt sich die eingesetzte Wassermenge<br />

der Branche i aus dem spezifischen Wassereinsatz des Szenariojahres und der Produktion in<br />

diesem Szenariojahr. Da über das Jahr 2020 hinaus keine Informationen zur Produktionsent-<br />

Kapitel 2 – Seite 252


2.8 Szenarien der Wassernachfrage und Wassernutzung der Industrie im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet bis zum<br />

Jahr 2020 (Mutafoglu)<br />

wicklung vorliegen, wird für weitere Verwendungen innerhalb der Modellierung ab diesem<br />

Zeitpunkt von konstanten Wassereinsatzmengen ausgegangen.<br />

2.8.3 Ergebnisse<br />

2.8.3.1 Allgemeine Entwicklung für das verarbeitende Gewerbe<br />

Bevor auf die Ergebnisse für einzelne bedeutsame Branchen eingegangen wird, soll zunächst<br />

auf allgemeine Tendenzen der Entwicklung der ermittelten Wasserentnahmen eingegangen<br />

werden.<br />

Allgemein ist für die Mehrzahl der Branchen in der Mehrzahl der Szenarien von einem rückläufigen<br />

Wassereinsatz auszugehen. Dies beutet tendenziell, dass die Wirkungen von technischen<br />

Effizienzgewinnen in der überwiegenden Zahl der betrachteten Konstellationen so hoch<br />

sind, dass eventuelle höhere Wasserbedarfe aufgrund einer Produktionsausweitung kompensiert<br />

werden können.<br />

Von dieser generellen Tendenz weicht am ehesten das Szenario A1 0 ab, in dem eine hohe<br />

wirtschaftliche Aktivität zu Grunde gelegt wird, gleichzeitig sich die Technikentwicklung<br />

eher trendbehaftet entwickelt. Als Folge ergibt sich im Szenario eine leichte Zunahme der<br />

jährlichen Oberflächenwasserentnahmen um rund 2% von 700 Mio. m³ auf 714 Mio. m³ im<br />

Jahre 2020. In den anderen Szenarien werden in der Summe rückläufige Entnahmemengen<br />

aufgewiesen. Dabei liegen die Ergebnisse für das Szenario A1 + mit einem Rückgang von<br />

12,1% auf rund 616 Mio. m³ und für das für das Szenario B2 0 mit einem Rückgang von<br />

10,8% auf rund 625 Mio. m³ in einer vergleichbaren Größenordnung. Dagegen fällt der Rückgang<br />

im Szenario B2 + mit 33,1% auf 539 Mio. m³ deutlicher aus.<br />

In der Mehrzahl der Branchen ergibt sich für das Jahr 2020 im Vergleich zum Jahr 2002 ein<br />

moderater Rückgang des Wassereinsatzes zwischen 10 bis 15% (Abbildung 10). Jedoch sind<br />

in einzelnen Branchen auch höhere Einsatzmengen zu verzeichnen, dies gilt etwa für die<br />

chemische Industrie (+ 6,8%) oder auch die Metallerzeugung (+ 2,4%).<br />

Kapitel 2 – Seite 253


2.8 Szenarien der Wassernachfrage und Wassernutzung der Industrie im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet bis zum<br />

Jahr 2020 (Mutafoglu)<br />

120%<br />

110%<br />

100%<br />

90%<br />

80%<br />

70%<br />

2004 2008 2012 2016 2020<br />

Kapitel 2 – Seite 254<br />

Chemie<br />

Metall<br />

Glas, Keramik<br />

Ernährung<br />

Textilien<br />

Papier<br />

Abbildung 10: Entwicklung der Entnahmemengen ausgewählter Branchen für Szenario A1 0<br />

Im Vergleich hierzu ergeben sich für das umweltorientierte Szenario A1 + stärker zurückgehende<br />

Wassereinsatzmengen. Diese bewegen sich für viele Branchen im Bereich eines Rückganges<br />

von 15 bis 20%, vereinzelt auch deutlich darüber hinaus, wie etwa im Falle der Papierverarbeitung<br />

mit einem Rückgang von rund 32%<br />

Das Szenario B2 0 weist für viele Branchen sehr ähnliche Entwicklungen aus, wie das Szenario<br />

A1 + , jedoch ist dies auf verschiedene Hintergründe zurückzuführen. Während in letzterem<br />

ein durch eine deutliche Zunahme der Produktion hervorgerufener Wassermehrbedarf durch<br />

die verstärkte Erschließung technischer Einsparpotenziale kompensiert wird, entwickelt sich<br />

in Szenario B2 0 die Produktion allgemein deutlich moderater. Aus diesem Grunde ergeben<br />

sich geringere Wassereinsatzmengen.<br />

Unter allen Fällen ergeben sich die höchsten Rückgänge der eingesetzten Wassermengen im<br />

Szenario B2 + . Hier trifft eine moderate Entwicklung der Produktion auf verstärkte Wassereinsparbemühungen.<br />

Im Ergebnis werden Rückgänge von 20 bis 30% ausgewiesen, vereinzelt<br />

auch darüber hinaus.<br />

2.8.3.2 Entwicklung der Wasserentnahmen bedeutsamer Branchen<br />

An dieser Stelle soll etwas detaillierter auf die Entwicklung des Wassereinsatzes für zwei der<br />

im Rahmen der späteren Verwendung innerhalb des Wasserbewirtschaftungsmodells WBal-<br />

Mo besonders bedeutsamen Branchen eingegangen werden. Die Hälfte der dort berücksichtigten<br />

industriellen Wassernutzer gehört entweder der chemischen Industrie oder der Papierverarbeitung<br />

an.<br />

Chemische Industrie<br />

Im Vergleich zu vielen anderen Branchen mit eindeutig rückläufigen Wassereinsatzmengen<br />

ergibt sich für die chemische Industrie ein etwas heterogeneres Bild. Zum einen wird für diese<br />

Branche die Erschließung relativ hoher Einsparpotenziale erwartet, eine Senkung des spezifi-


2.8 Szenarien der Wassernachfrage und Wassernutzung der Industrie im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet bis zum<br />

Jahr 2020 (Mutafoglu)<br />

schen Wassereinsatzes um 30 bis 40% erscheint möglich (Hillenbrand et al. 2008). Jedoch<br />

wird zum anderen gleichzeitig eine überdurchschnittliche Entwicklung der Produktion im<br />

Szenario Globalisierung mit einer jährlichen Wachstumsrate von 2,69% zu Grunde gelegt,<br />

dieser Wert fällt im Szenario Differenzierung mit 1,76% etwas moderater aus.<br />

Mit Blick auf die jüngere Vergangenheit lassen sich im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet zunehmende Entnahmen<br />

durch die chemische Industrie feststellen. So nahm das Oberflächenwasseraufkommen<br />

im Zeitraum von 1998 bis 2004 von rund 284 Mio. m³ auf 394 Mio. m³ zu, für frühere<br />

Zeiträume liegen leider keine einzugsgebietweiten Angaben vor. An dieser Stelle wird die<br />

Sonderposition der chemischen Industrie innerhalb des verarbeitenden Gewerbes im Untersuchungsgebiet<br />

deutlich.<br />

Oberflächenwasserentnahme in Mio. m³<br />

450<br />

400<br />

350<br />

300<br />

250<br />

200<br />

150<br />

100<br />

1998 2002 2006 2010 2014 2018 2022<br />

Abbildung 11: Oberflächenwassereinsatz der chemischen Industrie im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet (Sonderauswertungen<br />

des Statistischen Bundesamtes, eigene Berechnungen)<br />

So ergibt sich auch im Szenario A1 0 eine weitere Zunahme der Entnahmemengen um knapp<br />

7% auf 420 Mio. m³ im Zeitraum von 2004 bis 2020, welche insbesondere auf eine dynamische<br />

Entwicklung der Produktion zurückzuführen ist (Abbildung 11). In der umweltorientierten<br />

Variante A1 + ist dagegen ein leichter Rückgang des Wassereinsatzes um 8% auf 361 Mio.<br />

m³ zu verzeichnen. Ein ähnlicher Wert ergibt sich auch für das Szenario B2 0 mit 364 Mio. m³.<br />

Schließlich ist im umweltorientierten Szenario B2 + ein Rückgang des Wassereinsatzes um<br />

11% zu verzeichnen. Im Vergleich aller Szenarien wird für die chemische Industrie überwiegend<br />

ein leichter Rückgang des Wassereinsatzes ausgewiesen, bei einer dynamischen wirtschaftlichen<br />

Entwicklung ist jedoch im Betrachtungszeitraum auch eine wachsende quantitative<br />

Inanspruchnahme von Wasserressourcen denkbar.<br />

Papiergewerbe<br />

Die zahlenmäßig größte in WBalMo berücksichtigte Gruppe einzelner industrieller Nutzer<br />

von Oberflächengewässern bildet das Papiergewerbe. Für diese Branche werden die höchsten<br />

Einsparpotenziale im Szenariozeitraum erwartet, eine Senkung des spezifischen Wassereinsatzes<br />

um 40 bis 50% erscheint möglich (Hillenbrand et al. 2008). Gleichzeitig wird für die<br />

Kapitel 2 – Seite 255<br />

A1 0<br />

B2 0<br />

A1 +<br />

B2 +


2.8 Szenarien der Wassernachfrage und Wassernutzung der Industrie im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet bis zum<br />

Jahr 2020 (Mutafoglu)<br />

Zukunft eine nur moderate Entwicklung der Produktion angenommen, mit durchschnittlichen<br />

jährlichen Wachstumsraten von 1,15% (Globalisierung) bzw. 0,49% (Differenzierung). Beide<br />

Faktoren wirken tendenziell entlastend mit Blick auf die Inanspruchnahme von Wasserressourcen.<br />

Im Jahre 2004 lag das Oberflächenwasseraufkommen in der Papierverarbeitung bei<br />

knapp 47 Mio. m³.<br />

Oberflächenwasserentnahme in Mio. m³<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

Kapitel 2 – Seite 256<br />

A1 0<br />

A1 +<br />

B2 0<br />

1998 2002 2006 2010 2014 2018 2022<br />

Abbildung 12: Oberflächenwassereinsatz der Papierverarbeitung im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet (Sonderauswertungen des<br />

Statistischen Bundesamtes, eigene Berechnungen)<br />

So nimmt bereits im Szenario A1 0 der Wassereinsatz zwischen 2004 und 2020 um rund 18%<br />

auf 38 Mio. m³ ab, im umweltorientierten Szenario A1 + ist dieser Wert mit einem Rückgang<br />

von 32% auf 32 Mio. m³ noch deutlicher ausgeprägt (Abbildung 12). In den ökonomisch weniger<br />

dynamischen Szenarien B2 0 und B2 + sind Rückgänge von 30% und 41% auf 33 Mio. m³<br />

bzw. 27 Mio. m³ zu verzeichnen. Im Vergleich aller Szenarien zeigt sich für das Papiergewerbe<br />

durchweg ein Rückgang des Wassereinsatz und somit eine tendenziell geringere quantitative<br />

Inanspruchnahme von Wasserressourcen.<br />

2.8.3.3 Übertragung auf Wassernutzer in Bewirtschaftungsmodell<br />

Die für die chemische Industrie und das Papiergewerbe beispielhaft skizzierten Pfade zukünftiger<br />

Wassereinsatzmengen wurden innerhalb des Projektverbundes auf einzelne direkt entnehmende<br />

Nutzer im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet übertragen. Die innerhalb des Bewirtschaftungsmodells<br />

WBalMo erfassten Wasserentnahme- und Rückleitungsmengen für einzelne Wassernutzer<br />

werden um die skizzierten Entwicklungen der einzelnen Szenarien angepasst. Dieses Vorgehen<br />

abstrahiert von eventuellen standortspezifischen Gegebenheiten, da sich die Wassernutzung<br />

einzelner Betriebe annahmegemäß analog der Branchenentwicklung vollzieht.<br />

Im Mittelpunkt der Szenarien steht die entnommene Oberflächenwassermenge, die durch die<br />

Betriebe tatsächlich genutzte Wassermenge weicht durch Mehrfach- und Kreislaufnutzung in<br />

vielen Fällen zum Teil erheblich hiervon davon ab. Die Auswahl der Betriebe wird durch die<br />

hydrologische Auflösung von WBalMo gesteuert, der Blick richtet sich also auf mengenmäßig<br />

bedeutsame Entnehmer in verschiedenen Branchen (Tabelle 4). Dagegen werden Entneh-<br />

B2 +


2.8 Szenarien der Wassernachfrage und Wassernutzung der Industrie im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet bis zum<br />

Jahr 2020 (Mutafoglu)<br />

mer, die in WBalMo nicht aufgelöst werden können, aber u. U. aus ökonomischer bzw. regionaler<br />

Sicht bedeutsam sein könnten, nicht abgebildet.<br />

Tabelle 4: Verteilung der in WBalMo berücksichtigten Nutzer nach Branchen<br />

Wirtschaftszweig Anzahl an Nutzern<br />

Steine und Erden 6<br />

Ernährungsgewerbe 11<br />

Textilgewerbe 8<br />

Papierverarbeitung 22<br />

Chemische Industrie 21<br />

Metallerzeugung und -bearbeitung 5<br />

Herstellung von Metallerzeugnissen 4<br />

Sonstiges verarbeitendes Gewerbe 9<br />

Industrielle Wassernutzer insgesamt 86<br />

Für die Entnahme aus Oberflächengewässern und die Rückleitung liegt ein für jeden Nutzer in<br />

WBalMo hinterlegter Jahresgang vor, der sich aus den individuellen monatlichen Entnahmen<br />

und Rückleitungen zusammensetzt. Dabei ist eine über das gesamte Jahr hinweg konstante<br />

Entnahmeforderung ebenso denkbar, wie eine Saisonalität, z. B. in Form einer erhöhten Anforderung<br />

in den Sommermonaten. Die vorgelegten Szenarien zur Wassernachfrage nehmen<br />

dann eine etwaige Saisonalität der Nachfrage als gegeben an. Weiterhin wird angenommen,<br />

dass sich das Verhältnis zwischen entnommenen und wieder dem Gewässer zugeführten Wassermengen<br />

im Modellierungszeitraum konstant bleibt. Diese Annahme lässt sich mit Blick auf<br />

die in der amtlichen Statistik verzeichneten Wasserentnahme- und Rückleitungsmuster begründen.<br />

So belief sich im Durchschnitt der Jahre 1998 bis 2004 der eigentliche Verbrauch<br />

von Wasser durch das verarbeitende Gewerbe etwa durch Verdunstung, Verdampfung oder<br />

den Eingang in Produkte auf durchschnittlich 8,8%. Nach einer früheren Analyse durch (Winje<br />

& Witt 1983: 20) schwankte im Zeitraum von 1957 bis 1973 der Wasserverbrauch des industriellen<br />

Sektors zwischen 8,4% und 10%. Trotz erheblicher struktureller Veränderungen<br />

etwa in der Produktpalette lässt sich also aus den verfügbaren Beobachtungen eine im Zeitablauf<br />

relativ konstante Verbrauchsrate erkennen.<br />

Dennoch ist grundsätzlich denkbar, dass sich dieses Verhältnis von Entnahme und Rückleitung<br />

durch verschiedene Faktoren im Zeitablauf ändert. So können mit einer Umstellung von<br />

Kühlverfahren in Richtung von Kreislaufkühlung höhere Wasserverluste durch Verdunstung<br />

und Verdampfung verbunden sein. Ähnliche Wirkungen könnte auch der Klimawandel mit<br />

höheren Umgebungstemperaturen verursachen, jedoch liegen sich bislang keine empirisch<br />

gesicherten Erkenntnisse vor, die für die vorliegende Untersuchung genutzt werden könnten<br />

(Downing et al. 2003). Auch aus der durchgeführten Betriebsbefragung im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet<br />

ließen sich hierzu keine belastbaren Schlussfolgerungen ableiten.<br />

2.8.4 Ausblick und Diskussion<br />

Vor einer Einordnung der hier vorgelegten Szenarioergebnisse soll noch auf die Sensitivität<br />

der hier aufgeworfenen Szenarien mit Bezug auf die zentralen Faktoren der Technik- und<br />

Wirtschaftsentwicklung eingegangen werden. Beispielhaft können an dieser Stelle die Ergebnisse<br />

des Szenarios A1 0 herangezogen werden (Abbildung 13). Dieses Szenario zeichnet sich<br />

durch eine relativ dynamische, jedoch in den einzelnen Branchen differenzierte Entwicklung<br />

der Produktion aus. Dagegen wird für die Entwicklung der Effizienz der Wassernutzung ein<br />

Verlauf ähnlich wie in der jüngeren Vergangenheit zugrunde gelegt.<br />

Kapitel 2 – Seite 257


2.8 Szenarien der Wassernachfrage und Wassernutzung der Industrie im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet bis zum<br />

Jahr 2020 (Mutafoglu)<br />

Änderung des Wassereinsatzes bis 2020<br />

60%<br />

40%<br />

20%<br />

0%<br />

-20%<br />

-40%<br />

-60%<br />

Ernährung Textil Papier Mineralöl Chemie Glas,<br />

Keramik<br />

Wirtschaftliche Entwicklung Technologieentwicklung Nettoeffekt<br />

Abbildung 13: Sensitivität der Ergebnisse am Beispiel des Szenario A1 0<br />

In den für die Wassernutzung relevanten Branchen des verarbeitenden Gewerbes würde der<br />

Wassereinsatz alleinig aufgrund der angenommenen Produktionsausweitung im Betrachtungszeitraum<br />

bis zum Jahr 2020 ausgeweitet werden. Jedoch wird dieser Effekt in der überwiegenden<br />

Zahl der Branchen durch den Pfad des technischen Fortschrittes überkompensiert.<br />

Eine Ausnahme bilden im Szenario A1 0 die chemische Industrie sowie die Metallerzeugung<br />

und Metallbearbeitung.<br />

Die skizzierten Ergebnisse beziehen sich zunächst auf den Wassereinsatz und die Wassernutzung<br />

direkt entnehmender Betriebe. In diesen Fällen findet Wasser als Produktionsfaktor mittel-<br />

oder unmittelbar Eingang in die Produktion. Die Betrachtungen zur zukünftigen Effizienz<br />

der Wassernutzung beziehen sich daher auch in erster Linie auf Optionen der Wassernutzung<br />

für Kühl- und Prozesszwecke. In wie weit sich die Szenarien auch auf netzversorgte Betriebe<br />

und Branchen mit einer ggf. anderen Wassernutzungsstruktur übertragbar wären, bedarf einer<br />

eigenen Untersuchung.<br />

Unabhängig von der konkreten Verwendung der Szenarien innerhalb des Projektverbundes<br />

stellt sich die Frage nach einer vergleichenden Betrachtung mit den im einleitenden Abschnitt<br />

genannten, für das <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet in jüngerer Zeit vorgelegten Arbeiten (Abbildung 14).<br />

Auch wenn sich diese nicht auf identische Zeiträume beziehen, sind deutliche Unterschiede zu<br />

verzeichnen.<br />

Kapitel 2 – Seite 258<br />

Metall


2.8 Szenarien der Wassernachfrage und Wassernutzung der Industrie im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet bis zum<br />

Jahr 2020 (Mutafoglu)<br />

Döll & Vassolo<br />

(2004) B2<br />

Döll & Vassolo<br />

(2004) A1<br />

<strong>GLOWA</strong> B2 +<br />

<strong>GLOWA</strong> B2 0<br />

<strong>GLOWA</strong> A1 +<br />

Kapitel 2 – Seite 259<br />

0%; IKSE (2005a)<br />

<strong>GLOWA</strong> A1 0<br />

-90% -70% -50% -30% -10% 10%<br />

Abbildung 14: Szenarien der Entwicklung industrieller Entnahmen im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet<br />

Während die hier vorgelegten Szenarien eine gewisse Spannweite um das von der (IKSE<br />

2005a) erwartete Stagnationsszenario herum aufzeigen, weichen die Ergebnisse von (Döll &<br />

Vassolo 2004) deutlich hiervon ab. Maßgeblich ist hierfür weniger der dort leicht verlängerte<br />

Zeithorizont bis in das Jahr 2025 als eine vergleichsweise hohe angenommene Rate der jährlichen<br />

Steigerung der Effizienz der Wassernutzung. Diese fällt, nach einer für wesentliche<br />

Branchen differenzierten Analyse wasserrelevanter Technikentwicklungen, in den vorliegenden<br />

Szenarien geringer aus.<br />

2.8.5 Literatur<br />

Bächle A, Fischer G, Möhle KA, Masannek R, Reimers W (1998) Prognose der Trinkwasserbedarfsentwicklung<br />

im Versorgungsgebiet der MVV Mannheim. Das Gas- und Wasserfach - Wasser/Abwasser 139: 70-79<br />

Batelle-Institut (1972) Wasserbedarfsentwicklung in Industrie, Haushalten, Gewerbe, öffentlichen Einrichtungen:<br />

Prognose des Wasserbedarfs in der Bundesrepublik bis zum Jahr 2000, Batelle-Institut, Frankfurt am Main<br />

Blazejczak J, Gornig M, Schulz E (2008) Szenarien zur Demographie und Ökonomie in der <strong>Elbe</strong>-Region, In:<br />

Wirkungen des globalen Wandels auf den Wasserkreislauf im <strong>Elbe</strong>gebiet - Risiken und Optionen. Schlussbericht<br />

zum BMBF-Vorhaben <strong>GLOWA</strong>-<strong>Elbe</strong> II, Kapitel 2.3.<br />

Boland JJ (1997) Assessing Urban Water Use and the Role of Water Conservation Measures Under Climate Uncertainty.<br />

Climatic Change 37: 157-176<br />

Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (2008) Wirtschaftsdaten Neue Bundesländer<br />

Döll P, & Vassolo S (2004) Global-scale vs. Regional Scale Scenario Assumptions: Implications for Estimating<br />

Future Water Withdrawals in the <strong>Elbe</strong> River Basin. Regional Environmental Change 4: 169-181<br />

DVWK (1991) Ermittlung des Wasserbedarfs als Grundlage für die regionale wasserwirtschaftliche Planung,<br />

Wirtschafts- und Verlagsgesellschaft Gas und Wasser mbH, Bonn<br />

Environment Agency (2001) A Scenario Approach to Water Demand Forecasting, National Water Demand Centre,<br />

Worthing<br />

Fakiner H, Krieger E, Rohmeier H, Saalfrank K (1976) Prognose des Wasserbedarfs in der Bundesrepublik<br />

Deutschland bis zum Jahr 2000 - Zeitstandsbericht, Batelle-Institut, Frankfurt am Main


2.8 Szenarien der Wassernachfrage und Wassernutzung der Industrie im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet bis zum<br />

Jahr 2020 (Mutafoglu)<br />

Frey M, Frische R, Rohmeier H, Steinsiek E (1978) Planungsgrundlagen für den langfristigen Ausbau der Trinkwasserversorgung<br />

in Nordrhein-Westfalen, Stufe I: Wasserdargebot und Trinkwasserverbrauch - Band 2: Textband,<br />

Batelle-Institut, Frankfurt am Main<br />

Hillenbrand T, Sartorius C, Walz R (2008) Technische Trends der industriellen Wassernutzung, In: Wirkungen<br />

des globalen Wandels auf den Wasserkreislauf im <strong>Elbe</strong>gebiet - Risiken und Optionen. Schlussbericht zum<br />

BMBF-Vorhaben <strong>GLOWA</strong>-<strong>Elbe</strong> II, Kapitel 2.9.<br />

IKSE (2005a) Wirtschaftliche Analyse der Wassernutzung für den deutschen Teil der internationalen Flussgebietseinheit<br />

<strong>Elbe</strong> - Anlage 2b zum Bericht an die Europäische Kommission gemäß Art. 15 Abs. 2 der Richtlinie<br />

2000/60/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 23. Oktober zur Schaffung eines Ordnungsrahmens<br />

für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik (Bericht 2005), Internationale Kommission<br />

zum Schutz der <strong>Elbe</strong>, Dresden<br />

IKSE, (2005b) Wirtschaftliche Analyse der Wassernutzung für den tschechischen Teil der internationalen Flussgebietseinheit<br />

<strong>Elbe</strong> - Anlage 2a zum Bericht an die Europäische Kommission gemäß Art. 15 Abs. 2 der Richtlinie<br />

2000/60/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 23. Oktober zur Schaffung eines Ordnungsrahmens<br />

für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik (Bericht 2005), Internationale Kommission<br />

zum Schutz der <strong>Elbe</strong>, Dresden<br />

Jacobitz K, Klaus J, Michel B, Cornelius I (1981) Preiselastizität des häuslichen und gewerblichen Wasserverbrauchs<br />

und Abwasseranfalls, Darmstadt<br />

Möhle KA, Masannek R (1993) Wasserbedarfsprognose für die Hamburger Wasserwerke GmbH. Hamburger<br />

Wasserwerke: Fachliche Berichte 12: 3-15<br />

Nakicenovic N, Alcamo J, Davis G, de Vries B, Fenhann J (2000) Special Report on Emissions Scenarios: A<br />

Special Report of Working Group III of the Intergovernmental Panel on Climate Change. Cambridge University<br />

Press, Cambridge New York Melbourne<br />

Opitz EM, Langowski JF, Dziegielewski B, Hanna-Sommers NA, Willett JS, Hauer RJ (1998) Forecasting Urban<br />

Water Use: Models and Applications. In: Baumann DD, Boland JJ, Hanemann WM (eds) Urban Water Demand<br />

Management and Planning, McGraw-Hill: New York, pp 95-135<br />

Roesler K, Kaltenbach J, Michel B (1986) Ermittlung von Handlungsspielräumen in der industriellen Wasserversorgung,<br />

Berlin<br />

Rohmeier H, Steigerwald O (1981) Wasserbedarfsprognose Niedersachsen: Bericht für das Niedersächsiche Ministerium<br />

für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Batelle-Institut, Frankfurt am Main<br />

Sättler M., Frey I, Schneider B (1982) Wasserbedarfsprognose - Hannover 1995 und 2010, Prognos AG, Basel<br />

Statistisches Bundesamt (1995) Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung im Bergbau und verarbeitenden<br />

Gewerbe und bei Wärmekraftwerken für die öffentliche Versorgung 1991, Statistisches Bundesamt, Wiesbaden<br />

Statistisches Bundesamt (2006a) Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen: Inlandsproduktberechnung, Statistisches<br />

Bundesamt, Wiesbaden<br />

Statistisches Bundesamt (2006b) Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung in der Industrie 2004, Statistisches<br />

Bundesamt, Wiesbaden<br />

UKWIR, Environment Agency (1997) Forecasting Water Demand Components - Best Practice Manual, UK Water<br />

Industry Research Limited, London<br />

Wasserwirtschaftsamt Hannover (1977) Wasserwirtschaftliche Rahmenplanung für das Gebiet der Unteren Leine,<br />

Regierungspräsident Hannover, Hannover<br />

Winje D (1983) Wasserbedarfsprognose - Der Wasserbedarf in der Bundesrepublik Deutschland bis zum Jahre<br />

2010, Erich Schmidt Verlag, Berlin<br />

Kapitel 2 – Seite 260


2.9 Szenariobasierte Simulation des Bedarfs an Oberflächenwasser der öffentlichen Wasserversorgung<br />

im <strong>Elbe</strong>gebiet (Ansmann)<br />

2.9 Szenariobasierte Simulation des Bedarfs an Oberflächenwasser<br />

der öffentlichen Wasserversorgung im <strong>Elbe</strong>gebiet<br />

Till Ansmann<br />

Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), Permoserstraße 15, 04318 Leipzig<br />

+49 341 235 1751<br />

+49 341 235 1836<br />

till.ansmann@ufz.de<br />

http://www.ufz.de<br />

Kurzfassung<br />

Der hier beschriebene Modellansatz dient im Projektverbund von <strong>GLOWA</strong>-<strong>Elbe</strong> der szenariobasierten Simulation<br />

von zukünftigen entnahmepunktspezifischen monatlichen Oberflächenwasserfördermengen der öffentlichen<br />

Wasserversorgung im deutschen <strong>Elbe</strong>gebiet. Aus der technisch zentralen Organisation der öffentlichen Wasserversorgung<br />

resultieren zwei Modellbausteine. Den ersten Baustein bildet mit dem Modell HAUSHALT eine<br />

modellgestützte Szenarioanalyse der zukünftigen Entwicklung des kommunalen Wasserbedarfs. Der Wasserbedarf<br />

der bedeutendsten Verbrauchergruppe der Privathaushalte (inklusive Kleingewerbe) wird mikrobasiert untersucht,<br />

um das Bedingungsgefüge der Beobachtungssituationen so auszuforschen, dass man möglichst nahe an<br />

die kleinsten Elemente des betrachteten Systems herankommt. Zur flächendeckenden Simulation des Wasserbedarfs<br />

werden die mikrofundierten Erkenntnisse auf die kommunale Ebene hochgerechnet und quasi wie ein Flickenteppich<br />

für das <strong>Elbe</strong>gebiet zusammengesetzt. Die zukünftige Entwicklung des Wasserbedarfs wird für die<br />

