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Entwicklung eines pathologischen Spielverhaltens

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Universität Hohenheim<br />

Forschungsstelle Glücksspiel (502)<br />

<strong>Entwicklung</strong> <strong>eines</strong> <strong>pathologischen</strong> <strong>Spielverhaltens</strong><br />

Bericht über das Forschungsvorhaben des zweiten Jahres zur Vorlage für das<br />

Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familien und Senioren Baden-Württemberg<br />

Leitung: Prof. Dr. Tilman Becker (Geschäftsführender Leiter der Forschungsstelle)<br />

Dipl.-Kffr. Najat El Abdellaoui (wiss. Mitarbeiterin)<br />

Michaela Tsarouha-Wiesmann M.A. (wiss. Mitarbeiterin)<br />

Andrea Wöhr M.A. (wiss. Mitarbeiterin)<br />

Stuttgart-Hohenheim, im April 2011


Inhalt<br />

Inhalt ............................................................................................................................................ I<br />

Tabellenverzeichnis ................................................................................................................... V<br />

Abbildungsverzeichnis ............................................................................................................. XI<br />

1 Einleitung ........................................................................................................................... 1<br />

2 Verschiedene Typen von Glücksspielern ........................................................................... 4<br />

2.1 Pathologisches Glücksspiel als stoffungebundene Sucht ............................................ 4<br />

2.2 Pathologisches Glückspiel als Symptom einer neurotischen Störung ......................... 5<br />

2.3 Die therapeutische und klinische Praxis ...................................................................... 6<br />

2.4 Weitere Klassifizierungen ........................................................................................... 8<br />

2.5 Typologisierung des gesamten Spieler-Spektrums .................................................... 11<br />

3 Methodische Vorgehensweise .......................................................................................... 12<br />

3.1 Fragebogendesign sowie dessen Verteilung an die ambulanten Beratungsstellen in<br />

Baden-Württemberg ............................................................................................................. 12<br />

3.2 Rücklauf und Auswertung der Fragebögen mittels PASW Statistics 18 ................... 15<br />

3.3 Qualitative Befragungen der Forschungsstelle Glücksspiel ...................................... 17<br />

3.4 Vorstellung des Modellprojekts des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) ... 18<br />

3.5 Vorstellung des Kerndatensatzes und der Suchthilfestatistik .................................... 20<br />

4 Soziodemographische Daten der Befragten ..................................................................... 22<br />

4.1 Verteilung der Geschlechter der Befragten ............................................................... 22<br />

4.2 Alter der Befragten .................................................................................................... 23<br />

4.3 Beziehungsstatus ....................................................................................................... 26<br />

4.4 Familienstand und Lebenssituation ........................................................................... 27<br />

4.5 Staatsangehörigkeit, Muttersprache und Migration ................................................... 29<br />

4.6 Höchster erreichter Schulabschluss ........................................................................... 30<br />

4.7 Höchster erreichter Ausbildungsabschluss ................................................................ 35<br />

4.8 Erwerbssituation und Arbeitslosigkeit ....................................................................... 40<br />

4.9 Wohnsituation ............................................................................................................ 44<br />

I


4.10 Vermittelnde Instanzen .......................................................................................... 45<br />

5 Diagnostische Einordnung, Komorbiditäten, Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge und<br />

Prävalenzwerte in Deutschland ................................................................................................ 46<br />

5.1 Definitionen von Messinstrumenten zur Feststellung des Schweregrads des<br />

<strong>pathologischen</strong> Glücksspielverhaltens ................................................................................. 47<br />

5.2 Komorbide Störungen bei <strong>pathologischen</strong> Spielerinnen und Spielern ...................... 52<br />

5.3 Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge ........................................................................ 66<br />

5.4 Prävalenz des <strong>pathologischen</strong> Glücksspiels in Deutschland ..................................... 70<br />

6 Verschiedene Formen des Glücksspiels und ihre Bedeutung für das pathologische<br />

Spielverhalten ........................................................................................................................... 77<br />

6.1 Spielteilnahme in der Bevölkerung ........................................................................... 77<br />

6.2 Merkmale verschiedener Spielformen bezüglich ihres Suchtgefährdungspotentials 84<br />

6.3 Suchtgefährdungspotential verschiedener Spielformen ............................................ 91<br />

6.4 Hauptspielformen pathologischer Spieler und Spielerinnen ..................................... 97<br />

6.5 Online-Spielverhalten der befragten Personen ambulanter Beratungsstellen ......... 102<br />

7 Früherkennung von Glücksspielsucht ............................................................................ 107<br />

7.1 Risikofaktoren und prädisponierende Faktoren ....................................................... 107<br />

7.2 Merkmale des Individuums ..................................................................................... 108<br />

7.3 Merkmale der Umwelt ............................................................................................. 120<br />

8 Spielerkarriere ................................................................................................................ 122<br />

8.1 Theoretische Einbettung .......................................................................................... 123<br />

8.2 Erstes Glücksspielerlebnis aus Sicht der Befragten ................................................ 126<br />

8.3 Angaben zum Spielbeginn: Alter und Spielformen ................................................. 130<br />

8.4 Regelmäßige Ausübung von Spielformen sowie deren Spielorte ........................... 134<br />

8.5 Spielerumfeld ........................................................................................................... 142<br />

8.6 Distanz zwischen Störungsbeginn und Erstbetreuung ............................................. 145<br />

8.7 Glücksspielen und Zeitfaktor ................................................................................... 147<br />

8.8 Spielfreie Phasen und Abstinenzversuche ............................................................... 150<br />

II


8.9 Forschungsbedarf ..................................................................................................... 152<br />

9 Soziale negative Begleiterscheinungen des <strong>pathologischen</strong> Glücksspielverhaltens ...... 154<br />

9.1 Soziale negative Folgen im Überblick ..................................................................... 154<br />

9.2 Finanzielle Probleme / Schulden ............................................................................. 157<br />

9.3 Höchster Tagesverlust ............................................................................................. 161<br />

9.4 Geldbeschaffung ...................................................................................................... 163<br />

9.5 Beschaffungskriminalität ......................................................................................... 167<br />

9.6 Arbeitslosigkeit als Folge des Glücksspielverhaltens ............................................. 169<br />

9.7 Auswirkungen auf die Familie oder den Freundeskreis .......................................... 172<br />

9.8 Emotionale Belastung und Suizidalität .................................................................... 174<br />

10 Bedeutung von Geld für pathologische Spieler .............................................................. 178<br />

10.1 Bedeutung von Geld: Nennungen der KlientInnen der ambulanten<br />

Beratungsstellen und Bemerkungen aus der Fokusgruppe ................................................ 180<br />

10.2 Ein Lebensjahr gegen eine Million ...................................................................... 182<br />

11 Risikobereitschaft, Sensation Seeking, Diskontierungsverhalten und kognitive Irrtümer ...<br />

........................................................................................................................................ 185<br />

11.1 Risikobereitschaft ................................................................................................ 185<br />

11.2 Feststellung des Stimulationsbedürfnis anhand des Sensation Seeking Scale ..... 188<br />

11.3 Diskontierungsverhalten ...................................................................................... 190<br />

11.4 Kognitive Irrtümer ............................................................................................... 195<br />

12 Prävention von Glücksspielsucht ................................................................................... 197<br />

12.1 Begriffsklärung und Zielsetzung .......................................................................... 197<br />

12.2 Verhältnisprävention: Maßnahmen ...................................................................... 199<br />

12.3 Verhältnisprävention ............................................................................................ 212<br />

12.4 Zusammenhang zwischen Werbung und Konsum ............................................... 214<br />

13 Versorgungsforschung und Maßnahmen zur Einschränkung der Glücksspielsucht ...... 218<br />

13.1 Abstinenzbestrebungen und -erfolge ................................................................... 219<br />

13.2 Gründe für die Inanspruchnahme von Hilfen ...................................................... 222<br />

III


13.3 Inanspruchnahme von Hilfen in Zusammenhang mit der persönlichen<br />

Glücksspielproblematik ...................................................................................................... 227<br />

13.4 Inanspruchnahme von Hilfen im Zusammenhang mit den persönlichen<br />

substanzbezogenen Störungen (Komorbiditäten) ............................................................... 231<br />

13.5 Zugang und Erfahrung mit der Beratungsstelle ................................................... 232<br />

13.6 Beurteilung von Maßnahmen ............................................................................... 235<br />

13.7 Gewünschte Maßnahmen aus Sicht der KlientInnen ambulanter Beratungsstellen ..<br />

.............................................................................................................................. 243<br />

13.8 Selbstsperre als Maßnahme, die Glücksspielsucht zu überwinden ...................... 247<br />

14 Ausblick ............................................................................................................................ 250<br />

Literaturverzeichnis ................................................................................................................ 252<br />

Anhang A – Abbildungen und Tabellen ................................................................................- 1 -<br />

Anhang B – Fragebogen Forschungsstelle ...........................................................................- 59 -<br />

Anhang C – Spielergruppe 2009 ..........................................................................................- 69 -<br />

Anhang D – Spielergruppe 2011 ..........................................................................................- 87 -<br />

Anhang E – South Oaks Gambling Screen ........................................................................- 105 -<br />

IV


Tabellenverzeichnis<br />

Tab. 1: Rücklauf nach Einrichtungen (anonymisiert) 16<br />

Tab. 2: Alter der Befragten gruppiert (Angabe in %) 23<br />

Tab. 3: Altersverteilung nach Halbjahren (Angaben in %) 26<br />

Tab. 4: Beziehungsstatus (Angabe in %) 27<br />

Tab. 5: ProbandInnen leben zusammen mit (Angabe in %) 28<br />

Tab. 6: Staatsangehörigkeit (Angabe in %) 29<br />

Tab. 7: Höchster erreichter Schulabschluss (Angaben in %) 31<br />

Tab. 8: Höchster erreichter Schulabschluss – differenziert nach Spielform –<br />

KlientInnen ambulanter Beratungsstellen 32<br />

Tab. 9: Höchster erreichter Schulabschluss – differenziert nach Spielform –<br />

BMG 34<br />

Tab. 10: Höchster erreichter Ausbildungsabschluss (Angaben in %) 36<br />

Tab. 11: Höchster Ausbildungsabschluss – differenziert nach Spielform –<br />

KlientInnen ambulanter Beratungsstellen 37<br />

Tab. 12: Höchster Ausbildungsabschluss – differenziert nach Spielform 39<br />

Tab. 13: Momentane Erwerbssituation 41<br />

Tab. 14: Berufe der Fokusgruppenteilnehmer 42<br />

Tab. 15: Erwerbssituation am Tag vor Betreuungsbeginn –<br />

differenziert nach Spielform – BMG 43<br />

Tab. 16: Wohnsituation in den letzten sechs Monaten vor Betreuungsbeginn 44<br />

Tab. 17: Vermittelnde Instanzen 45<br />

Tab. 18: Definition pathologisches Spielverhalten nach ICD-10 und DSM-IV 51<br />

Tab. 19: Komorbide Störungen bei spielsüchtigen Patienten 53<br />

V


Tab. 20: ICD-10-Diagnose (Abhängigkeitssyndrom bzw. schädlicher Gebrauch)<br />

Nach Konsumart und Geschlecht (Mehrfachnennungen möglich, n=650) 56<br />

Tab. 21: Art der psychischen Störungen (Mehrfachnennungen möglich) 58<br />

Tab. 22: Konsumierte Substanzen 63<br />

Tab. 23: Hauptdiagnosen und zusätzliche Einzeldiagnosen 64<br />

Tab. 24: Sequenz für das Auftreten von pathologischem Spielverhalten<br />

und komorbiden Störungen 66<br />

Tab. 25: Multiple Teilnahme am Glücksspiel im zurückliegenden Jahr 79<br />

Tab. 26: Umsatz, Anzahl der Spieler und Umsatz pro Spieler bei Glücksspielen 82<br />

Tab. 27: Mess- und Bewertungsinstrument zur Abschätzung des<br />

Gefährdungspotentials verschiedener Formen des Glücksspiels 90<br />

Tab. 28: Problem verursachende Glückspielformen 94<br />

Tab. 29: Dokumentierte Spielformen – differenziert nach Einmal- bzw.<br />

Mehrfachkontakt (Mehrfachnennungen möglich) 98<br />

Tab. 30: Hauptspielformen (Mehrfachnennungen möglich) 99<br />

Tab. 31: Pathologische Spieler mit Angabe einer einzigen Hauptspielform – BMG 100<br />

Tab. 32: Pathologische Spieler mit Angabe einer einzigen Hauptspielform 101<br />

Tab. 33: Nutzung des Internets – Mehrfachnennungen 102<br />

Tab. 34: Nutzung des Internets – Einfachnennung 103<br />

Tab. 35: Nutzung des Internets zum Spielen 103<br />

Tab. 36: Online-Spiele (Mehrfachnennungen möglich) 104<br />

Tab. 37: Online-Spiel: nur ein Spiel wird gespielt 104<br />

Tab. 38: Online-Spiele: Zwei Spiele kombiniert 105<br />

Tab. 39: Online-Spiele: Drei unterschiedliche Spiele kombiniert 105<br />

Tab. 40: Verschiedene empirische Studien über den Vergleich pathologischer Spieler<br />

mit Kontrollgruppen hinsichtlich ihrer Sensationslust 110<br />

VI


Tab. 41: Durchschnittswerte (und Standardabweichungen) der Kontrollgruppe<br />

und der Spieler 112<br />

Tab. 42: Geschlecht und Verteilung der Spieldauer pro Woche 114<br />

Tab. 43: Altersverteilung (Missing: 7) 115<br />

Tab. 44: Schulbildung (Angaben in %) 116<br />

Tab. 45: Berufsausbildung (Angaben in %) 116<br />

Tab. 46: Bildungsabschluss im Gruppenvergleich 117<br />

Tab. 47: Alter beim ersten Glücksspielerlebnis 127<br />

Tab. 48: Erstes Glücksspielerlebnis – Spielformen (Mehrfachnennungen) 128<br />

Tab. 49: Ausgang erstes Glücksspielerlebnis – Gewinn oder Verlust 129<br />

Tab. 50: Alter bei Spielbeginn 131<br />

Tab. 51: Spielformen bei Spielbeginn – KlientInnen ambulanter Beratungsstellen 133<br />

Tab. 52: Spielformen bei Spielbeginn – Fokusgruppenteilnehmer 133<br />

Tab. 53: Spielformen, die regelmäßig gespielt wurden – KlientInnen ambulanter<br />

Beratungsstellen 135<br />

Tab. 54: Spielformen, die regelmäßig gespielt wurden – Fokusgruppenteilnehmer 135<br />

Tab. 55: Spielorte – KlientInnen ambulanter Beratungsstellen 136<br />

Tab. 56: Anzahl der Spieltage in den letzten 30 Tagen- KlientInnen der ambulanten<br />

Beratungsstellen 138<br />

Tab. 57: Anzahl der Spieltage in den letzten 30 Tagen vor Betreuungsbeginn nach<br />

Spielformen und Geschlecht (nur Mehrfachkontakte) 139<br />

Tab. 58: Alter bei Störungsbeginn – KlientInnen der ambulanten Beratungsstellen 141<br />

Tab. 59: Alter bei Störungsbeginn nach Spielformen und Geschlecht<br />

(nur Mehrfachkontakte) 142<br />

Tab. 60: Weitere SpielerInnen im sozialen Umfeld (Mehrfachnennung möglich) 144<br />

Tab. 61: Gesellschaftsspieler oder Einzelspieler 145<br />

VII


Tab. 62: Distanz in Jahren zwischen Störungsbeginn und Erstbetreuung<br />

(Aufsuchen des Modellprojekts bzw. der Beratungsstelle) – ohne<br />

Wiederaufnahmen und ohne Einmalkontakte 146<br />

Tab. 63: Typischer Spieltag – Angaben in Stunden 147<br />

Tab. 64: Stunden am Tag zu Höchstzeiten – KlientInnen ambulanter Beratungsstellen 148<br />

Tab. 65: Maximale Anzahl an Stunden an einem Tag 148<br />

Tab. 66: Durchschnittliche Anzahl an Spieltagen im Monat 149<br />

Tab. 67: Anzahl der spielfreien Phasen in den letzten 12 Monaten 151<br />

Tab. 68: Durchschnittliche Dauer dieser spielfreien Phasen 152<br />

Tab. 69: Negative Folgen des Glücksspiels (Mehrfachnennungen möglich) 155<br />

Tab. 70: Negative Folgen des Glücksspiels – KlientInnen ambulanter Beratungsstellen 156<br />

Tab. 71: Verschuldung 159<br />

Tab. 72: Höchster Tagesverlust – differenziert nach Spielform 162<br />

Tab. 73: Höchster Tagesverlust differenziert nach Spielform – KlientInnen ambulanter<br />

Beratungsstellen 162<br />

Tab. 74: Höchster Tagesverlust – KlientInnen ambulanter Beratungsstellen 163<br />

Tab. 75: Geliehenes Geld 163<br />

Tab. 76: Geborgtes Geld – von wem oder wo? 165<br />

Tab. 77: Rückkehr, um verlorenes Geld zurück zu gewinnen 165<br />

Tab. 78: Lügen bezüglich des Gewinns verbreitet 166<br />

Tab. 79: Bedeutung von Geld aus der Sicht der KlientInnen der ambulanten<br />

Beratungsstellen 181<br />

Tab. 80: Gründe, die zum Verzicht auf ein Lebensjahr führen würden 184<br />

Tab. 81: Ansichten der KlientInnen aus den ambulanten Beratungsstellen<br />

über eine „Roulette-Serie“ 196<br />

Tab. 82: Anzahl der Versuche, mit dem Spielen ohne fremde Hilfe aufzuhören 220<br />

VIII


Tab. 83: Anzahl, der Versuche ohne fremde Hilfe das Spielen zu beenden 220<br />

Tab. 84: Dauer der Abstinenz – KlientInnen ambulanter Beratungsstellen 222<br />

Tab. 85: Studien zur Behandlungsbereitschaft und / oder zum Inanspruchnahme-<br />

verhalten bei problematischem und / oder pathologischem Spielverhalten 223<br />

Tab. 86: Inanspruchnahme von Hilfen im Zusammenhang mit der persönlichen<br />

Glücksspielproblematik 228<br />

Tab. 87:Übersicht der Hilfen im Zusammenhang mit der Glücksspielproblematik<br />

(Mehrfachnennungen möglich) – sortiert nach Häufigkeit 229<br />

Tab. 88: Therapeutische Auflagen – Mehrfachnennungen 230<br />

Tab. 89: Auflage als Grundlage der Kontaktaufnahme 230<br />

Tab. 90: Inanspruchnahme von Hilfen im Zusammenhang mit substanzbezogenen<br />

Störungen 232<br />

Tab. 91: Wie sind Sie auf die Beratungsstelle aufmerksam geworden 233<br />

Tab. 92: Erfahrungen mit der Beratungsstelle 234<br />

Tab. 93: Verbot von Lottowerbung als sinnvolle Maßnahme 237<br />

Tab. 94: Verbot von Lottowerbung keine sinnvolle Maßnahme 239<br />

Tab. 95: Verbot von Glücksspielen im Internet sinnvoll 242<br />

Tab. 96: Verbot von Glücksspielen im Internet nicht sinnvoll 243<br />

Tab. 97: Maßnahmen, die getroffen werden sollten, damit andere Personen nicht<br />

Glücksspielsüchtig werden 246<br />

IX


Abbildungsverzeichnis<br />

Abb. 1: Pfadmodell problematischen <strong>Spielverhaltens</strong> 9<br />

Abb. 2.: Verteilung der Geschlechter (n=110) 22<br />

Abb. 3: Alter der Befragten ambulanter Beratungsstellen – gruppiert 24<br />

Abb. 4: Familienstand 27<br />

Abb. 5: Prävalenzschätzungen auf Grund epidemiologischer Studien 75<br />

Abb. 6: Teilnahme der deutschen Bevölkerung an Glücksspielen<br />

in dem zurückliegenden Jahr 79<br />

Abb.7: Teilnahme an Glücksspielen im Jahr 2007 und 2009<br />

(in Prozent der Bundesbürger) 83<br />

Abb. 8: Problemassoziierte Glücksspielformen bei Teilnehmern des Online<br />

Beratungsprogramms der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung 96<br />

Abb. 9: Modell der Entstehung süchtigen <strong>Spielverhaltens</strong> 107<br />

Abb. 10: Beziehung zwischen Erregung und Emotionen 109<br />

Abb. 11: Gibt es in Ihrem Umfeld weitere Personen, die spielen? 143<br />

Abb. 12: Häufigkeit, mit der das letzte Geld verspielt wurde (n=437) 157<br />

Abb. 13: Spielschulden vor dem Besuch der Selbsthilfegruppe (n=437)<br />

nach Meyer (1989), von stationär behandelten Glücksspielern (n=57)<br />

nach Schwarz und Lindner (1990) und von Beratungssuchenden (n=558)<br />

nach Denzer et al. (1995) 158<br />

Abb. 14: Verschuldung, Angaben in Prozent 159<br />

Abb. 15: Verschuldung der KlientInnen ambulanter Beratungsstellen (n=105) 160<br />

Abb. 16: Risikobereitschaft der in Deutschland lebenden Bevölkerung 186<br />

Abb. 17: Risikobereitschaft der KlientInnen aus den ambulanten Beratungsstellen 187<br />

XI


Abb. 18: Risikobereitschaft der in Deutschland lebenden Bevölkerung nach Alter<br />

und Geschlecht 188<br />

Abb. 19: Hyperbolische vs. exponentielle Diskontierung 190<br />

Abb. 20: Präferenzen der KlientInnen aus den ambulanten Beratungsstellen: sofortige<br />

Barauszahlung vs. möglicher künftiger Lotteriegewinn 192<br />

Abb. 21: Präferenzen der KlientInnen aus den ambulanten Beratungsstellen: sofortige<br />

Barauszahlung vs. Auszahlung <strong>eines</strong> höheren Betrages in einem Monat 193<br />

Abb. 22: Präferenzen der KlientInnen aus den ambulanten Beratungsstellen:<br />

Auszahlung in 12 vs. in 13 Monaten 194<br />

Abb. 23: Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention 198<br />

Abb. 24: Programme „Eigenständig werden“ und „Klasse2000“<br />

für Klasse 1 bis 4 200<br />

Abb. 25: Kampagnen informieren zu Glücksspiel und Sucht 203<br />

Abb. 26: Beispiele für präventive Maßnahmen 213<br />

XII


1 Einleitung<br />

Der vorliegende Projektbericht stellt die Ergebnisse einer schriftlichen Befragung vor. Die<br />

Befragung richtete sich an KlientInnen ambulanter Beratungsstellen innerhalb Baden-<br />

Württembergs, die wegen <strong>pathologischen</strong> Glücksspiels Hilfe in Anspruch genommen hatten.<br />

Diese Ergebnisse werden durch die Resultate einer strukturierten Gruppendiskussion<br />

(Fokusgruppe) ergänzt. Die Gesamtergebnisse werden in den aktuellen Kontext eingebettet<br />

und mit bisherigen Forschungsergebnissen verglichen.<br />

Zusätzlich schließt der vorliegende Bericht die wesentlichen Ergebnisse aus dem<br />

Projektbericht „Prävention und Früherkennung von Glücksspielsucht“ mit ein. Dieser Bericht,<br />

der im Dezember 2009 dem Ministerium für Arbeit und Soziales Baden-Württemberg<br />

vorgelegt wurde, erläutert das theoretische Fundament der späteren schriftlichen Befragung.<br />

Um effiziente und zielführende Präventions- und Therapiemaßnahmen entwickeln und<br />

bewerten zu können, sollte die Bedeutung verschiedener Typen von Spielern für die<br />

<strong>Entwicklung</strong> <strong>eines</strong> <strong>pathologischen</strong> <strong>Spielverhaltens</strong> berücksichtigt werden. Kapitel 2 stellt<br />

daher verschiedene Typen von Glücksspielern vor.<br />

Kapitel drei des vorliegenden Berichts erläutert die Kriterien für die <strong>Entwicklung</strong> des<br />

Fragebogens sowie der qualitativen Befragung und wie diese beiden Untersuchungen jeweils<br />

durchgeführt wurden. Auch werden der Rücklauf und die Erfassung der Fragebögen<br />

dokumentiert. Die Ergebnisse werden in den nachfolgenden Kapiteln ausführlich dargestellt.<br />

Im vierten Kapitel erfolgt die Vorstellung der soziodemographischen Daten der Befragten.<br />

Das Wissen um den sozialen Kontext der Befragten lässt Rückschlüsse auf Faktoren zu, die<br />

das Entstehen von pathologischem Glücksspiel begünstigen. Weiter ist es wichtig, Geschlecht<br />

und Alter der Befragten zu kennen, um gezielt Präventions- und Therapiemaßnahmen<br />

anbieten zu können.<br />

Die gängigsten Mess- und Bewertungsinstrumente, die problematisches oder pathologisches<br />

Glücksspiel zu erkennen und den Schweregrad des <strong>Spielverhaltens</strong> bestimmen helfen, werden<br />

im fünften Kapitel des vorliegenden Berichtes vorgestellt. In einem weiteren Schritt werden<br />

die komorbiden Störungen bei <strong>pathologischen</strong> Spielern und Spielerinnen aufgezeigt.<br />

Anschließend werden die Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge verschiedener Störungen<br />

1


thematisiert. Weiter geben Prävalenzschätzungen Auskunft über die Zahl der <strong>pathologischen</strong><br />

Spieler und Spielerinnen in Deutschland.<br />

Das Suchtgefährdungspotential der verschiedenen Glücksspielformen ist unterschiedlich. Vor<br />

diesem Hintergrund werden in Kapitel 6 die Merkmale der einzelnen Formen aufgezeigt.<br />

Dazu gehören die Ereignisfrequenz und das Auszahlungsintervall, die Einsatz- und<br />

Gewinnstruktur, die persönliche Beteiligung, kognitive Irrtümer, die Verfügbarkeit und die<br />

sensorische Produktgestaltung. Durch das hohe Angebot an unterschiedlichen Glücksspielen<br />

im Internet ist es ferner von Interesse zu erfahren, welche Auswirkungen die verschiedenen<br />

Online-Glücksspiele auf das Spielverhalten haben, und wie die Befragten das Internet nutzen.<br />

Das Wissen über Faktoren, die pathologisches Glücksspiel begünstigen, ist notwendig, um<br />

möglichst früh präventiv arbeiten bzw. eingreifen zu können. In Kapitel 7 werden<br />

prädisponierende Faktoren anhand vorliegender Studien erläutert. Dabei werden sowohl die<br />

Merkmale des Individuums als auch solche der Umwelt vorgestellt und diskutiert.<br />

In Kapitel 8 „Spielerkarriere“ gilt es, sowohl Kenntnisse über das Einstiegsglücksspiel als<br />

auch den Wechsel zu anderen Glücksspielformen darzulegen. Hierbei ist zu klären, mit<br />

welchem Spiel und an welchem Ort die Betroffenen das Spielen begonnen bzw. beendet<br />

haben. Da Spielerkarrieren ein Produkt von Veranlagung, Erziehung und sozialer sowie<br />

kultureller Umwelt sind, wird das Spielerumfeld der Befragten diskutiert.<br />

In Kapitel 9 werden die sozialen negativen Konsequenzen des <strong>pathologischen</strong> Glücksspiels<br />

behandelt. Besondere Schwerpunkte liegen auf den Themenkomplexen finanzielle Probleme<br />

und Verschuldung, Beschaffungskriminalität, emotionale Belastung bis hin zum Suizid sowie<br />

auf den Auswirkungen auf den Familien- und Freundeskreis.<br />

Ergänzend hierzu wird in Kapitel 10 dargestellt, welche Bedeutung Geld für pathologische<br />

Spieler und Spielerinnen einnimmt. Da Glücksspiele sich immer um Gewinn und Verlust<br />

drehen, liegt die Interpretation nahe, dass Geld für pathologische Spieler einen besonderen<br />

Stellenwert hat.<br />

2


Zu den Persönlichkeitsmerkmalen, die <strong>pathologischen</strong> Glücksspielern zugeschrieben werden,<br />

zählen eine erhöhte Risikobereitschaft sowie ein erhöhtes Stimulationsbedürfnis (sensation<br />

seeking). Diese werden in Kapitel 11 beschrieben. Untersuchungen zum Diskontierungsverhalten<br />

und zum Vorliegen kognitiver Irrtümer gehören ebenfalls in diesen Themenkomplex.<br />

Das darauf folgende Kapitel 12 untergliedert die Prävention in primäre, sekundäre und tertiäre<br />

bzw. universelle, selektive und indizierte Prävention und geht auf die jeweiligen Maßnahmen<br />

und Möglichkeiten ein.<br />

Kapitel 13 setzt sich mit der Versorgungsforschung auseinander. Es werden die<br />

Abstinenzversuche der Befragten thematisiert und aufgezeigt, welche Faktoren eine Rolle bei<br />

der Inanspruchnahme formeller Hilfen spielen. Des Weiteren wird aufgezeigt, wie die<br />

befragten Glücksspieler und -spielerinnen zu den jeweiligen Beratungsstellen Zugang<br />

gefunden haben und welche Erfahrungen sie mit diesen gemacht haben. Auch werden<br />

mögliche Präventionsmaßnahmen bewertet und gewünschte Maßnahmen aus Sicht der<br />

KlientInnen ambulanter Beratungsstellen thematisiert.<br />

Der vorliegende Projektbericht endet mit einem Ausblick in Kapitel 14. Es wird aufgezeigt,<br />

was in den letzten beiden Teilen des Forschungsprojektes untersucht wurde und welche<br />

Absicht die Forschungsstelle Glücksspiel in einem dritten Teil hat, um anschließend<br />

unterschiedliche Handlungsempfehlungen aussprechen zu können, die dazu beitragen sollen,<br />

dem <strong>pathologischen</strong> Glücksspiel effektiv zu begegnen und dessen sozial schädlichen Folgen<br />

zu begrenzen.<br />

Diese Studie wurde erst durch die finanzielle Förderung des Ministeriums für Arbeit und<br />

Sozialordnung, Familien und Senioren Baden-Württemberg ermöglicht. Wir bedanken uns<br />

beim Sozialministerium Baden-Württemberg sowie allen teilnehmenden Psychosozialen<br />

Beratungsstellen in Baden-Württemberg – und freuen uns auf eine weitere Zusammenarbeit.<br />

Besonderer Dank gilt allen teilnehmenden Klienten und Klientinnen der ambulanten<br />

Beratungsstellen sowie allen anderen beteiligten Helfern und Helferinnen im Bereich der<br />

Koordination und Kommunikation.<br />

3


2 Verschiedene Typen von Glücksspielern<br />

Eine Typologie <strong>pathologischen</strong> Glücksspielverhaltens kann nach unterschiedlichen<br />

Störungsmodellen erfolgen. Daran anknüpfend ergeben sich für Präventionsmaßnahmen<br />

unterschiedliche Herangehensweisen und für die klinische Praxis unterschiedliche<br />

Behandlungsmodelle. Im Wesentlichen lassen sich zwei Positionen ausmachen: Vertreter von<br />

Suchtmodellen, denen das pathologische Glücksspielen als stoffungebundene Sucht gilt,<br />

sowie Vertreter von Modellen, die pathologisches Spielen als Symptom einer neurotischen<br />

Störung klassifizieren. 1<br />

Pathologisches Glücksspiel ist in den internationalen Klassifikationssystemen psychischer<br />

Störungen unter der Rubrik Impulskontrollstörung eingeordnet; seine diagnostischen Kriterien<br />

wurden jedoch in Anlehnung an die Kriterien der stoffgebundenen Sucht formuliert. 2<br />

2.1 Pathologisches Glücksspiel als stoffungebundene Sucht<br />

In der Wissenschaft wird Glücksspielsucht von vielen Forschern als stoffungebundene Sucht<br />

verstanden. Gemäß Suchtmodell wird in Übereinstimmung zur Abhängigkeit von<br />

psychotropen, also die Psyche des Menschen beeinflussenden Substanzen davon<br />

ausgegangen, dass auch eine Verhaltensweise wie Glücksspielen, das mit starken<br />

Belohnungseffekten verbunden ist, in einem vorrangig durch Kontrollverlust gekennzeichneten<br />

süchtigen Verhalten gipfeln kann. 3<br />

Studien, die Glücksspielsucht in Zusammenhang mit Alkohol- und Drogenabhängigkeit<br />

untersuchten, ergaben, dass pathologisches Glücksspielverhalten und Alkoholabhängigkeit<br />

gleichen Prozessen unterliegen. 4 Die Schlussfolgerung liegt nahe, dass therapeutische<br />

Strategien, die bei substanzbedingten Abhängigkeiten effektiv sind, etwa Stimulus- und<br />

Fremdkontrolle, auch bei pathologischem Glücksspiel greifen müssten. Zusätzlich zum<br />

1<br />

Sonntag, D. (2005), Risikofaktoren und Verlauf des problematischen Glücksspielverhaltens an Geldspielautomaten,<br />

S. 54.<br />

2<br />

Mörsen, C. P.; Löffler, G. (2008), Glückspielsucht. In: Psychotherapeutenjournal, S. 217.<br />

3<br />

Albrecht, U.; Grüsser-Sinopoli, S. M. (2004), Glücksspiele: Casino, Lotto, Sportwetten – Formen einer<br />

stoffungebundenen Sucht? In Suchtmed 6 (2), S. 150.<br />

4<br />

Sonntag, D. (2005), Risikofaktoren und Verlauf des problematischen Glücksspielverhaltens an Geldspielautomaten,<br />

S. 57.<br />

4


vielfach untersuchten und festgestellten Zusammenhang zwischen pathologischem<br />

Glücksspiel und dem Konsum von Substanzen belegen zahlreiche Studien die Beziehung zu<br />

affektiven und Angststörungen (siehe auch Kapitel 5.2 und 13.4). Demnach scheint ein<br />

Zusammenhang zwischen Depression und problematischem Glückspiel gesichert. 5<br />

Zusammenfassend ist anzumerken, dass komorbide Störungen in der Form von Depression<br />

und Substanzkonsum offensichtlich existieren, jedoch kein eindeutiger Ursache-Wirkungs-<br />

Zusammenhang zwischen den Störungen feststellbar ist. So können komorbide Störungen<br />

pathologisches Glücksspielverhalten einerseits begünstigen oder auslösen; andererseits sind<br />

sie auch als Folge des <strong>pathologischen</strong> Spielens denkbar (siehe auch Kapitel 5.3). Weitere<br />

Überlegungen gehen dahin, dass sowohl pathologisches Glücksspielverhalten als auch<br />

komorbide Störungen durch eine dritte Variable ausgelöst werden könnten. 6<br />

2.2 Pathologisches Glückspiel als Symptom einer neurotischen Störung<br />

Für Vertreter des Neurosemodells ist pathologisches Glücksspiel eine Konsequenz (d. h. ein<br />

Symptom) zugrunde liegender Probleme, Konflikte oder psychischer Störungen. 7 Hand<br />

unterscheidet zwischen positiver und negativer Verstärkung. Zu den positiven Motivatoren<br />

zählen Spaß am Spiel, Stimulation bei Langeweile sowie eine spontane Bedürfnisbefriedigung;<br />

negative Verstärkung bezieht sich auf die Vermeidung negativer Befindlichkeiten<br />

wie etwa Angst, Depressionen, Schuldgefühlen sowie die Abreaktion von<br />

Aggressionen. Daraus leiten sich unterschiedliche Behandlungsmethoden ab: Pathologische<br />

Glücksspieler mit überwiegend positiver Verstärkung benötigen laut Hand „Psychoedukation<br />

und kognitive Interventionen zur Beseitigung ihrer Fehlannahmen über Glücksspielen und<br />

über die eigene Person“, solche mit negativer Verstärkung „ursachenbezogene Interventionen<br />

und die Vermittlung von Copingstrategien für den Umgang mit negativen Befindlichkeiten“. 8<br />

5 Bazargan, M., Bazargan, S., Akanda, M. (2001), Gambling among aged African Americans. In: Clinical<br />

Gerontologist, S. 51-62.<br />

Beaudoin, C. M.; Cox, B. J. (1999), Characteristics of problem gambling in a Canadian context. In: Canadian<br />

Journal of Psychiatry, S. 483-487.<br />

Bergh, C.; Kuhlhorn, E. (1994), Social, Psychological and Physical Consequences of Pathological Gambling<br />

in Sweden. In: Journal of Gambling Studies, S. 275-285.<br />

6 Sonntag, D. (2005), Risikofaktoren und Verlauf des problematischen Glücksspielverhaltens an<br />

Geldspielautomaten, S. 51.<br />

7 Blaszczynski, A.; Nover, L. (2002), A pathways model of problem and pathological gambling. In: Addiction,<br />

S. 487-499.<br />

8 Hand, I. (2004), Negative und positive Verstärkung bei pathologischem Glücksspielen. In: Verhaltenstherapie<br />

5


Für Spieler mit positiver und negativer Verstärkung empfiehlt Hand eine „multimodale<br />

Therapieplanung“. 9<br />

Bereits Bühringer schlägt vor, „die beiden globalen Störungsmodelle Sucht oder Neurose<br />

aufzugeben“. 10 Zeige sich bei der Therapie, dass das Neurosemodell dem jeweiligen Patienten<br />

angemessener ist, sollte dieses verfolgt werden. Wenn das symptomatische Verhalten eher als<br />

eine autonome Handlungskontrollstörung eingeordnet werden könne, seien therapeutische<br />

Strategien aus dem Bereich der substanzbezogenen Störungen mit einer Abhängigkeitsdiagnose<br />

indiziert. 11<br />

2.3 Die therapeutische und klinische Praxis<br />

Die Spitzenverbände der Krankenkassen und Rentenversicherungsträger verabschiedeten im<br />

März 2001 die „Empfehlungen für die medizinische Rehabilitation bei pathologischem<br />

Glücksspielen“. 12 Demnach handelt es sich bei pathologischem Glücksspiel um ein<br />

eigenständiges Krankheitsbild innerhalb der psychischen Störungen. Diese Empfehlungen<br />

regeln die Finanzierung ambulanter und stationärer Behandlungen und sie dienen zur<br />

Festlegung von Qualitätsstandards für Beratungsstellen und Fachkliniken.<br />

Bei der klinischen Zuweisung wird von zwei Gruppen pathologischer Glücksspieler<br />

ausgegangen. Die Einstufung beruht auf einer clusteranalytischen Untersuchung von Petry: 13<br />

narzisstisch-persönlichkeitsgestörter Typ<br />

Diese Patienten weisen eine hohe Affinität zu Suchtkranken auf; daher bietet sich eine<br />

Behandlung in einer Suchtfacheinrichtung an.<br />

2004, S. 133-144.<br />

9 Hand, I. (2004), Negative und positive Verstärkung bei pathologischem Glücksspielen. In:<br />

Verhaltenstherapie, S. 133-144.<br />

10 Bühringer, G. (2004), Wenn Arbeiten, Einkaufen oder Glücksspielen pathologisch eskalieren. In: Verhaltens-<br />

therapie, S. 87.<br />

11 Bühringer, G. (2004), Wenn Arbeiten, Einkaufen oder Glücksspielen pathologisch eskalieren. In: Verhaltens-<br />

therapie, S. 87.<br />

12 Vgl. „Empfehlungen der Spitzenverbände der Krankenkassen und Rentenversicherungsträger für die<br />

medizinische Rehabilitation bei Pathologischem Glücksspielen“,<br />

(http://www.dhs.de/web/daten/Empfehlungsvereinbarung_Pathologisches_Gluecksspiel.pdf).<br />

13 Petry, J. (2001), Vergleichende Psychopathologie von stationär behandelten „Pathologischen Glücksspielern“.<br />

In: Zeitschrift für Klinische Psychologie, S. 123-135.<br />

6


depressiv-neurotischer Typ<br />

Diese Personen weisen eine hohe Affinität zu psychosomatisch Erkrankten auf. In der<br />

Konsequenz empfiehlt sich eine Behandlung in einer psychosomatischen<br />

Facheinrichtung.<br />

Die zahlenmäßig größere Gruppe der Glückspielsüchtigen wird dem zweiten Typ zugeordnet.<br />

Zur Unterscheidung beider Gruppen tragen die folgende Merkmale bei: 14<br />

In der ersten Gruppe sind häufiger zu finden:<br />

Merkmale einer (insbesondere narzisstischen) Persönlichkeitsstörung,<br />

fortgeschrittene Glücksspielproblematik mit suchttypischer Eigendynamik,<br />

Straffälligkeit,<br />

verminderte Verhaltenskontrolle als Hinweis auf eine gestörte Impulskontrolle.<br />

In der zweiten Gruppe sind häufiger vertreten:<br />

Merkmale einer depressiv-neurotischen Störung oder einer Persönlichkeitsstörung<br />

vom selbstunsicheren / vermeidenden Typ,<br />

Suizidgefährdung,<br />

hoher Leidensdruck,<br />

umschriebener Konfliktfokus, bei dem das Glücksspielverhalten als Reaktion auf eine<br />

Belastungssituation oder als neurotischer Konfliktlösungsversuch zu verstehen ist.<br />

Je nach Zuweisung <strong>eines</strong> Patienten zu einem Typ ergeben sich unterschiedliche Folgen für die<br />

Therapie: Gemäß dem Suchtmodell wird vom Patienten von Beginn einer Therapie an<br />

absolute Abstinenz gefordert. Bei einer Ausrichtung am Neurosemodell ist eine Behandlung<br />

der zugrunde liegenden konfliktreichen Bedingungen, nach Hand vor allem die negative<br />

Befindlichkeit und Depressionen, von Bedeutung. Hand geht davon aus, dass das Spielen für<br />

den Einzelnen unterschiedliche Zwecke erfüllt. Abstinenz wird daher nur unter bestimmten<br />

Voraussetzungen als weiteres Ziel zu den verhaltenstherapeutischen Zielen einbezogen. 15<br />

14 Vgl. „Empfehlungen der Spitzenverbände der Krankenkassen und Rentenversicherungsträger für die<br />

medizinische Rehabilitation bei Pathologischem Glücksspielen“,<br />

(http://www.dhs.de/web/daten/Empfehlungsvereinbarung_Pathologisches_Gluecksspiel.pdf).<br />

15 Sonntag, D. (2005), Risikofaktoren und Verlauf des problematischen Glücksspielverhaltens an Geldspiel-<br />

7


2.4 Weitere Klassifizierungen<br />

Moran nimmt eine ursachenbezogene Differenzierung pathologischer Spieler vor und<br />

unterscheidet zwischen<br />

subkulturellem Glücksspiel, das vor dem Hintergrund exzessiven Spielens im sozialen<br />

Umfeld entsteht,<br />

neurotischem Glücksspiel als eine Reaktion auf eine Stresssituation oder ein<br />

emotionales Problem,<br />

impulsivem Glücksspiel, das durch einen Kontrollverlust bei einer Tendenz zu<br />

spontanen Reaktionen und eine ambivalente Einstellung zum Spielen gekennzeichnet<br />

ist,<br />

psychopatischem Glücksspiel, das als Teil einer grundlegenden Persönlichkeitsstörung<br />

entsteht,<br />

symptomatischem Glücksspiel, das auf eine schwere psychische Störung (häufig<br />

Depressionen) zurückzuführen ist.<br />

Bei allen Typen ist eine psychische Abhängigkeit auszumachen, die beim impulsiven Typ am<br />

stärksten und beim subkulturellen Typ am geringsten ausgeprägt ist. 16<br />

Blaszczynski und Nower (2002) unterscheiden drei Typen von Spielern und entwickeln<br />

hiervon ausgehend ein Pfadmodell, welches die Zusammenhänge und Beziehungen<br />

zueinander darstellt. Der erste Typ ist der verhaltenskonditionierte Problemspieler, der zweite<br />

Typ ist der emotionale, verletzliche Problemspieler und der letzte Typ ist der impulsive,<br />

unsoziale Problemspieler. 17 Abbildung 1 zeigt das Pfadmodell nach Blaszczynski.<br />

automaten, S. 60.<br />

16<br />

Moran, E. (1970b), Varieties of pathological gambling. In: British Journal of Addiction, S. 593-597 sowie<br />

Moran, E. (1970c), Gambling as a form of dependence. In: British Journal of Addiction, S. 419-428.<br />

17<br />

Blaszczynski A., Nower, L. (2002), A pathways model of problem and pathological gambling. In: Addiction,<br />

S. 492 ff.<br />

8


Abb. 1: Pfadmodell problematischen <strong>Spielverhaltens</strong><br />

Quelle: Blaszczynski A.; Nower, L. (2002).<br />

Alle drei Pfade beginnen mit der Verfügbarkeit und dem Zugang von Glücksspielen. Die<br />

subjektive, positiv empfundene Aufregung führt zu einer freudigen Erwartung. Das<br />

Spielverhalten wird zusätzlich von negativen Einwirkungen, wie Ängsten, Depressionen,<br />

Langeweile und Stress aufrechterhalten oder sogar verstärkt. 18 Hieraus entwickelt sich eine<br />

18<br />

Blaszczynski A., Nower, L. (2002), A pathways model of problem and pathological gambling. In: Addiction,<br />

S. 492 f.<br />

9


Gewohnheit, die sich zu einem zwanghaften Drang entwickelt. Durch die steigenden Verluste<br />

beginnt der Spieler seinem Geld „hinterherzujagen“ und gelangt so in einen Teufelskreis. 19<br />

Der Spielertyp auf Pfad 1, also der verhaltenskonditionierte Problemspieler, schwankt<br />

zwischen regelmäßigem und exzessivem Spielen hin und her. Er beschäftigt sich mit<br />

Glücksspielen, jagt Verlusten hinterher, konsumiert übermäßig Alkohol und verfällt in<br />

Depressionen und Ängste aufgrund der finanziellen Belastungen. Der Eintritt in diese<br />

Subgruppe kann mit jedem Alter und durch Familienmitglieder oder nahe stehenden Personen<br />

erfolgt sein. Blaszczynski beurteilt diesen Spielertyp als am wenigsten pathologisch im<br />

Vergleich zu anderen Spielern. 20<br />

Der emotionale, verletzliche Spielertyp auf dem zweiten Pfad hat zusätzlich Ängste und / oder<br />

Depressionen, einen negativen familiären Hintergrund oder eine allgemeine negative<br />

Vergangenheit. Diese Faktoren verstärken das problematische Spielverhalten. 21<br />

Wie der zweite Spielertyp hat auch der zur dritten Subgruppe zugehörige Spieler eine<br />

psychosoziale und biologische Anfälligkeit für das pathologische Spielen. Dieser Typ ist<br />

jedoch impulsiver und weist unsoziale Züge auf. Charakteristisch für diese Gruppe sind<br />

wenige zwischenmenschliche Beziehungen, exzessiver Alkohol- oder Drogenkonsum und<br />

spielunabhängige Kriminalität. Spieler dieser Kategorie sind wenig motiviert, Hilfe<br />

aufzusuchen und sind therapieresistenter als Spieler, die sich den beiden anderen Gruppen<br />

zuordnen lassen. 22<br />

19 Blaszczynski A., Nower, L. (2002), A pathways model of problem and pathological gambling. In: Addiction,<br />

S. 492 f.<br />

20 Blaszczynski A., Nower, L. (2002), A pathways model of problem and pathological gambling. In: Addiction,<br />

S. 492.<br />

21 Blaszczynski A., Nower, L. (2002), A pathways model of problem and pathological gambling. In: Addiction,<br />

S. 492 f.<br />

22 Blaszczynski A., Nower, L. (2002), A pathways model of problem and pathological gambling. In: Addiction,<br />

S. 494.<br />

10


2.5 Typologisierung des gesamten Spieler-Spektrums<br />

Eine Differenzierung des gesamten Spieler-Spektrums stammt ursprünglich von Rosenthal<br />

(1989) und findet sich in modifizierter Form bei Bachmann und Mayer (2005) wieder. Es<br />

wird zwischen sozialen, professionellen sowie problematischen <strong>pathologischen</strong> Spielern<br />

unterschieden, wobei das Spielverhalten als zunehmend problematisch einzuschätzen ist. Die<br />

größte Gruppe bilden Gelegenheits- oder soziale Spieler, die gelegentlich spielen und deren<br />

Spielverhalten als nicht auffällig und somit unproblematisch einzustufen ist. Darauf folgt eine<br />

sehr kleine Gruppe von professionellen Spielern, die ihren Lebensunterhalt mit Glücksspiel<br />

bestreiten, Glücksspiel dabei gewissermaßen zu ihrem Beruf geworden ist. Das Spielen bieten<br />

ihnen ansonsten keine Reize. Deutliche Probleme im Umgang mit dem Glücksspiel lassen<br />

sich bei den problematischen Spielern erkennen. Die Funktion des Spielens geht schon über<br />

r<strong>eines</strong> Freizeitvergnügen hinaus, die Spieler sind in einer Übergangsphase, es hat sich<br />

allerdings noch keine Eigendynamik in Form <strong>eines</strong> ausgeprägten Suchtverhaltens entwickelt.<br />

Bei <strong>pathologischen</strong> Spielern sind dagegen folgenschwere Probleme im Umgang mit<br />

Glücksspiel festzustellen. 23<br />

23 Meyer, G.; Bachmann, M. (2005), Spielsucht, S. 51.<br />

11


3 Methodische Vorgehensweise<br />

Im vorliegenden Kapitel wird zunächst der Fragebogen vorgestellt, der an die KlientInnen<br />

ambulanter Beratungsstellen in Baden-Württemberg ausgehändigt wurde. Es werden die<br />

wichtigsten Themenbereiche kurz angerissen. Anschließend werden der Rücklauf sowie die<br />

Auswertung dieser Fragebögen thematisiert. Im nächsten Schritt werden die drei Fokusgruppendiskussionen<br />

dargestellt, die seit 2009 von der Forschungsstelle Glücksspiel<br />

vorgenommen wurden. Abschließend wird das Modellprojekt des Bundesministeriums für<br />

Gesundheit (BMG) „Frühe Intervention beim Pathologischen Glücksspiel“ (2010) vorgestellt.<br />

Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung können teilweise mit den Ergebnissen des<br />

Bundesmodellprojektes verglichen werden. Im weiteren Verlauf der Arbeit werden noch<br />

weitere Studien (u. a. das Projekt PAGE sowie die Deutsche Suchthilfestatistik (DSHS 2009))<br />

zum Vergleich herangezogen, die dann im jeweiligen Kapitel kurz skizziert werden.<br />

3.1 Fragebogendesign sowie dessen Verteilung an die ambulanten Beratungsstellen<br />

in Baden-Württemberg<br />

Die theoretischen Grundlagen der Fragebogenentwicklung wurden bereits ausführlich im<br />

Abschlussbericht „Prävention und Früherkennung von Glücksspielsucht“ behandelt. 24<br />

Die einzelnen Fragen sprechen verschiedene Bereiche an, die zentrale Themen der aktuellen<br />

Glücksspielforschung darstellen. Dazu zählen im Einzelnen:<br />

Komorbiditäten<br />

Pathologische Spieler weisen häufig weitere Abhängigkeiten auf, etwa von Nikotin<br />

bzw. Alkohol.<br />

Spielerkarriere, Spielerumfeld und -umgebung<br />

Um effektive Präventionsmaßnahmen entwickeln zu können, sind Kenntnisse über so<br />

genannte Spielerkarrieren grundlegend: In welchem Alter, mit welchem Spiel und an<br />

welchem Spielort haben pathologische Spieler und Spielerinnen mit dem Spiel<br />

24 Becker, T. et al. (2009), Prävention und Früherkennung von Glücksspielsucht,<br />

(http://gluecksspiel.uni-hohenheim.de/fileadmin/einrichtungen/gluecksspiel/Forschung/<br />

Praevention_und_Frueherkennung_von_Gluecksspielsucht_Endversion.pdf).<br />

12


egonnen? Aus einem Treffen mit mehreren psychosozialen Beratungsstellen stammt<br />

die Anregung, nach dem ersten Spielerlebnis zu fragen, das von nahezu allen<br />

KlientInnen als prägend erfahren wurde. 25<br />

Weitere Fragen beziehen sich auf das soziale Umfeld: Spielen auch Familie, Freunde<br />

und / oder Bekannte? Schätzen die Spieler und Spielerinnen während des Spielens<br />

Gesellschaft, oder bleiben sie lieber für sich allein?<br />

Online-Verhalten<br />

Die Frage, ob es sich bei Teilnehmenden an Online-Glücksspielen um eine eigene<br />

Gruppe handelt oder ob Glücksspiele im Internet von <strong>pathologischen</strong> SpielerInnen als<br />

weitere, zusätzliche Spielmöglichkeit wahrgenommen werden, ist in der wissenschaftlichen<br />

Diskussion noch nicht geklärt.<br />

Einstellung zu Geld<br />

Bislang existieren nur wenige wissenschaftliche Untersuchungen zur Einstellung von<br />

Glücksspielern und -spielerinnen zu Geld, was überrascht, da Gewinn und Verlust ein<br />

zentrales Merkmal von Glücksspielen sind. Berichte aus der Praxis 26 legen nahe, dass<br />

viele pathologische SpielerInnen den Umgang mit Geld nicht richtig erlernt haben,<br />

weil sie in ihrer Kindheit und Jugend entweder über einen scheinbar grenzenlosen<br />

Vorrat oder über gar kein Geld verfügen konnten. Auch Schilderungen von<br />

Betroffenen selbst legen nahe, dass pathologische Spieler und Spielerinnen eine<br />

besondere Einstellung zu Geld haben. Während <strong>eines</strong> Treffens bei der Evangelischen<br />

Gesellschaft Stuttgart e. V. bezeichnete ein ehemaliger Spieler nicht sein favorisiertes<br />

Spiel als „Suchtmittel“, sondern das Geld an sich. 27 Weiter stellt sich die Frage, ob es<br />

<strong>pathologischen</strong> Spielern um Geld als solches oder um den Wunsch nach damit<br />

verbundenen Prestige oder Macht geht. 28<br />

25 Infoveranstaltung zur Glücksspielforschung, 22.07.2010, Haus der Katholischen Kirche Stuttgart.<br />

26 Hammer-Scheuerer, P.; Storch-Hofmann, E. (2010), Vortrag „Eine Technik zum Geldmanagement“ auf<br />

„Glück-Spiel-Sucht, 22. Jahrestagung des Fachverbandes Glücksspielsucht e. V.”, 02. bis 03.12.2010,<br />

Leipzig.<br />

27 Spielerabend bei der Evangelischen Gesellschaft Stuttgart e. V., 16.09.2009.<br />

28 Blaszczynski, A.; Nower, L. (2010), Instrumental tool or drug: Relationship between attitudes to money and<br />

problem gambling. In: Addiction Research and Theory, 18(6), S. 681-691.<br />

13


Sensationslust (Sensation Seeking)<br />

Ende der 90er-Jahre beschrieb Zuckerman pathologische Glücksspieler als Personen,<br />

die sich durch eine hohe Sensationslust auszeichneten. 29 Obwohl zahlreiche spätere<br />

Studien diese These widerlegen, 30 ist die Sensationslust pathologischer Spieler<br />

weiterhin Gegenstand der Forschung. Sie wird mit dem Messinstrument Sensation<br />

Seeking Scale erhoben, das einen Bestandteil des Fragebogens bildet.<br />

Risikoverhalten<br />

Glücksspiel wird von einigen Forschern als eine Form der Risikosuche betrachtet. 31<br />

Unter den <strong>pathologischen</strong> Spielern und Spielerinnen dürfte sich nach dieser These ein<br />

erhöhter Anteil an Menschen mit hoher Risikobereitschaft finden (im Vergleich zur<br />

Gesamtbevölkerung).<br />

Hyperbolische Diskontierung<br />

Die hyperbolische Diskontierung fragt danach, welcher Wert einem bestimmten<br />

Ereignis in Abhängigkeit vom Zeitpunkt des Eintreffens beigemessen wird. Bei der<br />

exponentiellen Diskontierung findet eine konstante, also gleichmäßige, „Umbewertung“<br />

statt; bei der hyperbolischen Diskontierung verändert sich das Maß (auch<br />

„Zinssatz“), zu dem ein Ereignis auf- bzw. abgewertet wird. Nach einer Studie von<br />

Petry bewerten pathologische Spieler die gleiche (hypothetische) Summe bei einer<br />

späteren Auszahlung niedriger als Probanden der Vergleichsgruppe. 32<br />

Kognitive Irrtümer<br />

Studien stellen bei <strong>pathologischen</strong> SpielerInnen häufig kognitive Irrtümer fest. So<br />

waren diese beispielsweise überdurchschnittlich häufig der Ansicht, den Spielverlauf<br />

beeinflussen, steuern oder vorhersagen zu können (Stichwort Kontrollillusion). Eine<br />

solche Kontrollillusion scheint bei Teilnehmern an Geschicklichkeitsspielen (z. B.<br />

Sportwetten) stärker verbreitet zu sein als etwa bei Lotteriespielern. 33<br />

29<br />

Zuckerman, M. (1999), Vulnerability to psychopathology. A biosocial model. Washington, DC: American<br />

Psychological Association.<br />

30<br />

S. Zusammenfassung bei Meyer, G.; Bachmann, M. (2000), Spielsucht – Ursachen und Therapie, S. 72.<br />

31<br />

Mishra, S.; Lalumière, M. L.; Williams, R. J. (2010), Gambling as a form of risk-taking: Individual<br />

differences in personality, risk-accepting attitudes, and behavioural preferences for risk. In: Personality and<br />

Individual Differences 49, S. 616-621.<br />

32<br />

Petry, N. M. (2001), Pathological gamblers, with and without substance use disorders, discount delayed<br />

rewards at high rates. In: Journal of Abnormal Psychology, 110 (3), S. 482-487.<br />

33<br />

Toneatto, T.; Blitz-Miller, T.; Calderwood, K.; Dragonetti, R.; Tsanos, A. (1997), Brief Report: Cognitive<br />

14


Soziodemographische Angaben<br />

Ferner wurden soziodemographische Angaben wie Alter, Herkunft, Geschlecht usw.<br />

erhoben. Die Frage nach dem Beruf wurde in der Annahme gestellt, dass Personen, die<br />

im Schichtbetrieb arbeiten, anfälliger für pathologisches Glücksspiel sein könnten. 34<br />

Der Fragebogen wurde im Hinblick auf eine kurze Bearbeitungszeit – angedacht waren 15<br />

Minuten – konzipiert und sollte im Juli 2010 verschickt werden. Aufgrund inhaltlicher<br />

Überschneidungen mit den Untersuchungen des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit<br />

Mannheim (ZI Mannheim) wurden beide Fragebögen gemeinsam über das Landesgesundheitsamt<br />

an die teilnehmenden Beratungsstellen versandt. Diese befragten nur<br />

KlientInnen, die von ihren Therapeuten als belastbar eingeschätzt wurden. Besonderes<br />

Augenmerk wurde darauf gelegt, dass die Betreuung durch die Erhebung nicht beeinträchtigt<br />

wurde.<br />

Der Versand der Fragebögen verzögerte sich durch die Zusammenlegung, sodass die letzten<br />

Fragebögen erst Ende Dezember in der Forschungsstelle Glücksspiel eintrafen. Auch wuchs<br />

der Umfang des Fragebogens auf insgesamt 30 Seiten an, was eine zügige Beantwortung<br />

erschwerte. Dieser erhöhte Aufwand wurde den teilnehmenden Einrichtungen und<br />

KlientInnen mit einer Aufwandsentschädigung vergütet. Die Beratungsstellen erhielten<br />

20 Euro pro ausgefülltem Fragebogen; die Klienten einen Warengutschein (unter Ausschluss<br />

von Zigaretten und Alkohol) im Wert von 10 Euro. Das ZI Mannheim wertete zusätzlich<br />

