Die Oden (Carmina) - Göttinger Forum für Altertumswissenschaft

Die Oden (Carmina) - Göttinger Forum für Altertumswissenschaft Die Oden (Carmina) - Göttinger Forum für Altertumswissenschaft

05.10.2013 Aufrufe

Wolfgang H.-J. BRUNSCH: Die Oden (Carmina) des Horaz: Bücher I-IV und Carmen Saeculare (in neuer Nachdichtung). Aachen: Shaker 1996, 243 S. Man weiß nicht, worüber man sich mehr wundern (oder gleich: ärgern – ?) soll: Über die Bereitschaft eines Verlages, ein Manuskript offenbar völlig unbesehen zu veröffentlichen? Über seine Unverfrorenheit, dafür nicht weniger als achtundneunzig deutsche Mark zu verlangen? Über ein Produkt, bei dem man mehr oder weniger ratlos nach irgendeinem auch nur halbwegs plausiblen Grund (bzw. einer entsprechenden Entschuldigung) für sein Da- und Sosein sucht? Über einen Verfasser, der solches gemeinhin zu verantworten hat und der bei seiner Arbeit doch schwerlich einen veritablen Verriss als Ziel vor Augen gehabt haben dürfte? Um es vorwegzunehmen: Einzig und allein der Gegenstand des Buches, der mir nun allerdings in hohem Maße eingehender Beschäftigung wert zu sein scheint, bewegt mich dazu, auch seiner hier anzuzeigenden Verarbeitung und Darbietung einige Aufmerksamkeit zu schenken. (Ist es lediglich ein Versehen des Verlags, dass dieser Titel – wiewohl lieferbar! – nicht auch im Verzeichnis lieferbarer Bücher steht?) Doch der Reihe nach. Es geht um eine zweisprachige Ausgabe der lyrischen Gedichte des Horaz, vier Bücher Oden oder Carmina sowie das Carmen saeculare. Das ist für sich genommen ein überaus löbliches Unterfangen, denn angesichts der Spitzenstellung, die Horaz in der lateinischen und vielleicht nicht nur in der lateinischen Lyrik, ja Literatur zumindest des abendländischen Kulturkreises einnimmt und behauptet, bedeutet die Anzahl konkret lieferbarer Titel dazu im deutschen Sprachraum ein rechtes Armutszeugnis. 1 Wolfgang BRUNSCH bietet nun diese 104 Gedichte im lateinischen Original und „in neuer Nachdichtung“, eingeleitet durch ein kaum halbseitiges Vorwort (S. 4) und beschlossen durch „Anmerkungen zum Textverständnis“ (S. 235-242) und ein Literaturverzeichnis (S. 243). Auf der Rückseite des Umschlags findet man noch als ‘Klappentext’ etwa je eine halbe Seite zum vorliegenden Buch bzw. „Zum Verfasser“. Eine erste Überraschung erlebt der Leser gleich zu Beginn: Ist bei zweisprachigen Ausgaben die Zuordnung und Gegenüberstellung von Original und Übersetzung weithin gängige Praxis und unbestrittener Standard, so stellt 1 Oder handelt es sich auch bei Horaz schon längst um einen römischen Klopstock im Sinne LESSINGs? Göttinger Forum für Altertumswissenschaft 4 (2001) 1067-1072 http://www.gfa.d-r.de/4-01/weitz.pdf

Wolfgang H.-J. BRUNSCH: <strong>Die</strong> <strong>Oden</strong> (<strong>Carmina</strong>) des Horaz: Bücher I-IV und<br />

Carmen Saeculare (in neuer Nachdichtung). Aachen: Shaker 1996, 243 S.<br />

Man weiß nicht, worüber man sich mehr wundern (oder gleich: ärgern – ?)<br />

soll: Über die Bereitschaft eines Verlages, ein Manuskript offenbar völlig unbesehen<br />

zu veröffentlichen? Über seine Unverfrorenheit, da<strong>für</strong> nicht weniger als<br />

achtundneunzig deutsche Mark zu verlangen? Über ein Produkt, bei dem<br />

man mehr oder weniger ratlos nach irgendeinem auch nur halbwegs plausiblen<br />

Grund (bzw. einer entsprechenden Entschuldigung) <strong>für</strong> sein Da- und Sosein<br />

sucht? Über einen Verfasser, der solches gemeinhin zu verantworten hat<br />

und der bei seiner Arbeit doch schwerlich einen veritablen Verriss als Ziel vor<br />