Entwicklungsrahmen A1 + , A1 0 , B2 + und B2 0 aufgezeigt. Sie unterscheiden sich in ihrer regionalen Wirtschaftsund<br />

Bevölkerungsentwicklung und dem Grad der Umweltorientierung auf dem Wassersektor. Um in einem<br />

zweiten Schritt die zur Befriedigung des kommunalen Bedarfs notwendigen Fördermengen an Oberflächenwasser<br />

entnahmepunktspezifisch aufzeigen zu können, fließen die ermittelten Bedarfsmengen als Eingangsgrößen in<br />

das Modell NETZSTRUKTUR ein. Mit dem zweiten Modellbaustein werden die Wasserversorgungsinfrastrukturen<br />

im <strong>Elbe</strong>gebiet abgebildet. Im Ergebnis führen die modellgestützten Analysen für alle vier Entwicklungsrahmen<br />

bis 2020 zu einer Fortsetzung rückläufiger Fördermengen der öffentlichen Wasserversorgung im deutschen<br />

<strong>Elbe</strong>gebiet, die allerdings im Vergleich zu den deutlichen Rückgängen in den 90er Jahren moderat ausfällt.<br />

Schlüsselwörter: mikrobasiertes Mesomodell, Wasserversorgungsstrukturmodell<br />

2.9.1 Einleitung<br />

Die öffentliche Wasserversorgung ist die Versorgung, die der Bevölkerung, gewerblicher und<br />

sonstiger Einrichtungen in den Kommunen mit Trinkwasser dient. Sie ist nach den Wärmekraftwerken<br />

für die öffentliche Versorgung mit gut 15% der zweitgrößte Wassernutzer. (Statistisches<br />

Bundesamt 2006) Der Wasserbedarf der öffentlichen Wasserversorgung setzt sich<br />

bedingt durch ihre technisch zentrale Organisation, infolge derer das Wasser durch ein Versorgungsnetz<br />

einem größeren Verbraucherkreis zugeführt wird, aus dem Wasserbedarf der<br />

Letztverbraucher in den Kommunen sowie Wasserwerkseigenverbrauch und Leitungsverlusten<br />

zusammen. Dementsprechend basiert die Modellierung der Fördermengen der öffentlichen<br />

Wasserversorgung auf zwei Bausteinen. Mit dem ersten Modellbaustein wird die zukünftige<br />

Entwicklung des kommunalen Wasserbedarfs simuliert. Diese Funktion übernimmt das Modell<br />

HAUSHALT. Der Name des Modells leitet sich aus der Fokussierung auf Privathaushalte<br />

(inkl. Kleingewerbe) als der bedeutendsten Verbrauchergruppe der öffentlichen Wasserversorgung<br />

ab. Das Modell NETZSTRUKTUR als zweiter Baustein ist ein räumliches Struktur-<br />

Kapitel 2 – Seite 261


2.9 Szenariobasierte Simulation des Bedarfs an Oberflächenwasser der öffentlichen Wasserversorgung<br />

im <strong>Elbe</strong>gebiet (Ansmann)<br />

modell zur Abbildung der betrieblichen Organisationsformen und speziell der technischen<br />

Infrastrukturen der öffentlichen Wasserversorgung. Auf Grundlage des kommunalen Wasserbedarfs<br />

können mit Hilfe des Modells NETZSTRUKTUR die diesbezüglichen Fördermengen<br />

je Wasserart entnahmepunktspezifisch unter Berücksichtigung von Eigenverbrauch und Leitungsverlusten<br />

sowie geplanten Netzveränderungen simuliert werden. Die Modelle HAUS-<br />

HALT und NETZSTRUKTUR werden im Projektverbund von <strong>GLOWA</strong>-<strong>Elbe</strong> eingesetzt, um<br />

die zukünftigen monatlichen Fördermengen an Oberflächenwasser an Entnahmepunkten der<br />

öffentlichen Wasserversorgung im deutschen <strong>Elbe</strong>gebiet szenariobasiert zu simulieren.16 Eine<br />

anwendungsbezogene Beschreibung ihrer jeweiligen Modellstruktur erfolgt in Unterkapitel<br />

2.8.1.<br />

In der Nachwendezeit nahmen die Fördermengen der öffentlichen Wasserversorgung durch<br />

Investitionen in die Modernisierung der Wasserinfrastruktur als auch vor allem durch einen<br />

gesunkenen Wasserbedarf deutlich ab. So werden seit über 15 Jahren auf einem konstanten<br />

Niveau durchschnittlich 2,5 Mrd. Euro pro Jahr in die Instandhaltung und Modernisierung der<br />

Infrastruktur investiert. Davon fließen durchschnittlich rund 65% in die Rohrnetze. (Bundesverband<br />

der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft e.V. 2006) Als Folge besitzt Deutschland<br />

im internationalen Vergleich mit durchschnittlich 7,3% die mit Abstand geringsten Wasserverluste<br />

in Europa, wobei auf lokaler sowie regionaler Ebene Unterschiede bestehen. Speziell<br />

in den neuen Bundesländern liegen die Wasserverluste trotz hoher Investitionen in den 90er<br />

Jahren weiterhin deutlich über dem Bundesdurchschnitt. (Bundesverband der deutschen Gasund<br />

Wasserwirtschaft e.V. 2005) Abbildung 1 zeigt von 1990 bis 2004 die Entwicklung der<br />

Fördermengen sowie der Wasserabgaben nach Verbrauchergruppen. Der durchschnittliche<br />

Anteil der Wasserabgabe an den rückläufigen Fördermengen ist in diesem Zeitraum mit ungefähr<br />

88% konstant geblieben. Dies gilt sowohl für die alten als auch für die neuen Bundesländer,<br />

wobei Wasserwerkseigenverbrauch und Leitungsverluste bei letztgenannten im Durchschnitt<br />

deutlich höher ausfallen. (Bundesverband der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft<br />

e.V. 2005) Die Wasserabgabe an Haushalte (inkl. Kleingewerbe), Industrie sowie Sonstige als<br />

demnach entscheidende Determinante der Fördermengenentwicklung der letzten 15 Jahre ist<br />

von 1990 bis 2004 bundesweit um 22% von 5.985 auf 4.680 Millionen Kubikmeter gesunken.<br />

16 Die Darstellung dieser Nutzergruppe für den tschechischen Teil des <strong>Elbe</strong>gebiets erfolgt in der dritten Projektphase.<br />

Kapitel 2 – Seite 262


2.9 Szenariobasierte Simulation des Bedarfs an Oberflächenwasser der öffentlichen Wasserversorgung<br />

im <strong>Elbe</strong>gebiet (Ansmann)<br />

Abb. 1: Wasserabgabe nach Verbrauchergruppen und Wasserförderung insgesamt. Bundesverband der deutschen<br />

Gas- und Wasserwirtschaft e.V. 2005a.<br />

In den neuen Bundesländern, in denen gut 80% des bundesdeutschen Flächenanteils am Einzugsgebiet<br />

der <strong>Elbe</strong> liegen, ist der stärkste Verbrauchsrückgang zu verzeichnen. So ging zwischen<br />

1990 und 2004 der Trinkwasserbedarf der bedeutendsten Abnehmergruppe der Haushalte<br />

(inkl. Kleingewerbe) um 35% von 142 auf 93 Liter zurück. Der entsprechende Wert in<br />

den alten Bundesländern liegt bei 9%. (Statistisches Bundesamt 2006)<br />

Auf Grund der geschilderten Situation auf dem Wassersektor wird im Folgenden der Anteil<br />

Wasserwerkseigenverbrauch und Leitungsverluste an den Fördermengen bis 2020 konstant<br />

gesetzt, so dass zukünftige mengenmäßige Veränderungen bei der Wasserförderung der öffentlichen<br />

Wasserversorgung ausschließlich auf Grund eines geänderten kommunalen Wasserbedarfs<br />

erwartet werden. Der Aufgabenstellung innerhalb des Projektverbundes von<br />

<strong>GLOWA</strong>-<strong>Elbe</strong> unterliegt somit die Frage, ob und gegebenenfalls in welcher Form sich der<br />

aufgezeigte Trend bei der kommunalen Wasserbedarfsentwicklung bis zum Jahr 2020 fortsetzt.<br />

Die modellgestützten Bedarfsanalysen werden simuliert für die Entwicklungsrahmen<br />

A1 + , A1 0 , B2 + sowie B2 0 , die sich hinsichtlich ihrer regionalen Wirtschafts- und Bevölkerungsentwicklung<br />

und dem Grad der Umweltorientierung auf dem Wassersektor unterscheiden<br />

(siehe Hartje 2008, Kapitel 2). Im Folgenden werden in 2.8.1 zunächst die auf den zwei<br />

Modellbausteinen HAUSHALT und NETZSTRUKTUR basierende Modellstruktur sowie die<br />

Datengrundlage beschrieben (2.8.1.1). Das anschließende Unterkapitel 2.8.1.2 zeigt die wesentlichen<br />

szenariobasierten Modelldeterminanten. Im Abschnitt 2.8.2 erfolgt sodann eine<br />

Darstellung der Ergebnisse der modellgestützten Szenarioanalysen. In der abschließenden<br />

Diskussion werden in 2.8.3 die Modellergebnisse im Vergleich zu anderen in Deutschland<br />

realisierten Wassernachfragestudien eingeordnet. Zudem erfolgt ein Ausblick auf zwei Modellerweiterungen,<br />

mit denen eine weitere Verbesserung des Modellansatzes angestrebt wird.<br />

2.9.2 Methoden und Daten<br />

2.9.2.1 Simulation entnahmepunktspezifischer Oberflächenwasserfördermengen<br />

auf Grundlage modellgestützter Szenarioanalysen des kommunalen<br />

Wasserbedarfs<br />

Das in der Literatur bereitgestellte und in der Praxis genutzte Methodenspektrum zur Modellierung<br />

des kommunalen Wasserbedarfs umfasst eine Reihe von meist statistischen Modellen<br />

unterschiedlicher Komplexität, in denen der Wasserbedarf in Beziehung zu einer oder mehreren<br />

erklärenden Variablen gestellt wird. (siehe Billings, Jones 1996) In der Praxis werden<br />

meist einfache Modelle verwendet, die den Trend vergangener Jahre in die Zukunft fortschreiben<br />

oder den aktuellen durchschnittlichen Pro-Kopf Bedarf unter Verwendung von Bevölkerungsprognosen<br />

als einzige erklärende Größe für einen zukünftigen Zeitpunkt hochrechnen.<br />

(vgl. Sächsisches Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft 2002) In wissenschaftlichen<br />

Studien werden dagegen überwiegend ökonometrische Analysemethoden eingesetzt.<br />

(siehe Arbués et al. 2003) In diesen multivariaten Modellen wird das Zusammenspiel<br />

mehrerer Einflussgrößen zur Erklärung der Zielgröße untersucht, wobei den Modellen die<br />

ökonomische Theorie zugrunde liegt. Sie bilden somit das Bindeglied zwischen der ökonomischen<br />

Theorie und der wirtschaftlichen Realität, die datenmäßig von der Wirtschafts- und Sozialstatistik<br />

aufbereitet wird. Zielgröße ist dabei der personen- oder haushaltsbezogene Wasserbedarf.<br />

Alternativ oder ergänzend dazu werden die einzelnen Verwendungsarten des Wassers<br />

getrennt betrachtet, indem beispielsweise die technische Entwicklung und Diffusion von<br />

Kapitel 2 – Seite 263


2.9 Szenariobasierte Simulation des Bedarfs an Oberflächenwasser der öffentlichen Wasserversorgung<br />

im <strong>Elbe</strong>gebiet (Ansmann)<br />

Haushaltsgeräten, Toilettenspülsystemen und Armaturen sowie das Verbrauchsverhalten analysiert<br />

werden. (siehe Howe, White 2007, Bächle et al. 1998) Die Modellansätze lassen sich<br />

entsprechend den zugrundeliegenden Planungs- und Handlungszielen, der Größe des Untersuchungsgebiets<br />

und der aus der jeweiligen Methodik hervorgehenden Genauigkeit der Analyse<br />

in mikro- und makroskalige Analysen unterteilen. (Baumann et al. 1998) Bei großräumigen<br />

Untersuchungsgebieten werden gewöhnlich makroskalige Analysen durchgeführt. Entsprechende<br />

Modelle basieren auf der sehr restriktiven Annahme, dass sich alle betrachteten Akteure<br />

gleich verhalten. Die zur Verteidigung dieser Annahme vorgebrachte These, dass sich<br />

entgegengesetzte Teilentwicklungen weitgehend kompensieren, mag für Globalprognosen<br />

gelten. Angesichts der heterogenen Verbrauchsstrukturen wird trotz der relativ leicht zu realisierenden<br />

großräumigen Modellierung eine Analyse der Wassernachfrage auf Makroebene<br />

verworfen. Stattdessen wird ein so genanntes mikrobasiertes Mesomodell aufgebaut. Auf der<br />

Mikroebene wird versucht, das Bedingungsgefüge der Beobachtungssituationen der Wassernachfrage<br />

so auszuforschen, dass man möglichst nahe an die individuellen Abläufe und Umstände<br />

herankommt. Ein entsprechendes Mikromodell leitet sich somit von der Beobachtung<br />

der kleinsten Elemente des betrachteten Systems ab, deren für das Untersuchungsziel bedeutenden<br />

Aspekte ihrer Lebensgestaltung und -bedingungen zu analysieren und systematisieren<br />

sind. Die Mikroebene erfasst die Heterogenität des Untersuchungsgegenstandes, indem das<br />

ganze Spektrum an aktiven und passiven Einflussfaktoren der Wassernachfrage betrachtet<br />

wird. Darauf aufbauend wird mit dem Ziel der flächendeckenden Simulation der Wassernachfrage<br />

eine weitere, zwischen denen des Makro- und des Mikromodells gelegene, mittlere<br />

Ebene betrachtet, die so genannte Mesoebene. Der Begriff der Mesoebene wird in unterschiedlichsten<br />

Forschungs- und Anwendungsbereichen verwendet und entsprechend der Zielstellung<br />

definiert. In sozialwissenschaftlichen Diskussionen taucht der Begriff häufig innerhalb<br />

des Dreiklangs Makro / Meso / lokal auf. (Meyer 2005) Im Rahmen des Modells<br />

HAUSHALT verkörpert das Mikromodell die unterste Modellebene. Die administrative Einheit<br />

der Kommune als nächst höheres Aggregationsniveau bildet innerhalb des Dreiklangs die<br />

Mesoebene. Sinngebend für die Definition der Kommune als die Mesoebene ist zum einen,<br />

dass sie die kleinste administrative Einheit darstellt, für die mikrofundierte Erkenntnisse mittels<br />

verfügbarer oder generierbarer amtlicher Daten flächendeckend hochgerechnet werden<br />

können. Da die betrieblichen Organisationsformen und technischen Infrastrukturen in<br />

Deutschland stark durch den Föderalismus geprägt sind und die konkrete Umsetzung der<br />

Wasserversorgung nach Art 28 II GG den Kommunen obliegt, passt sich die Kommune zudem<br />

grundsätzlich problemlos in die vorhandenen Wasserversorgungsstrukturen ein. Dieser<br />

Aspekt ist bei der späteren Darstellung der technischen Wasserversorgungsinfrastrukturen von<br />

großer Bedeutung. Das Untersuchungsgebiet als die Makroebene wird schließlich als Summe<br />

teilräumlicher Ergebnisse auf der Mesoebene simuliert – quasi wie ein Flickenteppich. Die<br />

vom Modell HAUSHALT berechneten kommunalen Bedarfsmengen werden an das Modell<br />

NETZSTRUKTUR als dem zweiten Baustein gekoppelt, um im Ergebnis die Fördermengen<br />

der öffentlichen Wasserversorgung an Oberflächenwasser je Entnahmepunkt im deutschen<br />

<strong>Elbe</strong>gebiet zu erhalten.<br />

Der methodische Ablauf wird in Abbildung 2 unterteilt nach den zwei angeführten Modellbausteinen<br />

HAUSHALT und NETZSTRUKTUR für die Aufgabenstellung innerhalb des Projektverbundes<br />

von <strong>GLOWA</strong>-<strong>Elbe</strong> dargestellt und im Folgenden beschrieben. Die linke Spalte<br />

des Diagramms zeigt die Datengrundlage der einzelnen Modellschritte, deren Zwischenergebnisse<br />

in der rechten Spalte skizziert werden. Im I. Schritt erfolgt der Aufbau der Modellstruktur<br />

zur Simulation des kommunalen Wasserbedarfs auf Basis einer empirischen Datengrundlage<br />

für die Stadt Leipzig. Die entwickelte Modellstruktur wird später auf die weiteren<br />

Kapitel 2 – Seite 264


2.9 Szenariobasierte Simulation des Bedarfs an Oberflächenwasser der öffentlichen Wasserversorgung<br />

im <strong>Elbe</strong>gebiet (Ansmann)<br />

Kommunen im <strong>Elbe</strong>gebiet unter Verwendung von regionalisierten Modelldaten übertragen.<br />

Die Privathaushalte (inklusive des Kleingewerbes) stellen mit knapp 80% des Gesamtwasserbedarfs<br />

die mit Abstand bedeutendste Verbrauchergruppe der öffentlichen Wasserversorgung<br />

dar. (Bundesverband der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft e.V. 2005) Vor diesem Hintergrund<br />

bildet ein ökonometrisches Mikromodell zur Modellierung der Haushaltswassernachfrage<br />

den Kern des Modells. In Zusammenarbeit mit dem lokalen Aufgabenträger der öffentlichen<br />

Wasserversorgung wurde für die Stadt Leipzig eine mikrobasierte Querschnittsanalyse<br />

der Haushaltswassernachfrage durchgeführt. Die Datengrundlage bildeten eine Haushaltsumfrage<br />

zur Ermittlung der wesentlichen Einflussfaktoren des privaten Wasserverbrauchs sowie<br />

die vom Wasserversorger bereitgestellten individuellen Wasserverbrauchs- und -preisdaten<br />

der an der Umfrage teilnehmenden Haushalte. Das Ergebnis des entwickelten Mikromodells<br />

zeigt als wesentliche Determinanten der Haushaltswassernachfrage (QHH) die Haushaltsgröße<br />

(HHgr), den individuellen Durchschnittspreis für Wasserver- und Abwasserentsorgung (WP),<br />

das verfügbare Haushaltsnettoeinkommen (EK) sowie darüber hinaus den Gebäudetyp differenziert<br />

nach Ein- bis Zweifamilien- und Mehrfamilienhäusern (EFH). Eine detaillierte Darstellung<br />

des methodischen Designs der Studie inklusive des Fragebogens, aller forschungsleitenden<br />

Hypothesen, der deskriptiven Statistik sowie der multivariaten Analyseergebnisse findet<br />

sich unter Messner und Ansmann (2007).<br />

Kapitel 2 – Seite 265


2.9 Szenariobasierte Simulation des Bedarfs an Oberflächenwasser der öffentlichen Wasserversorgung<br />

im <strong>Elbe</strong>gebiet (Ansmann)<br />

HAUSHALT<br />

NETZSTRUKTUR<br />

DATEN ZWISCHENERGEBNISSE<br />

Haushaltsumfrage 2002 in Leipzig<br />

Wasserabgabe- und -preisdaten<br />

(Leipziger Wasserversorger)<br />

Bevölkerungszahlen (StaBu)<br />

Amtliche Wasserstatistiken 1998,<br />

2001, 2004 (StaBu)<br />

Mikrozensus 1998, 2002 (StaBu)<br />

Wasser-/Abwasserpreise (eigene<br />

Erhebung)<br />

Monatliche Einspeisungsmengen<br />

2002-2005 (3 Wasserversorger)<br />

Bevölkerungsprognose (REGE,<br />

DIW)<br />

Haushaltsstruktur- und<br />

Neubauprognose (ROP, BBR)<br />

Technologieprognose (WASSER-<br />

INFRASTRUKTUR, ISI)<br />

Klimawandel (STAR, PIK)<br />

Erlös-Kosten-Modell (eigene<br />

Berechnung)<br />

Technische Versorgungsnetze<br />

(Wasserversorger im<br />

<strong>Elbe</strong>gebiet)<br />

Amtliche Wasserstatistiken<br />

1998, 2001, 2004 (StaBu)<br />

Wasserstatistik 2003 (BGW)<br />

Schritt I) Modellstruktur kommunaler Wasserbedarf<br />

ökonometrisches Mikromodell Haushalte Q HH = b 0 + b 1 *HHgr + b 2 *EFH + b 3 *EK + b 4 *WP<br />

Bevölkerung Anschluss<br />

-grad<br />

Mikrobasiertes<br />

Mesomodell<br />

Haushaltstypen<br />

Kapitel 2 – Seite 266<br />

Aufschlag<br />

Kleingewerbe<br />

Schritt II) Kommunal- und Regionaldatenbasis <strong>Elbe</strong>gebiet<br />

Aufschlag<br />

Sonstige<br />

Faktor<br />

Klima<br />

Schritt III) Modellgestützte räumliche Simulation des kommunalen Wasserbedarfs im<br />

<strong>Elbe</strong>gebiet mittels Modellstruktur und Datenbasis<br />

Faktor<br />

Technologie<br />

Schritt IV) Verteilungsschlüssel zur Disaggregation der Jahres- in Monatsbedarfswerte<br />

Schritt V) Szenariobasierte zeitliche Simulation der zukünftigen Wasserbedarfsentwicklung<br />

: Monatliche kommunale Wasserbedarfsmengen im <strong>Elbe</strong>gebiet<br />

Schritt VI) Wasserversorgungsnetze der öffentlichen Wasserversorgung im <strong>Elbe</strong>gebiet<br />

mit Oberflächenwasser im Aufkommen. Strukturdaten pro Netz:<br />

Angeschlossene<br />

Kommunen<br />

Einspeisungsanteil<br />

Entnahmepunkte<br />

Wasserart / Anteil<br />

Oberflächenwasser<br />

bei Mischwasser<br />

Wasserverluste Geplante<br />

Netzveränderungen<br />

Entnahmepunktspezifische monatliche Fördermengen an<br />

Oberflächenwasser der öffentlichen Wasserversorgung<br />

im deutschen <strong>Elbe</strong>gebiet<br />

Abb. 2: Methodischer Ablauf auf Grundlage der Modellbausteine HAUSHALT und NETZSTRUKTUR.<br />

Auf Grundlage des Mikromodells wird das mikrobasierte Mesomodell für den Wasserbedarf<br />

einzelner Haushaltstypen entwickelt. Hierzu werden die mikrofundierten Erkenntnisse mit<br />

Hilfe der identifizierten Haupteinflussfaktoren Haushaltsgröße und Gebäudetyp sinnvoll zu<br />

Haushaltstypen aggregiert. Die kommunale Bevölkerung wird auf Grundlage der Bevölkerungsstatistiken<br />

des Statistischen Bundesamtes für das Jahr 2002 und unter Berücksichtigung<br />

des im Rahmen der amtlichen Wasserstatistiken erhobenen kommunalen Anschlussgrades der<br />

Bevölkerung an die öffentliche Wasserversorgung auf die Haushaltstypen verteilt. Um den<br />

kommunalen Wasserbedarf aller Verbrauchergruppen abbilden zu können, wird im Anschluss<br />

der Wasserbedarf der Privathaushalte um konstante prozentuale Aufschläge für das Kleingewerbe<br />

sowie gewerbliche und sonstige Letztverbraucher erweitert. Mit dem Kleingewerbe<br />

sind gewerbliche Einrichtungen in Gebäuden gemischter Nutzung gemeint, deren Wasserverbrauch<br />

die Wasserversorgungsunternehmen nicht getrennt von den Privathaushalten erfassen<br />

(können). Der Anteil des Kleingewerbes am Wasserbedarf der Verbrauchergruppe Privat-


2.9 Szenariobasierte Simulation des Bedarfs an Oberflächenwasser der öffentlichen Wasserversorgung<br />

im <strong>Elbe</strong>gebiet (Ansmann)<br />

haushalte und Kleingewerbe wird auf Grundlage eines Vergleichs der Wasserabgabewerte des<br />

Leipziger Wasserversorgers an Gebäude mit und ohne Kleingewerbe berechnet. Kommunale<br />

Unterschiede im Pro-Kopf Wasserverbrauch der Verbrauchergruppe Privathaushalte und<br />

Kleingewerbe werden gewöhnlich auf den kommunalstrukturbedingten Kleingewerbeanteil<br />

zurückgeführt. Im dörflichen Umfeld ist er gering und kann in Großstädten um ein Vielfaches<br />

höher liegen. Der Pro-Kopf Wasserverbrauch ist in Städten entsprechend höher als auf dem<br />

Land. (Lecher et al. 2001) So ermittelt Masannek (1996) für Großstädte einen Kleingewerbeanteil<br />

von durchschnittlich 19%. Für ländliche Gemeinden liegt der entsprechende Wert bei<br />

lediglich 1,6%. Um diesen Zusammenhang bei der flächendeckenden Simulation des <strong>Elbe</strong>gebiets<br />

widerspiegeln zu können, wird der Kleingewerbeanteil getrennt nach dem Gebäudetyp<br />

für Ein- bis Zweifamilien- und für Mehrfamilienhäuser ermittelt, und führt im Ergebnis zu<br />

einem Aufschlag von respektive 2 bzw. 14%. Die dritte Verbrauchergruppe der gewerblichen<br />

und sonstigen Letztverbraucher ist in sich sehr heterogen und kommunalspezifisch zusammengesetzt.<br />

Hierunter fallen gewerbliche Unternehmen (Produzierendes Gewebe, Handel,<br />

Verkehr, Dienstleistungen) und landwirtschaftliche Betriebe, Krankenhäuser und Schulen,<br />

Behörden und kommunale Einrichtungen, Bundeswehr sowie sonstige öffentliche Zwecke.<br />

Der aktuelle Wasserbedarf dieser Gruppe wird mittels eines prozentualen Aufschlags auf Basis<br />

der Wasserabgabewerte des lokalen Wasserversorgungsunternehmens der Jahre 2001 und<br />

2004 berechnet. Die Modellstruktur wird als nächstes um einen Klimafaktor erweitert. Zwar<br />

konnte in den multivariaten Analysen auf Haushaltsebene kein signifikanter Wettereinfluss<br />

auf den Jahresbedarf festgestellt werden. Da jedoch als Ergebnis der modellgestützten Szenarioanalysen<br />

monatliche Fördermengen zu simulieren sind, wurden in Rahmen einer Sonderauswertung<br />

die monatlichen Wassereinspeisungsmengen des Leipziger Wasserversorgers<br />

einer Reihe von Wetterfaktoren des Deutschen Wetterdienstes gegenübergestellt. Tatsächlich<br />

zeigt sich auf Monatsebene ein signifikanter Wettereinfluss, der im mikrobasierten Mesomodell<br />

auf Jahresebene praktisch untergeht. Abbildung 4 auf Seite 12 verdeutlicht diesen Wettereinfluss<br />

auf die Wassereinspeisungsmengen für den extrem heißen und trockenen Sommer<br />

2003. Hinsichtlich der Modellfunktion im Projektverbund liegt demnach eine modelltechnische<br />

Restriktion vor, die mit Hilfe des Klimafaktors korrigiert wird. Die letzte Komponente<br />

der Modellstruktur bildet ein Technologiefaktor. Der mittels des mikrobasierten Mesomodells<br />

berechnete Wasserbedarf beruht auf den Präferenzen der Privathaushalte nach dem Gut Wasser.<br />

Dieses Gut wird auf einzelne Wasserverwendungsarten wie Wäschewaschen, Duschen<br />

oder Geschirrspülen disaggregiert, um in der Modellstruktur des kommunalen Wasserbedarfs<br />

eine Datenschnittstelle zu dem Modell WASSERINFRASTRUKTUR des Fraunhofer Instituts<br />

für Systemtechnik und Innovationsforschung (ISI) einzurichten. (Satorius et al. 2006) Über<br />

diese Schnittstelle wird bei den späteren szenariobasierten Analysen der Einfluss von Wasserspartechnologien<br />

in Haushalten auf die zukünftige Entwicklung des Wasserbedarfs berücksichtigt.<br />

Im II. Schritt wird eine Datenbasis für das <strong>Elbe</strong>gebiet aufgebaut, die in Verbindung mit der<br />

entwickelten Modellstruktur einer flächendeckenden Simulation des kommunalen Wasserbedarfs<br />

im <strong>Elbe</strong>gebiet dient. Dabei lassen sich auf Grund der vielfältigen Datenquellen geringfügige<br />

Verstöße gegen das Gebot der Äquidistanz zwischen Analysewerten nicht vermeiden.<br />