Speichelproben aus, die mit weiteren 10 Euro vergütet wurden.<br />

3.2 Rücklauf und Auswertung der Fragebögen mittels PASW Statistics 18<br />

Der Fragebogen wurde in Absprache mit der Landesstelle für Suchtfragen (LSS) an 22<br />

ausgewählte ambulante Beratungsstellen in ganz Baden-Württemberg verschickt. Auswahlkriterium<br />

war, dass die Beratungsstellen Glücksspielende als KlientInnen haben. Von den 22<br />

Beratungsstellen meldeten sich bis auf eine alle zurück. Der Grund, weshalb sich diese<br />

Beratungsstelle nicht beteiligte, war, dass sie zum Befragungszeitraum keine Glücksspielenden<br />

betreute. Jede Beratungsstelle bekam zehn Fragebögen in gedruckter Form und,<br />

Distortions in Heavy Gambling. In: Journal of Gambling Studies Vol. 13 (3), S. 253-266.<br />

34<br />

Anregung aus der „Infoveranstaltung zur Glücksspielforschung“, 22.07.2010, Haus der Katholischen Kirche<br />

Stuttgart.<br />

15


falls zusätzlicher Bedarf bestünde, den Fragebogen in elektronischer Form. Der<br />

Erhebungszeitraum erstreckte sich von Oktober bis Dezember 2010. Bis Ende Dezember<br />

2010 gingen 112 Fragebögen bei der Forschungsstelle Glücksspiel ein. Aufgrund des zeitlich<br />

beschränkten Erhebungszeitraumes kann der Rücklauf als positiv gewertet werden. Soweit der<br />

Forschungsstelle Glücksspiel mitgeteilt wurde, gab es zum Befragungszeitraum nicht<br />

wesentlich mehr Klienten und Klientinnen in den Beratungsstellen. Weiter wurde der<br />

Forschungsstelle mitgeteilt, dass aufgrund der großen Anzahl an Befragungen im Jahr 2010 in<br />

den Beratungsstellen selbst eine Beteiligungsunlust aufgetreten war. Insgesamt haben sich<br />

103 Männer und sieben Frauen an der vorliegenden Befragung beteiligt; zwei Fragebögen<br />

gingen ohne die Angabe der Geschlechtszugehörigkeit ein. Im Kerndatensatz 35 kommt auf<br />

neun Männer mit Hauptdiagnose pathologisches Glücksspiel eine Frau mit selbiger<br />

Diagnose. 36 Im vorliegenden Bericht entspricht dies einem Verhältnis von 15 Männern zu<br />

einer Frau.<br />

Tab. 1: Rücklauf nach Einrichtungen (anonymisiert)<br />

Beratungsstellen Nr. 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14<br />

Häufigkeit 5 4 1 6 18 1 4 7 1 12 2<br />

Prozent 4,5 3,6 ,9 5,4 16,1 ,9 3,6 6,3 ,9 10,7 1,8<br />

Beratungsstellen Nr. 15 16 17 18 19 21 22 23 24 25 G<br />

Häufigkeit 11 5 2 7 6 4 4 4 4 4 112<br />

Prozent 9,8 4,5 1,8 6,3 5,4 3,6 3,6 3,6 3,6 3,6 100<br />

Quelle: Eigene Berechnungen / Gemeinschaftsfragebogen mit dem ZI Mannheim.<br />

Voraussetzung für die Teilnahme an den Befragungen waren vor allem gute deutsche<br />

Sprachkenntnisse. Die Fragenbögen wurden in PAWS Statistics 18 erfasst und zu einem<br />

Datensatz umcodiert. Dieser Datensatz umfasst weit über 300 Variablen. Anhand von<br />

Häufigkeitsberechnungen und Kreuztabellen werden die Ergebnisse der schriftlichen<br />

Befragung von den Klienten und Klientinnen aus ambulanten Beratungsstellen in Baden-<br />

Württemberg in der vorliegenden Untersuchung vorgestellt.<br />

35 Der Kerndatensatz dient einer einheitlichen Dokumentation in Psychosozialen Beratungsstellen und<br />

stationären Einrichtungen für Personen mit substanzbezogenen Störungen, Essstörungen und pathologischem<br />

Spielverhalten in Deutschland.<br />

36 Steppan, M. et al. (2010), Suchtkrankenhilfe in Deutschland 2009. Jahresbericht der Deutschen<br />

Suchhilfestatistik (DSHS).München: Institut für Therapieforschung, S. 11.<br />

16


3.3 Qualitative Befragungen der Forschungsstelle Glücksspiel<br />

Die Forschungsstelle Glücksspiel hat sowohl zwei Gruppendiskussionen mit Spielergruppen<br />

im Jahr 2009 als auch eine im Jahr 2010 in den Räumen des Beratungs- und Behandlungszentrum<br />

für Suchterkrankungen der Evangelischen Gesellschaft Stuttgart e. V. (eva)<br />

durchgeführt.<br />

Die erste Befragung von SpielerInnen fand im März 2009 statt. An der Befragung haben sich<br />

14 männliche, abstinente Spieler beteiligt sowie ein Gruppenleiter, der selbst Spieler war / ist.<br />

Weiterhin waren an der Gruppendiskussion Frau Bauer (eva) sowie Herr Prof. Dr. Becker und<br />

Frau Götz (Forschungsstelle Glücksspiel) beteiligt.<br />

Neben den üblichen Angaben zu Alter und Geschlecht sollten die Befragten ihre Problematik<br />

schildern. Es wurde festgestellt, dass einige der Spieler neben der Spielproblematik auch<br />

Probleme mit Alkohol hatten. Weiter sollten die Spieler die Spiele benennen, die sie in aller<br />

Regel gespielt haben. Die Befragten sollten zudem ihre Spielerkarriere darstellen.<br />

Abschließend gaben die Befragten an, welche Maßnahmen getroffen werden sollten, damit<br />

Spielsucht vermieden werden kann.<br />

Die nächste Gruppendiskussion fand im September 2009 statt. Die Spielergruppe bestand aus<br />

acht männlichen Spielern, die sich regelmäßig in den Räumen der eva Stuttgart treffen.<br />

Normalerweise nahm an dieser Spielergruppe auch eine Frau teil, die jedoch nicht zur<br />

Gruppendiskussion kam, weil die Situation „so als einzelne Frau unter Männern eine heikle<br />

ist“, so Frau Bauer (eva). Die Spielergruppe bestand fast ausschließlich aus Automatenspielern.<br />

Die Diskussion wurde von Herr Prof. Dr. Becker, Frau El Abdellaoui und Frau Wöhr<br />

(Forschungsstelle Glücksspiel) geleitet und durchgeführt. Die Befragten haben sich zu<br />

folgenden Themen geäußert: Erfahrungen mit Lottospielen, problematische Spiele und deren<br />

Anreize, Geldverluste, Werbebeschränkungen, Spielerfreundschaften, Prävention und Sucht.<br />

Weiter sollten sie den Zeitpunkt benennen, an dem sie sich entschlossen hatten, eine<br />

Beratungsstelle aufzusuchen.<br />

Im Februar 2011 fand die dritte strukturierte Gruppendiskussionen (Fokusgruppe) mit<br />

ehemaligen Spielern im Beratungs- und Behandlungszentrum für Suchterkrankungen der eva<br />

statt. Die Teilnehmer wurden über die Suchtgruppenleiter der eva angesprochen und mittels<br />

17


<strong>eines</strong> „Spieler-Informationsblatts“ über die Befragung und deren Ziele informiert (siehe<br />

Anhang D.I). Zwei ehemalige Spieler, die bei früheren Diskussionsrunden dabei waren, hatten<br />

inzwischen Selbsthilfegruppen ins Leben gerufen und animierten die Gruppenmitglieder zur<br />

Teilnahme. Insgesamt nahmen elf Personen teil. 37 Die Diskussion wurde von Herrn Prof. Dr.<br />

Becker geleitet. Ziel war es, ergänzende Informationen zur schriftlichen Befragung zu<br />

erhalten und diese in einer breiteren Diskussionsrunde zu veranschaulichen.<br />

Bei der Spielerrunde handelte es sich um eine reine Männerrunde. Dies könnte zum einen<br />

daran liegen, dass aktuell keine Frauen dort vertreten sind. Zum anderen könnte es sein, dass<br />

die Frauen wie schon zuvor aufgrund der Männerdominanz der Gruppe fern geblieben sind.<br />

Vor Beginn der Gruppendiskussion füllten die Teilnehmer einen schriftlichen Fragebogen zur<br />

Erfassung der soziodemographischen Daten aus. Der Fragebogen umfasste rund 20 Fragen<br />

(sowohl geschlossene als auch offene) und kann im Anhang D.III eingesehen werden. Die<br />

Ergebnisse der dritten Fokusgruppenbefragung fließen in die Auswertung ein.<br />

Im Anhang C und D finden sich alle Anschreiben, Fragebögen zur Erfassung<br />

soziodemographischer Daten und Protokolle wieder.<br />

3.4 Vorstellung des Modellprojekts des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG)<br />

Initiiert wurde das Bundesmodellprojekt „Frühe Intervention beim Pathologischen<br />

Glücksspielen“ von der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e. V. (DHS). Die Projektförderung<br />

erfolgte durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) sowie durch die<br />

Sozial- bzw. Innenministerien der Länder bzw. die Träger der beteiligten Projektstandorte.<br />

„Die Umsetzung des Projekts erfolgte an 17 Standorten unter Berücksichtigung<br />

infrastruktureller Rahmenbedingungen (u. a. Stadt/Land, Umfang und Struktur der Hilfen).“ 38<br />

Die teilnehmenden Behandlungs- und Beratungsstellen bekamen für die Projektlaufzeit 39 eine<br />

37<br />

Die Resonanz wäre sicher größer gewesen, wenn an diesem Abend nicht ein Fußballspiel ausgetragen worden<br />

wäre.<br />

38<br />

Gesellschaft für Forschung und Beratung im Gesundheits- und Sozialbereich (FOGS 2010), Modellprojekt des<br />

Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) „Frühe Intervention beim Pathologischen Glücksspiel“, S. 4.<br />

39<br />

Projektlaufzeit von Oktober 2007 bis Dezember 2010.<br />

18


halbe Fachkraftstelle zur Verfügung gestellt. Die Auswahl der beteiligten Stellen erfolgte<br />

nach vorgegebenen (fachlichen) Kriterien, die hier nicht weiter thematisiert werden sollen.<br />

„Wesentliche Ziele des Projekts sind den Erreichungsgrad von Menschen mit einem<br />

Pathologischen Glücksspielverhalten im Verlauf der Projektlaufzeit zu verbessern,<br />

Maßnahmen der Früherkennung und -intervention zu entwickeln und zu implementieren und<br />

die Fachlichkeit der ambulanten Einrichtungen zu verbessern, indem die Behandlung von<br />

Menschen mit einem Pathologischen Glücksspielverhalten durch speziell dafür qualifiziertes<br />

Personal stattfindet.“ 40<br />

Ein langfristiges Ziel des Bundesmodellprojektes ist es, die Ergebnisse und Erfahrungen<br />

(zügig) in weiteren Einrichtungen der Suchthilfe zu implementieren. Weiterhin sollen die<br />

Beratungs- und Behandlungsstellen der Suchthilfe für die Arbeit mit <strong>pathologischen</strong><br />

GlücksspielerInnen qualifiziert werden. Folgende Maßnahmen sind geplant: Sensibilisierung<br />

der MitarbeiterInnen für die Thematik pathologisches Glücksspiel, Durchführung von<br />

Personalentwicklungsmaßnahmen (z. B. Fortbildung), <strong>Entwicklung</strong> und Erprobung von<br />

(ambulanten) Beratungs- und Behandlungsangeboten für pathologische GlücksspielerInnen<br />

und ihre Angehörigen sowie <strong>Entwicklung</strong> und Erprobung von Maßnahmen der<br />

Früherkennung und -intervention.<br />

„Mit der (vergleichsweise) engen Einbindung des Modellvorhabens in die bestehenden<br />

Versorgungsstrukturen sollten die Voraussetzungen für einen Transfer der Ergebnisse und<br />

Erfahrungen in die Regelversorgung der ambulanten Suchthilfe gesichert bzw. verbessert<br />

werden.“ 41<br />

40 Gesellschaft für Forschung und Beratung im Gesundheits- und Sozialbereich (FOGS 2010), Modellprojekt des<br />

Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) „Frühe Intervention beim Pathologischen Glücksspiel“, S. 4.<br />

41 Gesellschaft für Forschung und Beratung im Gesundheits- und Sozialbereich (FOGS 2010), Modellprojekt des<br />

Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) „Frühe Intervention beim Pathologischen Glücksspiel“, S. 5.<br />

19


3.5 Vorstellung des Kerndatensatzes und der Suchthilfestatistik<br />

Der Deutschen Kerndatensatz „entstand 1998 als ein gemeinsamer Mindestdatensatz im<br />

Rahmen <strong>eines</strong> Konsensprozesses zwischen vielen beteiligten Institutionen und Personen, der<br />

im Fachausschuss Statistik (früher Statistik-AG) der DHS stattfand.“ 42 Seit 2007 gibt es eine<br />

allgemeingültige überarbeitete Version, die der einheitlichen Dokumentation in<br />

Psychosozialen Beratungsstellen und stationären Einrichtungen für Personen mit<br />

substanzbezogenen Störungen, Essstörungen und pathologischem Spielverhalten in<br />

Deutschland dient. „Die Notwendigkeit der Berichterstattung an die Europäische<br />

Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EBDD), aber auch der Bedarf nach<br />

Vergleichbarkeit und Abstimmung zwischen den Bundesländern, verschiedenen Regionen<br />

und Trägern haben diese Standards notwendig gemacht.“ 43<br />

Der Kerndatensatz besteht aus mehreren Bausteinen, welche zusammen die Grundlage für<br />

eine einheitliche und vergleichbare Dokumentation bilden. Neben dem Kerndatensatz<br />

Einrichtung (KDS-E) gibt es noch den Kerndatensatz Klienten (KDS-K), Kerntabellensatz<br />

Klient, Kerndatensatz Katamnese (KDS-Kat) sowie den Kerntabellensatz Katamnese. „Der<br />

Kerndatensatz wird der Weiterentwicklung von Hilfeangeboten sowohl innerhalb der<br />

durchführenden Einrichtungen als auch innerhalb des gesamten Versorgungssystems<br />

dienen.“ 44<br />

In der Deutschen Suchthilfestatistik werden jährlich die wichtigsten aktuellen Ergebnisse,<br />

basierend auf den Daten, die mit dem Deutschen Kerndatensatz zur Dokumentation im<br />

Bereich der Suchtkrankenhilfe (KDS) erhoben worden sind, zusammengefasst. Dadurch kann<br />

eine Vielzahl an Betreuungseinrichtungen erreicht werden. „Mit diesem Betreuungsvolumen<br />

zählt die Deutsche Suchtkrankenhilfe zu den größten Versorgungssystemen im Suchtbereich<br />

in Europa. Primäres Ziel dieses Beitrags ist eine breite Ergebnisdarstellung zu aktuellen Daten<br />

der DSHS. Der Bericht bietet einen Überblick über diagnostische Angaben zum primären<br />

Betreuungsanlass der Patienten sowie Informationen zu weiteren substanzbezogenen<br />

42 Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e. V. (2010): Deutscher Kerndatensatz zur Dokumentation im Bereich<br />

der Suchtkrankenhilfe: Definitionen und Erläuterungen zum Gebrauch,<br />

(http://www.dhs.de/fileadmin/user_upload/pdf/Arbeitsfeld_Statistik/KDS_Manual_10_2010.pdf), S. 1.<br />

43 Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e. V. (2010): Deutscher Kerndatensatz zur Dokumentation im Bereich<br />

der Suchtkrankenhilfe: Definitionen und Erläuterungen zum Gebrauch,<br />

(http://www.dhs.de/fileadmin/user_upload/pdf/Arbeitsfeld_Statistik/KDS_Manual_10_2010.pdf), S. 1.<br />

44 Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e. V.,<br />

(http://www.dhs.de/arbeitsfelder/deutscher-kerndatensatz.html).<br />

20


Störungen. Diese auf Basis der ICD-10 diagnostizierten substanzbezogenen Komorbiditäten<br />

erlauben eine Identifikation häufiger Gebrauchsmuster von Personen, die in Deutschland<br />

suchtspezifische Hilfe in Anspruch nehmen. Neben diesen diagnostischen Daten werden<br />

soziodemographische Variablen wie Alter, Beziehungsstatus und Erwerbssituation berichtet<br />

sowie Angaben zu Behandlungsdauer und -erfolg gemacht. 45<br />

45 Deutsche Suchthilfestatistik (2010): Online-Bericht Deutsche Suchthilfestatistik 2009,<br />

(http://www.suchthilfestatistik.de/Downloads/Jahresbericht_DSHS.pdf).<br />

21


4 Soziodemographische Daten der Befragten<br />

Im vorliegenden Kapitel erfolgt ein grober Überblick über die Befragten der ambulanten<br />

Beratungsstellen sowie die Teilnehmer der dritten Fokusgruppendiskussion. Ziel ist es, die<br />

Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung mit Ergebnissen anderer Studien zu vergleichen<br />

und in die aktuelle Diskussion einzubetten. Ein Vergleich findet statt mit den Ergebnissen der<br />

Ausgabe 2009 der Deutschen Suchthilfestatistik, den entsprechenden Daten des Statistischen<br />

Jahrbuchs 2010 des Statistischen Bundesamts sowie den Erkenntnissen des Bundesmodellprojekts<br />

„Frühe Intervention beim Pathologischen Glücksspielen“ 2010.<br />

4.1 Verteilung der Geschlechter der Befragten<br />

An der Befragung der KlientInnen der ambulanten Beratungsstellen nahmen insgesamt<br />

112 Personen teil; 110 von ihnen machten Angaben zu ihrem Geschlecht. Wie bereits<br />

erwartet, machten die männlichen Probanden 94 % der Befragten aus (103 Männer und sieben<br />

Frauen). Aufgrund der geringen Beteiligung von Frauen ist es nicht bei jeder Auswertung<br />

sinnvoll, geschlechtsspezifische Unterschiede hervorzuheben. In den Fällen, bei denen das<br />

Geschlecht eine wichtige Rolle spielt, werden die Angaben sowohl für Männer als auch für<br />

Frauen dargestellt.<br />

100<br />

Prozent<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

Abb. 2.: Verteilung der Geschlechter (n=110)<br />

6.4<br />

weiblich männlich<br />

Quelle: Eigene Berechnungen / Gemeinschaftsfragebogen.<br />

22<br />

93.6


An der Fokusgruppendiskussion nahmen elf Männer teil. Am Bundesmodellprojekt<br />

beteiligten sich insgesamt 106 Frauen (9,5 %) und 1.010 Männer (90,5 %). Für diese<br />

Personen wurden Mehrfachkontakte dokumentiert, d. h. die besagten Personen traten<br />

mindestens zweimal mit den Modellprojektmitarbeitern in Kontakt. 46<br />

4.2 Alter der Befragten<br />

Die Befragten (n=109) der vorliegenden Studie waren im Durchschnitt 38 Jahre alt, die<br />

Standardabweichung betrug etwa elf Jahre. Somit befanden sich die meisten Befragten im<br />

Bereich der 27- bis 49-Jährigen. Der jüngste Teilnehmende war 20, der älteste 67 Jahre alt.<br />

Tab. 2: Alter der Befragten gruppiert (Angabe in %)<br />

Altersgruppen (n=109)<br />

Häufigkeit Prozent<br />

20-29 Jahre 29 26,6<br />

30-39 Jahre 30 27,5<br />

40-49 Jahre 33 30,3<br />

50-59 Jahre 13 11,9<br />

60-69 Jahre 4 3,7<br />

Gesamt 109 100,0<br />

Quelle: Eigene Berechnungen / Gemeinschaftsfragebogen.<br />

Rund 58 % der KlientInnen ambulanter Beratungsstellen befanden sich in der Altersspanne<br />

der 30- bis 50-Jährigen. In der Deutschen Suchthilfestatistik befinden sich in der vergleichbaren<br />

Altersspanne rund 55 %. Die über 50-Jährigen machten 12,2 % der Befragten aus und<br />

die bis 29-Jährigen 32,4 %. 47<br />

46 Gesellschaft für Forschung und Beratung im Gesundheits- und Sozialbereich (FOGS 2010), Modellprojekt<br />

des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) „Frühe Intervention beim Pathologischen Glücksspiel“, S. 48.<br />

47 Steppan, M. et al. (2010), Suchtkrankenhilfe in Deutschland 2009. Jahresbericht der Deutschen<br />

Suchhilfestatistik (DSHS).München: Institut für Therapieforschung, S. 17.<br />

23


Abb. 3: Alter der Befragten ambulanter Beratungsstellen – gruppiert<br />

Quelle: Eigene Berechnungen / Gemeinschaftsfragebogen.<br />

Bei einer geschlechtsspezifischen Sicht zeigt sich, dass die männlichen Teilnehmer im<br />

Durchschnitt älter waren als die Teilnehmerinnen (n=107). Die Probanden (n=101) waren im<br />

Schnitt 38,5 Jahre (Standardabweichung ca. 11 Jahre), die Probandinnen (n=6) hatten ein<br />

Durchschnittsalter von etwa 29 Jahren (Standardabweichung etwa 12 Jahre).<br />

Ein Vergleich dieser Ergebnisse mit denjenigen der Jahresstatistik der professionellen<br />

Suchtkrankenhilfe in Deutschland (DSHS) ergibt Unterschiede bezüglich des Durchschnittsalters:<br />

Das Durchschnittsalter pathologischer Spieler und Spielerinnen liegt bundesweit bei 36<br />

Jahren (n=6.002) und somit zwei Jahre unter dem Durchschnittsalter der vorliegenden Studie.<br />

Betrachtet man Spieler und Spielerinnen getrennt, liegt das Durchschnittsalter der Männer bei<br />

rund 35 Jahren, das der Frauen bei 41 Jahren. 48 Die Frauen der vorliegenden Studie waren<br />

also im Durchschnitt wesentlich jünger als die in der Suchthilfestatistik aufgeführten<br />

Klientinnen.<br />

48 Steppan, M. et al. (2010), Suchtkrankenhilfe in Deutschland 2009. Jahresbericht der Deutschen<br />

Suchhilfestatistik (DSHS). München: Institut für Therapieforschung, S.54.<br />

24


Vergleicht man das durchschnittliche Alter von Probanden und Probandinnen der<br />

vorliegenden Studie mit den entsprechenden Ergebnissen des Bundesmodellprojekts, wird<br />

ersichtlich, dass die Probanden der vorliegenden Studie nur geringfügig älter waren (38,5<br />

Jahre) als die Probanden des Bundesmodellprojektes (37 Jahre). 49 Die Frauen der<br />

vorliegenden Studie waren im Schnitt 29 Jahre alt und die des Bundesmodellprojektes 43<br />

Jahre. 50<br />

Das durchschnittliche Alter aller Probanden betrug 37,6 Jahre, wobei der jüngste Teilnehmer<br />

14 Jahre ist und der älteste 88 Jahre. 51 Da am Bundesmodellprojekt deutlich jüngere, aber<br />

auch ältere Personen teilgenommen haben als an der vorliegenden Studie, ist das<br />

Durchschnittsalter beider ProbandInnengruppen fast identisch.<br />

Die Klientinnen der ambulanten Beratungsstellen, die an der vorliegenden Untersuchung<br />

teilnahmen, waren deutlich jünger als die im Bundesmodellprojekt und in der Jahresstatistik<br />

der professionellen Suchtkrankenhilfe in Deutschland (DSHS) erfassten Frauen.<br />

Das Durchschnittsalter der Teilnehmer der Fokusgruppendiskussion lag bei etwa 51 Jahren,<br />

wobei der jüngste Teilnehmer 39 Jahre alt war, der älteste 72. Somit war das Alter innerhalb<br />

der Fokusgruppe überdurchschnittlich hoch.<br />

Vergleicht man die Daten der vorliegenden Studie mit den Ergebnissen des Bundesmodellprojekts<br />

2010 in Bezug auf die Altersgruppen lässt sich feststellen, dass 22,3 % der<br />

1.371 Befragten sich in der Altersgruppe von 20 bis 29 Jahren befanden. In der vorliegenden<br />

Studie macht diese Gruppe 26,6 % aus. In der Altersgruppe der 30- bis 39-Jährigen befanden<br />

27,5 % der in der Studie der Forschungsstelle Glücksspiel befragten Personen, im<br />

Bundesmodellprojekt waren es 31,8 %. Die Gruppe der 30- bis 39-Jährigen ist im<br />

Bundesmodellprojekt am stärksten vertreten, wobei sich in der Altersgruppe der 40- bis 49-<br />

Jährigen 27,1 % der Befragten befanden. In der vorliegenden Studie befanden sich in der<br />

Altersgruppe der 40- bis 49-Jährigen 30,3 % der 109 Befragten (siehe Tabelle 2). Die 50- bis<br />

59-Jährigen aus dem Bundesmodellprojekt machten gerade noch 10,6 % der 1.371 Befragten<br />

49 Gesellschaft für Forschung und Beratung im Gesundheits- und Sozialbereich (FOGS 2010), Modellprojekt<br />

des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) „Frühe Intervention beim Pathologischen Glücksspiel“, S. 44.<br />

50 Gesellschaft für Forschung und Beratung im Gesundheits- und Sozialbereich (FOGS 2010), Modellprojekt<br />

des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) „Frühe Intervention beim Pathologischen Glücksspiel“, S. 44.<br />

51 Gesellschaft für Forschung und Beratung im Gesundheits- und Sozialbereich (FOGS 2010), Modellprojekt<br />

des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) „Frühe Intervention beim Pathologischen Glücksspiel“, S. 44.<br />

25


aus. In der vorliegenden Studie waren es 11,9 % der 109 Befragten. Die 60- und über 60-<br />

Jährigen machten im Bundesmodellprojekt rund 4,2 % aus, in der vorliegenden Studie waren<br />

es 3,7 % der Befragten.<br />

Tab. 3: Altersverteilung nach Halbjahren (Angaben in %)<br />

Quelle: Modellprojekt des Bundesministeriums für Gesundheit (2010), Tab A 29, S. A. 10.<br />

4.3 Beziehungsstatus<br />

In der Regel sind pathologische Spieler und Spielerinnen älter als beispielsweise<br />

cannabisabhängige Personen. 52 Der Beziehungsstatus der befragten Personen hängt stark von<br />

deren Alter ab. Bezüglich der Frage nach der aktuellen Partnerbeziehung gaben 37,3 % der<br />

110 Befragten der vorliegenden Studie an, alleinstehend zu sein. In der Deutschen<br />

Suchthilfestatistik liegt die Anzahl der Alleinstehenden bei 41,4 % von 5.003 Befragten.<br />

Weiter lebten 53,6 % der KlientInnen ambulanter Beratungsstellen in festen Beziehungen. Im<br />

Vergleich zu den Zahlen der Deutschen Suchthilfestatistik – 54,2 % – ist hier eine<br />

weitgehende Übereinstimmung festzustellen. 53 Fast identische Zahlen ergeben sich auch bei<br />

der Auswertung der Zahlen zu Personen, die in zeitweiligen Beziehungen leben: 4,5 % zu<br />

4,1 % aus der Statistik der Deutschen Suchthilfe.<br />

52 Steppan, M. et al. (2010), Suchtkrankenhilfe in Deutschland 2009. Jahresbericht der Deutschen<br />

Suchhilfestatistik (DSHS).München: Institut für Therapieforschung, S.16 ff.<br />

53 Steppan, M. et al. (2010), Suchtkrankenhilfe in Deutschland 2009. Jahresbericht der Deutschen<br />

Suchhilfestatistik (DSHS).München: Institut für Therapieforschung, S. 19, 56.<br />

26


Beziehungsstatus (n=110)<br />

Tab. 4: Beziehungsstatus (Angabe in %)<br />

Häufigkeit Prozent<br />

Alleinstehend 41 37,3<br />

Zeitweilige Beziehungen 5 4,5<br />

Feste Beziehung 59 53,6<br />

Sonstige 5 4,5<br />

Gesamt 110 100,0<br />

4.4 Familienstand und Lebenssituation<br />

Quelle: Eigene Berechnungen / Gemeinschaftsfragebogen.<br />

Die Frage nach dem Familienstand ergab, dass 45,5 % (51 Personen) der Befragten (n=112)<br />

ledig und 30,4 % (34 Personen) verheiratet und zusammenlebend waren. Weitere 16,1 % (18<br />

Personen) waren geschieden, 7,1 % (8 Personen) verheiratet, aber getrennt lebend. Einer der<br />

Befragten gab an, bereits verwitwet zu sein.<br />

Abb. 4: Familienstand<br />

Quelle: Eigene Berechnungen / Gemeinschaftsfragebogen.<br />

27


Außerdem wurden die 112 Personen darüber befragt, ob sie alleine lebten. Diese Frage wurde<br />

von 35 Personen, das sind 31 %, mit Ja beantwortet (siehe Tabelle A 69 im Anhang). Von den<br />

anderen 69 % (bis auf einer fehlenden Angabe) lebten 31,6 % (24 Personen) mit ihren<br />

PartnerInnen und 28,9 % (22 Personen) sowohl mit ihren PartnerInnen als auch mit ihren<br />

Kindern zusammen. 19,7 % (15 Personen) lebten noch bei den Eltern bzw. einem Elternteil.<br />

Gut die Hälfte der 109 Befragten hatten keine Kinder. 20 % (22 Personen) hatten ein Kind<br />

und 24% (26 Personen) bereits zwei Kinder (siehe Tabelle A 2 im Anhang).<br />

Tab. 5: ProbandInnen leben zusammen mit (Angabe in %)<br />

Lebenssituation: Wenn nicht alleinlebend,<br />

lebt zusammen mit (n=76)<br />

28<br />

Häufigkeit Prozent<br />

Partner 24 31,6<br />

Kind(ern) 4 5,3<br />

Eltern(-teil) 15 19,7<br />

Sonstiger/n Bezugsperson/en 1 1,3<br />

Sonstiger/n Person/en 6 7,9<br />

Partner + Kind(ern) 22 28,9<br />

Großmutter 1 1,3<br />

Partner/Kind(ern)/Eltern(-teil) 1 1,3<br />

Partner/Kinder/sonstiger Bezugsperson 1 1,3<br />

Eltern(-teil)/Sonstige Bezugsperson(en) 1 1,3<br />

Gesamt 76 100,0<br />

Quelle: Eigene Berechnungen / Gemeinschaftsfragebogen.<br />

Auch die Fokusgruppenteilnehmer machten Angaben zu ihrem Familienstand: Vier<br />

Teilnehmer waren aktuell ledig und ohne PartnerIn; fünf der elf Probanden waren verheiratet<br />

und lebten mit ihren Partnern bzw. Partnerinnen zusammen. Geschieden waren lediglich zwei<br />

Personen. Daraus folgt, dass fünf Teilnehmer alleine leben. Zwei weitere Probanden lebten<br />

mit ihren Partnern bzw. Partnerinnen zusammen und drei sowohl mit dem / der Partner/in als<br />

auch mit den Kindern. Eine Person lebte bei den Eltern.


4.5 Staatsangehörigkeit, Muttersprache und Migration<br />

Von 108 gültigen Fällen hatten 89 Personen (82 %) die deutsche Staatsangehörigkeit. Weitere<br />

fünf Personen gehörten den EU-Mitgliedsstaaten (von den Befragten genannt: Griechenland<br />

und Italien) an. Zwölf Personen (11 %) waren keine EU-Bürger (von den Befragten genannt:<br />

Türkei, ehemaliges Jugoslawien). Zwei Personen verfügten über eine doppelte Staatsbürgerschaft,<br />

wovon jeweils eine der beiden die deutsche ist.<br />

Tab. 6: Staatsangehörigkeit (Angabe in %)<br />

Lebenssituation: Staatsangehörigkeit (n=108)<br />

29<br />

Häufigkeit Prozent<br />

Deutsch 89 82,4<br />

Türkisch 9 8,3<br />

Griechisch 2 1,9<br />

Italienisch 3 2,8<br />

Kroatisch 1 0,9<br />

Jugoslawisch 1 0,9<br />

Serbisch 1 0,9<br />

Doppelte: Deutsch-Türkisch 1 0,9<br />

Doppelte: Deutsch-Italienisch 1 0,9<br />

Gesamt 108 100,0<br />

Quelle: Eigene Berechnungen / Gemeinschaftsfragebogen.<br />

Betrachtet man die Zahlen zur Muttersprache, wird deutlich, dass der Fragebogen vermehrt<br />

von Personen mit deutscher Muttersprache ausgefüllt wurde (86 Personen von 109 gültigen<br />

Fällen). Die restlichen 20 % verfügten über gute deutsche Sprachkenntnisse. Lediglich eine<br />

Person gab an, dass sie aufgrund einer anderen Muttersprache schlechte Deutschkenntnisse<br />

hat (siehe Tabelle A 5 im Anhang). Es ist zu vermuten, dass das Ausfüllen des Fragebogens<br />

gute Deutschkenntnisse voraussetzte, was eventuell zu einer Verzerrung der Stichprobe im<br />

Vergleich zu der Grundgesamtheit an <strong>pathologischen</strong> Spielerinnen und Spielern führen kann<br />

(siehe Kapitel 3.2, Rücklauf und Auswertung der Fragebögen mittels PASW Statistics 18).<br />

Weiter wurden die KlientInnen der ambulanten Beratungsstellen dazu befragt, ob sie selbst<br />

migriert sind oder als Kind von MigrantInnen geboren wurden. Lediglich zwölf Personen<br />

gaben an, selbst migriert zu sein. Weitere 14 Personen wurden als Kind von MigrantInnen<br />

geboren (siehe Tabelle A 12 im Anhang).


Die Fokusgruppenteilnehmer wurden lediglich dazu befragt, in welchem Land sie geboren<br />

wurden und welcher Nationalität sie angehören. Neun der elf Befragten wurden in<br />

Deutschland geboren; zwei in der Türkei. Insgesamt hatten neun der elf Befragten die<br />

deutsche Staatsbürgerschaft, die beiden anderen Befragten hatten die türkische bzw. die<br />

jugoslawische Staatsbürgerschaft.<br />

4.6 Höchster erreichter Schulabschluss<br />

Von den 112 Befragten der Umfrage mit Klientinnen und Klienten in ambulanten<br />

Beratungsstellen gaben 45,5 % (51 Personen) an, dass ihr bisher erreichter Schulabschluss an<br />

der Haupt- / Volksschule abgelegt wurde. Zum Vergleich: Laut Angaben des Statistischen<br />

Bundesamtes haben in der Altersgruppe der 20- bis 65-plus-Jährigen 40 % der<br />

Gesamtbevölkerung in Deutschland einen Haupt- / Volkschulabschluss erreicht. 54 Weiter<br />

hatten 28,6 % (32 Personen) der Befragten der vorliegenden Studie einen Abschluss an der<br />

polytechnischen Oberschule / Realschule erreicht; deutschlandweit liegt die Zahl von 2010<br />

bei rund 28,5 %. 55 Während 19,6 % (22 Personen) der vorliegenden Befragung die (Fach-)<br />

Hochschulreife bzw. das Abitur erreicht und abgelegt hatten, sind dies bundesweit 26,6 %.<br />

Innerhalb der fraglichen Altersgruppe befanden sich deutlich mehr Personen aus der<br />

vorliegenden Befragung noch in der Schulausbildung: 1,8 % im Vergleich zu bundesweiten<br />

0,2 %. Während in der Untersuchung der Forschungsstelle Glücksspiel lediglich 1,8 % (zwei<br />

Personen) ohne Schulabschluss waren, sind dies deutschlandweit 3,8 %. Weitere 4,5 % der<br />

befragten KlientInnen ambulanter Beratungsstellen, also fünf Personen, gaben an, einen<br />

Sonderschulabschluss bzw. einen anderen Schulabschluss erreicht zu haben.<br />

Die Fokusgruppenteilnehmer wurden lediglich zu ihrem Schulabschluss befragt. Jeweils fünf<br />

Teilnehmer hatten die Schulausbildung mit dem Abitur bzw. der Realschule abgeschlossen;<br />

ein Proband erwarb seinen Schulabschluss an der Hauptschule.<br />

54 Statistisches Bundesamt (2010), Statistisches Jahrbuch 2010. Für die Bundesrepublik Deutschland mit<br />

„Internationalen Übersichten“. Wiesbaden, S. 131.<br />

55 Statistisches Bundesamt (2010), Statistisches Jahrbuch 2010. Für die Bundesrepublik Deutschland mit<br />

„Internationalen Übersichten“. Wiesbaden, S. 131.<br />

30


Tab. 7: Höchster erreichter Schulabschluss (Angaben in %)<br />

Schulabschluss der <strong>pathologischen</strong> Spieler und Spielerinnen im Vergleich mit den Angaben des<br />

Statistischen Bundesamts 2010 sowie der Studie der Deutschen Suchthilfestatistik<br />

Studie DSHS Bundes- Statistisches<br />

Forschungsstelle 2009 modellprojekt Bundesamt<br />

Glücksspiel (n=4.560) 2010<br />

2010<br />

2011 (n=112)<br />

(n=1.049) (n=66.66 Mio.)<br />

Derzeit in Schulausbildung 1,8 2,6 1,2 0,2<br />

(Fach-) Hochschulreife / Abitur 19,6 13,2 16,0 26,6<br />

Realschulabschluss<br />

Polytechnische Oberschule<br />

/ 28,6 31,8 38,2 28,5<br />

Haupt- / Volksschulabschluss 45,5 45,4 36,6 40<br />

Förder- / Sonderschulabschluss 1,8 1,3 2,9<br />

Anderer Schulabschluss 2,7 0,7 1,0<br />

Ohne Schulabschluss abgegangen 1,8 5 4,0 3,8<br />

Quelle: Eigene Berechnungen / Gemeinschaftsfragebogen; DSHS 2010 (Tab. G, S. 57),<br />

Statistisches Bundesamt 2010 (S. 131), BMG 2010 (Tab. 35, S. 51).<br />

4.6.1 Höchster erreichter Schulabschluss differenziert nach Spielform – KlientInnen<br />

ambulanter Beratungsstellen<br />

Für die Befragten der ambulanten Beratungsstellen konnte zusätzlich der höchste erreichte<br />

Schulabschluss differenziert nach Spielformen erfasst werden. Für 69 von 112 Personen<br />

konnte nur eine Spielform dokumentiert werden.<br />

Folgende Spielformen wurden ausschließlich gespielt:<br />

Nur Geldspielautomaten in Spielhallen und gastronomischen Betrieben,<br />

Nur Glücksspiel im Internet,<br />

Nur Kl<strong>eines</strong> Spiel der Spielbank,<br />

Nur Sportwetten,<br />

Nur Lotto bzw. Lotterien sowie<br />

Ausschließlich andere Spiele.<br />

31<br />

0,4


Von den 69 Personen, denen ausschließlich die Teilnahme an einer Spielform zugerechnet<br />

werden kann, hatten 54 Personen nur an Geldspielen in Spielhallen und gastronomischen<br />

Betrieben, drei Personen nur an Glücksspielen im Internet, sieben Personen nur am Kleinen<br />

Spiel der Spielbanken, zwei Personen ausschließlich an Sportwetten, eine Person<br />

ausschließlich an Lotto / Lotterien und zwei Personen nur an anderen Spielen teilgenommen.<br />

Interessant ist, dass die Personen mit Hauptschul- bzw. Volkschulabschluss an allen hier<br />

aufgezählten Spielformen teilgenommen hatten. Von den Befragten mit Realschulabschluss<br />

bzw. Polytechnischem Oberschulabschluss und auch Fach- / Hochschulreife bzw. Abitur<br />

hatten einige nur an Geldspielautomaten, Glücksspielen im Internet oder nur am Kleinen Spiel<br />

der Spielbanken teilgenommen.<br />

Höchster erreichter<br />

Schulabschluss –<br />

differenziert nach<br />

Spielform (n=69)<br />

Tab. 8: Höchster erreichter Schulabschluss – differenziert nach Spielform –<br />

KlientInnen ambulanter Beratungsstellen<br />

Nur<br />

Geldspielautomaten<br />

in<br />

Spielhallen<br />

und Gastro<br />

Nur<br />

Glücksspiel<br />

im Internet<br />

32<br />

Nur Kl<strong>eines</strong><br />

Spiel<br />

Nur Sportwetten<br />

Nur Lotto /<br />

Lotterien<br />

Nur Andere<br />

Spielformen<br />

abs. % abs. % abs. % abs. % abs. % abs. %<br />

Derzeit in Schulausbildung<br />

2 3,7 - - - - - - - - - -<br />

Ohne Schulabschluss<br />

abgegangen<br />

1 1,9 - - - - - - - - - -<br />

Sonderschulabschluss<br />

- - - - - - - - - - - -<br />

Hauptschul- / Volksschulabschluss<br />

21 38,9 1 33,3 2 28,6 2 100,0 1 100,0 2 100,0<br />

Realschulabschluss/<br />

Polytechnische<br />

Oberschule<br />

21 38,9 1 33,3 1 14,3 - - - - - -<br />

Fach- /<br />

Hochschulreife/Abitur<br />

8 14,8 1 33,3 4 57,1 - - - - - -<br />

Anderer<br />

Schulabschluss<br />

1 1,9 - - - - - - - - - -<br />

Gesamt 54 100,0 3 100,0 7 100,0 2 100,0 1 100,0 2 100,0<br />

Quelle: Eigene Berechnungen / Gesamtfragebogen und Fragebogen Forschungsstelle Glücksspiel.<br />

Besonders auffällig ist, dass die größte Anzahl der Personen, die nur an Geldspielautomaten<br />

gespielt haben, Abschlüsse an der Haupt- bzw. Volksschule und an der Realschule bzw.<br />

Polytechnischen Oberschule hatten: Jeweils 38,9 % der Personen mit diesen Abschlüssen<br />

spielten ausschließlich an Geldspielautomaten in Spielhallen und gastronomischen Betrieben.


4.6.2 Höchster erreichter Schulabschluss differenziert nach Spielform –<br />

Bundesmodellprojekt<br />

Im Folgenden sollen die Ergebnisse des Bundesmodellprojektes 2010 – ebenfalls differenziert<br />

nach Spielform – vorgestellt werden. Die Unterteilung in Spielformen wurde wie folgt<br />

vorgenommen: „Nur Geldspielautomaten in Spielhallen“, „nur Glücksspiel im Internet“, „nur<br />

Kl<strong>eines</strong> Spiel“ und „nur Sportwetten“.<br />

Bei den Befragten, die angegeben hatten, welche Spiele sie ausschließlich spielten, verhält<br />

sich die Verteilung des höchsten erreichten Schulabschlusses wie folgt: Von insgesamt<br />

775 Personen hatten rund 38 % einen Realschulabschluss, gefolgt von 37,3 %, die einen<br />

Hauptschul- / Volkschulabschluss hatten. Lediglich 14,5 % hatten die Fach- / Hochschulreife<br />

bzw. das Abitur erreicht. Weitere 3,9 % hatten einen Sonderschulabschluss, 3,6 % waren ohne<br />

Schulabschluss von der Schule abgegangen, 1,4 % befanden sich noch in der Schulausbildung<br />

und rund 1 % hatten einen anderen Schulabschluss als die hier genannten.<br />

Zunächst kann festgehalten werden, dass der Großteil der Befragten „nur Geldspielautomaten<br />

in Spielhallen“ zum Spielen nutzte (703 Personen). Weitere 31 Personen gaben an,<br />

ausschließlich „Glücksspiele im Internet“ zu spielen. Nur das „Kleine Spiel“ nutzten<br />

21 Personen und „nur Sportwetten“ wurden von 20 Personen genutzt.<br />

Auffallend ist, dass die Befragten mit Sonderschulabschluss (30 Personen) und einem anderen<br />

Schulabschluss (acht Personen) „nur Geldspielautomaten in Spielhallen“ spielen. Die elf<br />

Personen, die derzeit in Schulausbildung sind sowie die 28 Personen, die ohne Schulabschluss<br />

von der Schule abgegangen sind, gaben an, lediglich „Geldspielautomaten in Spielhallen“<br />

oder „Glücksspiele im Internet“ zu nutzen. In Zahlen sieht dies wie folgt aus:<br />

Derzeit in Schulausbildung: Sieben Personen spielten „nur Geldspielautomaten in<br />

Spielhallen“ und vier Personen „nur Glücksspiele im Internet“.<br />

Ohne Schulabschluss abgegangen: 26 Personen spielten „nur Geldspielautomaten in<br />

Spielhallen“ und zwei Personen „nur Glücksspiele im Internet“.<br />

33


Die befragten Personen mit Hauptschul- / Volksschulabschluss (289 Personen), Realschulabschluss<br />

(297 Personen) oder Fach- / Hochschulreife/Abitur (112 Personen) nutzten alle vier<br />

Spielformen, die hier vorgestellt wurden.<br />

Hauptschul- / Volkschulabschluss: 274 Personen mit diesem Schulabschluss gaben an,<br />

„nur Geldspielautomaten in Spielhallen“ zu spielen; weitere drei Personen spielten<br />

„nur Glücksspiele im Internet“. Acht Personen nutzen „nur das Kleine Spiel“ und vier<br />

Personen „Sportwetten“.<br />

Realschulabschluss: 269 Personen spielten „nur an Geldspielautomaten in Spielhallen“<br />

und neun Personen nutzten ausschließlich „Glücksspiele im Internet“. Weitere acht<br />

Personen spielten „nur das Kleine Spiel“; elf weitere „nur Sportwetten“.<br />

Fach- / Hochschulreife / Abitur: 89 Personen spielten „nur an Geldspielautomaten in<br />

Spielhallen“. Weitere 13 Personen nutzten lediglich „Glücksspiel im Internet“, fünf<br />

Personen nahmen „nur am Kleinen Spiel“ teil und weitere fünf Personen nutzten „nur<br />

Sportwetten“.<br />

Tab. 9: Höchster erreichter Schulabschluss – differenziert nach Spielform – BMG<br />

Quelle: Modellprojekt des Bundesministeriums für Gesundheit (2010), Tab A 25, S. A. 8.<br />

Obige Tabelle zeigt, dass von den 703 Personen, die ausschließlich an Geldspielautomaten<br />

spielten, 39 % mit einem Hauptschul- bzw. Volkschulabschluss von der Schule abgingen.<br />

Weitere 38,3 %, die ebenfalls nur an Geldspielautomaten spielten, hatten einen<br />

Realschulabschluss. Von den 31 Personen, die nur an Glücksspielen im Internet<br />

34


teilgenommen haben, hatten fast 42 % die Fach- / Hochschulreife bzw. das Abitur erreicht;<br />

weitere 29 % einen Realschulabschluss. Weiter hatten 55 % der 20 Personen, die sich als<br />

„reine Sportwetter“ identifizierten, einen Realschulabschluss.<br />

Es bestätigt sich somit die Vermutung, dass Personen mit niedrigem bzw. mittlerem<br />

Schulabschluss bevorzugt an Geldspielautomaten spielen. Ebenso lässt sich vermuten, dass<br />

Personen mit Fach- / Hochschulreife bzw. Abitur häufiger an Glücksspielen im Internet<br />

teilnehmen. Sportwetten werden dagegen bevorzugt von Personen mit Realschulabschluss<br />

gespielt.<br />

Auch in der vorliegenden Studie hatten Personen mit Hauptschul- bzw. Volkschulabschluss<br />

und Realschulabschluss bzw. Abschluss an der Polytechnischen Oberschule bevorzugt nur an<br />

Geldspielautomaten in Spielhallen und gastronomischen Betrieben gespielt.<br />

4.7 Höchster erreichter Ausbildungsabschluss<br />

Ebenso wurden die KlientInnen ambulanter Beratungsstellen gefragt, ob sie sich derzeit in<br />

einem Hochschul- oder Ausbildungsverhältnis befanden (n=107). Lediglich sieben Personen<br />

bejahten diese Frage. Rund 59 % der Befragten (64 von 108 Personen) hatten eine Lehrausbildung<br />

abgeschlossen; bundesweit sind das für das Jahr 2010 rund 54 %. 56<br />

Einen Fachschulabschluss (einschließlich Meister / Techniker) hatten fast 5 % der 108<br />

gültigen Fälle erreicht; laut Statistischem Bundesamt liegt die Zahl bundesweit bei 6,5 %.<br />

Während lediglich 3 % der befragten KlientInnen ambulanter Beratungsstellen (drei<br />

Personen) einen Fachhochschulabschluss hatten, sind dies deutschlandweit 5,5 %.<br />

Deutschlandweit haben 8 % von 66,66 Mio. Bürgerinnen und Bürgern 57 einen Hochschulabschluss;<br />

in der Studie der Forschungsstelle Glücksspiel waren es nur 2 % der Befragten. 6<br />

% der Befragten gaben einen anderen Abschluss an. Insgesamt 26 % der Befragten (28<br />

Personen) verfügten über keine abgeschlossene Hochschul- oder Berufsausbildung. Dies<br />

entspricht in etwa den bundesweiten Daten (23 %).<br />

56 Statistisches Bundesamt (2010), Statistisches Jahrbuch 2010. Für die Bundesrepublik Deutschland mit<br />

„Internationalen Übersichten“. Wiesbaden, S. 132.<br />

57 Dies entspricht 100 %, bereinigt um die Altersgruppe der 15- bis 20-Jährigen.<br />

35


Tab. 10: Höchster erreichter Ausbildungsabschluss (Angaben in %)<br />

Höchster Ausbildungsabschluss: Abgeschlossene Ausbildung (n=108) Häufigkeit Prozent<br />

Keine Hochschul- oder Berufsausbildung abgeschlossen 28 25,9<br />

Abgeschlossene Lehrausbildung 64 59,3<br />

Meister/Techniker 5 4,6<br />

Hochschulabschluss (Universität) 2 1,9<br />

Fachhochschule 3 2,8<br />

Anderer Berufsabschluss 6 5,6<br />

Gesamt 108 100,0<br />

Quelle: Eigene Berechnungen / Gemeinschaftsfragebogen.<br />

4.7.1 Höchster erreichter Ausbildungsabschluss differenziert nach Spielform – KlientInnen<br />

ambulanter Beratungsstellen<br />

Im vorliegenden Unterkapitel soll der höchste erreichte Ausbildungsabschluss differenziert<br />

nach Spielformen dargestellt werden. Diese Angaben konnten auch für die KlientInnen<br />

ambulanter Beratungsstellen erfasst werden. Insgesamt hatten sich 67 der 112 Befragten auf<br />

eine Spielform konzentriert.<br />

Als einzige Spielformen wurden genannt:<br />

Nur Geldspielautomaten in Spielhallen und gastronomischen Betrieben,<br />

Nur Glücksspiele im Internet,<br />

Nur das Kleine Spiel der Spielbank,<br />

Nur Sportwetten,<br />

Nur Lotto / Lotterien sowie<br />

Ausschließlich andere Spiele.<br />

52 der 67 Befragten hatten ausschließlich an Geldspielautomaten in Spielhallen und<br />

gastronomischen Betrieben gespielt. Weitere sieben Personen spielten nur das Kleine Spiel<br />

der Spielbanken; drei Personen spielten ausschließlich im Internet. Zwei Personen<br />

konzentrierten sich ausschließlich auf Sportwetten; eine weitere Person auf Lotto / Lotterien.<br />

36


Derzeit in Hochschuloder<br />

Berufsausbildung<br />

Keine Hochschul- oder<br />

Berufsausbildung<br />

abgeschlossen<br />

Tab. 11: Höchster Ausbildungsabschluss – differenziert nach Spielform –<br />

KlientInnen ambulanter Beratungsstellen<br />

Nur Nur Nur Kl<strong>eines</strong> Nur Sport- Nur Lotto / Nur Andere<br />

Geldspiel- Glücksspiel Spiel wetten Lotterien Spielformen<br />

automaten<br />

in<br />

Spielhallen<br />

und Gastro<br />

im Internet<br />

abs. % abs. % abs. % abs. % abs. % abs. %<br />

2 3,8 - - - - - - - - - -<br />

13 25,0 2 66,7 1 14,3 - - - - 1 50,0<br />

Abgeschlossene Lehre 32 61,5 1 33,3 4 57,1 2 100,0 1 100,0 1 50,0<br />

Meister / Techniker 2 3,8 - - - - - - - - - -<br />

Hochschulabschluss - - - - - - - - - - - -<br />

Fachhochschulabschluss 1 1,9 - - 1 14,3 - - - - - -<br />

Anderer<br />

Berufsabschluss<br />

2 3,8 - - 1 14,3 - - - - - -<br />

Gesamt 52 100,0 3 100,0 7 100,0 2 100,0 1 100,0 2 100,0<br />

Quelle: Eigene Berechnungen / Gemeinschaftsfragebogen und Fragebogen der Forschungsstelle Glücksspiel.<br />

Alle hier aufgeführten Spielformen wurden von den 41 Personen mit abgeschlossener<br />

Lehrausbildung genannt. Die 17 Personen ohne abgeschlossene Hochschul- oder Berufsausbildung<br />

nahmen vor allem an Spielen am Geldautomaten teil (13 Personen).<br />

61,5 % der 52 Personen, die nur an Geldspielautomaten spielten, hatten eine Lehre<br />

abgeschlossen. Weitere 25 der „reinen“ Geldspielautomatenspieler verfügten über keinerlei<br />

Hochschul- oder Berufsausbildung. Lediglich eine Person, die nur an Automatenspielen in<br />

Spielhallen und gastronomischen Betrieben spielte, hatte einen Fachhochschulabschluss. Es<br />

zeigt sich, dass Personen mit niedrigem Ausbildungsabschluss bevorzugt an Geldspielautomaten<br />

spielen.<br />

37


4.7.2 Höchster erreichter Ausbildungsabschluss differenziert nach Spielform –<br />

Bundesmodellprojekt<br />

Im vorliegenden Unterkapitel werden die Ergebnisse des Bundesmodellprojektes 2010 zum<br />

höchsten erreichten Ausbildungsabschluss differenziert nach Spielform vorgestellt. Die<br />

Spielformen wurden unterteilt in: „Nur Geldspielautomaten in Spielhallen“, „nur Glücksspiel<br />

im Internet“, „nur Kl<strong>eines</strong> Spiel“ und „nur Sportwetten“.<br />

Die 765 Personen, die angaben, welche Spiele sie ausschließlich spielten, nannten als<br />

höchsten Bildungsabschluss zu rund 63 % eine abgeschlossene Lehrausbildung. Keine<br />

Hochschul- oder Berufsausbildung abgeschlossen hatten etwa 20 % der Befragten. In einem<br />

Hochschul- oder Berufsausbildungsverhältnis befanden sich 8,1 % der 265 Befragten. 4,4 %<br />

hatten einen Hochschulabschluss, 4,0 % ihren Meister / Techniker und 0,7 % einen anderen<br />

Berufsabschluss.<br />

Zunächst kann festgehalten werden, dass der Großteil der Befragten „nur Geldspielautomaten<br />

in Spielhallen“ zum Spielen nutzte (693 Personen). Weitere 31 Personen gaben an,<br />

ausschließlich „Glücksspiele im Internet“ zu spielen. „Nur das Kleine Spiel“ nutzten 22<br />

Personen und „nur Sportwetten“ 19 Personen.<br />

Die Befragten mit einem anderen Berufsabschluss (fünf Personen) gaben an, „nur Geldspielautomaten<br />

in Spielhallen“ zu nutzen. Die 62 Personen, die sich in Hochschul- oder<br />

Berufsausbildung befanden, sowie die 31 Personen mit abgeschlossener Techniker /<br />

Meisterausbildung gaben an, lediglich „Geldspielautomaten in Spielhallen“, „Glücksspiele im<br />

Internet“ oder „nur Sportwetten“ zu nutzen. In Zahlen sieht dies wie folgt aus:<br />

Derzeit in Hochschul- oder Berufsausbildung: 51 Personen spielten „nur<br />

Geldspielautomaten in Spielhallen“, fünf Personen „nur Glücksspiele im Internet“ und<br />

weitere sechs Personen nahmen „nur an Sportwetten“ teil.<br />

Meister / Techniker: 29 Personen spielten „nur Geldspielautomaten in Spielhallen“,<br />

eine Person „nur Glücksspiele im Internet“ und eine Person nahm „nur an<br />

Sportwetten“ teil.<br />

38


Die Personen, die keine Hochschul- oder Berufsausbildung (151 Personen), eine<br />

abgeschlossene Lehrausbildung (482 Personen) oder einen Hochschulabschluss (34 Personen)<br />

vorweisen konnten, nutzen alle vier hier vorgestellten Spielformen.<br />

Keine Hochschul- oder Berufsausbildung abgeschlossen: 140 Personen ohne<br />

abgeschlossene Hochschul- oder Berufsausbildung gaben an, „nur Geldspielautomaten<br />

in Spielhallen“ zu spielen. Weitere fünf Personen gaben an, „nur Glücksspiele im<br />

Internet“ zu spielen. Zwei Personen nutzten „nur das Kleine Spiel“ und vier Personen<br />

nahmen „nur an Sportwetten“ teil.<br />

Abgeschlossene Lehrausbildung: 441 Personen spielten „nur an Geldspielautomaten in<br />

Spielhallen“ und 16 Personen nutzten ausschließlich „Glücksspiele im Internet“.<br />

Weitere 18 Personen spielten „nur das Kleine Spiel“ und sieben Personen „nur<br />

Sportwetten“.<br />

Hochschulabschluss: 27 Personen spielten „nur an Geldspielautomaten in<br />

Spielhallen“. Weitere vier Personen nutzten lediglich „Glücksspiel im Internet“, zwei<br />

Personen nahmen „nur am Kleinen Spiel“ teil; eine weitere „nur Sportwetten“.<br />

Tab. 12: Höchster Ausbildungsabschluss – differenziert nach Spielform<br />

Quelle: Modellprojekt des Bundesministeriums für Gesundheit (2010), Tab A 26, S. A. 9.<br />

Aus Tabelle 12 wird ersichtlich, dass der Großteil der Personen – 63,6 % von 693 Personen –<br />

die nur an Geldspielautomaten gespielt haben, über eine abgeschlossene Lehrausbildung<br />

verfügten. Weitere 20,2 %, die nur diese Spielform spielten, waren ohne Hochschul- oder<br />

Berufsausbildung. Lediglich 3,9 % der „reinen“ Geldspielautomatenspieler konnten einen<br />

Hochschulabschluss vorweisen.<br />

39


Die in Tabelle 11 abzulesenden Ergebnisse – dass Personen mit niedrigem Bildungsabschluss<br />

bevorzugt an Geldspielautomaten spielen, während Personen mit einem Hochschulabschluss<br />

seltener nur an Geldspielautomaten spielen – bestätigen sich hier.<br />

Auch wird aus Tabelle 12 ersichtlich, dass der Großteil der Personen, die nur an<br />

Glücksspielen im Internet teilnahmen, eine abgeschlossene Lehrausbildung hatte. Weniger<br />

reizvoll war diese Spielform für Personen, die derzeit in Hochschul- oder Berufsausbildung<br />

waren, bzw. für Personen ohne abgeschlossene Hochschul- oder Berufsausbildung (je<br />

16,1 %). Weiter schienen Personen mit Hochschulabschluss weniger Interesse daran zu<br />

haben, nur an Glücksspielen im Internet teilzunehmen (12,9 % von 31 Personen). Daraus lässt<br />

sich schließen, dass es spezielle Spielformen gibt, die von bestimmten Personenkreisen<br />

bevorzugt werden, was eventuell mit der Einsatz- bzw. Gewinnhöhe oder auch der<br />

Zugänglichkeit / Verbreitung bzw. dem Spielort der Spielform zusammenhängen könnte.<br />

4.8 Erwerbssituation und Arbeitslosigkeit<br />

In folgendem Unterkapitel werden die Angaben zur Erwerbssituation der Befragten der<br />

vorliegenden Umfrage (n=110) mit den Angaben der Deutschen Suchthilfestatistik (n=4.825)<br />

sowie des Bundesmodellprojektes 58 (n=1.079) verglichen.<br />

Von den Befragten der vorliegenden Studie waren 65,5 % erwerbstätig (vergleichend dazu<br />

DSHS: 59,6 % und Bundesmodellprojekt: 55 %). Die Zahl der Erwerbslosen lag in der<br />

vorliegenden Studie bei 21 % und in der DSHS bei 26,3 %. 59 Dagegen liegt die Zahl der<br />

Erwerbslosen im Bundesmodellprojekt bei 31 %. Weiter wurde die Anzahl der Nichterwerbspersonen<br />

sowie der Personen in beruflicher Rehabilitation erfragt. 11,8 % der befragten<br />

KlientInnen ambulanter Beratungsstellen waren Nichterwerbspersonen. Vergleichend dazu<br />

waren dies in der DSHS 13,2 % und im Bundesmodellprojekt 14,6 %. Aus der vorliegenden<br />

Untersuchung befand sich eine einzige Person in beruflicher Rehabilitation. In der DSHS<br />

waren dies 0,8 % der 4.825 Befragten; im Bundesmodellprojekt 0,6 % der 1.079 Befragten.<br />

58 Gesellschaft für Forschung und Beratung im Gesundheits- und Sozialbereich (FOGS 2010), Modellprojekt<br />

des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) „Frühe Intervention beim Pathologischen Glücksspiel“,<br />

Tab. 37, S. 52.<br />

59 Steppan, M. et al. (2010), Suchtkrankenhilfe in Deutschland 2009. Jahresbericht der Deutschen<br />

Suchhilfestatistik (DSHS). München: Institut für Therapieforschung, S. 21.<br />

40


Tab. 13: Momentane Erwerbssituation<br />

Momentane Erwerbssituation (n=110) Häufigkeit Prozent<br />

Erwerbstätige<br />

Auszubildender<br />

41<br />

73<br />

2<br />

66,4<br />

1,8<br />

Arbeiter/Angestellter/Beamte 68 61,8<br />

Selbständiger/Freiberufler<br />

Arbeiter/Angestellter/Beamte und Selbständige/Freiberufler<br />

In beruflicher Rehabilitation<br />

Erwerbslose<br />

2<br />

1<br />

1<br />

23<br />

1,8<br />

0,9<br />

0,9<br />

20,9<br />

Arbeitslos nach SGB III (Bezug von ALG I) 6 5,5<br />

Arbeitslos nach SGB II (Bezug von ALG II)<br />

Nichterwerbspersonen<br />

17<br />

13<br />

15,5<br />

11,8<br />

Schüler/Student 2 1,8<br />

Hausfrau/Hausmann 1 ,9<br />

Rentner/Pensionär 7 6,4<br />

Sonstige Nichterwerbspersonen (z.B. SGB XII) 3 2,7<br />

Gesamt 110 100,0<br />

Quelle: Eigene Berechnungen / Gemeinschaftsfragebogen.<br />

Eine weitere Frage bezog sich auf den aktuellen Lebensunterhalt (siehe Tabelle A 16 im<br />

Anhang). Rund 63 % der KlientInnen (69 von 110 Personen) aus den ambulanten<br />

Beratungsstellen lebten von ihrem Lohn / Gehalt bzw. Einkünften aus freiberuflicher<br />

Tätigkeit. Die zweitgrößte Gruppe lebte von Arbeitslosengeld II (18 Personen). Von<br />

Arbeitslosengeld I lebten fünf Personen. Jeweils sieben Personen lebten von ihrer<br />

Rente / Pension bzw. wurden von ihren Angehörigen unterstützt. Als Hauptlebensunterhalt<br />

gaben rund 53 % der Befragten Lohn / Gehalt / Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit an. 19<br />

%, also 11 Personen, lebten hauptsächlich von Arbeitslosengeld II (siehe Tabelle A 16 im<br />

Anhang).<br />

Die Frage, ob die ProbandInnen durch das Spielen ihren Arbeitsplatz verloren hatten, wurde<br />

von rund 24 %, d. h. 26 Personen, bejaht. 13 Personen waren bereits vor dem exzessiven<br />

Spielen arbeitslos (siehe Tabellen A 17 und A 18 im Anhang).<br />

An den aktuell beruflichen Tätigkeiten der Befragten der Fokusgruppendiskussion lässt sich<br />

ablesen, dass nur zwei der elf Befragten arbeitslos waren. Bis auf einen Rentner und eine<br />

fehlende Angabe standen alle im Berufsleben. Nach den Einkünften sowie dem Einfluss des<br />

Spielens auf die beruflichen Tätigkeiten wurde nicht gefragt.