Augen gehabt haben dürfte?<br />

Um es vorwegzunehmen: Einzig und allein der Gegenstand des Buches, der<br />

mir nun allerdings in hohem Maße eingehender Beschäftigung wert zu sein<br />

scheint, bewegt mich dazu, auch seiner hier anzuzeigenden Verarbeitung und<br />

Darbietung einige Aufmerksamkeit zu schenken. (Ist es lediglich ein Versehen<br />

des Verlags, dass dieser Titel – wiewohl lieferbar! – nicht auch im Verzeichnis<br />

lieferbarer Bücher steht?) Doch der Reihe nach.<br />

Es geht um eine zweisprachige Ausgabe der lyrischen Gedichte des Horaz,<br />

vier Bücher <strong>Oden</strong> oder <strong>Carmina</strong> sowie das Carmen saeculare. Das ist <strong>für</strong> sich genommen<br />

ein überaus löbliches Unterfangen, denn angesichts der Spitzenstellung,<br />

die Horaz in der lateinischen und vielleicht nicht nur in der lateinischen<br />

Lyrik, ja Literatur zumindest des abendländischen Kulturkreises einnimmt<br />

und behauptet, bedeutet die Anzahl konkret lieferbarer Titel dazu im<br />

deutschen Sprachraum ein rechtes Armutszeugnis. 1<br />

Wolfgang BRUNSCH bietet nun diese 104 Gedichte im lateinischen Original<br />

und „in neuer Nachdichtung“, eingeleitet durch ein kaum halbseitiges Vorwort<br />

(S. 4) und beschlossen durch „Anmerkungen zum Textverständnis“ (S.<br />

235-242) und ein Literaturverzeichnis (S. 243). Auf der Rückseite des Umschlags<br />

findet man noch als ‘Klappentext’ etwa je eine halbe Seite zum vorliegenden<br />

Buch bzw. „Zum Verfasser“.<br />

Eine erste Überraschung erlebt der Leser gleich zu Beginn: Ist bei zweisprachigen<br />

Ausgaben die Zuordnung und Gegenüberstellung von Original und<br />

Übersetzung weithin gängige Praxis und unbestrittener Standard, so stellt<br />

1<br />

Oder handelt es sich auch bei Horaz schon längst um einen römischen Klopstock im Sinne<br />

LESSINGs?<br />

<strong>Göttinger</strong> <strong>Forum</strong> <strong>für</strong> <strong>Altertumswissenschaft</strong> 4 (2001) 1067-1072<br />

http://www.gfa.d-r.de/4-01/weitz.pdf


1068 Friedemann Weitz<br />

BRUNSCH lateinischen und deutschen Text einfach hintereinander – wenn<br />

man also wissen möchte, wie das (auf S. 5, also rechter Hand platzierte!) Eröffnungsgedicht<br />

Maecenas atavis (c. I 1) nachgebildet wurde, muss man zunächst<br />

einmal (und dann je nachdem immer wieder) umblättern. Nicht weniger<br />

als 75 lateinische <strong>Oden</strong>, also fast genau drei Viertel aller Texte, haben bei<br />

dieser Anordnung kein direktes deutsches Gegenüber – das Prinzip der Zweisprachigkeit<br />

scheint hier in geradezu klassischer Weise ad absurdum geführt.<br />

Ein (guter) Grund <strong>für</strong> dieses Vorgehen erschließt sich dem Rezensenten auch<br />

bei längerem Nachdenken nicht.<br />

<strong>Die</strong> äußere Darbietung des Textes huldigt dann einem Verständnis von Lyrik,<br />

wonach diese Gattung durch wenig Druckerschwärze mit möglichst viel<br />

Weiß drumherum bestimmt wird: Buchstaben in augenverärgerndem (-verderbendem?)<br />

Kleindruck, das Ganze engzeilig gesetzt – so stellt sich wohl jemand<br />

echte (Ver-)Dichtung vor; mir will diese Form der Komprimierung nicht<br />

erst angesichts der heutigen Möglichkeiten auf diesem Gebiet allenfalls kompromittierend<br />

vorkommen.<br />

Den lateinischen Text übernimmt BRUNSCH aus der Oxford-Ausgabe. 2 <strong>Die</strong>se<br />