Die abweichenden Zeitbezüge bei den verwendeten Eingangsdaten werden allerdings bei<br />

Querschnittsanalysen für langfristige Simulationen nicht als gravierend eingestuft; dies zumal,<br />

da die betreffende Determinante einer relativ stetigen Entwicklung unterliegt und sich die Daten<br />

über die abhängige Variable auf ein Jahr und nicht auf einen Stichtag beziehen. (Rohmeier<br />

1986) Die Wasserabgabemengen aus den amtlichen Wasserstatistiken des Statistischen Bundesamtes<br />

dienen als Referenzgrößen der Modellierung und werden auf Basis mehrerer Erhe-<br />

Kapitel 2 – Seite 267


2.9 Szenariobasierte Simulation des Bedarfs an Oberflächenwasser der öffentlichen Wasserversorgung<br />

im <strong>Elbe</strong>gebiet (Ansmann)<br />

bungsjahre (2001, 2004 und in Ausnahmefällen 1998) ermittelt, um im Modell nicht erklärte<br />

Sondereffekte eines Jahres und Eingabefehler aus den Datensätzen herausfiltern zu können.<br />

Ebenso wie die amtlichen Bevölkerungsstatistiken liegen die amtlichen Wasserstatistiken bereits<br />

auf der Mesomodellebene vor. Dagegen ist zur Verteilung der kommunalen Bevölkerung<br />

auf die Haushaltstypen und zur Berechnung des durchschnittlichen haushaltstypspezifischen<br />

Nettoeinkommens in einer Gemeinde der hierfür verwendete Mikrozensus des Jahres 2002<br />

unter der Prämisse aussagekräftiger statistischer Ergebnisse sinnvoll zu regionalisieren. Dies<br />

geschieht auf der Ebene von Kreistypen innerhalb von Raumordnungsregionen. Zur Berechnung<br />

der durchschnittlichen haushaltstypspezifischen Wasserpreise sind die aktuellen Trink-<br />

und Abwasserpreise im <strong>Elbe</strong>gebiet aus teilräumlichen Statistiken und direkt von den Wasserver-<br />

und Abwasserentsorgungsunternehmen auf der Ebene einzelner Ver- und Entsorgungsgebiete<br />

zusammenzutragen. Der aktuelle kommunalspezifische Wasserbedarf der Verbrauchergruppe<br />

gewerblicher und sonstiger Letztverbraucher wird für das <strong>Elbe</strong>gebiet in der Form<br />

eines prozentualen Aufschlags, der als Mittelwert der Wasserabgabewerte an diese Verbrauchergruppe<br />

aus den amtlichen Wasserstatistiken des Statistischen Bundesamtes der Jahre<br />

2001 und 2004 berechnet wird, realisiert. Die Regionalisierung der Klimadaten erfolgt mittels<br />

einer georeferenzierten Zuordnung über Thiessen-Polygone der in Abbildung 3 grün hinterlegten<br />

Kommunen zu den insgesamt 397 im <strong>Elbe</strong>gebiet gelegenen Klimastationen, die im<br />

Rahmen der am Potsdamer Institut für Klimaforschung (PIK) erfolgten Modellierung der regionalen<br />

Klimaentwicklung als Bezugsstationen dienen. (siehe Gerstengarbe et al. 2008, Kapitel<br />

2.1)<br />

Abb. 3: Zuordnung der Kommunen im <strong>Elbe</strong>gebiet zu Klimastationen über Thiessen-Polygone.<br />

Im III. Schritt wird mit Hilfe der entwickelten Modellstruktur und der empirischen Modellgrundlage<br />

der aktuelle Wasserbedarf im <strong>Elbe</strong>gebiet flächendeckend auf kommunaler Ebene<br />

für das Jahr 2002 simuliert. Die kommunalspezifischen Ergebnisse des Modells HAUSHALT<br />

werden anschließend den entsprechenden Wasserabgabemengen aus den amtlichen Wasserstatistiken<br />

des Statistischen Bundesamtes der Jahre 2001 und 2004 gegenübergestellt.<br />

Schritt IV dient dazu, die Jahreswerte des Modells HAUSHALT über einen Verteilungsschlüssel<br />

in monatliche Entnahmemengen zu disaggregieren. Der Verteilungsschlüssel wird<br />

als Mittelwert der monatlichen Wassereinspeisungsmengen der Jahre 2002 bis 2005 von drei<br />

Kapitel 2 – Seite 268


2.9 Szenariobasierte Simulation des Bedarfs an Oberflächenwasser der öffentlichen Wasserversorgung<br />

im <strong>Elbe</strong>gebiet (Ansmann)<br />

großen Wasserversorgern im <strong>Elbe</strong>gebiet, die insgesamt mehr als 250 Kommunen versorgen,<br />

konstruiert. In Abbildung 4 wird der monatliche prozentuale Einspeisungsanteil an der Jahreseinspeisung<br />

der drei Versorger wiedergegeben. Die Kurvenverläufe ergeben ein recht einheitliches<br />

Bild. So ist der jährliche Abfall der Einspeisungsmengen im Februar auf die reduzierte<br />

Anzahl von 28 bzw. 29 Monatstagen zurückzuführen.<br />

Abb. 4: Verteilungsschlüssel monatlicher kommunaler Wasserbedarf. Eigene Berechnungen auf Basis der monatlichen<br />

Wassereinspeiungsmengen von 3 großen Wasserversorgern im <strong>Elbe</strong>gebiet.<br />

Im V. Schritt erfolgt die szenariobasierte Simulation der zukünftigen Entwicklung des kommunalen<br />

Wasserbedarfs. Zur Bewältigung dieser Aufgabe existieren zu weiteren Modellen<br />

innerhalb des Projektverbundes Schnittstellen. Zusätzlich wird auf externe Datenquellen zurückgegriffen.<br />

Hinsichtlich der zukünftigen Bevölkerungs- und Einkommensentwicklung der<br />

Haushalte fließen Daten des am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) entwickelten<br />

Modells REGE ein. (siehe Blazejczak et al. 2008, Kapitel 2.3) Die zukünftige Verteilung<br />

der Bevölkerung auf die Haushaltstypen basiert auf externen Prognosedaten zur Haushaltsstruktur<br />

und zu Neubauzahlen des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (2006).<br />

Der Anschlussgrad an die öffentliche Wasserversorgung der Bevölkerung im Untersuchungsraum<br />

liegt für das Jahr 2001 durchschnittlich bei 99% und wird auf kommunaler Ebene für<br />

den Betrachtungszeitraum konstant gesetzt. (Statistisches Bundesamt 2003) Weiterhin wird<br />

der regionalspezifische Einfluss des klimatischen Wandels aus dem Klimamodell STAR des<br />

Potsdamer Instituts für Klimaforschung (PIK) über die oben beschriebene Regionalisierung<br />

der Klimadaten eingebunden. (siehe Gerstengarbe et al. 2008, Kapitel 2.1) Die Auswirkungen<br />

von Wasserspartechnologien auf den Trinkwasserbedarf der Privathaushalte werden durch<br />

technisch-ökonomische Parameter aus dem Modell WASSERINFRASTRUKTUR simuliert.<br />

(siehe Satorius et al. 2006) Sie fließen als Eingangsgrößen über die Modellkomponente Technologiefaktor<br />

in die Berechnungen ein. Für die Simulation der zukünftigen Entwicklung der<br />

Modelldeterminante Wasserpreis kann dagegen nicht auf externe Daten zurückgegriffen werden.<br />

Stattdessen wird unter der Prämisse kostendeckender Wasserpreise ein Erlös-Kosten-<br />

Modell angewendet. Das Erlös-Kosten-Modell und alle weiteren wesentlichen Determinanten<br />

Kapitel 2 – Seite 269


2.9 Szenariobasierte Simulation des Bedarfs an Oberflächenwasser der öffentlichen Wasserversorgung<br />

im <strong>Elbe</strong>gebiet (Ansmann)<br />

der modellgestützten Szenarioanalyse des zukünftigen kommunalen Wasserbedarfs werden in<br />

2.8.1.2 näher beschrieben.<br />

Im Projektverbund von <strong>GLOWA</strong>-<strong>Elbe</strong> wird zur Unterstützung langfristiger wasserwirtschaftlicher<br />

Planungen das Wasserbewirtschaftungsmodell WBalMo der DHI-WASY GmbH genutzt.<br />

(siehe Kaltofen et al. 2008, Kapitel 3.1) In diesem Modell werden wasserwirtschaftliche<br />

Anlagen sowie die im Projekt betrachteten Wassernutzer der öffentlichen Wasserversorgung,<br />

Kraftwerke, Industrie und Landwirtschaft berücksichtigt. Das Wasserbewirtschaftungsmodell<br />

WBalMo benötigt als Eingangsdaten die monatlichen Entnahmemengen an Oberflächenwasser<br />

der Nutzer, die im Fall der technisch zentral organisierten öffentlichen Wasserversorgung<br />

nicht durch die Kommunen sondern durch die Wassergewinnungsanlagen als Entnahmepunkte<br />

repräsentiert werden. Vor diesem Hintergrund wird im Schritt VI das Modell NETZ-<br />

STRUKTUR zur Abbildung der technischen Wasserversorgungsinfrastrukturen im <strong>Elbe</strong>gebiet<br />

eingesetzt. Die mit Hilfe des Modells HAUSHALT simulierten monatlichen kommunalen<br />

Bedarfswerte fließen als Inputdaten in das Modell NETZSTRUKTUR ein. Um die Auswirkungen<br />

einer regionalisierten Wassernachfrageänderung auf kommunaler Ebene unter Berücksichtigung<br />

von Leitungsverlusten und Wasserwerkseigenverbrauch entnahmepunktspezifisch<br />

aufzeigen zu können, werden die Wasserversorgungsstrukturen mit Oberflächenwasser(anteil)<br />

erfasst. Auf der technischen Ebene der öffentlichen Wasserversorgung ist speziell bei<br />

Versorgungssystemen mit Oberflächen- oder Mischwasser die Versorgung nur selten örtlich.<br />

Stattdessen handelt es sich regelmäßig um überörtliche oder regionale Wasserversorgungssysteme.<br />

Hierzu gehören Versorgungsanlagen, mit denen durch einen überörtlichen Verbund die<br />

Wasserversorgung für mehrere Versorgungsgebiete erfolgt. So speisen mehrere Wasserwerke<br />

mit gegebenenfalls unterschiedlichen Wasserarten in ein solches Verbundsystem ein. Eine<br />

wesentliche Rolle spielt auch die Fernwasserversorgung. Bei der Fernwasserversorgung wird<br />

Trinkwasser über ein weitreichendes Verbundnetz (überregional) verteilt und an mehrere<br />

Weiterverteiler abgegeben. Es erfolgt also keine direkte Abgabe an die Endverbraucher, sondern<br />

eine Einspeisung des Fernwassers in das Versorgungsnetz des lokalen Aufgabenträgers.<br />

Um eine direkte Verbindung zwischen kommunalem Wasserbedarf und Entnahmemenge der<br />

versorgenden Gewinnungsanlage(n) abbilden zu können, werden die benötigten Daten für das<br />

<strong>Elbe</strong>gebiet von den Wasserversorgungsunternehmen erhoben. Ausgangspunkt sind die Oberflächenwasserentnahmepunkte<br />

der öffentlichen Wasserversorgung mit einer Mindestfördermenge<br />

von gleich oder größer 0,01 m 3 /s. Der Oberflächenwasseranteil im <strong>Elbe</strong>gebiet, der insgesamt<br />

bei gut 25% des Gesamtaufkommens liegt, teilt sich in reines Oberflächenwasser aus<br />

See- und Talsperren (17%) und Fließgewässern (0,01%) sowie auf angereichertes Grundwasser<br />

(4,7%) und Uferfiltrat (3,6%) auf. (Statistisches Bundesamt 2006) Die kommunalen Wasserbedarfswerte<br />

des Modells HAUSHALT werden an das Netzstrukturmodell gekoppelt. Die<br />

Wasserabgaben an Kommunen ergeben zusammen mit den versorgungsgebietsspezifischen<br />

Wasserverlusten und dem Eigenverbrauch, der als konstanter prozentualer Aufschlag auf den<br />

kommunalen Wasserbedarf gewährt wird, die spezifischen Fördermengen der am jeweiligen<br />

Versorgungsnetz angeschlossenen Wassergewinnungsanlagen. Falls es sich bei der geförderten<br />

Wasserart um angereichertes Grundwasser bzw. Uferfiltrat handelt, wird der Oberflächenwasseranteil<br />

des Mischwassers entsprechend den Angaben des Wasserversorgungsunternehmens<br />

gesondert ausgewiesen.<br />

2.9.2.2 Szenariorelevante Einflussfaktoren<br />

Zur szenariobasierten Simulation des zukünftigen Wasserbedarfs sind besonders fünf Einflussfaktoren<br />

im Modell HAUSHALT von Bedeutung: der demographische und klimatische<br />

Kapitel 2 – Seite 270


2.9 Szenariobasierte Simulation des Bedarfs an Oberflächenwasser der öffentlichen Wasserversorgung<br />

im <strong>Elbe</strong>gebiet (Ansmann)<br />

Wandel, die Einkommensentwicklung, die Entwicklung der Wasserpreise sowie die Technologieentwicklung.<br />

Die Berücksichtigung dieser Faktoren in den vier <strong>GLOWA</strong> <strong>Elbe</strong> Entwicklungsrahmen<br />

A1 + , A1 0 , B2 + sowie B2 0 wird im folgenden Abschnitt dargelegt. Die weiteren<br />

Komponenten der Modellstruktur zum kommunalen Wasserbedarf haben als konstante prozentuale<br />

Faktorgrößen keinen szenariospezifischen Einfluss (vgl. Abbildung 2 auf Seite 8).<br />

2.9.2.3 Demographischer Wandel<br />

Für den zukünftigen Wasserbedarf der Privathaushalte ist die Bevölkerungsentwicklung einer<br />

der wichtigsten Driving Forces. Als Ergebnis der makroökonomischen Modellierung im Modell<br />

REGE des DIW für die Entwicklungsrahmen A1 und B2 ergab sich bundesweit jeweils<br />

ein Bevölkerungsanstieg. (siehe Blazejczak et al. 2008, Kapitel 2.3) Werden allerdings die<br />

regionalen Entwicklungstrends für die Raumordnungsregionen im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet mit einem<br />

bedeutenden Oberflächenwasseranteil im Wasseraufkommen der öffentlichen Wasserversorgung<br />

betrachtet, so ist mit Ausnahme Berlins ein allgemeiner Bevölkerungsrückgang zu<br />

verzeichnen. Im Modell HAUSHALT wird die Bevölkerung einer Region auf Grundlage von<br />

Mikrozensusdaten des Jahres 2002 auf Haushaltstypen verteilt. Ein Haushaltstyp wird durch<br />

die zwei Haupteinflussfaktoren der Haushaltswassernachfrage der Haushaltsgröße und des<br />

Gebäudetyps definiert. Die Bevölkerungsverteilung auf die privaten Haushalte lässt sich somit<br />

als ein zusätzliches Merkmal der inneren Zusammensetzung der Bevölkerung berücksichtigen.<br />

Die Haushalte als Ganzes unterliegen ebenso wie die Bevölkerung den verschiedenen<br />

Auswirkungen des demographischen Wandels. Eine zentrale Eigenschaft der regionalen Bevölkerungsentwicklung<br />

seit den 1990er Jahren ist das Nebeneinander von wachsenden und<br />

schrumpfenden Regionen. Für Haushalte gilt diese pauschale Aussage nicht. Auch Regionen<br />

mit merklichen Bevölkerungsverlusten sind bezüglich der Zahl der Haushalte durch Zunahmen,<br />

zumindest aber durch Stabilität gekennzeichnet. Dies gilt in besonderem Maße für die<br />

neuen Länder. Hier kompensieren die mit der Haushaltsverkleinerung verbundenen Zunahmen<br />

der Haushaltszahlen die durch die Bevölkerungsverluste ausgelösten Abnahmen. Sowohl<br />

die Alterung der Bevölkerung als auch die Individualisierung der Gesellschaft bewirken eine<br />

Tendenz hin zu mehr kleineren Haushalten. (Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung<br />

2006) Da mit sinkender Haushaltsgröße der Pro-Kopf Wasserverbrauch steigt, ergibt sich<br />

hieraus ein kompensierender Effekt zur Abnahme des Wasserbedarfs auf Grund des generellen<br />

Bevölkerungsrückgangs. Ähnlich verhält es sich mit dem Einfluss des Gebäudetyps als<br />

zweiten Haupteinflussfaktor der Wassernachfrage Privathaushalte. Privathaushalte haben in<br />

dem Modell HAUSHALT in einem Ein- bis Zweifamilienhaus wohnend einen durchschnittlich<br />

höheren Pro-Kopf Wasserverbrauch als in Mehrfamilienhäusern. Somit wirkt auch ein<br />

Trend hin zu mehr Einfamilienhäusern mit höherem Wasserverbrauch kompensierend zu einem<br />

generellen Bevölkerungsrückgang.<br />

Als empirische Modell-Datengrundlage für die zukünftige Entwicklung der Verteilung der<br />

Haushaltsgrößen auf die zwei Gebäudetypen werden die Neubauprognosen für Ein- bis Zweifamilienhäuser<br />

des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (2006) verwendet. Für die<br />

Wohnungsnachfrage relevant ist dabei nicht nur die absolute Zahl an Bevölkerung und Haushalten.<br />

Auch die Verschiebungen in der Größen- und Altersstruktur sind von ausschlaggebender<br />

Bedeutung. Junge, kleine Haushalte suchen zumeist kleinere „Starterwohnungen“, möglichst<br />

als Mietwohnungen im Mehrfamilienhaus. Mittlere Haushalte in der Familienphase sind<br />

die Gruppe der Wohneigentumsbildner. Im Alter zwischen 35 und 45 Jahren wird mit Abstand<br />

am häufigsten Wohneigentum gebildet, zumeist in Form eines Einfamilienhauses. Auf<br />

Grund dieser Faktenlage wird für das Modell HAUSHALT davon ausgegangen, dass neu ge-<br />

Kapitel 2 – Seite 271


2.9 Szenariobasierte Simulation des Bedarfs an Oberflächenwasser der öffentlichen Wasserversorgung<br />

im <strong>Elbe</strong>gebiet (Ansmann)<br />

baute Ein- bis Zweifamilienhäuser von Haushalten mit 3 und mehr Personen bezogen werden.<br />

Allerdings existiert ein Leerstandsrisiko und es kann nicht davon ausgegangen werden, dass<br />

jedes neu gebaute Ein- bis Zweifamilienhaus von einem Haushalt bezogen wird, der zuvor in<br />

einem Mehrfamilienhaus gelebt hat. Grundsätzlich hängt die Nachfrageentwicklung in den<br />

neuen Bundesländern auch von der dortigen wirtschaftlichen Entwicklung ab: Das individuell<br />

zur Verfügung stehende Einkommen bestimmt, ob und wie schnell sich die ostdeutsche<br />

Wohnflächennachfrage der im Westen annähert oder wie schnell der Nachholbedarf im Eigenheimsektor<br />

befriedigt werden kann. Die wirtschaftliche Entwicklung bestimmt zudem das<br />

Wanderungsverhalten und damit die Zahl der Haushalte, die überhaupt auf dem Wohnungsmarkt<br />

als Nachfrager auftreten. Vor diesem Hintergrund wird für das Modell HAUSHALT im<br />

Entwicklungsrahmen A1 angenommen, dass jeder zweite prognostizierte Neubau an Ein- bis<br />

Zweifamilienhäusern die Verteilung der Haushalte auf die beiden Gebäudetypen beeinflusst.<br />

Im Entwicklungsrahmen B2 ist es dagegen nur jeder vierte Neubau. Für die anderen Häuser<br />

wird somit unterstellt, dass sie entweder von Haushalten bezogen werden, die schon vorher in<br />

Ein- oder Zweifamilienhäusern wohnten, oder dass sie auf Grund von Fehlplanungen der verantwortlichen<br />

Bauträgergesellschaften leer stehen. Zusammenfassend ist für die Berücksichtigung<br />

des demographischen Wandels im Modell HAUSHALT festzuhalten, dass durch den<br />

Ansatz der Haushaltstypen die verschiedenen Facetten des demographischen Wandels mit<br />

seinen gegenläufigen Trendwirkungen auf den Wasserbedarf abbildet werden können.<br />

2.9.2.4 Individueller durchschnittlicher Wasserpreis<br />

Der Wasserpreis ist im Modell HAUSHALT ein weiterer wichtiger Einflussfaktor für die<br />

Wassernachfrage der Privathaushalte. Laut Umweltbundesamt (2001) gilt der in den 90er Jahren<br />

relativ stark angestiegene Kubikmeter-Wasserpreis als einer der Gründe für den bundesweiten<br />

Rückgang des Wasserverbrauchs. Seine zukünftige Entwicklung kann die Wassernachfrage<br />

bedeutsam beeinflussen. In Deutschland unterliegt die Bildung der Wasserpreise<br />

bzw. Abwassergebühren einer engen gesetzlichen Regelung. Die Kommunalabgabengesetze<br />

schreiben den Ver- und Entsorgungsunternehmen die Einhaltung des Kostendeckungsprinzips,<br />

unter Einbindung der Kosten für Substanzerhaltung und Refinanzierung der Anlagen,<br />

verbindlich vor. Der aktuelle durchschnittliche Kostendeckungsgrad liegt auf dem deutschen<br />

Wassersektor bei 100% (ATT et al. 2005). Nun sind für die Wasserver- und Abwasserbeseitigung<br />

vielfältige Anlagen zur Wassergewinnung, -aufbereitung, -speicherung und -verteilung<br />

wie auch zur Abwassersammlung und -reinigung notwendig. Dies führt zu hohen fixen, d.h.<br />

mengenunabhängigen Kosten (Kapitalkosten in Form von Zinsen und Abschreibungen). Von<br />

den Gesamtaufwendungen eines Wasserver- oder -entsorgungsunternehmens ist darüber hinaus<br />

zusätzlich ein großer Anteil der Kosten für Betrieb und Unterhaltung der Anlagen den fixen<br />

Kosten zuzurechnen. So sind z.B. die Instandhaltungskosten und auch die Personalkosten<br />

nur in geringem Umfang von der Betriebsleistung abhängig. Mengenabhängige Kosten treten<br />

in geringem Umfang in Form von etwa Pumpstromkosten oder Betriebsmittelkosten auf. Der<br />

hohe Fixkostenanteil birgt das Phänomen in sich, dass bei rückläufigem Gesamtverbrauch der<br />

Preis je Kubikmeter steigt. („Fixkosten-Problematik“). Für den Aufbau der Modelldatenbasis<br />

wurden die Trink- und Abwassertarife der Aufgabenträger der öffentlichen Wasserver- und<br />

Abwasserentsorgung für die einzelnen Ver- und Entsorgungsgebiete im <strong>Elbe</strong>gebiet erhoben.<br />

Aufbauend auf dieser Datengrundlage werden kommunale haushaltstypspezifische durchschnittliche<br />

Wasserpreise gebildet. Die zukünftige Entwicklung der Wasserpreise wird mittels<br />

eines Erlös-Kosten-Modells unter den Annahmen, dass sämtliche Kosten der Wasserversorgungsunternehmen<br />

fix und die derzeitigen Wasser- und Abwassertarife kostendeckend sind,<br />

berechnet. Dazu wird zunächst der aktuelle Break-even-Umsatz eines Wasserversorgers als<br />

Kapitel 2 – Seite 272


2.9 Szenariobasierte Simulation des Bedarfs an Oberflächenwasser der öffentlichen Wasserversorgung<br />

im <strong>Elbe</strong>gebiet (Ansmann)<br />

Produkt aus dem aktuellen haushaltstypspezifischen Trinkwasserbedarf und den entsprechenden<br />

Trinkwasser- und Abwasserpreisen modellgestützt ermittelt. Der aktuelle Break-even-<br />

Umsatz repräsentiert somit den kostendeckenden Gesamtumsatz. Im zweiten Schritt werden<br />

mit dem Modell HAUSHALT die Absatzentwicklung und der resultierende Kapitalunter-<br />

bzw. Kapitalüberdeckungsgrad bei konstantem Wasserpreis ermittelt. Um erneut einen kostendeckenden<br />

Gesamtumsatz zu erzielen, nehmen die Wasserversorger in einem dritten<br />

Schritt basierend auf dem jeweils erzielten Verlust oder Gewinn eine Anpassung ihrer Tarife<br />

vor. Die kostendeckenden Wasserpreise werden entsprechend der unterschiedlichen Bedarfsentwicklungen<br />

für die Entwicklungsrahmen A1 0 , A1 + , B2 0 und B2 + berechnet und in den szenariobasierten<br />

Simulationen verwendet. Die aufgezeigte Vorgehensweise führt zu plausiblen<br />

Ergebnissen. Allerdings verbirgt sich in dem Ansatz ein Endogenitätsproblem der Art, dass<br />

im zweiten Schritt zur modellgestützten Simulation des zukünftigen Wasserbedarfes die Wasserpreise<br />

konstant zu setzen waren.<br />

2.9.2.5 Verfügbares Haushaltsnettoeinkommen<br />

Das Einkommen ist neben dem Preis der zweite wesentliche Einflussfaktor, der gemäß der<br />

ökonomischen Theorie das Konsumverhalten beeinflusst. Das verfügbare Einkommen stellt<br />

dabei die Budgetrestriktion dar, die das Ausleben der Konsumpräferenzen beschränkt. In diesem<br />

Kontext wird für normale Güter ein Einkommenseffekt unterstellt, der besagt, dass das<br />

Konsumniveau mit dem Einkommen steigt. (Pindyck, Rubinfeld 1992) Dementsprechend ist<br />

nicht der Wasserpreis die einzige ökonomische Haupteinflussgröße im Modell HAUSHALT.<br />

Die wirtschaftlichen Bedingungen der Akteure, die stark von den gesamtwirtschaftlichen Bedingungen<br />

beeinflusst werden, zeigen sich als genauso wichtig, sodass in einer wirtschaftlich<br />

prosperierenden Region von entsprechenden Wassernachfragezuwächsen auszugehen ist. Das<br />

durchschnittlich verfügbare Haushaltsnettoeinkommen wurde für jeden Haushaltstypen aus<br />

dem regionalisierten Mikrozensus 2002 ermittelt. Lohnsteigerungen sind in Deutschland regelmäßig<br />

an Produktivitätssteigerungen gekoppelt. Die vom Modell REGE berechnete durchschnittliche<br />

jährliche Veränderung der Personenproduktivität 2020/2004 von 1,1% in A1 bzw.<br />

0,9% in B2 wurde vor diesem Hintergrund auch für die zukünftige Entwicklung des Haushaltsnettoeinkommens<br />

im Modell HAUSHALT verwendet. (siehe Blazejczak et al. 2008, Kapitel<br />

2.3)<br />

2.9.2.6 Wasserspartechnologien im Haushalt<br />

Das Fraunhofer Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung (ISI) untersuchte die<br />

technisch-ökonomischen Parameter der Technologieentwicklung soweit sie den Verbrauch<br />

von Trinkwasser durch die Haushalte betreffen. (siehe Satorius et al. 2006) Betrachtet wurden<br />

dabei einerseits Technologien wie z. B. Wasch- oder Spülmaschinen, die auf Grund ihrer<br />

Funktion selbst Wasser verbrauchen und bei denen der technische Fortschritt auf eine weitere<br />

Verringerung dieses Wasserverbrauchs hinwirken könnte. Andererseits wurden Technologien<br />

wie die Regen- oder Grauwasseraufbereitung betrachtet, die bei gegebenem Wasserverbrauch<br />

die Inanspruchnahme des Frischwasserdargebotes dadurch senken, dass sie alternative Quellen<br />

nutzen oder das Wasser wiederholt verwenden. Für die zukünftige Entwicklung von Wasserspartechnologien<br />

im Haushaltssektor werden im Modell WASSERINFRASTRUKTUR in<br />

Anlehnung an die Entwicklungsrahmen A1 0 , A1 + , B2 0 und B2 + folgende drei Fälle unterschieden:<br />

Kapitel 2 – Seite 273


2.9 Szenariobasierte Simulation des Bedarfs an Oberflächenwasser der öffentlichen Wasserversorgung<br />

im <strong>Elbe</strong>gebiet (Ansmann)<br />

Geringe Fortschritte in Richtung auf Wassereinsparung, aber keine nennenswerte Preissenkung<br />

sind in B20 hinsichtlich Haushaltstechnologien zu erwarten, da weder im Hinblick auf<br />

die Innovationsintensität noch auf ihre Richtung besondere Impulse zu erwarten sind und die<br />

produzierten Stückzahlen entsprechend gering bleiben. Bis 2020 wird von einer Reduktion<br />

des durchschnittlichen Pro-Kopf Wasserverbrauchs im Jahr von 2,7 m³ ausgegangen.<br />