Tab. 14: Berufe der Fokusgruppenteilnehmer<br />

Beruf Personenanzahl<br />

Auslieferungsfahrer 1<br />

Arbeitsloser 2<br />

Maschinenbauingenieur 1<br />

Rentner 1<br />

Baumpfleger 1<br />

Beamter 1<br />

Mitarbeiter im Bereich<br />

Qualitätsmanagement<br />

1<br />

Restaurantfachmann 1<br />

Fliesenleger 1<br />

Keine Angabe 1<br />

Quelle: Eigene Berechnungen / Forschungsstelle Glücksspiel.<br />

Weiter soll kurz aufgezeigt werden, zu welchen Ergebnissen das Bundesmodellprojekt 2010<br />

bezüglich der Erwerbssituation differenziert nach einzelnen Spielformen gekommen ist.<br />

Leider konnte dies nicht für die KlientInnen ambulanter Beratungsstellen erfasst werden.<br />

Folgende Spielformen wurden im Einzelnen gespielt: Geldspielautomaten in Spielhallen,<br />

Glücksspiele im Internet, Kl<strong>eines</strong> Spiel der Spielbanken oder Sportwetten.<br />

Insgesamt hatten 796 Personen diese Frage beantwortet. 722 Personen hatten nur an<br />

Geldspielautomaten in Spielhallen gespielt. Weitere 32 Personen hatten nur Glücksspiele im<br />

Internet gespielt. Andere 23 Personen hatten nur am Kleinen Spiel und weitere 19 Personen<br />

nur an Sportwetten teilgenommen. Es zeigt sich auch hier wieder, dass das Spielen an<br />

Geldautomaten in Spielhallen am stärksten genutzt wird.<br />

Unterteilt man die Erwerbsarten in die Oberbegriffe Erwerbstätige, Erwerbslose,<br />

Nichterwerbspersonen und Personen, die sich in beruflicher Rehabilitation befinden, ergibt<br />

sich folgendes Bild: Von 450 Erwerbstätigen spielten 90 % (403 Personen) „nur an<br />

Geldspielautomaten in Spielhallen“, weitere 4,7 % (21 Personen) „nur Glücksspiele im<br />

Internet“, 3,3 % (15 Personen) „nur das Kleine Spiel“ und weitere 2,4 % (elf Personen) „nur<br />

an Sportwetten“.<br />

42


Von den 247 Erwerbslosen spielten rund 93 % „nur an Geldspielautomaten in Spielhallen“<br />

(siehe Tabelle 15); weitere 2 % „Glücksspiele im Internet“. Je 2,5 % der Erwerbslosen<br />

spielten entweder „nur Kl<strong>eines</strong> Spiel“ oder nahmen „nur an Sportwetten“ teil.<br />

Die Frage nach der Erwerbsform am Tag vor Betreuungsbeginn differenziert nach<br />

Spielformen ergab bei den Nichterwerbspersonen 60 (n=96), dass rund 90 % „nur an<br />

Geldspielautomaten in Spielhallen“ spielten. Weitere 6,25 % nahmen „nur an Glücksspielen<br />

im Internet“ teil. Je 2 % spielten entweder „nur Kl<strong>eines</strong> Spiel“ oder nahmen „nur an<br />

Sportwetten“ teil (siehe Tabelle 15).<br />

Tab. 15: Erwerbssituation am Tag vor Betreuungsbeginn – differenziert nach Spielform –<br />

BMG<br />

Quelle: Modellprojekt des Bundesministeriums für Gesundheit (2010), Tab A 27, S. A. 9.<br />

In beruflicher Rehabilitation befanden sich lediglich drei Personen, die „nur an<br />

Geldspielautomaten in Spielhallen“ spielen.<br />

60<br />

Unter den Nichterwerbspersonen finden sich Schülerinnen und Schüler, RentnerInnen / PensionärInnen sowie<br />

sonstige Nichterwerbspersonen.<br />

43


4.9 Wohnsituation<br />

Weiter wurde die Wohnsituation der Betreuten erfasst. Die Befragten der ambulanten<br />

Beratungsstellen sollten sich dazu äußern, in welchem Wohnverhältnis sie überwiegend die<br />

letzten sechs Monate vor Betreuungsbeginn gelebt haben.<br />

Von 110 gültigen Fällen gaben 78 % (86 Personen) an, selbständig gewohnt zu haben. Die<br />

Deutsche Suchthilfestatistik gibt bei 4.986 gültigen Fällen denselben Prozentsatz an (etwa<br />

78 %). Weiter lebten 14,5 % der Befragten der vorliegenden Studie bei anderen Personen; die<br />

Angaben der DSHS lagen bei 15,9 %. Ambulant betreutes Wohnen nahmen 3,6 % wahr; die<br />

Deutsche Suchthilfestatistik nennt nur 1,3 %. In (Übergangs-)Wohnheimen lebten 1,8 % der<br />

Befragten der vorliegenden Studie, während diese von den DSHS-TeilnehmerInnen nur zu<br />

0,8 % in Anspruch genommen wurden. Die letzte Nennung in der vorliegenden Studie betraf<br />

die Jugendvollzugsanstalt. Dies traf auf 1,8 % der Befragten zu; vergleichend 2,2 % in der<br />

Deutschen Suchthilfestatistik. 61<br />

Tab. 16: Wohnsituation in den letzten sechs Monaten vor Betreuungsbeginn<br />

Wohnverhältnis: Überwiegend die letzten 6 Monate vor<br />

Betreuungsbeginn (n=110)<br />

44<br />

Häufigkeit Prozent<br />

Selbständiges Wohnen (eigene/gemietete Wohnung/Haus) 86 78,2<br />

Bei anderen Personen 16 14,5<br />

Ambulant Betreutes Wohnen 4 3,6<br />

Wohnheim/Übergangswohnheim 2 1,8<br />

JVA, Maßregelvollzug, Sicherheitsverwahrung 2 1,8<br />

Gesamt 110 100,0<br />

Quelle: Eigene Berechnungen / Gemeinschaftsfragebogen.<br />

61 Steppan, M. et al. (2010), Suchtkrankenhilfe in Deutschland 2009. Jahresbericht der Deutschen<br />

Suchhilfestatistik (DSHS). München: Institut für Therapieforschung, S. 58, Tabelle I.


4.10 Vermittelnde Instanzen<br />

Die Frage nach der vermittelnden Instanz ließ Mehrfachnennungen zu. Am häufigsten fielen<br />

die drei Nennungen „Keine Instanz / Selbstmelder“, „Suchtberatung“ und „Familie“. Von 109<br />

gültigen Fällen gaben 31 % an, keine Vermittlung erhalten zu haben bzw. Selbstmelder<br />

gewesen zu sein. Im Vergleich zur Deutschen Suchhilfestatistik stellt man eine gewisse<br />

Differenz fest: Von den 5.139 Probanden und Probandinnen dieser Studie kreuzten 48,8 % die<br />

Option keine Instanz / Selbstmelder an. 62 Im Bundesmodellprojekt gaben rund 50 % der<br />

1.408 Befragten an, keine Instanz genutzt zu haben bzw. Selbstmelder gewesen zu sein. 63<br />

29 % der KlientInnen ambulanter Beratungsstellen fanden über die Suchtberatung zur<br />

aktuellen Beratungsstelle (vergleichend DSHS: 2,3 % und Bundesmodellprojekt: 6 %). Bei<br />

weiteren 23 % der KlientInnen ambulanter Beratungsstellen war die Familie die treibende<br />

Kraft (vergleichend DSHS: 21,3 % und Bundesmodellprojekt: 21,7 %).<br />

Tab. 17: Vermittelnde Instanzen<br />

Häufigkeiten von Vermittelnden Instanzen (n=109)<br />

45<br />

Häufigkeit Prozent<br />

Keine/Selbstmelder 34 31<br />

Familie 25 23<br />

Arbeitgeber, Betrieb, Schule 4 4<br />

Abstinenz-, Selbsthilfegruppe 5 5<br />

Ärztliche oder psychotherapeutische Praxis 5 5<br />

Krankenhaus/Krankenhausabteilung 3 3<br />

Suchtberatung 32 29<br />

Andere Beratungsdienste 5 5<br />

Soziale Verwaltung (Sozial-, Wohnungs-, Gesundheitsamt) 2 2<br />

Arbeitsagentur, Job-Center, Arbeitsgemeinschaft (ARGE) 2 2<br />

Justizbehörden/Bewährungshilfe 1 1<br />

Spielbank, Spielhalle 2 2<br />

Sonstige 5 5<br />

Quelle: Eigene Berechnungen / Gemeinschaftsfragebogen.<br />

62 Steppan, M. et al. (2010), Suchtkrankenhilfe in Deutschland 2009. Jahresbericht der Deutschen<br />

Suchhilfestatistik (DSHS). München: Institut für Therapieforschung, S. 28 und S. 60, Tabelle K.<br />

63 Gesellschaft für Forschung und Beratung im Gesundheits- und Sozialbereich (FOGS 2010), Modellprojekt<br />

des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) „Frühe Intervention beim Pathologischen Glücksspiel“,<br />

Tab. 26, S. 45.


5 Diagnostische Einordnung, Komorbiditäten, Ursache-Wirkungs-<br />

Zusammenhänge und Prävalenzwerte in Deutschland<br />

Im folgenden Kapitel werden unter anderem die Messinstrumente vorgestellt, die zur<br />

Bestimmung des Schweregrads des <strong>pathologischen</strong> <strong>Spielverhaltens</strong> benötigt werden. Es<br />

werden das „Diagnostische und Statistische Manual psychischer Störungen“ (DSM-IV), der<br />

„South Oaks Gambling Screen” (SOGS) sowie die „internationale statistische Klassifikation<br />

der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme“ (ICD-10) erläutert. Anschließend<br />

wird das Thema Komorbiditäten des <strong>pathologischen</strong> Glücksspielverhaltens diskutiert. Dabei<br />

erfolgt sowohl die Vorstellung von Ergebnissen gängiger Studien als auch der Ergebnisse der<br />

vorliegenden Befragung. In einem weiteren Schritt werden die Ursache-Wirkungs-<br />

Zusammenhänge zwischen Komorbiditäten und pathologischem Glücksspielverhalten<br />

diskutiert. Abschließend erfolgt ein Überblick über die Prävalenzwerte in Deutschland für das<br />

pathologische Spielverhalten.<br />

Das Symptom „pathologisches Glücksspiel“ bzw. die diagnostische Einordnung einer Person<br />

als pathologischer Glücksspieler ist in der psychologischen Literatur relativ klar definiert. In<br />

der wissenschaftlichen Literatur dominieren zwei diagnostische Ansätze: der „South Oaks<br />

Gambling Screen“ (SOGS) und das kategoriale diagnostische System „Diagnostic and<br />

Statistical Manual of Psychatric Disorders“ (DSM). Historisch lässt sich die Bestimmung des<br />

<strong>pathologischen</strong> Glücksspielens in zwei Phasen einteilen. 64 Die Zeit bis Mitte der 90er Jahre<br />

war durch das SOGS gekennzeichnet, seitdem dominiert das DSM, zur Zeit in der Version<br />

IV. 65 Die Kriterien nach DSM-IV stellen den klinischen Konsens für die Diagnose<br />

<strong>pathologischen</strong> Glücksspielens dar. 66<br />

64<br />

Vgl. Fachverband Glücksspielsucht (2005).<br />

65<br />

Vgl. zur <strong>Entwicklung</strong> des DSM-IV: Committee on the Social and Economic Impact of Pathological<br />

Gambling, Committee on Law and Justice, Commission on Behavioral and Social Sciences and Education,<br />

National Research Council (1999), S. 18 ff.<br />

66<br />

Becker, T. (2009), Glücksspielsucht in Deutschland. Prävalenz bei verschiedenen Glücksspielformen,<br />

Frankfurt: Peter Lang. S.18 f.<br />

46


5.1 Definitionen von Messinstrumenten zur Feststellung des Schweregrads des<br />

<strong>pathologischen</strong> Glücksspielverhaltens<br />

Im Fragebogen wurden sowohl das Messinstrument „diagnostisches und statistisches Manual<br />

psychischer Störungen“ (DSM-IV) als auch der „South Oaks Gambling Screen” (SOGS)<br />

verwendet. Das DSM-IV ist das gebräuchlichere von beiden; der South Oaks Gambling<br />

Screen wurde ursprünglich für den klinischen Bereich entwickelt und führt im Vergleich zum<br />

DSM-IV zu höheren Prävalenzwerten. 67<br />

Ebenso wurde im Fragebogen des ZI Mannheim nach möglichen psychiatrischen ICD-10-<br />

Diagnosen gefragt. Die „internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und<br />

verwandter Gesundheitsprobleme“ (ICD-10) ist ein weltweit anerkanntes und angewandtes<br />

Diagnoseklassifikations- und Verschlüsselungssystem des medizinischen Bereichs. Es wird<br />

von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) herausgegeben und aktuell in der zehnten<br />

Ausgabe angewandt.<br />

5.1.1 Diagnostisches und statistisches Manual psychischer Störungen (DSM-IV)<br />

Das „diagnostische und statistische Manual psychischer Störungen“ (DSM-IV) definiert das<br />

pathologische Glücksspielen unter Störungen der Impulskontrolle, die nicht andernorts<br />

klassifiziert sind. Das DSM-IV wird von der American Psychiatric Association<br />

herausgegeben.<br />

Das pathologische Glücksspielverhalten wird als chronisch-rezidivierendes, maladaptives<br />

Glücksspielverhalten charakterisiert, das zumindest fünf von zehn diagnostischen Kriterien<br />

erfüllen muss. Diese beschreiben spielbedingte psychopathologische Symptome auf der<br />

Verhaltens-, kognitiven und emotionalen Ebene. Gleichzeitig muss differentialdiagnostisch<br />

das Vorliegen einer manischen Episode ausgeschlossen sein. 68<br />

67<br />

Stinchfield, R.; Govono, R.; Frisch, R. (2002), Evaluating the DSM IV diagnostic criteria for pathological<br />

gambling, Ontario: Ontario Problem Gambling Research Centre.<br />

68<br />

Vgl. Institut für Therapieforschung (IFT) München, Kriterien für pathologisches Glücksspielverhalten,<br />

(http://ift.de/index.php?id=225).<br />

47


Bei zwei bis vier Merkmalen wird von problematischem Spielen gesprochen. Das Projekt<br />

PAGE (Pathologisches Glücksspielen und Epidemiologie) unterteilt das problematische<br />

Spielverhalten in eine ausgeprägte (drei bis vier erfüllte Kriterien) und leichte Form (ein bis<br />

zwei erfüllte Kriterien).<br />

Diagnostische Kriterien für pathologisches Spielen nach DSM-IV: 69<br />

1. Ist stark eingenommen vom Glücksspiel (z. B. starkes Beschäftigtsein mit<br />

gedanklichem Nacherleben vergangener Spielerfahrungen, mit Verhindern oder<br />

Planen der nächsten Spielunternehmungen, Nachdenken über Wege, Geld zum Spielen<br />

zu beschaffen),<br />

2. muss mit immer höheren Einsätzen spielen, um die gewünschte Erregung zu erreichen,<br />

3. hat wiederholt erfolglose Versuche unternommen, das Spielen zu kontrollieren,<br />

einzuschränken oder aufzugeben,<br />

4. ist unruhig und gereizt beim Versuch, das Spielen einzuschränken oder aufzugeben,<br />

5. spielt, um Problemen zu entkommen oder um eine dysphorische Stimmung (z. B.<br />

Gefühle von Hilflosigkeit, Schuld, Angst, Depression) zu erleichtern,<br />

6. kehrt, nachdem er beim Glücksspiel Geld verloren hat, oft am nächsten Tag zurück,<br />

um den Verlust auszugleichen (dem Verlust „hinterherjagen“),<br />

7. belügt Familienmitglieder, den Therapeuten oder andere, um das Ausmaß seiner<br />

Verstrickung in das Spielen zu vertuschen,<br />

8. hat illegale Handlungen wie Fälschung, Betrug, Diebstahl oder Unterschlagung<br />

begangen, um das Spielen zu finanzieren,<br />

9. hat eine wichtige Beziehung, seinen Arbeitsplatz, Ausbildungs- oder Aufstiegschancen<br />

wegen des Spielens gefährdet oder verloren,<br />

10. verlässt sich darauf, dass andere ihm Geld bereitstellen, um die durch das Spielen<br />

verursachte hoffnungslose finanzielle Situation zu überwinden.<br />

Zusammenfassend zeichnet sich pathologisches Spielen dadurch aus, dass das Verhalten für<br />

die SpielerInnen selbst zum Problem wird und zu sozialen, insbesondere auch finanziellen,<br />

Problemen führt. Hinzu kommen die Merkmale der „Entzugsprobleme“ (Craving), des<br />

„Hinterherjagens“ (Chasing), hier hinter erlittenen Verlusten, und der Wunsch nach einer<br />

„Dosissteigerung“.<br />

69 Meyer, G.; Bachmann, M. (2000), Spielsucht – Ursachen und Therapie, S. 40 f.<br />

48


5.1.2 South Oaks Gambling Screen (SOGS)<br />

Der South Oaks Gambling Screen (SOGS) umfasst 20 geschlossene Fragen, die gleich<br />

gewichtet werden (siehe Fragebogen SOGS im Anhang E). Erfragt wird die Anzahl und Art<br />

der ausgeübten Glücksspiele, der damit verbundene Geldeinsatz, das Auftreten von Spielsucht<br />

bei den Eltern, das „Hinterherjagen“ nach erlittenen Verlusten, auf welche Weise das<br />

benötigte Geld beschafft wird, Leugnungsstrategien, Kritik am Spielen durch Dritte,<br />

Schuldgefühle und die Einschränkung der Kontrollfähigkeit. Als kritisch wird ein Wert von<br />

fünf Punkten (bei 20 möglichen) definiert, ab dem Spieler und Spielerinnen als pathologisch<br />

einzustufen werden.<br />

Diagnostische Kriterien für pathologisches Spielen nach SOGS (auszugsweise): 70<br />

1. Welche der folgenden Spielformen haben Sie jemals in Ihrem Leben gespielt?<br />

Markieren Sie mit einem X für jede Spielform a bis j jeweils eine der Antwortmöglichkeiten:<br />

„überhaupt nicht“, „weniger als einmal pro Woche“ oder „einmal pro Woche oder mehr“.<br />

überhaupt weniger 1mal oder<br />

nicht als 1mal mehr pro Woche<br />

a. _________ _________ ________ Kartenspiele um Geld<br />

b. _________ _________ ________ Pferde-, Hunde oder andere<br />

Tierwetten (auf der Rennbahn,<br />

off-Wetten/Buchmacher)<br />

c. _________ _________ ________ Sportwetten<br />

d. _________ _________ ________ Würfelspiele um Geld<br />

5. Haben Sie jemals behauptet, Geld gewonnen zu haben, obwohl dies nicht der Tatsache<br />

entsprach – denn tatsächlich hatten Sie verloren?<br />

□ nie (oder nie gespielt) □ ja, meistens<br />

□ ja, aber in weniger als der Fälle in denen ich verlor<br />

6. Haben Sie jemals das Gefühl gehabt, ein Problem mit dem Spielen zu haben?<br />

□ nein □ ja □ ja, in der Vergangenheit, aber zur Zeit nicht<br />

70<br />

South OAKS Foundation (1992), deutsche Übersetzung von Schinckel und Hand. Im Anhang E ist der<br />

komplette SOGS-Fragebogen einsehbar.<br />

49


Die inhaltlichen Unterschiede beider Messinstrumente bestehen darin, dass der SOGS sowohl<br />

subjektive als auch handlungsbezogene Kriterien beinhaltet, während das DSM-IV nur<br />

handlungsbezogene Faktoren abfragt. So wird im SOGS etwa nach den Gefühlen der<br />

Antwortenden gefragt, beispielsweise: „Fühlst du dich während des Spielens schuldig?“,<br />

„Spielst du mehr als du intendiert hast?“. Diese Vorgehensweise ist in der Wissenschaft nicht<br />

unumstritten. 71 Es ist bekannt, dass der SOGS dazu neigt, das wahre Ausmaß der Spielprobleme<br />

zu überschätzen. 72<br />

5.1.3 Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter<br />

Gesundheitsprobleme (ICD-10)<br />

Innerhalb der ICD-10 wird pathologisches Glücksspielverhalten im Rahmen der<br />

Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen als eine Form der abnormen Gewohnheiten und<br />

Störungen der Impulskontrolle eingeordnet. Zur Klassifikation des <strong>pathologischen</strong> Glücksspielverhaltens<br />

selbst wird angegeben, dass das Glücksspiel „die Lebensführung der<br />

betroffenen Personen beherrscht und zum Verfall der sozialen, beruflichen, materiellen und<br />

familiären Werte und Verpflichtungen führt.“ 73 Für die Spielenden bedeutet das, dass außer<br />

dem Spielen alles andere in den Hintergrund rückt. Dabei setzen sie ihren Beruf aufs Spiel,<br />

belügen ihr Umfeld oder verschulden sich. Ein besonderes Merkmal ist, dass sich die<br />

Spielenden gedanklich vom Spielen kaum lösen können.<br />

Weiter berichten die Spielenden oft von einem Spieldrang, der sich in belastenden<br />

Lebenssituationen ins Unermessliche steigert. Die ICD-10 schließt differentialdiagnostisch<br />

die Diagnose für pathologisches Glücksspielverhalten aus, wenn eine auch exzessiv spielende<br />

Person ihr Verhalten selbsttätig einschränkt, sobald es zu negativen Auswirkungen führt.<br />

Ebenfalls ausgeschlossen wird die Diagnose bei exzessivem Spielen manischer Patienten und<br />

bei Personen mit soziopathischer Persönlichkeit, da es in diesen Fällen lediglich ein Symptom<br />

einer anderen Störung darstellt. 74<br />

71 Häfeli J.; Schneider, C. (2005), Identifikation von Problemspielern im Kasino, S. 21.<br />

72 Vgl. Buth, S.; Stöver, H. (2009), Glücksspielteilnahme und Glücksspielprobleme in Deutschland: Ergebnisse<br />

einer bundesweiten Repräsentativbefragung. In: Suchttherapie, Heft 9, S. 4.<br />

73 Meyer, G.; Bachmann, M. (2000), Spielsucht – Ursachen und Therapie, S. 40.<br />

74 Becker, T. (2011), Soziale Kosten des Glücksspiels. In Druck. Kapitel 5.1.<br />

50


Diagnostische Kriterien für pathologisches Spielen nach ICD-10: 75<br />

1. Dauerndes, wiederholtes Spielen.<br />

2. Anhaltendes und oft noch gesteigertes Spielen trotz negativer sozialer Konsequenzen,<br />

wie Verarmung, gestörte Familienbeziehungen und Zerrüttung der persönlichen<br />

Verhältnisse.<br />

Wie bereits erwähnt, ist die Diagnosevergabe nach ICD-10 weltweit anerkannt und wird im<br />

medizinischen Bereich angewandt.<br />

Tab. 18: Definition pathologisches Spielverhalten nach ICD-10 und DSM-IV<br />

ICD-10 DSM-IV<br />

F6 Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen<br />

F63 Abnorme Gewohnheiten und Störungen der<br />

Impulskontrolle<br />

51<br />

312. Störungen der Impulskontrolle, nicht andernorts<br />

klassifiziert<br />

F63.0 Pathologisches Glücksspielen 312.31 Pathologisches Glücksspielen<br />

Diagnostische Leitlinien Diagnostische Leitlinien<br />

Dauerndes, wiederholtes Spielen<br />

Anhaltendes und oft noch gesteigertes Spielen trotz negativer<br />

sozialer Konsequenzen, wie<br />

Verarmung<br />

gestörte Familienbeziehungen<br />

Zerrüttung der persönlichen Verhältnisse<br />

A Andauerndes und wiederkehrendes, fehlangepasstes<br />

Spielverhalten, was sich in mindestens fünf der<br />

folgenden Merkmale ausdrückt<br />

1. Starke Eingenommenheit vom Glücksspiel (z. B. starke<br />

gedankliche Beschäftigung mit Geldbeschaffung)<br />

2. Steigerung der Einsätze, um gewünschte Erregung zu<br />

erreichen<br />

3. Wiederholte erfolglose Versuche, das Spiel zu<br />

kontrollieren, einzuschränken oder aufzugeben<br />

4. Unruhe und Gereiztheit beim Versuch, das Spiel<br />

einzuschränken oder aufzugeben<br />

5. Spielen, um Problemen oder negativen Stimmungen zu<br />

entkommen<br />

6. Wiederaufnahme des Glücksspiels nach Geldverlusten<br />

7. Lügen gegenüber Dritten, um das Ausmaß der<br />

Spielproblematik zu vertuschen<br />

8. Illegale Handlungen zur Finanzierung des Spielens<br />

9. Gefährdung oder Verlust wichtiger Beziehungen, von<br />

Arbeitsplatz und Zukunftschancen<br />

10. Hoffnung auf Bereitstellung von Geld durch Dritte<br />

Quelle: Diagnostische Leitlinien für Pathologisches Glücksspielen in ICD (Dilling et al., 2005) und DSM<br />

(Saß et al., 1998) nach Institut für Therapieforschung (IFT) München (http://ift.de/index.php?id=225).<br />

75 Meyer, G.; Bachmann, M. (2000), Spielsucht – Ursachen und Therapie, S. 40.


5.2 Komorbide Störungen bei <strong>pathologischen</strong> Spielerinnen und Spielern<br />

Mit den DSM-IV Kriterien ist das pathologische Glücksspielverhalten klar definiert. Dieses<br />

zeichnet sich dadurch aus, dass das Verhalten für das Individuum selbst zum Problem wird<br />

und zu sozialen, insbesondere auch finanziellen Problemen führt. Hinzu kommen die<br />

suchtspezifischen Merkmale der „Entzugsprobleme“ (Craving), des „Hinterherjagens“<br />

(Chasing), hier hinter Verlusten, und der „Dosissteigerung“.<br />

Nach der Suchthilfestatistik wurde im Jahr 2008 bei 4.679 Patienten in ambulanten und<br />

stationären Einrichtungen die Hauptdiagnose pathologisches Spielen gestellt. 76 Es sind<br />

wesentlich mehr Männer von pathologischem Spielen betroffen als Frauen. Im Jahr 2009<br />

wurde nach der Suchthilfestatistik bei 6.740 Klienten in ambulanten und stationären<br />

Einrichtungen die Hauptdiagnose pathologisches Glücksspiel gestellt. 77 Meyer rechnet diese<br />

Zahlen hoch auf alle Suchtberatungseinrichtungen und kommt für das Jahr 2008 zu 7.300<br />

Patienten in ambulanten und 1.100 Patienten in stationären Einrichtungen. 78<br />

Gemäß Lenkitsch spricht man von Komorbidität, wenn bei einem Patienten oder einer<br />

Patientin unterschiedlich diagnostizierbare und eigenständige Krankheitsbilder nebeneinander<br />

auftreten. Dies ist vor allem bei neurologischen Erkrankungen der Fall. 79 Besonders häufig<br />

treten Depressionen und Angstzustände als Komorbiditäten auf.<br />

In einer Studie von Ibáñez et al. wurde in einer Stichprobe von 69 stationär behandelten<br />

Patienten mit pathologischem Glücksspielverhalten bei 62,3 % mindestens eine komorbide<br />

psychische Störung festgestellt. Von den Patienten wiesen 34,8 % eine komorbide Störung<br />

auf, 24,6 % litten an zwei und 2,9 % an drei komorbiden Erkrankungen. In Tabelle 19 ist die<br />

Verteilung der komorbiden Störungen aufgelistet. 80<br />

76<br />

Steppan, M. et al. (2009), Jahresstatistik 2008 der professionellen Suchtkrankenhilfe in Deutschland. Institut<br />

für Therapieforschung, München, S. 49.<br />

77<br />

Steppan, M. et al. (2010), Suchtkrankenhilfe in Deutschland 2009: Jahresbericht der deutschen<br />

Suchthilfestatistik (DSHS). IFT Institut für Therapieforschung, München, S. 44.<br />

(http://www.suchthilfestatistik.de/Downloads/Jahresbericht_DSHS.pdf).<br />

78<br />

Vgl. Meyer, G. (2010), Glücksspiel – Zahlen und Fakten. In: Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS)<br />

e. V. (Hrsg.), Jahrbuch Sucht 2010, S. 127 ff.<br />

79<br />

Lenkitsch, G. (2006), Komorbidität – Zusammentreffen verschiedener Krankheitsbilder.<br />

80<br />

Ibáñez, A. et al. (2001), Psychiatric Comorbidity in Pathological Gamblers Seeking Treatment, in: American<br />

Journal of Psychiatry 2001, S. 1734.<br />

52


Tab. 19: Komorbide Störungen bei spielsüchtigen Patienten<br />

komorbide Störungen Patienten<br />

Alkoholabhängigkeit 23,2 %<br />

Anpassungsstörungen 17,4 %<br />

dissoziale Persönlichkeitsstörung 14,5 %<br />

andere Persönlichkeitsstörungen 27,5 %<br />

affektive Störungen 8,7 %<br />

Angststörungen 4,3 %<br />

Drogenmissbrauch 2,9 %<br />

Quelle: Ibáñez, A. et al. (2001).<br />

Kessler et al. (2008) fanden im National Comorbidity Survey Replication, in dem zwischen<br />

2001 und 2003 insgesamt 9.283 Personen befragt wurden, eine Lebenszeitprävalenz für<br />

pathologisches Glücksspiel von 0,6 %, dies entspricht etwa 55 Personen. Von diesen<br />

55 Personen hatten 96,3 % zumindest eine weitere Störung und 64,4 % sogar drei oder mehr<br />

weitere Störungen. In dieser für die Vereinigten Staaten von Amerika repräsentativen<br />

Untersuchung hatten 55,6 % der <strong>pathologischen</strong> Spieler (auch) eine affektive Störung, 60,3 %<br />

eine Angststörung und 42,3 % eine andere Impulskontrollstörung. Unter Einbeziehung der<br />

Raucher wiesen 76,3 % eine Substanzabhängigkeit auf. Häufig traten die Störungen<br />

gemeinsam auf. 81<br />

5.2.1 Alkohol- und Tabakkonsum<br />

In der Regel gibt es bei den <strong>pathologischen</strong> Spielern eine polyvalente Abhängigkeit, wobei<br />

die Abhängigkeit von Alkohol und Nikotin die wichtigste Rolle spielt. 82<br />

Meyer (1989) hat 1987 die Mitglieder von 54 Spielerselbsthilfegruppen in 45 Städten nach<br />

den Problemen mit Alkohol, Drogen und Medikamenten befragt. Immerhin 22,4 % der<br />

Probanden hatten oder haben auch Probleme mit diesen Stoffen. Mehr als 10 % der<br />

Probanden hatten oder haben Probleme mit Alkohol. 83<br />

81 Becker, T. (2009), Glücksspielsucht in Deutschland. Prävalenz bei verschiedenen Glücksspielformen, S. 23.<br />

82 Vgl. zu den Komorbiditäten den Überblick in Becker, T.; Dittmann, A. (2008), Grüsser-Sinopoli, S. M.;<br />

Albrecht, U. (2008) sowie in Premper, V.; Schulz, W. (2008). Für Deutschland liegen nur wenige Studien vor,<br />

auf die explizit eingegangen wird.<br />

83 Vgl. Meyer, G. (1989), Glücksspieler in Selbsthilfegruppen Projektbericht über erste Ergebnisse einer<br />

53


Anhand einer Untersuchung der im Zeitraum 1986 bis 1993 in der psychosomatischen<br />

Fachklinik Münchwies aufgenommenen 206 <strong>pathologischen</strong> Glücksspieler kommt Petry<br />

(1994) zu dem Ergebnis, dass sogar die Hälfte der <strong>pathologischen</strong> Glücksspieler noch eine<br />

weitere stoffgebundene Sucht aufweist, insbesondere eine Alkoholabhängigkeit, seltener eine<br />

Medikamenten- oder Drogenabhängigkeit und in Einzelfällen eine Essstörung. 84<br />

Premper et al. (2004) kommen auf Grund der Daten von 80 <strong>pathologischen</strong> Spielern, die<br />

zwischen dem 04.02.2002 und dem 04.02.2003 in der Klinik Schweriner See aufgenommen<br />

wurden, zu einer Prävalenzrate substanzbezogener Störungen von 57,5 %. 85 Weiter haben<br />

Premper et al. (2008) sowohl die Alkohol- als auch die Nikotinabhängigkeit bezüglich der<br />

Prävalenzen getrennt voneinander betrachtet. Bei den Nikotinabhängigen beträgt die<br />

Lebenszeitprävalenz 86,1 % und die Jahresprävalenz 73,3 %. Bei Alkoholabhängigkeit<br />

beträgt die Lebenszeitprävalenz 31,7 % und die Jahresprävalenz 14,9 %. 86<br />

Petry et al. (2005) haben bei einer Umfrage von n=43.093 Haushalten außerhalb Deutschlands<br />

festgestellt, dass die Lebenszeitprävalenz bei Nikotinabhängigkeit 60,37 % ausmacht und bei<br />

Alkoholabhängigkeit 47,79 %. 87<br />

Auf Grund der Untersuchung von 101 Patienten, die in der Klinik Schweriner See zwischen<br />

dem 01.01.2004 und dem 28.02.2005 stationär aufgenommen wurden, kommt Premper (2006)<br />

zu einer Lebenszeitprävalenzrate substanzbezogener Störungen von 60,4 % und einer<br />

Jahresprävalenzrate von 25,7 %. 88<br />

empirischen Untersuchung.<br />

84 Petry, J. (1994), Die Therapie von <strong>pathologischen</strong> Glücksspielern im stationären Setting. In: Jahrreis, R.<br />

(Hrsg.), Die ambulante und stationäre Behandlung von <strong>pathologischen</strong> Glücksspielern: Referate auf dem<br />

4. Regionalen Treffen „Süddeutschland“ des Bundesweiten Arbeitskreis Glückspielsucht am 26. Mai 1994 in<br />

der Fachklinik Münchwies. Neunkirchen (Saar), Münchwieser Hefte, S. 21-28.<br />

85 Premper, V. et al.(2004), Komorbide psychische Symptomatik bei <strong>pathologischen</strong> Glücksspielern in der<br />

Klinik Schweriner See. In: Praxis Klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation 2004, 66, S. 79-87.<br />

86 Premper, V. et al. (2008), Komorbidität bei Pathologischem Glücksspiel. In: Sucht (3), S. 131-140.<br />

87 Petry, N. M. et al. (2005), Comorbidity of DSM-IV Pathological Gambling and Other Psychiatric Disorders:<br />

Results from the National Epidemiologic Survey on Alcohol and Related Conditions. In: Journal of Clinical<br />

Psychiatry, Vol 66(5), S. 564-574.<br />

88 Vgl. Premper, V. (2006), Komorbide psychische Störungen bei <strong>pathologischen</strong> Glücksspielern, S. 237.<br />

54


Die Anonymen Spieler (2003) in Österreich kommen auf Grund der 534 Klienten im Jahr<br />

2003 zu dem Ergebnis, dass in 40 % der Fälle als Paralleldiagnose zu dem <strong>pathologischen</strong><br />

Glücksspiel die Störungen durch Substanzmittel dominieren. 89<br />

Für die Schweiz liegen ebenfalls Daten für das Jahr 2003 und 751 Klienten aus Beratungsund<br />

Behandlungseinrichtungen vor. Hier liegt bei 40 % der Klienten ein problematischer<br />

Konsum von Alkohol und bei 60 % der Klienten ein problematischer Konsum von Tabak<br />

vor. 90<br />

Becker (2009) bewertet die Lebenszeitprävalenz für substanzbezogene Störungen (ohne<br />

Nikotin) bei <strong>pathologischen</strong> Spielern mit 25 % bis 50 %, während bei Patienten mit<br />

substanzbezogener Störung lediglich 9 % bis 16 % ein pathologisches Spielverhalten<br />

aufweisen. 91<br />

Wie auch aus anderen Studien ersichtlich wird, spielt die Abhängigkeit von Alkohol neben<br />

Nikotin die wichtigste Rolle. In einer Untersuchung von Rahman (2000) mit einer Stichprobe<br />

von 28 <strong>pathologischen</strong> Spielern, die in Bremen auf verschiedene Arten zur Teilnahme<br />

gewonnen wurden, wurde unter anderem die folgende Hypothese getestet: „Im Vergleich zu<br />

Kontrollprobanden besteht aufgrund der Annahme affektiver Dysregulation im Zusammenhang<br />

mit einer Selbstwertproblematik eine signifikant höhere Achse-I-Komorbidität bei<br />

<strong>pathologischen</strong> Spielern.“ 92<br />

Achse-I-Störungen bezeichnen psychische Störungen, die einen starken Einfluss auf das<br />

Leben der betroffenen Personen haben. Nach der Einteilung des Diagnostic and Statistical<br />

Manual of Mental Disorders (DSM) umfassen die Achse-I-Störungen neben psychotischen<br />

Störungen wie Schizophrenie auch substanzbezogene Störungen wie Alkoholismus oder<br />

Drogenabhängigkeit. 93<br />

89<br />

Vgl. Anonyme Spieler (2003), Jahresbericht 2003: Forschungsdaten Beratungsstelle-Therapiezentrum „AS“,<br />

Wien, Beratungsstelle-Therapiezentrum „AS“.<br />

90<br />

Vgl. Künzi, K. et al.(2004), Glücksspiel und Spielsucht in der Schweiz: Empirische Untersuchung von<br />

Spielpraxis, <strong>Entwicklung</strong>, Sucht und Konsequenzen. Büro für arbeits- und sozialpolitische Studien (BASS),<br />

Bern, 15.11.2004, S. 187,<br />

(http://www.buerobass.ch/pdf/2004/ESBK %202004 %20Spielsucht %20Bericht.pdf).<br />

91<br />

Becker, T. (2009), Glücksspielsucht in Deutschland. Prävalenz bei verschiedenen Glücksspielformen, S. 21.<br />

92<br />

Rahman, S. (2000), Aspekte der Glücksspielsucht: Selbstkonzept, Affektregulation und Achse-I-<br />

Komorbidität, S. 61.<br />

93<br />

Lexikon der Neurowissenschaft,<br />

(http://www.wissenschaft-online.de/abo/lexikon/neuro/95).<br />

55


Rahman kam zu dem Ergebnis, dass sich die Kontrollgruppe und die Spielergruppe<br />

hinsichtlich verschiedener Achse-I-Störungen signifikant voneinander unterscheiden. 32,1 %<br />

wiesen gleichzeitig eine Alkoholabhängigkeit und 14,3 % Drogenmissbrauch auf. Des<br />

Weiteren lagen in der Spielergruppe Sozialphobie, Panikstörungen, generalisierte Angststörungen,<br />

posttraumatische Belastungsreaktionen, dysthymes Syndrom, schweres depressives<br />

Syndrom, cyclothymes Syndrom und hypomanische Episoden signifikant häufiger vor als in<br />

der Kontrollgruppe. In der untersuchten Spielergruppe wurden durchschnittlich pro Spieler<br />

drei Achse-I-Störungen festgestellt. 94<br />

Das Bundesmodellprojekt (2010) kam bezüglich des Alkohol- oder Tabakkonsums zu<br />

folgenden Ergebnissen:<br />

Tab. 20: ICD-10-Diagnose(Abhängigkeitssyndrom bzw. schädlicher Gebrauch) nach Konsumart und Geschlecht<br />

(Mehrfachnennungen möglich, n=650)<br />

Quelle: Modellprojekt des Bundesministeriums für Gesundheit (2010), Tab 50, S. 62.<br />

„Eine ICD-10-Diagnose bzgl. Alkoholabhängigkeit wird bei 121 Männern (26,5 %) und<br />

sieben Frauen (18,4 %) gestellt; schädlicher Gebrauch bei 65 Männern (45,5 %) und fünf<br />

Frauen (38,6 %). Die überwiegend dokumentierten Angaben beziehen sich jedoch auf den<br />

Konsum von Tabak.“ 95<br />

94<br />

Rahman, S. (2000), Aspekte der Glücksspielsucht: Selbstkonzept, Affektregulation und Achse-I-<br />

Komorbidität, S. 62.<br />

95<br />

Gesellschaft für Forschung und Beratung im Gesundheits- und Sozialbereich (FOGS, 2010), Modellprojekt<br />

des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG), „Frühe Intervention beim Pathologischen Glücksspiel“,<br />

S. 62.<br />

56


5.2.2 Affektive Störungen (Depressionen, Manien)<br />

Häufig tritt das pathologische Glücksspielverhalten auch in Kombination mit anderen<br />

psychischen Erkrankungen auf. Affektive Störungen (Depressionen, Manien) und<br />

pathologisches Glücksspielverhalten sind komorbid. Hierfür spricht auch die sehr hohe<br />

Selbstmordrate unter den <strong>pathologischen</strong> Glücksspielern (siehe Kapitel 9.8). Die<br />

Prävalenzrate von depressiven Störungen bei <strong>pathologischen</strong> Glückspielern liegt in den<br />

vorliegenden englischsprachigen Studien mit wenigen Ausnahmen in der Größenordnung von<br />

75 %. 96<br />

Es ist allerdings noch nicht hinreichend geklärt, ob das pathologische Glücksspielverhalten zu<br />

affektiven Störungen führt oder ob Personen mit affektiven Störungen dazu neigen, das<br />

pathologische Glücksspiel zum Beispiel zur Selbstmedikation dieser Störungen zu benutzen.<br />

Es wurden auch Hinweise auf eine erhöhte Prävalenz manischer und hypomanischer Epsioden<br />

gefunden. 97 Es gibt Studien, die darauf hindeuten, dass die Prävalenzrate affektiver Störungen<br />

bei Glücksspielern sich der in der Bevölkerung nähert, wenn diese ihre Krankheit überwunden<br />

haben. 98<br />

In der erwähnten Studie der Anonymen Spieler (2003) liegt die Prävalenzrate für affektive<br />

Störungen bei 16 %. 99 Premper et al. (2004) fanden eine Prävalenzrate depressiver Störungen<br />

von 21,6 %. 100 Premper (2006) hingegen kommt zu einer Lebenszeitprävalenzrate der<br />

affektiven Störungen bei <strong>pathologischen</strong> Spielern von 61,4 % und einer Jahresprävalenzrate<br />

von 51,5 %. 101<br />

Petry et al. (2005) haben in ihrer Untersuchung eine Lebenszeitprävalenz der affektiven<br />

Störungen bei <strong>pathologischen</strong> Spielern von 49,62 % festgestellt.<br />

96<br />

Vgl. hierzu im Detail in Becker, T. (2009), Glücksspielsucht in Deutschland. Prävalenz bei verschiedenen<br />

Glücksspielformen.<br />

97<br />

Becker, T. (2011). Soziale Kosten des Glücksspiels. In Druck. Kapitel 2.5.<br />

98<br />

Vgl. im Detail Becker, T.; Dittmann, A. (2008).<br />

99<br />

Vgl. Anonyme Spieler (2003), Jahresbericht 2003: Forschungsdaten Beratungsstelle-Therapiezentrum „AS“,<br />

Wien, Beratungsstelle-Therapiezentrum „AS“.<br />

100<br />

Premper, V. et al. (2004), Komorbide psychische Symptomatik bei <strong>pathologischen</strong> Glücksspielern in der<br />

Klinik Schweriner See. In: Praxis Klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation 2004, 66, S. 79-87.<br />

101<br />

Premper, V. (2006), Komorbide psychische Störungen bei <strong>pathologischen</strong> Glücksspielern.<br />

57


Auch das Bundesmodellprojekt hat die Befragten nach dem Vorhandensein von psychischen<br />

Störungen gefragt, dabei jedoch keine Unterscheidung zwischen Angst- und Zwangshandlungen<br />

oder Anpassungsstörungen gemacht.<br />

Die folgende Tabelle fasst die Ergebnisse zusammen:<br />

Tab. 21: Art der psychischen Störungen (Mehrfachnennungen möglich)<br />

Quelle: Modellprojekt des Bundesministeriums für Gesundheit (2010), Tab 52, S. 63.<br />

„Für knapp zwei Fünftel wurde eine affektive Störung diagnostiziert. Bei einem Drittel wurde<br />

eine Persönlichkeits- und Verhaltensstörung festgestellt. Ein Vergleich zwischen den beiden<br />

Geschlechtern zeigt, dass die diagnostizierten psychischen Störungen unterschiedlich verteilt<br />

sind. Für die Männer wurden weitaus häufiger (31,3 % vs. 19,4 %) Persönlichkeits- und<br />

Verhaltensstörungen genannt, für die Frauen hingegen neurotische, Belastungs- und<br />

somatoforme Störungen (35,5 % vs. 10,5 %). Bei den sonstigen psychischen Störungen<br />

werden häufiger Depression und / oder Angststörungen genannt.“ 102<br />

102 Gesellschaft für Forschung und Beratung im Gesundheits- und Sozialbereich (FOGS, 2010), Modellprojekt<br />

des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG), „Frühe Intervention beim Pathologischen Glücksspiel“,<br />

S. 63 f.<br />

58


5.2.3 Angst- und Zwangsstörungen<br />

Die eben zitierten Untersuchungen haben sich auch mit der Komorbidität von Angst- und<br />

Zwangsstörungen und pathologischem Glücksspielverhalten beschäftigt. Die Anonymen<br />

Spieler fanden nur in 6 % der Fälle eine neurotische Störung. 103 Rahman fand bei 32,1 % eine<br />

generalisierte Angststörung. 104 Nach Premper schwanken die Komorbiditätsraten der<br />

vorliegenden Untersuchungen zwischen 7,2 % und 30 % und er kommt in der eigenen<br />

Untersuchung zu einer Lebenszeitprävalenz bei komorbiden Angststörungen von 57,4 % und<br />

einer Jahresprävalenz von 47,5 %. 105<br />

Petry et al. (2005) kommen zu einer Lebenszeitprävalenz von 41,3 % bei <strong>pathologischen</strong><br />

Spielern mit komorbiden Angststörungen. 106<br />

5.2.4 Anpassungsstörungen<br />

Nach ICD-10 „handelt es sich [bei den Anpassungsstörungen] um Zustände von subjektiver<br />

Bedrängnis und emotionaler Beeinträchtigung, die im Allgemeinen soziale Funktionen und<br />

Leistungen behindern und während des Anpassungsprozesses nach einer entscheidenden<br />

Lebensveränderung oder nach belastenden Lebensereignissen auftreten. Die Belastung kann<br />

das soziale Netz des Betroffenen beschädigt haben (wie bei einem Trauerfall oder<br />

Trennungserlebnissen) oder das weitere Umfeld sozialer Unterstützung oder soziale Werte<br />

(wie bei Emigration oder nach Flucht). Sie kann auch in einem größeren <strong>Entwicklung</strong>sschritt<br />

oder einer Krise bestehen (wie Schulbesuch, Elternschaft, Misserfolg, Erreichen <strong>eines</strong><br />

ersehnten Zieles und Ruhestand). Die individuelle Prädisposition oder Vulnerabilität spielt bei<br />

dem möglichen Auftreten und bei der Form der Anpassungsstörung eine bedeutsame Rolle; es<br />

ist aber dennoch davon auszugehen, dass das Krankheitsbild ohne die Belastung nicht<br />

entstanden wäre. Die Anzeichen sind unterschiedlich und umfassen depressive Stimmung,<br />

Angst oder Sorge (oder eine Mischung von diesen). Außerdem kann ein Gefühl bestehen, mit<br />

103 Vgl. Anonyme Spieler (2003), Jahresbericht 2003: Forschungsdaten Beratungsstelle-Therapiezentrum „AS“,<br />

Wien, Beratungsstelle-Therapiezentrum „AS“.<br />

104 Rahman, S. (2000), Aspekte der Glücksspielsucht: Selbstkonzept, Affektregulation und Achse-I-<br />

Komorbidität. Eine empirische Untersuchung. Dissertation an der Universität Bremen.<br />

105 Premper, V. (2006), Komorbide psychische Störungen bei <strong>pathologischen</strong> Glücksspielern.<br />

106 Petry, N. M. et al. (2005), Comorbidity of DSM-IV Pathological Gambling and Other Psychiatric Disorders:<br />

Results from the National Epidemiologic Survey on Alcohol and Related Conditions. In: Journal of Clinical<br />

Psychiatry, Vol. 66 (5), S. 564-574.<br />

59


den alltäglichen Gegebenheiten nicht zurechtzukommen, diese nicht vorausplanen oder<br />

fortsetzen zu können. Störungen des Sozialverhaltens können insbesondere bei Jugendlichen<br />

ein zusätzliches Symptom sein.<br />

Herausragendes Merkmal kann eine kurze oder längere depressive Reaktion oder eine Störung<br />

anderer Gefühle und des Sozialverhaltens sein (z. B. Hospitalismus bei Kindern,<br />

Kulturschock, Trauerreaktion).“<br />

5.2.5 Exkurs: ADHS und pathologisches Spielverhalten<br />

Verschiedene Untersuchungen, meist aus dem englischsprachigen Raum, weisen auf einen<br />

Zusammenhang zwischen dem Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom mit Hyperaktivität<br />

(ADHS) im Kindheitsalter und pathologischem Spielen im Erwachsenenalter hin. Als<br />

verbindende Merkmale werden chronische Langeweile, Depressionen und ein geringes<br />

Selbstwertgefühl bei ADHS-Patienten gesehen sowie die fehlende Impulskontrolle bei<br />

<strong>pathologischen</strong> Spielern. Durch die im Spielen erfahrenen Stimuli und Belohnungsgefühle<br />

erfahren ADHS-Patienten eine vermeintliche Erleichterung. 107<br />

Problematisch ist, dass viele dieser Studien erst im Erwachsenenalter ansetzen und daher den<br />

Zusammenhang zwischen kindlicher ADHS und späterem pathologischem Spielverhalten<br />

nicht einwandfrei belegen können. 108 Eine US-amerikanische Langzeitstudie wies immerhin<br />

nach, dass das problematische Glücksspielverhalten bei Personen stärker ausgeprägt ist, die<br />

das ADHS auch im Erwachsenenalter nicht überwinden können, als bei solchen ohne ADHS<br />

oder bei Personen, die ihre ADHS-Phase überwinden konnten. 109<br />

107<br />

Littman-Sharp, N. et al. (2000), Problem Gambling and Attention-Deficit Hyperactivity Disorder.<br />

108<br />

The WAGER, Vol. 14 (4) – Pay Attention: Does Persistent ADHD Lead to Gambling Problems in Young<br />

Adults?,<br />

(http://www.basisonline.org/2009/05/the-wager-vol-144-pay-attention-does-persistent-adhd-lead-togambling-problems-in-young-adults.html).<br />

109<br />

Breyer, J. L. et al. (2009), Young Adult Gambling Behaviours and their Relationship with the Persistence of<br />

ADHD. In: Journal of Gambling Studies, S. 227-238.<br />

60


5.2.6 Exkurs: Parkinson und pathologisches Spielverhalten<br />

2005 fiel dem Personal der Mayo-Kliniken in Minnesota, USA, bei Routineuntersuchungen<br />

die hohe Anzahl an <strong>pathologischen</strong> Glücksspielern unter ihren Patienten auf. Die Mitarbeiter<br />

stellten einen Zusammenhang mit dem verordneten Medikament 110 fest. Außerdem litten viele<br />

Patienten an Heißhungerattacken (binge-eating), konsumierten übermäßig Alkohol, waren<br />

verschwendungssüchtig oder übermäßig sexuell aktiv. Wurde das Medikament abgesetzt,<br />

verhielten sich die Patienten wieder innerhalb des Normbereichs. 111<br />

Inzwischen ist bekannt, dass Medikamente, die zur Behandlung der Parkinson-Krankheit<br />

eingesetzt werden, das Verhalten verändern können. Manche Patienten, die mit sogenannten<br />

Dopamin-Agonisten behandelt werden, neigen zu pathologischem Spielen, werden übermäßig<br />

sexuell aktiv, entwickeln Kaufsucht oder Heißhungerattacken. Zum Einsatz kommen die<br />

Dopamin-Agonisten, da die für die Produktion von Dopamin verantwortlichen Nervenzellen<br />

bei Parkinson-Kranken absterben. Als Folge davon treten Störungen des Bewegungsapparats<br />

auf (z. B. Muskelsteifheit, Zittern, Bewegungsstörungen). Die Dopamin-Agonisten ahmen im<br />

Gehirn die Wirkung von Dopamin nach; gleichzeitig spielt dieses „Glückshormon“ jedoch<br />

auch eine Rolle bei der Entstehung von Sucht.<br />

Als besonders gefährdet gelten jüngere Personen, die schon früh an Parkinson erkranken.<br />

Weitere verstärkende Faktoren beziehen sich auf das Vorhandensein von Hyperaktivität<br />

(novelty-seeking), medikamenteninduzierter Manie oder Hypomanie, Impulskontrollstörungen<br />

oder Alkoholmissbrauch (eigener oder innerhalb der Familie). Die Nebenwirkungen scheinen<br />

unabhängig von der Dosierung des Medikaments aufzutreten. 112<br />

Weintraub et al. untersuchten anhand von 3.090 Patienten den Zusammenhang zwischen<br />

Impulskontrollstörungen und der Vergabe von Dopamin-Agonisten an Parkinson-Kranke.<br />

Ihren Untersuchungsergebnissen zufolge treten Impulskontrollstörungen in der Gruppe der<br />

mit Dopamin-Agonisten behandelten Personen um den Faktor 2,7 verstärkt auf; Heißhunger-<br />

110<br />

Das Medikament enthielt den Wirkstoff Levodopa, der bspw. auch Patienten mit dem Restless Legs-<br />

Syndrom oder Multipler Sklerose verordnet wird.<br />

111<br />

Dodd, M. L. et al. (2005), Pathological Gambling Caused by Drugs used to Treat Parkinson Disease. In:<br />

Archives of Neurology, Vol. 62, S. 1-5.<br />

112<br />

Voon, V. et al. (2007), Factors Associated With Dopaminergic Drug-Related Pathological Gambling in<br />

Parkinson Disease. In: Archives of Neurology, Vol. 64, S. 212-216.<br />

61


attacken um den Faktor 3,3 und übermäßiges Glücksspiel (disordered gambling) um den<br />

Faktor 2,8. 113<br />

Ein weiterer Pressebericht aus dem Science Daily berichtete über die Ergebnisse einer Studie<br />

am argentinischen Raul Carrea Institut für Neurologische Forschung. Demzufolge verhielten<br />

sich Parkinson-kranke Glücksspieler weniger kooperativ, hatten Schwierigkeiten beim<br />

Eingehen oder Pflegen enger Beziehungen, und folgten bei ihren Handlungen eigenen<br />