Entscheidung wird mit keinem Wort näher erläutert oder begründet – der geneigte<br />

Leser darf sich selbst eine Antwort auf die Frage(n) nach der Textgestalt<br />

suchen. 3 Befremdlich bleibt allerdings, wie sich dann Differenzen zwischen<br />

Vorlage und Nachdichtung eingeschlichen haben. Nutricis extra limen Apuliae<br />

heißt es etwa c. III 4,10 (auf eine Verszählung verzichtet BRUNSCH in Text wie<br />

Übersetzung), zwei Seiten weiter liest man aber: „an der Schwelle der Amme<br />

Pullia“. 4<br />

2 Dass es sich dabei um die zweite, von H.W. GARROD 1912 besorgte Auflage der zuerst<br />

1901 erschienenen Edition WICKHAMs handelt, erfährt der Leser nicht.<br />

3 Der abgedruckte lateinische Text gibt seine Vorlage im Großen und Ganzen zuverlässig<br />

wieder (bis hin zum angelsächsischen Komma innerhalb der Anführungszeichen III 11,37<br />

und III 27,57); anzugleichen bzw. zu korrigieren wären auf den ersten Blick lediglich nites.<br />

me (c. I 5,13 statt nites, me), Agrippa (c. I 6,5 statt Aggripa), Delphos (c. I 7,3 statt<br />

Delohos), praesidio (c. I 15,13 statt praesido), c. I 18 fehlt die lateinische Zählung der Ode,<br />

dormis?’ (c. I 25,8 statt dormis?), portare (c. I 26,3 statt protare), laborabas und puer (c. I<br />

27,19 bzw. 20 statt lobarabas bzw. quer), impune. me (c. I 31,5 statt impune, me), POSCI-<br />

MVR. si (c. I 32,1 statt POSCIMVR, si), languido und Sisyphus (c. II 14,17 bzw. 20 statt<br />

lanquido bzw. Sisiphus), laetatur (c. II 19,7 statt leatatur), contendat (c. III 1,13 statt condendat),<br />

‘Ilion, (c. III 3,18 statt Ilion,), pubes. ‘signa (c. III 5,18 statt pubes. signa), proles, Sabellis<br />

(c. III 6,38 statt proles Sabellis), paelex.“ (c. III 27,66 statt paelex.„), monte (c. IV 2,5 statt<br />

mont), o, testudinis (c. IV 3,17 statt 0, testudinis), copias, te (c. IV 14,33 statt copias te).<br />

4 C. IV 4,71 f. ist et fortuna nostri / nominis (zwischen omnis Hasdrubale) ausgefallen, aber<br />

übersetzt; umgekehrt fehlen deutsch die ‘Ortsangaben’ bei Xanthia Phoceu (c. II 4,2) und<br />

Phthius Achilles (c. IV 6,4).


Wolfgang H.-J. Brunsch: <strong>Die</strong> <strong>Oden</strong> (<strong>Carmina</strong>) des Horaz 1069<br />

<strong>Die</strong> Hauptsache bei einem Buch wie diesem wird aber dann doch stets die<br />

Frage sein, wie die Übersetzung oder auch Nachdichtung mit ihrer Vorlage<br />

umgeht und was sie daraus macht; je nachdem wird man sie an ihren selbstgesteckten<br />

Zielen messen (können bzw. müssen). Dazu erfährt man im Vorwort<br />

wenig oder nichts: „<strong>Die</strong> vorliegende Nachdichtung der <strong>Oden</strong> des Horaz<br />

ist das Ergebnis meiner nunmehr – mit wenigen Unterbrechungen – mehr als<br />

dreißig Jahre währenden Beschäftigung mit diesem Dichter“, lässt der Autor<br />

dorten verlauten; es sei „vor allem auch ein sehr persönlicher Dank an einen<br />

großen Dichter“.<br />

Ergiebiger – und einziger Anhaltspunkt (nicht nur <strong>für</strong> diese Frage) – ist da der<br />