A10 und B2 + unterscheiden sich zwar hinsichtlich der relativen Gewichtung von Intensität<br />

und Richtung der jeweiligen Innovationsimpulse. Dennoch wird davon ausgegangen, dass der<br />

Gesamteffekt in beiden Fällen sowohl hinsichtlich der Wassereinsparung als auch der Preissenkung<br />

bei Haushaltstechnologien moderat sein wird. Bis 2020 wird von einer Reduktion<br />

des durchschnittlichen Pro-Kopf Wasserverbrauchs im Jahr von 4,4 m³ ausgegangen.<br />

Auf Grund der Kombination von hoher Intensität und Zielgerichtetheit der Technologieentwicklung<br />

in A1 + sind hier mit Blick sowohl auf die Preisentwicklung als auch auf die Wassereinsparungen<br />

die bedeutendsten Effekte zu erwarten. Bis 2020 wird von einer Reduktion des<br />

durchschnittlichen Pro-Kopf Wasserverbrauchs im Jahr von 5,1 m³ ausgegangen.<br />

2.9.2.7 Wettereinfluss<br />

Der Einfluss klimatischer Bedingungen auf den Wasserverbrauch wurde bereits in mehreren<br />

wissenschaftlichen Studien nachgewiesen (Hansen 1996). Untersuchungen zeigen generell,<br />

dass der durchschnittliche Pro-Kopf Verbrauch von Trinkwasser in Ländern mit einem relativ<br />

heißen und trockenen Klima - wie beispielsweise in Portugal, Spanien, Australien oder auch<br />

Mexiko - höher liegt als in Ländern mit einem eher gemäßigten oder kühlen Klima (OECD<br />

1999). In der vorliegenden Studie zeigt sich ein signifikanter statistischer Zusammenhang<br />

zwischen der monatlichen Wassereinspeisungsmenge in das Versorgungsnetz und den Wetterfaktoren<br />

Sonnenscheindauer und Niederschlag. Im Modell HAUSHALT wird basierend auf<br />

den regionalspezifischen Klimadaten des Modells STAR für Sommermonate mit einer durchschnittlichen<br />

Sonnenscheindauer von mehr als 250 Stunden und einem Niederschlag kleiner<br />

80 mm ein Aufschlag von 8% auf den kommunalen Wasserbedarf berechnet. (siehe Gerstengarbe<br />

et al. 2008, Kapitel 2.1)<br />

2.9.3 Simulationsergebnisse Modell HAUSHALT<br />

Bei der folgenden Ergebnisdarstellung werden zunächst die Eckdaten der im Modell NETZ-<br />

STRUKTUR abgebildeten Trinkwasserversorgungsnetze beschrieben. Im Anschluss wird auf<br />

die szenariobasierte zukünftige Fördermengenentwicklung bei Oberflächenwasser im deutschen<br />

<strong>Elbe</strong>gebiet eingegangen.<br />

Der Simulationsraum für das Modell HAUSHALT ist bei der Anwendung in <strong>GLOWA</strong>-<strong>Elbe</strong> II<br />

durch die Fokussierung auf Oberflächenwasser begrenzt auf bundesdeutsche Kommunen im<br />

<strong>Elbe</strong>gebiet mit (anteiliger) Oberflächenwasserversorgung. Entsprechend der mit dem Modellbaustein<br />

NETZSTRUKTUR abgebildeten Trinkwasserversorgungsnetze umfasst dieses Gebiet<br />

1140 der insgesamt im deutschen <strong>Elbe</strong>gebiet gelegenen 4659 Kommunen (Stand 2001).<br />

Sie entsprechen einer Bevölkerung von ungefähr 9,5 Millionen Einwohnern und liegen ausschließlich<br />

auf dem Gebiet der neuen Bundesländer. Die Kommunen werden durch 4 Fernwasserversorger<br />

sowie 81 lokale Aufgabenträger der öffentlichen Wasserversorgung mit<br />

Trinkwasser versorgt und im Modell in 153 Wasserversorgungsnetzen abgebildet, wobei am<br />

größten Netz 190 Kommunen angeschlossen sind. Als Entnahmepunkte dienen 24 Wasserge-<br />

Kapitel 2 – Seite 274


2.9 Szenariobasierte Simulation des Bedarfs an Oberflächenwasser der öffentlichen Wasserversorgung<br />

im <strong>Elbe</strong>gebiet (Ansmann)<br />

winnungsanlagen mit größtenteils Talsperren- aber auch Flusswasser. Hinzu kommen 45 Anlagen<br />

zur Gewinnung von angereichertem Grundwasser und Uferfiltrat, wobei der Oberflächenwasseranteil<br />

zwischen 10 und 95% schwankt. Wasserverluste und Wasserwerkseigenverbrauch<br />

liegen bei den lokalen Versorgern bei durchschnittlich knapp 19% (Min. 4,4%,<br />

Max. 37,5%). Bei den Fernwasserversorgern fallen sie erwartungsgemäß mit durchschnittlich<br />

3,9% (Min. 2%, Max. 5,3%) deutlich geringer aus. Von den im Modell NETZSTRUKTUR<br />

erfassten technischen Veränderungen ist die Inbetriebnahme der Talsperre Leibis-Lichte in<br />

Thüringen ab 2009 die mit Abstand bedeutendste.<br />

Der kommunale Wasserbedarf im Jahr 2001 entspricht in den 1140 Kommunen gemäß den<br />

Wasserstatistiken des Statistischen Bundesamtes einem durchschnittlichen täglichen Pro-Kopf<br />

Verbrauch von 137 Litern, von denen 103 Liter auf die Verbrauchergruppe der Privathaushalte<br />

(inkl. Kleingewerbe) entfallen. Für die zukünftige Entwicklung des Wasserbedarfs weisen<br />

die einflussstarken Modelldeterminanten demographischer Wandel sowie die Entwicklung<br />

beim Wasserpreis und bei Haushaltstechnologien darauf hin, dass sich der in Abbildung 1<br />

dargestellte Rückgang des kommunalen Wasserbedarfs und den entsprechenden Fördermengen<br />

von 1990 bis 2004 für den Zeitraum bis 2020 weiter fortsetzen wird. So ist in den 1140<br />

Kommunen gemäß der makroökonomischen Modellierung des Modells REGE (DIW) ein Bevölkerungsrückgang<br />

in A1 um 1,4% und in B2 um 2,2% zu verzeichnen. Der damit einhergehende<br />

Bedarfsrückgang wird nur anteilig durch die Entwicklung bei den Haushalts- und Gebäudestrukturen<br />

kompensiert. Der Wasserpreis steigt real bis 2020 in den Entwicklungsrahmen<br />

A1 + , A1 0 , B2 + , B2 0 um durchschnittlich respektive 24, 21, 23 sowie 16%. Die zukünftige<br />

Entwicklung der erhobenen kommunal- und haushaltstypspezifischen Wasserpreise ist ähnlich<br />

wie die aktuellen Wasserpreise in den Versorgungsgebieten sehr heterogen. In einigen<br />

Kommunen sinken die Wasserpreise um bis zu 11%, wohingegen in anderen Fällen ein Preisanstieg<br />

von maximal 71% zu erwarten ist. Schließlich ist ein weiterer wesentlicher Bedarfsrückgang<br />

durch die Entwicklung und Diffusion neuer Wasserspartechnologien sowie durch<br />

die Aufbereitung und Nutzung von Regen- und Grauwasser als alternative Wasserquellen begründet,<br />

der sich in den Inputdaten des Modells WASSERINFRASTRUKTUR verstärkt in<br />

A1 + und B2 + abzeichnet. Im Ergebnis sinkt der kommunale durchschnittliche Wasserbedarf<br />

bis 2020 im Entwicklungsrahmen B2 0 um 8% auf ungefähr 126 Liter pro Kopf und Tag. Im<br />

Entwicklungsrahmen A1 + fällt er mit einem Pro-Kopf Bedarf von knapp 112 Litern (-18%)<br />

am geringsten aus. Der durchschnittliche Pro-Kopf Bedarf in den Entwicklungsrahmen A1 0<br />

und B2 + liegt mit 117 Litern (-15%) sowie 114 Litern (-17%) mengenmäßig im Mittelfeld.<br />

Die zukünftige Entwicklung der kommunalen Wasserbedarfswerte ergibt unter den 1140<br />

Kommunen ein recht heterogenes Bild. Während bei einigen Kommunen die Wasserbedarfsmengen<br />

um bis zu 60% sinken, weisen andere Kommunen eine Steigerung von maximal 18%<br />

auf. Im Gesamtergebnis sind die resultierenden Wasserfördermengen für alle vier Entwicklungsrahmen<br />

rückläufig. Übereinstimmend mit den Bedarfsmengen auf kommunaler Ebene<br />

sinkt im Entwicklungsrahmen A1 + die Wasserfördermenge am deutlichsten (-20%), gefolgt<br />

von den Entwicklungsrahmen B2 + (-19%), A1 0 (-16%) sowie B2 0 (-10%). In Abbildung 5 ist<br />

die zukünftige Entwicklung der Fördermengen für die vier Entwicklungsrahmen unter Klimaeinfluss<br />

dargestellt. Die Kurvenverläufe verdeutlichen, dass A1 + STAR T2 und B2 0 STAR T2<br />

den Ergebnisraum der vier Entwicklungsrahmen aufspannen.<br />

Kapitel 2 – Seite 275


2.9 Szenariobasierte Simulation des Bedarfs an Oberflächenwasser der öffentlichen Wasserversorgung<br />

im <strong>Elbe</strong>gebiet (Ansmann)<br />

Abb. 5: Szenariobasierte Fördermengenentwicklung bis 2020.<br />

Während sich für B2 0 STAR T2 ein Entnahmerückgang bis 2020 um ungefähr 37 Millionen<br />

m³ ergibt, ist der entsprechende Wert für A1 + STAR T2 mit minus 75 Millionen m³ doppelt so<br />

hoch. Die zukünftige Entwicklung fällt für einzelne Wasserversorgungsgebiete und ihre Entnahmepunkte<br />

sehr unterschiedlich aus.<br />

Abb. 6: Trendverlauf 1990 bis 2003 und zukünftige Fördermengenentwicklung in A1 + Star T2 und B2 0 Star T2<br />

Während sich bis 2020 für ausgewählte Wasserversorger in Sachsen und Thüringen ein Bedarfsrückgang<br />

von 40% und mehr einstellt, werden für mehrere Versorger in Brandenburg<br />

steigende Bedarfswerte simuliert. Werden die Modellergebnisse in den Kontext der Nachwendezeit<br />

gestellt, ergibt sich das in Abbildung 6 gezeigte Bild. In der Abbildung wird in<br />

normierter Form der bisherige Trendverlauf der Entnahmemengen der öffentlichen Wasserversorgung<br />

von 1990 bis 2003 für das Bundesgebiet sowie für die alten und neuen Bundesländer<br />

dargestellt. Der Trendverlauf der neuen Bundesländer ist um die mit dem Modell<br />

HAUSHALT simulierte zukünftige Fördermengenentwicklung bis 2020 verlängert. Aus<br />

Kapitel 2 – Seite 276


2.9 Szenariobasierte Simulation des Bedarfs an Oberflächenwasser der öffentlichen Wasserversorgung<br />

im <strong>Elbe</strong>gebiet (Ansmann)<br />

Gründen der Übersichtlichkeit werden mit den Entwicklungsrahmen A1 + Star T2 und B2 0<br />

Star T2 nur die obere und untere Variante abgebildet. Die Kurvenverläufe bestätigen den bereits<br />

auf Grund der szenariobasierten Entwicklung der bedeutendsten Modelldeterminanten<br />

erwarteten Verlauf. Sie zeigen bis 2020 einen Bedarfsrückgang, der allerdings im Vergleich<br />

zum drastischen Förderrückgang der 90er Jahre moderat ausfällt.<br />

2.9.4 Diskussion der Modellergebnisse<br />

Die Simulationsergebnisse des Modells HAUSHALT werden im Folgenden mit weiteren in<br />

Deutschland durchgeführten Wassernachfragestudien verglichen und eingeordnet. Dabei sind<br />

auf Grund der unterschiedlichen Untersuchungsräume dieser Studien weniger die absoluten<br />

Zahlen als vielmehr die vorgegebenen Trends von Interesse. Im Anschluss wird ein Ausblick<br />

auf zwei wesentliche Modellerweiterungen gegeben, mit deren Hilfe eine weitere Verbesserung<br />

der Validität der Simulationsergebnisse verfolgt wird.<br />

In den Wassernachfragestudien der 70er bis Anfang der 80er Jahre wird von einem ansteigenden<br />

Wasserbedarf in Deutschland ausgegangen (vgl. Abbildung 7). So wird in der Wasserbedarfsprognose<br />

der TU Berlin (siehe Winje, Igelhaut 1982) der einwohnerbezogene Trinkwasserbedarf<br />

der Privathaushalte inklusive des Kleingewerbes im Jahr 2000 auf 220 Liter pro Tag<br />

geschätzt, Tendenz steigend. In den nachfolgenden Arbeiten ist bereits ein Wandel zu konstatieren,<br />

der als ein Übergang von relativ einfachen annahmebasierten Modellen mit einem<br />

Hang zur Überschätzung des Bedarfes hin zu einer realistischeren Berücksichtigung von<br />

strukturellem und technischem Wandel und einschließlich der Integration von nachfrageorientierten<br />

Maßnahmen charakterisiert werden kann. Die Studien des Battelle Instituts passen sich<br />

sukzessive dem sich tatsächlich abschwächenden Bedarfsanstieg an. In ihrer Studie von 1981<br />

(Rohmeier, Steigerwald) wird berücksichtigt, dass die zunehmende Bereitschaft der Bevölkerung<br />

Wasser zu sparen in Verbindung mit weiteren Einflussfaktoren wie der Diffusion Wasser<br />

sparender Haushaltstechnologien den steigenden häuslichen Wasserbedarf der Privathaushalte<br />

abschwächt. Anfang der 90er kommt es schließlich bei der Wasserbedarfsentwicklung zu einer<br />

Trendumkehr und in den folgenden Jahren zu stetigem Bedarfsrückgang. Möhle und Masannek<br />

(1993) sowie Masannek (1996) prognostizieren einen gradiellen Bedarfsrückgang<br />

bzw. in der „oberen Variante“ für die Stadt Hamburg einen moderaten Anstieg. In einer angepassten<br />

Wasserbedarfsprognose für das Versorgungsgebiet der Hamburger Wasserwerke<br />

wird im Zeitraum von 2005 bis 2030 ein häuslicher Bedarfsrückgang um rund 7% simuliert.<br />

(Kluge et al. 2007) Die IKSE (2005) schätzt in der wirtschaftlichen Analyse der Wassernutzung<br />

im <strong>Elbe</strong>gebiet die zukünftige spezifische Wasserbedarfsentwicklung bis 2015 in drei Varianten.<br />

Die erste Variante geht von einer Stagnation des Trinkwasserverbrauchs auf dem<br />

Verbrauchsniveau des Jahres 2001 mit 127 Litern pro Einwohner und Tag aus. Die zweite Variante<br />

unterstellt für das Gesamtgebiet der Bundesrepublik Deutschland für das Jahr 2015 das<br />

derzeitige Verbrauchsniveau der neuen Bundesländer mit ca. 93 Litern. Bei diesem Szenario<br />

wird ein extremes Wassersparszenario vorgestellt, das die im vergangenen Jahrzehnt in den<br />

neuen Bundesländern beobachtete Wasserverbrauchsentwicklung auf das Bundesgebiet überträgt.<br />

Die dritte Variante unterstellt für das Bundesgebiet für das Jahr 2015 das derzeitige<br />

Verbrauchsniveau der alten Bundesländer mit rund 136 Litern. Als wahrscheinlichste Variante<br />

wird die Variante 1 herausgestellt. Döll und Vassolo (2004) simulieren in einer weiteren<br />

Studie mit Hilfe des globalen Wassernutzungsmodells WaterGAP in Anlehnung an die IPCC-<br />

Szenarienfamilien A1 und B2 die Wasserbedarfsentwicklung im <strong>Elbe</strong>gebiet. Sie vergleichen<br />

in ihrer Arbeit den Einfluss unterschiedlich stark aggregierter demographischer Inputdaten auf<br />

die Modellergebnisse. Bei der von ihnen bevorzugten Verwendung regionalisierter Modellda-<br />

Kapitel 2 – Seite 277


2.9 Szenariobasierte Simulation des Bedarfs an Oberflächenwasser der öffentlichen Wasserversorgung<br />

im <strong>Elbe</strong>gebiet (Ansmann)<br />

ten ermitteln sie bis 2025 in dem Szenario A1 einen Bedarfsrückgang von -19%, was im Ergebnis<br />

dem Modell HAUSHALT für den Entwicklungsrahmen A1 + entspräche.17 Für das B2<br />

Szenario schätzen sie dagegen einen drastischen Rückgang von -66%.<br />

Abb. 7: Ausgewählte Wassernachfragestudien in Deutschland im Vergleich.<br />

Insgesamt zeigt sich, dass sich der mit dem Modell HAUSHALT simulierte moderate Bedarfsrückgang<br />

in weiteren aktuellen Wassernachfragestudien für Deutschland wiederfindet.<br />

Die Modellvarianten der IKSE (2005) sowie von Döll und Vassolo (2004), die einen extremen<br />

Bedarfsrückgang simulieren, werden vom Autor als wenig plausibel eingestuft. Vielmehr<br />

wird auf Grund der andauernden komplexen sozioökonomischen Schrumpfungsprozesse in<br />

den neuen Ländern sowie der dort gerade in ländlichen Regionen weit verbreiteten Nutzung<br />

alternativer Wasserquellen in allen vier Entwicklungsrahmen bis 2020 von einem stetigen<br />

aber auf Grund des bereits niedrigen Ausgangsniveaus lediglich moderaten Bedarfsrückgang<br />

ausgegangen.<br />

Abschließend werden zwei wesentliche Aspekte der Struktur im Modell HAUSHALT kritisch<br />

hinterfragt, deren Überarbeitung einer weiteren Verbesserung hinsichtlich des Erklärungsgehalts<br />

dienen soll. Das Modell HAUSHALT wird auf weitere Kommunen im <strong>Elbe</strong>gebiet unter<br />

der Annahme übertragen, dass sich die Kommunalstruktur ausschließlich auf den Wassernachfrageanteil<br />

des Kleingewerbes auswirkt, und ein kommunalstruktureller Einfluss auf die<br />

Haushaltswassernachfrage nicht existiert. Bei der Modellübertragung bestätigt sich diese Annahme<br />

nicht, sondern die Grenzen der Modellübertragbarkeit werden deutlich. Das auf einer<br />

17 Allerdings ist auch an dieser Stelle der abweichende Bezugsraum zu berücksichtigen, der im Fall des Modells<br />

HAUSHALT nicht aus dem gesamten deutschen <strong>Elbe</strong>gebiet sondern aus einer Teilmenge von Kommunen in<br />

den neuen Bundesländern besteht.<br />

Kapitel 2 – Seite 278


2.9 Szenariobasierte Simulation des Bedarfs an Oberflächenwasser der öffentlichen Wasserversorgung<br />

im <strong>Elbe</strong>gebiet (Ansmann)<br />

empirischen Datengrundlage der Großstadt Leipzig entwickelte mikrobasierte Mesomodell<br />

liefert für weitere Großstädte wie beispielsweise Dresden, Magdeburg, Halle oder Chemnitz<br />

sehr gute Ergebnisse, wohingegen die Modellgenauigkeit in ländlichen Regionen zum Teil<br />

stark abnimmt. Dementsprechend ist es vorgesehen, den kommunalstrukturellen Einfluss im<br />

Modell zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund wird das Modell HAUSHALT um weitere<br />

kommunalstrukturtypspezifische Wassernachfragemodelle erweitert. Nichtsdestotrotz muss<br />

bei der gewählten Vorgehensweise grundsätzlich von den örtlichen Besonderheiten abstrahiert<br />

werden. Dieses Abstraktionsniveau unterliegt einem gewissen Grad an Inhomogenität. Die im<br />

Einzelfall hineinspielenden örtlichen Besonderheiten werden mit Hilfe des Modells HAUS-<br />

HALT nicht erfasst, so dass auch der einzelfallspezifische Erklärungsgehalt des Modells eingeschränkt<br />

sein mag. In einzelnen bzw. kleinen Beobachtungsräumen nehmen die spezifischen<br />

Unterschiede zu. Sie beruhen auf nicht systematisierbaren Einflüssen. Für eine Vielzahl<br />

von Kommunen bzw. mit zunehmender Größe und Strukturvielfalt der Gemeinden kann dagegen<br />

die Wirksamkeit des „Gesetzes der großen Zahl“ unterstellt werden. Nichtsdestotrotz<br />

wird auch im Einzelfall die Modellanwendung einen fundierten Ausgangspunkt für weiterführende<br />

Analysen darstellen, deren Rückschlüsse gegebenenfalls eine Korrektur oder Ergänzung<br />

bisher erfasster Heterogenität erfordern.<br />

Die zweite geplante Modellerweiterung dient einer verbesserten Modellierung der Wassernachfrage<br />

der gewerblichen und sonstigen Letztverbraucher. In der aktuellen Version des<br />

Modells HAUSHALT wird für diese Verbrauchergruppe ein auf Basis der amtlichen Wasserstatistiken<br />

berechneter konstanter prozentualer Aufschlag auf die Wassernachfrage der Privathaushalte<br />

inklusive des Kleingewerbes gewährt. Da diese Vorgehensweise einen lediglich geringen<br />

Erklärungsgehalt besitzt, ist es vorgesehen für die gewerbliche Wassernachfrage als<br />

die zweitgrößte Verbrauchergruppe der öffentlichen Wasserversorgung (vgl. Abbildung 1) die<br />

Erkenntnisse des ökonometrischen Wassernachfragemodells der industriellen Direktentnehmer<br />

in das Modell HAUSHALT zu integrieren. (siehe Mutafoglu 2008, Kapitel 2.7) Dies erlaubt<br />

eine selbständige Darstellung der gewerblichen Wassernachfrage innerhalb der öffentlichen<br />

Wasserversorgung.<br />

2.9.5 Referenzen<br />

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In: http://www.bgw.de/files/pdf/0.1_resource_2005_4_13_5.pdf .<br />

Kapitel 2 – Seite 279


2.9 Szenariobasierte Simulation des Bedarfs an Oberflächenwasser der öffentlichen Wasserversorgung<br />

im <strong>Elbe</strong>gebiet (Ansmann)<br />

Bundesverband der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft e.V. (2006) Wasserverluste in Deutschland europaweit<br />

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Wasserkreislauf im <strong>Elbe</strong>gebiet - Risiken und Optionen. Schlussbericht zum BMBF-Vorhaben <strong>GLOWA</strong>-<strong>Elbe</strong> II,<br />

Kapitel 3.1.<br />

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Kapitel 2 – Seite 280


2.9 Szenariobasierte Simulation des Bedarfs an Oberflächenwasser der öffentlichen Wasserversorgung<br />

im <strong>Elbe</strong>gebiet (Ansmann)<br />

Winje D., Igelhaut I. (1982) Der Wasserbedarf in der Bundesrepublik Deutschland bis zum Jahr 2010, Technische<br />

Universität Berlin, Forschungsbericht 102 02 103/02 im Auftrag des Umweltbundesamtes.<br />

Kapitel 2 – Seite 281


2.10 Technische Trends der industriellen Wassernutzung (Hillenbrand et al.)<br />

2.10 Technische Trends der industriellen Wassernutzung<br />

Thomas Hillenbrand, Christian Sartorius und Rainer Walz<br />

Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI)<br />

Breslauer Str. 48, 76139 Karlsruhe<br />

* Tel.: +49 (0)721 6809 119<br />

* Email: thomas.hillenbrand@isi.fraunhofer.de<br />

2.10.1 Einleitung<br />

Die Wasserwirtschaft in Deutschland sieht sich mittelfristig neuen Herausforderungen gegenübergestellt,<br />

die ihre Ursachen in unterschiedlichen, derzeit sich zumindest bereits teilweise<br />

abzeichnenden Entwicklungen haben. Zu nennen ist hier u. a. der Klimawandel mit vielfältigen<br />

Auswirkungen auf wasserwirtschaftlich relevante Prozesse (Niederschlagsmengen, Niederschlagsverteilung,<br />

Grundwasserneubildung, etc.), der demographische Wandel sowie der<br />

technische Fortschritt. Dieser eröffnet zum einen neue Möglichkeiten bei der Abwasserentsorgung,<br />

zum anderen stellt er effizientere Techniken bei der Wassernutzung zur Verfügung<br />

mit der Konsequenz eines weiteren Rückgangs des spezifischen Wasserverbrauchs sowohl<br />

im häuslichen als auch im industriellen Bereich. Im Rahmen des vom Bundesministerium<br />

für Bildung und Forschung geförderten Verbundforschungsvorhabens "Globaler Wandel<br />

des Wasserkreislaufs im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet" (<strong>GLOWA</strong> <strong>Elbe</strong>) werden vor diesem Hintergrund<br />

integrierte Strategien für eine vorausschauende und nachhaltige Bewirtschaftung von Wasser<br />

und Gewässern entwickelt (s. http://www.glowa-elbe.de/). Zeithorizont der Untersuchungen<br />

ist der Zeitraum bis etwa 2020. Ziel der Analysen ist es, die wasserrelevanten Technikentwicklungen,<br />

deren Verbreitung und die damit verbundenen Wirkungen zu analysieren.<br />

Für den Bereich der industriellen Wassernutzung werden im Folgenden die hinsichtlich des<br />

Wassereinsatzes besonders wichtigen Branchen in Deutschland identifiziert und die Entwicklung<br />

der Wassernutzung in diesen Branchen seit 1991 analysiert. Ergänzend werden die technischen<br />

Entwicklungslinien beschrieben sowie anstehende Veränderungen bei den für die Diffusion<br />

neuer wasserrelevanter Techniken wichtigen Randbedingungen untersucht.<br />

2.10.2 Industrieller Wassereinsatz und Abwassereinleitung<br />

in Deutschland und im <strong>Elbe</strong>gebiet<br />

Die mit Abstand bedeutendsten industriellen Wassernutzer mit einem Anteil von 59,6% im<br />

Jahre 2004 sind die Wärmekraftwerke für die öffentliche Versorgung, die das Wasser ganz<br />

überwiegend als Kühlwasser nutzen. Auf diesen Anteil wird nachfolgend nicht näher eingegangen,<br />

da der Bereich der Kraftwerke in einem separaten Arbeitspaket untersucht wird.<br />

Auch in der Chemischen Industrie und bei der Metallerzeugung spielt die Nutzung von<br />

Kühlwasser eine wichtige Rolle, so dass von der gesamten in Deutschland eingesetzten Wassermenge<br />

(incl. nichtindustriellem Einsatz) über zwei Drittel als Kühlwasser Verwendung<br />

finden.<br />

Kapitel 2 – Seite 282


2.10 Technische Trends der industriellen Wassernutzung (Hillenbrand et al.)<br />

In Abbildung 1 ist die Entwicklung von Wassereinsatz und Abwassseraufkomen in der Industrie<br />

seit 1991 dargestellt. Die Differenz zwischen dem Wassereinsatz und dem abgeleiteten<br />

Abwasser ergibt sich insbesondere durch Wasserverluste, Verdunstung, Trockung von Produkten,<br />

Wasser in Produkten (z.B. Ernährungsindustrie) und Wasser in Abfallschlämmen. Die<br />

große Differenz zwischen dem insgesamt eingeleiteten und dem behandelten Abwasser wird<br />

ganz überwiegend durch die Nutzung von Kühlwasser bestimmt. Daneben führt die Statistik<br />

produktspezifisches Abwasser und ungenutztes Wasser auf.Abbildung 1 verdeutlicht, dass es<br />

zwischen 1991 und 2004 zu einem Rückgang des Wasseraufkommens um 28% kam. Bei der<br />

behandelten Abwassermenge lag der Rückgang sogar bei 47%. Allerdings ist auch festzustellen,<br />

dass zwischen den letzten beiden Erhebungsjahren 2001 und 2004 der Rückgang nur<br />

noch sehr gering war. Ob zukünftig mit einem weiteren Rückgang des Wassereinsatzes zu<br />

rechnen ist, wird von unterschiedlichen Aspekten beeinflusst wie z.B. der wirtschaftlichen<br />

Entwicklung besonders in den wasserintensiven Branchen, der technischen Entwicklung oder<br />

auch möglichen strukturellen Veränderungen.<br />

1000 m³<br />

14.000.000<br />

12.000.000<br />

10.000.000<br />

8.000.000<br />

6.000.000<br />

4.000.000<br />

2.000.000<br />

0<br />

1991 1995 1998 2001 2004<br />

Kapitel 2 – Seite 283<br />

Wasseraufkommen insgesamt<br />

Abwassereinleitung insgesamt<br />

behandeltes Abwasser<br />

Industrie: Bergbau, Gewinnung von Steinen u. Erden, Verarbeitendes Gewerbe;<br />

Datenquelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 19, Reihe 2.2<br />

Abbildung 1: Wassereinsatz und Abwasseraufkommen der Industrie in Deutschland seit 1991<br />

(D:\doku\321028 - Glowa\Industrie\Vonderach_StaBu-Auswertung bis 2004\Trend industrieller Wasserverbrauch<br />

hi neu.xls)<br />

Um die Entwicklung in der Vergangenheit und zu erwartende Trends analysieren zu können,<br />

ist es angezeigt, analog zur Vorgehensweise bei der Analyse der Entwicklung des Energiebedarfs<br />

(vgl. z.B. Eichhammer et al., 2006) die Entwicklung des Wassereinsatzes auf der Ebene<br />

der wichtigsten wasserrelevanten Branchen der Verarbeitenden Industrie zu untersuchen. In<br />

Abbildung 2 sind die Daten für die Branchen für Deutschland insgesamt sowie in Abbildung<br />

3 für das <strong>Elbe</strong>gebiet dargestellt. Die Struktur im <strong>Elbe</strong>gebiet entspricht danach weitgehend der<br />

des Wassereinsatzes in Deutschland insgesamt. Folgende Branchen besitzen danach eine hohe<br />

Relevanz:<br />

• Chemische Industrie<br />

• Metallerzeugung/-bearbeitung,<br />

• Papierindustrie,<br />

• Ernährungsindustrie,<br />

• Mineralölverarbeitung.