Wünschen, ohne Rücksicht auf ihre Umwelt zu nehmen. 114 Einschränkend muss bemerkt<br />

werden, dass die untersuchte Stichprobe zu gering war, um repräsentative Aussagen treffen zu<br />

können.<br />

5.2.7 Komorbiditäten bei den KlientInnen ambulanter Beratungsstellen und<br />

Fokusgruppenteilnehmern<br />

Interessant ist die Fragestellung, ob und welche Substanzen von den Befragten aktuell<br />

konsumiert werden bzw. konsumiert wurden. Von den 108 sich beteiligenden Personen gaben<br />

86 % an, dass sie aktuell rauchten bzw. geraucht hatten. Weiter haben 69 % angegeben, dass<br />

sie Alkohol konsumierten bzw. konsumiert hatten. Rund 19 % der Befragten hatten<br />

Erfahrungen mit Cannabis; weitere 12 % nannten Kokain als konsumierte Substanz. Ebenso<br />

wurden folgende Substanzen (weniger häufig) angegeben: Amphetamine (8 %), (Schlaf-)<br />

Medikamente (2 %), LSD (6 %), „Pillen“ (1 %), Kaffee (1 %) und Ecstasy (4 %).<br />

113<br />

Weintraub, D. et al. (2010), Impulse Control Disorders in Parkinson Disease: A Cross-Sectional Study of<br />

3090 Patients. In: Archives of Neurology 67 (5), 589-595.<br />

114<br />

Pressemeldung des Science Daily vom 15.01.2010: Parkinson’s patients who are pathological gamblers also<br />

display abnormal social behavior,<br />

(http://www.sciencedaily.com/releases/2010/01/100114081545.htm), eingesehen am 20.04.2011.<br />

62


Tab. 22: Konsumierte Substanzen<br />

Welche Substanzen wurden/werden konsumiert (n=108)? Häufigkeit Prozent<br />

Nikotin 93 86,1<br />

Alkohol 75 69,4<br />

Amphetamine 9 8,3<br />

Kokain 13 12,0<br />

Cannabis 20 18,5<br />

(Schlaf-) Medikamente 2 1,9<br />

LSD 6 5,6<br />

Pillen 1 0,9<br />

Kaffee 1 0,9<br />

Ecstasy 4 3,7<br />

Quelle: Eigene Berechnungen / Gemeinschaftsfragebogen.<br />

Die Befragten sollten auch Angaben dazu machen, ob die Substanzen auf missbräuchliche<br />

und / oder abhängige Weise konsumiert wurden (Selbsteinschätzung). Von den 112 Personen<br />

waren 108 dazu bereit.<br />

Von den 93 Personen, die Nikotin konsumieren bzw. konsumiert haben, taten dies 76<br />

Personen (82 %) auf eine missbräuchliche bzw. abhängige Weise. Von denjenigen Befragten,<br />

die im Laufe ihres Lebens Alkohol konsumiert hatten bzw. konsumierten, gaben 41 % (31<br />

Personen) an, Alkohol missbräuchlich genutzt zu haben bzw. abhängig zu sein. Beim Konsum<br />

von Cannabis gaben 75 % der CannabiskonsumentInnen (15 von 20 Personen) an, dies auf<br />

eine missbräuchliche bzw. abhängige Weise zu tun bzw. getan zu haben. Lediglich 13 der 108<br />

Befragten gaben an, Erfahrungen mit Kokain gemacht zu haben. Von diesen 13 Personen<br />

konsumierten mehr als die Hälfte (53,8 %) Kokain auf eine missbräuchliche und abhängige<br />

Weise. Rund 66,7 % (sechs von neun Personen) konsumierten Amphetamine auf sowohl<br />

missbräuchliche als auch abhängige Weise. Aus der Befragung geht jedoch nicht hervor, ob es<br />

sich dabei um medizinischen bzw. nichtmedizinischen Gebrauch handelte. Rechnet man<br />

jedoch die Nennung von Amphetaminen und (Schlaf-)Medikamenten zusammen,<br />

konsumierten 7,4 % der 108 KlientInnen der ambulanten Beratungsstellen diese auf eine<br />

missbräuchliche und / oder abhängige Weise. Betrachtet man nur die Fälle, die diese<br />

Substanzen auf missbräuchliche bzw. abhängige Weise konsumiert hatten, sind es 72,7 %<br />

(acht von elf Personen).<br />

63


Tab. 23: Hauptdiagnosen und zusätzliche Einzeldiagnosen<br />

Hauptdiagnose PG (n=108)<br />

Zusätzliche<br />

Einzeldiagnose<br />

Diagnose<br />

Missbrauch<br />

Diagnose<br />

Abhängigkeit<br />

Beide Diagnosen<br />

Konsum<br />

missbräuchliche /<br />

abhängige Weise<br />

Fälle Prozent Fälle Prozent Fälle Prozent Fälle Prozent<br />

(n) ( %) (n) ( %) (n) ( %) (n) ( %)<br />

Nikotin/Tabak 4 3,7 55 50,9 17 15,7 76 70,4<br />

Alkohol 16 14,8 13 12,0 2 1,9 31 28,7<br />

Amphetamine 3 2,8 3 2,8 - - 6 5,6<br />

Cannabis 9 8,3 5 4,6 1 0,9 15 13,9<br />

(Schlaf-)<br />

Medikamente<br />

- - - - 2 1,9 2 1,9<br />

Kokain 5 4,6 2 1,9 - - 7 6,5<br />

LSD 1 0,9 1 0,9 - - 2 1,9<br />

Ecstasy 2 1,9 - - - - 2 1,9<br />

Quelle: Eigene Berechnungen / Gemeinschaftsfragebogen.<br />

Ein Vergleich der vorliegenden Resultate mit der vorgestellten Literatur ergibt folgendes Bild:<br />

Während in der Studie von Ibáñez et al. (2001) 23,2 % der 43 Befragten zusätzlich an<br />

Alkoholabhängigkeit litten, waren dies in der vorliegenden Studie 28,7 %, inklusive<br />

ehemaliger AlkoholikerInnen (siehe Tabelle 19 und Tabelle 23).<br />

Bei Meyer (1989) lag dieser Wert noch bei etwas über 10 %. 115<br />

Weiter wurde bei Rahman (2000) festgestellt, dass 32,1 % der 28 Befragten<br />

gleichzeitig Alkoholmissbrauch aufwiesen. 116<br />

In der Studie der Anonymen Spieler (2003) wurde festgestellt, dass in der Schweiz<br />

40 % der 751 Befragten einen problematischen Konsum von Alkohol haben bzw.<br />

hatten. 117<br />

115<br />

Vgl. Meyer, G. (1989), Glücksspieler in Selbsthilfegruppen Projektbericht über erste Ergebnisse einer<br />

empirischen Untersuchung.<br />

116<br />

Rahman, S. (2000), Aspekte der Glücksspielsucht: Selbstkonzept, Affektregulation und Achse-I-<br />

Komorbidität, S. 61.<br />

117<br />

Vgl. Künzi et al. (2004), Glücksspiel und Spielsucht in der Schweiz: Empirische Untersuchung von<br />

Spielpraxis, <strong>Entwicklung</strong>, Sucht und Konsequenzen. Büro für arbeits- und sozialpolitische Studien (BASS),<br />

Bern, 15.11.2004, S.187,<br />

(http://www.buerobass.ch/pdf/2004/ESBK %202004 %20Spielsucht %20Bericht.pdf).<br />

64


Bei Meyer (1989) hatten rund 22,4 % Probleme mit Alkohol, Drogen und / oder<br />

Medikamenten. 118 In der vorliegenden Studie betrifft das rund 60,4 % (siehe Tabelle<br />

23).<br />

Von den 650 Befragten des Bundesmodellprojektes (2010) wiesen 30,5 % (198<br />

Personen) einen abhängigen und / oder missbräuchlichen Alkoholkonsum auf (siehe<br />

Tabelle 20).<br />

Bezüglich des Nikotin-/Tabakkonsums wurde Folgendes festgestellt:<br />

In der Studie der Anonymen Spieler (2003) wurde festgestellt, dass in der Schweiz<br />

60 % der Befragten einen problematischen Konsum von Tabak hatten bzw. haben. 119<br />

Im Falle der vorliegenden Studie waren 70,4 % tabaksüchtig, inklusive ehemaliger<br />

RaucherInnen (siehe Tabelle 23).<br />

Von den 650 Befragten des Bundesmodellprojektes (2010) wiesen 70 % (455<br />

Personen) einen abhängigen und / oder missbräuchlichen Tabakkonsum auf (siehe<br />

Tabelle 20).<br />

Von den 11 Personen, die an der Fokusgruppe teilnahmen, waren acht Personen aktive<br />

Raucher. Alle hatten über 20 Jahre geraucht. Einer der Nichtraucher gab an, mehr als 40 Jahre<br />

Nikotin konsumiert zu haben. Da die Spielzeit bei denjenigen Personen, die während der<br />

Vorstellungsrunde Angaben dazu gemacht hatten, ebenfalls mindestens 20 Jahre betrug,<br />

könnte ein Zusammenhang bestehen. Die Daten aus dem Protokoll und dem Fragebogen<br />

erlauben jedoch keine konkrete Zuordnung.<br />

Auf die Frage nach dem Konsum von Alkohol gaben sechs Personen an, abstinent zu sein.<br />

Eine Person gab an, einen Tag pro Woche, zwei weitere, an zwei Tagen die Woche und eine<br />

vierte, einmal im Monat Alkohol zu konsumieren. Eine Person bejahte lediglich den<br />

Alkoholkonsum ohne Angabe von Häufigkeit. Der Alkoholkonsum unter den Fokusgruppenteilnehmern<br />

war also zum Zeitpunkt der Befragung moderat.<br />

118<br />

Vgl. Meyer, G. (1989), Glücksspieler in Selbsthilfegruppen Projektbericht über erste Ergebnisse einer<br />

empirischen Untersuchung.<br />

119<br />

Vgl. Künzi et al. (2004),Glücksspiel und Spielsucht in der Schweiz: Empirische Untersuchung von<br />

Spielpraxis, <strong>Entwicklung</strong>, Sucht und Konsequenzen. Büro für arbeits- und sozialpolitische Studien (BASS),<br />

Bern, 15.11.2004, S.187,<br />

(http://www.buerobass.ch/pdf/2004/ESBK %202004 %20Spielsucht %20Bericht.pdf).<br />

65


Alle Teilnehmer an der Fokusgruppe waren zum Zeitpunkt der Befragung drogenfrei. Weitere<br />

Daten zu den Komorbiditäten wurden während der Fokusgruppe nicht erhoben.<br />

5.3 Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge<br />

Wenn das pathologische Glücksspielverhalten auch in Kombination mit anderen psychischen<br />

Erkrankungen auftritt, werden nur diejenigen Klienten als pathologische Spieler eingeordnet,<br />

bei denen das Glücksspiel das Hauptproblem darstellt. Die Ursache-Wirkungs-<br />

Zusammenhänge mit anderen psychischen Erkrankungen sind wenig erforscht. Oft ist nicht<br />

eindeutig zu klären, ob pathologisches Glücksspiel als Symptom oder als eigenständiges<br />

Krankheitsbild zu betrachten ist. 120 Eine weitere Möglichkeit ist, dass es eine dritte<br />

unbekannte Ursache gibt, die sowohl pathologisches Spielverhalten als auch eine weitere<br />

Störung als Symptome hat.<br />

5.3.1 Vorstellung von Studien, die sich mit Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge befassen<br />

Für den englischsprachigen Raum liegen mittlerweile auch erste Studien zur Kausalität<br />

zwischen pathologischem Glücksspiel und anderen psychischen Störungen vor, hier<br />

insbesondere Kessler et al. (2008). Für Deutschland hingegen ist den Verfassern nur die<br />

Studie von Premper und Schulz (2008) bekannt. 121<br />

Tab. 24: Sequenz für das Auftreten von pathologischem Spielverhalten und komorbiden Störungen<br />

Sequenz des Auftretens<br />

pathologisches Spielverhalten<br />

zuerst<br />

andere Störung zuerst<br />

affektive Störungen 23,1 % 65,1 %<br />

Angststörungen 13,4 % 82,1 %<br />

Impulskontrollstörungen 0,0 % 100,0 %<br />

Substanzmissbrauch 36,2 % 57,4 %<br />

Quelle: Kessler, R. C. et al. (2008).<br />

120 Becker, T. (2009), Glücksspielsucht in Deutschland. Prävalenz bei verschiedenen Glücksspielformen, S. 21 f.<br />

121 Becker, T. (2009), Glücksspielsucht in Deutschland. Prävalenz bei verschiedenen Glücksspielformen, S. 23.<br />

66


In 65,1 % der Fälle lassen sich affektive Störungen vor dem <strong>pathologischen</strong> Spielverhalten<br />

feststellen. Angststörungen gehen in 82,1 % der Fälle voraus und in 100 % der Fälle treten<br />

Impulskontrollstörungen vor dem <strong>pathologischen</strong> Spielverhalten auf.<br />

Becker (2009) interpretiert diese Zahlen so, dass es sich bei der Glücksspielsucht nicht um die<br />

Ursache für psychische Störungen handelt, sondern dass diese vielmehr Symptom dieser<br />

Störungen ist. 122<br />

In 57,4 % der Fälle geht der Substanzmissbrauch dem <strong>pathologischen</strong> Spielen zeitlich voraus;<br />

in 36,2 % der Fälle ist dies umgekehrt. Diese Zahlen sprechen dafür, dass das pathologische<br />

Spielverhalten als Folge anderer Störungen zu betrachten ist. 123<br />

Premper et al. (2008) haben sich in einer Studie unter anderem mit den Fragestellungen<br />

beschäftigt, welche psychische Komorbidität bei stationär behandelten <strong>pathologischen</strong><br />

Glücksspielern auftritt, wie das zeitliche Muster des Auftretens ist und welche Erkrankungswahrscheinlichkeit<br />

vorliegt. Die Stichprobengröße betrug n=101 Patienten, die im Zeitraum<br />

zwischen dem 01.01.2004 und dem 28.02.2005 mit der Diagnose „pathologisches Spielen“ zu<br />

einer medizinischen Rehabilitation eingewiesen wurden. Mittels verschiedener Messinstrumente<br />

wurden psychische Störungen, narzisstische Persönlichkeitsstörungen, die<br />

subjektiv empfundene psychische Belastetheit und das Glücksspielverhalten erfasst. 124<br />

Premper et al. kamen zu den Ergebnissen, dass Angststörungen zu 76,9 % dem Glücksspielen<br />

vorausgehen, während affektive (bzw. depressive) Störungen zu 60,6 % die Folge<br />

<strong>pathologischen</strong> <strong>Spielverhaltens</strong> sind, wobei die zeitliche Abfolge bisher kaum untersucht<br />

ist. 125 27,7 % der Probanden wiesen mindestens eine Persönlichkeitsstörung auf und bei<br />

41,6 % der Patienten ist eine Persönlichkeitsstörung wahrscheinlich. Zur Feststellung der<br />

psychischen Belastetheit wurden die Ergebnisse der untersuchten Glücksspieler mit einer von<br />

Premper im Jahr 2006 vorgenommenen Studie mit alkoholabhängigen Patienten verglichen.<br />

Premper et al. kamen 2008 zu dem Ergebnis, dass stationär behandelte pathologische Spieler<br />

122 Becker, T. (2009), Glücksspielsucht in Deutschland. Prävalenz bei verschiedenen Glücksspielformen, S. 23.<br />

123 Kessler, R. C. et al. (2008), Not So Strange Bedfellows? Pathological Gambling and Co-occuring Disorders<br />

in Gambling and the public health, Part 2, S. 4.<br />

124 Premper, V. et al. (2008), Komorbidität bei Pathologischem Glücksspiel, in: Sucht, S. 131 f.<br />

125 Premper, V. et al. (2008), Komorbidität bei Pathologischem Glücksspiel, in: Sucht, S. 138.<br />

67


eine signifikant höhere subjektive psychische Belastetheit aufweisen als stationär behandelte<br />

alkoholabhängige Patienten. 126<br />

Die Untersuchung von Premper und Schulz (2008) kommt damit zu nur geringfügig<br />

niedrigeren Zahlen als Kessler et al. (2008). Nach Premper und Schulz (2008) sind jedoch in<br />

60,6 % der Fälle affektive Störungen die Folge und nicht die Ursache des <strong>pathologischen</strong><br />

<strong>Spielverhaltens</strong>. Diese Ergebnisse widersprechen damit den Ergebnissen von Kessler et al.<br />

(2008). 127<br />

Zwar sind die Untersuchungsergebnisse von Sonntag (2005) für problematische Spieler nur<br />

bedingt übertragbar auf pathologische Spieler, jedoch sind die Ergebnisse statistisch<br />

abgesichert. Sonntag findet einen statistisch signifikanten Einfluss der negativen Befindlichkeit<br />

als Spielgrund und der Depressivität auf das Vorliegen <strong>eines</strong> problematischen<br />

<strong>Spielverhaltens</strong>. 128<br />

Die bis dato durchgeführten Studien zum kausalen Zusammenhang zwischen pathologischem<br />

Glücksspiel und komorbiden Erkrankungen sind in ihren Ergebnissen widersprüchlich. Ob<br />

das pathologische Spielverhalten eine Ursache oder ein Symptom ist, ist nur ansatzweise<br />

erforscht, so dass hierzu noch keine ausreichend fundierten Aussagen gemacht werden<br />

können. Die Unterscheidung in Typen bildet hier einen pragmatischen Ausweg. Nicht nur für<br />

die Therapie, sondern auch für die Früherkennung und Prävention bietet diese Unterscheidung<br />

nach Typen eine Grundlage für die Konzeption von Maßnahmen in diesem Bereich. 129<br />

5.3.2 Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge bei den Befragten der ambulanten<br />

Beratungsstellen<br />

Bei sieben von 112 Teilnehmern fehlten die Angaben zu ihrem Alter bei Spielbeginn; sie<br />

wurden daher von der weiteren Auswertung ausgeschlossen. Weitere vier Personen<br />

126 Premper, V. et al. (2008), Komorbidität bei Pathologischem Glücksspiel, in: Sucht, S. 135.<br />

127 Vgl. Becker, T. (2009), Glücksspielsucht in Deutschland. Prävalenz bei verschiedenen Glücksspielformen,<br />

S. 23.<br />

128 Vgl. Becker, T. (2009), Glücksspielsucht in Deutschland. Prävalenz bei verschiedenen Glücksspielformen,<br />

S. 23.<br />

129 Becker, T. et al. (2009), Prävention und Früherkennung von Glücksspielsucht,<br />

(http://gluecksspiel.uni-hohenheim.de/fileadmin/einrichtungen/gluecksspiel/Forschung/<br />

Praevention_und_Frueherkennung_von_Gluecksspielsucht_Endversion.pdf), S.57 f.<br />

68


konsumierten zwar Substanzen, jedoch weder Nikotin noch Alkohol. Weitere vier Personen<br />

hatten entweder nie Substanzen konsumiert bzw. keine Angaben gemacht. Bei weiteren 17<br />

Personen wurde trotz Konsum keine Diagnose gestellt bzw. die Befragten machten dazu keine<br />

Angaben. Somit sind von den 112 Personen der Befragung noch 80 gültige Fälle vorhanden,<br />

anhand derer Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge überprüft werden sollen.<br />

Bevor Ergebnisse präsentiert werden, muss festgehalten werden, dass die Befragten lediglich<br />

gebeten wurden, das Alter zu nennen, in welchem sie mit dem Glücksspielen begonnen<br />

haben. Der Zeitpunkt, zu dem die Diagnose des <strong>pathologischen</strong> Glücksspielverhaltens gestellt<br />

wurde, ist nicht bekannt. Ebenfalls ist nur bekannt, dass es bei dem Konsum von Nikotin oder<br />

Alkohol eine Diagnose des missbräuchlichen oder abhängigen Umgangs gegeben hat. Wann<br />

die Diagnose gestellt wurde, ist nicht bekannt, jedoch das Alter des Konsumbeginns. Anhand<br />

der Angaben zum Alter des Konsumbeginns werden die Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge<br />

benannt.<br />

Von den 80 gültigen Fällen hatten 71,25 % zuerst mit dem Konsum von Tabak und / oder<br />

Alkohol begonnen und erst danach mit dem Glücksspiel. Lediglich 11,25 % hatten zuerst mit<br />

dem Spielen und danach mit dem Konsum von Nikotin und / oder Alkohol begonnen. Bei<br />

Kessler et al. (2008) ging der Substanzmissbrauch in 54,4 % der Fälle dem <strong>pathologischen</strong><br />

Spielen zeitlich voraus und in 36,2 % der Fälle folgte der Substanzmissbrauch dem<br />

pathologischem Spielverhalten nach (siehe Tabelle 24).<br />

Weitere 7,5 % der Befragten begannen zeitgleich mit dem Spielen und dem Konsum von<br />

Tabak oder Alkohol. 5 % der Befragten konsumierten bereits vor Spielbeginn entweder Tabak<br />

oder Alkohol und begannen nach Spielbeginn mit dem Konsum der jeweils anderen Substanz.<br />

Zeitgleich zum Spielbeginn nahmen weitere 3,75 % den Konsum einer Substanz auf; diese<br />

Gruppe hatte zuvor schon eine andere Substanz konsumiert. Lediglich eine Person begann<br />

zeitgleich mit dem Spielen den Konsum einer Substanz und konsumierte danach eine weitere<br />

Substanz auf missbräuchliche und / oder abhängige Weise.<br />

Betrachtet man den missbräuchlichen bzw. abhängigen Konsum von Alkohol ist festzustellen,<br />

dass 5 % der gültigen Fälle zuerst das Glücksspiel und anschließend den Konsum von<br />

Alkohol aufgenommen hatte. 27,5 % konsumierten Alkohol vor Spielbeginn. Lediglich in drei<br />

Fällen begannen der Konsum von Alkohol und das Spielen zeitgleich.<br />

69


Diese Betrachtung wurde auch ausschließlich für den Tabakkonsum angestellt: 15 % der<br />

Befragten, d. h. zwölf Personen, gaben an, zuerst zu spielen begonnen zu haben und zu einem<br />

späteren Zeitpunkt zu rauchen. Ganze 71,25 % konsumierten zunächst Tabak und begannen<br />

später zu spielen. Lediglich 7,5 %, also sechs Personen, nahmen sowohl das Rauchen als auch<br />

das Spielen im selben Alter auf.<br />

5.4 Prävalenz des <strong>pathologischen</strong> Glücksspiels in Deutschland<br />

Unter pathologischem Glücksspielverhalten wird ein Syndrom psychopathologischer<br />

Störungen nach den Kriterien der Klassifikationssysteme ICD-10 (International Classification<br />

of Diseases in der zehnten Fassung) und DSM-IV (Diagnostic and Statistical Manual of<br />

Mental Disorders in der vierten Fassung) verstanden. Diese beiden Klassifikationssysteme<br />

haben von der Konzeption her relativ ähnliche, im Detail aber unterschiedlich ausführliche<br />

Leitlinien für die Klassifikation gestörten <strong>Spielverhaltens</strong> 130 (siehe auch Kapitel 5.1).<br />

5.4.1 Vorstellung des Projektes Pathologisches Glücksspielen und Epidemiologie (PAGE)<br />

Mit dem Projekt PAGE sollen vor allem die bisherigen Daten zu problematischem und<br />

pathologischem Glücksspielen in Deutschland ergänzt werden. Es „bestand der Bedarf nach<br />

einer breit angelegten Bevölkerungsstudie, die repräsentativ das Ausmaß der Problematik<br />

darstellen sowie begünstigende Faktoren ermitteln kann.“ 131<br />

Bei dem Projekt PAGE (2011) handelt es sich um eine bundesweite Studie zum<br />

Glücksspielverhalten, welches von den Universitätskliniken Greifswald und Lübeck in<br />

Kooperation mit Experten in Deutschland durchgeführt wird. Gefordert wurde das Projekt<br />

PAGE vom Fachbeirat Glücksspielsucht. Die Studie ist unabhängig und wird nur von den<br />

Bundesländern und den beiden genannten Universitäten finanziert.<br />

130 Vgl. Institut für Therapieforschung (IFT) München, Kriterien für pathologisches Glücksspielverhalten,<br />

(http://ift.de/index.php?id=225) und die dort angegebene Literatur: Dilling, H.; Mombour, W.; Schmidt,<br />

M.H. (Hrsg.) (2005), Internationale Klassifikation psychischer Störungen. ICD-10 Kapitel V (F). Klinischdiagnostische<br />

Leitlinien und Saß, H.; Wittchen, H.-U.; Zaudig, M.; Houben, I. (1998), Diagnostische<br />

Kriterien des Diagnostischen und Statistischen Manuals Psychischer Störungen DSM IV.<br />

(http://ift.de/index.php?id=225).<br />

131 DHS, DG Sucht, FAGS (2011), Projekt PAGE,<br />

(http://www.dhs.de/fileadmin/user_upload/pdf/news/2011_02_16_Pressemeldung_Rumpf.pdf).<br />

70


Unter anderem wurden Stichproben aus Bevölkerung und KlientInnen von Hilfeeinrichtungen<br />

kombiniert. An der Studie teilnehmen konnten alle Menschen zwischen 14 und 64 Jahren, die<br />

Glücksspiel-Probleme haben, glücksspielsüchtig sind oder Glücksspiel-Probleme überwunden<br />

haben und heute abstinent sind.<br />

Ziel ist es, gesicherte Erkenntnisse u. a. zu Häufigkeit, begleitenden Erkrankungen und<br />

Faktoren der Bewältigung von Glücksspielsucht sowie mögliche Barrieren der<br />

Inanspruchnahme von Hilfen zu gewinnen. 132 Auch sollen die Daten der PAGE-Studie als<br />

Grundlage weiterer und vertiefender Analysen zur wissenschaftlichen Nutzung dienen<br />

(Scientific-Use-File).<br />

5.4.2 Ergebnisse des Projekts PAGE im Bezug auf die Lebenszeitprävalenz<br />

Mit Hilfe der Studie des Projekts PAGE kann erstmals für Deutschland die Häufigkeit von<br />

problematischem und pathologischem Glücksspielen über die Lebenszeit bestimmt werden.<br />

„Grundlage ist eine telefonische Befragung der 14- bis 64-jährigen Bevölkerung mit<br />

Festnetztelefonanschluss, bei der 14.022 Personen teilnahmen. Ergänzend wurden<br />

1.000 Personen befragt, die nur über mobile Telefonanschlüsse erreichbar sind, und es wurden<br />

Personen über weitere Zugangswege gewonnen: Medien, Selbsthilfegruppen, stationäre<br />

Behandlungseinrichtungen, Suchtberatungsstellen, Spielhallen und Spielbanken, Schuldnerberater<br />

und Einrichtungen der Bewährungshilfe. Auf diesem Wege wurden bisher 575<br />

Personen mit Glücksspielproblemen gefunden und in einem ausführlichen Interview<br />

persönlich befragt.“ 133<br />

Von den telefonisch Befragten gaben 72 % an, über die Lebenszeit mindestens einmal an<br />

Glücksspielen teilgenommen zu haben. Mit Hilfe des Diagnosesystems DSM-IV konnten<br />

folgende Erkenntnisse gefunden werden:<br />

„Auf Grundlage der Festnetztelefonstichprobe ergibt sich, dass 0,9 % der 14- bis 64-jährigen<br />

bundesdeutschen Bevölkerung im Laufe des Lebens mit fünf oder mehr diagnostischen<br />

132 Stabsstelle UEM, Weinberger G./M. Bergmann, Stand Februar 2010,<br />

(http://www.slsev.de/PAGE.pdf).<br />

133 DHS, DG Sucht, fags (2011), Projekt PAGE,<br />

(http://www.dhs.de/fileadmin/user_upload/pdf/news/2011_02_16_Pressemeldung_Rumpf.pdf), S. 1.<br />

71


Kriterien die Bedingung für die Diagnose Pathologisches Spielen erfüllen.“ 134 Weitere 1,4 %<br />

haben drei bis vier Kriterien nach DSM-IV bezogen auf die Lebenszeit erreicht<br />

(problematisches Glücksspielen in ausgeprägter Form). 5,3 % der Stichprobe haben ein bis<br />

zwei Kriterien des Kriterienkatalogs nach DSM-IV erreicht (problematisches Glücksspielen in<br />

leichter Form).<br />

Hochgerechnet auf die Gesamtbevölkerung (14- bis 64-jährige) drückt sich die<br />

Lebenszeitprävalenz wie folgt aus:<br />

In Deutschland gibt es etwa<br />

480.557 pathologische SpielerInnen,<br />

756.919 problematische SpielerInnen (ausgeprägte Form),<br />

2.925.996 problematische SpielerInnen (leichte Form).<br />

Weiterhin konnte festgestellt werden, dass es deutlich erhöhte Raten bezüglich des<br />

<strong>pathologischen</strong> Glücksspiels bei folgenden Personengruppen gibt: jüngere Männer (2,7 % in<br />

der Gruppe der 14- bis 30-Jährigen), Personen mit niedrigerem Bildungsstatus, Personen mit<br />

Migrationserfahrung oder -hintergrund (1,8 %) und Arbeitslose (3,3 %).<br />

Es kann davon ausgegangen werden, dass es in Deutschland eine zunehmende Gruppe von<br />

Personen in der Bevölkerung gibt, die nicht über Festnetztelefonanschluss erreichbar ist.<br />

Bisher wurden 752 Personen aus dieser Gruppe befragt. Es hat sich gezeigt, „dass die<br />

Lebenszeitprävalenz des Pathologischen Glücksspielens in dieser Stichprobe etwa dreifach<br />

und bei statistischer Kontrolle von Alter und Geschlecht etwa zweifach erhöht ist.“ 135<br />

Abschließend wird vermutet, „dass die obenstehende Bevölkerungsschätzung auf Grundlage<br />

der Festnetztelefonstichprobe durch Einbezug der Mobilfunkstichprobe substantiell zu<br />

erhöhen ist.“ 136<br />

134 DHS, DG Sucht, fags (2011), Projekt PAGE,<br />

(http://www.dhs.de/fileadmin/user_upload/pdf/news/2011_02_16_Pressemeldung_Rumpf.pdf), S. 2.<br />

135 DHS, DG Sucht, FAGS (2011), Projekt PAGE,<br />

(http://www.dhs.de/fileadmin/user_upload/pdf/news/2011_02_16_Pressemeldung_Rumpf.pdf), S. 2.<br />

136 DHS, DG Sucht, FAGS (2011), Projekt PAGE,<br />

(http://www.dhs.de/fileadmin/user_upload/pdf/news/2011_02_16_Pressemeldung_Rumpf.pdf), S. 2,<br />

Erwartete Werte: Erhöhung um etwa 0,1 %, so dass eine Lebenszeitprävalenz von insgesamt 1,0 % für<br />

Pathologisches Glücksspielen resultieren könnte.<br />

72


5.4.3 Lebenszeit- und Jahresprävalenzen weiterer deutschen Studien<br />

Im folgenden Unterkapitel werden Studien vorgestellt, die sich mit Prävalenzschätzungen von<br />

<strong>pathologischen</strong> und problematischen SpielerInnen auseinandersetzen. Zunächst werden die<br />

Studien vorgestellt, die ihre Prävalenzschätzungen mit Hilfe der Kriterien nach DSM-IV<br />

erhalten haben: Buth und Stöver (2008) und Bühringer et al. (2007). Anschließend werden die<br />

Studien der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) aus den Jahren 2008 und<br />

2010 vorgestellt, die ihre Prävalenzschätzungen mit Hilfe des SOGS getroffen haben.<br />

Das Ziel der vorliegenden epidemiologischen Untersuchungen liegt weniger darin, die<br />

Teilnahme an Glücksspielen in der Bevölkerung zu erheben, sondern darin, die Häufigkeit des<br />

<strong>pathologischen</strong> Spielens in der Bevölkerung zu messen, sprich die Lebenszeit- bzw.<br />

Jahresprävalenz.<br />

I. Prävalenzwerte basierend auf DSM-IV:<br />

In der Studie aus dem Jahr 2008 von Buth und Stöver (n=7.980) wurden die Personen, die<br />

mindestens einmal wöchentlich spielen oder mehr als 50 Euro im Monat bei einer der<br />

Glücksspielarten ausgeben, gebeten, einen Test (basierend auf DSM-IV) zur Bestimmung<br />

<strong>eines</strong> möglichen <strong>pathologischen</strong> <strong>Spielverhaltens</strong> zu absolvieren. 137 Befragt wurden nur<br />

Personen im Alter von 18 bis 65 Jahren.<br />

Nach diesen Untersuchungen kann in Bezug auf das zurückliegende Jahr bei 45 Personen oder<br />

0,56 % der befragten Personen der gewichteten Stichprobe von einem <strong>pathologischen</strong><br />

Spielverhalten nach den DSM-IV Kriterien (fünf oder mehr erfüllte Kriterien) und bei 51<br />

Personen oder 0,64 % von einem problematischen Spielverhalten (drei oder vier erfüllte<br />

Kriterien) gesprochen werden. 138<br />

Der Abfrage der diagnostischen Kriterien des DSM-IV wurde im Fragebogen von Bühringer<br />

et al. (2007) eine Screening-Frage vorangestellt, so dass nur Personen, die angaben, im<br />

vergangenen Jahr mehr als 50 Euro pro Monat eingesetzt zu haben, die nachfolgenden Fragen<br />

beantworteten. In der untersuchten Stichprobe wiesen 14 Personen ein pathologisches<br />

137 Buth, S.; Stöver, H. (2008), Glücksspielteilnahme und Glücksspielprobleme in Deutschland: Ergebnisse einer<br />

bundesweiten Repräsentativbefragung. In: Suchttherapie 2009, Heft 9, S. 3-11.<br />

138 Buth, S.; Stöver, H. (2008), Glücksspielteilnahme und Glücksspielprobleme in Deutschland: Ergebnisse einer<br />

bundesweiten Repräsentativbefragung. In: Suchttherapie 2009, Heft 9, S. 3-11.<br />

73


Spielverhalten und 21 Personen ein problematisches Spielverhalten auf. Nach den<br />

Ergebnissen dieser Befragung liegt die Prävalenz für pathologisches Glücksspiel in der<br />

Bevölkerung bei 0,18 % und die Prävalenz für problematisches Spielverhalten bei 0,27 %.<br />

Wenn differentialdiagnostisch das Vorliegen einer manischen Episode ausgeschlossen wird,<br />

kommen Bühringer et al. zu etwa halb so großen Zahlen. 139<br />

Die Ergebnisse der beiden Studien liegen mit einer Jahresprävalenzrate für pathologisches<br />

Spielverhalten von 0,18 % bzw. 0,56 % und für problematisches Spielverhalten von 0,27 %<br />

bzw. 0,64 % deutlich auseinander. Dies ist vor allem auf die geringen Fallzahlen<br />

zurückzuführen. 140<br />

Wie bereits erwähnt, kam man im Projekt PAGE auf folgende Lebenszeitprävalenzen: 0,9 %<br />

der 14- bis 64-jährigen erfüllten fünf oder mehr diagnostische Kriterien nach DSM-IV;<br />

weitere 1,4 % drei bis vier Kriterien und 5,3 % der Stichprobe ein bis zwei Kriterien (siehe<br />

Kapitel 5.1.1).<br />

II. Prävalenzwerte basierend auf SOGS:<br />

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) kommt in der epidemiologischen<br />

Studie von 2007 zu einer Prävalenzrate von pathologischem Spielverhalten eher im unteren<br />

Bereich, in der Untersuchung von 2009 eher im oberen Bereich. Es wurden Verhaltensdaten<br />

zu 19 verschiedenen Formen des Glücksspielens erfasst. Einstellungen und Überzeugungen<br />

hinsichtlich des Glücksspielens wurden mit der Gambling Attitudes and Beliefs Scale<br />

erhoben. Es wurde der South Oaks Gambling Screen (SOGS) zur Klassifizierung<br />

<strong>pathologischen</strong> und problematischen Glückspielens eingesetzt. 141<br />

In der Untersuchung im Jahr 2007 kommt die BZgA zu dem Ergebnis, dass bei 0,2 % aller<br />

Befragten das Glücksspiel als wahrscheinlich pathologisch und bei 0,4 % der Befragten als<br />

wahrscheinlich problematisch einzustufen ist 142 . In der Untersuchung im Jahr 2009 liegen<br />

diese Werte bei 42 <strong>pathologischen</strong> Spielern bzw. 0,45 % der Befragten und<br />

139<br />

Bühringer, G. et al. (2007), Pathologisches Glücksspiel in Deutschland: Spiel und Bevölkerungsrisiken. In:<br />

Sucht 2007, 53 (5), S. 296-308.<br />

140<br />

Becker, T. (2011), Soziale Kosten des Glücksspiels. In Druck. Kapitel 5.3.<br />

141<br />

Becker, T. (2011). Soziale Kosten des Glücksspiels. In Druck. Kapitel 5.3.<br />

142<br />

Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Glücksspielverhalten und problematisches Glücksspielen in<br />

Deutschland 2007, Ergebnisbericht 2008.<br />

74


47 problematischen Spielern bzw. 0,64 % der Befragten. Das 95 %-Konfidenzintervall reicht<br />

von 0,27 % bis 0,62 %. 143<br />

III. Vergleich der Prävalenzschätzungen der vorgestellten Studien:<br />

Während Buth und Stöver (2008) sowie Bühringer et al. (2007) nach DSM-IV klassifizieren,<br />

findet in den Untersuchungen der BZgA (2008 und 2010) der SOGS Anwendung. Es ist<br />

bekannt, dass der SOGS dazu neigt, das wahre Ausmaß der Spielprobleme zu überschätzen<br />

(siehe Kapitel 5.1.2) Die Ergebnisse sind daher nur unter Abstrichen mit den Ergebnissen der<br />

beiden anderen Studien zu vergleichen. 144<br />

Zeitraum der<br />

Befragung<br />

Anzahl der<br />

Befragten<br />

Abb. 5: Prävalenzschätzungen auf Grund epidemiologischer Studien<br />

Buth und Stöver 1<br />

November bis<br />

Dezember 2006<br />

7.980<br />

Bühringer et al. 2 Bundeszentrale für<br />

gesundheitliche<br />

Aufklärung 3<br />

basierend auf Daten des<br />

Epidemiologischen<br />

Suchtsurvey ESA 2006<br />

7.817<br />

75<br />

August bis November<br />

2007<br />

10.001<br />

Bundeszentrale für<br />

gesundheitliche<br />

Aufklärung 4<br />

März bis Mai 2009<br />

10.000<br />

Alter 18-65 Jahre 16-65 Jahre 16-65 Jahre<br />

Prävalenz 0,56 % oder 45<br />

path. Spieler<br />

0,64 % oder 51<br />

probl. Spieler<br />

nach DSM- IV<br />

Kriterien<br />

0,18 % oder 14 path.<br />

Spieler<br />

0,27 % oder 21 probl.<br />

Spieler<br />

nach DSM- IV Kriterien<br />

0,2 % path. Spieler<br />

0,4 % probl. Spieler<br />

nach South Oaks<br />

Gambling Screen<br />

0,45 % oder 42 path.<br />

Spieler<br />

0,64 % oder 47 probl.<br />

Spieler<br />

nach South Oaks<br />

Gambling Screen<br />

1<br />

Buth, S. und H. Stöver (2008), Glücksspielteilnahme und Glücksspielprobleme in Deutschland: Ergebnisse<br />

einer bundesweiten Repräsentativbefragung. In: Suchttherapie 2009, Heft 9, S. 3-11.<br />

2<br />

Bühringer, G., L. Kraus, D. Sonntag, T. Pfeifer-Gerschel und S. Steiner, Pathologisches Glücksspiel in<br />

Deutschland: Spiel und Bevölkerungsrisiken. In: Sucht 2007, 53 (5), S. 296-308.<br />

3<br />

Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Glücksspielverhalten und problematisches Glücksspielen in<br />

Deutschland 2007, Ergebnisbericht 2008.<br />

4<br />

Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Glücksspielverhalten in Deutschland 2007 und 2009,<br />

Ergebnisbericht 2010.<br />

Quelle: Becker, T. (2011), Kapitel 5.3.<br />

143<br />

Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Glücksspielverhalten in Deutschland 2007 und 2009,<br />

Ergebnisbericht 2010.<br />

144<br />

Becker, T. (2011), Soziale Kosten des Glücksspiels. In Druck. Kapitel 5.3.


Alle vorliegenden Schätzungen, sowohl auf Grund der Therapienachfrage als auch auf Grund<br />

epidemiologischer Studien, kommen zu einer Prävalenzrate <strong>pathologischen</strong> <strong>Spielverhaltens</strong><br />

im Bereich von 0,17 % bis 0,56 %. 145 Werden diese Werte unterstellt, so bedeutet dies bei<br />

einer Bevölkerung von ca. 52,6 Mio. Bundesbürgern zwischen 18 Jahren und 65 Jahren 146<br />

eine Prävalenz von 87.240 bis 296.674 <strong>pathologischen</strong> Spielern.<br />

Die vorliegenden epidemiologischen Studien können einigermaßen zuverlässige Aussagen zu<br />

der Prävalenz des <strong>pathologischen</strong> <strong>Spielverhaltens</strong> in der Bevölkerung machen, aber nicht zu<br />

der Prävalenz <strong>pathologischen</strong> <strong>Spielverhaltens</strong> bei den einzelnen Formen des Glücksspiels.<br />

Dafür ist die Anzahl der jeweils gefundenen <strong>pathologischen</strong> Spieler viel zu gering. 147<br />

145<br />

Vgl. hierzu Becker, T. (2009), Glücksspielsucht in Deutschland. Prävalenz bei verschiedenen<br />

Glücksspielformen.<br />

146<br />

Vgl. Statistisches Bundesamt: Statistisches Jahrbuch 2005, S. 42, Tabelle 2.8: Bevölkerung nach<br />

Altersgruppen. Aktuell liegt die Bevölkerung zwischen 16 und 65 Jahren nur noch bei 51,6 Millionen<br />

Bundesbürgern (Statistisches Bundesamt: Statistisches Jahrbuch 2010, S. 42).<br />

147<br />

Becker, T. (2011), Soziale Kosten des Glücksspiels. In Druck. Kapitel 5.3<br />

76


6 Verschiedene Formen des Glücksspiels und ihre Bedeutung für das<br />

pathologische Spielverhalten<br />

Im vorliegenden Kapitel werden zunächst epidemiologische Studien vorgestellt, die<br />

Aufschluss darüber geben, wie die Glücksspielbeteiligung generell in der Bevölkerung ist. In<br />

einem nächsten Schritt werden die Merkmale verschiedener Spielformen aufgezeigt, die als<br />

suchtgefährdend eingestuft werden können. Im Anschluss daran werden zwei Studien<br />

vorgestellt, die sich mit der Frage befasst haben, welche Spielformen von <strong>pathologischen</strong><br />

SpielerInnen bevorzugt gespielt werden. In der Untersuchung von Meyer und Hayer (2002-<br />

2004) sollten die KlientInnen selbst angeben, welche Spielformen sie als besonders gefährlich<br />

einschätzen. In der Untersuchung von Becker (2008) wurden hingegen TherapeutInnen darum<br />

gebeten, Angaben dazu zu machen, welche Spielformen von den Klienten als problembehaftet<br />

eingestuft werden. Im letzten Unterkapitel werden die Ergebnisse bezüglich der<br />

Hauptspielformen der vorliegenden Studie vorgestellt und mit den Ergebnissen des Projektes<br />

PAGE und des Bundesmodellprojektes verglichen, um Aussagen über das Suchtgefährdungspotential<br />

bestimmter Spielformen zu treffen. Im Anschluss daran wird auf das Online-<br />

Spielverhalten der KlientInnen ambulanter Beratungsstellen eingegangen.<br />

6.1 Spielteilnahme in der Bevölkerung<br />

Nachfolgend werden epidemiologische Studien aus Deutschland bezüglich der<br />

Glücksspielbeteiligung in der Gesamtbevölkerung vorgestellt und diskutiert. Zunächst wird<br />

kurz die Studie von Buth und Stöver aus dem Jahr 2006 vorgestellt und anschließend deren<br />

Ergebnisse präsentiert. Als zweites wird die Studie von Bühringer et al. (2007) präsentiert und<br />

diskutiert. Bei der dritten epidemiologischen Studie handelt es sich um eine Vergleichsstudie<br />

der Jahre 2007 und 2009, welche von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung<br />

erhoben und durchgeführt wurde. Abschließend werden die Ergebnisse zur<br />

SpielerInnenanzahl im Jahr 2008 von Becker (2011) vorgestellt.<br />

77


6.1.1 Epidemiologische Studie von Buth und Stöver (2008)<br />

Die erste epidemiologische Studie für Deutschland wurde von Buth und Stöver<br />

durchgeführt. 148 Im November und Dezember 2006 wurden insgesamt 7.980 in Deutschland<br />

lebende Personen im Alter von 18 bis 65 Jahren zu ihrem Glücksspielverhalten befragt. Die<br />

Befragung erfolgte bei der Hälfte der Personen per Telefon und bei der anderen Hälfte per<br />

Internet. Die Ergebnisse wurden gewichtet. Die gewichtete Gesamtstichprobe betrug 7.981<br />

Personen (siehe auch Abbildung 5, Kapitel 5.4.3).<br />

Im Laufe des zurückliegenden Jahres hatten 39,2 % aller Befragten mindestens einmal an<br />

einem Glücksspiel teilgenommen. Etwa ein Drittel der Befragten hatten dabei Lotto gespielt.<br />

An zweiter Stelle lagen Rubbellose mit 11,6 %. Es folgten die Glücksspirale mit 6,4 % und<br />

die Klassenlotterien mit 4,5 %. An Sportwetten hatten in dem zurückliegenden Jahr 4,5 % der<br />

erwachsenen Bevölkerung beteiligt. Das Spielen an Spielautomaten folgt mit 3,4 % und die<br />

Casinospiele folgen mit 2,7 %. Pferdewetten hatten mit 0,6% kaum Bedeutung. Für die<br />

Fernsehlotterien liegen keine Angaben vor. 149<br />

Auch zu der multiplen Spielteilnahme liegen bei dieser Stichprobe Angaben vor. Der<br />

folgenden Tabelle liegt die gewichtete Stichprobe zu Grunde. In der Diagonale der Tabelle ist<br />

der Anteil der Spieler angegeben, der jeweils nur eine Form des Glücksspiels gespielt hat.<br />

148 Buth, S.; Stöver, H. (2008), Glücksspielteilnahme und Glücksspielprobleme in Deutschland: Ergebnisse einer<br />

bundesweiten Repräsentativbefragung. In: Suchttherapie 2009, Heft 9, S. 3-11.<br />

149 Becker, T. (2011). Soziale Kosten des Glücksspiels. In Druck. Kapitel 5.2.<br />

78


Lotto "6 aus 49"<br />

Abb. 6: Teilnahme der deutschen Bevölkerung an Glücksspielen in dem zurückliegenden Jahr<br />

Rubbellose<br />

Glücksspirale<br />

Sportwetten<br />

Klassenlotterien<br />

Spielautomaten<br />

Casinospiele<br />

Pferdewetten<br />

Sonstige<br />

0 5 10 15 20 25 30 35<br />

Quelle: Buth, S. und H. Stöver (2008): Glücksspielteilnahme und Glücksspielprobleme in Deutschland:<br />

Ergebnisse einer bundesweiten Repräsentativbefragung. In: Suchttherapie 2009 Heft 9, S. 7.<br />

Bei den Personen, die im vergangenen Jahr Lotto gespielt haben, d. h. bei den Lottospielern,<br />

haben 46,3 % im vergangenen Jahr ausschließlich Lotto gespielt. Nur ein vergleichsweise<br />

geringer Teil der Lottospieler nahm auch an Sportwetten teil (11 %). Bei den Spielern an<br />

Spielautomaten sind dies mehr als doppelt so viele (27,2 %) und bei Casinospielern sogar<br />

dreimal so viele (33,2 %). 150<br />

Tab. 25: Multiple Teilnahme am Glücksspiel im zurückliegenden Jahr<br />

Lotto Sportwetten Spielautomaten Casinospiele<br />

Lotto 46,3 % 79,8 % 78,6 % 81,1 %<br />

Sportwetten 11,0 % 9,5 % 27,2 % 33,2 %<br />

Spielautomaten 8,1 % 20,2 % 5,4 % 34,2 %<br />

Casinospiele 6,5 % 19,3 % 26,7 % 7,2 %<br />

Anzahl Spieler 2.557 353 263 205<br />

Quelle: Stöver, H. (2006): Das Zahlenlotto und andere Glücksspiele in Deutschland: Ergebnisse einer<br />

repräsentativen Untersuchung zur Teilnahme und Problemlage des Spielens um Geld, Tabelle 4, S. 29.<br />

150 Buth, S.; Stöver, H. (2008), Glücksspielteilnahme und Glücksspielprobleme in Deutschland: Ergebnisse einer<br />

bundesweiten Repräsentativbefragung. In: Suchttherapie 2009, Heft 9, S. 3-11.<br />

79<br />

in Prozent


Von den Lottospielern spielten deutlich weniger an Spielautomaten (8,1 %), als bei den<br />

Sportwettern (20,2 %) oder Casinospielern (34,2 %). Auch nahmen Lottospieler kaum an<br />

Casinospielen teil (6,5 %). Bei den Sportwettern waren dies dreimal so viele (19,3 %) und bei<br />

den Automatenspielern mehr als viermal so viele (26,7 %). Dies macht deutlich, dass es sich<br />

bei den Lottospielern um ein von anderen Glücksspielformen getrenntes Kundensegment<br />

handelt.<br />

6.1.2 Epidemiologische Studie von Bühringer et al. (2007)<br />

Die zweite epidemiologische Studie wurde von Bühringer et al. durchgeführt. 151 Die<br />

Stichprobe betrug 7.817 Personen zwischen 18 und 64 Jahren aus dem Epidemiologischen<br />

Suchtsurvey 2006. Alle Personen, die innerhalb der letzten 12 Monate zumindest einmal ein<br />

Glücksspiel gespielt hatten, wurden gebeten, das jeweils von ihnen präferierte Spiel<br />

anzugeben (siehe auch Abbildung 5, Kapitel 5.4.3).<br />

Nach dieser Studie haben in dem letzten Jahr an einem Glücksspiel 49,4 % teilgenommen. An<br />

Lotto / Toto / Keno haben im letzten Jahr 38 % der Befragten teilgenommen und an Quicky<br />

1,4 %. Bühringer macht keine Angaben zu den Rubbellosen und zu der Glücksspirale. An<br />

Fernsehlotterien haben 10,4 % der Befragten in den letzten zwölf Monaten teilgenommen und<br />

an Klassenlotterien 5,7 %. Bei Sportwetten wird unterschieden zwischen Annahmestellen<br />

(2,8 %), Internet (1,6 %) und Pferdewetten (0,7 %). An Geldspielautomaten haben 2,7 % der<br />

Befragten und an Glücksspielautomaten 1 % der Befragten gespielt. An dem sogenannten<br />

Großen Spiel haben 2 % teilgenommen, bei Internetspielcasinos haben 0,2 % gespielt und<br />

Internetkartenspiele haben 0,4 % gespielt. 152<br />

6.1.3 Epidemiologische Studie von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung<br />

Die aktuellste epidemiologische Studie ist von der Bundeszentrale für Gesundheitliche<br />

Aufklärung (BZgA) erstellt worden. Die BZgA hat im Jahr 2009 und im Jahr 2007 jeweils<br />

eine bevölkerungsweite Befragung zum Glücksspielverhalten sowie zu glücksspielbezogenen<br />

151 Vgl. Bühringer, G.; Kraus, L.; Sonntag, D. Pfeifer-Gerschel, T.; Steiner, S. (2007): Pathologisches<br />

Glücksspiel in Deutschland: Spiel und Bevölkerungsrisiken. In: Sucht, 53 (5), S. 296-308.<br />

152 Becker, T. (2011). Soziale Kosten des Glücksspiels. In Druck. Kapitel 5.2.<br />

80


Problemen durchgeführt 153 . An den Untersuchungen nahmen insgesamt n=10.001 (2007) und<br />

n=10.000 (2009) Personen im Alter von 16 bis 65 Jahren teil. Die Datenerhebung erfolgte mit<br />

computergestützten Telefoninterviews (CATI) (siehe auch Abbildung 5, Kapitel 5.4.3).<br />

In der Befragung der BZgA von 2009 gaben 53,8 % der 16- bis 65-jährigen an, im letzten Jahr<br />

mindestens einmal irgendein Glücksspiel gespielt zu haben. Im Jahr 2007 waren es 55,0 %.<br />

Die Änderung ist statistisch nicht signifikant. Ein Glücksspiel (ohne privates Glückspiel,<br />

Quizsendungen und Börse) haben 49,6 % gespielt.<br />

Diese Zahlen liegen über den Werten, die Buth und Stöver und auch Bühringer et al. gefunden<br />

haben. Dies kann an der Altersgruppe der 16- bis 18-jährigen liegen, die in diesen beiden<br />

Untersuchungen nicht berücksichtigt wurden, oder an der Klassifikation der Glücksspielformen.<br />

Insgesamt kann davon ausgegangen werden, dass etwa 50 % der deutschen<br />

Bevölkerung zwischen 18 und 65 Jahren an irgendeinem Glücksspiel in dem letzten Jahr<br />

teilgenommen hat. 154<br />

6.1.4 Berechnungen von Becker (2011) zur Anzahl der SpielerInnen in Deutschland<br />

Anhand der drei vorgestellten Studien hat Becker Werte berechnet, die Aussagen über die<br />

Zahl der SpielerInnen im Jahr 2008 in Deutschland treffen. Die Anzahl der Spieler ergibt sich<br />

aus den Prozentangaben aus den drei epidemiologischen Studien über die 12-Monatprävalenz<br />

multipliziert mit der Bevölkerung von 51,6 Millionen erwachsenen Personen zwischen 16 und<br />

65. Etwa 25 Millionen Bürger haben im letzen Jahr an Lotterien teilgenommen, etwa zwei<br />

Millionen Spieler an Sportwetten, etwa drei Millionen Spieler an Casinospielen, 0,620<br />

Millionen Spieler an Glücksspielautomaten und 1,5 Millionen an Geldspielautomaten. 155<br />

153 Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), Glücksspielverhalten in Deutschland 2007 und<br />

2009. Ergebnisse aus zwei repräsentativen Bevölkerungsbefragungen. Ergebnisbericht Januar 2010.<br />

154 Becker, T. (2011). Soziale Kosten des Glücksspiels. In Druck. Kapitel 5.2.<br />

155 Becker, T. (2011). Soziale Kosten des Glücksspiels. In Druck. Kapitel 5.2.<br />

81


Tab. 26: Umsatz, Anzahl der Spieler und Umsatz pro Spieler bei Glücksspielen<br />

Umsatz Anzahl der Spieler Umsatz pro Spieler<br />

Lotterien 8.468.200.000 24.768.000 341,90<br />

Sportwetten 3.400.000.000 1.960.000 1.750,00<br />

Casinospiele 3.565.809.129 3.096.000 1.151,75<br />

Glücksspielautomaten 5.964.190.871 619.200 9.632,09<br />

Geldspielautomaten 8.125.000.000 1.548.000 5.248,71<br />

Summe 29.523.200.000 31.991.200<br />

Quelle: Eigene Berechnungen, Becker 2011.<br />

Ein Vergleich der Ergebnisse der BZgA für das Jahr 2007 und das Jahr 2009 zeigt<br />

Veränderungen an. Ein signifikanter Anstieg der 12-Monatsprävalenz ist bei der Lotterie „6<br />

aus 49“, bei Spiel 77 und Super 6 zu verzeichnen. Dieser Anstieg wird von einer signifikanten<br />

Verringerung der 12-Monats-Prävalenz bei Sofortlotterien (einschließlich Rubbellosen) und<br />

insbesondere Klassenlotterien begleitet. Dies bestätigt die Substitutionsbeziehungen zwischen<br />

Lotto und den Klassenlotterien.<br />

Die 12-Monatsprävalenz liegt für Lotto im Jahr 2009 bei 40 % und damit deutlich über der<br />

von 2007 mit 35,5 %, welches Ergebnis seinerseits mit dem Ergebnis der beiden anderen<br />

Studien weitgehend übereinstimmt. 156<br />

Die 12-Monatsprävalenz bei den anderen Lotterien liegt für 2009 nach Angaben der BZgA<br />

bei Spiel 77 und / oder Super 6 bei 30,2 %, bei den Fernsehlotterien bei 8,1 % und bei den<br />

Klassenlotterien bei 1,8 % nach 3,8 % in 2007. Bei den Sofortlotterien bzw. Rubbellosen liegt<br />

die 12-Monatsprävalenz bei 10,2 %, bei Quicky bei 0,4 %, bei Keno bei 0,9 % sowie bei<br />

anderen Lotterien bei 3,9 %. Dies zeigt deutlich, dass Spieler einer Lotterie auch andere<br />

Lotterien spielen.<br />

Der Anteil der deutschen erwachsenen Bevölkerung zwischen 18 und 65 Jahren, der an<br />

irgendeiner Lotterie in den letzten zwölf Monaten teilgenommen hat, dürfte fast genauso hoch<br />

ausfallen, wie der Anteil, der überhaupt ein Glücksspiel gespielt hat, und bei etwa 48 %<br />

liegen.<br />

156 Becker, T. (2011). Soziale Kosten des Glücksspiels. In Druck. Kapitel 5.2.<br />

82


Auch Quizsendungen im Fernsehen und riskante Börsenspekulationen haben signifikant an<br />

Bedeutung verloren. Die signifikante Verringerung bei Keno dürfte auf die Einführung der<br />

Kundenkarte zurückzuführen sein. 157<br />

Der signifikante Anstieg bei den Geldspielautomaten dürfte in der gestiegenen Attraktivität<br />

dieser Geräte durch die Umstellung auf neue Geräte im Rahmen der Umsetzung der<br />

Spielverordnung von 2005 liegen.<br />

Abb.7: Teilnahme an Glücksspielen im Jahr 2007 und 2009 (in Prozent der Bundesbürger)<br />

irgendein Glücksspiel<br />

Glücksspiele ohne GS, Quizsendungen, Börse<br />

Lotto "6 aus 49"<br />

Lotto - Spiel 77 und/oder Super 6<br />

Quizsendungen im Fernseher<br />

Sofortlotterien, Rubbellose<br />

privates Glücksspiel<br />

Fernsehlotterien<br />

Poker<br />

Klassenlotterien<br />

andere Lotterien<br />

Oddset Spielangebote<br />

Geldspielautomaten<br />

riskante Börsenspekulationen<br />

Großes Spiel in der Spielbank<br />

Keno<br />

Kl<strong>eines</strong> Spiel in der Spielbank<br />

andere Sportwetten<br />

Pferdewetten<br />

Toto<br />

Casinospiele im Internet<br />

Quicky<br />

0 10 20 30 40 50 60<br />

Quelle: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA): Glücksspielverhalten in Deutschland 2007 und<br />

2009: Ergebnisse aus zwei repräsentativen Bevölkerungsbefragungen. Ergebnisbericht Januar 2010.<br />

157 Becker, T. (2011). Soziale Kosten des Glücksspiels. In Druck. Kapitel 5.2.<br />

83<br />

2007 2009


Nach Angaben der BZgA für das Jahr 2009 lag die 12-Monatsprävalenz bei dem<br />

Automatenspiel in Spielbanken bei 1,2 % und bei Geldspielautomaten bei 2,7 %. Letztere ist<br />

im Vergleich zu 2007 mit 2,2 % statistisch signifikant gestiegen. Die Zahl für<br />

Geldspielautomaten ist etwas geringer als die Zahlen der beiden anderen Studien. Für<br />

Geldspielautomaten kann von einer 12-Monatsprävalenz von 3 % und für Glücksspielautomaten<br />

von einer 12-Monatsprävalenz von 1,2 % ausgegangen werden. 158<br />

An Pferdewetten haben in den vergangenen zwölf Monaten 0,6 %, an Toto 0,7 %, an anderen<br />