‘Klappentext’ (des Verfassers? des Verlags?) auf der Rückseite des Umschlags;<br />

er sei deshalb ungekürzt wiedergegeben:<br />

„<strong>Die</strong> vorliegende Neuübertragung der <strong>Oden</strong> des römischen Dichters Horaz<br />

(65 – 8 v. Chr.), eines der Werke der Weltliteratur, das seinen dichterischen<br />

und philosophischen Gehalt und seine Bedeutung über die Jahrtausende hinweg<br />

als wahrhaft allgemeingültiges "ktema es aiei" (Thukydides I, 22) unser<br />

westlichen Zivilisation und Kultur bewahrt hat, orientiert sich bewußt an der<br />

Sprache und dem Rhythmus des Originals, um dem heutigen Leser auch in<br />

der so anders strukturierten Zielsprache einen gewissen Eindruck von der<br />

artistischen Formvollendung jenes horazischen "Mosaiks von Worten, wo jedes<br />

Wort als Klang, als Ort, als Begriff, nach rechts und links und über das<br />

Ganze hin seine Kraft ausströmt" (F.Nietzsche) zu vermitteln.<br />

Im beigegebenen Kommentar wird erläutert, was heute nicht mehr ohne weiteres<br />

als unmittelbar einsichtig vorausgesetzt werden kann.“<br />

Bewusste Orientierung an Sprache und Rhythmus des Originals also, im<br />

Wissen um eine so anders strukturierte Zielsprache – man mag auf die Einlösung<br />

bzw. Umsetzung dieser Kriterien gespannt sein, doch das Ziel ist ebenso<br />

klar benannt wie (bei aller vorsichtigen Einschränkung) hoch gesteckt: Es geht<br />

darum, „dem heutigen Leser … einen gewissen Eindruck von der artistischen<br />

Formvollendung“ jener Dichtung(en) zu vermitteln.<br />

Ich zitiere die Anfänge einiger <strong>Oden</strong> (den Zeilenwechsel der Nachdichtung<br />

kennzeichne ich mit Schrägstrich):<br />

„Welcher, Dich mit dem Bund, anmutig, Rosen nur / Knabe, duftüberströmt,<br />

drängt zu Dir, liebestoll, / Pyrrha, in angenehmer Grotte?“ (I 5) – „Einfachen<br />

nur wirst Du trinken aus schlichten, / Wein, den Krügen …“ (I 20) – „Liebe<br />

zu einer Magd möge nicht gereichen / Dir zur Scham, o Xanthias …“ (II 4) –<br />

„Eine wenn Dir nur wegen Meineids Strafe, / o Barine, geschadet hätte jemals,


1070 Friedemann Weitz<br />

/ wenn Du je schwarzen Zahnes, häßlichen Nagels / geziehen würdest, /<br />

traute ich Dir …“ (II 8) – „Bald wenige, dem Pfluge, Joche werden / Königsgebäude<br />

lassen, überall weitere / wird man erblicken Teiche als der / See von<br />

Lucrinus …“ (II 15) – „Am Himmel glaubten wir, donnernd, Jupiter / daß<br />

herrsche …“ (III 5) – „Was am Festtag Bess’res ich, / des Neptun, soll ich<br />

tun?“ (III 28) – „Unterbroch’ne, Venus, lange schon, / wieder weckst Du<br />

Kriege? Schone mein, bitte, bitte.“ (IV 1)<br />

Derlei erinnert allenfalls an Interlinearübersetzungen, die heutzutage – wenn<br />

ich recht sehe – nur noch bei sprachlich verunsicherten bzw. überforderten<br />

Theologen ein zweifelhaftes Schattendasein führen; 5 irgendeinen Eindruck<br />

von artistischer Formvollendung vermittelt diese Misshandlung der Zielsprache<br />

schwerlich. 6 Der Rezensent gesteht, dass er sich angesichts dieses Umgangs<br />

mit der sprachlichen Seite außerstande sah (oder doch einfach nur:<br />

nicht [mehr] willens war – ?), die ‘bewusste Orientierung am Rhythmus des<br />

Originals’ einer genaueren Prüfung zu würdigen.<br />

Erübrigt es sich, auf den „Kommentar“ einzugehen, der – man erinnert sich –<br />