2.10 Technische Trends der industriellen Wassernutzung (Hillenbrand et al.)<br />

Aufgrund einzelner, besonders relevanter Wassernutzer werden zusätzlich die Branchen "Verarbeitung<br />

von Steine/Erden, Glas, Keramik" sowie die Textilindustrie mit bearbeitet. Der Bereich<br />

Bergbau und Gewinnung von Steine und Erden wurde für die weiteren Untersuchungen<br />

dagegen ausgeklammert, da das Wasseraufkommen dieser Branche überwiegend vom ungenutzt<br />

abgeleiteten Grubenwasser bestimmt wird, das nicht für die Produktion benötigt wird.18<br />

18 Im Rahmen des <strong>GLOWA</strong>-<strong>Elbe</strong>-Projekts wird dieser Bereich ebenso wie die Wärmekraftwerke für die öffentliche<br />

Versorgung separat bearbeitet.<br />

Kapitel 2 – Seite 284


2.10 Technische Trends der industriellen Wassernutzung (Hillenbrand et al.)<br />

Mineralölverarb.<br />

2,4%<br />

Ernährungsgewerbe<br />

4,9%<br />

Verarb. Steine u. Erden,<br />

Glas, Keramik<br />

1,7%<br />

Papiergewerbe<br />

6,3%<br />

Metallerzeugung/bearbeitung,<br />

9,2%<br />

sonstige<br />

4,6%<br />

Bergbau u. Gewinnung<br />

v. Steinen u. Erden<br />

26,8%<br />

Chemische Industrie<br />

44,0%<br />

Industrie: Bergbau, Gewinnung von Steinen u. Erden, Verarbeitendes Gewerbe;<br />

Datenquelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 19, Reihe 2.2 (2006)<br />

Mineralölverarb.<br />

4,0%<br />

Bergbau u. Gewinnung<br />

v. Steinen u. Erden<br />

4,7%<br />

Metallerzeugung/bearbeitung,<br />

8,6%<br />

Ernährungsgewerbe<br />

11,5%<br />

Papiergewerbe<br />

25,0%<br />

sonstige<br />

5,3%<br />

Chemische Industrie<br />

41,0%<br />

Kapitel 2 – Seite 285<br />

Wassereinsatz in den<br />

verschiedenen<br />

Industriebranchen<br />

2004<br />

behandelte Abwassermengen<br />

in den<br />

verschiedenen<br />

Industriebranchen<br />

2004<br />

Industrie: Bergbau, Gewinnung von Steinen u. Erden, Verarbeitendes Gewerbe;<br />

Datenquelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 19, Reihe 2.2 (2006)<br />

Abbildung 2: Wassereinsatz und behandelte Abwassermengen der wichtigsten Industriebranchen in<br />

Deutschland in 2004


2.10 Technische Trends der industriellen Wassernutzung (Hillenbrand et al.)<br />

Metallerzeugung/bearbeitung,<br />

9,1%<br />

Mineralölverarb.<br />

1,0%<br />

Ernährungsgewerbe<br />

2,9%<br />

Verarb. Steine u. Erden,<br />

Glas, Keramik<br />

1,1%<br />

sonstige<br />

3,1%<br />

Papiergewerbe<br />

5,3%<br />

Bergbau u. Gewinnung v.<br />

Steinen u. Erden<br />

30,4%<br />

Kapitel 2 – Seite 286<br />

Chemische Industrie<br />

47,0%<br />

Industrie: Bergbau, Gewinnung von Steinen u. Erden, Verarbeitendes Gewerbe;<br />

Datenquelle: Sonderauswertung Statistisches Bundesamt<br />

Metallerzeugung/bearbeitung,<br />

8,4%<br />

Ernährungsgewerbe<br />

6,6%<br />

Mineralölverarb.<br />

2,6%<br />

Bergbau u. Gewinnung<br />

v. Steinen u. Erden<br />

3,0%<br />

Papiergewerbe<br />

20,9%<br />

sonstige<br />

4,8%<br />

Chemische Industrie<br />

53,6%<br />

Industrie: Bergbau, Gewinnung von Steinen u. Erden, Verarbeitendes Gewerbe;<br />

Datenquelle: Sonderauswertung Statistisches Bundesamt<br />

Wassereinsatz in<br />

verschiedenen<br />

Industriebranchen<br />

im <strong>Elbe</strong>gebiet<br />

2001<br />

behandelte<br />

Abwassermengen in<br />

verschiedenen<br />

Industriebranchen<br />

im <strong>Elbe</strong>gebiet<br />

2001<br />

Abbildung 3: Wassereinsatz und behandelte Abwassermengen der wichtigsten Industriebranchen im <strong>Elbe</strong>gebiet<br />

in 2001


2.10 Technische Trends der industriellen Wassernutzung (Hillenbrand et al.)<br />

Hinsichtlich der über das Abwasser industrieller Direkteinleiter in die Oberflächengewässer<br />

eingeleiteten Stofffrachten liegen zum einen Daten der IKSE für das Jahr 2002 vor (sieheTabelle<br />

1) sowie die Ergebnisse des Europäischen Emissionsinventars (siehe Tabelle 2). Trotz<br />

der bestehenden Unterschiede zwischen den Erhebungen zeigt sich die herausgehobene Bedeutung<br />

der Chemischen Industrie hinsichtlich der durch die Industrie insgesamt verursachten,<br />

eingeleiteten Nährstofffrachten. Die insgesamt aus diesem Bereich verursachten Einträge<br />

spielen allerdings im Vergleich zu den Einträgen aus der Landwirtschaft und kommunalen<br />

Kläranlagen nur eine untergeordnete Rolle.<br />

Tabelle 1:<br />

Jahr 2002 in t/a<br />

Nährstoffeinträge industrieller Direkteinleiter im <strong>Elbe</strong>gebiet nach Angaben der IKSE für das<br />

N ges P ges<br />

Chemische und pharmazeutische Industrie 631,1 45,7<br />

Zellstoff- und Papierindustrie 4,1 4,0<br />

Metallherstellung, Metallbe- und –verarbeitung 1,3 0,4<br />

Bergbau und Kohleverarbeitung 49,0 1,1<br />

Summe: 685,5 51,2<br />

Tabelle 2: Nährstoffeinträge industrieller Direkteinleiter im <strong>Elbe</strong>gebiet nach Auswertungen des Europäischen<br />

Emissionsinventars für das Jahr 2004 in t/a<br />

N ges P ges<br />

Chemische Industrie 454,4 9,8<br />

Sodaherstellung (Anhang 30) 322,0<br />

Erdölverarbeitung 59,9<br />

Summe: 836,3 9,8<br />

2.10.3 Vergangenheitsentwicklung des Wassereinsatzes in<br />

wichtigen Branchen der Verarbeitenden Industrie<br />

Für die branchenspezifische Analyse des Wassereinsatzes wird analog zu entsprechenden Untersuchungen<br />

aus dem Energiebereich (vgl. Eichhammer et al., 2006) davon ausgegangen,<br />

dass der Wassereinsatz bestimmt wird über die wirtschaftliche Aktivität der Branche sowie<br />

einen Wasserintensitätsfaktor, der insbesondere die technische Entwicklung abbildet (vgl. Statistisches<br />

Bundesamt, 2006), in dem aber auch strukturelle Veränderungen enthalten sind. Alle<br />

drei Einflussgrößen können branchenspezifisch sehr unterschiedlich sein, so dass die Entwicklung<br />

für die wasserintensiven Branchen jeweils separat analysiert werden muss. Damit<br />

ergibt sich folgender Zusammenhang:<br />

Kapitel 2 – Seite 287


2.10 Technische Trends der industriellen Wassernutzung (Hillenbrand et al.)<br />

Wi = ci * Ai<br />

mit Wi : Wassereinsatz in den Branchen i<br />

ci : spezifischer Wasserintensitätsfaktor<br />

Ai : wirtschaftliche Aktivität der Branche<br />

Für die Vergangenheit kann mit vorliegenden Daten zum Wassereinsatz und zur Wirtschaftsaktivität<br />

der relevanten Branchen die Entwicklung des spezifischen Wasserintensitätsfaktors<br />

bestimmt und mit dessen Hilfe die künftige Entwicklung abgeschätzt werden. Dieser Ansatz<br />

ermöglicht es bei Szenarienbetrachtungen, zwischen dem zukünftigen Einfluss der wirtschaftlichen<br />

Aktivität und der technischen Entwicklung/strukturellen Veränderung zu unterscheiden.<br />

Als Bezugsgröße für die wirtschaftliche Aktivität wurde für Branchen mit einer großen<br />

Palette sehr unterschiedlicher Produkte die preisbereinigte Bruttowertschöpfung der Branche<br />

herangezogen (s. Statistisches Bundesamt, 2006). Bei der Papierindustrie und der Mineralölverarbeitung<br />

wurde wegen der kleineren bzw. einheitlicheren Produktpalette die näherliegende<br />

und gut verfügbare Produktionsmenge an Papier und Pappe bzw. die verarbeitete Rohölmenge<br />

als Bezugsgröße für die wirtschaftliche Aktivität gewählt.<br />

Erhebungen des Statistisches Bundesamtes für den Wasserbereich werden alle drei Jahre erstellt.<br />

Für die Analyse der Vergangenheitsentwicklung seit der Wiedervereinigung stehen Daten<br />

für die Jahre 1991, 1995, 1998, 2001 und 2004 zur Verfügung. Daten für das Jahr 2007<br />

werden voraussichtlich erst 2009 veröffentlich werden. Für die einzelnen Branchen ergeben<br />

sich folgende Ergebnisse:<br />

Die Ergebnisse für den Bereich der Chemischen Industrie (s. Abbildung 4) zeigen einen deutlichen<br />

Rückgang des Frischwassereinsatzes insbesondere zwischen 1991 und 1995. Für den<br />

mit der Bruttowertschöpfung ermittelten spezifischen Wasserintensitätsfaktor ergibt sich ein<br />

sehr gleichmäßiger Rückgang im gesamten Zeitraum von 1991 bis 2004.<br />

Bei der Metallerzeugung/-verarbeitung (s. Abbildung 5) zeigt sich eine deutliche Minderung<br />

sowohl des Frischwasserbedarfs als auch des Intensitätsfaktors bis 2001, danach ist dagegen<br />

nur noch ein sehr geringer Rückgang zu beobachten. Auch hier wurde der Wasserintensitätsfaktor<br />

mit Hilfe der Bruttowertschöpfung ermittelt.<br />

In der Papierbranche (Abbildung 6) sank der Frischwassereinsatz mehr oder weniger kontinuierlich<br />

zwischen 1991 und 2001 und war dann 2004 praktisch unverändert. Aufgrund des vergleichsweise<br />

einheitlichen und gut erfassten Produkts (Papier und Pappe) wird als Bezugsgröße<br />

für die wirtschaftliche Aktivität die produzierte Papier- und Pappemenge gewählt. Der<br />

Intensitätsfaktor kann für den gesamten Zeitraum von 1991 bis 2004 als konstant fallend angesetzt<br />

werden.<br />

In der Ernährungsindustrie (Abbildung 7) nahm der Frischwassereinsatz bis 1998 ab und blieb<br />

danach praktisch konstant. Mit Hilfe der Bruttowertschöpfung errechnet sich daraus ein vergleichsweise<br />

gering abnehmender Wasserintensitätsfaktor.<br />

In der Branche "Kokerei, Mineralölverarbeitung, Herstellung und Verarbeitung von Spalt-<br />

und Brutstoffen" wird der Wassereinsatz zu über 95% durch den Bereich Mineralölverarbeitung<br />

bestimmt, der hinsichtlich seiner wirtschaftlichen Aktivität sehr gut über die verarbeitete<br />

Rohölmenge erfasst werden kann. Mit dieser Bezugsgröße ergibt sich für den Wasserintensitätsfaktor<br />

bis 1998 ein starker und danach bis 2004 ein etwas schwächerer Rückgang (Abbildung<br />

8).<br />

Kapitel 2 – Seite 288


2.10 Technische Trends der industriellen Wassernutzung (Hillenbrand et al.)<br />

Für die Branche Steine/Erden, Glas, Keramik stehen die erforderlichen Zahlen erst ab 1995<br />

zur Verfügung (s. Abbildung 9). Die Daten zeigen zwar einen deutlichen Rückgang des Wasserbedarfs,<br />

dieser ging jedoch einher mit einem deutlichen Rückgang der Bruttowertschöpfung,<br />

d. h. der Wasserintensitätsfaktor hat sich nur geringfügig verändert.<br />

Starke Veränderungen zeigt Abbildung 10 für die Textilindustrie: seit 1991 hat sich hier ein<br />

drastischer Rückgang des Wasserbedarfs ergeben, allerdings auch ein teilweise noch deutlicherer<br />

Rückgang der Wertschöpfung, die Zahl der Betriebe ist seit 1995 um 43% zurückgegangen,<br />

d.h. es gab sehr große Veränderungen in der Branche. Diese führten auch zu einer<br />

deutlichen Veränderung der Produktionsstruktur.<br />

eingesetztes Frischwasser<br />

[Mio m³]<br />

5.000<br />

4.000<br />

3.000<br />

2.000<br />

1.000<br />

0<br />

Chemische Industrie<br />

1990 1995 2000 2005<br />

Kapitel 2 – Seite 289<br />

eingesetztes Frischwasser<br />

Wasserintensitätsfaktor 250<br />

Abbildung 4: Wassereinsatz und Wasserintensitätsfaktor der Chemischen Industrie seit 1991<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50<br />

0<br />

spez. Wasserintensitätsfaktor<br />

[m³/1000 €]


2.10 Technische Trends der industriellen Wassernutzung (Hillenbrand et al.)<br />

eingesetztes Frischwasser<br />

[Mio m³]<br />

1.600<br />

1.400<br />

1.200<br />

1.000<br />

800<br />

600<br />

400<br />

200<br />

0<br />

Metallerzeugung/-bearbeitung<br />

1990 1995 2000 2005<br />

Kapitel 2 – Seite 290<br />

eingesetztes Frischwasser 40<br />

Wasserintensitätsfaktor 35<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

spez. Wasserintensitätsfaktor<br />

[m³/1000 €]<br />

Abbildung 5: Wassereinsatz und Wasserintensitätsfaktor der Metallerzeugung und -bearbeitung seit 1991<br />

eingesetztes Frischwasser<br />

[Mio m³]<br />

800<br />

700<br />

600<br />

500<br />

400<br />

300<br />

200<br />

100<br />

0<br />

Papierindustrie<br />

1990 1995 2000 2005<br />

Abbildung 6: Wassereinsatz und Wasserintensitätsfaktor der Papierindustrie seit 1991<br />

eingesetztes Frischwasser<br />

Wasserintensitätsfaktor 80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

spez. Wasserintensitätsfaktor<br />

[m³/t Papier]


2.10 Technische Trends der industriellen Wassernutzung (Hillenbrand et al.)<br />

eingesetztes Frischwasser<br />

[Mio m³]<br />

600<br />

500<br />

400<br />

300<br />

200<br />

100<br />

0<br />

Ernährungsindustrie<br />

1990 1995 2000 2005<br />

Kapitel 2 – Seite 291<br />

eingesetztes Frischwasser<br />

Wasserintensitätsfaktor 30<br />

Abbildung 7 : Wassereinsatz und Wasserintensitätsfaktor der Ernährungsindustrie seit 1991<br />

eingesetztes Frischwasser<br />

[Mio m³]<br />

400<br />

350<br />

300<br />

250<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50<br />

0<br />

Mineralölverarbeitung<br />

1990 1995 2000 2005<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

Wasserintensitätsfaktor 7<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

spez. Wasserintensitätsfaktor<br />

[m³/1000 €]<br />

8<br />

eingesetztes Frischwasser<br />

Abbildung 8: Wassereinsatz und Wasserintensitätsfaktor der Mineralölverarbeitung seit 1991<br />

spez. Wasserintensitätsfaktor<br />

[m³/kt Rohöl]


2.10 Technische Trends der industriellen Wassernutzung (Hillenbrand et al.)<br />

eingesetztes Frischwasser<br />

[Mio m³]<br />

Verarbeitung Steine/Erden, Glas, Keramik<br />

150<br />

125<br />

100<br />

75<br />

50<br />

25<br />

0<br />

1990 1995 2000 2005<br />

Kapitel 2 – Seite 292<br />

eingesetztes Frischwasser 30<br />

Wasserintensitätsfaktor<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

spez. Wasserintensitätsfaktor<br />

[m³/1000 €]<br />

Abbildung 9: Wassereinsatz und Wasserintensitätsfaktor der Branche Verarbeitung Steine/Erden, Glas, Keramik<br />

seit 1991<br />

eingesetztes Frischwasser<br />

[Mio m³]<br />

300<br />

200<br />

100<br />

0<br />

Textilindustrie<br />

1990 1995 2000 2005<br />

Abbildung 10: Wassereinsatz und Wasserintensitätsfaktor der Textilindustrie seit 1991<br />

eingesetztes Frischwasser<br />

Wasserintensitätsfaktor 60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

spez. Wasserintensitätsfaktor<br />

[m³/1000 €]


2.10 Technische Trends der industriellen Wassernutzung (Hillenbrand et al.)<br />

Die Vergangenheitsanalyse verdeutlicht, dass auch nach 1991 der Wassereinsatz in der Verarbeitenden<br />

Industrie weiter zurückgegangen ist, auch wenn bereits in den 70er und 80er Jahren<br />

erhebliche Rückgänge beim Wassereinsatz zu verzeichnen waren (siehe Beispiel der Papierindustrie<br />

in Abbildung 11). Wesentliche Gründe für die Verringerung des Wassereinsatzes<br />

waren die gestiegenen Kosten für die Versorgung mit Wasser und die Abwasserentsorgung.<br />

Ein weiterer Grund für die effizientere Wassernutzung in der Verarbeitenden Industrie ist die<br />

Tatsache, dass sich durch die Verringerung des Wassereinsatzes die Kosten und die technischen<br />

Voraussetzungen (geringere Verdünnung) für die Abwasserbehandlung verbessern und<br />

damit die gestiegenen Anforderungen an die Behandlung leichter erfüllt werden können. Zudem<br />

bieten sich damit gegebenenfalls günstigere Voraussetzungen zur Rückgewinnung von<br />

Wertstoffen aus Prozessabwässern und auch die Schlammmengen aus der Abwasserbehandlung<br />

und damit deren Entsorgungskosten können gegebenenfalls veringert werden.<br />

l/kg<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

46<br />

36<br />

34<br />

24<br />

20<br />

16,8<br />

16,3<br />

14,5<br />

14,3<br />

Kapitel 2 – Seite 293<br />

14,1<br />

13,6<br />

12,3<br />

11,2<br />

1974 1978 1982 1986 1990 1994 1998 2002<br />

Abbildung 11: Rückgang der spezifischen Abwassermenge in l/kg in der deutschen Papierindustrie von 1974<br />

bis 2004 (nach Jung et al., 2006)<br />

Zur Reduzierung des Wassereinsatzes im Verarbeitenden Gewerbe bieten sich je nach<br />

Einsatzzweck unterschiedliche technische Möglichkeiten an. Zu nennen sind vor allem wassersparende<br />

Spültechniken bei den erforderlichen Spül- und Reinigungsschritten in unterschiedlichen<br />

Branchen oder die Modifikation von Produktionsverfahren, die eine Mehrfachnutzung<br />

des Wassers (Abstufung der Qualitätsniveaus) oder eine Kreislaufführung durch<br />

Zwischenschaltung von Behandlungsschritten (Entfernung von Inhaltsstoffen, Absenken der<br />

Temperatur) ermöglichen. Entscheidende Impulse hierfür gingen häufig von technischen<br />

Entwicklungen in anderen Bereichen aus wie z.B. von verbesserter/kostengünstigerer Messtechnik<br />

oder von Fortschritten bei Membran- oder Oxidationsverfahren. Immer häufiger wurden<br />

dabei maßgeschneiderte und kostengünstige Lösungen sowohl als prozessintegrierte als<br />

auch als nachgeschaltete Maßnahmen realisiert, die den spezifischen Bedingungen der Branche,<br />

aber auch einzelner Betriebe angepasst wurden.<br />

Für die Abschätzung der Entwicklung des Wassereinsatzes in der Verarbeitenden Industrie bis<br />

2020 stellt sich die Frage, ob die sich abzeichnenden technischen Entwicklungslinien weitere<br />

Impulse zur Reduzierung des Wassereinsatzes erwarten lassen und welche rechtlichen, ökonomischen<br />

oder sonstigen Randbedingungen die Umsetzung der technischen Möglichkeiten<br />

9,6


2.10 Technische Trends der industriellen Wassernutzung (Hillenbrand et al.)<br />

voraussichtlich unterstützen werden. Die technischen Entwicklungslinien werden im nachfolgenden<br />

Kapitel 4, die Analyse der den Wassereinsatz beeinflussenden Randbedingungen in<br />

Kapitel 5 behandelt.<br />

2.10.4 Technische Entwicklungen mit Auswirkungen auf<br />

den industriellen Wassereinsatz<br />

Zur Abschätzung des Potenzials künftiger technischer Entwicklungen für eine weitere Verringerung<br />

des spezifischen Wassereinsatzes werden unterschiedliche Informationsquellen herangezogen:<br />

• eine Literaturauswertung zur Wasser- und Abwasserthematik generell sowie mit Bezug<br />

zu den ausgewählten Branchen;<br />

• eine ergänzende Auswertung der BVT-Blätter ("Beste Verfügbare Techniken") der relevanten<br />

Branchen, die im Rahmen der Umsetzung der IVU-Richtlinie der EU erarbeitet<br />

wurden;<br />

• Umwelterklärungen von Unternehmen sowie<br />

• eine Analyse von Patentanwendungen für den Bereich Wasser/Abwasser.<br />

Aus diesen Auswertungen ergeben sich auch Hinweise auf förderliche Randbedingungen, die<br />

technische Entwicklungen unterstützen und vorantreiben können.<br />

2.10.4.1 Auswertung der Literatur und BVT-Merkblätter relevanter Branchen<br />

Hintergrund der Merkblätter zur "Besten Verfügbaren Technik" (BVT) für einzelne Industriebranchen<br />

ist die EU-Richtlinie zur integrierten Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung<br />

(IVU-Richtlinie) aus dem Jahr 1996, die auf europäischer Ebene die Genehmigung<br />

besonders umweltrelevanter Industrieanlagen auf der Basis eines medienübergreifenden<br />

Ansatzes regelt. Allgemeines Ziel der Richtlinie ist ein hohes Schutzniveau für die Bereiche<br />

Luft, Wasser und Boden, ohne dass Umweltbelastungen nur verlagert werden. Die Genehmigung<br />

der relevanten Anlagen muss sich dazu auf die "Besten Verfügbaren Techniken"<br />

stützen. Die IVU-Richtlinie war von den Mitgliedsstaaten bis zum Jahr 1999 umzusetzen, für<br />

die Anpassung bestehender Anlagen an die Anforderungen der Richtlinie galt ein Übergangszeitraum<br />

bis zum 30. Oktober 2007.<br />

Zur Beschreibung der BVT werden im Rahmen eines Informationsaustauschs zwischen den<br />

Mitgliedsstaaten und weiteren interessierten Kreisen Merkblätter erstellt, die zwar keine direkte<br />

rechtliche Bindung besitzen, deren Wirkung jedoch darauf beruht, dass die darin enthaltenen<br />

Informationen der Genehmigungsbehörde als Richtschnur dienen sollen. Für Deutschland<br />

ist außerdem vorgesehen, dass die IVU-Richtlinie auch über die Festlegung nationaler<br />

Emissionsgrenzwerte und entsprechende Novellierungen des untergesetzlichen Regelwerks<br />

umgesetzt wird (Kaliske, 2005). Für den Wasserbereich ist dazu eine Neukonzeption der Abwasserverordnung<br />

geplant (s. Kapitel 5.1).<br />

Der Stand der BVT-Merkblätter für die besonders wasserrelevanten Branchen ist in Tabelle 3<br />

aufgeführt. Der Informationsaustausch zur Erarbeitung der BVT-Blätter soll kontinuierlich<br />

weitergeführt werden. Art. 16(2) der IVU-Richtlinie verlangt, dass die Ergebnisse des Informationsaustauschs<br />

alle 3 Jahre veröffentlicht werden. Mit der Überarbeitung der ersten Merk-<br />

Kapitel 2 – Seite 294


2.10 Technische Trends der industriellen Wassernutzung (Hillenbrand et al.)<br />

blätter wurde bereits begonnen. In den BVT-Merkblättern werden für die einzelnen Branchen<br />

jeweils relevante Maßnahmen zur Verbesserung der Wassereffizienz und zur Verringerung<br />

der Abwasserbelastung beschrieben.<br />

Tabelle 3: Überblick über BVT-Merkblätter für die besonders wasserrelevanten Branchen<br />

BVT-Sektor Tatsächlicher<br />

Arbeitsbeginn<br />

Chemie<br />

Anorganische Grundchemikalien<br />

Fertigstellung/<br />

Entwurfsdatum<br />

Kapitel 2 – Seite 295<br />

Bekanntmachung<br />

im EU-<br />

Amtsblatt<br />

Revisionsbeginn<br />

Juli 03 Okt. 06<br />

– feste und andere<br />

Anorganische Grundchemikalien<br />

– Ammoniak, Säuren und Düngemittel<br />

Okt. 01 Dez. 06<br />

Anorganische Spezialchemikalien<br />

Okt. 03 Okt. 06<br />

Chloralkaliindustrie Dez. 97 Dez. 01 16.01.2002 geplant 2008<br />

Organische Feinchemikalien Mai 03 Dez. 05 25.10.2006<br />

Organische Grundchemikalien Apr. 99 Feb. 03 19.02.2003 geplant 2008<br />

Abwasser- und Abgasbehandlung/<br />

-management in der chemischen<br />

Industrie<br />

Metall<br />

Apr. 99 Feb. 03 19.02.2003 geplant 2007<br />

Eisen- und Stahlerzeugung Mai 97 Dez. 01 16.01.2002 2006<br />

Stahlverarbeitung Dez. 97 Dez. 01 16.01.2002 geplant 2007<br />

Nichteisenmetallindustrie Jan. 98 Dez. 01 16.01.2002 geplant 2007<br />

Oberflächenbehandlung von<br />

Metallen (Galvanik)<br />

Papier<br />

Apr. 02 Sept. 05 25.10.2006<br />

Zellstoff- und Papierindustrie<br />

Nahrungsindustrie<br />

Mai 97 Dez. 01 16.01.2002 2007<br />

Nahrungsmittelindustrie<br />

Steine, Erden, Verarbeitung<br />

Jan. 01 Jan. 06 25.10.2006<br />

Glasindustrie Jan. 98 Dez. 01 16.01.2002 2006<br />

Keramische Industrie<br />

Kokerei, Mineralöl<br />

Dez. 03 Dez. 06<br />

Raffinerien<br />

Textil<br />

Jun. 99 Feb. 03 19.02.2003 geplant 2008<br />

Lederindustrie Feb. 98 Feb. 03 19.02.2003 geplant 2007<br />

Textilindustrie<br />

Erzbergbau<br />

Feb. 98 Juli 03 19.07.2003 geplant 2008<br />

Management von Bergbauabfällen<br />

sonstige<br />

Jun. 01 Juli 04<br />

Abfallbehandlungsanlagen Feb. 02 Aug. 05 25.10.2006<br />

Großfeuerungsanlagen Feb. 00 Mai 05 19.10.2006<br />

Industrielle Kühlsysteme Jun. 97 Dez. 01 16.01.2002<br />

Branchenübergreifender Schwerpunkt der Forschungs- und Entwicklungsarbeiten im Bereich<br />

der industriellen Wassernutzung und Abwasseraufbereitung in den letzten Jahren war die Nut-