Sportwetten 0,9 % und an Oddset-Spielangeboten, d. h. Sportwetten mit Festquoten, 2,3 %<br />

teilgenommen. Wegen einer multiplen Spielteilnahme lassen sich diese Zahlen nicht einfach<br />

addieren, da sich ansonsten eine Zahl von 126,5 % ergibt. Wenn davon ausgegangen wird,<br />

dass ein Sportwetter im Durchschnitt auch an 1,265 unterschiedlichen Formen der Sportwette<br />

teilnimmt, ergibt sich eine Spielteilnahme an Sportwetten insgesamt von 3,56 %. Angesichts<br />

der höheren Zahlen der beiden anderen Studien soll hier von etwa 3,8 % der Bevölkerung<br />

ausgegangen werden, die in den letzten zwölf Monaten an Sportwetten teilgenommen haben.<br />

Die 12-Monatsprävalenz bei dem Großen Spiel in Spielbanken liegt für 2009 bei 1,9 % und<br />

für Casinospiele im Internet bei 0,9 %. Poker hat mit 3,9 % einen vergleichsweise hohen<br />

Wert. Wenn dieses zu den Casinospielen gerechnet wird, wäre von einer 12-Monatsprävalenz<br />

von rund 3% für Casinospiele ohne Poker und von rund 6% für Casinospiele einschließlich<br />

Poker auszugehen. 159<br />

6.2 Merkmale verschiedener Spielformen bezüglich ihres Suchtgefährdungs-<br />

potentials<br />

Die verschiedenen Formen des Glücksspiels weisen mehrere Merkmale auf, die für den<br />

Anreiz und das Suchtpotential von Bedeutung sind. 160 Becker unterscheidet zusätzlich<br />

zwischen dem Suchtgefährdungspotential und dem Schadenspotential. Das Suchtgefährdungs<br />

158<br />

Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Glücksspielverhalten in Deutschland 2007 und 2009,<br />

Ergebnisbericht 2010.<br />

159<br />

Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Glücksspielverhalten in Deutschland 2007 und 2009,<br />

Ergebnisbericht 2010.<br />

160<br />

Meyer, G.; Bachmann, M. (2005), Spielsucht, S. 66.<br />

84


potential ist das Resultat aus verschiedenen Merkmalen des Glücksspiels, während sich das<br />

Schadenspotential z. B. aus den finanziellen Verlusten ergibt. 161<br />

Es ist allgemein bekannt und akzeptiert, dass das Suchtgefährdungspotential entscheidend von<br />

den jeweiligen Eigenschaften des Glücksspiels abhängt. Die Bundeszentrale für gesundheitliche<br />

Aufklärung unterscheidet deshalb die folgenden „Bewertungsfaktoren des<br />

Suchtpotentials“: 162<br />

6.2.1 Ereignisfrequenz und Auszahlungsintervall<br />

Bei einer langsamen Spielabfolge und einer zeitlich verzögerten Gewinnauszahlung besteht<br />

die Möglichkeit, für den Spieler eine emotionale Distanz zum Glücksspiel zu entwickeln.<br />

Demnach ist das Gefährdungspotential <strong>eines</strong> Glücksspiels umso größer, je höher die<br />

Ereignisfrequenz und je kürzer das Auszahlungsintervall ist. 163<br />

Geldspielautomaten weisen eine hohe Ereignisfrequenz und ein kurzes Auszahlungsintervall<br />

auf. Die Mindestdauer für ein Spiel beträgt lediglich fünf Sekunden und die Auszahlung<br />

erfolgt sofort. Mit dem gleichzeitigen Bedienen mehrerer Automaten versuchen oftmals<br />

pathologische Spieler die Ereignisfrequenz noch weiter zu erhöhen.<br />

Die Lotterie 6 aus 49 ist hingegen ein typisches Beispiel für ein Glücksspiel mit sehr niedriger<br />

Ereignisfrequenz und verzögerter Auszahlung. Der Spieler muss mehrere Stunden oder Tage<br />

auf das Ergebnis seiner Glücksspielteilnahme warten. Im Falle <strong>eines</strong> Gewinns vergeht<br />

ebenfalls einige Zeit, bis es zur Auszahlung kommt. 164<br />

6.2.2 Einsatz- und Gewinnstruktur<br />

Glücksspiele, die hohe Gewinne versprechen sind einerseits von daher besonders attraktiv,<br />

doch weisen diese andererseits sehr geringe Gewinnwahrscheinlichkeiten auf. Fast- Gewinne<br />

161 Becker, T. (2009), Glücksspielsucht in Deutschland. Prävalenz bei verschiedenen Glücksspielformen, S. 31.<br />

162 Becker, T. (2011). Soziale Kosten des Glücksspiels. In Druck. Kapitel 5.3.<br />

163 Becker, T. (2009), Glücksspielsucht in Deutschland. Prävalenz bei verschiedenen Glücksspielformen, S. 31.<br />

164 Becker, T. (2009), Glücksspielsucht in Deutschland. Prävalenz bei verschiedenen Glücksspielformen, S. 32.<br />

85


erhöhen das Suchtpotential <strong>eines</strong> Spiels. Sie animieren den Spieler zum Weitermachen und<br />

lassen den Gewinn greifbar erscheinen. 165<br />

Die Möglichkeit der Variation des Einsatzes erhöht den Spielanreiz und somit auch das<br />

Suchtgefährdungspotential. Insbesondere die Möglichkeit der Erhöhung des Einsatzes<br />

verleitet zu dem Versuch, durch Anpassung der Einsätze vorherige Verluste wett zumachen.<br />

Geldersatzmittel wie Jetons oder auch das Zahlen mit Kreditkarten, senken die<br />

Hemmschwelle, immer wieder Einsätze zu tätigen, die sich am Ende zu größeren Beträgen<br />

summieren. 166 Dies ist auch an Geldspielautomaten der Fall. Früher wurde der Spielstand in<br />

Geldeinheit dargestellt, heute ist das durch ein Punktesystem ersetzt worden, was auch die<br />

Hemmschwelle der Einsätze senkt (siehe auch Gewinnstruktur in Kapitel 11.3,<br />

Diskontierungsverhalten).<br />

6.2.3 Persönliche Beteiligung und Kompetenzanteil<br />

Die aktive Beteiligung des Spielers am Spielgeschehen, z. B. beim Roulette oder an<br />

Geldspielautomaten, erhöht die Wahrnehmung, das Ergebnis beeinflussen zu können. 167<br />

Durch Stopp-Tasten an Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit oder bei den Live-Wetten<br />

haben die Spielenden den Eindruck, aktiv ins Spielgeschehen einbezogen zu sein 168 .<br />

Die Verbindung mit allgemein anerkannten Freizeitinteressen, insbesondere bei Sportwetten,<br />

kann schnell zu einer Verharmlosung des Glücksspiels führen. Gleichzeitig erhöhen die<br />

eigenen Interessen den Spielanreiz, wenn man z. B. Sportereignissen schon immer nahe stand<br />

und meint, aufgrund von speziellem Insiderwissen besondere Gewinnchancen zu haben 169 .<br />

Mit steigender persönlicher Beteiligung wachsen die wahrgenommene eigene Kompetenz und<br />

dadurch auch das Suchtpotential des Glücksspiels. 170 Während beim Roulette und an<br />

Geldspielautomaten die Kompetenzanteile lediglich suggeriert werden, kann beispielsweise<br />

165<br />

Becker, T. (2009), Glücksspielsucht in Deutschland. Prävalenz bei verschiedenen Glücksspielformen,<br />

S. 32 ff.<br />

166<br />

Becker, T. (2011). Soziale Kosten des Glücksspiels. In Druck. Kapitel 5.3.<br />

167<br />

Meyer, G.; Bachmann, M. (2005), Spielsucht, S. 67.<br />

168<br />

Becker, T. (2011). Soziale Kosten des Glücksspiels. In Druck. Kapitel 5.3.<br />

169<br />

Becker, T. (2011). Soziale Kosten des Glücksspiels. In Druck. Kapitel 5.3.<br />

170<br />

Becker, T. (2009), Glücksspielsucht in Deutschland. Prävalenz bei verschiedenen Glücksspielformen,<br />

Frankfurt: Peter Lang, S. 35.<br />

86


ei Sportwetten die eigene Kompetenz die Gewinnchancen verbessern. 171 Doch pathologische<br />

Spieler tendieren dazu, selbst bei Roulette und Geldspielautomaten eigene Kompetenzanteile<br />

zu vermuten (siehe dazu mehr in Kapitel 11). 172<br />

6.2.4 Kognitive Irrtümer<br />

Spieler neigen zu verschiedenen kognitiven Irrtümern, die einen Einfluss auf ihr<br />

Spielverhalten haben können, wie zum Beispiel:<br />

Unkenntnis der Gewinn und Verlustwahrscheinlichkeiten<br />

falsche Vorstellungen von Zufallsmerkmalen<br />

falsche Vorstellung der Wahrscheinlichkeit bei verschiedenen Stichprobenumfängen<br />

Verwechslung von bedingten und unbedingten Wahrscheinlichkeiten (gamblers‘<br />

fallacy)<br />

Gefangensein (entrapment)<br />

magische Vorstellungen (superstitious beliefs)<br />

Repräsentationsbias und flexible Zuschreibung von Gründen des Gewinns und<br />

Verlusts<br />

Kontrollillusion<br />

Verfügbarkeitsbias 173<br />

Je stärker solche Vorstellungen unterstützt und je weniger Klarheit geschaffen wird, desto<br />

höher ist das Suchtgefährdungspotential des jeweiligen Glücksspiels (mehr dazu in<br />

Kapitel 1.4).<br />

171 Meyer, G.; Bachmann, M. (2005), Spielsucht, S. 67.<br />

172 Becker, T. (2009), Glücksspielsucht in Deutschland. Prävalenz bei verschiedenen Glücksspielformen, S. 35.<br />

173 Becker, T. (2009), Glücksspielsucht in Deutschland. Prävalenz bei verschiedenen Glücksspielformen, S. 35 f.<br />

87


6.2.5 Verfügbarkeit<br />

Bei einfachem Zugang zu einem Glücksspiel ist das Gefährdungspotential höher einzustufen.<br />

Je leichter ein Glücksspiel verfügbar ist, umso mehr erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass<br />

Menschen es vermehrt nutzen. Die leichte Verfügbarkeit ist eine problematische Situation, die<br />

abstinente Glücksspieler als besonders schwierig beschreiben 174 .<br />

Dies wird unter anderem dadurch bestätigt, dass mehr pathologische Spieler den<br />

Geldspielautomaten, welcher fast überall verfügbar ist, als deren Hauptproblem sehen, als den<br />

Glücksspielautomaten, der vom Design her dem Geldspielautomaten sehr ähnlich ist, sich<br />

aber nur in Spielbanken befindet. Weitere Aspekte des Zugangs sind auch die Möglichkeit der<br />

Selbst- und Fremdsperre und der Ausschluss Minderjähriger. Die Möglichkeit der Sperre<br />

haben Spieler zurzeit nur bei Spielbanken und auch die Identifikation von Personen durch<br />

Ausweiskontrollen erfolgt lediglich bei den Spielbanken. 175<br />

6.2.6 Sensorische Produktgestaltung<br />

Licht- und Toneffekte an Geldspielautomaten vermitteln dem Spieler den Eindruck von Spaß<br />

und Aktivität. 176 Gewinne werden durch Musik und Münzgeräusche besonders betont, so dass<br />

dies von den Spielern stärker wahrgenommen wird. Ähnliche Vorgehensweisen lassen sich<br />

auch in den Casinos von Las Vegas und Atlanta beobachten. Gewinnt ein Spieler gegen die<br />

Bank, so wird eine Glocke geläutet und alle anwesenden Spieler bekommen Kenntnis von<br />

dem Gewinn. Das Nutzen solcher Toneffekte suggeriert den Spielern, dass Gewinne häufiger<br />

auftreten als Verluste. Wie Casinos versuchen auch Spielhallen eine spannende Atmosphäre<br />

zu schaffen. 177 Es wird vermutet, dass Farben mit bestimmten Stimmungen assoziiert werden.<br />

So wird beispielsweise die Farbe Rot mit Spannung und Aufregung in Verbindung<br />

gebracht. 178 Griffith und Swift bestätigen dies in einer Studie von 1992. Bei der Untersuchung<br />

174<br />

Becker, T. (2011). Soziale Kosten des Glücksspiels. In Druck. Kapitel 5.3.<br />

175<br />

Becker, T. (2009), Glücksspielsucht in Deutschland. Prävalenz bei verschiedenen Glücksspielformen,<br />

Frankfurt: Peter Lang, S. 38.<br />

176<br />

Griffiths, M. (1993), Fruit machine gambling, in: Journal of Gambling Studies, S. 111.<br />

177<br />

Griffiths, M. (1993), Fruit machine gambling, in: Journal of Gambling Studies, S. 112.<br />

178<br />

Griffiths, M. (1993), Fruit machine gambling, in: Journal of Gambling Studies, S. 113.<br />

88


von fünf Spielhallen in Plymouth/ England stellten sie fest, dass die Innenbereiche<br />

hauptsächlich in Rottönen gehalten waren. 179<br />

Auch die Teilnehmer der Fokusgruppendiskussion erwähnen die Konditionierung durch<br />

Geldspielautomaten. Es wird berichtet, dass wenn in einem Spielfilm im Hintergrund die<br />

Melodien <strong>eines</strong> Geldspielautomaten ertönen, er sofort aufmerksam wird. Die leuchtenden<br />

Lampen und Farben sowie die Melodien und Geräusche übern eine große Anziehungskraft<br />

auf die betroffenen Spieler und Spielerinnen aus.<br />

6.2.7 Messinstrument zur Abschätzung des Gefährdungspotentials von<br />

Glücksspielprodukten<br />

Zur Messung des Suchtgefährdungspotentials von verschiedenen Formen des Glücksspiels auf<br />

Grund dieser und anderer Eigenschaften <strong>eines</strong> Glücksspiels wurde von Wissenschaftlern ein<br />

Mess- und Bewertungsinstrument entwickelt (mit dem Namen AsTERiG). 180 Dieses Messund<br />

Bewertungsinstrument 181 erfasst in einem ersten Schritt die Eigenschaften des jeweiligen<br />

Glücksspiels und deren jeweilige Ausprägungen. Diese werden dann in einem zweiten Schritt<br />

gewichtet und mit Punkten versehen, und es ergibt sich ein Gesamtwert für das Suchtgefährdungspotential<br />

des jeweiligen Glücksspiels. Auf Grund des Gesamtpunktwertes werden<br />

die Glücksspiele dann in drei Kategorien eingeteilt, rot für Glücksspiele mit einem sehr hohen<br />

Suchtgefährdungspotential, gelb für Glücksspiele mit einem mittleren Suchtgefährdungspotential<br />

und grün für Glücksspiele mit einem nicht signifikanten Suchtgefährdungspotential.<br />

Es besteht Einigkeit unter Wissenschaftlern, dass die Suchtgefährdung durch ein Glücksspiel<br />

maßgeblich von den Eigenschaften dieses Glücksspiel abhängt. Darüber hinaus besteht sogar<br />

unter Wissenschaftlern eine gewisse Übereinstimmung in der Gewichtung dieser<br />

Eigenschaften. Allerdings ist es schwierig, der Komplexität einzelner Merkmale gerecht zu<br />

werden. So tragen Risikotasten an Spielautomaten zu einer Steigerung des Suchtgefährdungspotentials<br />

bei, hingegen wäre eine Starttaste für jedes weitere Spiel einer Spielautomatik aus<br />

Gründen der Suchtprävention vorzuziehen. Auch hängt das Suchtgefährdungspotential von<br />

179<br />

Griffiths, M.; Swift, G. (1992), The use of light and colour in gambling arcades, Society for the Study of<br />

Gambling Newsletter, S. 18.<br />

180<br />

Wissenschaftliches Forum Glücksspiel (Becker, T. et al.), Mess- und Bewertungsinstrument zur Feststellung<br />

des Gefährdungspotentials von Glücksspielprodukten. In: Zeitschrift für Wett- und Glücksspielrecht 01/2008.<br />

181<br />

Vgl. http://presse.aktion-mensch.de/media/downloads/files/StudieGefaehrdungGluecksspiel.pdf.<br />

89


der Kombination von Eigenschaft und Spielform ab. Die Bewertung einzelner Merkmale ist<br />

abhängig von der Spielform. So hat ein hoher Jackpot bei der Lotterie „6 aus 49“ eine andere<br />

Bedeutung als ein Jackpot im Automatenspiel.<br />

Die folgende Tabelle zeigt die einbezogenen Kriterien und die vorläufige Gewichtung.<br />

Tab. 27: Mess- und Bewertungsinstrument zur Abschätzung des Gefährdungspotentials verschiedener Formen<br />

des Glücksspiels<br />

Kriterium Gewichtung<br />

Ereignisfrequenz 3<br />

Grad der Interaktivität 3<br />

Förderung der<br />

3<br />

Kontrollüberzeugung<br />

Einsatz 2<br />

Gewinnstruktur 2<br />

sozialer Kontext 2<br />

Anonymität 2<br />

Vermarktung 2<br />

Verfügbarkeit 2<br />

Jackpot 2<br />

sensorische Produktgestaltung 1<br />

Art des Zahlungsmittels 1<br />

Summe 25<br />

Quelle: Wissenschaftliches Forum Glücksspiel (2008)<br />

Ausgehend von dem Konzept <strong>eines</strong> Mess- und Bewertungsinstruments zur Erfassung des<br />

Suchtgefährdungspotentials von Glücksspielen an Hand der Eigenschaften dieser<br />

Glücksspiele 182 haben Meyer et al. im Rahmen einer Delphi-Studie Experten nach den für das<br />

Suchtgefährdungspotential relevanten Eigenschaften und deren Gewichtung befragt. 183 Es<br />

wurde dabei das Ziel verfolgt, basierend auf den Produkteigenschaften von Glücksspielen<br />

Beurteilungsmerkmale zu generieren und empirisch zu validieren, die eine Einschätzung des<br />

Suchtgefährdungspotentials der verschiedenen im deutschsprachigen Raum angebotenen<br />

Spielformen sowie neuer, geplanter Spielformen ermöglicht.<br />

182 Wissenschaftliches Forum Glücksspiel (Becker, T. et al.), Mess- und Bewertungsinstrument zur Feststellung<br />

des Gefährdungspotentials von Glücksspielprodukten. In: Zeitschrift für Wett- und Glücksspielrecht 01/2008.<br />

183 Vgl. Meyer, G.; Häfeli, J.; Mörsen, C.; Fiebig, M. (2010): Die Einschätzung des Gefährdungspotentials von<br />

Glücksspielen: Ergebnisse einer Delphi-Studie und empirischen Validierung der Beurteilungsmerkmale. In:<br />

Sucht, 56 (6). 2010, S. 405-414.<br />

90


Mit weitem Abstand erhält die Ereignisfrequenz, also die Schnelligkeit des Spiels, das größte<br />

Gewicht (0,612). Es folgen multiple Spiel-/Einsatzmöglichkeiten (0,354), die Gewinnwahrscheinlichkeit<br />

(0,264), Ton und Lichteffekte (0,230), eine variable Einsatzhöhe (0,184).<br />

Erst dann kommen nach der subjektiven Einschätzung der befragten Experten die<br />

Verfügbarkeit (0,173), der Jackpot (0,171), das Auszahlungsintervall (0,157), Fast-Gewinne<br />

(0,143) und die Kontinuität des Spiels (0,092).<br />

Die epidemiologischen Studien führen zu vergleichsweise zuverlässigen Zahlen über die<br />

Teilnahme an Glückspielen in der Bevölkerung. Auf Grund der geringen Fallzahlen sind die<br />

Ergebnisse dieser Studien zu der Prävalenz des <strong>pathologischen</strong> Glückspiels in der<br />

Bevölkerung bereits mit hoher Unsicherheit behaftet und unterscheiden sich daher auch ganz<br />

erheblich bei den einzelnen Studien. Es wurden in den epidemiologischen Studien jeweils nur<br />

ganz wenige pathologische Spieler gefunden. Bei Buth und Stöver waren es 45 pathologische<br />

Spieler, bei Bühringer et al. nur 14 pathologische Spieler und bei der Untersuchung der BZgA<br />

47 pathologische Spieler. Auf Grund dieser geringen Fallzahlen lässt sich nicht zuverlässig<br />

auf die Bedeutung einzelner Glücksspielformen für das pathologische Spielverhalten<br />

schließen. Dafür sind die jeweiligen Stichproben pathologischer Spieler viel zu klein.<br />

6.3 Suchtgefährdungspotential verschiedener Spielformen<br />

Zur Bedeutung einzelner Glücksspielformen für das pathologische Spielverhalten liegen seit<br />

Jahrzehnten detaillierte Befragungen von Patienten in ambulanten und stationären<br />

Einrichtungen vor. Ein vollständiger Überblick der vorliegenden Studien ist bei Becker 184 zu<br />

finden. Hier soll nur auf drei neuere Studien eingegangen werden.<br />

In einer Untersuchung von Meyer und Hayer 185 wurde ein Kurzfragebogen an die ambulanten<br />

und stationären Versorgungseinrichtungen im Bundesland Nordrhein-Westfalen geschickt mit<br />

der Bitte, diesen Fragebogen beim Erst- oder Zweitkontakt an alle vorstellig werdenden<br />

Klienten zu verteilen. Der Untersuchungszeitraum erstreckte sich von Mitte 2002 bis Ende<br />

184<br />

Becker, T. (2009), Glücksspielsucht in Deutschland. Prävalenz bei verschiedenen Glücksspielformen,<br />

Frankfurt: Peter Lang, 2009<br />

185<br />

Meyer, G. und T. Hayer (2005), Das Gefährdungspotential von Lotterien und Sportwetten - Eine<br />

Untersuchung von Spielern aus Versorgungseinrichtungen.<br />

(http://www.mags.nrw.de/pdf/gesundheit/gefaehrdungspotenzial.pdf).<br />

91


2004. In der Mehrheit stammten die zurückgeschickten Fragebögen aus der ambulanten<br />

Spielerversorgung (62 %) bzw. aus Schwerpunktberatungsstellen (26,6 %). Nur 11,5 %<br />

stammen aus stationären Versorgungseinrichtungen. Es wurde nach den problembehafteten<br />

Glücksspielformen gefragt. Eine Liste mit 16 verschiedenen Glücksspielformen wurde zum<br />

Ankreuzen vorgegeben. Mehrfachnennungen waren möglich. Es nahmen 44 Versorgungseinrichtungen<br />

teil und 495 Fragebögen wurden ausgefüllt zurückgesandt. Einige Fragebögen<br />

wurden nicht vollständig ausgefüllt. Aus diesem Grund schwanken die in die Berechnung<br />

einfließenden Fälle. Es wurden nicht nur die problembehafteten Glücksspielformen abgefragt,<br />

sondern auch deren jeweiliger Stellenwert. Die Bildung einer Rangreihe der als<br />

problembehaftet wahrgenommenen Glücksspielformen kann als Indikator für die relative<br />

Bedeutung einer Glücksspielform im Rahmen der <strong>Entwicklung</strong> glücksspielbezogener<br />

Probleme gewertet werden.<br />

Bei Mehrfachnennungen wurden Geldspielautomaten von 79,3 % der Befragten als problembehaftet<br />

erlebt; als Hauptproblem wurden sie von 63,5 % genannt. Es folgten<br />

Glücksspielautomaten mit 32,4 % der Nennungen bzw. als Hauptproblem mit 13,5 %.<br />

Roulette / Black Jack wurde von 16,8 % der Befragten als problembehaftet erlebt; 6,2 %<br />

betrachteten es als Hauptproblem. Karten und Würfelspiele folgten mit 15,9 % bzw. 1,7 %,<br />

ODDSET mit 10,0 % bzw. 2,8 %. Lotto „6 aus 49“ wurde von 28 von 469 Personen, d. h. von<br />

6 %, als eine (von mehreren) Problem verursachenden Glücksspielform erlebt. Von den<br />

Befragten setzten 0,9 % oder vier Personen dieses Glücksspiel auf den ersten Rangplatz bei<br />

den Problem verursachenden Glücksspielformen. Klassenlotterien wurden von einem von 447<br />

Probanden, d. h. von 0,2 %, auf den ersten Rangplatz gesetzt.<br />

Eine etwas andere Vorgehensweise als bei Meyer und Hayer wurde von Becker 186 gewählt. Es<br />

wurden nicht die Klienten der ambulanten und stationären Suchthilfeeinrichtungen befragt,<br />

sondern die Therapeuten in diesen Einrichtungen. Mit der Befragung wurden 1.056 im letzten<br />

Jahr in ambulanten und stationären Suchthilfeeinrichtungen behandelte Patienten erfasst. Die<br />

Anzahl der Klienten im Jahre 2007 in ambulanten Einrichtungen mit der Hauptdiagnose<br />

pathologisches Spielverhalten betrug 2.209 Klienten nach der deutschen Suchthilfestatistik. 187<br />

Hochgerechnet auf die Gesamtzahl der betreuten Spieler in den bundesweit 934 Suchtberatungsstellen<br />

haben sich 2007 nach Meyer 5.700 Patienten in ambulante Behandlung<br />

186<br />

Becker, T. (2009), Glücksspielsucht in Deutschland. Prävalenz bei verschiedenen Glücksspielformen.<br />

187<br />

Vgl. Meyer, G.: Glücksspiel – Zahlen und Fakten. In: Deutsche Hauptstelle für Suchgefahren (DHS),<br />

Jahrbucht Sucht 09, S. 143.<br />

92


egeben. 188 Somit konnten mit der vorliegenden Befragung zwischen 19 % (nach<br />

Hochrechnung) und 47 % (nach Suchthilfestatistik) der Klienten erfasst werden. Es wurden<br />

jedoch nicht nur die ambulanten und stationären Suchthilfeeinrichtungen angeschrieben,<br />

sondern auch Selbsthilfeorganisationen. Die Leiter von Selbsthilfegruppen machten Angaben<br />

zu 588 Patienten; die Mitglieder von Selbsthilfegruppen zu 80 Patienten. Insgesamt bilden<br />

also 1.724 Patienten die Grundlage für die Befragungsergebnisse. Die befragten Personen sind<br />

in der Mehrzahl Mitarbeiter in Beratungsstellen. Stationäre Einrichtungen haben sich nicht an<br />

der Befragung beteiligt<br />

Die Ergebnisse der Befragung der Therapeuten nach dem Hauptproblem ihrer Klienten<br />

stimmen weitestgehend mit den Befragungsergebnissen der Klienten von Mayer und Hayer<br />

überein. Interessant sind die Abweichungen, die sehr gut die zeitliche <strong>Entwicklung</strong> in den fünf<br />

Jahren zwischen 2003 und 2008 widerspiegeln.<br />

Die nachfolgende Tabelle vergleicht die Ergebnisse dieser Befragung von <strong>pathologischen</strong><br />

Spielern aus den Jahren 2002 bis 2004 zu der Form des Glücksspiels, die als Hauptproblem<br />

betrachtet wird, und die Ergebnisse der Befragung von Therapeuten im Jahr 2008 zu der Form<br />

des Glücksspiels, welches für die Patienten das Hauptproblem darstellt.<br />

Für 69 % aller <strong>pathologischen</strong> Spieler ist die wichtigste (und oft einzige) Problem<br />

verursachende Form des Glücksspiels das Spiel an Geldspielautomaten in Spielhallen und<br />

Gaststätten. Diese äußerst problematische Form des Glücksspiels hat von 2003 bis 2008 noch<br />

an Bedeutung gewonnen. An zweiter Stelle folgen die Glücksspielautomaten in Spielbanken<br />

mit 11 %. 189<br />

188<br />

Vgl. Meyer, G.: Glücksspiel – Zahlen und Fakten. In: Deutsche Hauptstelle für Suchgefahren (DHS),<br />

Jahrbucht Sucht 09, S. 143.<br />

189<br />

Becker, T. (2011). Soziale Kosten des Glücksspiels. In Druck. Kapitel 5.3.<br />

93


Tab. 28: Problem verursachende Glückspielformen<br />

Problem verursachende Glücksspielform Becker (2008) Meyer und Hayer<br />

94<br />

(2002-2004)<br />

Geldspielautomaten in Spielhallen/Gaststätten 69,0 % 63,5 %<br />

Glücksspielautomaten in Spielbanken 11,4 % 13,5 %<br />

Sportwetten (Wettbüros, Internet) 6,8 % 1,7 %<br />

Roulette 5,8 % 6,2 %<br />

Poker (Karten- und Würfelspiele) 3,6 % 1,7 %<br />

ODDSET Kombi-/TOP-Wette 1,6 % 2,8 %<br />

Pferdewetten 0,6 % 1,7 %<br />

Zahlenlotto 6 aus 49 0,5 % 0,9 %<br />

Rubbellose 0,4 % 0,0 %<br />

Toto-/Auswahl-/13er-Wette 0,2 % 0,0 %<br />

Klassenlotterie (SKL/NKL) 0,1 % 0,2 %<br />

Summe gesamt: 100 % 100 %<br />

Quelle: Becker, T. (2009), Wie weit geht der Ermessensspielraum des Gesetzgebers bei der Regulierung des<br />

Glücksspielmarktes? In: Zeitschrift für Wett- und Glücksspielrecht Nr. 1/2009, S. 1-7.<br />

Von den Spieleigenschaften her betrachtet haben Glücksspielautomaten sogar ein noch<br />

höheres Suchtgefährdungspotential als Geldspielautomaten, aber wegen der geringeren<br />

Verfügbarkeit gibt es hier deutlich weniger pathologische Spieler.<br />

Sportwetten haben in dem Betrachtungszeitraum erheblich an Bedeutung für pathologische<br />

Spieler gewonnen und liegen mittlerweile insgesamt bei 9,2 %. Sportwetten in Wettbüros und<br />

im Internet (6,8 %) liegen mittlerweile an dritter Stelle, gefolgt von Roulette und Poker und<br />

der legalen Sportwette Oddset (1,6 %). Pferdewetten (0,6 %) und Toto (0,2 %) haben kaum<br />

eine Bedeutung.<br />

Zu den Casinospielen sind Roulette (5,8 %) und Poker (3,6 %) zu rechnen. Somit haben 9,4 %<br />

der <strong>pathologischen</strong> Spieler mit Casinospielen ein Problem.<br />

Lotterien sind kaum von Bedeutung. Lotterien werden nur von 1 % der <strong>pathologischen</strong><br />

Spieler als hauptproblematische Spielform angegeben.<br />

Bei diesen Ergebnissen zu der Form des Glücksspiels, die zu einem <strong>pathologischen</strong><br />

Spielverhalten führte, ist zu berücksichtigen, dass es in der Regel zwischen fünf und zehn<br />

Jahre dauert, ehe ein normales Spielverhalten sich zu einem <strong>pathologischen</strong> Spielverhalten


entwickelt. Ehe sich ein pathologischer Spieler in Therapie begibt, vergehen noch einmal<br />

unter Umständen mehrere Jahre. Die empirischen Ergebnisse hinken somit der Realität immer<br />

hinterher, vielleicht um zehn Jahre oder mehr. 190<br />

Über das Spielverhalten der „Online-Generation“ ist kaum etwas bekannt. Gespräche mit<br />

Klienten legen es nahe, von zwei deutlich voneinander getrennten Generationen von Spielern<br />

auszugehen. Die Spieler, die sich in die Therapie begeben, sind in der Regel männlich, oft<br />

älter und fast immer Spieler von Geldspielautomaten in Spielhallen und Gaststätten. Über die<br />

<strong>pathologischen</strong> Spieler von Glücksspielen im Internet ist kaum etwas bekannt. Diese tauchen<br />

bisher nur vereinzelt in Therapieeinrichtungen auf. Einen ersten Eindruck gibt eine<br />

Auswertung der Nutzungsdaten für die Hilfe-Hotline der Bundeszentrale für gesundheitliche<br />

Aufklärung (BZgA). 191<br />

Bei den Ergebnissen der BZgA ist zu berücksichtigen, dass die Daten im Rahmen des<br />

internetbasierten Beratungsprogramms gewonnen wurden. An diesem Programm haben in<br />

dem Zeitraum vom 01.12.07 bis 31.08.09 insgesamt 197 Personen teilgenommen. Von diesen<br />

Personen hatten 5 % ein problematisches und 95 % ein pathologisches Spielverhalten nach<br />

dem Canadian Problem Gambling Index. Erstaunlich viele Klienten im Vergleich zu<br />

<strong>pathologischen</strong> Spielern in ambulanter oder stationärer Therapie, fast 30 %, hatten keine<br />

Schulden, 23 % hatten bis 5.000 Euro Schulden, 27 % zwischen 5.000 und 25.000 Euro<br />

Schulden und 17 % zum Teil deutlich mehr als 25.000 Euro Schulden.<br />

190 Becker, T. (2011). Soziale Kosten des Glücksspiels. In Druck. Kapitel 5.3.<br />

191 Auskunft der BzgA, Auswertungszeitraum 01.12.2007-31.12.2010, n=419.<br />

95


Abb. 8: Problemassoziierte Glücksspielformen bei Teilnehmern des Online Beratungsprogramms der<br />

Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung<br />

Quelle: Auskunft der BzgA, Auswertungszeitraum 01.12.2007-31.12.2010, n=419.<br />

Dies deutet darauf hin, dass die Zugangsbarrieren bei einem Online Programm geringer sind<br />

als bei einer ambulanten, insbesondere aber auch stationären Therapieeinrichtung, und<br />

dementsprechend ist auch der Verschuldungsgrad geringer. Es handelt sich bei dieser<br />

Stichprobe um eine besondere Gruppe von Klienten, die sich durch eine Nutzung des Internet<br />

auszeichnet. Damit ergänzt diese Untersuchung sehr gut die bereits vorliegenden Befragungen<br />

von Klienten bzw. Therapeuten von ambulanten und stationären Suchthilfeeinrichtungen und<br />

weist darauf hin, wie sich die problemassoziierten Glücksspielformen im Zeitablauf verändern<br />

können. 192<br />

Obwohl es sich hier um Daten aus einer internetbasierten Beratung handelt, dominieren<br />

wieder die Geldspielautomaten als Hauptproblem. Die Geldspielautomaten in Spielhallen und<br />

Gaststätten nur für sich genommen führen zu stärkeren Problemen als alle andere<br />

Glücksspielformen zusammen. Dies macht noch einmal deutlich, welche herausragende<br />

Bedeutung die Geldspielautomaten für die <strong>Entwicklung</strong> und Aufrechterhaltung <strong>eines</strong><br />

<strong>pathologischen</strong> <strong>Spielverhaltens</strong> haben.<br />

192 Becker, T. (2011). Soziale Kosten des Glücksspiels. In Druck. Kapitel 5.3.<br />

96


Deutlich abgeschlagen folgen an zweiter Stelle die Glücksspielautomaten in Spielbanken.<br />

Internetcasinos führen nach dieser Untersuchung zu deutlich größeren Problemen als die<br />

Sportwetten im Internet. Dies verdeutlicht, dass derzeit das Suchtproblem bei Casinospielen<br />

im Internet höher ist als bei Sportwetten. Mit dieser Untersuchung wird auch deutlich, dass<br />

Online-Poker, wenn auch nur an fünfter Stelle, bereits zu Problemen führt. 193<br />

Es besteht noch ein erheblicher Forschungsbedarf über die Bedeutung des Internet-<br />

Glückspiels. Weder ist das Ausmaß und die Bedeutung der Glücksspiele im Internet bekannt,<br />

noch liegen weitere Ergebnisse über die Bedeutung und die <strong>Entwicklung</strong> <strong>eines</strong> <strong>pathologischen</strong><br />

Spielerverhaltens bei Internet-Glückspielen vor.<br />

6.4 Hauptspielformen pathologischer Spieler und Spielerinnen<br />

Während in Kapitel 6.3 Studien vorgestellt wurden, bei denen betroffene Spielerinnen und<br />

Spieler sowie TherapeutInnen zu problembehafteten Spielformen befragt wurden, war dies in<br />

den folgenden drei Studien nicht der Fall. Dennoch lohnt sich ein Vergleich der Ergebnisse,<br />

soweit dies möglich ist.<br />

In der bereits vorgestellten Studie PAGE (2011) wurden verschiedene Spielformen<br />

hinsichtlich ihres Suchtgefährdungspotentials untersucht und vorgestellt. Eine erhöhte<br />

Chance, eine Abhängigkeit zu entwickeln (bei einer Teilnahme von mehr als zehn Tagen im<br />

Leben), wurde bei folgenden Spielformen festgestellt: Oddset (deutscher Toto- und<br />

Lottoblock), Pferdewetten, andere Sportwetten, Poker, das sogenannte Große und Kleine<br />

Spiel im Casino, Geldspielautomaten in Spielhallen oder Gastronomiebetrieben sowie das<br />

private oder illegale Glücksspiel. „Unter Berücksichtigung, dass die meisten Glücksspieler<br />

mehrere Formen des Glücksspielens betreiben, blieb das Risiko für die Teilnahme an Oddset<br />

(deutscher Toto- und Lottoblock), anderen Sportwetten, dem Kleinen Spiel im Casino, Poker<br />

und Geldspielautomaten in Spielhallen oder Gastronomiebetrieben bestehen.“ 194<br />

193 Pauly, A. (2009): Prävention von Glückspielsucht: Das Online Beratungsprogramm der BZgA: „Check Dein<br />

Spiel“. Vortrag auf dem Symposium 2009 der Forschungsstelle Glücksspiel.<br />

194 DHS (2011), PAGE-Studie, Pressemeldung, S. 2.<br />

97


Weiter nutzten Menschen mit der Diagnose pathologisches Glücksspielen häufig die<br />

Spielformen „Geldspielautomaten in Spielhallen und gastronomischen Betrieben“ und / oder<br />

„Kl<strong>eines</strong> Spiel in Spielbanken“. Für diesen Personenkreis wurde eine um den Faktor 5,7<br />

erhöhte Chance für die Diagnose Pathologisches Glücksspiel festgestellt. 195<br />

Für die Befragten des Bundesmodellprojekts (2010) wurden die Spielformen differenziert<br />

nach Einmal- bzw. Mehrfachkontakt erfasst. Bei einer reinen Betrachtung der Mehrfachkontakte<br />

ist festzustellen, dass 87 % an Geldspielautomaten in Spielhallen und<br />

gastronomischen Betrieben spielten; die nächsthöhere Nennung betraf die Teilnahme am<br />

Kleinen Spiel der Spielbanken (10,7 % der 1.319 Befragten). Die dritthöchste Beteiligung gab<br />

es bei den Sportwetten (9,3 %).<br />

Tab. 29: Dokumentierte Spielformen 196 – differenziert nach Einmal- bzw. Mehrfachkontakt<br />

(Mehrfachnennungen möglich)<br />

Quelle: Modellprojekt des Bundesministeriums für Gesundheit (2010), Tab 27, S. 46.<br />

Auch die KlientInnen der ambulanten Beratungsstellen wurden dazu befragt, welche<br />

Spielformen sie in der Regel spielten bzw. gespielt hatten (Mehrfachnennungen waren<br />

möglich). Dabei zeigte sich, dass 81,4 % der Befragten regelmäßig an Geldspielautomaten<br />

195<br />

DHS (2011), PAGE-Studie, Pressemeldung, S. 2.<br />

196<br />

Für 73 Personen (8 Frauen und 65 Männer) war im Rahmen des Einmalkontakts keine Aussage zum<br />

Glücksspielverhalten möglich.<br />

98


spielten bzw. gespielt hatten. 19,6 % nahmen am Kleinen Spiel sowie 12,7 % am Großen<br />

Spiel der Spielbank teil.<br />

Anders als beim Bundesmodellprojekt nahm keiner der KlientInnen der ambulanten<br />

Beratungsstellen am illegalen Glücksspiel teil. Die Zahl derjenigen, die an Glücksspielen im<br />

Internet teilnahmen, macht 6,9 % aus; beim Bundesmodellprojekt lag die Zahl bei 7,7 %.<br />

Etwas höher fällt die Anzahl der Teilnehmer an Sportwetten aus (vorliegende Untersuchung:<br />

7,8 %; Bundesmodellprojekt: 8,7 %).<br />

Tab. 30: Hauptspielformen (Mehrfachnennungen möglich)<br />

Spielformen, die regelmäßig gespielt wurden (n=102)<br />

99<br />

Häufigkeit Prozent<br />

Geldspielautomaten in Spielhallen und gastronomischen Betriebe 83 81,4%<br />

Kl<strong>eines</strong> Spiel in der Spielbank (Glücksspielautomaten) 20 19,6%<br />

Großes Spiel in der Spielbank (Roulette, Black Jack, etc.) 13 12,7%<br />

Lotto / Lotterien 4 3,9%<br />

Sportwetten (Oddset, toto, Pferdewetten, Wetten in privaten Wettbüros) 8 7,8%<br />

Glücksspiel im Internet 7 6,9%<br />

Andere 11 10,8%<br />

Quelle: Eigene Berechnungen / Fragebogen Forschungsstelle.<br />

Ein Vergleich der drei Studien ergibt, dass die folgenden beiden Spielformen am häufigsten<br />

gespielt wurden: Geldspielautomaten in Spielhallen und gastronomischen Betrieben sowie das<br />

Kleine Spiel der Spielbanken. Daher gilt es herauszufinden, ob von diesen Spielformen<br />

tatsächlich die größte Gefahr bezüglich des Suchtpotentials ausgeht.<br />

Bei den Teilnehmern der Fokusgruppe handelte es sich fast ausschließlich um ehemalige<br />

Automatenspieler. Eine Person gab an, später auch online gespielt zu haben; eine weitere<br />

Person hat „alles gespielt, auch illegale Spiele – es gab nichts, was ich nicht gespielt hätte“.<br />

Zieht man die Studie von Meyer und Hayer aus Kapitel 6.3 (Tabelle 28) zum Vergleich heran,<br />

zeigt sich, dass 79,3 % der Befragten das Spielen an Geldspielautomaten in Spielhallen und<br />

gastronomischen Betrieben als problembehaftet wahrgenommen haben. Das Kleine Spiel der<br />

Spielbanken empfanden 32,4 % als problembehaftet. Diese Ergebnisse decken sich mit den


Nennungen derjenigen KlientInnen ambulanter Beratungsstellen der vorliegenden Studie, die<br />

die Frage nach der regelmäßig ausgeübten Spielform beantwortet hatten.<br />

Nachdem die Mehrfachnennungen betrachtet wurden, sollen nun diejenigen Fälle betrachtet<br />

werden, die nur eine Spielform angegeben hatten. Diese Betrachtung ist sowohl für das<br />

Bundesmodellprojekt als auch für die vorliegende Studie möglich.<br />

Von den 849 Befragten des Bundesmodellprojektes, die nur eine Spielform angaben, zeigte<br />

sich, dass rund 88 % nur an Geldspielautomaten in Spielhallen und gastronomischen<br />

Betrieben spielten. Alle anderen erfassten Spielformen lagen weit unter 10 %. Glücksspiele<br />

im Internet belegten Rang 2 mit 3,8 %, das Kleine Spiel in Spielbanken Rang 3 mit 2,7 %. Bei<br />

geschlechtsspezifischer Betrachtung lässt sich feststellen, dass Frauen weder an Sportwetten,<br />

Lotterien oder an illegalen Glücksspielen teilgenommen hatten.<br />

Tab. 31: Pathologische Spieler mit Angabe einer einzigen Hauptspielform – BMG<br />

Quelle: Modellprojekt des Bundesministeriums für Gesundheit (2010), Tab 53, S. 64.<br />

Von den 112 Befragten der ambulanten Beratungsstellen gaben 69 Personen nur eine (Haupt-)<br />

Spielform an. Geldspielautomaten wurden von 78,3 % ausschließlich gespielt. An zweiter<br />

Stelle stand das Kleine Spiel mit 10,1 %. Glückspiele im Internet rangierten mit 4,3 % auf<br />

dem dritten Platz. Weitere Spielformen wurden kaum genannt; auch die Teilnahme an<br />

illegalen Glücksspielen kam nicht vor. Auch hier gab es seitens der Frauen keine Beteiligung<br />

an den Spielformen Kl<strong>eines</strong> Spiel der Spielbank, Lotto / Lotterien und Sportwetten.<br />

Weder im Bundesmodellprojekt noch in der Studie aus Hohenheim spielten Frauen<br />

ausschließlich die Spielformen Lotto / Lotterien und Sportwetten.<br />

100


Tab. 32: Pathologische Spieler mit Angabe einer einzigen Hauptspielform<br />

weiblich männlich Gesamt<br />

abs. in % abs. in % abs. in %<br />

Geldspielautomaten 4 80,0 50 78,1 54 78,3<br />

Kl<strong>eines</strong> Spiel - - 7 10,9 7 10,1<br />

Lotto / Lotterien - - 1 1,6 1 1,4<br />

Sportwetten - - 2 3,1 2 2,9<br />

Glücksspiel im Internet 1 20,0 2 3,1 3 4,3<br />

Andere - - 2 3,1 2 2,9<br />

Gesamt 5 100,0 64 100,0 69 100,0<br />

Quelle: Eigene Berechnungen / Fragebogen Forschungsstelle.<br />

Ein Vergleich der Tabellen 31 und 32 ergibt, dass die meisten ProbandInnen beider<br />

Befragungen Geldspielautomaten in Spielhallen und gastronomischen Betrieben als<br />

Hauptspielform nannten (Bundesmodellprojekt: 87,9 %; Studie Forschungsstelle Glücksspiel:<br />

78,3 %).<br />

Auch hier kann die Studie von Meyer und Hayer (2002-2004) herangezogen werden: Darin<br />

nannten 63,5 % der Befragten das Spielen an Geldspielautomaten in Spielhallen und<br />

gastronomischen Betrieben als Hauptproblem. Bei Becker (2008) wurde für 69 % aller<br />

<strong>pathologischen</strong> Spieler festgestellt, dass diese Spielform die wichtigste (und oft einzige)<br />

problembehaftete Spielform darstellt. Auch den Daten der internetbasierten Beratung kann<br />

entnommen werden, dass Geldspielautomaten als Hauptproblem genannt werden (siehe<br />

Abbildung 8, Kapitel 6.3). An zweiter Stelle kommt sowohl bei Meyer und Hayer als auch bei<br />

Becker das Kleine Spiel der Spielbanken (13,5 % bei Meyer und Hayer; 11,4 % bei Becker).<br />

Weiter ergibt der Vergleich der beiden Tabellen, dass die Zahl derjenigen, die als<br />

Hauptspielform Glücksspiele im Internet nutzten, bei der Hohenheimer Studie 4,3 %<br />

ausmacht; beim Bundesmodellprojekt sind es 3,8 %. Die Anzahl der Sportwetter ist<br />

demgegenüber geringer (vorliegende Untersuchung: 2,9 %; Bundesmodellprojekt: 2,4 %).<br />

Diese beiden Studien weisen darauf hin, dass mehr Spielerinnen und Spieler, die nur eine<br />

Spielform nannten, Probleme mit Glücksspielen im Internet als mit Sportwetten haben. Somit<br />

hat das Glücksspiel im Internet an Einfluss gewonnen. Trotz neuer Spielmöglichkeiten stellen<br />

101


jedoch Geld- und Glücksspielautomaten nach wie vor die größte Gefahr für Spielerinnen und<br />

Spieler dar.<br />

6.5 Online-Spielverhalten der befragten Personen ambulanter Beratungsstellen<br />

In folgendem Unterkapitel wird kurz vorgestellt, für welche Zwecke die Befragten ambulanter<br />

Beratungsstellen das Internet nutzen. Die Befragten konnten nur zwischen privater,<br />

geschäftlicher bzw. beruflicher sowie keiner Nutzung wählen. Anschließend sollten die<br />

Befragten Angaben dazu machen, ob sie das Internet auch zum Spielen von Glücksspielen<br />

nutzen bzw. genutzt haben. Wurde diese Frage bejaht, konnten die Befragten angeben, an<br />

welchen Spielen sie online teilnehmen bzw. teilgenommen haben.<br />

Auch die Teilnehmer der Fokusgruppe (2011) sollten Angaben zur Nutzung von Online-<br />

Spielen machen; die Frage wurde jedoch lediglich von zwei der elf Personen beantwortet;<br />

diese gaben Online-Lotto bzw. Online-Casino-Spiele an.<br />

6.5.1 Nutzung des Internets<br />

Die Befragten der ambulanten Beratungsstellen sollten angeben, ob und für welche Zwecke<br />

sie das Internet nutzen. Rund 16 % der 108 gültigen Fälle gaben an, das Internet generell nicht<br />

zu nutzen. 34 % nutzten das Internet zu geschäftlichen bzw. beruflichen Zwecken. Interessant<br />

ist, dass fast 80 % der 108 Personen das Internet privat nutzten.<br />

Tab. 33: Nutzung des Internets – Mehrfachnennungen<br />

Nutzung des Internets (n=108)<br />

102<br />

Häufigkeit Prozent<br />

Keine Nutzung des Internets 17 15,7<br />

Geschäftliche/berufliche Nutzung 34 31,5<br />

Private Nutzung 86 79,6<br />

Quelle: Eigene Berechnungen / Fragebogen Forschungsstelle.


Betrachtet man die Angaben dahingehend, wie viele Personen das Internet ausschließlich<br />

geschäftlich bzw. beruflich oder ausschließlich privat nutzten, ergibt sich folgendes Bild:<br />

Knapp 5 % nutzten das Internet rein geschäftlich bzw. beruflich. Fast 53 % gaben an, das<br />

Internet rein zu privaten Zwecken zu nutzen. Daraus folgt, dass etwa 27 % der Befragten das<br />

Internet sowohl beruflich als auch privat nutzten.<br />

Nutzung des Internets (n=108)<br />

Tab. 34: Nutzung des Internets – Einfachnennung<br />

103<br />

Häufigkeit Prozent<br />

Keine Nutzung des Internets 17 15,7<br />

Geschäftliche/berufliche Nutzung 5 4,6<br />

Private Nutzung 57 52,8<br />

Geschäftliche/berufliche UND private Nutzung 29 26,9<br />

6.5.2 Nutzung des Internets zum Spielen<br />

Quelle: Eigene Berechnungen / Fragebogen Forschungsstelle.<br />

Weiter war von Interesse, ob das Internet auch für Online-Spiele genutzt wird. Lediglich 36 %<br />

haben die diesbezügliche Frage mit „ja“ beantwortet.<br />

Tab. 35: Nutzung des Internets zum Spielen<br />

Nutzen/Nutzten Sie das Internet auch zum Spielen? (n=108)<br />

Häufigkeit Prozent<br />

Ja 39 36,1<br />

Nein 69 63,9<br />

Quelle: Eigene Berechnungen / Fragebogen Forschungsstelle.<br />

In einem nächsten Schritt sollten die Befragten der ambulanten Beratungsstellen angeben, an<br />

welchen Online-Spielen sie teilnahmen bzw. teilgenommen hatten. Mehrfachnennungen<br />

waren zulässig. Von den 39 gültigen Fällen gaben etwa 51 % an, Online-Poker gespielt zu<br />

haben. Jeweils 28 % gaben an, Geschicklichkeitsspiele und / oder Casino online zu spielen<br />

bzw. gespielt zu haben. Fast 26 % nahmen online an Sportwetten teil. Lediglich 5,1 % gaben<br />

an, Online-Lotto gespielt zu haben.


Tab. 36: Online-Spiele (Mehrfachnennungen möglich)<br />

Teilnahme an Online-Spielen (n=39)<br />

104<br />

Häufigkeit Prozent<br />

Online-Lotto 2 5,1<br />

Online-Poker 20 51,3<br />

Online-Sportwetten 10 25,6<br />

Online-Geschicklichkeitsspiele a 11 28,2<br />

Online-Casino 11 28,2<br />

Online-Backgammon a 1 2,6<br />

Online-Spiele ohne Geldeinsatz 2 5,1<br />

Facebook-Spiele a 1 2,6<br />

Online-Shooter Games a 1 2,6<br />

Rollenspiele a 2 5,1<br />

Adventure- und Sportspiele a 1 2,6<br />

Autorennen a 2 5,1<br />

Spiele ohne Gewinnmöglichkeit a 1 2,6<br />

a. Aus den Befragungsunterlagen ging nicht hervor, ob es sich um kostenpflichtige<br />

oder kostenlose Spiele handelt.<br />

Quelle: Eigene Berechnungen / Fragebogen Forschungsstelle.<br />

Weiter wurde aus den Angaben der Befragten ersichtlich, dass 20 Personen ausschließlich an<br />

einem Online-Spiel teilgenommen hatten. Rund 35 % gaben an, Online-Poker gespielt zu<br />

haben; weitere vier Personen (20% von n=20) hatten ausschließlich Online-Casinos genutzt.<br />

Zwei weitere Personen (10 % von n=20) nahmen ausschließlich an Online-Sportwetten teil.<br />

Tab. 37: Online-Spiel: nur ein Spiel wird gespielt<br />

Online-Spiele: nur ein Spiel (n=20)<br />

Häufigkeit Prozent<br />

Online-Poker 7 35<br />

Online-Sportwetten 2 10<br />

Online-Geschicklichkeitsspiele a 3 15<br />

Online-Casino 4 20<br />

Online-Spiele ohne Geldeinsatz 1 5<br />

Autorennen a 2 10<br />

Spiele ohne Gewinnmöglichkeit a 1 5<br />

a. Aus den Befragungsunterlagen ging nicht hervor, ob es sich um kostenpflichtige<br />

oder kostenlose Spiele handelt.<br />

Quelle: Eigene Berechnungen / Fragebogen Forschungsstelle.


Bei der Einzelbetrachtung der Fälle fällt auf, dass 13 Personen an je zwei Online-Spielen<br />

teilnahmen. Drei Personen spielten sowohl Online-Poker als auch Online-Geschicklichkeitsspiele.<br />

Weitere drei Personen nahmen online an Sportwetten und Poker teil. Zwei weitere<br />

Personen spielten sowohl Lotto als auch Casino-Spiele online. Je eine weitere Person spielte<br />

online Sportwetten und Casino-Spiele bzw. Poker und Casino-Spiele.<br />

Tab. 38: Online-Spiele: Zwei Spiele kombiniert<br />

Online-Spiele: Zwei unterschiedliche Spiele (n=13)<br />

105<br />

Häufigkeit Prozent<br />

Poker und Geschicklichkeitsspiele a 3 23,1<br />

Poker und Sportwetten 3 23,1<br />

Lotto und Casino 2 15,4<br />

Sportwetten und Casino 1 7,7<br />

Geschicklichkeitsspiele a u. Spiele ohne Geldeinsatz 1 7,7<br />

Poker und Casino 1 7,7<br />

Geschicklichkeitsspiele a und Rollenspiele a 1 7,7<br />

Sportwetten und Backgammon a 1 7,7<br />

a.<br />

Aus den Befragungsunterlagen ging nicht hervor, ob es sich um kostenpflichtige oder<br />

kostenlose Spiele handelt.<br />

Quelle: Eigene Berechnungen / Fragebogen Forschungsstelle.<br />

Fünf weitere Personen hatten je drei unterschiedliche Online-Spiele gespielt. Alle fünf<br />

Personen nahmen an Online-Poker teil. Zwei Personen gaben an, Poker, Sportwetten und<br />

Casino-Spiele online zu spielen.<br />

Tab. 39: Online-Spiele: Drei unterschiedliche Spiele kombiniert<br />

Online-Spiele: Drei unterschiedliche Spiele (n=5)<br />

Häufigkeit Prozent<br />

Poker und Sportwetten & Casino 2 40<br />

Poker und Geschicklichkeitsspiele a & Shooter Games a 1 20<br />

Poker und Geschicklichkeitsspiele a & Adventure- und Sportspiele a 1 20<br />

Poker und Geschicklichkeitsspiele a & Casino 1 20<br />

a. Aus den Befragungsunterlagen ging nicht hervor, ob es sich um kostenpflichtige<br />

oder kostenlose Spiele handelt.<br />

Quelle: Eigene Berechnungen / Fragebogen Forschungsstelle.