„erläutert, was heute nicht mehr ohne weiteres als unmittelbar einsichtig vorausgesetzt<br />

werden kann“ – ? Ein halbes Dutzend Seiten <strong>für</strong> 104 Gedichte, gut<br />

200 Anmerkungen (überwiegend zu Eigennamen) <strong>für</strong> gut 3000 Verse – und<br />

wie da nicht alles erläutert wird: Von mehr als einem halben Dutzend Personen<br />

erfährt man, respektvoll erschüttert, es handele sich um einen „Freund<br />

des Horaz“; da gibt es einen „Held der römischen Geschichte“ oder „Gestalten<br />

der griechischen Mythologie“; kennt der Kommentar zu c. I 6 noch einen<br />

„Sohn des Tydeus = Diomedes“, weiß der zu c. I 15 von einem „Helden von<br />

5 Abgesehen davon, dass eine solche Übersetzung <strong>für</strong> Horaz nur schwer vorstellbar scheint,<br />

lag sie ganz offenbar auch nicht im Sinne des Übersetzers, der durchaus mögliche ‘Entsprechungen’<br />

verschmäht: „Ein Freund den Musen“ <strong>für</strong> Musis amicus (c. I 26,1 statt etwa<br />

‘Den Musen Freund’) oder „Hör’ auf zu fragen, was wird morgen sein“ <strong>für</strong> quid sit futurum<br />

cras fuge quaerere (c. I 9,13 statt etwa ‘Was sein wird morgen, hör’ auf zu fragen’). –<br />

Wollte man mit schwerem Geschütz auf freche (oder doch schon dreiste?) Spatzen schießen,<br />

wäre hier an Martin LUTHERs „Sendbrief vom Dolmetschen“ von 1530 zu erinnern,<br />

der offenbar nicht mehr zum Gemeingut gehört (und entgegen anderen Vorstellungen vom<br />

6<br />

Umgang mit dem Lateinischen handelt).<br />

Sprachlich wie sachlich verunglückt die Wiedergabe von Scriberis Vario (c. I 6): „Schreiben<br />

wird von Dir, Varius, Starker, und der Feinde / Sieger, auf dem Fluge homerischen Liedes,<br />

des alten, / und was auch immer zu Schiff und zu Pferde, recht tapfer, / der Soldat, Dir<br />

gehorchend, vollbrachte“ – ist das noch DADA oder schon gaga? – Friedrich NIETZSCHE<br />

hatte, vergebens offensichtlich, unmittelbar vor der vom Klappentext zitierten Stelle (Götzen-Dämmerung.<br />

Was ich den Alten verdanke 1.) zu bedenken gegeben: „In gewissen<br />

Sprachen ist Das, was hier erreicht ist, nicht einmal zu w o l l e n “ .


Wolfgang H.-J. Brunsch: <strong>Die</strong> <strong>Oden</strong> (<strong>Carmina</strong>) des Horaz 1071<br />

Troja“ namens „Tydides“. 7 Als unmittelbar einsichtig kann hingegen offenbar<br />

noch heute ohne weiteres c. I 28,10 Panthoiden (Wiedergabe: „des Penthos<br />

Sohn“ – !?) vorausgesetzt werden. Ich denke, die Beispiele sprechen <strong>für</strong> – also:<br />

gegen – sich.<br />

Zum Literaturverzeichnis möge lediglich erwähnt werden, dass unter „Weiterführende<br />

Literatur (in Auswahl)“ u.a. auch „Les Essais“ von „Montaigne<br />

de, M.“ – „Paris (Hachette) 1865“, versteht sich – zu finden sind. 8<br />

Ich komme zum Schluss. Als 1964 in der Reihe Exempla Classica – <strong>Die</strong> Fischer<br />

Bibliothek der hundert Bücher eine zweisprachige Ausgabe der <strong>Oden</strong> (und Epoden)<br />

des Horaz erschien, fragte sich der Rezensent im Gnomon, ob das vorliegende<br />