2.10 Technische Trends der industriellen Wassernutzung (Hillenbrand et al.)<br />

zung und Optimierung der Membrantechnik (vgl. Pinnekamp et al., 2006; DWA, 2005a und<br />

b). Die mit dem Einsatz dieser Technik verbundenen Ziele können allgemein wie folgt beschrieben<br />

werden:<br />

• Aufbereitung von Wasserströmen mit dem Ziel der Wasserkreislaufführung,<br />

• Rückgewinnung von Wasserinhaltsstoffen zur Wiederverwertung,<br />

• Abwasserreinigung und/oder Aufkonzentrierung von Abwasserströmen mit dem Ziel<br />

der Entsorgung.<br />

Die Anwendungsbreite der Membrantechnik ist dabei sehr groß, sie wird sowohl als Einzeltechnik<br />

als auch in Kombination mit anderen Verfahren (biologische, chemisch- physikalische)<br />

eingesetzt (DWA, 2005b; Schönbucher, 2004; Rappich, 2003). Anwendung findet sie in<br />

den unterschiedlichsten Branchen, insbesondere auch in den im Rahmen dieser Untersuchung<br />

als besonders relevant eingestuften Industriezweigen Chemie, Papier, Metallerzeugung/verarbeitung<br />

und Nahrungsmittel. Grundsätzlich wird ein weiterer Rückgang der mit der<br />

Membrantechnik verbundenen Kosten erwartet, insbesondere aufgrund der weiter stark steigenden<br />

Absatzmengen der Membranflächen (Pinnekamp et al., 2006).<br />

Für die besonders relevanten Branchen ergeben sich im Einzelnen die folgenden Ergebnisse:<br />

Chemische Industrie<br />

Unter dem Begriff der "Chemischen Industrie" wird eine Vielzahl unterschiedlicher Sparten<br />

zusammengefasst, die ein sehr breites und sehr unterschiedliches Produkt- und damit auch<br />

Produktionsspektrum umfassen. Zu unterscheiden sind beispielsweise die Bereiche organische<br />

und anorganische Grundstoffe, organische und anorganische Fein- bzw. Spezialchemikalien,<br />

Kunststoffe oder auch Chemiefasern. Die für diesen Bereich wichtigsten rechtlichen<br />

Vorgaben sind in Deutschland über den Anhang 22 der Abwasserverordnung festgelegt, für<br />

einzelne Bereiche gibt es auch spezifische Regelungen. Grundsätzlich wird Wasser benötigt<br />

als Lösemittel, zum Reinigen und Spülen von Produkten und Anlagen, als Rohstoff sowie<br />

zum Wärmetransport. Aufgrund der großen Zahl unterschiedlicher Produkte und Herstellungsverfahren<br />

ist der Wasserbedarf und die eingesetzten Mengen in den verschiedenen Bereichen<br />

jedoch sehr unterschiedlich, entsprechend auch die anfallenden Abwasserqualitäten<br />

und die notwendigen Aufbereitungsschritte.<br />

Die BVT wurden entsprechend in verschiedenen Papieren festgelegt (s. Tabelle 3), zusätzlich<br />

wurde ein übergreifendes Merkblatt zur Abwasser- und Abgasbehandlung und –management<br />

in der chemischen Industrie erarbeitet. Wichtige Ansätze für einen effizienten Einsatz von<br />

Wasser sind danach die integrierte Kreislaufführung von Prozesswasser, die Aufbereitung von<br />

Abwässern zur Wiederverwendung, der Einsatz wassersparender Produktions- und Reinigungsverfahren<br />

(z.B. Gegenstromextraktion, indirekte Kühlsysteme, Vakuumerzeugung im<br />

geschlossenen Kreislauf, abwasserfreie Abgasreinigung) sowie der Einsatz von Niederschlagswasser<br />

als Ersatz für Frischwasser. Zur Abwasserbehandlung wird außerdem auf Möglichkeiten<br />

zur Vermeidung besonders kritischer Inhaltsstoffe sowie auf die für die einzelnen<br />

Schadstoffgruppen besonders geeigneten Behandlungsverfahren hingewiesen, die vor allem<br />

bei der Behandlung von Abwasserteilströmen eingesetzt werden können.<br />

Neuere F&E-Arbeiten im Bereich der Chemischen Industrie beschäftigen sich insbesondere<br />

mit dem Einsatz der Membrantechnik in Kombination mit anderen Verfahrenstechniken zur<br />

weitgehenden (Ab-)Wasserreinigung und Kreislaufschließung. Spänhoff, Hagen (2004) berichten<br />

bspw. vom Einsatz einer Verfahrenskombination zum Abwasserrecycling in einem<br />

Kapitel 2 – Seite 296


2.10 Technische Trends der industriellen Wassernutzung (Hillenbrand et al.)<br />

Chemischen Werk mit biologischem Verfahren, Ultrafiltration, Aktivkohlefiltration, UV-<br />

Entkeimung und Umkehrosmose; über das der Trinkwasserbezug um 61% und die N und P-<br />

Frachten um 60% bzw. 67 % reduziert werden konnten. Eine Reduktion des Frischwasserverbrauchs<br />

um 13% bei der Produktion von Flüssigwaschmitteln erbrachte in Pilotversuchen<br />

die katalytische Elektrolyse des Retentats einer Umkehrosmose (Forstmeier et al., 2003). Von<br />

Pinnekamp et al. (2006) und DWA (2005a) werden Beispiele in der Faser-, Kunstoff- und<br />

Pharmaindustrie beschrieben, in denen sich der Einsatz der Membrantechnik durch Einsparungen<br />

beim Frischwasserverbrauch um bis zu 90% sowie in einem Fall durch die zusätzliche<br />

Rückgewinnung von Wertstoffen innerhalb weniger Jahren amortisierte. Teilweise wurden<br />

dabei allerdings auch öffentliche Fördermittel gewährt. Thüer/Buser (2006) berichten von<br />

zwei Anwendungsbeispielen der Membran-Bioreaktor-Technik (MBR) in der Chemischen<br />

Industrie mit dem Hinweis, dass weitere Anlagen mit einer weitergehenden Aufbereitung über<br />

Reversosmose zur Wasserkreislaufführung geplant sind. Von Schipolowski et al. (2003) wird<br />

von Erfahrungen eines Pilotbetriebs einer Membrananlage bei der Waschmittelproduktion berichtet,<br />

nach denen trotz hoher Reinigungsleistung die Wiederverwendbarkeit des gewonnenen<br />

Permeats aufgrund von Verkeimungstendenzen stark eingeschränkt war. Aufgrund der<br />

Kompexität des Wassermanagements in den Betrieben wird zum Teil dieser Bereich im Rahmen<br />

eines Contractings an externe Partner vergeben, die bspw. hinsichtlich des Einsatzes<br />

aufwendiger Verfahrenskombinationen spezielles Know-How einbringen können (vgl. Lebek<br />

et al., 2005).<br />

Papierindustrie<br />

Die Papierindustrie stellt aus unterschiedlichen Faserstoffen wie Zellstoff, Holzstoff oder Altpapier<br />

eine Vielzahl unterschiedlicher Papiersorten her. In der Herstellung spielt Wasser eine<br />

entscheidende Rolle: es dient als Suspensions- und Transportmittel für Faser- und Füllstoffe<br />

sowie als Lösungsmittel für die unterschiedlichen chemischen Zusatzstoffe, die je nach Papiersorte<br />

eingesetzt werden. Nur durch eine weitgehende Wasserkreislaufführung und Wiederverwertung,<br />

die u.a. im BVT-Papier zur Papierbranche beschrieben ist, kann der spezifische<br />

Abwasseranfall auf die in Abbildung 11 gezeigten niedrigen Werte von aktuell deutlich<br />

unter 10 l/kg im Durchschnitt gesenkt werden. In Anhang 28 der Abwasserverordnung sind<br />

die Anforderungen an die Abwasserbehandlung für die Papierindustrie festgelegt. In der Regel<br />

werden in der Papierindustrie biologische Reinigungsverfahren eingesetzt. Rein biologisch<br />

aufbereitetes Wasser kann allerdings nur bedingt im Prozess wieder eingesetzt werden,<br />

da damit häufig eine Aufkonzentrierung von gelösten und kolloidalen Inhaltsstoffen verbunden<br />

ist (DWA, 2005a). Bei zunehmender Schließung der Wasserkreisläufe können grundsätzlich<br />

die Probleme durch Aufsalzung, Geruchsbildung und Kalkablagerungen im Produktionsprozess<br />

zunehmen. Besonders schwierige Randbedingungen bestehen bei Wässern aus der<br />

Altpapieraufbereitung aufgrund hoher Kalzium-, Sulfat- und Polymerkonzentrationen. Nach<br />

Kappen (2004) kann durch eine Optimierung der Kreislaufführung (Trennung der verschiedenen<br />

Kreisläufe bei der Papierherstellung, Gegenstromführung) erreicht werden, dass Störstoffe<br />

systematisch mit nur geringen Wassermengen ausgeschleust werden. Für eine (weitgehende)<br />

Schließung der Wasserkreisläufe sind die Belastungen des Abwassers bzw. des Kreislaufwassers<br />

über zusätzliche Reinigungsverfahren zu begrenzen. In aktuellen Forschungs-<br />

bzw. ersten Anwendungsprojekten wurden dazu unterschiedliche Verfahrenskombinationen<br />

(biologische Verfahren, Membrantechnik, Ozonierung, Entkarbonisierung) eingesetzt (vgl.<br />

Simstich/Öller, 2007; Hellwich/Kaps, 2007; Gehlert/Wienands, 2006; Lipnizki/Gennetier,<br />

2006; DWA, 2005b; Althöfer/Feuersänger, 2005; Paulitschek/Rösler, 2003). Der Anteil der<br />

Papierfabriken, der biologisch gereinigtes Abwasser wieder in der Produktion einsetzt, ist von<br />

Kapitel 2 – Seite 297


2.10 Technische Trends der industriellen Wassernutzung (Hillenbrand et al.)<br />

2001 zu 2004 von 11% auf 16% gestiegen (Jung et al., 2006). Nach Hamm (2004) wird derzeit<br />

4% der Papierproduktion in Deutschland mit vollständig geschlossenem Wasserkreislauf<br />

hergestellt. Inzwischen liegen verstärkt Erfahrungen mit geschlossenen Wasserkreislauf-<br />

Konzepten und den damit verbundenen Problemen vor, so dass zukünftig mit einer Zunahme<br />

entsprechender Konzepte gerechnet wird (Schmid et al., 2004).<br />

Vergleichbar zur Entwicklung im Bereich der Chemischen Industrie werden auch in der Papierindustrie<br />

teilweise die Aufgaben des Wassermanagements an externe Contracting-Firmen<br />

vergeben, die beispielsweise hinsichtlich der einzusetzenden Aufbereitungsverfahren speziellere<br />

Kenntnisse einbringen können (N.N., 2005a)<br />

Ernährungsindustrie<br />

Dieser Bereich umfasst alle Sektoren der Nahrungsmittelproduktion wie z.B. die Zuckerindustrie,<br />

die Getränkeindustrie, die Obst- und Gemüseverarbeitung oder den Milchsektor.<br />

Wasser wird in diesem Bereich zum einen direkt im Produkt eingesetzt, zum anderen dient es<br />

zur Reinigung der Rohstoffe und der Produktionsanlagen. Die eingesetzten Wässer müssen<br />

sehr häufig Trinkwasserqualität aufweisen (Anteil mit Trinkwasserqualität liegt bei über 60%,<br />

im verarbeitenden Gewerbe insgesamt dagegen nur bei 10%; Rosenwinkel/Brinkmeyer,<br />

2004). Die Anforderungen im Rahmen der Abwasserverordnung in Deutschland sind in verschiedene<br />

spezifische Anhänge aufgeteilt. Bislang wurden zur Abwasserreinigung überwiegend<br />

biologische Verfahren (teilweise auch anaerobe Behandlungsstufen mit Biogasgewinnung)<br />

eingesetzt mit unterschiedlichen Vorbehandlungsstufen wie Fettabscheidung, Flotation,<br />

Fällung oder Neutralisation. Im BVT-Papier werden sowohl übergreifende als auch einzelbranchenspezifische<br />

Maßnahmen zur Wassereffizienz und Abwasserbehandlung beschrieben.<br />

Genannt werden bspw. Maßnahmen zur verbesserten Prozesskontrolle sowie wassereffiziente<br />

Reinigungssysteme (z.B. Cleaning-in-Place-Techniken – CIP, mehrstufige Reinigung bspw.<br />

bei Flaschen) und Waschprozesse (Gegenstrom-Prinzip). Zur Emissionsminderung wird auf<br />

die Auswahl umweltfreundlicher Betriebschemikalien sowie auf die unterschiedlichen Verfahren<br />

zur Primär- und Sekundärabwasserbehandlung hingewiesen. Möglichkeiten zur Wasserwiederverwendung<br />

bestehen beim Einsatz zusätzlicher, tertiärer Behandlungsverfahren wie<br />

z.B. der Membrantechnik.<br />

Trotz der hohen Anforderungen an die eingesetzten Frischwasserqualitäten liegen zahlreiche<br />

Anwendungsfälle zum Recycling von Prozesswässern vor. Neueste Entwicklungen zeigen<br />

einen deutlichen Anstieg der Nutzungsfaktoren. Häufig werden dazu Membranverfahren eingesetzt<br />

(vgl. Pinnekamp et al., 2006; DWA, 2005a; Rosenwinkel/Brinkmeyer, 2004). Zum<br />

Teil werden auch verschiedene Verfahrenstechniken miteinander kombiniert (aerobe/anaerobe<br />

biologische Verfahren, Membranverfahren) mit einer abschließenden Oxidationsstufe (Ozon,<br />

UV oder H2O2) zur sicheren Entkeimung. Auch in der Lebensmittelindustrie wird von der<br />

Auslagerung des Wasser- und Reststoffmanagements im Rahmen eines Contractings mit einem<br />

externen Partner berichtet (Simon et al., 2006).<br />

Metallerzeugung/-bearbeitung<br />

Zur Metall erzeugenden Industrie zählen sowohl die Eisen- und Stahlindustrie als auch die<br />

Nichteisenmetallindustrie. Bei der Roheisengewinnung und Stahlerzeugung wird Wasser vor<br />

allem zur Schlackengranulation und zur Gasreinigung (Gichtgas, Nassentstaubung von Oxidationsstäuben)<br />

eingesetzt. Ähnliche Verwendungen bestehen bei der Nichteisenmetallgewinnung.<br />

Bei der weiteren Verarbeitung der gewonnenen Produkte in Walzwerken, Pressen,<br />

Halbzeugfertigungen oder Gießereien wird Wasser zum Kühlen, zur Behandlung oder zum<br />

Spülen eingesetzt. Möglichkeiten zur Verbesserung der Wassereffizienz bestehen durch die<br />

Kapitel 2 – Seite 298


2.10 Technische Trends der industriellen Wassernutzung (Hillenbrand et al.)<br />

Kreislaufführung von Prozess- und Kühlwässern ggf. mit einer Teilstrombehandlung (geeignetes<br />

Reinigungsverfahren für verunreinigte Entfettungsbäder ist bspw. die Membranfiltration),<br />

wassereffiziente Spülsysteme (Kaskadenspülung), die Verwendung indirekter Kühlsysteme,<br />

den Einsatz trockener Verfahren oder auch den Einsatz von Niederschlagswasser.<br />

Zur metallverarbeitenden Industrie gehören u. a. der Stahl- und Leichtmetallbau, der Maschinen-<br />

und Fahrzeugbau und die elektrotechnische Industrie. In Deutschland sind die wichtigsten<br />

rechtlichen Vorgaben zum Wassereinsatz und zur Abwasserbehandlung im Anhang 40 der<br />

Abwasserverordnung geregelt. Hier wird zwischen 12 unterschiedlichen Abwasserherkunftsbereichen<br />

unterschieden, die überwiegend einzelne Prozessschritte in den genannten Industrien<br />

beschreiben (Galvanik, Beizerei, Anodisierbetriebe, Feuerverinkerei, Härterei, etc.). Die<br />

Behandlung metallischer Oberflächen erfolgt mit schichtabtragenden, schichtauftragenden<br />

und schichtumwandelnden Verfahren, notwendige Vor- und Nachbehandlungsschritte sind<br />

das Entfetten, das Beizen, oder das Brennen. Zwischen den verschiedenen Behandlungsschritten<br />

werden die Werkstücke gespült, dadurch gelangen die eingesetzten Behandlungschemikalien<br />

sowie Metallmengen in die Spülbäder. Maßnahmen zur Verringerung des Wassereinsatzes<br />

setzen insbesondere bei der Standzeitverlängerung der Spülbäder und bei der Kreislaufführung<br />

der Spülwässer an (z.B. Reduzierung der ausgeschleppten Menge an Prozesschemikalien,<br />

Reinigung und Aufbereitung von Prozessbädern und Spülwässern).<br />

Durch den Einsatz verbesserter Reinigungsverfahren wie z.B. der Membrantechnik für Prozess-<br />

und Spülwässer können die Möglichkeiten zu einem verstärkten Wasserrecycling weiter<br />

verbessert und der Wasserbedarf zumindest für einzelne Prozessschritte deutlich gesenkt werden<br />

(vgl. Beispiele bei Pinnekamp et al., 2006; DWA, 2005a; NN, 2006). Zum Teil besteht<br />

inzwischen auch die Zielsetzung einer weitgehenden Schließung des Wasserkreislaufs für<br />

Produktionsstandorte (NN, 2005; Hasler, 2003). Nach Schönberger (2004) sollte im Rahmen<br />

der geplanten Überarbeitung der rechtlichen Anforderungen die sich ergebenden Möglichkeiten<br />

zur Einengung der Wasserkreisläufe in einem Stahlwerk konkretisiert werden.<br />

Mineralölverarbeitung<br />

Die Mineralölverarbeitung umfasst sowohl die Erdölraffination als auch die Herstellung von<br />

Vorprodukten für die weitere organisch-chemische Synthese durch die petrochemische Industrie.<br />

Wasser wird bei der Rohölverarbeitung bei unterschiedlichen Prozessen wie Rohölentsalzung,<br />

Dampfstrippung, Wasch- und Reinigungsvorgänge sowie zur Kühlung eingesetzt.<br />

Für das anfallende Abwasser, der wichtigste Anteil sind die organisch verschmutzten Prozessabwässer,<br />

ist eine umfangreiche Vorbehandlung zur Entfernung toxischer Verunreinigungen<br />

(Schwefelwasserstoff, Cyanide, etc.) notwendig, bspw. über Flotationsverfahren, chemische<br />

Fällung und/oder Dampfstrippanlagen. Anschließend erfolgt in der Regel eine biologische<br />

Reinigung, ggf. erweitert um zusätzliche Verfahrensstufen.<br />

Im BVT-Merkblatt werden verschiedene Maßnahmen zur Verringerung des Wassereinsatzes<br />

beschrieben. Grundsätzlich ist eine Trennung von Prozess- und Kühlwasser sinnvoll sowie die<br />

getrennte Erfassung von nicht bzw. kaum verunreinigtem, ölverschmutztem und stark verschmutztem<br />

Abwasser. Dadurch ergeben sich Möglichkeiten zur gestuften Verwendung der<br />

unterschiedlich verschmutzten Wässer entsprechend den jeweiligen Qualitätsanforderungen.<br />

Ggf. können dann zusätzlich bei Bedarf über Teilstrombehandlungen erhöhte Anforderungen<br />

eingehalten werden. Als weitergehende Behandlungsverfahren werden Membranverfahren,<br />

Aktivkohlefiltration, Ozonbehandlung, Ionenaustausch oder auch Nassodxidation aufgeführt.<br />

Weitere Maßnahmen sind eine Kaskadenführung von Wasserströmen, eine Kesselspeisewasseraufbereitung<br />

und –wiederverwendung sowie eine Luftkühlung anstatt Wasserkühlung. Von<br />

Kapitel 2 – Seite 299


2.10 Technische Trends der industriellen Wassernutzung (Hillenbrand et al.)<br />

Peeters et al. (2006) wird die weitgehende Aufbereitung von Raffinerie-Abwässer mit anschließender<br />

Wiedernutzung über Membranverfahren beschrieben. Lebek et al. (2005) zeigen<br />

die Umsetzung eines optimierten Wassermanagements in der galvanotechnischen Industrie im<br />

Rahmen eines Betreibervertrags über einen externen Partner.<br />

Für den Bereich der Wasseraufbereitung und –wiederverwendung in verschiedenen industriellen<br />

Branchen insgesamt wird von Frost&Sullivan (2005) das hohe Marktpotenzial aufgezeigt.<br />

Dabei wird besonders herausgehoben, dass in Deutschland aufgrund der bereits bestehenden<br />

umweltpolitischen Anforderungen, der hohen spezifischen Wasserpreise und des insgesamt<br />

sehr hohen technischen Niveaus die Voraussetzungen besonders günstig sind, mit nur noch<br />

einem geringen zusätzlichen Aufwand ein weitgehendes Wasserrecycling zu erreichen.<br />

2.10.4.2 Analyse der Umwelterklärungen von Unternehmen<br />

Hinsichtlich der Umsetzung umweltrelevanter Maßnahmen gelten die im Rahmen von EMAS<br />

(Eco-Management and Audit Scheme) zertifizierten Unternehmen als Vorreiter. Mit der Zertifizierung<br />

der Unternehmen verbunden ist die Erarbeitung und Veröffentlichung einer Umwelterklärung,<br />

in der u.a. über die durchgeführten und die geplanten Maßnahmen zum Umweltschutz<br />

berichtet werden muss. Diese Erklärungen können somit genutzt werden, um einen<br />

Überblick über die in den einzelnen Branchen unter den "Umweltvorreitern" stattfindenden<br />

Entwicklungen und die dort zum Einsatz kommenden Techniken zu gewinnen.<br />

Zur Analyse wurden insgesamt 193 Umwelterklärungen ausgewertet, die aus den Jahren 2002<br />

bis 2005 stammen. Bei der Auswertung wurde zum einen nach Branchen getrennt ausgewertet<br />

(einbezogen wurden die Branchen Chemie, Papier, Metallerzeugung, Ernährung, Steine/Erden/Glas19),<br />

zum anderen wurde bei den wasserbezogenen Maßnahmen unterschieden<br />

zwischen den Bereichen<br />

• prozessintegrierte Maßnahmen,<br />

• Maßnahmen zur Verbesserung der Wassereffizienz und<br />

• Maßnahmen zur Emissionsminderung.<br />

Außerdem wurde unterschieden zwischen bereits umgesetzten und geplanten Maßnahmen.<br />

Dabei deckten die unter "umgesetzt" beschriebenen Maßnahmen in der Regel die letzten 2 bis<br />

4 Jahre, während bei den geplanten Maßnahmen der Zeithorizont bei etwa 1 bis 2 Jahren lag.<br />

Die quantitativen Ergebnisse der Untersuchungen sind in Abbildung 12 zusammengefasst dargestellt.<br />

19 Im Bereich Mineralölverarbeitung war in diesem Zeitraum nur eine sehr kleine, für eine statistische Auswertung<br />

nicht ausreichende Zahl von Unternehmen zertifiziert.<br />

Kapitel 2 – Seite 300


2.10 Technische Trends der industriellen Wassernutzung (Hillenbrand et al.)<br />

Anteil Unternehmensstandorte mit Maßnahmen [%]<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

Chemie Papier M etallerzeugung<br />

Ernährung Steine/Erden,<br />

Glas<br />

Chemie Papier M etallerzeugung<br />

Kapitel 2 – Seite 301<br />

Ernährung Steine/Erden,<br />

Glas<br />

Chemie Papier M etallerzeugung<br />

Wassereffizienz Emissionsminderung prozessintegriert<br />

- bereits umgesetzt<br />

- in der Planung<br />

Ernährung Steine/Erden,<br />

Glas<br />

Abbildung 12: Ergebnisse der Auswertungen von Umwelterklärungen hinsichtlich bereits umgesetzter und in<br />

Planung befindlicher, wasserbezogener Maßnahmen<br />

Die wichtigsten in den Umwelterklärungen aufgeführten Maßnahmen sind:<br />

prozessintegrierte Maßnahmen:<br />

- Änderung/Optimierung der Prozessführung, Erneuerung von Anlagen,<br />

- Wasserkreislaufführung (u.a. Membrantechnik),<br />

- verbesserte Mess- und Regelungstechnik,<br />

- verbesserte Spültechniken,<br />

- Veränderung der eingesetzten Chemikalien/Chemikalienmengen.<br />

Maßnahmen zur Wassereffizienz:<br />

- Regen-/Brauchwassernutzung,<br />

organisatorische Maßnahmen (Mitarbeiterschulung, Verbrauchskontrollen).<br />

Maßnahmen zur Emissionsminderung:<br />

verbesserte Abwasserreinigung (biologische, chemisch-physikalische bzw. Membranverfahren,<br />

Mess-/Regelungstechnik),<br />

Kontrolle Kanalnetz, Abwasserkataster.<br />

Die Ergebnisse zeigen insgesamt, dass ein hoher Anteil der beteiligten Firmen in den letzten<br />

Jahren Maßnahmen im Bereich Wasser/Abwasser umgesetzt hat. Etwa 20 bis 40% (teilweise<br />

bis 60%) der Firmen planen außerdem Maßnahmen durchzuführen. Unter Berücksichtigung<br />

der unterschiedlichen Zeithorizonte bei den umgesetzten Maßnahmen (letzte 2 bis 4 Jahre) zu<br />

den geplanten Maßnahmen (1 bis 2 Jahre) kann deshalb von einer weitgehend konstanten Entwicklung<br />

ausgegangen werden.<br />

Im Vergleich zwischen den Branchen fällt der geringere Anteil von Maßnahmen in den Branchen<br />

Chemie und Papier im Bereich der Wassereffizienz und Emissionsminderung auf. Stattdessen<br />

liegt der Schwerpunkt der Maßnahmen bei den prozessintegrierten Maßnahmen. Die<br />

Erklärung für dieses Ergebnis liegt sicherlich darin, dass in diesen Branchen in der jüngeren<br />

Vergangenheit bereits in großem Umfang nachgeschaltete Maßnahmen umgesetzt wurden.