Lediglich eine Person gab an, an vier Online-Spielen teilegenommen zu haben: Sportwetten,<br />

Geschicklichkeitsspiele, Casino sowie Facebook-Spiele.<br />

Die Teilnehmer der Fokusgruppe sahen den Reiz von Online-Spielen in der Anonymität („gut,<br />

um sich zu verstecken“). Die meisten von ihnen lehnten sie dennoch für sich selbst ab („hab<br />

so schon genug Probleme ohne online“).<br />

106


7 Früherkennung von Glücksspielsucht<br />

7.1 Risikofaktoren und prädisponierende Faktoren<br />

Meyer beschreibt die <strong>Entwicklung</strong> <strong>pathologischen</strong> <strong>Spielverhaltens</strong> als ein komplexes System,<br />

dem unterschiedlichste Einflussgrößen zugrunde liegen. 197 Mehrere Studien haben sich bereits<br />

mit den Unterschieden von Problemspielern und Nichtproblemspielern beschäftigt, um<br />

eventuelle prädisponierende Faktoren auszuweisen und somit eine Erkennung von<br />

Glücksspielsucht in einem frühen Stadium zu ermöglichen.<br />

Die Entstehung von Süchten ist nach dem Drei-Faktoren-Modell der Suchtentwicklung eine<br />

Kombination aus möglichen Faktoren des Menschen, den Begleitfaktoren des Mittels und den<br />

Faktoren des Milieus. 198 Abbildung 9 zeigt das Modell in Bezug auf süchtiges Spielverhalten.<br />

Abb. 9: Modell der Entstehung süchtigen <strong>Spielverhaltens</strong><br />

Quelle: Meyer, G. und M. Bachmann (2000).<br />

197 Meyer, G.; Bachmann, M. (2000), Spielsucht – Ursachen und Therapie, S. 60<br />

198 Suchthilfe Wetzlar e. V. (2009), Suchtentstehung,<br />

(http://www.suchthilfe-wetzlar.de/hp-dateien/sucht_entstehung.htm).<br />

107


Im Folgenden werden die am häufigsten diskutierten möglichen Einflussfaktoren aufgezeigt,<br />

wobei auf die Merkmale des Individuums und der Umwelt eingegangen wird (Merkmale des<br />

Glücksspiels siehe Kapitel 6). Zu berücksichtigen ist, dass eine allgemeingültige Aussage<br />

nicht gemacht werden kann und sich im Einzelfall die Bedingungen in unterschiedlichem<br />

Ausmaß und unterschiedlicher Kombination auswirken und zu einem <strong>pathologischen</strong><br />

Spielverhalten führen kann. 199<br />

7.2 Merkmale des Individuums<br />

Persönlichkeit<br />

Viele empirische Untersuchungen hatten bereits das Ziel, spezifische Persönlichkeitseigenschaften<br />

bei <strong>pathologischen</strong> Spielern zu erfassen. Nach Mayer et al. lassen sich vor<br />

allem „zwischen der Teilnahme an Glücksspielen und den Persönlichkeitsmerkmalen<br />

Reizsuche/Sensationslust, Risikobereitschaft, externale Kontrollüberzeugungen sowie<br />

Impulsivität/Impulskontrolle“ signifikante Zusammenhänge feststellen. 200<br />

Zuckerman definiert Sensation Seeking (Sensationslust) als ein Persönlichkeitsmerkmal.<br />

Dieses Merkmal beschreibt die Suche nach neuen Erlebnissen, vielseitigen und intensiven<br />

Erfahrungen und Reizen, sowie die Bereitschaft Risiken dafür in Kauf zu nehmen. Er vertritt<br />

dabei die Meinung, dass pathologische Spieler quasi der Prototyp der Sensation Seekers<br />

sind. 201<br />

Apter beschreibt das Verlangen des Menschen nach Sensation oder Erregung, indem er das<br />

Verhältnis zwischen Angst und Aufregung, sowie Entspannung und Langweile aufzeigt.<br />

Abbildung 10 stellt die Beziehung zwischen den empfundenen Emotionen und dem<br />

Erregungsgrad dar.<br />

199 Meyer, G.; Bachmann, M. (2000), Spielsucht – Ursachen und Therapie, S. 60.<br />

200 Meyer, G.; Bachmann, M. (2000), Spielsucht – Ursachen und Therapie, S. 70.<br />

201 Zuckerman (1994), nach Hesselbarth, U. (2009), Pathologisches Glücksspiel- Vorkommen und<br />

psychosoziale Einflussfaktoren, S. 16.<br />

108


Abb. 10: Beziehung zwischen Erregung und Emotionen 202<br />

Quelle: Apter, M. (1994).<br />

Sowohl Aufregung im positiven Sinne, als auch Angst gehen einher mit einer starken<br />

Erregung. Die Intensität der Erregung ist demnach nicht für den Unterschied zwischen den<br />

beiden Emotionen verantwortlich, vielmehr muss es einen qualitativen Unterschied geben.<br />

Genauso verhält es sich mit der angenehm empfundenen Entspannung und der unangenehmen<br />

Langeweile, bei der in diesem Fall der Grad der Erregung bei beiden Emotionen sehr schwach<br />

ist. Abbildung 10 stellt diesen konträren Zusammenhang grafisch dar. Bei der einen Linie<br />

(gestrichelt) wird die steigende Erregung von der Langeweile zur Aufregung als angenehm<br />

empfunden, während bei der zweiten Linie das Gegenteil der Fall ist. Die steigende Erregung,<br />

von der Entspannung zur Angst, wird immer unangenehmer. Basierend auf dieser Theorie der<br />

konträren Formen des Erlebens von Erregung erklären sich auch die individuellen<br />

Bedürfnisse, welche sich mit der Suche nach Aufregung oder Nervenkitzel beziehungsweise<br />

mit der Vermeidung von Angst beschreiben lassen. 203<br />

Meyer et al. vermuten, dass der Spieler während des Glücksspiels schnell zwischen den<br />

Zuständen positive Aufregung und Angstgefühl hin und herwechselt. In der Verlustphase, die<br />

mit Angst verbunden ist, kann die Erwartung des Gewinns die Situation bestimmen und somit<br />

die Anspannung in Erregung umwandeln. 204 Die Ergebnisse aus verschiedenen empirischen<br />

202 Apter, M. (1994), Im Rausch der Gefahr, S. 36.<br />

203 Apter, M. (1994), Im Rausch der Gefahr, S. 38.<br />

204 Meyer, G.; Bachmann, M. (2000), Spielsucht – Ursachen und Therapie, S. 71.<br />

109


Studien können diese Vermutung jedoch nicht bestätigen und es lässt sich auch schwer<br />

festlegen, ob Sensationslust und pathologisches Spielverhalten positiv oder negativ korreliert<br />

sind. Tabelle 40 zeigt die Ergebnisse einiger Untersuchungen zum Thema Sensation Seeking<br />

und Glücksspielverhalten.<br />

Tab. 40: Verschiedene empirische Studien über den Vergleich pathologischer Spieler mit Kontrollgruppen<br />

hinsichtlich ihrer Sensationslust<br />

Quelle: Hammelstein, P. (2003).<br />

Bis auf eine Untersuchung wurden alle oben aufgeführten Studien unter Verwendung des<br />

Sensation Seeking Scale, einem Instrument zur Messung der Sensationslust, durchgeführt.<br />

Auffallend ist, dass die meisten Studien zu signifikanten Ergebnissen kommen, die dafür<br />

sprechen, dass pathologische Spieler Low Sensation Seeker sind und demnach nicht auf der<br />

Suche nach Aufregung und Nervenkitzel sind. Blanco et al. weisen jedoch darauf hin, dass<br />

dies dem klinischen Eindruck als auch biopsychologischen Untersuchungen widerspricht. 205<br />

205 Blanco, O.; Blanco-Jerez, S. (1996) nach Hesselbarth, U. (2009), Pathologisches Glücksspiel-Vorkommen<br />

und psychosoziale Einflussfaktoren, S. 17.<br />

110


Auch Hammelstein vertritt die Meinung, dass es falsch wäre, anhand der obigen Ergebnisse,<br />

bei <strong>pathologischen</strong> Spielern davon auszugehen, dass diese Low Sensation Seeker sind.<br />

Vielmehr ist es notwendig, die Validität des Messinstruments SSS-V im Bereich der<br />

Forschung <strong>pathologischen</strong> <strong>Spielverhaltens</strong> zu prüfen. 206 Deditius-Island et al. kamen in einer<br />

Untersuchung des Sensation Seeking Score von Zuckerman zu dem Ergebnis, dass die<br />

Reliabilität nicht gewährleistet ist. 207<br />

Ein hochsignifikantes Ergebnis mit positiver Korrelation zwischen der Sensationslust und<br />

pathologischem Spielverhalten liefert die Studie von Kim und Grant aus dem Jahr 2001. Das<br />

hierfür gewählte Instrument ist der Tridimensional Personality Questionnaire.<br />

Abschließend lässt sich sagen, dass es derzeit noch nicht möglich ist, eine wissenschaftlich<br />

fundierte Aussage zur Korrelation zwischen Sensation Seeking und pathologischem Spielverhalten<br />

zu treffen. Es ist notwendig, ein Messinstrument zu verwenden, das objektiv,<br />

reliabel, valide und auf den Forschungsbereich des <strong>pathologischen</strong> <strong>Spielverhaltens</strong><br />

abgestimmt ist. Dabei sollten auch die verschiedenen Typen von Spielern berücksichtigt<br />

werden, um eventuelle Zusammenhänge zwischen dem Spielverhalten bestimmter<br />

Spielertypen und dem Sensation Seeking festzustellen (siehe Sensation Seeking auch in<br />

Kapitel 11.2).<br />

Das Risikoverhalten und die Risikobereitschaft sind verwandt zur Sensationslust.<br />

Glücksspiele stellen eine klassische Risikosituation dar. 208 Ihr Ausgang geht mit einer<br />

bestimmten Wahrscheinlichkeit mit einem Schaden oder Verlust einher. Wie die empirischen<br />

Befunde zum Sensation Seeking sind aber auch die zum Risikoverhalten bei <strong>pathologischen</strong><br />

Spielern inkonsistent (siehe Kapitel 11.1). 209<br />

Menschen mit einer externalen Kontrollüberzeugung vertreten den Standpunkt, dass ihre<br />

Lebenssituation durch äußere Einflüsse bestimmt wird. 210 Das Glücksspiel kommt eher<br />

Menschen entgegen, die eine solche externale Kontrollüberzeugung haben und Einflüsse oder<br />

206<br />

Hammelstein, P. (2003), Faites vos jeux! Another look at sensation seeking and pathological gambling,<br />

S. 927.<br />

207<br />

Deditius-Island, H. K.; Caruso, J. C. (2002), An Examination on the Reliability of Scores from Zuckerman`s<br />

Sensation Seeking Scales, Form V, in: Educational and Psychological Measurement 2002, S. 728- 734<br />

208<br />

Meyer, G.; Bachmann, M. (2000), Spielsucht – Ursachen und Therapie, S. 72.<br />

209<br />

Meyer, G.; Bachmann, M. (2000), Spielsucht – Ursachen und Therapie, S. 71.<br />

210<br />

Dietz, F. (2008), Psychologie 3 – Medizinische Soziologie, S. 14.<br />

111


Kräfte wie Glück, Zufall oder Schicksal für bestimmte Situationen verantwortlich machen. 211<br />

Oftmals entwickeln Spieler abergläubische Verhaltensweisen und versuchen dadurch ihre<br />

Wahrnehmung der Kontrolle über ein Glücksspiel zu erhöhen. 212 Auch hier sind jedoch die<br />

Ergebnisse empirischer Studien in Bezug auf pathologisches Spielverhalten inkonsistent<br />

(siehe auch Kapitel 11.4). 213<br />

Carlton et al. untersuchten 1994 die Impulsivität bei <strong>pathologischen</strong> Spielern. Bei dieser<br />

Studie wurden 12 Männer rekrutiert. Diese gaben an, übermäßig gespielt zu haben und<br />

Mitglied bei den Anonymen Spielern zu sein. Keiner der 12 Männer spielte noch zum<br />

Zeitpunkt der Befragung. In der Kontrollgruppe befanden sich 15 Männer, die noch nie<br />

gespielt hatten. 214<br />

Tab. 41: Durchschnittswerte (und Standardabweichungen) der Kontrollgruppe und der Spieler<br />

Age-Corrected Means (and SEM) for Controls and Gamblers<br />

Barrat Subscales<br />

Controls (n=15) Gamblers (n=12)<br />

Cognitive response speed 1.96 (0.24) 2.24 (0.27)<br />

Impulsivity 3.72 (0.58) 6.01 (0.65)*<br />

Adventure Seeking 4.84 (0.34) 4.29 (0.39)<br />

Risk taking 2.24 (0.28) 2.37 (0.31)<br />

Quelle: Carlton, P. L.; Manowitz, P. (1994).<br />

Tabelle 41 zeigt die bei der Untersuchung herangezogenen trennenden Variablen zwischen<br />

den Spielern und der Kontrollgruppe. Die Ergebnisse zeigen, dass die Variable „Impulsivity“<br />

die größte diskriminatorische Bedeutung hat und ein signifikantes Niveau besitzt und bestätigt<br />

somit einen Zusammenhang zwischen dem Spielverhalten und der Impulsivität. 215 Eine<br />

Langzeitstudie von Vitaro et al., bei der die Anzahl der Probanden bei 754 lag, stellt ebenfalls<br />

eine positive Korrelation zwischen der Häufigkeit des Spielens und der Impulsivität fest. 216<br />

211 Meyer, G.; Bachmann, M. (2000), Spielsucht – Ursachen und Therapie, S. 72.<br />

212 Häfeli, J.; Schneider, C. (2005), Identifikation von Problemspielern im Kasino, S. 57.<br />

213 Meyer, G.; Bachmann, M. (2000), Spielsucht – Ursachen und Therapie, S. 72.<br />

214 Carlton, P. L.; Manowitz, P. (1994), Factors Determining the Severity of Pathological Gambling in Males, in<br />

Journal of Gambling Studies, S. 148.<br />

215 Carlton, P. L.; Manowitz, P. (1994), Factors Determining the Severity of Pathological Gambling in Males, in<br />

Journal of Gambling Studies, S. 151.<br />

216 Vitaro, F.; Arsenault, L.; Tremblay, R. E. (1997), Dispositional Predictors of Problem Gambling in Male<br />

Adolescents, in: American Journal of Psychiatry, S. 1769 f.<br />

112


Genetische Bedingungen<br />

Personen mit substanzbezogenen Süchten, wie Drogenmissbrauch oder schwerem<br />

Alkoholismus, verfügen über eine Variante (D2A1) des menschlichen DRD2-Gens. Comings<br />

et al. (1996) beschäftigten sich in einer genetischen Untersuchung mit der Fragestellung, ob<br />

pathologische Glücksspieler ebenfalls über diese Variante des Dopamin-D2-Rezeptor-Gens<br />

verfügen. Hierfür wurde den Probanden eine Blutprobe entnommen und zusätzlich sollten<br />

diese einen Fragebogen zur Feststellung des <strong>Spielverhaltens</strong> ausfüllen. 50,9 % der<br />

<strong>pathologischen</strong> Spieler wiesen die Variante D2A1 auf. In der Kontrollgruppe verfügten<br />

lediglich 25,9 % über dieses Gen. Lag ein komorbider Substanzmissbrauch vor, stieg der<br />

Prozentsatz auf 60,5 % an. Unter den Probanden mit einem stärker ausgeprägten<br />

<strong>pathologischen</strong> Spielverhalten wurde zu 63,8 % die Variante D2A1 festgestellt. 217<br />

Diese Ergebnisse deuten daraufhin, dass die genetische Variante des DRD2-Gens eine<br />

bedeutende Rolle bei der Erklärung von pathologischem Spielverhalten einnimmt. Das D2A1-<br />

Gen ist bei Süchtigen signifikant häufiger zu finden als in der Normalbevölkerung. Meyer et<br />

al. vertreten die Auffassung, „dass die genetische Variante über Änderungen in der Funktionsweise<br />

des dopaminergen Belohnungssystems das Risiko erhöht, ein impulsives und süchtiges<br />

Verhalten […] zu entwickeln.“ 218<br />

Eisen et. al (1998) stellten in einer Zwillingsstudie ebenfalls fest, dass die genetische<br />

Veranlagung einen großen Einfluss auf das Suchtverhalten hat. Die Befragung der<br />

Zwillingspaare lieferte das Ergebnis, dass pathologisches Spielverhalten zu etwa 50 % auf die<br />

Genetik der Probanden zurückzuführen ist. 219 Xian et. al bestätigen 2007 die Ergebnisse von<br />

Eisen et. al und geben aus eigenen Untersuchungen an, dass zu 49 % genetische Faktoren die<br />

<strong>Entwicklung</strong> <strong>pathologischen</strong> <strong>Spielverhaltens</strong> ausmachen. 220<br />

Diese Erkenntnisse zum genetischen Einfluss auf die <strong>Entwicklung</strong> <strong>pathologischen</strong> <strong>Spielverhaltens</strong><br />

sprechen für eine Einleitung gezielter sekundärer Präventionsmaßnahmen bei<br />

risikobehafteten Gruppen.<br />

217<br />

Comings, D. E. et al. (1996), A study of the dopamine D2 receptor gene in pathological gambling, in:<br />

Pharmacogenetics, S. 223.<br />

218<br />

Meyer, G.; Bachmann, M. (2000), Spielsucht – Ursachen und Therapie, S. 76.<br />

219<br />

Eisen, S. A. et al. (1998), Familial influences on gambling behavior, in: Addiction, S. 1375.<br />

220<br />

Xian, H. et al. (2007), Genetic and Environmental Contributions to Pathological Gambling Symptoms in a<br />

10-Year Follow-Up, in: Twin Research and Human Genetics, S. 174.<br />

113


Geschlecht<br />

Verschiedene repräsentative Studien zeigen, dass eine Korrelation zwischen dem Geschlecht<br />

und der Häufigkeit der Teilnahme an Glücksspielen besteht. Männer spielen in der Regel<br />

häufiger als Frauen. In einer Repräsentativstudie von Bühringer et al. von 1985 wurden unter<br />

anderem die Charakteristika von Spielern an Geldspielgeräten in Spielhallen untersucht. Für<br />

die Befragung wurden 204 Aufstellorte unter Berücksichtigung der Sozialstruktur ausgewählt<br />

und zu festgelegten Zeiten alle Personen, die an den Automaten spielten, um ein Interview<br />

gebeten 221 . Die Gesamtstichprobe bestand aus n=717 Teilnehmern. Tabelle 42 zeigt die<br />

Verteilung der Spieldauer pro Woche in Abhängigkeit vom Geschlecht 222 .<br />

Tab. 42: Geschlecht und Verteilung der Spieldauer pro Woche<br />

Gesamt Seltenspieler Gelegenheitsspieler<br />

(≤ 60 min) (61- < 300 min)<br />

N % n % n %<br />

114<br />

Vielspieler<br />

(≥ 300 min)<br />

n %<br />

Männer 658 91,8 227 34,5 210 31,9 221 33,6<br />

Frauen 59 8,2 32 54,2 10 16,9 17 28,8<br />

Gesamt 717 100 259 36,1 220 30,7 238 33,2<br />

Quelle: Bühringer, G.; Türk, D. (2000).<br />

Der hohe Anteil an Männern in der Stichprobe bestätigt den Zusammenhang zwischen der<br />

Teilnahme am Glücksspiel und dem Geschlecht. Auch lässt sich aus dieser Studie ableiten,<br />

dass Männer intensiver spielen als Frauen. Während mehr als die Hälfte der befragten Frauen<br />

angab selten zu spielen, also maximal 60 Minuten pro Woche, waren es bei den Männern nur<br />

34,5 %. Der Unterschied bei den Vielspielern fällt zwar geringer aus, aber auch da zeigt sich,<br />

dass Männer tendenziell häufiger spielen.<br />

Im Land Berlin wurden 2004 in Suchthilfeeinrichtungen 217 Zugänge mit der Diagnose<br />

„pathologisches Spielverhalten“ verzeichnet. Der Anteil der Frauen machte wie schon im<br />

Vorjahr lediglich 11 % aus. 223 Bundesweit wurden 2006 in ambulanten Einrichtungen bei<br />

2.918 Personen „pathologisches Spielverhalten“ diagnostiziert. Auch hier machten Frauen in<br />

221 Bühringer, G.; Türk, D. (2000), Geldspielautomaten: Freizeitvergnügen oder Krankheitsverursacher?, S. 99 f.<br />

222 Bühringer, G.; Türk, D. (2000), Geldspielautomaten: Freizeitvergnügen oder Krankheitsverursacher?, S. 102.<br />

223 Hellwich, A. K., Bauer, C.; Sonntag, D. (2006), Suchthilfestatistik 2005- Bericht zur aktuellen Situation und<br />

den Aktivitäten der ambulanten Suchthilfeeinrichtungen des Landes Berlin, S. 55.


den neuen Bundesländern nur 11,21 % und in den alten Bundesländern 11,74 % aus. 224<br />

Die tatsächliche Zahl der <strong>pathologischen</strong> Spielerinnen liegt nach Meyer und Bachmann<br />

wahrscheinlich weitaus höher und die geringe Nachfrage nach Therapiemöglichkeiten könnte<br />

der „Ausdruck einer stärkeren Stigmatisierung weiblicher Spieler“ sein. 225<br />

Alter<br />

Aus der bereits oben erwähnten Studie von Bühringer et al. ergab sich für Spieler an<br />

Geldspielgeräten in Spielhallen ein Durchschnittsalter von 31 Jahren mit einer Standardabweichung<br />

von 11,63. 226 Die Altersspanne verlief von 17 bis 76 Jahren. Tabelle 43 zeigt die<br />

Altersverteilung der Stichprobe. 227<br />

Tab. 43: Altersverteilung (Missing: 7)<br />

Gesamt<br />

Alter<br />

N %<br />

< 18 9 1,3<br />

18-25 264 37,2<br />

26-40 277 39,0<br />

41-60 129 18,2<br />

> 60 31 4,4<br />

Quelle: Bühringer, G.; Türk, D. (2000).<br />

Die Verteilung zeigt, dass 69,2 % der Spieler im Alter zwischen 18 und 40 sind. Bei den<br />

Vielspielern sind sogar 78,1 % zwischen 18 und 40 Jahren alt. Eine Längsschnittstudie von<br />

1992 stellte bei Spielern in Spielhallen ein Durchschnittsalter von 27 Jahren fest, wobei die<br />

Personen aus den neuen Bundesländern etwas älter waren als die aus den alten Bundesländern.<br />

228 Demnach spielen in Deutschland hauptsächlich junge Menschen an Glücksspielautomaten.<br />

Auffällig ist aber auch ein relativ hoher Anteil an wöchentlich spielenden<br />

Rentnern im Automaten- und Kasinobereich, der rund 22 % beträgt. 229<br />

224 Meyer, G. (2008), Glücksspiel – Zahlen und Fakten, in Sucht 08, S. 129.<br />

225 Meyer, G.; Bachmann, M. (2000), Spielsucht – Ursachen und Therapie, S. 78.<br />

226 Bühringer, G.; Türk, D. (2000), Geldspielautomaten: Freizeitvergnügen oder Krankheitsverursacher, S. 101.<br />

227 Bühringer, G.; Türk, D. (2000), Geldspielautomaten: Freizeitvergnügen oder Krankheitsverursacher, S. 102.<br />

228 Bühringer, G.; Türk, D. (2000), Geldspielautomaten: Freizeitvergnügen oder Krankheitsverursacher, S. 147.<br />

229 Häfeli, J.; Schneider, C. (2005), Identifikation von Problemspielern im Kasino, S. 67.<br />

115


Bildung<br />

Spieler im Bereich der Lotterien oder auch im Kasino lassen sich über alle Bildungsschichten<br />

hinweg finden. Statistisch gesehen sind jedoch Personen mit niedrigerem Bildungsgrad<br />

häufiger anzutreffen. 230 In der EBIS-Statistik von 1996 wurden verschiedene Merkmale<br />

ambulant behandelter Personen mit der Diagnose „pathologisches Spielverhalten“ erhoben. 231<br />

Die Stichprobengröße war n=751 für die gesamte Bundesrepublik. Tabelle 43 und 44<br />

beschreiben die Ergebnisse zu den Merkmalen Schulbildung und Berufsausbildung in den<br />

alten Bundesländern.<br />

Tab. 44: Schulbildung (Angaben in %)<br />

West<br />

Männer Frauen<br />

in Ausbildung 0,7 0,0<br />

kein Schulabschluss 4,6 2,8<br />

Sonderschulabschluss 4,1 8,3<br />

Hauptschulabschluss 56,7 72,2<br />

Mittlere Reife 21,8 8,3<br />

Polytechnische Oberschule 1,4 0,0<br />

Fachhochschulreife 4,4 0,0<br />

Allgemeine Hochschulreife 6,4 8,3<br />

Gesamt 100,0 100,0<br />

Quelle: Bühringer, G.; Türk, D. (2000).<br />

Tab. 45: Berufsausbildung (Angaben in %)<br />

116<br />

West<br />

Männer Frauen<br />

in Ausbildung 4,6 0,0<br />

keine Ausbildung begonnen 6,5 16,2<br />

keine Ausbildung abgeschlossen 19,1 13,5<br />

abgeschl. betriebliche Ausbildung 66,4 64,9<br />

abgeschl. akademische Ausbildung 3,4 5,4<br />

Gesamt 100,0 100,0<br />

Quelle: Bühringer, G.; Türk, D. (2000).<br />

230 Häfeli, J.; Schneider, C. (2005), Identifikation von Problemspielern im Kasino, S. 66.<br />

231 Bühringer, G.; Türk, D. (2000), Geldspielautomaten: Freizeitvergnügen oder Krankheitsverursacher, S. 187.


Die meisten <strong>pathologischen</strong> Spieler, 78,5% der Männer und 80,5% der Frauen haben den<br />

Hauptschulabschluss oder die Mittlere Reife. Lediglich 6,4% der Männer und 8,3% der<br />

Frauen im Westen haben die Allgemeine Hochschulreife erreicht. 232 Knapp zwei Drittel der<br />

männlichen Befragten in Westdeutschland haben eine abgeschlossene betriebliche<br />

Ausbildung. Bei den Frauen sind es fast 65%. Es scheinen Personen mit geringerer<br />

schulischer Bildung ein höheres Risiko für die <strong>Entwicklung</strong> <strong>eines</strong> problematischen<br />

<strong>Spielverhaltens</strong> zu tragen. Eine weitere Studie, bei der 500 Personen rekrutiert wurden, kam<br />

zu ähnlichen Ergebnissen. 233 Die Probanden wurden nach ihrer Befragung in die Kategorien<br />

„Nichtsüchtige“, „subklinische Glücksspieler“ und „pathologische Glücksspieler“ untergeordnet.<br />

Die Gruppe der „Nichtsüchtigen“ erfasst alle Personen, die kein Kriterium für<br />

pathologisches Glücksspielen nach DSM-IV erfüllen (DSM-IV wird an späterer Stelle näher<br />

erläutert). Zu den „subklinischen Glücksspielern“ zählen die Probanden, die ein bis vier der<br />

zehn möglichen Kriterien mit Ja beantwortet haben und die dritte Gruppe enthält die<br />

„<strong>pathologischen</strong> Spieler“, auf welche mindestens fünf Kriterien zutreffen. 234 In Bezug auf den<br />

Bildungsabschluss ist man zu folgenden Ergebnissen gekommen:<br />

Bildungsabschluss<br />

Tab. 46: Bildungsabschluss im Gruppenvergleich<br />

Nichtsüchtige<br />

117<br />

Subklinische<br />

Glücksspieler<br />

Pathologische<br />

Glücksspieler<br />

kein Abschluss 5,4 % 2,1 % 8,8 %<br />

Sonderschulabschluss 0,4 % 5,6 % 5,0 %<br />

Volks- oder Hauptschulabschluss 8,7 % 21,0 % 25,0 %<br />

Realschulabschluss 40,6 % 39,9 % 41,5 %<br />

Allgemeine Hochschulreife 30,4 % 15,4 % 7,5 %<br />

Akademischer Abschluss 14,5 % 16,1 % 6,3 %<br />

ohne Angabe 0,004 % - -<br />

Quelle: Hesselbarth, U. (2009).<br />

In der Gruppe der <strong>pathologischen</strong> Glücksspieler befanden sich prozentual mehr Personen<br />

ohne schulischen Abschluss, mit einem Sonderschulabschluss oder einem Hauptschulabschluss<br />

als in der Gruppe der Nichtsüchtigen. Auf der anderen Seite waren es weniger<br />

232<br />

Bühringer, G.; Türk, D. (2000), Geldspielautomaten: Freizeitvergnügen oder Krankheitsverursacher, S. 189.<br />

233<br />

Hesselbarth, U. (2009), Pathologisches Glücksspiel – Vorkommen und psychosoziale Einflussfaktoren,<br />

S. 34.<br />

234<br />

Hesselbarth, U. (2009), Pathologisches Glücksspiel – Vorkommen und psychosoziale Einflussfaktoren,<br />

S. 27.


pathologische Spieler im Vergleich zu den Nichtsüchtigen, die angaben, einen höheren<br />

Bildungsabschluss erreicht zu haben.<br />

Mehrere Studien haben gezeigt, dass ein niedriger sozioökonomischer Status, kleinere<br />

Einkommen und Arbeitslosigkeit signifikant mit pathologischer Spielsucht korrelieren. Nach<br />

Häfeli et al. (2005) weisen Personen mit niedrigerem sozioökonomischen Status häufiger<br />

pathologische Symptome auf als Personen die genau so häufig spielen, aber einen höheren<br />

Status haben. Dies lässt sich dadurch erklären, dass ein höherer sozioökonomischer Status mit<br />

einem höheren Einkommen einhergeht und Spielverluste besser abgefedert werden können. 235<br />

Ethnischer Hintergrund<br />

Der Zusammenhang zwischen ethnischem Hintergrund und pathologischem Glücksspiel ist<br />

bislang kaum untersucht; die vorhandenen Informationen haben den Charakter von<br />

Erfahrungsberichten und sind daher nicht (bundesweit) repräsentativ.<br />

Mitarbeiter des schweizerischen Büros für Arbeits- und Sozialpolitische Studien befragten<br />

Leiter und Mitarbeiter in Suchtberatungsstellen, psychiatrischen Einrichtungen,<br />

Selbsthilfegruppen und Schuldnerberatungen zu diesem Thema. 236 Die Experten vertraten<br />

unterschiedliche Auffassungen. So hielt einer der Befragten das Migrationsmilieu 237 für<br />

„spielsuchtfördernd. Dies hat mit den hohen Erwartungen an die Migration zu tun, welche oft<br />

enttäuscht werden. Dadurch entsteht die Sehnsucht nach zufälligem Reichtum.“ Andere<br />

vertraten die Meinung, es gäbe „in der Glücksspielsuchtberatung nicht mehr Ausländer als in<br />

Beratungen der öffentlichen Dienste für andere Suchtprobleme.“ Mehrfach erwähnt wurde die<br />

„eigene Kultur des Glücksspiels“ im asiatischen Raum. Da Glücksspiel in diesem Kulturraum<br />

zum Alltag gehöre, kämen Angehörige dieser Ethnien nicht in die Beratungsstellen. Andere<br />

machten den Zusammenhang zum Glücksspiel eher an der Zugehörigkeit zu einer bestimmten<br />

(niedrigeren) sozialen Schicht fest („betroffen von Suchtproblemen sind eher tiefere soziale<br />

Schichten von Migrant/innen“); auch Traumata – etwa Kriegserfahrungen im ehemaligen<br />

Jugoslawien – wurden als Auslöser für pathologisches Spielen wahrgenommen. Als weiterer<br />

Grund wurde – insbesondere bei Migranten der zweiten Generation – auf Schwierigkeiten<br />

während der Adoleszenz verwiesen.<br />

235<br />

Häfeli, J.; Schneider, C. (2005), Identifikation von Problemspielern im Kasino, S. 66<br />

236<br />

Künzi, K. et al.: „Glücksspiel und Spielsucht in der Schweiz – Empirische Untersuchung von Spielpraxis,<br />

<strong>Entwicklung</strong>, Sucht und Konsequenzen“, 2004.<br />

237<br />

Als Migranten gelten Personen, die selbst oder bei denen mindestens ein Elternteil im Ausland geboren<br />

wurde.<br />

118


Als besondere Hemmschwelle für das Aufsuchen von Beratungsstellen für diese<br />

Bevölkerungsteile nannten die Befragten Sprachprobleme, die alternative Inanspruchnahme<br />

<strong>eines</strong> funktionierenden sozialen Netzes (als Ersatz für eine fachliche Beratung) sowie eine<br />

andere Sichtweise und Bewertung des Glücksspiels (Stichwort asiatischer Raum) und der<br />

eigenen Verantwortung: In einigen Kulturkreisen wird Sucht nicht als Krankheit, sondern als<br />

moralisches Fehlverhalten wahrgenommen.<br />

Wolfgang Bensel von der Psychosomatischen Fachklinik Münchwies im Saarland, der sich<br />

seit Mitte der 80er-Jahre auf die Behandlung pathologischer Glücksspieler spezialisiert hat,<br />

berichtet von einer überproportionalen Präsenz nichtdeutscher, insbesondere türkischer,<br />

Beratungssuchender in der Klinik. Das Verständnis „orientalischer“ Gesellschaften von der<br />

Beziehung zwischen Individuum und Gesellschaft, ein patriarchalisches Rollenmuster, die<br />

Bewertung von Ehre, Stolz und Scham sowie religiöse Werte erforderten vom Therapeuten<br />

spezielle Interventionen. Für einige seiner Patienten sei es auch „unvorstellbar, schambesetzte<br />

und selbstwert-verletzende Themen mit einer Frau zu erörtern“. 238<br />

Erfahrungen aus der Therapie von stoffabhängigen Suchtkranken haben gezeigt, dass das<br />

deutsche Suchthilfesystem mit seiner Unterteilung in Prävention, Beratung sowie<br />

medizinisch-therapeutische Behandlung sich nicht allen Menschen mit Migrationshintergrund<br />

erschließt. Insbesondere in den GUS-Staaten ist das Konzept ärztlicher Schweigepflicht oder<br />

kostenfreier Beratungen unbekannt. Im türkischen Kulturkreis kann es vorkommen, dass<br />

Jugendliche zur Lösung ihrer Suchtprobleme in das Heimatland der Eltern „verschickt“ und,<br />

falls dieser Ansatz nicht fruchtet, verstoßen werden. 239<br />

Die Rheinischen Kliniken Bonn machten durch intensive (zweisprachige) Öffentlichkeitsarbeit<br />

auf ihre Aktivitäten in der Suchthilfe aufmerksam und erfuhren dadurch stetigen<br />

Zuwachs. 2008 wurden 247 Patienten behandelt, vor allem wegen Alkohol und Nikotin, aber<br />

auch Spielsucht, THC und vereinzelt Medikamentenabhängigkeit. Rund 5,7 bis 8,6 Prozent<br />

der Mitglieder in der Patientengruppe waren von Spielsucht betroffen. Die Therapeuten<br />

beobachteten „eine Suchtverlagerung hin zur Spielsucht. Viele der Spielsüchtigen sind<br />

arbeitslos und kompensieren in der Sucht den Verlust von sozialem Status und<br />

wirtschaftlichen Möglichkeiten.“ Das im Februar 2008 aufgenommene Gruppenangebot an<br />

238 Bensel, W. (2006), Implizite Krankheitsvorstellung türkischer Glücksspieler,<br />

(http://www.gluecksspielsucht.de/materialien/handout2006/1_Bensel_Migration.pdf).<br />

239 Banger, M. et al. (2008), Jahresbericht 2007. Interkulturelle Ambulanz in den Rheinischen Kliniken Bonn.<br />

119


türkischsprachige Spieler wurde nach sechs Monaten zugunsten von Einzelgesprächen wieder<br />

eingestellt. Diese Maßnahme wurde mit „der kulturell bedingten Scham“ begründet, „die eine<br />

offene Therapierunde weniger effektiv macht“ und zu einer hohen Fluktuation führte. 240<br />

Komorbiditäten<br />

Auch die Komorbiditäten gehören zu den Merkmalen des Individuums. Sie wurden bereits in<br />

Kapitel 5.2 ausführlich behandelt.<br />

7.3 Merkmale der Umwelt<br />

Gesellschaftliche Faktoren<br />

Nach Meyer und Bachmann ist die Einstellung der Gesellschaft zum Glücksspiel von<br />

entscheidender Bedeutung. Das Streben nach Geld ist gesellschaftlich verankert und kommt<br />

dem Glücksspiel entgegen. 241 Das damit verknüpfte Risikoverhalten wird als normal<br />

angesehen. Geldspielautomaten werden offiziell nicht als Glücksspiel betrachtet und selbst<br />

wenn illegales Glücksspiel verboten ist, so wird dies nur selten strafrechtlich verfolgt. Die<br />

Auswirkungen des Glücksspiels werden zwar öffentlich diskutiert, aber auf der anderen Seite<br />

werden hochspekulative Geschäft an der Börse verherrlicht. 242 In hiesigen Kreisen stößt das<br />

Glücksspiel auf eine breite Akzeptanz und gilt lediglich als Freizeitvergnügen. 243 Eine<br />

Übertretung der Norm ist nur schwer festzumachen. 244<br />

Familiäre Beziehungen<br />

Nach Meyer et al. haben die familiären Strukturen einen vielseitigen Einfluss auf die<br />

Einstellung gegenüber Suchtmitteln. Oftmals kommt man durch die Familie erstmalig in<br />

Kontakt mit dem Glücksspiel. 245 Spieler berichten davon, dass sie als Kinder in Gaststätten<br />

von ihren Vätern Münzen erhalten haben, um sich am Spielautomaten zu beschäftigen. Bei<br />

einem Gewinn wurden sie auch noch besonders gelobt, womit ein falsches Verständnis für<br />

240<br />

Banger, M. et al. (2009), Jahresbericht 2008. Transkulturelle Institutsambulanz für Suchterkrankungen und<br />

Psychotherapie der LSV-Kliniken Bonn.<br />

241<br />

Meyer, G.; Bachmann, M. (2000), Spielsucht – Ursachen und Therapie, S. 80.<br />

242<br />

Meyer, G.; Bachmann, M. (2000), Spielsucht – Ursachen und Therapie, S. 81.<br />

243<br />

Meyer, G.; Bachmann, M. (2000), Spielsucht – Ursachen und Therapie, S. 80.<br />

244<br />

Schmid, C. (1994), Glücksspiel, S. 200.<br />

245<br />

Meyer, G.; Bachmann, M. (2000), Spielsucht – Ursachen und Therapie, S. 83.<br />

120


das Spiel gefördert wird. 246 Die Ursache für das Krankheitsgeschehen kann in der Familie<br />

liegen oder durch die Familie aufrechterhalten bleiben. 247 Familiäre Konflikte können sowohl<br />

Ursache als auch Folge des <strong>pathologischen</strong> <strong>Spielverhaltens</strong> sein.<br />

Nach Schmülling sind Familienangehörige und Partner zu tief in das Verhaltensmuster des<br />

<strong>pathologischen</strong> Spielers involviert, so dass sie selten den entscheidenden Impuls für eine<br />

Veränderung des Verhaltens erreichen können. 248 Die Familie verhält sich einerseits<br />

abgrenzend und auf der anderen Seite auch einnehmend. Die Probleme können zur Trennung<br />

führen – zum Verstoß des Spielsüchtigen – oder die Familie fester zusammenschweißen.<br />

Schmülling sieht hier einen Ansatz zur Behandlung. Sowohl das Verhalten des Spielers muss<br />

sich ändern, als auch „die Beziehungsstruktur, die mit der Aufrechterhaltung der Situation<br />

verknüpft ist, […] aufgebrochen werden“. 249 Dies kann in Form einer Familientherapie<br />

erfolgen.<br />

Angebot<br />

Die Verfügbarkeit und Zugänglichkeit von Glücksspielen ist positiv korreliert mit der Anzahl<br />

der Personen, die daran teilnehmen, und damit auch mit der Zahl derer, die ein<br />

problematisches Glücksspielverhalten entwickeln. 250 Nach Heyer sind die <strong>Entwicklung</strong>strends<br />

auf dem deutschen Glücksspielmarkt gekennzeichnet durch eine Expansion der<br />

kommerziellen Glücksspielangebote, einer zunehmenden Produktdifferenzierung und<br />

Erhöhung des Spielanreizes, einer zunehmenden gesellschaftlichen Akzeptanz des<br />

Glücksspiels und einer gezielten Zuschneidung von Glücksspielangeboten auf jugendliche<br />

Bedürfnisse. Glücksspiele wie Poker werden als Lifestyle-Produkte oder Sport vermarktet und<br />

im Fernsehen wird man mit einer Vielzahl von Gewinnspielen überflutet. 251 Dieser Trend<br />

fördert die Teilnahme am Glücksspiel und erhöht somit auch die Auftrittswahrscheinlichkeit<br />

<strong>pathologischen</strong> <strong>Spielverhaltens</strong>.<br />

246<br />

Meyer, G.; Bachmann, M. (2000), Spielsucht – Ursachen und Therapie, S. 257.<br />

247<br />

Meyer, G.; Bachmann, M. (2000), Spielsucht – Ursachen und Therapie, S. 256.<br />

248<br />

Schmülling, S. (2000), Spielsucht und Familienglück.<br />

249<br />

Schmülling, S. (2000), Spielsucht und Familienglück.<br />

250<br />

Sonntag, D. (2005), Risikofaktoren und Verlauf des problematischen Glücksspielverhaltens an<br />

Geldspielautomaten, S. 82 f.<br />

251<br />

Hayer, T. (2007), Glücksspielsucht – Grundlagen und aktuelle Forschungsbefunde, S. 18.<br />

121


8 Spielerkarriere<br />

Der Begriff der Spielerkarriere ist nicht neu in der Glücksspielforschung. Auch ist bekannt,<br />

dass sich die Spielerkarriere in drei aufeinander aufbauende Phasen unterteilen lässt, nämlich<br />

die Gewinn-, Verlust- und Verzweiflungsphase. Diese Phasen zeigen auf, wie aus einem /<br />

einer Gelegenheitsspieler/in ein pathologischer Spieler bzw. eine pathologische Spielerin<br />

werden kann (siehe Kapitel 2.5 sowie Kapitel 8.1).<br />

Ebenfalls galt es zu erforschen, wie die betroffenen Spieler und Spielerinnen in Kontakt mit<br />

dem Glücksspiel getreten sind, um herauszufinden, welche Präventionsmaßnahmen gegeben<br />

sein müssen, um pathologisches Spielverhalten zu reduzieren bzw. abzuwenden. Dabei gilt es<br />

zu klären, in welchem Alter die Betroffenen in Kontakt mit dem Glücksspielen getreten sind.<br />

Weiter spielt es eine Rolle, ob sie selbst gespielt oder beim Spielen zugeschaut haben,<br />

insbesondere wenn die Betroffenen bei ihrem ersten Glücksspielerlebnis noch minderjährig<br />

waren. Welche Spielform spielten die Betroffenen? Kann von einer Spielform als „Einstiegsglücksspiel“<br />

ausgegangen werden? Endete das erste Spiel mit einem Gewinn oder einem<br />

Verlust? Gewonnene Spiele animieren den / die Spielenden zum Weiterspielen (mehr dazu in<br />

Kapitel 8.2).<br />

Sowohl das Alter beim ersten Spielerlebnis als auch die Spielform prägen das spätere<br />

Spielverhalten. Es stellt sich die Frage, ob manche Spielformen aufgrund der Anzahl,<br />

Verfügbarkeit oder der Einsatzhöhe ein besonderes Suchtpotential bergen (siehe in Kapitel 6).<br />

Auch kann es eine Rolle spielen, ob die betroffenen Spieler und Spielerinnen zwischen<br />

verschiedenen Spielformen wechseln, entweder von weniger gefährlichen Spielformen zu<br />

gefährlicheren, oder in der anderen Richtung. Diese Substitutionsbeziehungen zwischen den<br />

Spielformen sind vor allem für die Verhältnisprävention wichtig, um die Gesundheitsrisiken<br />

des <strong>pathologischen</strong> Glücksspielverhaltens zu reduzieren und wenn möglich zu beseitigen.<br />

Ein weiterer Punkt sind die Motive des Spielens. Es gilt zu klären, ob dem Spielbeginn ein<br />

bestimmter Vorfall vorausging, der die entsprechenden Personen zum Spielen animierte. Das<br />

Spielen kann mehrere Motive haben, bspw. die Verdrängung von Problemen (Scheidung,<br />

Todesfall, Arbeitslosigkeit, Langeweile, Neugier, Stress usw.) oder die vermeintliche Lösung<br />

anderer Probleme, etwa der Beseitigung von Schulden.<br />

122


Außerdem spielen die negativen sozialen Konsequenzen (mehr dazu in Kapitel 9), die durch<br />

das Spielen entstehen, eine wichtige Rolle für den Verlauf der Spielerkarriere. Dabei gilt es zu<br />

klären, wie kosten- und zeitintensiv das Spielen war. Die negativen Konsequenzen des<br />

<strong>Spielverhaltens</strong> sind oftmals der Auslöser, das pathologische Spielverhalten zu verändern<br />

bzw. Hilfen in Anspruch zu nehmen. Welche persönlichen Bestrebungen wurden von den<br />

Betroffenen selbst unternommen, um mit dem Spielen zu brechen (Abstinenzversuche)? Wie<br />

lange hat es gedauert, bis die Betroffenen sich eingestehen konnten, dass das Spielen ein<br />

Problem darstellt, Auch hier stellt sich wieder die Frage, ob es ein spezielles Erlebnis, etwa<br />

ein Streit mit dem / der PartnerIn und / oder Arbeitslosigkeit gab, das dazu führte, die<br />

persönliche Spielsituation zu verändern. Welcher Grund führte zum Therapieentschluss? Wie<br />

sind die betroffenen Spielerinnen und Spieler in Kontakt mit der Beratungsstelle getreten und<br />

welche Erfahrungen haben sie dort gemacht (mehr dazu in Kapitel 13)?<br />

8.1 Theoretische Einbettung<br />

Zunächst gilt es den Begriff Spielerkarriere zu definieren. Laut Mayer und Bachmann (2000)<br />

ist dies der Zeitraum bis sich das pathologische Glücksspiel im Verhalten manifestiert hat.<br />

Die Spielerkarriere wird analog zur stoffgebundenen Suchtentwicklung in drei Phasen<br />

unterteilt: positives Anfangsstadium, kritisches Gewöhnungsstadium und schließlich dann das<br />

Suchtstadium. Bei Custer (1987) sind die Phasen unter den Begriffen Gewinn-, Verlust- und<br />

Verzweiflungsphase bekannt. 252<br />

Gewinnphase<br />

Die Betroffenen kommen über Bekannte bzw. Verwandte in Kontakt mit Spielen, bei<br />

denen es um kleinere Geldbeträge geht. Dabei handelt es sich eher um eine<br />

gelegentliche Teilnahme, bei der es hin und wieder zu Gewinnen kommt. Diese<br />

Gewinne wirken sich positiv auf das Selbstwertgefühl der Gelegenheitsspieler aus und<br />

animieren dazu, immer wieder an Spielen teilzunehmen. Der bzw. die SpielerIn<br />

vertieft sich in die Materie, informiert sich über Spielabläufe; Verluste können noch<br />

ausgeglichen werden. Aus gelegentlichem Spielen entsteht eine Regelmäßigkeit, bei<br />

der die Risikobereitschaft zunimmt. 253<br />

252 Meyer, G.; Bachmann, M. (2000), Spielsucht – Ursachen und Therapie, S. 37.<br />

253 Meyer, G.; Bachmann, M. (2000), Spielsucht – Ursachen und Therapie, S. 37.<br />

123


Verlustphase<br />

Der Übergang von Phase 1 zu Phase 2 ist fließend, die Spielintensität steigt. Da nun<br />

regelmäßiger gespielt wird, treten vermehrt Verluste ein. Um den anfänglichen<br />

gelegentlichen Gewinnen hinterherzujagen, müssen die Spielenden einen höheren<br />

Einsatz bringen. Dieser gesteigerte Einsatz bezieht sich nicht nur auf das zum Spielen<br />

eingesetzte, sondern auch auf das zu beschaffende Geld. Oftmals beginnen die<br />

Betroffenen in dieser Phase damit, an mehreren Spielgeräten gleichzeitig zu spielen.<br />

Die Spielintensität wirkt sich allmählich auf das Berufs- und Privatleben aus. 254<br />

Verzweiflungsphase<br />

Dass der bzw. die Spielende süchtig nach Glücksspielen ist zeigt sich daran, dass die<br />

Person die Kontrolle über ihr Verhalten verliert. Geld wird „irgendwie“ beschafft,<br />

auch auf illegale Weise, und restlos verspielt. Die möglichen Konsequenzen des<br />

exzessiven Spielens interessieren die spielende Person im Moment des Spielens nicht.<br />

Abstinenzversuche im Alleingang scheitern meist nach kurzer Zeit. Die negativen<br />

Folgen, etwa Verschuldung oder soziale Verluste, nehmen zu. Der Spielende leidet an<br />

Abstinenztagen unter Entzugserscheinungen, die denjenigen <strong>eines</strong> Substanzabhängigen<br />

vergleichbar sind. 255<br />

Die Phasen sind von Person zu Person unterschiedlich ausgeprägt. Der Übergang vom<br />

Gelegenheitsspieler zum <strong>pathologischen</strong> Spieler ist ein jahrelanger Prozess, der nicht genau<br />

bemessen werden kann. Allgemein liegen zu der Dynamik der <strong>Entwicklung</strong> <strong>eines</strong><br />

<strong>pathologischen</strong> <strong>Spielverhaltens</strong> nur wenige Informationen vor.<br />

Bei der <strong>Entwicklung</strong> <strong>pathologischen</strong> <strong>Spielverhaltens</strong> treffen mehrere Einflussgrößen<br />

aufeinander. Meyer und Bachmann (2000) haben folgende prädisponierende Faktoren für die<br />

<strong>Entwicklung</strong> <strong>pathologischen</strong> <strong>Spielverhaltens</strong> herausgearbeitet: die Merkmale des Glücksspiels,<br />

des Individuums und der Umwelt (siehe Kapitel 6 und 7 der vorliegenden Arbeit).<br />

Mayer (1989) sowie Schwarz und Lindner (1990) haben Berechnungen zu der Dauer der<br />

Phasen angestellt. Laut Meyer dauert die erste Phase im Schnitt 2,5 Jahre. Die Verlustphase,<br />

in der sich das Spielen verselbständigt, dauert im Schnitt 5,5 Jahre. Bis die Spielenden bzw.<br />

254 Meyer, G.; Bachmann, M. (2000), Spielsucht – Ursachen und Therapie, S. 39.<br />

255 Meyer, G.; Bachmann, M. (2000), Spielsucht – Ursachen und Therapie, S. 39 f.<br />

124


nahestehende Personen das Spielen als Problem wahrnehmen, vergehen durchschnittlich<br />

weitere 3,5 Jahre. Anschließend daran vergehen noch mehrere Jahre, bis die spielende Person<br />

etwas dagegen unternehmen wird. 256 Schwarz und Lindner (1990) berichten, dass die<br />

untersuchten Patienten im Durchschnitt seit 10,2 Jahren gespielt hatten. Nach einer<br />

„Aufwärmphase“ von 3,8 Jahren spielten sie seit 6,4 Jahren auf exzessive Weise. 257<br />

Weiterhin ist für die <strong>Entwicklung</strong> <strong>eines</strong> Suchtverhaltens auch das „Erstkontaktalter“ von<br />

Bedeutung. Je früher ein Proband mit dem Glücksspiel beginnt, desto eher wird er / sie ein<br />

Suchtverhalten entwickeln. Aus diesem Grund sind insbesondere die bei Jugendlichen<br />

beliebten Formen kritisch zu betrachten. Aus der Untersuchung von Meyer und Hayer (2005)<br />

wird deutlich, dass der Anteil der Erstkontakte als Minderjährige bei Geldspielautomaten am<br />

höchsten ist. Am unteren Ende liegen Roulette und Black Jack auf Grund der Eingangskontrollen<br />

in Spielbanken und die Klassenlotterien. 258<br />

Oft unterschätzt wird das Ausmaß der Heilung des <strong>pathologischen</strong> <strong>Spielverhaltens</strong>, ohne dass<br />

eine Kontaktaufnahme mit einer therapeutischen Einrichtung seitens des Spielers<br />

stattgefunden hat. Slutske (2006) wertet die Daten der Gambling Impact and Behavior Study<br />

(GIBS) und des National Epidemiologic Survey on Alcohol and Related Conditions<br />

(NESARC) aus. Von 2.417 Teilnehmern an der GIBS berichten 21 Personen von zumindest<br />

einer Episode <strong>pathologischen</strong> Glücksspiels in ihrem gesamten Leben. Von den 43.093<br />

Teilnehmern des NESARC sind dies 185 Personen bzw. 0,4 %. Die Prävalenzrate<br />

pathologischer Spieler beträgt dementsprechend 0,8 % bzw. 0,4 % (siehe in Kapitel 5.4). Von<br />

diesen Personen hatten 36 % bis 39 % überhaupt keine Probleme mit einem <strong>pathologischen</strong><br />

Spielverhalten im letzten Jahr und nur 7 % bis 12 % haben jemals in ihrem Leben eine<br />

therapeutische Einrichtung oder die anonymen Spieler aufgesucht. Nach diesen umfassenden<br />

epidemiologischen Studien aus den Vereinigten Staaten von Amerika findet bei ungefähr<br />

einem Drittel der <strong>pathologischen</strong> Spieler eine Selbstheilung statt. In der Größenordnung<br />

dürften diese Angaben auch auf Deutschland übertragbar sein. 259<br />

256 Meyer, G.; Bachmann, M. (2000), Spielsucht – Ursachen und Therapie, S. 39 f.<br />

257 Vgl. Becker, T. (2009), Glücksspielsucht in Deutschland. Prävalenz bei verschiedenen Glücksspielformen,<br />

S. 15.<br />

258 Vgl. Becker, T. (2009), Glücksspielsucht in Deutschland. Prävalenz bei verschiedenen Glücksspielformen,<br />

S. 17.<br />

259 Vgl. Becker, T. (2009), Glücksspielsucht in Deutschland. Prävalenz bei verschiedenen Glücksspielformen,<br />

S. 15.<br />

125


8.2 Erstes Glücksspielerlebnis aus Sicht der Befragten<br />

Im den nachfolgenden Abschnitten soll aufgezeigt werden, wie die befragten Personen der<br />

ambulanten Beratungsstellen ihr erstes Glücksspielerlebnis wahrgenommen haben (sofern sie<br />

sich noch daran erinnern konnten). Auch ist nicht geklärt, ob sich die Befragten an ihr<br />

tatsächliches erstes Glücksspielerlebnis erinnern oder nur wissen, wann sie zum ersten Mal<br />

einer anderen Person beim Spielen zugeschaut haben.<br />

Um mögliche Verständnisfehler bezüglich der Fragestellung auszuräumen, wurden nur die<br />

Fälle berücksichtigt, die folgende vier Kriterien vollständig erfüllten:<br />

Erinnerung an erstes Glücksspielerlebnis wurde bejaht,<br />

Angaben zum Alter beim ersten Spielererlebnis liegen vor,<br />

Angaben über die Form des Glücksspiels sowie<br />

Angaben zum Ausgang des ersten Glücksspielerlebnisses liegen ebenfalls vor.<br />

Abschließend<br />

vorgestellt.<br />

werden die diesbezüglichen Ergebnisse der Fokusgruppenteilnehmer<br />

8.2.1 Alter beim ersten Spielerlebnis<br />

Die Probanden und Probandinnen der ambulanten Beratungsstellen wurden in Frage 26 im<br />

Fragebogen der Forschungsstelle Glücksspiel dazu befragt, ob sie sich an ihr erstes<br />

Glücksspielerlebnis erinnerten. Tatsächlich bejahten etwa 72 % (73 Personen von 102<br />

Personen) diese Frage. Weiter sollten die Befragten angeben, wie alt sie bei ihrem ersten<br />

Glücksspielerlebnis waren. Die Angaben lagen im Bereich zwischen vier und 59 Jahren.<br />

126


Tab. 47: Alter beim ersten Glücksspielerlebnis<br />

Alter erstes Spielerlebnis<br />

(n=73; MW=18,77)<br />

127<br />

Häufigkeit Prozent<br />

unter 18 Jahre 33 45,2<br />

unter 28 Jahre 33 45,2<br />

unter 38 Jahre 5 6,8<br />

unter 48 Jahre 1 1,4<br />

über 48 Jahre 1 1,4<br />

Gesamt 73 100,0<br />

Quelle: Eigene Berechnungen / Fragebogen Forschungsstelle.<br />

Wie obiger Tabelle zu entnehmen ist, waren rund 45 % der befragten Personen während ihres<br />

ersten Glücksspielerlebnisses minderjährig. Hier wird deutlich, dass der Jugendschutz in<br />

diesen Fällen nicht gegriffen hat und dringend Verbesserung bedarf. Weitere 45 % waren bei<br />

ihrem ersten Glücksspielerlebnis zwischen 18 und 27 Jahre alt. Somit hatten etwa 90 % der<br />

befragten KlientInnen ambulanter Beratungsstellen in jungen Jahren ihr erstes<br />

Glücksspielerlebnis. Dieses Ergebnis könnte ein Hinweis darauf sein, dass die <strong>Entwicklung</strong><br />

<strong>pathologischen</strong> Glücksspielverhaltens abhängig vom Alter des Erstkontakts mit Glücksspielen<br />

ist.<br />

8.2.2 Spielform beim ersten Glücksspielerlebnis sowie dessen Ausgang<br />

Aufbauend auf den vorangegangenen Fragen sollten die Befragten der ambulanten<br />

Beratungsstellen angeben, welche Spielformen sie bei diesem ersten Glücksspielerlebnis<br />

gespielt hatten. Mehrfachnennungen waren zulässig, wobei lediglich sechs Personen zwei<br />

Spielformen angaben. Die restlichen 67 Personen haben beim ersten Glücksspielerlebnis nur<br />

eine Spielform gespielt.<br />

Diese sechs Personen hatten folgende Kombinationen gespielt:<br />

Geldspielautomaten und Kl<strong>eines</strong> Spiel der Spielbank (zwei Personen),<br />

Geldspielautomaten und Sportwetten (eine Person),<br />

Geldspielautomaten und andere Spiele (eine Person),


Geldspielautomaten und Lotto (eine Person),<br />

Kl<strong>eines</strong> und Großes Spiel der Spielbank ( eine Person).<br />

Eine Betrachtung der 73 gültigen Fälle ergigbt, dass das Spielen an Geldspielautomaten in<br />

Spielhallen und gastronomischen Betrieben von 71,2 % genannt wurde. In der Untersuchung<br />

von Meyer und Hayer (2003) waren es 63,5 % der befragten Spielerinnen und Spieler, die als<br />

Hauptproblem das Spielen an Geldspielautomaten angaben. Aus der Untersuchung von<br />

Becker (2008) geht hervor, dass die wichtigste problemverursachende Form des Glücksspiels,<br />

genannt von 69 %, das Spiel an Geldspielautomaten in Spielhallen und Gaststätten ist (siehe<br />

Tabelle 28 in Kapitel 6.3).<br />

Alle anderen Spielformen wurden deutlich seltener genannt. Jeweils 8,2 % nahmen an Lotto /<br />

Lotterien, Sportwetten und / oder anderen Spielformen teil. In der Untersuchung von Becker<br />

(2008) wurden Sportwetten von 9,2 % als problemverursachende Spielform genannt.<br />

Weitere 6,8 % der KlientInnen ambulanter Beratungsstellen spielten bei ihrem ersten<br />

Glücksspielerlebnis an Glücksspielautomaten in Spielbanken. Am Großen Spiel der Spielbank<br />

beteiligten sich lediglich 4,1 %, sprich drei Personen. Lediglich eine Person gab an, bei ihrem<br />

ersten Glücksspielerlebnis im Internet gespielt zu haben.<br />

Tab. 48: Erstes Glücksspielerlebnis – Spielformen (Mehrfachnennungen)<br />

Spielform erstes Glücksspielerlebnis (n=73)<br />

Häufigkeit Prozent<br />

Geldspielautomaten in Spielhallen und gastronomischen Betrieben 52 71,2<br />

Kl<strong>eines</strong> Spiel der Spielbank (Glücksspielautomaten) 5 6,8<br />

Großes Spiel der Spielbank (Roulette, Black Jack, etc.) 3 4,1<br />

Lotto / Lotterien 6 8,2<br />

Sportwetten 260 (Oddset, toto, Pferdewetten, Wetten in privaten<br />

Wettbüros)<br />

6 8,2<br />

Glücksspiel im Internet 1 1,4<br />

Andere 6 8,2<br />

Quelle: Eigene Berechnungen / Fragebogen Forschungsstelle.<br />

260<br />

Aufgrund der Angaben durch die Befragten kann keine Unterteilung in terrestrische Sportwetten bzw.<br />

Online-Sportwetten gemacht werden.<br />

128


In einer weiteren Frage sollten die befragten Personen angeben, ob ihr erstes<br />

Glücksspielerlebnis mit einem Gewinn endete. Rund 81 % der 73 Personen, die sich an ihr<br />

erstes Glücksspielerlebnis erinnern konnten, bejahten diese Frage.<br />

Tab. 49: Ausgang erstes Glücksspielerlebnis – Gewinn oder Verlust<br />

Erstes Glücksspielerlebnis Gewinn (n=73)<br />

129<br />

Häufigkeit Prozent<br />

Ja 59 80,8<br />

Nein<br />

Keine Erinnerung<br />

13<br />

1<br />

17,8<br />

1,4<br />

Gesamt 73 100,0<br />

Quelle: Eigene Berechnungen / Fragebogen Forschungsstelle.<br />

„Eine Besonderheit von pathologischem Glücksspiel ist, dass sowohl Geldgewinn, als auch<br />

Geldverlust (sofern noch Geld zu beschaffen ist) die Wahrscheinlichkeit erhöhen, wieder oder<br />

weiterzuspielen. Damit ist Geld ein sogenannter generalisierter Verstärker.“ 261<br />

Auch wenn Geld in diesem Sinne als generalisierter Verstärker aufgefasst wird, zeigt es sich<br />

doch, dass fast 81 % der befragten KlientInnen das erste Glücksspiel gewonnen und später ein<br />

pathologisches Glücksspielverhalten entwickelt haben. In diesem Fall kann vom „Unglück<br />

des Gewinns“ gesprochen werden.<br />

Auch die Teilnehmer der Fokusgruppe diskutierten ihr erstes Glücksspielerlebnis. Alle<br />

Personen, die sich zu diesem Thema äußerten, hatten an Automaten zu spielen begonnen, in<br />

der Regel in einer Gaststätte, in der „der Wirt ein Auge zugedrückt hat“, da der Betreffende<br />

zum Zeitpunkt des Spielbeginns noch minderjährig war. Ein Geldgewinn – bei den meisten<br />

der eigene, in einem Fall ein beobachteter – animierte die Personen zum Weiterspielen. Einer<br />

der Männer berichtete, das Spielen und insbesondere der Gewinn gaben ihm das Gefühl,<br />

„andere [zu] übertreffen, schneller, besser [zu] sein“.<br />

261<br />

Beyer, G.; Kulbartz-Klatt, Y. (FAGS, 2008), Verhaltens- und Bedingungsanalyse für die Glücksspielsucht<br />

-Makroebene-,<br />

(http://www.gluecksspielsucht.de/materialien/handout2009/Beyer_KulbartzKlatt_2_1.pdf), S. 5.