Werk so wirklich von Will RICHTER stammen könne; dieser soll (neben<br />

einer Antwort im Gnomon) damals die weitere Auslieferung des Titels verhindert<br />

und sogar versucht haben, die bereits verkauften Exemplare wieder aus<br />

dem Verkehr zu ziehen; so – meine ich mich zumindest zu erinnern – hat es<br />

mir vor Jahren mein Lateinlehrer erzählt. <strong>Die</strong> damalige Neuübersetzung enthält<br />

neben einigen eklatanten Schnitzern und Aussetzern etliches Gute, allemal<br />

Interessantes und Diskussionswürdiges (auch das wenngleich knappe<br />

Nachwort!).<br />

Wenn ich nun diesen neuen Horaz in Händen halte, scheint es mir im Interesse<br />

der Leseöffentlichkeit und einer gewissen Publikationskultur dringend<br />

geboten, vor solchen Machwerken eines gehobenen Dilettantismus ggf. auch<br />

einseitig-eindeutig zu warnen – oder soll auch beim gedruckten Buch das<br />

Doppelgesicht des Internets Fuß fassen? Das Gute an diesem ist nämlich,<br />

dass dort praktisch jeder praktisch alles hineinstellen kann – das Schlechte<br />

(z.T. sogar Gefährliche bis Kriminelle) aber auch. Es geht nicht darum, ein<br />

Buch in Bausch und Bogen zu verurteilen oder gar zu verdammen – der echte<br />

Liebhaber wird selbst hier noch das eine oder andere <strong>für</strong> sich finden (können),<br />

7 Ganz ausgeklammert sei hier – neben sonstigen Versehen und Inkonsequenzen aller Art –<br />

die schlichte Frage nach sachlicher Richtigkeit: Ist „Japetos: einer der Giganten“ und sind<br />

umgekehrt „Ixion und Tityos: Titanen“? Heißt die „Insel bei Rhodos“ wirklich „Karpathien“<br />

(oder nicht vielleicht doch Karpathos)? Sind die „Syrten“ ein „Meer östlich der Peloponnes“?<br />

8 Dass neben der Textgrundlage des Oxford-Horaz noch ganze sieben weitere Titel als<br />

„Verwendete Textausgaben“ angeführt werden, mag man schon nicht einmal mehr in einer<br />

Fußnote anmerken: „The Oxford Book of Latin Verse“ oder der Reclam-Band „Römische<br />

Lyrik“ als ‘Textausgabe’? KYTZLERs Horaz weicht nach eigenen Angaben an genau sechs<br />

Stellen von der Edition KLINGNERs (nicht: „Klinger, F.“!) ab, RICHTERs überhaupt nicht –<br />

soll man da und überhaupt noch nach der Verwendung des Wörtchens ‘verwendet’<br />

fragen?


1072 Friedemann Weitz<br />

denn ihm geht es ja um die Sache. 9 Aber wer sonst soll potentiellen Schreibtischtätern<br />

zumindest etwas Einhalt gebieten und ein ganz klein wenig Sorgfalt<br />

auferlegen wenn nicht die engagierte Kritik interessierter Kreise? Oder<br />

aber: Wer sonst soll zu besseren und guten Bücher anhalten, ermahnen und<br />

ermuntern wenn nicht eine wohlwollend strenge Kritik? 10<br />

Der Verfasser, der seine „Freundschaft und Liebe“ zu Horaz bekennt, hat<br />

seinem Dichter mit diesem ‘sehr persönlichen Dank’ einen Bärendienst erwiesen<br />

– und der Verlag hat so gesehen (bewusst oder unabsichtlich) das einzig<br />

Richtige getan: <strong>Die</strong>se ‘neue Nachdichtung’ der horazischen <strong>Oden</strong> gehört in<br />

ihrer jetzigen Gestalt nicht in ein ‘Verzeichnis lieferbarer Bücher’.<br />

Friedemann Weitz<br />

Hochvogelstraße 7<br />

88299 Leutkirch i.A.<br />

Tel. (07561) 91 23 36<br />

e-mail: F.Weitz@t-online.de<br />

9<br />

10<br />

Irgendwo be- und vermerkt LESSING, wenn man etwas (oder jemanden) liebe, werde alles<br />

interessant …<br />

In diesem Sinne möge meine Besprechung eine Art ‘Rettung des Horaz’ sein – dass auch<br />

Wolfgang BRUNSCH (s)einen LESSING kennen sollte (vgl. seinen Verweis zu c. I 35,17 ff.),<br />

möchte man bei der offenkundigen Folgenlosigkeit dieser Bekanntschaft gerne bezweifeln.

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