2.10 Technische Trends der industriellen Wassernutzung (Hillenbrand et al.)<br />

Bei der Ernährungsindustrie planen besonders viele Unternehmen prozessintegrierte Maßnahmen<br />

(59%). Dieser Anteil ist sogar höher als der Anteil, der prozessintegrierte Maßnahmen<br />

in den letzten Jahren umgesetzt hat (49%). Besonders wichtig sind die Ergebnisse für die<br />

Metallerzeugung/-verarbeitung, da die Untersuchungen in Kapitel 2.9.3 zeigten, dass der spezifische<br />

Wasserintensitätsfaktor in dieser Branche seit 2001 konstant geblieben war. Abbildung<br />

12 zeigt, dass in dieser Branche ein sehr hoher Anteil der zertifizierten Unternehmen<br />

Maßnahmen zur Verbesserung der Wassereffizienz umgesetzt hat bzw. Maßnahmen hierzu<br />

plant. Für die Branche insgesamt ist somit in den nächsten Jahren mit der Umsetzung von<br />

Maßnahmen und damit einer Verringerung des Intensitätsfaktors zu rechnen. In der Branche<br />

Steine/Erden, Glas gibt bzw. gab es einen vergleichsweise geringen Anteil an prozessintegrierten<br />

Maßnahmen.<br />

2.10.4.3 Patentrecherche<br />

Patente geben ihrem Besitzer einen zeitlich begrenzten Schutz für die gewerbliche Nutzung<br />

einer technischen Erfindung. Sie sind das Ergebnis von Forschung und Entwicklung in vorausgegangenen<br />

Perioden und zielen auf die Märkte der Zukunft. Sie machen jedoch weder<br />

eine Aussage über die Gesamtzahl der Erfindungen noch über deren ökonomischen Wert,<br />

sondern nur über die Zahl der Erfindungen, für die Schutzrechte auf den jeweiligen Märkten<br />

in Anspruch genommen wurden. Sie geben Auskunft über die Anwendungs- und Marktorientierung<br />

von technologischen Neuerungen (Hinze/Schmoch, 2004; Schmoch, 1990). Sie<br />

sind damit ein guter Frühindikator, um zu untersuchen, an welchen Orten, für welche Anwendungsfelder<br />

und in welchem Maße neues, potenziell kommerziell verwertbares Wissen entstanden<br />

ist. Anhaltende Aktivitäten bei den Patentanmeldungen weisen auf entsprechend starke<br />

Forschungsaktivitäten hin, d.h. ein entsprechendes Anwendungsfeld wird als wichtig erachtet<br />

und es sind auch künftig neue technische Entwicklungen zu erwarten.<br />

Die aus Patenten gewinnbaren Informationen sind sehr aktuell, da sie häufig um Monate oder<br />

Jahre vor der Markteinführung der entsprechenden Produkte publiziert werden. Patentanmeldungen<br />

werden in jedem Falle 18 Monate nach der Anmeldung der Öffentlichkeit zugänglich<br />

gemacht, während die Produkteinführung häufig zwei bis drei Jahre dauert und bis zur Marktdurchdringung<br />

dann noch einmal einige Jahre vergehen können. Patente stellen eine umfassende<br />

Dokumentation des technischen Wissens dar für praktisch alle Gebiete der Technik und<br />

alle Länder der Erde. Patente sind deshalb ein zentraler Innovationsindikator für die technologische<br />

Position auf den internationalen Märkten (Grupp, 1997).<br />

Ziel der in 2005 durchgeführten Patentrecherche war es, für die Bereiche Wasserversorgung<br />

und -nutzung sowie Abwasserentsorgung Informationen über die zeitliche Dynamik der FuE-<br />

Aktivitäten in diesem Bereich sowie über die Position Deutschlands im internationalen Vergleich<br />

zu erhalten. Neben den Erhebungen für den Gesamtbereich wurden zusätzlich spezielle<br />

Technikfelder wie z.B. Grau- und Regenwassernutzung, Kleinkläranlagen sowie der für die<br />

industrielle Wassernutzung besonders relevante Bereich der Membrantechnologie gesondert<br />

ausgewertet (Ergebnisse zu den anderen Bereichen: vgl. Hillenbrand/Hiessl, 2006; Kotz et al.,<br />

2005).<br />

Alle Patentrecherchen im Bereich Wasserversorgung und Abwasserentsorgung wurden in der<br />

EPAPAT Datenbank von Questel Orbit, die auf Patente des Europäischen Patentamts (EPA)<br />

zugreift, durchgeführt. Für die Recherche wurde der Zeitraum von 1985-2002 gewählt. Die<br />

Beschränkung des Analysezeitraums bis zum Jahr 2002 war notwendig, da Patentanmeldungen<br />

erst 18 Monate nach der Anmeldung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Da-<br />

Kapitel 2 – Seite 302


2.10 Technische Trends der industriellen Wassernutzung (Hillenbrand et al.)<br />

her lagen zum Zeitpunkt der Recherche (Mai 2005) sichere Daten nur bis zum Zeitraum Oktober<br />

2003 vor. Die Recherche bezog sich auf Deutschland, Frankreich, Großbritannien, USA,<br />

Japan, und die Gesamtheit der EU-15 Länder vor der Erweiterung20.<br />

Die in Abbildung 13Abbildung dargestellte Entwicklung im Gesamtbereich der Wasser- und<br />

Abwasserbehandlung zeigt, dass es sowohl Mitte der 80er und als auch Mitte der 90er Jahre<br />

einen deutlichen Anstieg der Patentzahlen gab und die Zahlen in den Jahren 2000 bis 2002 auf<br />

hohem Niveau etwas stagnierten. Es ist außerdem zu erkennen, dass Deutschland bis Ende der<br />

90er Jahre gemeinsam mit den USA die führende Rolle bzgl. der Patentanmeldungen spielte,<br />

in den letzten Jahren jedoch ein leichtes Abfallen der Zahlen zu verzeichnen war.<br />

Abbildung 13: Entwicklung der am europäischen Patentamt angemeldeten Patente im Bereich Wasser-, Abwasser-<br />

und Klärschlammbehandlung für verschiedene Staaten<br />

Für den Bereich der Membrantechnik ist in Abbildung 14 zwischen unterschiedlichen Kategorien<br />

nochmals differenziert. Während Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre der Schwerpunkt<br />

der Patentanmeldungen in dem stärker grundlagenorientierten Bereich der Material-<br />

und Formentwicklung lag, stiegen die Patentzahlen in den letzten Jahren sehr stark bei den<br />

Einzeltechniken Osmose, Ultrafiltration und Mikrofiltration an.<br />

20 Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien, Niederlande, Belgien, Dänemark, Schweden, Griechenland,<br />

Portugal, Irland, Luxemburg, Finnland, Österreich, Spanien.<br />

Kapitel 2 – Seite 303


2.10 Technische Trends der industriellen Wassernutzung (Hillenbrand et al.)<br />

Abbildung 14: Entwicklung der am europäischen Patentamt angemeldeten Patente im Bereich Membrantrennverfahren<br />

zur Abwasser- und Wasserbehandlung<br />

2.10.4.4 Schlussfolgerungen zu den Chancen des Einsatzes neuer wassersparender<br />

Technologien<br />

Die Auswertung der Literatur zum Wassereinsatz und zur Abwasserbehandlung einschließlich<br />

der BVT-Merkblätter, der Umwelterklärungen sowie der Patentanmeldungen zeigen einerseits<br />

auf, dass durch technische Entwicklungen auch künftig Impulse zur Verringerung des Wassereinsatzes<br />

zu erwarten sind. Andererseits ist auch durch die verstärkte Anwendung bereits<br />

existierender neuerer wassersparender Techniken eine weitere Reduzierung des Wassereinsatzes<br />

in der Verarbeitenden Industrie zu erwarten. Wie bereits oben erläutert, spielten in den<br />

letzten Jahren immer häufiger maßgeschneiderte, auf die spezifischen Randbedingungen eines<br />

einzelnen Betriebes angepasste Lösungen eine Rolle. Am ehesten werden solche Maßnahmen<br />

in Verbindung mit Umstellungen von Prozessen bzw. erforderlichen Neuinvestitionen realisiert.<br />

Das bedeutet, dass die Verringerung des Wassereinsatzes einzelner Branchen auch künftig<br />

fortschreiten wird, zu einem erheblichen Teil in dem sukzessive einzelne Betriebe starke<br />

Verringerungen ihres Wassereinsatzes realisieren. Für diese Anwendung in einer wachsenden<br />

Zahl von Betrieben sind die jeweiligen Randbedingungen von ganz entscheidender Bedeutung.<br />

2.10.5 Umfeldanalyse<br />

Untersuchungen zur Entwicklung des Energiebedarfs in der Verarbeitenden Industrie zeigen,<br />

dass die Erhöhung der Energieeffizienz nicht nur von Kostenaspekten und den rechtlichen<br />

Randbedingungen abhängt, sondern dass auch Informations- und Erfahrungsdefizite und or-<br />

Kapitel 2 – Seite 304


2.10 Technische Trends der industriellen Wassernutzung (Hillenbrand et al.)<br />

ganisatorische Randbedingungen der Betriebe eine wesentliche Rolle spielen. Es liegt nahe,<br />

dass all diese Einflussgrößen auch bei der Wassernutzung eine Rolle spielen, allerdings noch<br />

in einem höheren Maße, da die Maßnahmen zur Reduzierung des Wassereinsatzes auch mit<br />

Möglichkeiten der Rückgewinnung von Wertstoffen, der Abwasserbehandlung und der Abfallentsorgung<br />

verknüpft sind und damit abhängen von deren Kosten, gesetzlichen Anforderungen,<br />

Informations- und Erfahrungsdefiziten sowie den organisatorischen Randbedingungen<br />

ganzer Branchen oder einzelner Betriebe. Diese Punkte werden in den folgenden Unterkapiteln<br />

behandelt und einleitend hierzu werden Ergebnisse einer Befragung von Industrieunternehmen<br />

im <strong>Elbe</strong>gebiet zur Wassernutzung und –behandlung vorgestellt.<br />

2.10.5.1 Befragung von Industrieunternehmen im <strong>Elbe</strong>gebiet<br />

Um zusätzliche Informationen zur Wassernutzung, zur Wassereinsparung und zur erwarteten<br />

Entwicklung bei den Betrieben im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet zu gewinnen, wurde unter Federführung<br />

der TU Berlin eine Befragung durchgeführt, in deren Rahmen ca. 1600 Unternehmen im September<br />

2006 angeschrieben wurden. Der Rücklauf der verwertbaren Antworten lag bei knapp<br />

20 %. Es kann davon ausgegangen werden, dass unter den antwortenden Betrieben eher die in<br />

der Thematik aktiven, informierten vertreten sind, die eine entsprechende Umfrage leichter<br />

beantworten können. Hinsichtlich der in den Betrieben eingesetzten bzw. zukünftig möglicherweise<br />

genutzten Techniken bei der Wassernutzung und -aufbereitung wurden folgende<br />

Fragen in den Fragebogen integriert:<br />

durchgeführte und vorstellbare Maßnahmen zur Senkung des Wassereinsatzes,<br />

durchgeführte und vorstellbare Maßnahmen zur Abwasserreinigung,<br />

Kosten der Maßnahmen,<br />

erwartete Entwicklung des Wasserbezugs in den kommenden 5 Jahren und<br />

Ursache der erwarteten Entwicklung.<br />

In den Abbildungen 15 bis 17 sind die wichtigsten Ergebnisse der Befragung dargestellt. Danach<br />

liegt der Anteil der Firmen, die bereits heute Techniken zur Verbesserung der Wassereffizienz<br />

einsetzen (wassersparende Reinigungs- und Spültechniken, Kreislaufführung von Prozess-<br />

oder Kühlwasser) zwischen 50 bis 70 % und weitere 10 bis 20 % der Unternehmen halten<br />

entsprechende Maßnahmen in den nächsten 10 Jahren für vorstellbar. Regenwasser wird<br />

bislang nur von knapp 20 % genutzt, hier ist dagegen der Anteil, der eine entsprechende Maßnahme<br />

für vorstellbar hält, mit über 40% besonders hoch. Eine weitgehende Kreislaufschließung<br />

ist bereits bei 30% der Firmen erfolgt, gut 15 % halten diese zukünftig für denkbar.<br />

Im Bereich der Abwasserbehandlung ist besonders auffällig, dass für einen großen Teil der<br />

Unternehmen zukünftig der Einsatz der Membrantechnik sowie eine weitergehende Abwasserreinigung<br />

mit dem Ziel der Wasserrückgewinnung vorstellbar ist (23 bzw. 27 %). Aber<br />

auch bei den anderen Behandlungsverfahren (Stickstoff- und Phosphorelimination, Oxidationsverfahren)<br />

ist der Anteil der Firmen, die diese Techniken für denkbar halten, im Vergleich<br />

zu den Firmen, die diese bereits einsetzen, vergleichweise groß.<br />

Kapitel 2 – Seite 305


2.10 Technische Trends der industriellen Wassernutzung (Hillenbrand et al.)<br />

100%<br />

80%<br />

60%<br />

40%<br />

20%<br />

0%<br />

wassersparende<br />

Reinigungs-<br />

/Spültechniken<br />

Umsetzung von Maßnahmen zur Senkung des<br />

Wassereinsatzes<br />

Kreislaufführung<br />

Prozesswasser<br />

Kreislaufführung<br />

Kühlwasser<br />

Kapitel 2 – Seite 306<br />

bis in 10 Jahren vorstellbar<br />

heute<br />

Nutzung Regenwasser weitgehende<br />

Kreislaufschließung<br />

Abbildung 15: Ergebnisse der Befragung von Industriebetrieben im <strong>Elbe</strong>gebiet - Umsetzung von Maßnahmen<br />

zur Senkung des Wasserverbrauchs<br />

50%<br />

40%<br />

30%<br />

20%<br />

10%<br />

0%<br />

Maßnahmen zur Abwasserreinigung<br />

N-Elimination P-Elimination Weitergehende<br />

Oxidationsverf.<br />

bis in 10 Jahren vorstellbar<br />

heute<br />

Membrantechnik Abw.reinigung zur<br />

Wasserrückgewinnung<br />

Abbildung 16: Ergebnisse der Befragung von Industriebetrieben im <strong>Elbe</strong>gebiet - Maßnahmen zur Abwasserreinigung<br />

Die Frage zur zukünftigen Entwicklung des Wasserbezugs ergab im Durchschnitt einen Anteil<br />

von knapp 60%, die keine Veränderung erwarten. 30 % gehen von einer Zunahme aus, etwa<br />

10 % von einem Rückgang. Interessant sind in diesem Zusammenhang die angegebenen<br />

Gründe: Als Hauptursache für eine Zunahme wird eine steigende Produktionsmenge genannt<br />

(74%), in geringem Umfang auch die Veränderung des Produktspektrums (8%); 11 % gaben<br />

"sonstiges" an. Für eine Abnahme werden als Hauptursachen die Wasserkreislaufführung<br />

(38%) sowie sonstige Gründe (34%) angegeben. Eine Veränderung der Produktionsmenge ist<br />

dagegen nur für 16% der Unternehmen Grund des erwarteten Wasserbezugs-Rückgangs.


2.10 Technische Trends der industriellen Wassernutzung (Hillenbrand et al.)<br />

80%<br />

70%<br />

60%<br />

50%<br />

40%<br />

30%<br />

20%<br />

10%<br />

0%<br />

erwartete Entwicklung des Wasserbezugs in den<br />

nächsten 5 Jahren<br />

Rückgang keine Veränderung Zunahme<br />

Kapitel 2 – Seite 307<br />

Gesamt<br />

Chemie<br />

Papier<br />

Ernährung<br />

Abbildung 17: Ergebnisse der Befragung von Industriebetrieben im <strong>Elbe</strong>gebiet – erwartete Entwicklung des<br />

Wasserbezugs<br />

2.10.5.2 Rechtliche Randbedingungen<br />

Die rechtlichen Rahmenbedingungen üben einen wesentlichen Einfluss auf die industrielle<br />

Wassernutzung und Abwasserreinigung in Deutschland aus. Die überwiegend in den 80er<br />

Jahren erlassenen, branchenspezifischen Regelungen in den Anhängen zur Abwasserverordnung<br />

bildeten bislang die Grundlage für die Konzeption der Abwasserbehandlung in den Industriezweigen.<br />

Nach den Anforderungen des Wasserhaushaltsgesetzes ist dabei der Stand der<br />

Technik umzusetzen. In den ergänzenden Hintergrundpapieren für die Branchen werden detailliert<br />

die Verfahren beschrieben, die die Einhaltung der Anforderungen ermöglichen. Für<br />

einige Branchen werden dabei auch prozessintegrierte Anforderungen gestellt und es werden<br />

dabei auch Möglichkeiten für einen effizienten Wassereinsatz erläutert (z.B. Anhang 40;<br />

Zimpel, 2004).<br />

Eine zunehmende Bedeutung hatten in den letzten Jahren Regelungen auf EU-Ebene, insbesondere<br />

die IVU-Richtlinie sowie die Wasserrahmenrichlinie. Die IVU-Richtlinie aus dem<br />

Jahr 1996 regelt auf europäischer Ebene die Genehmigung besonders umweltrelevanter Industrieanlagen<br />

(s. Kapitel 2.9.4.1). Als Grundlage für eine Genehmigung der relevanten Anlagen<br />

sind dabei die "Besten Verfügbaren Techniken" (BVT) heranzuziehen. Die IVU-<br />

Richtlinie war von den Mitgliedsstaaten bis zum Jahr 1999 umzusetzen, für die Anpassung<br />

bestehender Anlagen an die Anforderungen der Richtlinie galt ein Übergangszeitraum bis<br />

zum 30. Oktober 2007. Zur Information aller Beteiligten werden die BVT in branchenspezifischen<br />

Merkblättern beschrieben (s. Kapitel 2.9.4.1).<br />

Die im Jahr 2000 verabschiedete Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) verpflichtet die Mitgliedsstaaten,<br />

bis 2015 einen guten ökologischen und chemischen Zustand in den Gewässern zu erreichen.<br />

Im Anhang X der Richtlinie wurden 33 Stoffe festgelegt, für die europaweite Qualitätsziele<br />

einzuhalten sind (prioritäre Stoffe). Nach Art. 16 WRRL sollen für diese Stoffe außerdem<br />

EU-weite Minderungsstrategien von der Kommission entwickelt werden. Zusätzlich<br />

sind bei der Umsetzung der WRRL sonstige, auf Flussgebietsebene relevante Stoffe zu berücksichtigen.<br />

In Anhang X werden die aufgrund ihrer Stoffeigenschaften besonders kriti-


2.10 Technische Trends der industriellen Wassernutzung (Hillenbrand et al.)<br />

schen Schadstoffe gekennzeichnet. Für diese prioritären gefährlichen Stoffe gilt das Ziel der<br />

Beendigung oder schrittweisen Einstellung von Einleitungen, Emissionen und Verlusten.<br />

Nach dem in 2006 vorgelegten Entwurf der Tochterrichtlinie21 werden folgende Stoffe als<br />

prioritär gefährlich eingestuft: Cadmium, Quecksilber, PAK, Anthracen, Hexachlorbenzol,<br />

Hexachlorbutadien, Pentachlorbenzol, Endosulfan, Hexachlorcyclohexan, Bromierte Diphenylether,<br />

C10-13-Chloralkane, Nonylphenole, Tributylzinnverbindungen. Nach den Untersuchungen<br />

von Hillenbrand et al. (2007) sind in Deutschland ein größerer Teil dieser Stoffe aufgrund<br />

bereits bestehender Einschränkungen nicht mehr relevant. Für den Bereich der industriellen<br />

Einleitungen von Bedeutung sind außerdem die Schwermetalle Cadmium und Quecksilber<br />

sowie teilweise noch die Stoffgruppen PAKs und Nonylphenole. Für die Schwermetalle<br />

insgesamt gilt allerdings, dass der Anteil der durch industrielle Direkteinleitungen verursachten<br />

Einträge in die Gewässer in Deutschland seit 1985 deutlich zurückgegangen ist (s. Abbildung<br />

18). Die wichtigsten industriellen Emittenten für Cadmium und Quecksilber sind dabei<br />

die Chemische Industrie sowie die Nichteisenmetallherstellung (s. Abbildung 19). Für die<br />

Emittenten der prioritären (gefährlichen) Stoffe könnten sich aufgrund der Zielsetzungen der<br />

WRRL weitergehende Anforderungen an die Abwasseraufbereitung ergeben. Außerdem<br />

könnte sich durch die Anforderung der WRRL nach Berücksichtigung der Umwelt- und Ressourcenkosten<br />

eine Erhöhung der Kosten des Wasserbezugs ergeben (s. Kapitel 2.9.5.2).<br />

Abbildung 18 Anteil industrieller Direkteinleitungen an den Gesamtemissionen von Schwermetallen in deutsche<br />

Gewässer für den Zeitraum 1985 bis 2000 (nach Böhm, Hillenbrand, 2005)<br />

21 Vorschlag einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Umweltqualitätsnormen im Bereich<br />

der Wasserpolitik und zur Änderung der Richtlinie 2000/60/EG (KOM (2006) 397 endgültig)<br />

Kapitel 2 – Seite 308


2.10 Technische Trends der industriellen Wassernutzung (Hillenbrand et al.)<br />

Abbildung 19: Aufteilung der industriellen Direkteinleitungen auf verschiedene Einzelbranchen (nach Böhm<br />

et al., 2001)<br />

Unter anderem im Zusammenhang mit den Anforderungen auf europäischer Ebene wird derzeit<br />

an einer Überarbeitung der rechtlichen Grundlagen zur Abwasserbehandlung in Deutschland<br />

gearbeitet (UBA/BMU, 2004; Veltwisch, 2005; Hahn, 2004). Im Einzelnen werden folgende<br />

Gründe genannt:<br />

• Berücksichtigung der Anforderungen der Wasserrahmenrichtlinie (prioritäre Stoffe),<br />

• Integration der sich aus der IVU-Richtlinie ergebenden Anforderung zur medienübergreifenden<br />

Betrachtung,<br />

• notwendige Anpassung der in den Anhängen zur Abwasserverordnung festgelegten Anforderungen<br />

an den Stand der Technik, der u.a. in den BVT-Papieren beschrieben ist<br />

(seit 1990 wurden die Anforderungen nach § 7a WHG nicht systematisch fortgeschrieben),<br />

• Umsetzung der in 2002 neu formulierten Anforderungen zur Bestimmung des Standes<br />

der Technik (Anhang 2 zu §7a WHG), nach denen u.a. die Aspekte Stoffrückgewinnung<br />

sowie Rohstoffverbrauch besonders zu berücksichtigen sind, so dass dadurch der Aspekt<br />

einer möglichst effizienten Nutzung von Wasser gestärkt wird.<br />

Diese notwendigen Veränderungen laufen auf eine konzeptionelle und inhaltliche Überarbeitung<br />

und Aktualisierung der Anforderungen im Bereich der industriellen Wassernutzung hinaus,<br />

in deren Rahmen die oben beschriebenen, neuen technischen Entwicklungen (vgl. Kap.<br />

2.9.3) Berücksichtigung finden werden. Während in der Vergangenheit ganz überwiegend die<br />

Emissions- und Stoffproblematik im Vordergrund der Anforderungen stand, ist abzusehen,<br />

dass zukünftig Anforderungen zum effizienten Einsatz von Wasser und zur Schließung von<br />

Wasserkreisläufen eine wichtigere Rolle spielen werden.22<br />

22 Aus Überwachungssicht bietet die vollständige Schließung der Wasserkreisläufe und der damit verbundene<br />

abwasserfreie Betrieb den besonderen Vorteil, dass damit auch der Kontrollaufwand erheblich reduziert wird<br />

insbesondere vor dem Hintergrund der großen und zukünftig weiter wachsenden Zahl an relevanten Einzelstoffen<br />

im Abwasser.<br />

Kapitel 2 – Seite 309


2.10 Technische Trends der industriellen Wassernutzung (Hillenbrand et al.)<br />

2.10.5.3 Ökonomische Randbedingungen<br />

Hinsichtlich der ökonomischen Randbedingungen sind zum einen die Kosten möglicher Maßnahmen<br />

zur Verbesserung der Wassereffizienz zu berücksichtigen, zum anderen die Veränderungen<br />

bei den Einsparpotenzialen. Nach den Ergebnissen in Kapitel 2.10.4 spielt als wesentliche<br />

neue Technik die Membrantechnik eine zentrale Rolle bzgl. einer weiteren Erhöhung der<br />

Wassereffizienz. Durch die verstärkte Anwendung dieser Technik u.a. im industriellen und<br />

kommunalen Abwasserbereich kam es hier in den letzten Jahren zu einem deutlichen Rückgang<br />

der spezifischen Kosten. In Abbildung 20Abbildung sind beispielhaft die Preisentwicklungen<br />

von Membranmodulen verschiedener Hersteller aufgetragen, die einen deutlich Rückgang<br />

der Preise um bis zu 80% zeigen.<br />

Die in der aktuellen Literatur dargestellten Kosten der Membrantechnik – bezogen auf die behandelte<br />

Abwasser- bzw. gewonnene Brauchwassermenge – schwanken stark je nach Industriebranche<br />

und gestellten Qualitätsanforderungen. Genannt werden bspw. als Gesamtkosten<br />

0,46 €/m³ in der Papierindustrie (Gehler/ Wienands, 2006), 1,25 €/m³ (Ceralienindustrie) oder<br />

2,59 €/m³ (Fruchtsaftindustrie; Rosenwinkel/Brinkmeyer, 2004) bzw. unter schwierigeren<br />

Bedingungen bei 5,10 €/m³ (Anteil für MBR bei einer Altölaufbereitung; Gehler/Wienands,<br />

2006). Angaben zu reinen Betriebskosten (ohne Kapitalkosten) liegen bei 0,40 €/m³ (Wäscherei;<br />

Pinnekamp et al., 2006), 0,50 €/m³ (Chemieindustrie; DWA, 2005a), 0,75 €/m³ (Lebensmittelindustrie;<br />

DWA, 2005b), 0,90 €/m³ (Molkerei) oder 1,40 €/m³ (Mälzerei; DWA, 2005a).<br />

Teilweise werden auch Angaben zur Amortisationsdauer gemacht, die bei


2.10 Technische Trends der industriellen Wassernutzung (Hillenbrand et al.)<br />

dem öffentlichen Wasserversorgungsnetz oder/und die in das öffentliche Kanalnetz eingeleitete<br />

Abwassermenge verringern können. Die damit verbundenen spezifischen Kosten der Wasserversorgung<br />

bzw. Abwasserentsorgung liegen im allgemeinen über den Kosten bei einer<br />

Eigenwasserversorgung bzw. einer eigenen Abwasserbehandlung, da in diesen Fällen die<br />

Kosten für Bau und Betrieb der Leitungsnetze entfallen. Die Preisentwicklung bei der öffentlichen<br />

Wasserver- und Abwasserentsorgung seit 1993 ist in Abbildung 21 dargestellt und<br />

zeigt hohe Preissteigerungen bis 1997, danach Preissteigerungen unter 2% und seit 2003 wieder<br />

etwas höhere Werte. Die künftige Entwicklung der Preise ist von verschiedenen Faktoren<br />

abhängig wie z.B.<br />

• Auswirkungen des zu erwartenden Rückgangs des öffentlichen Wasserverbrauchs aufgrund<br />

des demographischen Wandels. Die lokal sich sehr unterschiedlich entwickelnde,<br />

insgesamt aber deutlich zurückgehende Bevölkerungszahl in Deutschland bedeutet, dass<br />

die mit dem Wasserinfrastruktursystem verbundenen fixen Kosten auf eine geringer<br />

werdende Nutzerzahl verteilt werden muss. Aufgrund des hohen Fixkostenanteils bei<br />

der öffentlichen Wasserver- und -entsorgung von ca. 80% sind steigende spezifische<br />

Wasserpreise zu erwarten.<br />

• Umsetzung der Modernisierungsstrategie zur Verbesserung der Effizienz und der Wettbewerbsfähigkeit<br />

der deutschen Wasserwirtschaft.<br />

• Umgang mit dem hohen Sanierungsbedarf vor allem im Bereich der öffentlichen Netze.<br />

• Umsetzung der Anforderung der WRRL nach Berücksichtigung der Umwelt- und Ressourcenkosten,<br />

wodurch sich zumindest mittelfristig die Wasserbezugskosten erhöhen<br />

könnten.<br />

Aufgrund dieser zum Teil gegenläufig wirkenden Faktoren ist es sehr schwierig vorherzusehen,<br />

wie sich die Preise zukünftig entwickeln werden. Insbesondere aufgrund der regional<br />

bzw. lokal sehr unterschiedlichen Auswirkungen des demographischen Wandels wird auch<br />

die Entwicklung der spezifischen Preise für Wasser und Abwasser je nach Region sehr unterschiedlich<br />

ausfallen.<br />

Kapitel 2 – Seite 311


2.10 Technische Trends der industriellen Wassernutzung (Hillenbrand et al.)<br />

16,0%<br />

14,0%<br />

12,0%<br />

10,0%<br />

8,0%<br />

6,0%<br />

4,0%<br />

2,0%<br />

0,0%<br />

Preisentwicklung bei Trink- und Abwasser<br />

jährliche Veränderung in %<br />

1993<br />

1994<br />

1995<br />

1996<br />

1997<br />

1998<br />

1999<br />

2000<br />

2001<br />

2002<br />

2003<br />

2004<br />

2005<br />

Kapitel 2 – Seite 312<br />

Trinkwasser<br />

Abwasser<br />

Abbildung 21: Preissteigerungsraten für Trinkwasser (Deutschland) und Abwasser (Baden-Württemberg)<br />

zwischen 1993 und 2005 (nach: BGW, 2006; Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, 2006)<br />

Wie beschrieben ist die Preisentwicklung bei der öffentlichen Wasserinfrastruktur besonders<br />

relevant für<br />

Betriebe mit hohem Fremdbezug aus dem öffentlichen Netz sowie<br />

indirekteinleitende Betriebe.<br />

In Tabelle 4 sind die Daten zum Anteil des aus dem öffentlichen Netz bezogenen Wassers<br />

sowie des indirekt eingeleiteten Abwassers am eingesetzten Frischwasser aufgeführt. Danach<br />

sind diese Anteile bei der Ernährungs- sowie bei der Textilindustrie besonders hoch, gefolgt<br />

von der Mineralöl- sowie der Steine- und Erden verarbeitenden Industrie.