8.3 Angaben zum Spielbeginn: Alter und Spielformen<br />

Weiter sollten die Befragten ambulanter Beratungsstellen angeben, in welchem Alter sie zu<br />

spielen begonnen hatten (s. Fragebogen Forschungsstelle, Frage 12). Ziel dieser Fragestellung<br />

war herauszufinden, ob die Befragten ein anderes Alter angaben als bei der Frage nach ihrem<br />

ersten Glücksspielerlebnis (Fragebogen Forschungsstelle, Frage 26.1). Eventuelle<br />

Abweichungen könnten darauf hinweisen, dass die Befragten bei Frage 12 des Fragebogens<br />

der Forschungsstelle Glücksspiels das Alter benannten, in der ihre Spielproblematik begonnen<br />

hatte.<br />

Außerdem gaben die KlientInnen ambulanter Beratungsstellen an, mit welchem Spiel sie zu<br />

spielen begonnen hatten. Da bei vielen Betroffenen ein großer Zeitraum zwischen dem ersten<br />

Glücksspielerlebnis und dem Beginn der Suchtproblematik bestand, wurde diese Frage<br />

zusätzlich zu derjenigen nach dem ersten Glücksspielerlebnis gestellt.<br />

In einer weiteren Frage gaben die Befragten an, welche Spiele und in welchen Etablissements<br />

sie in der Regel gespielt hatten.<br />

8.3.1 Alter bei Spielbeginn<br />

Die KlientInnen der ambulanten Beratungsstellen wurden noch einmal auf andere Art bzw.<br />

allgemeiner zum Alter bei Spielbeginn befragt. Es wird vermutet, dass die Befragten diese<br />

Frage auf den Beginn ihrer Spielkarriere beziehen, also das Alter, in dem das Spielen zum<br />

Zwang wurde.<br />

An ihr Alter bei Spielbeginn konnten sich 105 der 112 Befragten erinnern; die Angaben lagen<br />

bei zwischen vier und 59 Jahren. Der Mittelwert beträgt 20,8 Jahre.<br />

130


Tab. 50: Alter bei Spielbeginn<br />

Alter bei Spielbeginn (n=105) Häufigkeit Prozent<br />

unter 18 Jahre 36 34,3<br />

unter 28 Jahre 56 53,3<br />

unter 38 Jahre 7 6,7<br />

unter 48 Jahre 3 2,9<br />

über 48 Jahre 3 2,9<br />

Quelle: Eigene Berechnungen / Fragebogen Forschungsstelle.<br />

Ein Vergleich von Tabelle 50 mit der vorangegangenen Tabelle 47 zeigt, dass sich deutlich<br />

mehr ProbandInnen an dieses Alter erinnern, als an jenes bei ihrem ersten Glücksspielerlebnis.<br />

Es kann gemutmaßt werden, dass einige der Befragten unter dem „ersten<br />

Glücksspielerlebnis“ einen anderen Zeitpunkt als den des Spielbeginns verstanden. Die Frage<br />

nach dem Alter bei Spielbeginn ergab insgesamt 36 Personen, die bei Spielbeginn<br />

minderjährig waren. Auch die Gruppe der unter 28-Jährigen ist sehr groß: Rund 53 % der<br />

Befragten waren bei Spielbeginn zwischen 18 und 27 Jahren alt.<br />

Weiter erhob der schriftliche Fragebogen der Fokusgruppe das Alter, in dem die Personen zu<br />

spielen begonnen hatten.<br />

Das Durchschnittsalter lag bei etwa 24 Jahren, wobei das Minimum bei vier und das<br />

Maximum bei 70 Jahren lagen. Anhand dieser Werte kann für die Fokusgruppenteilnehmer<br />

eine durchschnittliche Spielzeit von rund 26 Jahren festgestellt werden. Unter den Befragten<br />

gab es einige, die erst seit zwei Jahren spielen, aber auch eine Person, die seit etwa 49 Jahren<br />

spielt (Unterbrechungen sind nicht auszuschließen). Fast alle Teilnehmer an der Gruppendiskussion,<br />

die sich zu diesem Thema äußerten, berichteten, zu Spielbeginn noch<br />

minderjährig gewesen zu sein (zwischen 10 und 17 Jahren). Eine Person hatte als 20-Jähriger<br />

begonnen zu spielen; ein anderer fing als 70-Jähriger – nach dem Tod seiner Frau – an, in der<br />

Gaststätte nebenan die Automaten zu bedienen; zuhause „war einfach keiner mehr da und<br />

man kann ja nicht den ganzen Tag putzen.“(siehe Protokoll im Anhang D)<br />

131


8.3.2 Spielformen bei Spielbeginn<br />

Die KlientInnen ambulanter Beratungsstellen wurden gebeten, Angaben bezüglich der<br />

Spielformen zu Beginn ihrer Spielkarriere zu machen. Auch hier steckte die Absicht dahinter,<br />

die Befragten allgemeiner zu befragen, mit welcher Spielform sie begonnen hatten. Eventuell<br />

kann aus diesen Angaben nachvollzogen werden, welche Spielformen ein besonders hohes<br />

Suchtpotential aufweisen. Mehrfachnennungen waren zugelassen (s. Fragebogen Forschungsstelle,<br />

Frage 14).<br />

Insgesamt äußerten sich 105 der insgesamt 112 Befragten zu diesem Punkt.<br />

Rund 79 % der 105 gültigen Fälle gaben an, mit dem Spielen an Geldspielautomaten in<br />

Spielhallen und gastronomischen Betrieben begonnen zu haben; beim ersten Glücksspielerlebnis<br />

entfielen etwa 71 % der Nennungen auf diese Spielform. Mit dem Kleinen Spiel der<br />

Spielbank hatten 11,4 % begonnen; beim ersten Glücksspielerlebnis wurde diese Spielform<br />

von 6,8 % benannt. Und während 4,1 % der Befragten ihr erstes Glücksspielerlebnis beim<br />

Großen Spiel der Spielbank hatten, begannen 6,7 % mit dieser Spielform.<br />

7,6 % der KlientInnen begannen ihre Spielkarriere mit der Teilnahme an Sportwetten; befragt<br />

nach dem ersten Glücksspielerlebnis waren es 8,2 %. Bei Lotto / Lotterien lag das Verhältnis<br />

bei 3,8 % (Spielbeginn) zu 8,2 % (erstes Glücksspielerlebnis).<br />

Lediglich 2,9 %, also drei Personen, starteten ihre Spielkarriere mit dem Glücksspiel im<br />

Internet. Als erstes Glücksspielerlebnis wurde das Glücksspiel im Internet nur von einer<br />

Person genannt. Deutliche Unterschiede ergaben sich auch bei der Kategorie „andere Spiele“:<br />

Beim ersten Spielerlebnis wurden diese Kategorie von 8,2 % angegeben; zu Spielbeginn<br />

waren dies rund 19 %.<br />

Diese unterschiedliche Teilnahme an bestimmten Spielformen lässt sich damit erklären, dass<br />

beim ersten Spielerlebnis das Interesse an und die Neugier auf unterschiedlichen Spielformen<br />

größer waren als bei Spielbeginn. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Spielformen<br />

bei Spielbeginn gezielter ausgesucht wurden, um bestimmte Wünsche zu befriedigen, etwa<br />

um das „große Geld zu machen“.<br />

132


Tab. 51: Spielformen bei Spielbeginn – KlientInnen ambulanter Beratungsstellen<br />

Spielformen bei Spielbeginn – Mehrfachnennungen möglich (n=105)<br />

133<br />

Häufigkeit Prozent<br />

Geldspielautomaten in Spielhallen und gastronomischen Betrieben 83 79,0<br />

Kl<strong>eines</strong> Spiel der Spielbank (Glücksspielautomaten) 12 11,4<br />

Großes Spiel der Spielbank (Roulette, Black Jack, etc.) 7 6,7<br />

Lotto / Lotterien 4 3,8<br />

Sportwetten (Oddset, toto, Pferdewetten, Wetten in privaten Wettbüros) 8 7,6<br />

Glücksspiel im Internet 3 2,9<br />

Andere 20 19,0<br />

Quelle: Eigene Berechnungen / Forschungsstelle Glücksspiel.<br />

Auch in der Fokusgruppe wurden die Teilnehmer zu den Spielformen befragt, die sie zu<br />

Beginn ihrer Karriere gespielt hatten. Es waren ebenfalls Mehrfachnennungen zugelassen.<br />

Acht der elf Personen hatten mit dem Spiel an Geldspielautomaten in Spielhallen und in<br />

gastronomischen Betrieben begonnen. Es zeigt sich auch hier, dass das Spielen an<br />

Geldspielautomaten als Einstiegsspiel bezeichnet werden kann.<br />

Mit dem Kleinen Spiel der Spielbank haben drei Personen begonnen. Weitere fünf Personen<br />

haben mit anderen Spielformen begonnen, u. a. Flipper- und Kartenspiele.<br />

Tab. 52: Spielformen bei Spielbeginn – Fokusgruppenteilnehmer<br />

Spielformen bei Spielbeginn – Mehrfachnennungen möglich (n=11)<br />

Häufigkeit Prozent<br />

Geldspielautomaten in Spielhallen und gastronomischen Betrieben 8 72,7<br />

Kl<strong>eines</strong> Spiel der Spielbank (Glücksspielautomaten) 3 27,3<br />

Großes Spiel der Spielbank (Roulette, Black Jack, etc.) 1 9,1<br />

Sportwetten (Oddset, toto, Pferdewetten, Wetten in privaten Wettbüros) 1 9,1<br />

Andere 5 45,5<br />

Quelle: Eigene Berechnungen / Fokusgruppendiskussion Forschungsstelle.


8.4 Regelmäßige Ausübung von Spielformen sowie deren Spielorte<br />

Sowohl die KlientInnen der ambulanten Beratungsstelle als auch die Fokusgruppenteilnehmer<br />

wurden gefragt, welche Spiele sie in der Regel spielten. Es galt herauszufinden, ob ein<br />

Wechsel zwischen den Spielformen stattgefunden hatte oder ob das Einstiegsspiel weiter<br />

verfolgt wurde. Weiter wurden die Teilnehmenden gefragt, an welchen Orten – Spielhalle,<br />

Casino oder gastronomischer Betrieb – sie regelmäßig spielten, um feste Spielorte ausmachen<br />

zu können.<br />

8.4.1 Spielformen, die in der Regel gespielt wurden<br />

102 der 112 befragten Personen benannten die von ihnen regelmäßig ausgeübte Spielform.<br />

Insgesamt spielten 81,4 % dieser 102 Befragten an Geldspielautomaten in Spielhallen und in<br />

gastronomischen Betrieben. Bei Spielbeginn wurde diese Spielform von 79 % gespielt. Am<br />

Kleinen Spiel der Spielbank nahmen 19,6 % bevorzugt teil; zu Spielbeginn waren es 11,6 %.<br />

12,7 % bevorzugten regelmäßig das Große Spiel der Spielbank. Verglichen mit dem Wert bei<br />

Spielbeginn hat sich die Teilnahme an dieser Spielform verdoppelt. Weitere 10,8 % nahmen<br />

an anderen Spielformen teil, etwa Darts oder Billard. Acht Personen, also 7,8 %, nahmen an<br />

Sportwetten teil; zu Spielbeginn waren es 7,6 % der Befragten. Weitere sieben Personen<br />

(6,9 %) gaben an, regelmäßig im Internet zu spielen; zu Spielbeginn waren es 2,9 %.<br />

Lediglich vier Personen, d. h. 3,9 %, nahmen an Lotto bzw. Lotterien teil. Dies entspricht in<br />

etwa dem Wert zu Spielbeginn. 262<br />

262 Vergleichswerte aus Tabelle Spielbeginn entnommen.<br />

134


Tab. 53: Spielformen, die regelmäßig gespielt wurden – KlientInnen ambulanter Beratungsstellen<br />

Spielformen, die regelmäßig ausgeübt wurden – Mehrfachnennungen<br />

möglich (n=102)<br />

135<br />

Häufigkeit Prozent<br />

Geldspielautomaten in Spielhallen und gastronomischen Betriebe 83 81,4<br />

Kl<strong>eines</strong> Spiel in der Spielbank (Glücksspielautomaten) 20 19,6<br />

Großes Spiel in der Spielbank (Roulette, Black Jack, etc.) 13 12,7<br />

Lotto / Lotterien 4 3,9<br />

Sportwetten (Oddset, toto, Pferdewetten, Wetten in privaten Wettbüros) 8 7,8<br />

Glücksspiel im Internet 7 6,9<br />

Andere 11 10,8<br />

Quelle: Eigene Berechnungen / Fragebogen Forschungsstelle.<br />

Auch die Fokusgruppenteilnehmer wurden nach ihren bevorzugten Spielformen befragt. Zehn<br />

von elf Personen beantworteten diese Frage. Alle zehn gaben an, regelmäßig an<br />

Geldspielautomaten in Spielhallen und gastronomischen Betrieben gespielt zu haben; drei<br />

Personen nahmen regelmäßig am Kleinen Spiel der Spielbank teil. Am Großen Spiel der<br />

Spielbank nahmen zwei Personen teil. Je einmal wurden Lotto / Lotterien, Sportwetten und<br />

andere Spielformen genannt.<br />

Tab. 54: Spielformen, die regelmäßig gespielt wurden – Fokusgruppenteilnehmer<br />

Spielformen, die regelmäßig ausgeübt wurden – Mehrfachnennungen<br />

möglich (n=10)<br />

Häufigkeit Prozent<br />

Geldspielautomaten in Spielhallen und gastronomischen Betriebe 10 100,0<br />

Kl<strong>eines</strong> Spiel in der Spielbank (Glücksspielautomaten) 3 30.0<br />

Großes Spiel in der Spielbank (Roulette, Black Jack, etc.) 2 20,0<br />

Lotto / Lotterien 1 10,0<br />

Sportwetten (Oddset, toto, Pferdewetten, Wetten in privaten Wettbüros) 1 10,0<br />

Andere 1 10,0<br />

Quelle: Eigene Berechnungen / Fokusgruppendiskussion Forschungsstelle.<br />

Erneut zeigt sich, dass die Befragten bevorzugt an Geldspielautomaten ins Spielhallen und<br />

gastronomischen Betrieben spielen.<br />

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass auf die Frage nach dem ersten<br />

Glücksspielerlebnis etwa 71 % der KlientInnen ambulanter Beratungsstellen sowie alle


Teilnehmer der Fokusgruppe das Spielen an Geldspielautomaten nannten. Bei der Nachfrage,<br />

welche Spielform zu Spielbeginn gespielt wurde, nannten rund 79 % der KlientInnen<br />

wiederum das Spielen an Geldspielautomaten. Auch alle Fokusgruppenteilnehmer gaben den<br />

Geldspielautomaten als Spielbeginn an. Daraus kann geschlossen werden, dass das Spielen an<br />

Geldspielautomaten in Spielhallen und gastronomischen Betrieben für die deutliche Mehrheit<br />

der Befragten das Einstiegsglücksspiel darstellte.<br />

8.4.2 Spielorte, an denen regelmäßig gespielt wurde<br />

Genauso vielfältig wie die Nennung von favorisierten Glücksspielformen sind die Angaben zu<br />

den Spielorten, an denen regelmäßig gespielt wurde. Es handelte sich hierbei um eine offene<br />

Frage; Mehrfachnennungen waren zulässig. 81 der 112 Befragten beantworteten diese Frage.<br />

Rund 80,0 % der 81 gültigen Fälle gaben an, regelmäßig in Spielhallen und / oder<br />

gastronomischen Betrieben gespielt zu haben. Dieser Wert deckt sich mit demjenigen der<br />

Teilnahme an Geldspielautomaten (81,4 %). Fast 26 % spielten regelmäßig in Casinos. Das<br />

Internet nutzten acht Personen (etwa 10 %) zum regelmäßigen Spielen. Von Zuhause bzw.<br />

privat spielten 6,2 %; das Wettbüro und / oder die Rennbahn und / oder den Buchmacher<br />

suchten vier Personen regelmäßig auf. Lediglich eine Person gab an, regelmäßig auf LAN-<br />

Partys gespielt zu haben.<br />

Tab. 55: Spielorte – KlientInnen ambulanter Beratungsstellen<br />

Spielorte, an denen regelmäßig gespielt wurde – Mehrfachnennungen möglich (n=81) Häufigkeit Prozent<br />

Spielhallen und / oder gastronomische Betriebe 65 80,2<br />

Lottoannahmestelle 1 1,2<br />

Internet / Online 8 9,9<br />

Casino 21 25,9<br />

Zuhause/Privat 5 6,2<br />

Wettbüro/Rennbahn/Buchmacher 4 4,9<br />

LAN-Partys 1 1,2<br />

105 129,6<br />

Quelle: Eigene Berechnungen / Fragebogen Forschungsstelle.<br />

136


Auch die Teilnehmer der Fokusgruppe wurden zu ihren Spielorten befragt; alle elf<br />

Teilnehmer beantworteten diese Frage. Zehn Personen hielten sich regelmäßig in Spielhallen<br />

und / oder gastronomischen Betrieben auf; eine dieser zehn Personen begann in der<br />

Bundeswehrkantine zu spielen. Im Casino spielten vier Personen regelmäßig. Eine Person aus<br />

dieser Gruppe spielte ausschließlich im Casino, während die anderen drei zusätzlich in<br />

Spielhallen und / oder gastronomischen Betriebe gingen.<br />

8.4.3 Anzahl der Spieltage in den letzten 30 Tagen<br />

Im nächsten Schritt wird das Spielverhalten der Befragten in den letzten 30 Tagen vor<br />

Betreuungsbeginn diskutiert. Die Befragten machten Angaben zur Spielform und zur<br />

Häufigkeit der Teilnahme an der jeweiligen Spielform. Mehrfachnennungen waren zulässig.<br />

Je nach Spielform gibt es unterschiedliche Spannweiten: An Geldspielautomaten und<br />

Sportwetten wurde zum Beispiel zwischen einem und 30 Tagen pro Monat gespielt.<br />

Von den KlientInnen ambulanter Beratungsstellen spielten 65 Personen vor Betreuungsbeginn<br />

im Schnitt an neun Tagen pro Monat an Geldspielautomaten in Spielhallen und in<br />

gastronomischen Betrieben; 22 Personen nahmen an Lotto / Lotterien teil und das im Schnitt<br />

an 3,64 Tagen. Die Spanne der dokumentierten Anzahl der Spieltage liegt zwischen einem<br />

und zehn Tagen, da Lotto nur an speziellen Tagen gespielt werden kann.<br />

An Sportwetten beteiligten sich in diesem Zeitraum 13 der 112 Befragten; sie spielten an<br />

durchschnittlich 9,15 Tagen pro Monat. Weiter gaben sieben Personen an, bis zuletzt an<br />

Glücksspielen im Internet teilgenommen zu haben; im Schnitt an fast 11 Tagen. Je sechs<br />

Personen nahmen in den letzten Tagen vor Betreuungsbeginn sowohl am Kleinen Spiel der<br />

Spielbanken als auch an anderen Spielformen teil. Das Kleine Spiel der Spielbank wurde an<br />

durchschnittlich etwa 9,5 Tagen gespielt. Andere Spielformen wurden im letzten Monat vor<br />

Betreuungsbeginn an fast 14 Tagen genutzt.<br />

Weitere vier Befragte nahmen etwa 13 Tage am „Großen Spiel der Spielbank“ teil. Von den<br />

112 Befragten nutzten drei Personen illegale Glücksspiele. Im Schnitt erfolgte die Teilnahme<br />

an 13,3 Tagen im Monat. Überraschenderweise machten die Befragten im späteren<br />

Fragebogenverlauf keine weiteren Angaben zu ihrer Beteiligung an illegalen Glücksspielen.<br />

137


Tab. 56: Anzahl der Spieltage in den letzten 30 Tagen- KlientInnen der ambulanten Beratungsstellen<br />

Spielform/Anzahl der Tage im<br />

letzten Monat –<br />

Mehrfachnennungen möglich<br />

Geldspielautomaten in<br />

Spielhallen und<br />

gastronomischen Betrieben<br />

Kl<strong>eines</strong> Spiel der Spielbank<br />

(Glücksspielautomaten)<br />

Großes Spiel der Spielbank<br />

(Roulette, Black Jack, etc.)<br />

N<br />

(w/m)<br />

64<br />

(6/58)<br />

6<br />

(0/6)<br />

4<br />

(1/3)<br />

Lotto / Lotterien 22<br />

(2/21)<br />

Sportwetten (Oddset, toto,<br />

Pferdewetten, Wetten in<br />

privaten Wettbüros etc.)<br />

12<br />

(1/11)<br />

Glücksspiel im Internet 7<br />

(3/4)<br />

Illegales Glücksspiel 2<br />

(0/2)<br />

Andere 6<br />

(1/5)<br />

N=112 Tage<br />

(min.)<br />

65<br />

(58%)<br />

6<br />

(5,4%)<br />

4<br />

(3,6%)<br />

22<br />

(19,6%)<br />

13<br />

(11,6%)<br />

7<br />

(6,25%)<br />

3<br />

(2,7%)<br />

6<br />

(5,4%)<br />

138<br />

Tage<br />

(max.)<br />

Mittelwert<br />

Tage<br />

(MW)<br />

1 30 9,00 8.170<br />

1 24 9,50 8,826<br />

1 20 12,75 9,142<br />

1 10 3,64 2,985<br />

1 30 9,15 8,943<br />

Standardabweichung<br />

(SD)<br />

2 30 10,86 11,437<br />

5 20 13,33 7.638<br />

1 20 13,83 8,085<br />

Quelle: Eigene Berechnungen / Gemeinschaftsfragebogen.<br />

Die in Tabelle 56 aufgelisteten Ergebnisse zeigen, dass Frauen weder am Kleinen Spiel der<br />

Spielbanken noch an illegalen Glücksspielen teilnahmen. Von einem ausgewogenen<br />

Geschlechterverhältnis kann nur bei Glücksspielen im Internet gesprochen werden.<br />

Ebenso ist ersichtlich, dass vermehrt an Geldspielautomaten in Spielhallen und gastronomischen<br />

Betrieben gespielt wurde, jedoch in geringerem Maß als bei der regelmäßigen<br />

Ausübung (83 zu 65 Personen). Deutlich mehr Personen (22 Personen) nahmen an Lotto /<br />

Lotterien teil, als bei der Nennung der regelmäßigen Spielform (vier Personen). Auch an<br />

Sportwetten nahmen zuletzt mehr Personen (13 Personen) teil, als bei der Nennung der<br />

regelmäßigen Teilnahme an Spielformen (acht Personen). Sowohl die Teilnahme am Kleinen<br />

(20 Personen) als auch am Großen Spiel der Spielbank (13 Personen) nahm gegen Ende der<br />

Spielerkarriere ab (Kl<strong>eines</strong> Spiel: sechs Personen; Großes Spiel: vier Personen). Die Anzahl<br />

der Spieler und Spielerinnen, die an Glücksspielen im Internet teilnahmen, blieb gleich<br />

(sieben Personen). Zum ersten Mal während der Befragung gaben drei Personen an, auch an<br />

illegalen Glücksspielen teilgenommen zu haben.


Verglichen mit den entsprechenden Ergebnissen aus dem Bundesmodellprojekt zeigt sich,<br />

dass auch dort das Spielen an Geldspielautomaten in Spielhallen und gastronomischen<br />

Betrieben (652 Personen) am häufigsten genannt wird. Im Schnitt nahmen die Befragten vor<br />

Betreuungsbeginn an 11,5 Tagen im Monat an dieser Spielform teil. Andere Spielformen<br />

wurden deutlich seltener genannt.<br />

Es zeigt sich auch, dass Männer bei den meisten Spielformen stärker vertreten waren als<br />

Frauen. Als Ausnahmen können das Große Spiel der Spielbank und Glücksspiele im Internet<br />

gelten. Dagegen nahmen die männlichen Befragten deutlich häufiger am Kleinen Spiel der<br />

Spielbank und an Sportwetten teil. Bzgl. der Anzahl der gespielten Tage pro Monat vor<br />

Betreuungsbeginn ergaben sich bei den Geldspielautomaten in Spielhallen und in<br />

gastronomischen Betrieben kaum geschlechtsspezifische Unterschiede.<br />

Tab. 57: Anzahl der Spieltage in den letzten 30 Tagen vor Betreuungsbeginn nach Spielformen und Geschlecht<br />

(nur Mehrfachkontakte)<br />

Quelle: Modellprojekt des Bundesministeriums für Gesundheit (2010), Tab 42, S. 56.<br />

Weiter nahmen die Befragten des Bundesmodellprojektes an durchschnittlich 13,3 Tagen im<br />

Monat an Glücksspielen im Internet teil. Das Kleine Spiel der Spielbank wurde an<br />

durchschnittlich 11,9 Tagen im Monat gespielt, Geldspielautomaten an 11,5 Tagen. Insgesamt<br />

wurden Spielzeiten von zwischen einem und 30 Tagen angegeben.<br />

Vor einem Vergleich der Ergebnisse aus beiden Befragungen muss betont werden, dass das<br />

Bundesmodellprojekt deutlich mehr Personen berücksichtigen konnte. Dennoch wird<br />

139


ersichtlich, dass die Befragten im Bundesmodellprojekt während des letzten Monats vor<br />

Betreuungsbeginn durchschnittlich an mehr Tagen spielten, als die KlientInnen ambulanter<br />

Beratungsstellen. Die Teilnehmenden des Bundesmodellprojektes nutzten folgende<br />

Spielformen intensiver als die KlientInnen ambulanter Beratungsstellen: Kl<strong>eines</strong> Spiel der<br />

Spielbank, Glücksspiel im Internet und an Geldspielautomaten in Spielhallen und<br />

gastronomischen Betrieben (mit einem Unterschied von jeweils etwa 2,5 Tagen pro Monat).<br />

Bzgl. der Teilnahme an Sportwetten ergab sich im Bundesmodellprojekt eine Abweichung<br />

von etwa 1,5 Tagen; hier nannten die KlientInnen ambulanter Beratungsstellen höhere Werte<br />

als im Bundesmodellprojekt. Auch am Großen Spiel der Spielbank nahmen die Klientinnen<br />

der ambulanten Beratungsstellen häufiger teil (an 5,5 Tagen mehr, als die Teilnehmenden des<br />

Bundesmodellprojektes).<br />

8.4.4 Alter bei Störungsbeginn nach Spielformen<br />

Ferner sollten die Befragten der ambulanten Beratungsstellen angeben, wie alt sie bei<br />

Störungsbeginn waren (sofern eine Diagnose nach ICD-10 oder DSM-IV vorlag). Die<br />

Angaben zum Alter beziehen sich auf die Spielformen, welche in den letzten 30 Tagen vor<br />

Betreuungsbeginn gespielt wurden.<br />

Personen, die an illegalen Glücksspielen teilnahmen, stellten mit durchschnittlich 18,67<br />

Jahren die jüngste Gruppe. Das Durchschnittsalter bei Störungsbeginn bzgl. Lotto / Lotterien<br />

und Sportwetten lag jeweils bei rund 20 Jahren. Die Werte für das Spielen an<br />

Geldspielautomaten als auch am Kleinen und Großen Spiel der Spielbank ergaben ein<br />

durchschnittliches Alter von etwa 20 Jahren. Befragte, die an Glücksspielen im Internet<br />

teilnahmen, waren bei Störungsbeginn im Schnitt fast 28 Jahre alt. Bei den anderen<br />

Spielformen lag das Durchschnittsalter bei Störungsbeginn mit 31,25 Jahren deutlich höher.<br />

140


Tab. 58: Alter bei Störungsbeginn – KlientInnen der ambulanten Beratungsstellen<br />

Spielform/Alter bei<br />

Störungsbeginn –<br />

Mehrfachnennungen möglich<br />

Geldspielautomaten in<br />

Spielhallen und<br />

gastronomischen Betrieben<br />

Kl<strong>eines</strong> Spiel der Spielbank<br />

(Glücksspielautomaten)<br />

Großes Spiel der Spielbank<br />

(Roulette, Black Jack, etc.)<br />

N<br />

(w/m)<br />

80<br />

(4/76)<br />

16<br />

(0/16)<br />

11<br />

(0/11)<br />

Lotto / Lotterien 18<br />

(1/17)<br />

Sportwetten (Oddset, toto,<br />

Pferdewetten, Wetten in<br />

privaten Wettbüros etc.)<br />

10<br />

(1/9)<br />

Glücksspiel im Internet 7<br />

(1/6)<br />

Illegales Glücksspiel 3<br />

(0/3)<br />

Andere 4<br />

(0/4)<br />

N=112 Alter(min.) Alter<br />

(max.)<br />

81<br />

(72,3%)<br />

16<br />

(14,3%)<br />

11<br />

(9,8%)<br />

18<br />

(16,1)<br />

10<br />

(8,9)<br />

7<br />

(6,25)<br />

3<br />

(2,7)<br />

4<br />

(3,6)<br />

141<br />

Mittelwert<br />

Alter<br />

(MW)<br />

10 59 25,11 9,421<br />

18 48 25,50 8,741<br />

18 48 25,64 8,835<br />

16 30 20,33 3,911<br />

15 28 20,40 4,351<br />

Standardabweichung<br />

(SD)<br />

15 54 27,71 12,945<br />

11 24 18,67 6,807<br />

9 41 31,25 15,064<br />

Quelle: Eigene Berechnungen / Gemeinschaftsfragebogen.<br />

Ein Vergleich der obigen Tabellen ergibt, dass sich das Alter derjenigen, die an<br />

Geldspielautomaten bzw. Glücksspiele im Internet gespielt haben, in beiden Studien kaum<br />

unterscheidet (bezogen auf den Spielbeginn). Dagegen können deutliche Altersunterschiede<br />

bei den Personen festgestellt werden, die am Kleinen Spiel der Spielbanken teilgenommen<br />

haben: In der vorliegenden Studie liegt der Mittelwert bei 25,5 Jahren; im Bundesmodellprojekt<br />

bei rund 32,3 Jahren. Ähnliche Unterschiede konnten auch beim Großen Spiel<br />

der Spielbanken festgestellt werden. Das durchschnittliche Alter bei Spielbeginn war im<br />

Bundesmodellprojekt deutlich höher als in der vorliegenden Studie (30,7 zu 25,6 Jahren). Bei<br />

den Sportwettern ergaben sich Abweichungen von 20,4 Jahren (Studie der Forschungsstelle<br />

Glücksspiel) zu 26,9 Jahren (Bundesmodellprojekt).


Tab. 59: Alter bei Störungsbeginn nach Spielformen und Geschlecht (nur Mehrfachkontakte)<br />

8.5 Spielerumfeld<br />

Quelle: Modellprojekt des Bundesministeriums für Gesundheit (2010), Tab 43, S. 57.<br />

Sowohl die KlientInnen ambulanter Beratungsstellen als auch die Fokusgruppenteilnehmer<br />

wurden befragt, ob es in ihrem Umfeld weitere Spieler und Spielerinnen gab. Bei den 108<br />

KlientInnen ambulanter Beratungsstellen, die diese Frage beantworteten, traf dies in etwa<br />

68 % der Fälle (73 Personen) zu. Dieses Ergebnis stützt die Überlegung, dass Spielerkarrieren<br />

ein Produkt von Veranlagung, Erziehung und sowohl sozialer als auch kultureller Umwelt<br />

sind (siehe Kapitel 7.3, Merkmale der Umwelt). Die Ursache für das Krankheitsgeschehen<br />

kann in der Familie liegen oder durch die Familie aufrechterhalten bleiben. 263 Familiäre<br />

Konflikte können sowohl Ursache als auch Folge des <strong>pathologischen</strong> <strong>Spielverhaltens</strong> sein.<br />

Auch Peergroups können einen großen Einfluss auf das Verhalten Einzelner nehmen.<br />

263 Meyer, G.; Bachmann, M. (2000), Spielsucht – Ursachen und Therapie, S. 256.<br />

142


Abb. 11: Gibt es in Ihrem Umfeld weitere Personen, die spielen?<br />

Quelle: Eigene Berechnungen / Fragebogen Forschungsstelle.<br />

Weiter sollten die KlientInnen ambulanter Beratungsstellen angeben, um welche Personen es<br />

sich dabei handelte. Dabei konnten sie unter folgenden Möglichkeiten wählen: Eltern,<br />

Geschwister, Partner, Freunde und Bekannte. Auch Mehrfachnennungen waren zugelassen.<br />

Bei den Spielerinnen und Spielern im Umfeld handelte es sich vor allem um Bekannte (74 %)<br />

und Freunde (64,4 %). Leider geht aus den Befragungsunterlagen nicht hervor, ob die<br />

befragten Spielerinnen und Spieler diese Bekannten bzw. Freunde über das Spielen kennen<br />

lernten oder durch die Bekannten bzw. Freunde zum Spielen kamen.<br />

Die anderen Personengruppen, wie etwa Eltern, Geschwister und Partner, wurden deutlich<br />

seltener benannt. Lediglich 11 % gaben spielende Eltern bzw. einen spielenden Elternteil an.<br />

Noch seltener wurden spielende Geschwister benannt (vier Personen oder 5,5 %). Eine Person<br />

gab einen spielenden Partner an.<br />

143


Tab. 60: Weitere SpielerInnen im sozialen Umfeld (Mehrfachnennung möglich)<br />

Spielende im sozialen Umfeld (n=73)<br />

144<br />

Häufigkeit Prozent<br />

Eltern 8 11,0<br />

Geschwister 4 5,5<br />

Partner 1 1,4<br />

Freunde 47 64,4<br />

Bekannte 54 74,0<br />

Quelle: Eigene Berechnungen / Fragebogen Forschungsstelle.<br />

Die meisten <strong>pathologischen</strong> Spielerinnen und Spieler – insgesamt 67,6 % – gaben an, dass<br />

auch Personen aus ihrem Umfeld spielten. In der Regel waren dies Freunde und Bekannte.<br />

Auch sieben der elf Teilnehmer an der Fokusgruppe bejahten die Frage nach Spielern bzw.<br />

Spielerinnen in ihrem sozialen Umfeld. Eine Person gab an, dass es sich dabei sowohl um<br />

Eltern, Geschwister, die Partnerin, Freunde und Bekannte handelte. Ein weiterer<br />

Fokusgruppenteilnehmer hatte sowohl spielende Freunde als auch Bekannte. Zwei Personen<br />

gaben an, lediglich im Bekanntenkreis SpielerInnen zu haben; bei weiteren zwei handelte es<br />

sich um Freunde. Ein Fokusgruppenteilnehmer nannte lediglich spielende Geschwister.<br />

Im Rahmen des SOGS, der ebenfalls erhoben wurde, konnten die KlientInnen ambulanter<br />

Beratungsstellen angeben, ob die Eltern oder einer der beiden Elternteile besonders häufig an<br />

Glücksspielen teilnahmen (Frage 3). Diese Frage wurde von 98 der 122 Befragten<br />

beantwortet. Es stellte sich heraus, dass bei 80,6 % keiner der beiden Elternteile zu viel<br />

spielte. Der Vater spielte bei 18,4% zu viel und lediglich bei einem Prozent spielte die Mutter<br />

zu viel (siehe Tabelle A 47 im Anhang).<br />

Weiter wurde erfragt, ob der / die SpielerIn lieber für sich oder in Gesellschaft spielt, da<br />

Einsamkeit eine mögliche Folge des <strong>Spielverhaltens</strong> sein könnte; während andere Personen<br />

das Spielen vielleicht als gesellschaftlichen Akt (im Sinne einer Spieler-Community)<br />

verstehen.<br />

Die an die KlientInnen ambulanter Beratungsstellen gerichtete Frage lautete: „Ist es Ihnen<br />

beim Spielen wichtig Ihre Ruhe zu haben oder suchen Sie dabei auch den Kontakt zu anderen<br />

Spielern vor Ort?“ (Fragebogen Forschungsstelle, Frage 20).


Hierauf antworteten 102 der 112 Befragten. 76,5% gaben an, lieber für sich allein sein; 23,5%<br />

wollten sich beim Spielen unterhalten oder auch in Gesellschaft spielen. Die Fokusgruppe<br />

ergab u. a., dass einigen Spielern die Beachtung durch andere Spieler und Spielerinnen<br />

wichtig war, gerade wenn sie „erfolgreich“ spielten. Dadurch versprachen sie sich Ansehen<br />

bei und Bestätigung durch die anderen Teilnehmenden. Somit kann das Spielgeschehen als<br />

eine Art Bühne gesehen werden, auf der sich die einzelnen Spielenden präsentieren und<br />

Anerkennung für Geleistetes erhalten können, was wiederum das Selbstwertgefühl stärken<br />

kann.<br />

Tab. 61: Gesellschaftsspieler oder Einzelspieler<br />

Ist es Ihnen beim Spielen wichtig Ihre Ruhe zu haben oder suchen Sie dabei<br />

auch den Kontakt zu anderen Spielern vor Ort? (n=102)<br />

145<br />

Häufigkeit Prozent<br />

Ich bin lieber für mich 78 76,5<br />

Ich unterhalte mich gerne mit den anderen oder spiele auch mal in<br />

Gesellschaft<br />

Quelle: Eigene Berechnungen / Fragebogen Forschungsstelle.<br />

8.6 Distanz zwischen Störungsbeginn und Erstbetreuung<br />

24 23,5<br />

In einem weiteren Schritt soll anhand der Daten aus dem Bundesmodellprojekt geklärt<br />

werden, wie viele Jahre es dauert, bis die betroffenen Spieler und Spielerinnen<br />

Hilfeleistungen in Anspruch nehmen. .<br />

Bei den 427 Personen, die an Geldspielautomaten in Spielhallen und gastronomischen<br />

Betrieben spielten, lagen zwischen Störungsbeginn und Erstbetreuung im Durchschnitt zehn<br />

Jahre. Diejenigen, die am Großen Spiel der Spielbank teilnahmen (30 Personen), nahmen<br />

nach etwa neun Jahren Hilfe in Anspruch. Bei Spielerinnen und Spielern, die bevorzugt das<br />

Kleine Spiel der Spielbank spielten (42 Personen), waren es im Schnitt acht Jahre. Personen<br />

(37 Personen), die Probleme mit Sportwetten hatten, nahmen nach etwa sechs Jahren Hilfe in<br />

Anspruch; diejenigen, die Glücksspiele im Internet spielten (40 Personen), nach fast<br />

viereinhalb Jahren.


Tab. 62: Distanz 264 in Jahren zwischen Störungsbeginn und Erstbetreuung<br />

(Aufsuchen des Modellprojekts bzw. der Beratungsstelle) – ohne Wiederaufnahmen und ohne Einmalkontakte<br />

Quelle: Modellprojekt des Bundesministeriums für Gesundheit (2010), Tab 44, S. 58.<br />

Bei einer geschlechtsspezifischen Betrachtung der Distanz zwischen Störungsbeginn und<br />

Erstbetreuung lässt sich feststellen, dass Frauen oftmals früher Hilfen in Anspruch nehmen als<br />

Männer. Die Spielerinnen an Geldspielautomaten waren etwa zwei Jahre früher gewillt, Hilfe<br />

in Anspruch zu nehmen, als ihre männlichen Mitspieler. Eine Sportwetterin (in dieser<br />

Kategorie gab es nur eine Nennung einer Frau) suchte nach drei Jahren Hilfe; bei Männern<br />

(n=36) waren es im Schnitt rund sechs Jahre. Bei den Glücksspielen im Internet war der<br />

Unterschied zwischen Männern und Frauen minimal; im Fall des Kleinen Spiels der<br />

Spielbank nahmen Männer früher Hilfen in Anspruch als Frauen. Auch beim Großen Spiel<br />

suchten Männer früher Hilfe auf (nach neun Jahren) als Frauen (nach 13,5 Jahren). Allerdings<br />

lagen auch für diese Spielform nur Angaben von zwei Frauen vs. 28 Männern vor, was das<br />

Ergebnis wenig signifikant erscheinen lässt.<br />

Interessant ist, dass es offensichtlich Spielformen gibt, bei denen der Verlauf des<br />

<strong>pathologischen</strong> <strong>Spielverhaltens</strong> schleppender ist. Interpretiert man die obige Tabelle<br />

dahingehend, steht zu vermuten, dass das Glücksspielen im Internet schneller zu<br />

schwerwiegenden Problemen führt, als das Spielen an Geldspielautomaten.<br />

264 Ausgewertet wurden die Daten derjenigen SpielerInnen, die bisher keine Hilfen im Zusammenhang mit ihrer<br />

Glücksspielproblematik in Anspruch genommen haben (vgl. Tab. 41).<br />

146


8.7 Glücksspielen und Zeitfaktor<br />

Das Glücksspielen nimmt im exzessiven Fall einen beträchtlichen Anteil des privaten sowie<br />

des beruflichen Lebens ein. In diesem Unterkapitel wird sowohl der typische Spieltag als auch<br />

die Stundenanzahl des Spielens zu Höchstzeiten betrachtet. Darüber hinaus wird die Anzahl<br />

der Spieltage pro Monat thematisiert.<br />

Die Befragten der ambulanten Beratungsstellen wurden gefragt, wie viele Stunden sie an<br />

einem typischen Spieltag mit Spielen verbrachten. Von den 99 Personen, die darauf<br />

antworteten, spielten fast 62 % weniger als fünf Stunden. Weitere 32 % gaben an, unter zehn<br />

Stunden gespielt zu haben. Die durchschnittliche Stundenzahl an einem typischen Spieltag<br />

beträgt somit rund 4,3 Stunden.<br />

Bezüglich der durchschnittlichen Spieldauer an einem typischen Spieltag kam das<br />

Bundesmodellprojekt durch seine Befragung auf einen ähnlichen Mittelwert: Die 983<br />

Befragten kamen auf eine durchschnittliche Spielzeit von 4,7 Stunden. 265 Bei dieser Frage<br />

wurden 983 Personen erreicht.<br />

Tab. 63: Typischer Spieltag – Angaben in Stunden<br />

Typischer Spieltag in Stunden (n=99, MW=4,323) Häufigkeit Prozent<br />

1 bis 4 Stunden 61 61,6<br />

5 bis 9 Stunden 32 32,3<br />

10 bis 14 Stunden 4 4,0<br />

15 Stunden und mehr 2 2,0<br />

Quelle: Eigene Berechnungen / Gemeinschaftsfragebogen.<br />

Außerdem sollten die KlientInnen der ambulanten Beratungsstellen angeben, wie lange sie zu<br />

ihren Höchstzeiten täglich gespielt hatten. Von den 106 gültigen Fällen gaben 45 % an, mehr<br />

als sechs Stunden gespielt zu haben. Weitere 31 % spielten zwischen vier und sechs Stunden<br />

täglich; bei rund 18 % waren es zwischen zwei und vier Stunden. Geht man von einem<br />

durchschnittlichen Achtstundenarbeitstag aus, bemerkt man, dass die komplette Freizeit<br />

(abzüglich der Zeit, die mit Schlafen verbracht wurde) für das Spielen verwendet wurde.<br />

265 FOGS (2010), Modellprojekt des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG), „Frühe Intervention beim<br />

Pathologischen Glücksspielen“, Tabelle 45, S. 59.<br />

147


Tab. 64: Stunden am Tag zu Höchstzeiten – KlientInnen ambulanter Beratungsstellen<br />

Wie oft haben Sie zu Ihren "Höchstzeiten" gespielt? (n=106) Häufigkeit Prozent<br />

Weniger als eine Stunde am Tag 2 1,9<br />

1 bis 2 Stunden am Tag 4 3,8<br />

2 bis 4 Stunden am Tag 19 17,9<br />

4 bis 6 Stunden am Tag 33 31,1<br />

mehr als 6 Stunden täglich 48 45,3<br />

Quelle: Eigene Berechnungen / Gemeinschaftsfragebogen.<br />

Im Gemeinschaftsfragebogen konnten die Spieler und Spielerinnen die maximale<br />

Stundenanzahl an einem Spieltag völlig frei angeben (s. Tabelle 65).<br />

Tab. 65: Maximale Anzahl an Stunden an einem Tag<br />

Zeit, die mit Glücksspielen verbracht wurde: maximal<br />

(n=98, MW 9,45)<br />

148<br />

Häufigkeit Prozent<br />

1 bis 4 Stunden 11 11,2<br />

5 bis 9 Stunden 40 40,8<br />

10 bis 14 Stunden 34 34,7<br />

15 bis 19 Stunden 9 9,2<br />

20 Stunden und mehr 4 4,1<br />

Quelle: Eigene Berechnungen / Gemeinschaftsfragebogen.<br />

Von den 98 Personen, die diese Frage beantwortet haben, spielten 11 % weniger als fünf<br />

Stunden täglich. Fast 41 % der 98 Befragten gaben an, zwischen fünf und neun Stunden<br />

täglich mit Spielen verbracht zu haben. Weitere 35 % gaben an, bis zu 14 Stunden an einem<br />

Tag gespielt zu haben; bei vier Personen waren es über 20 Stunden. Die Durchschnittszeit<br />

beträgt laut statistischer Berechnung 9,5 Stunden, was in etwa einem durchschnittlichen<br />

Arbeitstag entspricht (inklusive Pausen).


Die durchschnittliche maximale Anzahl an Stunden an einem Tag beträgt beim<br />

Bundesmodellprojekt 10,4 Stunden 266 (n=962) und liegt somit etwas höher als bei den<br />

Probanden und Probandinnen der vorliegenden Studie.<br />

Zur zeitlichen Betrachtung des <strong>Spielverhaltens</strong> <strong>eines</strong> <strong>pathologischen</strong> Spielers bzw. einer<br />

<strong>pathologischen</strong> Spielerin gehört es auch dazu, herauszufinden, wie viele Tage pro Monat mit<br />

Spielen verbracht wurden. Die durchschnittliche Anzahl an Spieltagen pro Monat beträgt gut<br />

13 Tage, also fast jeder zweite Tag.<br />

Das Bundesmodellprojekt kam bei der Nennung der durchschnittlichen Anzahl der Spieltage<br />

pro Monat auf 13,7 Tage. 267 Vergleicht man dieses Ergebnis mit dem Ergebnis der<br />

vorliegenden Studie (13,10 Tage pro Monat), kann man erneut feststellen, dass beide Studien<br />

diesbezüglich zu ähnlichen Ergebnissen gekommen sind. Während in der vorliegenden Studie<br />

nur 97 Personen bezüglich dieser Frage erreicht wurden, waren dies im Bundesmodellprojekt<br />

969 Personen.<br />

Tab. 66: Durchschnittliche Anzahl an Spieltagen im Monat<br />

Durchschnittliche Anzahl der Spieltage in einem Monat<br />

(n=97, MW= 13,10)<br />

149<br />

Häufigkeit Prozent<br />

1 bis 4 Tage 17 17,5<br />

5 bis 9 Tage 15 15,5<br />

10 bis 14 Tage 26 26,8<br />

15 bis 19 Tage 13 13,4<br />

20 bis 24 Tage 8 8,2<br />

25 bis 29 Tage 11 11,3<br />

30 Tage und mehr 7 7,2<br />

Quelle: Eigene Berechnungen / Gemeinschaftsfragebogen.<br />

Wie aus obiger Tabelle entnommen werden kann, spielten fast 27 % der 97 befragten<br />

Personen an zehn bis 14 Tagen monatlich; 17,5 % an weniger als fünf Tagen monatlich.<br />

Knapp über 11 % spielten zwischen 25 und 29 Tagen monatlich. An fünf bis neun Tagen<br />

monatlich spielten 15 Personen; weitere sieben Personen täglich (30 Tage und mehr).<br />

266 FOGS (2010), Modellprojekt des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG), „Frühe Intervention beim<br />

Pathologischen Glücksspielen“, Tabelle 45, S. 59.<br />

267 FOGS (2010), Modellprojekt des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG), „Frühe Intervention beim<br />

Pathologischen Glücksspielen“, Tabelle 45, S. 59.


Insgesamt kann festgehalten werden, dass die befragten Probandinnen und Probanden einen<br />

großen Teil ihrer verfügbaren Zeit für das Glücksspiel aufwenden. Ein pathologischer Spieler<br />

bzw. eine pathologische Spielerin spielt in aktiven Phasen durchschnittlich 4,3 Stunden am<br />

Tag bzw. verbringt zwischen vier bis sechs Stunden am Tag mit dem Spiel. Die maximale<br />

Anzahl an Stunden an einem Tag können durchschnittlich ca. 9,5 Stunden betragen. Innerhalb<br />

<strong>eines</strong> Monats spielt der bzw. die Betroffene an durchschnittlich 13 Tagen.<br />

8.8 Spielfreie Phasen und Abstinenzversuche<br />

Wie eingangs erwähnt zeichnet sich die Verzweiflungsphase der Spielerkarriere auch dadurch<br />

aus, dass die Spielenden Abstinenzversuche im Alleingang unternehmen, diese jedoch selten<br />

erfolgreich enden. Im Nachfolgenden wird kurz vorgestellt, was die Befragten der ambulanten<br />

Beratungsstellen zum Thema spielfreie Phasen zu sagen hatten.<br />

Der Gemeinschaftsfragebogen beinhaltete unter anderem die Frage nach der Anzahl längerer<br />

spielfreier Phasen innerhalb der vergangenen 12 Monate. Von 110 gültigen Fällen gaben etwa<br />

74 % (81 Personen) an, solche Phasen gehabt zu haben. Im Vergleich dazu gaben 48,3 % der<br />

1.056 Befragten (510 Personen) des Bundesmodellprojektes an, in den letzten 12 Monaten<br />

spielfreie Phasen gehabt zu haben.<br />

In der darauffolgenden Frage sollten die KlientInnen der ambulanten Beratungsstellen die<br />

Anzahl der spielfreien Phasen angeben. Die Antworten rangierten zwischen einer bis zu zehn<br />

spielfreien Phasen. Von den 79 Personen, die hierzu Angaben machten, hatten rund 58 % eine<br />

längere spielfreie Phase. Zehn Personen, also fast 13 %, hatten zwei spielfreie Phasen.<br />

Weitere 11,4 % hatten drei solcher Phasen.<br />

150


Tab. 67: Anzahl der spielfreien Phasen in den letzten 12 Monaten 268<br />

Anzahl der Phasen (n=79, MW= 2,11)<br />

151<br />

Häufigkeit Prozent<br />

1 46 58,2<br />

2 10 12,7<br />

3 9 11,4<br />

4 5 6,3<br />

5 5 6,3<br />

6 2 2,5<br />

7 1 1,3<br />

10 1 1,3<br />

Gesamt 79 100,0<br />

Quelle: Eigene Berechnungen / Gemeinschaftsfragebogen.<br />

Die KlientInnen ambulanter Beratungsstellen hatten somit durchschnittlich zwei längere<br />

spielfreie Phasen in den letzten 12 Monaten. Dieses Ergebnis stimmt mit dem Ergebnis des<br />

Bundesmodellprojektes überein (2,1 spielfreie Phasen) 269 . Jedoch gaben die 461 erreichten<br />

Befragten des Bundesmodellprojektes zwischen einer und 20 spielfreien Phasen an, während<br />

die ProbandInnen der vorliegenden Studie nur zwischen einer und zehn spielfreie Phasen<br />

hatten.<br />

Ferner sollten die KlientInnen ambulanter Beratungsstellen angeben, wie lange diese<br />

spielfreien Phasen angedauert haben. Dieser Punkt wurde von 79 Personen beantwortet. Die<br />

Antworten ergaben Werte von durchschnittlich 19 bis 20 Wochen. 57 % der Befragten hatten<br />

spielfreie Phasen, die von einer bis zu 14 Wochen andauerten. Weitere 20,3 % lebten<br />

zwischen 15 bis zu 29 Wochen spielfrei. Es gab auch neun Personen (11,4 %), die zwischen<br />

45 bis zu 59 Wochen ohne Spielen verbrachten. Eine Person gab sogar an, 130 Wochen<br />

spielfrei gelebt zu haben.<br />

Einige der Befragten haben zusätzlich auf dem Fragebogen angemerkt, dass es sich bei ihren<br />

Angaben um die aktuelle spielfreie Phase handelt.<br />

268 Angaben, die nicht in Zahlen umgerechnet werden konnten, mussten außer Acht gelassen werden.<br />

269 FOGS (2010), Modellprojekt des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG), „Frühe Intervention beim<br />

Pathologischen Glücksspielen“, Tabelle A 20, S. A. 7.