2.10 Technische Trends der industriellen Wassernutzung (Hillenbrand et al.)<br />

Tabelle 4: Anteil des aus dem öffentlichen Netz bezogenen Fremdwassers sowie des indirekt eingeleiteten<br />

Abwassers am eingesetzten Frischwasser für einzelne Industriebranchen in 2004 (nach: Statistisches Bundes-<br />

amt, 2006b)<br />

Wirtschaftsgliederung eingesetztes<br />

Frischwasser<br />

Fremdbezug<br />

aus dem öffentlichen<br />

Netz<br />

Kapitel 2 – Seite 313<br />

Anteil<br />

Fremdbezug<br />

an eingesetztemFrischwasser <br />

Indirekteinleitung<br />

Anteil Indirekteinleitung<br />

an<br />

Frischwasser<br />

1000 m³ 1000 m³ 1000 m³<br />

DA – Ernährungsgewerbe<br />

417.215 120.259 28,8% 141.872 34,0%<br />

DB - Textil- u. Bekleidungsgewerbe<br />

35.719 5.308 14,9% 26.399 73,9%<br />

DE - Papier 542.692 11.219 2,1% 53.484 9,9%<br />

DF Mineralöl 203.173 25.895 12,7% 23.617 11,6%<br />

DG - Chemie 3.114.184 72.587 2,3% 376.760 12,1%<br />

DI - Steine, Erden,<br />

Verarbeitung<br />

93.557 12.568 13,4% 8.964 9,6%<br />

DJ - Metallerzeugung/-bearbeitung<br />

747.819 35.140 4,7% 55.360 7,4%<br />

2.10.5.4 Informations- und Erfahrungsdefizite / organisatorische Randbedingungen<br />

Ein wesentlicher Aspekt bei der Umsetzung innovativer Techniken ist die Beseitigung von<br />

Informationsdefiziten bei möglichen Anwendern bzw. sonstigen relevanten Akteuren wie sie<br />

für die Umsetzung von Umwelttechniken bspw. die Umweltbehörden darstellen. Die Untersuchungen<br />

zu den technischen Entwicklungslinien haben gezeigt, dass für eine weitergehende<br />

Verbesserung der Wassereffizienz bzw. für eine (weitgehende) Schließung von Wasserkreisläufen<br />

detaillierte Kenntnisse nicht nur über die Produktionsprozesse sondern auch über die<br />

Möglichkeiten innovativer Wasseraufbereitungstechniken, deren Kosten und Wechselwirkungen<br />

mit den Produktionsbedingungen und erforderliche Randbedingungen notwendig sind.<br />

Wenn Wasser-/Abwasserkosten keinen erheblichen Anteil an den Produktionskosten haben,<br />

gilt das Hauptaugenmerk der Aktivitäten eines Betriebes eher anderen Aspekten wie der Produktqualität,<br />

der Verfügbarkeit ausreichender Produktionskapazitäten, Lieferterminen, Personalfragen,<br />

der Entwicklung neuer Produkte etc. Dies gilt auch für andere Bereiche des Umweltschutzes<br />

oder die Energieeffizienz.<br />

Teilweise ergeben sich komplexe Zusammenhänge zwischen Produktions- und Aufbereitungsprozessen,<br />

die vorab umfassende Untersuchungen und während des Betriebs eine genaue<br />

Regelung und Überwachung erforderlich machen. Von verschiedenen Industriebetrieben wurde<br />

deshalb das Wassermanagement an externe Dienstleister vergeben, wobei dort ggf. dann<br />

die entsprechenden Prozesskenntnisse erforderlich sind oder in Kooperation mit dem Betrieb<br />

geklärt werden müssen. Entsprechende Beispiele werden u.a. für die Chemie-, Papier-, Nahrungsmittel-<br />

und Textilindustrie beschrieben (Meyer, 2006; Lodde/Bohling, 2006; Simon et<br />

al., 2006; Lebek et al., 2005; Wenger-Oehn et al., 2005; N.N., 2005a). Ein solches Auslagern<br />

erfordert allerdings erhebliche organisatorische und juristische Abstimmungen zwischen den


2.10 Technische Trends der industriellen Wassernutzung (Hillenbrand et al.)<br />

Beteiligten. Nachdem zwischenzeitlich Positivbeispiele für verschiedene Branchen vorliegen,<br />

ist zukünftig mit einer weiteren Ausweitung dieser Vorgehensweise zu rechnen. Nach einer<br />

Umfrage von Frost&Sullivan ist davon auszugehen, dass europäische Industriebetriebe ihre<br />

Wasseraufbereitung und Abwasserbehandlung zunehmend auslagern werden (N.N., 2005b).<br />

Zur besseren Information der Behörden, die im Rahmen der Genehmigungsverfahren wesentlichen<br />

Einfluss auf die Ausgestaltung des Wassermanagements von Industriebetrieben besitzen,<br />

sollen die oben bereits beschriebenen BVT-Papiere dienen. Nachdem zwischenzeitlich<br />

für alle Branchen entsprechende Papiere erarbeitet wurden, ist für die Zukunft eine kontinuierliche<br />

Überarbeitung vorgesehen, so dass jeweils aktuelle Informationen zum Stand der<br />

Technik in den einzelnen Branchen vorliegen werden.<br />

2.10.5.5 Schlussfolgerungen aus der Umfeldanalyse für die künftige Entwicklung<br />

des Wassereinsatzes in der Verarbeitenden Industrie<br />

Voraussetzung dafür, dass aufgrund der technischen Entwicklung der Wassereinsatz in der<br />

Verarbeitenden Industrie auch künftig weiter zurückgeht, ist dass auch von den gegebenen<br />

Randbedingungen dieser Techniken die nötigen Impulse ausgehen. Eine Grundvoraussetzung,<br />

die an erster Stelle zu nennen ist, besteht darin, dass den Kosten zur Verbesserung der Wassereffizienz<br />

entsprechende Einsparungen gegenüberstehen, z. B. bei Kosten für den Wasserbezug<br />

oder die Abwasserbehandlung und –einleitung oder durch die Rückgewinnung von<br />

Wertstoffen. Obwohl die Preisentwicklung bei der öffentlichen Wasserver- und Abwasserentsorgung<br />

unsicher ist, ist davon auszugehen, dass durch entsprechende Kostenvorteile auch<br />

künftig ähnliche Anreize ausgehen werden wie im zurückliegenden Betrachtungszeitraum.<br />

Als Beispiele wären zu nennen Kostenreduzierungen bei der Membrantechnik und bei der<br />

Messtechnik. Auch von den in Kapitel 5.2 erläuterten rechtlichen Randbedingungen dürften<br />

weiterhin Impulse für eine Erhöhung der Wassereffizienz ausgehen.<br />

Die zunehmende Auslagerung des Wassermanagements an externe Dienstleister und die Fortentwicklung<br />

der BVT-Papiere sollten dazu beitragen, Informations- und Erfahrungsdefizite in<br />

den Betrieben auszugleichen und somit zumindest erprobten Techniken zur Verringerung des<br />

Wassereinsatzes zu einer breiteren Anwendung verhelfen. Eine Fortschreibung der Abnahme<br />

der Wassereffizienzfaktoren erscheint auch unter diesem Aspekt gerechtfertigt.<br />

2.10.6 Abschätzung der Entwicklung des spezifischen industriellen<br />

Wassereinsatzes bis 2020<br />

Der industrielle Wassereinsatz ist in Deutschland im Zeitraum von 1991 bis 2004 um 28 %<br />

zurückgegangen. Der Rückgang der absoluten Mengen ist allerdings in den letzten Jahren<br />

deutlich geringer ausgefallen als noch Anfang der 90er Jahre. Um diese Entwicklung genauer<br />

analysieren zu können, ist es notwendig, die wichtigsten Branchen zu identifizieren und diese<br />

genauer zu untersuchen. Nach den aktuellen Zahlen werden von den Branchen Chemische<br />

Industrie, Metallerzeugung/-bearbeitung, Papier- und Ernährungsindustrie sowie Mineralölverarbeitung<br />

91 % des benötigten Wassers eingesetzt.23<br />

23 Die Bereiche Wärmekraftwerke für die öffentliche Versorgung sowie Bergbau und Gewinnung von Steine<br />

und Erden werden dabei ausgeklammert, da diese Sektoren im Rahmen des <strong>GLOWA</strong>-<strong>Elbe</strong>-Projekts separat<br />

bearbeitet werden.<br />

Kapitel 2 – Seite 314


2.10 Technische Trends der industriellen Wassernutzung (Hillenbrand et al.)<br />

Für diese Branchen wurden Wasserintensitätsfaktoren berechnet, die den spezifischen Wassereinsatz<br />

auf die wirtschaftliche Aktivität der Branche beziehen. Als Bezugsgröße wurde in<br />

der Regel die Bruttowertschöpfung herangezogen, für die Papierbranche die produzierte Papiermenge,<br />

für den Bereich der Mineralölverarbeitung die verarbeitete Rohölmenge, da in<br />

diesen beiden Branchen die Produkt- bzw. die Eduktpalette im Gegensatz zu den anderen<br />

Branchen klein und einheitlich ist. Die Veränderungen des Wasserintensitätsfaktors einer<br />

Branche geben damit unabhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung dieser Branche die<br />

Entwicklung der Wassereffizienz wieder, die durch die technische Entwicklung als auch<br />

durch strukturelle Entwicklungen beeinflusst wird.<br />

Die Ergebnisse zeigen eine sehr konstante Entwicklung in den einzelnen Branchen: Der<br />

Rückgang des spezifischen Wasserintensitätsfaktors lag danach zwischen 2,1 % (Ernährungsgewerbe)<br />

und 4,1% (Papierindustrie) pro Jahr. Nur bei der Metallerzeugung und –bearbeitung<br />

ist – bezogen auf den Intensitätsfaktor - in den letzten Jahren ein deutlich geringerer Rückgang<br />

festzustellen als am Anfang des Untersuchungszeitraums. Die Ergebnisse zeigen die<br />

Eignung des Ansatzes der Ableitung spezifischer Intensitätsfaktoren im Bereich der industriellen<br />

Wassernutzung, die technikbezogene Entwicklung unabhängig von der wirtschaftlichen<br />

Entwicklung einer Branche zu erfassen. Dieser Faktor kann damit auch als Grundlage<br />

für Abschätzungen der zukünftigen Entwicklung genutzt werden.<br />

Ausgehend von der Analyse der Vergangenheitsentwicklung wurden unterschiedliche Ansatzpunkte<br />

gewählt, um Aussagen über die zu erwartende zukünftige Entwicklung treffen zu<br />

können. Zur Erfassung der aktuellen technischen Entwicklungslinien im Bereich der industriellen<br />

Wassernutzung wurden die im Rahmen der europäischen IVU-Richtlinie erarbeiteten<br />

BVT-Blätter (Best Verfügbare Techniken) sowie entsprechende Fachliteratur ausgewertet.<br />

Die Auswertungen zeigen, dass in den verschiedenen Industriebranchen zahlreiche technische<br />

Ansätze zur weitergehenden Abwasseraufbereitung, zur Reduktion des Wasserverbrauchs und<br />

zur Schließung von Wasserkreisläufen in den letzten Jahren entwickelt und großtechnisch<br />

umgesetzt wurden. Ein wesentlicher Schwerpunkt der Entwicklungen lag in fast allen Branchen<br />

beim Einsatz von Membranverfahren, die sowohl zur reinen Abwasserbehandlung als<br />

auch zur (Ab-)Wasseraufbereitung mit dem Ziel der Bereitstellung von Brauchwasser verstärkt<br />

eingesetzt werden. Zur Abwasserbehandlung werden auch verstärkt AOP-Verfahren<br />

(Advanced Oxidation Process) entwickelt, die es erlauben, auch schwer abbaubare Schadstoffe<br />

im Abwasser zu eliminieren.<br />

Teilweise ergeben sich enge Kopplungen zwischen einzelnen Prozess- und Wasseraufbereitungsschritten,<br />

da die Errichtung und Schließung von Wasserkreisläufen sehr häufig voraussetzt,<br />

dass die im Kreislauf gefahrenen Wasserströme aufbereitet werden (z.B. Papierindustrie).<br />

Die Wasserströme werden durch die Errichtung von Wasserkreisläufen wesentlich komplexer.<br />

Die Integration entsprechender Maßnahmen in bestehende Anlagen und Standorte<br />

kann deshalb mit weitergehenden Veränderungen im Produktionsprozess verbunden sein und<br />

wird dann im Allgemeinen erst im Rahmen größerer Reinvestitionsmaßnahmen vorgenommen.<br />

Dabei spielt eine wichtige Rolle, dass ggf. durch einen "letzten Schritt" hin zu einem<br />

abwasserfreien Betrieb zusätzliche Kosteneinsparungen realisiert werden können, die die<br />

Wirtschaftlichkeitsberechnungen für entsprechende Maßnahmen deutlich beeinflussen können.<br />

Ergänzende Patentrecherchen bestätigen, dass im Bereich der Wasser- und Abwasserbehandlung<br />

die Forschungsaktivitäten seit Mitte der 90er Jahre nochmals deutlich zugenommen haben.<br />

Die Arbeiten im Bereich der Membrantechnik zur Ab-/Wasserbehandlung konzentrieren<br />

Kapitel 2 – Seite 315


2.10 Technische Trends der industriellen Wassernutzung (Hillenbrand et al.)<br />

sich in den letzten Jahren auf Weiterentwicklungen der Umkehrosmose-, Ultra- und Mikrofiltrationsverfahren.<br />

Zusätzlich wurden die von EMAS-zertifizierten Unternehmen mit ihren in Umwelterklärungen<br />

aufgeführten, wasserbezogenen Maßnahmen erfasst. Hier zeigt sich, dass über alle betrachteten<br />

Branchen hinweg ein hoher Teil der Unternehmen in den letzten Jahren prozessintegrierte<br />

oder ergänzende Maßnahmen zur Verbesserung der Wassereffizienz sowie zur Emissionsminderung<br />

durchgeführt hat und ein ähnlich hoher Anteil auch in der Zukunft Maßnahmen<br />

erwartet.<br />

Bei der Umsetzung neuer Techniken zur Verbesserung der Wassereffizienz und Emissionsminderung<br />

spielen traditionell in Deutschland die rechtlichen Rahmenbedingungen eine sehr<br />

wichtige Rolle. Auf nationaler Ebene steht hier die Neukonzeption und Überarbeitung der<br />

branchenspezifischen Anhänge der Abwasserverordnung nach §7a WHG an. In diesem Rahmen<br />

sollen u.a. die sich aufgrund neuerer Entwicklungen auf europäischer Ebene ergebenden<br />

Anforderungen integriert werden. Dies betrifft sowohl die branchenspezifischen Beschreibungen<br />

der bestverfügbaren Techniken über die BVT-Blätter als auch die medienübergreifende<br />

Aspekte der IVU- Richtlinie sowie die Anforderungen aus der Wasserrahmenrichtlinie zur<br />

Erreichung des guten chemischen Zustands mit besonderem Schwerpunkt auf den prioritären<br />

Schadstoffen.<br />

Neben den rechtlichen Aspekten wurden im Rahmen der Umfeldanalyse auch ökonomische<br />

Randbedingungen untersucht: Zum einen hinsichtlich der zu erwartenden Kostenentwicklung<br />

bei Membranverfahren, für die sich aufgrund von Lerneffekten bereits in den letzten Jahren<br />

ein deutlicher Rückgang der Kosten gezeigt hat und zukünftig auch weiterhin erwartet wird.<br />

Zum anderen spielt für Unternehmen, die auf die öffentliche Wasserinfrastruktur angewiesen<br />

sind (Wasserbezug aus dem öffentlichen Netz, Abwasserentsorgung als Indirekteinleiter), die<br />

zu erwartende Kostenentwicklung für die Nutzung dieser Infrastruktur eine wesentliche Rolle.<br />

Bei stark ansteigenden spezifischen Kosten, wie sie bspw. Anfang der 90er Jahre sowohl bei<br />

Wasser als auch Abwasser auftraten, könnte sich der Handlungsdruck zur Erhöhung der Wassereffizienz<br />

deutlich erhöhen. Eine Branche, die davon besonders stark betroffen wäre, ist die<br />

Ernährungsindustrie.<br />

Zusätzlicher Punkt der Umfeldanalyse war der Aspekt der Informationsdefizite als Hemmnis<br />

bei der Diffusion neuer Techniken. Zwei Entwicklungen spielen hier zukünftig eine wichtige<br />

Rolle:<br />

• durch die BVT-Papiere sind die wesentlichen Informationen über die Entwicklung des<br />

Stands der Technik aktuell und direkt sowohl für Firmen als auch Behörden verfügbar<br />

(die Überarbeitung der ersten Papiere wurde zwischenzeitlich bereits begonnen) und<br />

• insbesondere bei komplexen Aufgabenstellungen hinsichtlich Betrieb und/oder Optimierung<br />

der Wasserinfrastruktur von Unternehmen werden teilweise externe<br />

Dienstleister eingeschaltet, die ihr Augenmerk vor allem auf diesen Aspekt konzentrieren<br />

und zusätzliche Erfahrungen aus anderen Betrieben oder Branchen mit einbeziehen<br />

können.<br />

Es ist somit zu erwarten, dass es zukünftig zu einer größeren Transparenz hinsichtlich der<br />

Weiterentwicklung des Stands der Technik im Bereich der industriellen Wassernutzung<br />

kommt und bestehende Informationsdefizite abgebaut werden.<br />

Die wichtigsten Ergebnisse der Untersuchungen sind in Tabelle 5 branchenspezifisch zusammengefasst.<br />

In der letzten Spalte sind dabei die Einzelaspekte hinsichtlich der zu erwartenden<br />

Kapitel 2 – Seite 316


2.10 Technische Trends der industriellen Wassernutzung (Hillenbrand et al.)<br />

Spannbreite der künftigen Entwicklung des spezifischen Wasserintensitätsfaktors ausgewertet.<br />

Tabelle 5: Zusammenfassung der Ergebnisse hinsichtlich des spez. Wasserintensitätsfaktors verschiedener In-<br />

dustriebranchen<br />

Entwicklung des Wasserintensitätsfaktors<br />

1991 bis 2004<br />

Chemische<br />

Industrie<br />

Metallerzeugung/<br />

-verarbeitung<br />

Papierindustrie <br />

Ernährungsindustrie <br />

Mineralölverarbeitung<br />

gleichmäßiger Rückgang<br />

seit 1991; Veränderung<br />

im letzten Erfassungszeitraum<br />

(2001 bis 2004):<br />

- 3,4 % pro Jahr<br />

sehr starker Rückgang<br />

bis 2001; danach nur<br />

noch geringer Rückgang;<br />

für gesamten Zeitraum<br />

(1991 bis 2004) Rückgang<br />

um 3,6% pro Jahr<br />

bezogen auf produzierte<br />

Papiermenge gleichmäßiger<br />

Rückgang seit<br />

1991; Veränderung im<br />

letzten Erfassungszeitraum<br />

(2001 bis 2004): -<br />

4,1 % pro Jahr<br />

gleichmäßiger Rückgang;<br />

Veränderung im letzten<br />

Erfassungszeitraum<br />

(2001 bis 2004): - 2,1 %<br />

pro Jahr<br />

Bezugsgröße: Rohölmenge;<br />

gleichmäßiger<br />

Rückgang seit 1991;<br />

Veränderung im letzten<br />

Erfassungszeitraum<br />

(2001 bis 2004): -3,7 %<br />

pro Jahr<br />

Textilindustrie starke Veränderungen in<br />

der Branche: Rückgang<br />

der Wertschöpfung um<br />

52%; Rückgang der Zahl<br />

der Betriebe seit 1995<br />

um 43%; bis 1998 Anstieg,<br />

danach starker<br />

Rückgang des Wasserintensitätsfaktors;Veränderung<br />

im letzten Erfassungszeitraum<br />

(2001 bis<br />

2004): - 6,1 % pro Jahr<br />

Aktivitäten zur effizienten<br />

Wassernutzung<br />

hohe Aktivitäten bei prozessintegriertenMaßnahmen;Membrantechnik<br />

spielt wichtige Rolle<br />

hohe Aktivitäten bei<br />

Maßnahmen zur Verbesserung<br />

der Wassereffizienz<br />

starke Forschungsaktivitäten;<br />

hohe Aktivitäten<br />

bei prozessintegrierten<br />

Maßnahmen; Membrantechnik<br />

spielt wichtige<br />

Rolle; teilweise Umstellung<br />

auf abwasserfreie<br />

Betriebsweise<br />

starke Forschungsaktivitäten;<br />

hohe Aktivitäten<br />

bei prozessintegrierten<br />

Maßnahmen; Membrantechnik<br />

spielt wichtige<br />

Rolle<br />

weitgehende Schließung<br />

der Kühlkreisläufe;<br />

Membrantechnik hat bislang<br />

nur geringe Bedeutung<br />

starke Forschungsaktivitäten;<br />

Membrantechnik<br />

spielt wichtige Rolle<br />

Kapitel 2 – Seite 317<br />

rechtlicher<br />

Rahmen<br />

prioritäre Stoffe;Überarbeitung<br />

AbwV<br />

prioritäre Stoffe;Überarbeitung<br />

AbwV<br />

Überarbeitung<br />

AbwV<br />

Überarbeitung<br />

AbwV<br />

Überarbeitung<br />

AbwV<br />

Überarbeitung<br />

AbwV<br />

Einfluss<br />

Kosten der<br />

öffentlichen<br />

Wasserinfrastruktur<br />

gering:<br />

Anteil öff.<br />

Netz: 2,3%<br />

Anteil ind.<br />

Abwasser:<br />

12,1%<br />

gering:<br />

Anteil öff.<br />

Netz: 4,7%<br />

Anteil ind.<br />

Abwasser:<br />

7,4%<br />

gering:<br />

Anteil öff.<br />

Netz: 2,1%<br />

Anteil ind.<br />

Abwasser:<br />

9,9%<br />

hoch:<br />

Anteil öff.<br />

Netz: 28,8%<br />

Anteil ind.<br />

Abwasser:<br />

34,0%<br />

mittel:<br />

Anteil öff.<br />

Netz: 12,7%<br />

Anteil ind.<br />

Abwasser:<br />

11,6%<br />

hoch:<br />

Anteil öff.<br />

Netz: 14,9%<br />

Anteil ind.<br />

Abwasser:<br />

73,9%<br />

erwartete<br />

Entwicklung<br />

bis<br />

2020<br />

Rückgang<br />

um 30 bis<br />

40 %<br />

Rückgang<br />

um 20 bis<br />

30 %<br />

Rückgang<br />

um 40 bis<br />

50%<br />

Rückgang<br />

um 20 bis<br />

30%<br />

Rückgang<br />

um 20 bis<br />

30 %<br />

Rückgang<br />

um 30 bis<br />

40%


2.10 Technische Trends der industriellen Wassernutzung (Hillenbrand et al.)<br />

2.10.7 Referenzen<br />

Althöfer P, Feuersänger G (2005): Wasserkreislauf in der Papierindustrie - Thermophile anaerobe Prozesswasserreinigung.<br />

WWT Special 9/2005, S. 25 – 30<br />

ATV-DVWK (2004): Abwässer aus der Nichteisen-Metallerzeugung. Merkblatt 711, Hennef<br />

BGW (Bundesverband der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft) (2006): Preisentwicklung beim Trinkwasser<br />

. http://www.bgw.de/pdf/0.1_resource_2005_4_13_7.pdf<br />

Böhm E, Hillenbrand T, Marscheider-Weidemann F, Schempp C, Fuchs S, Scherer U (2001): Bilanzierung des<br />

Eintrags prioritärer Schwermetalle in Gewässer. UBA-Texte 29/01, Umweltbundesamt Berlin, 2001<br />

Böhm E, Hillenbrand T (2005): Quantitative und qualitative Aspekte industrieller und gewerblicher Wassernutzung<br />

in Deutschland. In: Wasserpolitik- Ökonomische Analyse einer knappen Ressource, Sonderausgabe der<br />

Zeitschrift für angewandte Umweltforschung (ZAU), Analytica-Verlag Berlin, S. 511-527<br />

Brüß U, Richter S (2003): Membranbelebungsanlage zur Reinigung von Textilabwasser aus der Entschlichtung.<br />

5. GVC-Abwasser-Kongress (2003), S. 471 – 480<br />

DECHEMA (2004): Wasserressourcen für die Industrie – Entwicklungen zur wirtschaftlicheren Nutzung.<br />

12.02.2004, DECHEMA, Frankfurt<br />

Döpkens E, Krull R, Hempel DC, Metzen P, Diering B (2003): Schließung von Stoffkreisläufen durch Abwasserrecycling<br />

in der Textilveredelungsindustrie. 5. GVC-Abwasser-Kongress (2003), S. 179 – 188<br />

DWA (2005a): Aufbereitung von Industrieabwasser und Prozesswasser mit Membranverfahren und Membranbelebungsverfahren.<br />

Teil 3: Membranverfahren. DWA-Arbeitsbericht, Juli 2005<br />

DWA (2005b): Aufbereitung von Industrieabwasser und Prozesswasser mit Membranverfahren und Membranbelebungsverfahren.<br />

Teil 4: aerobe Membranbelebungsverfahren. DWA-Arbeitsbericht, September 2005<br />

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336 – 339<br />

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zur Reduzierung des Wasserbedarfs in der Prozessindustrie. 5. GVC-Abwasser-Kongress (2003), S. 375 – 383<br />

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Gehlers G, Wienands H (2005): Einsatz von Membranverfahren in der industriellen Wasseraufbereitung – Wasserrecycling<br />

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5. GVC-Abwasser-Kongress (2003): Prozessintegrierte und additive Verfahren der Abwasser- und Schlammbehandlung.<br />

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Hamm U (2004): Medienübergreifende Aspekte am Beispiel der Zellstoff- und Papierindustrie. UBA/BMU<br />

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Hasler J (2003): Abwasserfreie, energie- und stoffverlustminimierte Prozesstechnik am Beispiel der Oberflächentechnik<br />

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Hellwich H, Kaps J (2007): Kreislaufwasseraufbereitung mit Entkarbonisierung. Papierfabrik mit neuem Abwasserkonzept.<br />

wwt wasserwirtschaft wassertechnik, Nr. 9, S. 36-37<br />

Hillenbrand T, Hiessl H (2006): Sich ändernde Planungsgrundlagen für Wasserinfrastruktursysteme. Teil 1:<br />

Klimawandel, demographischer Wandel, neue ökologische Anforderungen. KA - Abwasser, Abfall (53), Nr. 12,<br />

S. 1265-1271<br />

Hillenbrand T, Hiessl H (2007): Sich ändernde Planungsgrundlagen für Wasserinfrastruktursysteme. Teil 2:<br />

Technologischer Fortschritt und sonstige Veränderungen. KA - Abwasser, Abfall (54), Nr. 1, S. 47-53<br />

Kapitel 2 – Seite 318


2.10 Technische Trends der industriellen Wassernutzung (Hillenbrand et al.)<br />

Hillenbrand T, Marscheider-Weidemann F, Strauch M, Heitmann K, Schaffrin D (2007): Emissionsminderung<br />

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and Patent Statistics in Studies of S&T Systems, Moed, H.F.; Glänzel, W.; Schmoch, U. (Hrsg.), Dordrecht: Kluwer<br />

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Kotz C, Hillenbrand T, Sartorius C (2005): Technische Entwicklung und Diffusionsfaktoren in den Anwendungsfeldern<br />

Kleinkläranlagen und kommunale Membrankläranlagen. Ergebnisse einer Patentrecherche sowie<br />

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and Biotechnology, Frankfurt am Main, 15 – 19 May 2006, S. 214<br />

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Achema 2006, 28th International Exhibition-Congress on Chemical Engineering, Environmental Protection and<br />

Biotechnology, Frankfurt am Main, 15 – 19 May 2006, S. 198<br />

Lodde M, Bohling C (2006): Contracting im Wassermanagement. UmweltMagazin, Februar 2006, S. 20-21<br />

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Rappich O (2003): Neue Verfahrenstechniken zur Wasseraufbereitung und Recycling von Wertstoffen. 5. GVC-<br />

Abwasser-Kongress (2003), S. 385 – 390<br />

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344<br />

Kapitel 2 – Seite 319


2.10 Technische Trends der industriellen Wassernutzung (Hillenbrand et al.)<br />

Schmid F, Dietz W, Demel I (2004): Wasserrecycling in der Papierproduktion. In: 73. Darmstädter Seminar<br />

"Wasserwiederverwendung - Eine ökologische und ökonomische Notwendigkeit wasserwirtschaftlicher Planung<br />

weltweit?", Schriftenreihe WAR, TU Darmstadt, Band 159, S. 95ff.<br />

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Sievers M, Bormann H (2003): Produktionsintegrierter Umweltschutz bei der Herstellung von Holzwerkstoffen<br />

mit Rückgewinnung von Holzinhaltsstoffen, Prozesswasser und Wärme. 5. GVC-Abwasser-Kongress (2003), S.<br />

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Contracting-Projekt aus der Lebensmittelindustrie. WWT Special Industrie + Wasser 9/2006, S. 22 – 24<br />

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2006, Berichtszeitraum 1990/1991 – 2005, Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 2006<br />

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– 19 May 2006, S. 200<br />

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S. 10 – 13<br />

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Kapitel 2 – Seite 320

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