Ein Vergleich mit den Zahlen aus dem Bundesmodellprojekt zeigt auf, dass die Befragten der<br />

vorliegenden Studie im Durchschnitt längere spielfreie Phasen hatten. Die 462 Befragten des<br />

Bundesmodellprojektes kamen auf eine durchschnittliche Dauer von 14,3 Wochen. 270<br />

Tab. 68: Durchschnittliche Dauer dieser spielfreien Phasen<br />

Durchschnittliche Dauer der spielfreien Phasen (n=79, MW=19,82) Häufigkeit Prozent<br />

unter 15 Wochen 45 57,0<br />

unter 30 Wochen 16 20,3<br />

unter 45 Wochen 5 6,3<br />

unter 60 Wochen 9 11,4<br />

unter 75 Wochen 1 1,3<br />

unter 90 Wochen 1 1,3<br />

unter 105 Wochen 1 1,3<br />

über 120 Wochen 1 1,3<br />

Quelle: Eigene Berechnungen / Gemeinschaftsfragebogen.<br />

Auch die Fokusgruppenteilnehmer wurden um Angaben zu ihren Abstinenzversuchen<br />

gebeten. Acht der elf Befragten gaben an, ein- oder mehrmals versucht zu haben, mit dem<br />

Spielen aufzuhören. Fünf von ihnen versuchten zwischen einem und zehn Mal, mit dem<br />

Spielen aufzuhören; ein weiterer Teilnehmer 20 bis 30 Mal. Zwei weitere haben es entweder<br />

ständig oder „x-Mal“ versucht. Eine Person gab an, sich nicht an die Anzahl der Versuche<br />

erinnern zu können.<br />

8.9 Forschungsbedarf<br />

Aufgrund des Umfangs des Fragebogens, der zum einen aus dem Teil des ZI Mannheims und<br />

zum anderen aus dem Teil der Forschungsstelle Glücksspiel bestand, konnte die Befragung<br />

bezüglich der Spielerkarriere nicht tiefgründiger gestaltet werden. Zudem empfiehlt es sich,<br />

Einzelinterviews mit betroffenen <strong>pathologischen</strong> Spielerinnen und Spielern zu führen, um die<br />

Spielerkarriere explizit zu erfassen.<br />

270 FOGS (2010), Modellprojekt des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG), „Frühe Intervention beim<br />

Pathologischen Glücksspielen“, Tabelle 46, S. 60.<br />

152


Die Probanden wurden nicht danach befragt, in welchem Zeitraum sie die drei eingangs<br />

erklärten Phasen durchlaufen hatten. Somit konnte nicht ermittelt werden, wie schnell eine<br />

bestimmte Spielform zu süchtigem Verhalten führt.<br />

Ferner ist der Durchlauf der Phasen schwer trennbar und stark personenbezogen. Ebenso<br />

wenig konnte erfasst werden, wie lange es gedauert hat, bis die <strong>pathologischen</strong> Spielerinnen<br />

und Spieler sich ihr Problem, verursacht durch das exzessive Spielen, selbst eingestehen<br />

konnten. Auch diese Frage gilt es in Einzelgesprächen zu klären. Da die meisten<br />

<strong>pathologischen</strong> Spielerinnen und Spieler sich für ihr Spielverhalten schämen, sollten diese<br />

heiklen Themen persönlich und in kleinem Rahmen angesprochen werden.<br />

Ebenso wenig wurde aus dem Fragebogen ersichtlich, ob die Befragten durch eine spezielle<br />

Person oder ein spezielles Ereignis zum Glücksspiel kamen. Es kann lediglich aufgezeigt<br />

werden, ob die Befragten vor Beginn des Spielens arbeitslos waren oder in Folge des Spielens<br />

arbeitslos wurden (siehe Tabelle A 17 und A 18 im Anhang sowie Kapitel 9.6).<br />

Weiter konnte zwar dokumentiert werden, mit welcher Spielform die Betroffenen begonnen<br />

und zu welchen Spielformen sie im Laufe der Spielkarriere gewechselt hatten, jedoch konnte<br />

nicht erfasst werden, ob der Wechsel zwischen den Spielformen zu einer Zunahme der<br />

Spielproblematik geführt hat.<br />

Der Spielerkarriere thematisch zugehörig ist die Frage, wie bzw. aus welchen Gründen die<br />

Betroffenen sich zu einer therapeutischen Maßnahme entschlossen. Ebenso interessant ist die<br />

Frage, wie sie in Kontakt mit der Beratungsstelle traten und welche Erfahrungen sie mit dieser<br />

gemacht haben. Diese Thematik wird in Kapitel 13, Versorgungsforschung, thematisiert<br />

werden.<br />

Wie bereits thematisiert, treten früher oder später Probleme aufgrund des <strong>pathologischen</strong><br />

<strong>Spielverhaltens</strong> ein. Bei einigen Personen führt dieses Verhalten zu familiären und / oder<br />

beruflichen Veränderungen, bei anderen zu Schulden und sozialer Abgrenzung. Obwohl diese<br />

negativen Konsequenzen Teil der Spielerkarriere sind, werden sie – der Ausführlichkeit<br />

wegen – im nachfolgenden Kapitel 9 thematisiert.<br />

153


9 Soziale negative Begleiterscheinungen des <strong>pathologischen</strong><br />

Glücksspielverhaltens<br />

Das pathologische Glücksspielverhalten ist in der Regel mit negativen Begleiterscheinungen<br />

verbunden, sowohl für den Spieler selbst als auch für die Allgemeinheit. Diese sozial<br />

negativen Folgeerscheinungen bestehen unter anderem darin, dass ein pathologisches<br />

Glücksspielverhalten zu Verschuldung, damit auch zu Beschaffungskriminalität und sogar zu<br />

Selbstmord bzw. Selbstmordversuchen führen kann. 271 Das vorliegende Kapitel befasst sich<br />

mit den sozialen negativen Folgen des <strong>pathologischen</strong> Glücksspielverhaltens.<br />

9.1 Soziale negative Folgen im Überblick<br />

Zunächst werden die Ergebnisse der Befragung des Bundesmodellprojektes bezüglich der<br />

negativen Konsequenzen des Glücksspielverhaltens präsentiert. Insgesamt haben sich<br />

1.080 Personen dazu geäußert (102 Frauen und 978 Männer). Beim Bundesmodellprojekt<br />

waren 15 Items bezüglich der negativen Konsequenzen gegeben, während die KlientInnen<br />

ambulanter Beratungsstellen zwischen elf Antwortmöglichkeiten wählen konnten. Zusätzlich<br />

wurden im Rahmen der Befragung des Bundesmodellprojektes folgende Aspekte thematisiert:<br />

Beziehungsprobleme, Wohnungsverlust, Probleme am Arbeitsplatz sowie Suizidgedanken.<br />

Fast 81 % der im Bundesmodellprojekt Befragten litten an finanziellen Problemen / Schulden;<br />

73,7 % kämpften mit Schuldgefühlen / Depressionen. An dritter Stelle der häufig genannten<br />

negativen Konsequenzen des Glücksspielverhaltens befand sich die Neigung zu sozialem<br />

Rückzug / Einsamkeit (49,2 %). Diese Konsequenzen wurden fast gleich häufig von Männern<br />

wie auch von Frauen genannt (bezogen auf die Prozentwerte). Im Schnitt benannten die<br />

Teilnehmenden des Bundesmodellprojektes je drei bis vier negative Konsequenzen. 272<br />

271 Becker, T. (2009), Glücksspielsucht in Deutschland. Prävalenz bei verschiedenen Glücksspielformen, S. 24.<br />

272 Gesellschaft für Forschung und Beratung im Gesundheits- und Sozialbereich (FOGS, 2010), Modellprojekt<br />

des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) „Frühe Intervention beim Pathologischen Glücksspiel“,<br />

S. 53.<br />

154


Tab. 69: Negative Folgen des Glücksspiels (Mehrfachnennungen möglich)<br />

Quelle: Modellprojekt des Bundesministeriums für Gesundheit (2010), Tab 40, S. 54.<br />

Prozentual betrachtet litten Frauen häufiger an psychosomatischen Beschwerden als Männer<br />

(45,1 % zu 30 %). Männer nannten die Trennung von ihrer (Ehe-)Partnerin bzw. ihrem (Ehe-)<br />

Partner häufiger als negative Konsequenz als dies Frauen taten (21,8 % zu 10,8 %). Auch<br />

gaben Männer (25,1 %) häufiger als Frauen (18,6 %) Beziehungsprobleme an (PartnerIn,<br />

Familie, Freunde) und / oder durch die Spielproblematik FreundInnen verloren (26,3 % zu<br />

21,6 %). Wenn es um den Verlust des Arbeitsplatzes geht, waren ebenfalls mehr Männer als<br />

Frauen betroffen (13,1 % zu 8,8 %). Bezüglich Strafverfahren als Konsequenz des Spielens<br />

waren Männer ebenfalls stärker betroffen als Frauen (11,1 % zu 2,9 %). An Suizidgedanken<br />

litten die befragten Männer und Frauen gleichermaßen. Einen Unterschied zwischen den<br />

männlichen und weiblichen Befragten gab es jedoch bei der Nennung der Suizidversuche als<br />

negative Folge des Glücksspiels: 12,7 % der befragten Frauen und 9,5 % der befragten<br />

Männer hatten Suizidversuche unternommen.<br />

Im Fragebogen der vorliegenden Untersuchung hatten die KlientInnen ambulanter<br />

Beratungsstellen die Möglichkeit anzugeben, welche sozialen negativen Folgen aufgrund<br />

ihres Glücksspielverhaltens eingetroffen sind. Es waren elf Frage-Items vorgegeben;<br />

Mehrfachnennungen waren erwünscht und zugelassen. Insgesamt beteiligten sich 107 der<br />

112 ProbandInnen 107 an dieser Frage (sechs Frauen, 101 Männer).<br />

155


Lediglich eine (männliche) Person gab an, keine negativen Folgen erfahren zu haben. Im<br />

Durchschnitt wurden etwa vier negative Konsequenzen pro Person dokumentiert.<br />

Die Angaben der KlientInnen ambulanter Beratungsstellen bzgl. der drei verbreitetesten<br />

negativen Folgen decken sich mit denjenigen des Bundesmodellprojekts. Die meisten<br />

Nennungen entfielen auf finanzielle Probleme / Schulden (78,5 %). An Schuldgefühlen /<br />

Depressionen litten rund 73 % der Befragten. Weitere 62,6 % erlebten aufgrund ihres<br />

<strong>pathologischen</strong> <strong>Spielverhaltens</strong> sozialen Rückzug / Einsamkeit. Die Hälfte der 107 Befragten<br />

hatte aufgrund ihres <strong>Spielverhaltens</strong> Freunde verloren; 35,5 % der Befragten mussten eine<br />

Trennung von ihrem / ihrer Partner/in bzw. Ehemann / Ehefrau verkraften. Auch von<br />

psychosomatischen Beschwerden blieben rund 31 % der Befragten nicht verschont. Eine<br />

weitere Konsequenz des exzessiven Spielens waren drohende bzw. laufende Strafverfahren,<br />

wovon 17 Personen (15,9 %) betroffen waren.<br />

Tab. 70: Negative Folgen des Glücksspiels – KlientInnen ambulanter Beratungsstellen<br />

Negative Folgen des Glücksspiels –<br />

Mehrfachnennungen möglich (n=107)<br />

Finanzielle Probleme, Schulden<br />

Schuldgefühle, Depressionen<br />

Sozialer Rückzug, Einsamkeit<br />

Psychosomatische Beschwerden<br />

Verlust von Freunden<br />

Trennung v. Ehefrau / Ehemann / Partner<br />

Verlust der Arbeitsstelle<br />

Strafverfahren<br />

Suizidversuch(e)<br />

Sonstige Probleme<br />

Keine negativen Folgen<br />

156<br />

Weiblich<br />

(n=6)<br />

Männlich<br />

(n=101)<br />

Gesamt<br />

(n=107)<br />

abs. in % abs. in % abs. in %<br />

5<br />

5<br />

5<br />

5<br />

2<br />

2<br />

2<br />

1<br />

1<br />

1<br />

-<br />

83,3<br />

83,3<br />

83,3<br />

83,3<br />

33,3<br />

33,3<br />

33,3<br />

16,7<br />

16,7<br />

16,7<br />

-<br />

79<br />

73<br />

62<br />

28<br />

52<br />

36<br />

22<br />

16<br />

17<br />

26<br />

1<br />

78,2<br />

72,3<br />

61,4<br />

27,7<br />

51,5<br />

35,6<br />

21,8<br />

15,8<br />

16,8<br />

25,7<br />

1,0<br />

Quelle: Eigene Berechnungen / Gemeinschaftsfragebogen.<br />

Die geschlechtsspezifische Betrachtung ist in der vorliegenden Untersuchung wenig sinnvoll,<br />

da wie bereits erwähnt sehr wenige Frauen an der Befragung teilgenommen haben.<br />

84<br />

78<br />

67<br />

33<br />

54<br />

38<br />

24<br />

17<br />

18<br />

27<br />

1<br />

78,5<br />

73,0<br />

62,6<br />

30,8<br />

50,5<br />

35,5<br />

22,4<br />

15,9<br />

16,8<br />

25,2<br />

0,9


9.2 Finanzielle Probleme / Schulden<br />

Meyer (1989) hat 1987 die Mitglieder von 54 Selbsthilfegruppen in 45 Städten unter anderem<br />

nach der Häufigkeit befragt, mit der das letzte Geld verspielt wurde. Etwa 90 % der<br />

Probanden haben oft, sehr oft oder immer das letzte Geld verspielt und bei nur 0,2 % der<br />

Probanden ist dies nie vorgekommen. 273<br />

Abb. 12: Häufigkeit, mit der das letzte Geld verspielt wurde (n=437)<br />

Quelle: Meyer, G. (1989).<br />

Die Probanden empfanden vor allem die finanzielle Situation als belastend, gefolgt von den<br />

Belastungen für die Partnerschaft und die seelische Gesundheit. In der Untersuchung von<br />

Meyer hatten nur 13,3 % der Probanden keine Spielschulden. Zu einem ähnlichen Ergebnis<br />

kamen Schwarz und Lindner (1990), die Glücksspieler in stationärer Behandlung befragten,<br />

sowie Denzer et al. (1995), die Glücksspieler erfassten, die im Jahr 1993 Kontakt zu einer<br />

(von 13) Beratungs- und Behandlungszentren aufgenommen haben. 274<br />

273 Becker, T. (2009), Glücksspielsucht in Deutschland. Prävalenz bei verschiedenen Glücksspielformen, S. 24.<br />

274 Becker, T. (2009), Glücksspielsucht in Deutschland. Prävalenz bei verschiedenen Glücksspielformen, S. 25.<br />

157


Diese drei Untersuchungen kamen zu dem Ergebnis, dass die Klienten im Durchschnitt<br />

Schulden in der Höhe von etwa 5.000 bis 25.000 Euro (umgerechnet von DM) hatten. Keine<br />

Schulden hatten nur etwa 10 % der Klienten und etwa 20 % der Klienten hatten Schulden von<br />

mehr als 25.000 Euro. 275<br />

Abb. 13: Spielschulden vor dem Besuch der Selbsthilfegruppe (n=437) nach Meyer, G. (1989), von stationär<br />

behandelten Glücksspielern (n=57) nach Schwarz, J.; Lindner, A. (1990) und von Beratungssuchenden (n=558)<br />

nach Denzer, P. et al. (1995)<br />

Quellen: Denzer, P. et al. 1995, Meyer, G. 1989 und Schwarz, J.; Lindner, A. 1990.<br />

In einer Untersuchung der im Zeitraum 1986 bis 1993 in der psychosomatischen Fachklinik<br />

Münchwies aufgenommenen 206 <strong>pathologischen</strong> Glücksspieler (Petry 1994) wies ein Viertel<br />

der Stichprobe eine Verschuldung zwischen 15.000 und 25.000 Euro auf, wobei zwei Drittel<br />

der Probanden mehr als 5.000 Euro Schulden hatten, die als unmittelbare Folge der<br />

Spielproblematik anzusehen waren. 276<br />

Nach einer aktuellen Befragung von 68 Klienten, die erstmalig eine ambulante Einrichtung<br />

der Suchtkrankenhilfe in Stuttgart aufgesucht hatten (Laging 2008), wiesen 22 % keine<br />

Schulden auf. Mehr als 45 % der Klienten hatten Schulden über 10.000 Euro. 277<br />

275 Becker, T. (2009), Glücksspielsucht in Deutschland. Prävalenz bei verschiedenen Glücksspielformen, S. 25.<br />

276 Becker, T. (2009), Glücksspielsucht in Deutschland. Prävalenz bei verschiedenen Glücksspielformen, S. 26.<br />

277 Becker, T. (2009), Glücksspielsucht in Deutschland. Prävalenz bei verschiedenen Glücksspielformen, S. 26.<br />

158


Abb. 14: Verschuldung, Angaben in Prozent<br />

Quelle: Laging 2008.<br />

Von den 1.046 Befragten des Bundesmodellprojektes, die Angaben zu ihren Schulden<br />

machten, waren 19 % schuldenfrei. Den größten Anteil stellten mit 40 % diejenigen Personen,<br />

die bis zu 10.000 Euro Schulden hatten. Fast 20 % der Befragten hatten Schulden zwischen<br />

10.000 und 25.000 Euro; weitere 13 % zwischen 25.000 und 50.000 Euro; fast 8 % im Wert<br />

von mehr als 50.000 Euro. Laut Bundesmodellprojektbericht liegt die Spanne der Angaben<br />

bzgl. der Schulden über 50.000 Euro zwischen 60.000 Euro bis hin zu einer Million. „Dabei<br />

beziehen sich 50 % der Angaben auf eine Schuldenhöhe bis zu 100.000 Euro, ein Drittel der<br />

Angaben zur Schuldenhöhe liegt zwischen 100.000 bis zu 200.000 Euro.“ 278 .<br />

Tab. 71: Verschuldung<br />

Quelle: Modellprojekt des Bundesministeriums für Gesundheit (2010), Tab 48, S. 60.<br />

Sowohl die Befragten der ambulanten Beratungsstellen als auch die Fokusgruppenteilnehmer<br />

wurden zu ihrer persönlichen Verschuldung befragt. 105 der 112 teilnehmenden Personen aus<br />

278 Gesellschaft für Forschung und Beratung im Gesundheits- und Sozialbereich (FOGS, 2010), Modellprojekt<br />

des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) „Frühe Intervention beim Pathologischen Glücksspiel, S. 60.<br />

159


den ambulanten Beratungsstellen lieferten verwertbare Angaben. Den größten Anteil stellten<br />

mit 35 % Personen ohne Schulden; rund 11% nannten Schulden von bis 2.000 Euro. Weitere<br />

19 % gaben Schulden im Bereich zwischen 2.001 und 10.000 Euro an. Die nächste<br />

Verschuldungsstufe lag bei 10.001 bis 20.000 Euro; in diesen Bereich entfielen 11 % der<br />

Befragten. Rund 13 % nannten Schulden im Bereich von 20.001 bis 50.000 Euro. Bei fast<br />

10 % überstiegen die Schulden den Wert von 50.001 Euro. Die höchste Verschuldung lag bei<br />

400.000 Euro (eine Person). Der Durchschnittswert der Schulden betrug rund 22.600 Euro.<br />

Abb. 15: Verschuldung der KlientInnen ambulanter Beratungsstellen (n=105)<br />

Quelle: Eigene Berechnungen / Gemeinschaftsfragebogen.<br />

Im Vergleich zu den Ergebnissen des Bundesmodellprojektes waren deutlich mehr<br />

KlientInnen ambulanter Beratungsstellen schuldenfrei. Auch bei Laging hatten nur 22 % der<br />

68 Befragten keine Schulden (siehe Abbildung 14). Weiter hatten in der vorliegenden Studie<br />

30,5 % der 105 Befragten Schulden von bis zu 10.000 Euro (Bundesmodellprojekt: 40,2 %).<br />

Schulden zwischen 10.001 und 25.000 Euro hatten rund 14 % der KlientInnen ambulanter<br />

Beratungsstellen (Bundesmodellprojekt: etwa 20 %). 10,5 % der Befragten der vorliegenden<br />

Studie hatten Schulden zwischen 25.001 und 50.000 Euro (Bundesmodellprojekt: 13 %).<br />

Bzgl. der Schulden über 50.000 Euro lag die Zahl der Betroffenen in der vorliegenden Studie<br />

etwas höher als im Bundesmodellprojekt: Während dort 7,6 % der Befragten über 50.000<br />

160


Euro Schulden hatten, waren dies in der Hohenheimer Studie 9,5 % (siehe Tabelle A 70 im<br />

Anhang). Die Personen, deren Schulden in der vorliegenden Studie 50.000 Euro überstiegen,<br />

hatten im Schnitt Schulden von 156.000 Euro.<br />

9.3 Höchster Tagesverlust<br />

Um detailliert nachvollziehen zu können, wie das pathologische Spielverhalten zu finanziellen<br />

Problemen führte, wird aufgezeigt, wie viel Geld die Spielerinnen und Spieler an einem Tag<br />

eingesetzt und verloren haben.<br />

Zunächst werden die Ergebnisse des Bundesmodellprojekts bezüglich des höchsten<br />

Tagesverlustes differenziert nach Spielform betrachtet. Die 628 Personen, die nur an<br />

Geldspielautomaten gespielt hatten, bezifferten folgende Tagesverluste: Die 52 befragten<br />

Frauen erreichten einen Mittelwert von 662 Euro; die Verluste lagen im Bereich von 100 bis<br />

5.000 Euro. Die 576 befragten Männer kamen mit 964 Euro zu einem höheren<br />

durchschnittlichen Tagesverlust. Hier lagen die einzelnen Nennungen bei Werten zwischen 20<br />

und 20.000 Euro. Durchschnittlich verspielten die Befragten etwa 940 Euro.<br />

Die drei Frauen, die nur Glücksspiele im Internet gespielt haben, investierten Beträge<br />

zwischen 400 und 80.000 Euro. Aufgrund der geringen Anzahl an Frauen, die sich an dieser<br />

Frage beteiligt hatten, und der großen Geldspanne lässt sich kein valider Mittelwert<br />

berechnen. Bei den Männern (n=24) ergab sich ein Mittelwert von 2.064 Euro. Sie nannten<br />

Summen im Wert von 40 bis 13.000 Euro.<br />

Die 17 Männer, die nur an Sportwetten teilnahmen, kamen auf einen Mittelwert von 1.374<br />

Euro; sie gaben zwischen 50 und 5.000 Euro aus. Der höchste durchschnittliche Tagesverlust<br />

bei Männern, die nur am Kleinen Spiel der Spielbanken teilgenommen hatten, lag bei 4.822<br />

Euro. Dieser Durchschnittswert ergibt sich aus den genannten Geldsummen in Bereich<br />

zwischen 300 und 38.000 Euro. Frauen, die am Kleinen Spiel teilnahmen, gaben zwischen<br />

1.000 und 2.000 Euro aus.<br />

Aus der Tabelle geht hervor, dass die Männer in der Regel höhere Tagesverluste hatten als die<br />

Frauen. Es liegt die Vermutung nahe, dass Männer risikobereiter sind als Frauen (siehe<br />

Kapitel 11.1, Risikobereitschaft).<br />

161


Tab. 72: Höchster Tagesverlust – differenziert nach Spielform<br />

Quelle: Modellprojekt des Bundesministeriums für Gesundheit (2010), Tab A 28, S. A. 10.<br />

Auch die KlientInnen ambulanter Beratungsstellen wurden zu ihrem höchsten Tagesverlust<br />

befragt, jedoch ist aufgrund der geringen Teilnehmerinnenzahl keine Trennung der<br />

Geschlechter sinnvoll. Bei den 53 Personen, die nur an Geldspielautomaten gespielt haben,<br />

lagen die Tagesverluste zwischen zehn und mehr als 10.000 €, wobei rund 74 % zwischen 100<br />

und 1.000 € als absoluten Tagesverlust bezifferten. Die anderen Spielformen werden seltener<br />

ausschließlich gespielt, weshalb die Nennungen der höchsten Tagesverluste sehr gering<br />

ausfallen.<br />

Tab. 73: Höchster Tagesverlust differenziert nach Spielform – KlientInnen ambulanter Beratungsstellen<br />

nur Geldspielautomaten in Spielhallen / nur Glücksspiel nur<br />

nur<br />

gastronomischen Betrieben<br />

im Internet Kl<strong>eines</strong> Spiel Sportwetten<br />

zwischen 10 € - 100 € 4 - - 1<br />

zwischen 100 € - 1.000 € 39 1 3 -<br />

zwischen 1.000 € - 10.000 € 9 - 3 1<br />

mehr als 10.000 € 1 2 1 -<br />

Gesamt 53 3 7 2<br />

Quelle: Eigene Berechnungen / SOGS-Fragebogen ZI Mannheim & Fragebogen Forschungsstelle.<br />

Betrachtet man den höchsten Tagesverlust unabhängig von der Anzahl der Spielformen, die<br />

hauptsächlich gespielt wurden, ergeben sich folgende Ergebnisse:<br />

Bei rund 56 % der 107 Probanden lag die größte Geldsumme, die an einem Tag aufs Spiel<br />

gesetzt wurde, bei Werten zwischen 100 und 1.000 Euro. Weitere 31 % setzten zwischen<br />

1.000 und 10.000 Euro pro Tag aufs Spiel. Etwa 5 % verspielten an einem Tag mehr als<br />

10.000 Euro. Leider kann aus den erhobenen Daten nicht nachvollzogen werden, wie hoch<br />

diese Summe war.<br />

162


Tab. 74: Höchster Tagesverlust – KlientInnen ambulanter Beratungsstellen<br />

Geldsumme, die je an einem Tag verspielt wurde<br />

Habe noch nie gespielt<br />

1 € oder weniger<br />

Mehr als 1-10 €<br />

Zwischen 10-100 €<br />

Zwischen 100-1.000 €<br />

Zwischen 1.000-10.000 €<br />

Mehr als 10.000 €<br />

163<br />

Häufigkeit Prozent<br />

Gesamt 107 100,0<br />

9.4 Geldbeschaffung<br />

Quelle: Eigene Berechnungen / SOGS-Fragebogen ZI Mannheim.<br />

In der Regel geht pathologisches Spielverhalten mit einer Verschuldung der Spielenden<br />

einher. Wer regelmäßig spielt, braucht ein geregeltes Einkommen bzw. eine sichere<br />

Geldquelle. Oftmals reicht das vorhandene eigene Geld nicht aus, um den persönlichen<br />

Spieltrieb zu befriedigen. Infolgedessen muss Geld beschafft werden. Meistens werden<br />

nahestehende Personen darum gebeten, Geld zu leihen bzw. Kredite werden aufgenommen.<br />

Das Problem jedoch ist die schleppende Rückzahlung, da das gesamte Geld verspielt wird,<br />

sobald die Spielenden es in den Händen halten.<br />

Die KlientInnen der ambulanten Beratungsstellen wurden daher befragt, ob sie sich aufgrund<br />

des Spielens Geld bei anderen Personen geliehen und nicht zurückgezahlt hatten. Gut die<br />

Hälfte (52 %) der 107 Personen, die diese Frage beantworteten, haben sie bejaht.<br />

Haben Sie jemals wegen des Spielens Geld bei<br />

anderen geliehen und es nicht zurückgezahlt?<br />

Tab. 75: Geliehenes Geld<br />

-<br />

-<br />

2<br />

7<br />

60<br />

33<br />

5<br />

-<br />

-<br />

1,9<br />

6,5<br />

56,1<br />

30,8<br />

4,7<br />

Häufigkeit Prozent<br />

Ja 56 52,3<br />

Nein 51 47,7<br />

Gesamt 107 100,0<br />

Quelle: Eigene Berechnungen / SOGS-Fragebogen ZI Mannheim.


In einem weiteren Schritt sollten die Befragten genau angeben, wo bzw. von welcher Person<br />

sie Geld geborgt hatten. Es waren wiederum Mehrfachnennungen möglich.<br />

Die meisten der Befragten, sprich 69 Personen (etwa 62 %) hatten sich Geld von Banken und<br />

Kreditanstalten geliehen; 50 % der Befragten (56 Personen) von anderen Verwandten. Eine<br />

weitere beliebte Geldquelle war das Haushaltsgeld (47 Personen), wobei in diesem Fall davon<br />

ausgegangen werden kann, dass dieses Geld der Haushaltskasse entwendet wurde und somit<br />

noch andere negative Konsequenzen mit dem / der PartnerIn oder den Eltern auftraten. Platz<br />

vier der am häufigsten genannten Geldquellen erreichte die Kreditkarte mit fast 36 % (40<br />

Personen). In diesen Fällen floss kein „echtes“ Geld durch die Hände der Spielenden, was von<br />

einigen der Befragten auch als Problem ihrer Spielsucht thematisiert wurde (mehr dazu in<br />

Kapitel 13 Präventionsmaßnahmen).<br />

32 Personen finanzierten sich das Spielen über den Verkauf von persönlichem bzw. Familieneigentum<br />

oder liehen sich Geld von dem / der PartnerIn (21 Personen). Andere wiederum<br />

sahen in Aktien, Obligationen oder anderen Sicherheiten Möglichkeiten, um an Geld zu<br />

kommen (sechs Personen). Selbstverständlich unternahmen auch einige Befragte<br />

gesellschaftlich nicht gern gesehene Unternehmungen, um an Geld zu kommen. Man lieh sich<br />

Geld bei Kredithaien (zehn Personen), nutzte ungedeckte Schecks („bad checks“ / fünf<br />

Personen) oder traf Kreditvereinbarungen mit Buchmachern (vier Personen) bzw. Casinos<br />

(drei Personen). Ansonsten gab je eine Person an, Geld beim Arbeitgeber oder bei Freunden<br />

geliehen zu haben.<br />

164


Tab. 76: Geborgtes Geld – von wem oder wo?<br />

Wenn Sie Geld zum Spielen oder zur Rückzahlung von Spielschulden geborgt<br />

haben: von wem oder wo haben Sie es geborgt (n=112)?<br />

165<br />

Häufigkeit Prozent<br />

Vom Haushaltsgeld 47 42<br />

Vom Ehegatten 21 18,8<br />

Von anderen Verwandten 56 50<br />

Von Banken, Kreditanstalten 69 61,6<br />

Durch Kreditkarten<br />

Von Kredithaien<br />

Durch Aktien, Obligationen (Schuldverschreibungen) oder andere<br />

Sicherheiten<br />

Durch Verkauf von persönlichem oder Familien-Eigentum<br />

Durch Nutzung von Schecks („bad checks“)<br />

Kreditvereinbarung mit Buchmachern<br />

Kreditvereinbarung mit Casino<br />

Von niemandem. Nur vom eigenen Geld oder gar nicht gespielt<br />

Von Freunden<br />

Vom Arbeitgeber<br />

Quelle: Eigene Berechnungen / SOGS-Fragebogen ZI Mannheim.<br />

Ferner sollten die KlientInnen ambulanter Beratungsstellen angeben, wie oft sie am nächsten<br />

Tag zurückkehrten, um verlorenes Geld zurückzugewinnen. Folgende Antwortmöglichkeiten<br />

waren gegeben:<br />

Nie,<br />

Manchmal, wenn ich verlor,<br />

Meistens, wenn ich verlor (weniger als die Hälfte der Zeit) oder<br />

Immer, wenn ich verlor.<br />

Tab. 77: Rückkehr, um verlorenes Geld zurück zu gewinnen<br />

Wenn Sie spielen, wie oft kehren Sie am nächsten Tag zurück, um<br />

verlorenes Geld zurückzugewinnen? (n=108)<br />

40<br />

10<br />

6<br />

32<br />

5<br />

4<br />

3<br />

1<br />

1<br />

1<br />

35,7<br />

9,1<br />

5,4<br />

28,6<br />

4,5<br />

3,6<br />

2,7<br />

0,9<br />

0,9<br />

0.9<br />

Häufigkeit Prozent<br />

nie 2 1,9<br />

Manchmal, wenn ich verlor (weniger als die Hälfte der Zeit) 34 31,5<br />

meistens, wenn ich verlor 49 45,4<br />

immer, wenn ich verlor 23 21,3<br />

Quelle: Eigene Berechnungen / SOGS-Fragebogen ZI Mannheim.


Rund 45 % gaben an, dass sie meistens zurückkehrten, wenn sie verloren hatten, um das<br />

verlorene Geld zurück zu gewinnen. Fast 32 % kehrten manchmal, wenn sie verloren hatten,<br />

am nächsten Tag zurück. Weitere 21 % kehrten bei jedem Verlust am nächsten Tag zurück,<br />

um das Geld zurück zu gewinnen. Lediglich 2 % gaben an, nie zurückgekehrt zu sein.<br />

Im Anschluss daran wurden die Befragten gefragt, ob sie jemals behauptet hatten, Geld<br />

gewonnen zu haben, aber tatsächlich verloren hatten.<br />

Folgende Antwortmöglichkeiten waren gegeben:<br />

Nie (oder nie gespielt),<br />

Ja, aber in weniger als der Fälle in denen ich verlor oder<br />

Ja, meistens.<br />

Tab. 78: Lügen bezüglich des Gewinns verbreitet<br />

Haben Sie jemals behauptet, Geld gewonnen zu haben, obwohl dies nicht der<br />

Tatsache entsprach – denn tatsächlich hatten Sie verloren? (n=107)<br />

166<br />

Häufigkeit Prozent<br />

nie (oder nie gespielt) 38 35,5<br />

ja, aber in weniger als der Fälle in denen ich verlor 44 41,1<br />

ja, meistens 25 23,4<br />

Quelle: Eigene Berechnungen / SOGS-Fragebogen ZI Mannheim.<br />

Rund 41 % der 107 Befragten gaben an, bezüglich des Ausgangs des Spiels gelogen zu haben,<br />

jedoch nicht bei jedem Verlust („in weniger als der Fälle in denen ich verlor“). Weitere<br />

23,4 % logen meistens bezüglich des Ausgangs des Spiels. Fast 36 % gaben an, den Ausgang<br />

des Spiels nie beschönigt zu haben.


9.5 Beschaffungskriminalität<br />

Nach den gängigen Messinstrumenten DSM-IV sowie ICD-10 gilt die illegale Beschaffung<br />

von finanziellen Mitteln als typisches Merkmal <strong>pathologischen</strong> Glücksspiels. 279 Derartige<br />

Taten sind vielfach für Glücksspieler und -spielerinnen dokumentiert: „Der Anteil variiert –<br />

weltweit – zwischen 35 und 90 %, wenn die Daten auf Selbstdarstellung beruhen, oder<br />

zwischen 13 und 48 %, wenn objektive Kriterien wie Inhaftierung und registrierte Vorstrafen<br />

zugrunde gelegt werden.“ 280<br />

Wie bereits im Überblick über die sozial negativen Begleiterscheinungen des <strong>pathologischen</strong><br />

Glücksspiels erwähnt, gaben 16 % der 107 Befragten an, dass gegen sie ein oder mehrere<br />

Strafverfahren aufgrund ihres <strong>pathologischen</strong> <strong>Spielverhaltens</strong> eingeleitet wurden.<br />

Es wurde nicht explizit nachgefragt, aus welchem Grund die betroffenen Personen eine<br />

Anzeige erhalten hatten. Aber es ist nicht untypisch, dass Spielende dazu verleitet werden,<br />

Eigentums- und Vermögensdelikte vorzunehmen, um an Geld zu gelangen. Durch die<br />

Abhängigkeit vom Spielen können moralische Wertevorstellungen in den Hintergrund rücken<br />

und die Betroffen zu dieser Tat bringen. 281<br />

Ferner kann die Glücksspielsucht im Bezug auf Beschaffungsdelikte dazu führen, dass sich<br />

Persönlichkeitsveränderungen bei den Betroffenen Spielern und Spielerinnen bemerkbar<br />

machen. Laut Meyer und Bachmann (2000) handelt es sich hierbei um die Entdifferenzierung<br />

der Persönlichkeit, den Verlust der sozialen Verantwortlichkeit und die Verringerung des<br />

Selbstwertgefühls und der Selbstachtung. 282<br />

Im Zusammenhang mit einem problematischen oder <strong>pathologischen</strong> Glücksspielverhalten<br />

können kriminelle Handlungen stehen. In der Regel dienen die kriminellen Handlungen der<br />

Geldbeschaffung. Die Beschaffungskriminalität hat eine große Bedeutung bei <strong>pathologischen</strong><br />

Spielern. 54,5 % der von Meyer befragten Probanden haben sich nach eigenen Angaben Geld<br />

zum Spielen auf illegale Weise beschafft. 283 Immerhin 10,3 % der Probanden wurden bereits<br />

279<br />

Meyer, G.; Bachmann, M. (2000), Spielsucht – Ursachen und Therapie, S. 113.<br />

280<br />

Meyer, G.; Bachmann, M. (2000), Spielsucht – Ursachen und Therapie, S. 113.<br />

281<br />

Meyer, G.; Bachmann, M. (2000), Spielsucht – Ursachen und Therapie, S. 135.<br />

282<br />

Meyer, G.; Bachmann, M. (2000), Spielsucht – Ursachen und Therapie, S. 115.<br />

283<br />

Meyer, G. (1989), Glücksspieler in Selbsthilfegruppen – Projektbericht über erste Ergebnisse einer<br />

empirischen Untersuchung.<br />

167


wegen einer Straftat verurteilt, die der Beschaffung finanzieller Mittel für das Glücksspiel<br />

diente. Bei den angegebenen Straftaten handelte es sich überwiegend um gewaltfreie<br />

Eigentumsdelikte wie Diebstahl (42,2 %, Mehrfachnennungen), Unterschlagungen (31,1 %),<br />

Betrug / Untreue (26,7 %), Urkundenfälschung, Steuerhinterziehung und Manipulation an<br />

Geldspielautomaten (13,3 %). 15,6 % standen wegen Raub / Erpressung vor Gericht.<br />

In der Untersuchung von Schwarz und Lindner zu stationär aufgenommenen Spielern geben<br />

29 der 57 Patienten, d. h. 50,8 %, an, sich auf illegale Weise Geld zum Spielen beschafft zu<br />

hatten. 284 20 Patienten (35%) wurden bereits wegen einschlägiger Straftaten zu teils<br />

mehrjährigen Gefängnisstrafen verurteilt. Es handelte sich hier in der Regel um<br />

Eigentumsdelikte wie Diebstahl, Urkundenfälschung, Scheckbetrug und Unterschlagung.<br />

Eine andere Untersuchung befasste sich schwerpunktmäßig mit der Delinquenz. In dieser<br />

Untersuchung von Meyer, Althoff und Stadler wurden Mitglieder von 31 Selbsthilfegruppen<br />

aus 29 Städten und Klienten aus ambulanten Beratungs- und Behandlungseinrichtungen sowie<br />

Patienten in stationären Einrichtungen befragt. 285 Die Befragungen fanden 1995/96 statt. Die<br />

Stichprobe bestand aus 221 Spielern aus Selbsthilfegruppen, 227 Klienten der Suchtberatungsstellen<br />

und 189 Patienten aus stationären Einrichtungen. In die Endauswertung<br />

gingen 300 Spieler ein. Ausgeschlossen wurden solche Spieler, bei denen die Phase<br />

regelmäßigen Spielens länger als ein Jahr zurücklag. Die Spieler in Behandlung wurden mit<br />

Gelegenheits- und Häufigspielern verglichen. Die Ziehung der Stichprobe von Gelegenheitsund<br />

Häufigspielern erfolgte über die direkte Ansprache von zufällig anwesenden bzw.<br />

ausgewählten Männern in Spielhallen, Spielbanken, Gaststätten und öffentlichen Plätzen mit<br />

der Frage, ob sie sich in den letzten 12 Monaten mindestens einmal an einem Glücksspiel<br />

beteiligt haben. Auch hier zeigte sich eine erhöhte Delinquenzbelastung der Spieler in<br />

Behandlung.<br />

Die Spieler in Behandlung haben deutlich häufiger Veruntreuungsdelikte, die Erschleichung<br />

von Leistungen und Betrug als begangene Delikte genannt als die Vergleichsgruppe der<br />

polizeilichen Kriminalstatistik dies vermuten lassen würde. Auch für Gelegenheits- und<br />

Häufigspieler hat die Erschleichung von Leistungen eine überproportionale Bedeutung.<br />

284<br />

Schwarz, J.; Lindner, A. (1990), Die stationäre Behandlung pathologischer Glücksspieler. In: Suchtgefahren<br />

Vol. 36, S. 402-415.<br />

285<br />

Meyer, G., M. Althoff; Stadler, M. (1998), Glücksspiel und Delinquenz – Eine empirische Untersuchung.<br />

Frankfurt u. a.: Peter Lang.<br />

168


In der polizeilichen Kriminalstatistik für Deutschland von 2009 sind 1.078 Raubüberfälle auf<br />

Spielhallen erfasst. 286 In der Mehrzahl dieser Fälle dürfte es sich um Beschaffungskriminalität<br />

handeln. Im Jahr 2008 wurden 661 Raubüberfälle auf Spielhallen erfasst. 287 Die<br />

Beschaffungskriminalität nahm innerhalb <strong>eines</strong> Jahres drastisch zu.<br />

Im Rahmen der strafrechtlichen Verfolgung gilt es zu klären, ob die §§ 20, 21 StGB, sprich<br />

Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störung bzw. verminderte Schuldfähigkeit, auf die<br />

straffällig gewordenen Spieler und Spielerinnen zutreffen. Zunächst muss geprüft werden, ob<br />

ein straffällig Gewordener zum Tatzeitpunkt bereits die Diagnose pathologisches<br />

Spielverhalten nach DSM-IV bzw. ICD-10 erhalten hat bzw. nachträglich erhalten kann.<br />

Weiter gilt es zu klären, ob es einen Zusammenhang zwischen der Straftat und der<br />

Erkrankung gibt. Erst dann kann eine schuldangemessene Beurteilung stattfinden. 288<br />

Wie bereits in Kapitel 9.1 (Tabelle 69) aufgezeigt, haben bzw. hatten 112 von 1.080 Personen,<br />

sprich 10,4 % der Befragten des Bundesmodellprojektes, im Laufe ihrer Spielerkarriere<br />

Straftaten begangen, weshalb gegen sie Strafverfahren anhängig sind / waren. Bei den<br />

Personen handelt es sich um drei Frauen und 109 Männer. Auch die befragten KlientInnen<br />

ambulanter Beratungsstellen haben / hatten Strafverfahren anhängig und zwar 15,9 % (17 von<br />

den 107 Befragten), davon eine Frau. Meyer (1989) und Schwarz / Lindner (1990) kamen zu<br />

folgenden Ergebnissen bezüglich der Strafverfahren pathologischer Spieler und Spielerinnen:<br />

Bei Meyer sind es 10,3 % und bei Schwarz / Lindner 35 % der Probanden. Der Wert, der in<br />

der vorliegenden Studie ermittelt wurde, liegt zwischen diesen beiden Ergebnissen.<br />

9.6 Arbeitslosigkeit als Folge des Glücksspielverhaltens<br />

Weiter wurden die KlientInnen ambulanter Beratungsstellen darum gebeten, Angaben dazu zu<br />

machen, ob sie bereits vor Beginn der Spielproblematik arbeitslos waren. Dieser Punkt wurde<br />

von 106 Personen beantwortet. Davon haben 12,3 %, also 13 Personen, die Frage bejaht.<br />

286 Vgl. Schlüssel 212100 in der Polizeilichen Kriminalstatistik,<br />

(http://www.bka.de/pks/pks2009/download/pks-jb_2009_6-steller.pdf).<br />

287 Vgl. Schlüssel 212100 in der Polizeilichen Kriminalstatistik,<br />

(http://www.bka.de/pks/pks2008/download/pks-jb_2008_bka.pdf).<br />

288 Meyer, G.; Bachmann, M. (2000), Spielsucht – Ursachen und Therapie, S. 137.<br />

169


Ferner sollten die Befragten der ambulanten Beratungsstellen angeben, ob sie jemals wegen<br />

des Spielens Arbeitszeit bzw. Schulzeit versäumt hatten. Fast die Hälfte (etwa 48 %) der<br />

107 Befragten bestätigten dies.<br />

Ebenso war es interessant zu erfahren, wie viele Personen ihren Arbeitsplatz in Folge des<br />

Spielens verloren hatten. Aus der Untersuchung geht hervor, dass 24,3 %, d. h. 26 Personen,<br />

ihren Arbeitsplatz in Folge ihres <strong>Spielverhaltens</strong> verloren hatten (siehe Tabelle A 17 im<br />

Anhang).<br />

Der Anteil der Erwerbslosen im stationären Bereich ist wesentlich höher als im ambulanten<br />

Bereich. Im stationären Bereich beträgt der Anteil der Erwerbslosen unter den <strong>pathologischen</strong><br />

Spielern 44, 2%. Im Vergleich dazu liegt dieser Anteil für Alkohol bei 46,5 %, für Opioide<br />

bei 60,1 %, für Cannabis bei 53,1 %, für Kokain bei 50,5 % und für Stimulanzien bei<br />

56,3 %. 289 Die Erwerbslosenquote lag in Deutschland im Jahr 2008 im Durchschnitt bei 7,2 %<br />

und im Jahr 2009 bei 7,6 %. 290 Im Jahr 2010 lag die Erwerbslosenquote in Deutschland bei<br />

7,7 %. 291 Pathologische Spieler haben eine unterdurchschnittliche Ausbildung. Hier dürfte die<br />

Erwerbslosenquote noch höher liegen. Wenn davon ausgegangen wird, dass 30 % der<br />

Klienten auf Grund ihres <strong>pathologischen</strong> <strong>Spielverhaltens</strong> erwerbslos geworden sind,<br />

entspricht dies bei 1.100 stationären Klienten einer Anzahl von 330 Klienten. 292<br />

Etwa 11 % der Spieler, die sich in ambulante Behandlung begeben, nennen als Hauptgrund<br />

hierfür die Arbeitslosigkeit. 293 Dies deutet darauf hin, dass bei diesen Spielern ein enger<br />

Zusammenhang zwischen der Arbeitslosigkeit und dem Spielen besteht. Von den 7.300<br />

Spielern, die sich im Jahr 2008 in Behandlung begeben haben, sind 11 % Spieler (803<br />

Personen). Daraus ergäben sich aus einer Gesamtheit von den 8.400 Spielern, die sich in<br />

289 Steppan, M. et al. (2010), Suchtkrankenhilfe in Deutschland 2009: Jahresbericht der deutschen<br />

Suchthilfestatistik (DSHS). IFT Institut für Therapieforschung, München, Oktober 2010, S. 22, Tabelle 4,<br />

(http://www.suchthilfestatistik.de/Downloads/Jahresbericht_DSHS.pdf).<br />

290 Vgl. Statistisches Bundesamt Deutschland: Eckzahlen zum Arbeitsmarkt Deutschland 2008, 2009,<br />

(http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Content/Statistiken/Arbeitsmarkt/<br />

content75/Eckwertetabelle,templateId=renderPrint.psml).<br />

291 Vgl. Statistisches Bundesamt: Arbeitslosenquote Deutschland 2010,<br />

(http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Content/Statistiken/Zeitreihen/<br />

WirtschaftAktuell/Arbeitsmarkt/Content75/arb210a.psml).<br />

292 Becker, T. (2011), Soziale Kosten des Glücksspiels. In Druck. Kapitel 3.5.<br />

293 Becker, T. (2011), Soziale Kosten des Glücksspiels. In Druck. Kapitel 3.2.<br />

170


Therapie begeben haben, 1.133 Spieler, die auf Grund ihres <strong>Spielverhaltens</strong> erwerbslos<br />

geworden sind. 294<br />

Von den Klienten, die mit der Suchthilfestatistik im Jahr 2009 erfasst wurden, waren 26,3 %<br />

der <strong>pathologischen</strong> Spieler erwerbslos. 295 Im Vergleich dazu betrug dieser Anteil bei Alkohol<br />

40 %, bei Opioiden 60,7 %, bei Cannabis 35,8 %, bei Kokain 39,2 % und bei Stimulanzien<br />

42 %. Wenn davon ausgegangen wird, dass bei 18 % der Klienten die Erwerbslosigkeit auf<br />

das pathologische Spielverhalten zurück zu führen ist, sind dies bei 8.400 Klienten die Anzahl<br />

von 1.512 <strong>pathologischen</strong> Spielern, die auf Grund ihrer Krankheit erwerbslos geworden sind.<br />

Diese Zahl liegt über den 1.133 eben berechneten <strong>pathologischen</strong> Spielern. 296<br />

Auch hier wird wieder der Mittelwert der Ergebnisse dieser beiden alternativen Berechnungen<br />

zu Grunde gelegt; dies sind 1.300 Erwerbslose auf Grund <strong>eines</strong> <strong>pathologischen</strong><br />

<strong>Spielverhaltens</strong> unter den Klienten, die sich 2008 in ambulante oder stationäre Therapie<br />

begeben haben. 297<br />

Unter den <strong>pathologischen</strong> Spielern, die sich nicht in Therapie begeben, dürfte der Anteil der<br />

Erwerbslosen nicht wesentlich über einer Vergleichsgruppe mit gleichen soziodemographischen<br />

Merkmalen liegen. Wenn davon ausgegangen wird, dass es 238.500 Spieler<br />

mit einem problematischen oder <strong>pathologischen</strong> Spielverhalten in der Bevölkerung gibt, so<br />

bleiben 230.100 Spieler übrig, die sich nicht in Therapie begeben haben. Wenn weiterhin<br />

davon ausgegangen wird, dass 2 % davon auf Grund des <strong>pathologischen</strong> <strong>Spielverhaltens</strong><br />

erwerbslos geworden sind, so sind dies 4.630 Spieler. Insgesamt sind somit in der deutschen<br />

Bevölkerung 5.930 Spieler auf Grund ihres <strong>pathologischen</strong> <strong>Spielverhaltens</strong> im Jahr 2008<br />

erwerbslos geworden. 298<br />

Aus der glücksspielbedingten Arbeitslosigkeit entstehen Kosten, die von der Allgemeinheit<br />

getragen werden müssen. Es entstehen unter anderem Verwaltungskosten und Kosten durch<br />

fehlende Arbeitsproduktivität.<br />

294 Becker, T. (2011), Soziale Kosten des Glücksspiels. In Druck. Kapitel 3.5.<br />

295 Steppan, M. et al. (2010), Suchtkrankenhilfe in Deutschland 2009: Jahresbericht der deutschen<br />

Suchthilfestatistik (DSHS). IFT Institut für Therapieforschung, München, Oktober 2010, S. 21, Tabelle 3,<br />

(http://www.suchthilfestatistik.de/Downloads/Jahresbericht_DSHS.pdf).<br />

296 Becker, T. (2011), Soziale Kosten des Glücksspiels. In Druck. Kapitel 3.5.<br />

297 Becker, T. (2011), Soziale Kosten des Glücksspiels. In Druck. Kapitel 3.5.<br />

298 Becker, T. (2011), Soziale Kosten des Glücksspiels. In Druck. Kapitel 3.5.<br />

171


9.7 Auswirkungen auf die Familie oder den Freundeskreis<br />

Das pathologische Spielverhalten <strong>eines</strong> Familienmitglieds / Freundes wirkt sich auf das<br />

gesamte nahestehende Umfeld aus. Die finanziellen Probleme und Verschuldung sind nur ein<br />

Teil der sozial negativen Begleiterscheinungen; die Arbeitslosigkeit der Spielenden betrifft<br />

die ganze Familie. Weiter führen die Verheimlichungen zu stetig wachsendem Misstrauen.<br />

Dieser Faktor betrifft nicht nur Familie und Freunde, sondern auch den Arbeitgeber. Oftmals<br />

haben die Nahestehenden nur Vermutungen, dass „etwas nicht stimmt“, und werden von dem<br />

Ausmaß der Spielfolgen überrollt. Kinder sehen, wie die Beziehung zwischen den Eltern<br />

angespannter wird. Drohende Strafverfahren mit eventueller Inhaftierung sind nicht nur eine<br />

Belastung für die Spielenden, sondern auch ein psychisch belastender Faktor für den Rest der<br />

Familie. Hinzu kommen die persönlichen Schuldgefühle der spielenden Person, die sich<br />

wieder auf das soziale Umfeld auswirken können.<br />

Meyer/Bachmann (2000) beziehen sich auf die drei Phasen von Custer & Milt (1985), welche<br />

die Familie von <strong>pathologischen</strong> Spielern und Spielerinnen durchläuft. 299<br />

Verleugnungsphase:<br />

Das soziale Umfeld nimmt wahr, dass der / die Spielende häufig fehlt und äußert seine<br />

Bedenken, gibt sich jedoch mit den mehr oder weniger glaubwürdigen Ausreden des /<br />

der Betroffenen zufrieden. Die Phase beinhaltet Beteuerungen zur Besserung,<br />

Vorhaltungen und Rückfälle der / des Spielenden. 300<br />

Belastungsphase:<br />

In dieser Phase spitzt sich die Lage allmählich zu. Es lässt sich nicht mehr leugnen,<br />

dass das Spielverhalten des / der Betroffenen ein Problem darstellt. Man hofft, dass<br />

der / die Spielende zur Vernunft kommt, bemerkt aber auch die eigene Hilfs- bzw.<br />

Machtlosigkeit. Selbstzweifel in der Familie treten auf sowie Fragen, ob man alles<br />

richtig gemacht hat. Diese Schuldgefühle werden von den Spielenden gerne<br />

ausgenutzt, noch mehr Geld von den Eltern / PartnerInnen zu bekommen.<br />

299 Meyer, G.; Bachmann, M. (2000), Spielsucht – Ursachen und Therapie, S. 112.<br />

300 Meyer, G.; Bachmann, M. (2000), Spielsucht – Ursachen und Therapie, S. 112.<br />

172


Erschöpfungsphase:<br />

Die Angehörigen sind erschöpft, nichts geht mehr. Die Verzweiflung ist unendlich<br />

groß und wird bekämpft. Oftmals greifen betroffene Angehörige zur Flasche bzw.<br />

versinken in Depressionen. Es liegen auch Studien vor, dass das Spielverhalten der<br />

Eltern bzw. <strong>eines</strong> Elternteils negative Auswirkungen auf die Kinder hat.<br />

Allgemein kann festgehalten werden, dass das Spielverhalten die Stabilität der Familie<br />

schwächt und es in Familien von <strong>pathologischen</strong> Spielern und Spielerinnen häufig zum Bruch<br />

kommt. Ähnliches wurde auch in Familien von Alkoholikern und Alkoholikerinnen<br />

festgestellt. 301<br />

Die KlientInnen ambulanter Beratungsstellen sollten Angaben dazu machen, ob sie jemals ihr<br />

Spielverhalten vor dem / der EhepartnerIn oder anderen näheren Angehörigen verheimlicht<br />

haben, indem sie Wettschnipsel, Lottoscheine, Spielgeld oder ähnliches versteckt hatten.<br />

Tatsächlich bejahten 77 % der 109 gültigen Fälle diese Frage (siehe Tabelle A 55 im<br />

Anhang).<br />

Außerdem wurden die KlientInnen gefragt, ob sie mit nahen Angehörigen über die Art ihres<br />

Umgangs mit Geld gestritten haben. Rund 85 % (91 Personen) der 107 gültigen Aussagen<br />

bejahten dies. Im Anschluss daran sollten die Befragten angeben, ob diese Auseinandersetzungen<br />

mit dem Spielverhalten zu tun hatten. Fast 89 % der 97 Befragten<br />

stimmten auch hier zu (siehe Tabellen A 56 und A 57 im Anhang).<br />

Diese kurze Ausführung verdeutlicht noch einmal, dass pathologische Spieler und<br />

Spielerinnen ein Lügengeflecht um sich errichten, um ihr Handeln zu vertuschen bzw. ihrer<br />

Sucht nachgehen zu können. Oftmals wird das Spielverhalten erst thematisiert, wenn vermehrt<br />

Geld aus der Haushaltskasse fehlt o. ä.<br />

301 Meyer, G.; Bachmann, M. (2000), Spielsucht – Ursachen und Therapie, S. 113.<br />

173


9.8 Emotionale Belastung und Suizidalität<br />

Im Laufe ihrer Spielerkarriere nehmen die emotionalen Belastungen auch für die Betroffenen<br />

selbst zu. Die Schuldgefühle gegenüber Angehörigen und Freunden sowie der wachsende<br />

Druck aufgrund der finanziellen Belastung können u. a. Depressionen auslösen. Auch die<br />

Kritik von anderen und der Zwang des <strong>Spielverhaltens</strong> tragen zu emotionalem Stress bei. Wie<br />

auch bei anderen Suchterkrankungen kommt es im Falle des <strong>pathologischen</strong> <strong>Spielverhaltens</strong><br />

häufig zu Suizidgedanken und -handlungen. 302<br />

Meyer und Bachmann (2000) nennen einige Faktoren, die die Suizidalität bei Spielenden<br />

fördern bzw. begünstigen: 303<br />

Verlust der Selbstachtung,<br />

Zusammenbruch des Wertesystems,<br />

Zerschlagung von Lebensentwürfen,<br />

soziale Isolierung,<br />

hohe Verschuldung,<br />

anstehende Strafverfahren.<br />

In der vorliegenden Befragung litten 73 % der 107 Befragten an Schuldgefühlen oder<br />

Depressionen. 18 % haben schon einmal bzw. mehrmals einen Selbstmordversuch<br />

unternommen (Informationen aus Tabelle 63). Die Probanden wurden nicht dazu befragt,<br />

weshalb sie Selbstmordversuche unternommen haben. Dennoch wurden andere Fragen<br />

gestellt, um herauszufinden, welche emotionalen Belastungen auf die Befragten einwirken.<br />

Unter anderem wurden sie gefragt, ob ihr Spielverhalten von anderen kritisiert wurde. Von<br />

107 gültigen Fällen haben 83 %, also 89 Personen, dies bejaht (siehe Tabelle A 52 im<br />

Anhang). Weiter sollten die Befragten der ambulanten Beratungsstellen angeben, ob sie sich<br />

jemals aufgrund ihres <strong>Spielverhaltens</strong> oder daraus entstandenen Konsequenzen schuldig<br />

fühlten. Dem stimmten 97 % zu (106 von 109 befragten Personen; siehe Tabelle A 53 im<br />

Anhang).<br />

302 Meyer, G.; Bachmann, M. (2000), Spielsucht – Ursachen und Therapie, S. 110.<br />

303 Meyer, G.; Bachmann, M. (2000), Spielsucht – Ursachen und Therapie, S. 111.<br />

174


Weitere Gründe, die belastend auf die betroffenen Spieler und Spielerinnen eingewirkt haben<br />

könnten, sind die durchs Spielen verursachten finanziellen Probleme, Einsamkeit bzw. Verlust<br />

von Freunden oder partnerschaftlichen Beziehungen sowie Probleme im Berufsleben oder<br />

drohenden Strafverfahren (siehe Tabelle 69 in Kapitel 9.1).<br />

Häufig tritt das pathologische Glücksspielverhalten auch in Kombination mit anderen<br />

psychischen Erkrankungen auf. Affektive Störungen (Depressionen, Manien) und<br />

pathologisches Glücksspielverhalten sind komorbid. Hierfür spricht auch die sehr hohe<br />

Selbstmordrate unter den <strong>pathologischen</strong> Glücksspielern. Die Prävalenzrate von depressiven<br />

Störungen bei <strong>pathologischen</strong> Glückspielern liegt in den vorliegenden englischsprachigen<br />

Studien mit wenigen Ausnahmen in der Größenordnung von 75 %. 304 Es ist allerdings hier<br />

noch nicht hinreichend geklärt, ob das pathologische Glücksspielverhalten zu affektiven<br />

Störungen führt oder ob Personen mit affektiven Störungen dazu neigen, das pathologische<br />

Glücksspiel bspw. zur Selbstmedikation dieser Störungen zu benutzen. Zusätzlich wurden<br />

Hinweise auf eine erhöhte Prävalenz manischer und hypomanischer Epsioden gefunden. 305<br />

In der explorativen Studie von Wong et al. (2010) 306 wurden Hypothesen über den<br />

Zusammenhang von pathologischem Glücksspiel und dem Begehen von Selbstmord generiert.<br />

Dafür wurden in Hong Kong im Rahmen einer psychologischen Autopsie Stellvertreter von<br />

150 Selbstmördern sowie von 150 Probanden einer Kontrollgruppe, die den Selbstmördern in<br />

Alter und Geschlecht entsprachen, interviewt. Zudem wurden Aufzeichnungen über die<br />

Todesfälle in die Untersuchung einbezogen.<br />

Unter den Selbstmördern gab es 17 Fälle von <strong>pathologischen</strong> Spielern (11,3 %), in der<br />

Kontrollgruppe hingegen lediglich einen (0,6 %), was einem signifikanten Unterschied<br />

entspricht. Von den 17 <strong>pathologischen</strong> Spielern, die Selbstmord begingen, litten 14 (82,4 %)<br />

auch unter einer psychischen Störung, am häufigsten unter Depressionen, oder unter einer<br />

substanzbezogenen Störung; jedoch war keiner von ihnen in psychologischer Behandlung.<br />

Alle Selbstmörder waren aber hoch verschuldet (die Höhe der Schulden betrug zwischen<br />

1.800 und 180.000 US-Dollar mit einem Mittelwert von etwa 61.000 US-Dollar).<br />

304<br />

Vgl. hierzu im Detail in Becker, T. (2009), Glücksspielsucht in Deutschland. Prävalenz bei verschiedenen<br />

Glücksspielformen.<br />

305<br />

Becker, T. (2011). Soziale Kosten des Glücksspiels. In Druck. Kapitel 2.5.<br />

306<br />

Wong; P. et al. (2010), A psychological autopsy study of pathological gamblers who died by suicide. In:<br />

Journal of Affective Disorders, Jg. 120, H. 1-3, S. 213–216.<br />

175


Die Autoren der Studie interpretieren ihre Ergebnisse so, dass zwischen pathologischem<br />

Spielverhalten und psychosozialen Problemen, psychischen Störungen oder Selbstmord<br />

durchaus ein Zusammenhang besteht. Um Selbstmorde vermeiden zu können lautet die<br />

Empfehlung für die Praxis, dass Personen, die mit depressiven Menschen berufsmäßig<br />

umgehen, auch deren Spielverhalten und finanzielle Situation berücksichtigen sollten, da<br />

insbesondere in Hong Kong Betroffene eher wegen ihrer psychischen Probleme Hilfe in<br />

Anspruch nehmen; weniger wegen ihres <strong>Spielverhaltens</strong>.<br />

Oftmals verlagert bzw. erweitert sich die Spielsucht auf eine andere Sucht, meist<br />

substanzbezogen, was zu zusätzlichen Belastungen bzw. Problemen führen kann.<br />

Aufgrund dessen soll kurz aufgeführt werden, dass Suizidalität generell stark mit Süchten<br />

verwoben und deshalb unter <strong>pathologischen</strong> Spielern nicht ungewöhnlich ist. Selbstmordversuche<br />

treten auch bei substanzbezogenen Süchten, etwa bei Alkoholmissbrauch, auf.<br />

Suizid kann durch eine Sucht begünstigt bzw. verursacht werden. Bei beiden<br />

Verhaltensweisen, die spezifisch-menschlich sind, stellt sich die Frage nach der Freiheit des<br />

Menschen bzw. dem Sinn des Lebens. Alkohol-, Drogen- und suizidales Verhalten sind eng<br />

miteinander verbundene, sich selbst zerstörende Verhaltensweisen. Meininger (1938)<br />

bezeichnet den Alkoholmissbrauch als chronischen Suizid. Ersichtlich ist dies aus der hohen<br />

Übersterblichkeitsrate sowie aus der hohen Suizidrate. Durch eine Kombination von Alkoholund<br />

Drogenabhängigkeit steigt das Suizidpotenzial an. Die enge Verbindung von Sucht und<br />

Suizid zeigt sich auch in ihrer Entstehung in den klassischen Krisenverläufen. Ein plötzlicher<br />

Schicksalsschlag bildet meist die Grundlage für eine Alkohol-, Drogen- und Medikamentenabhängigkeit;<br />

daraus resultiert ebenfalls suizidales Verhalten. Mit einer Sucht ist auch die<br />

zunehmende Vereinsamung verbunden. Meistens dient der Alkohol dazu, Hemmungen zu<br />

überwinden, um den gefassten Entschluss zum Suizid auszuüben. 307<br />

Die zweithäufigste psychische Erkrankung bei Suizidopfern sind Störungen im<br />

Zusammenhang mit Substanzkonsum. 308 Nennenswerte Risikofaktoren für Suizid sind vor<br />

allem Alkoholabhängigkeit und Alkoholintoxikation. In Deutschland kommen Suchterkrankungen<br />

häufig vor. 4,3 Millionen Menschen sind nikotinabhängig, 1,7 Millionen<br />

Menschen alkoholabhängig und 1,9 Millionen Menschen abhängig von psychotropen<br />

307 Vgl. Sonneck, G (1991), Sucht und Suizid, Wiener Zeitschrift für Suchtforschung, Jg. 14., Nr. 3/4, S. 101 ff.<br />

308 Die häufigste psychische Erkrankung bei Suizidopfern sind depressive Störungen.<br />

176


Medikamenten. Das Suizidrisiko steigt mit dem Konsum psychotroper Substanzen an. Mit<br />

einem höheren Suizidrisiko werden verschiedene Faktoren (z. B. schweres Trinken,<br />

Nikotinkonsum und Arbeitslosigkeit) bei Alkoholmissbrauch und -abhängigkeit verbunden.<br />

Es kann davon ausgegangen werden, dass 10 bis 73 % aller Suizidversuche unter Alkoholeinfluss<br />

ausgeübt werden. 309<br />

Menschen mit psychischen Erkrankungen, z. B. Depressionen, Suchtkrankheiten,<br />

Schizophrenie, Angststörungen und Persönlichkeitsstörungen, lassen sich der Gruppe von<br />

Menschen zuordnen, die ein erhöhtes Risiko für suizidales Verhalten aufweisen. 310<br />

309 Vgl. Schneider, B. et al. (2007), Sucht und Suizid. Bericht über einen Workshop der AG Suiziderkrankungen<br />

des NASPRO bei den Tübinger Suchttherapietagen 2006, Suizidprophylaxe 24 (2007), Heft 3, S. 1 ff.<br />

310 Vgl. dazu im Folgenden Wolfersdorf, M. (2009), Sucht und Suizid, Haus Immanuel in Hutschdorf.<br />

(http://www.haus-immanuel.de/downloads-vortraege.php), eingesehen am 15.03.2011.<br />

177

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