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Zur Taxonomie und Ökologie der Schlammkäfer des Baltischen ...

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Entomologische Zeitschrift · Stuttgart · 118 (3) 2008<br />

Diagnose. Bei den von Yablokoff-<br />

Khnzorian (1961) aufgestellten drei Arten<br />

sind nur äußere Merkmale angeführt.<br />

Cyphon pallasi: erstes Antennenglied stark<br />

erweitert, folgende Glie<strong>der</strong> kurz <strong>und</strong><br />

gleichlang. Punktreihen neben <strong>der</strong> Naht.<br />

Teilungsnaht auf dem Metasternum. Cyphon<br />

krynickyi: ovaler Habitus. Augen<br />

kaum hervortretend. Großer ovaler Eindruck<br />

auf den Flügeldecken hinter dem<br />

Schildchen. Cyphon shevyrevi: kurzovaler<br />

Habitus. Augen flach, kaum hervortretend.<br />

Schultern weit ausgestellt.<br />

Die unlängst von Klausnitzer (2004a)<br />

aus dem <strong>Baltischen</strong> Bernstein beschriebenen<br />

Arten C. keilbachi, C. groehni <strong>und</strong><br />

C. herthae zeichnen sich durch auffällige<br />

zangenartige Fortsätze aus, bei denen es<br />

sich mit großer Wahrscheinlichkeit um<br />

Prostheme handelt. Cyphon wichardi<br />

sp. nov. unterscheidet sich deutlich in<br />

den äußeren Merkmalen <strong>und</strong> insbeson<strong>der</strong>e<br />

in <strong>der</strong> Form <strong>der</strong> Prostheme von den<br />

bisher aus dem <strong>Baltischen</strong> Bernstein beschriebenen<br />

Cyphon-Arten.<br />

Von rezenten Vertretern von Cyphon sind<br />

ebenfalls keine mit ähnlichen Formen<br />

<strong>des</strong> neunten Sternits <strong>und</strong> <strong>der</strong> Prostheme<br />

bekannt, die die neue fossile Art charakterisieren<br />

(Klausnitzer 1974, 1976b;<br />

Nyholm 1955, 1968, 1970, 1972, 1976).<br />

Populationsökologische Aspekte<br />

<strong>der</strong> fossilen Scirtiden<br />

Einzelne rezente <strong>Schlammkäfer</strong>-Arten<br />

können an geeigneten Stellen individuenreiche<br />

Populationen ausbilden. In einem<br />

Zwischenmoor in <strong>der</strong> Lausitz waren<br />

28,1 % aller gesammelten Käfer Scirtiden<br />

(Klausnitzer 1984) <strong>und</strong> von <strong>der</strong> Phytotelmen<br />

besiedelnden australischen Art<br />

Prionocyphon niger wurden umgerechnet<br />

maximal 5236 Larven pro Liter Baumhöhlenvolumen<br />

gef<strong>und</strong>en (Kitching 1987).<br />

Weiter bemerkt Nyholm (1972: 8) über<br />

Cyphon-Imagines: “Unter günstigen Witterungsverhältnissen<br />

schwärmend werden<br />

sie von Luftströmungen ergriffen<br />

<strong>und</strong> anemochor verschleppt. Sie können<br />

demnach ein quantitativ beachtliches<br />

Element <strong>der</strong> Insektenanschwemmungen<br />

bilden.“ Nyholm beschreibt dann weiter,<br />

dass beson<strong>der</strong>s an gewitterschwülen<br />

Abenden <strong>Schlammkäfer</strong> auf Mooren <strong>und</strong><br />

Sumpfwiesen oft massenhaft anzutreffen<br />

sind.<br />

Welche Faktoren ermöglichen <strong>der</strong>art hohe<br />

Individuendichten? Dem in diesem<br />

134<br />

Zusammenhang wichtigen Aspekt Fraßfeinde<br />

ist Jeffries (1996) nachgegangen.<br />

Für ein Freilandexperiment wurden<br />

13 jeweils etwa ein Quadratmeter große<br />

nebeneinan<strong>der</strong> liegende Tümpel ausgewählt.<br />

In den Tümpeln siedelten zahlreiche<br />

<strong>Schlammkäfer</strong>-Larven aber keine<br />

Wasserwanzen. Ende April wurden in<br />

sieben Tümpeln jeweils drei adulte Wanzen<br />

(Notonecta glauca) eingesetzt; die<br />

übrigen Tümpel dienten als Kontrolle.<br />

Die Versuche wurden Ende Juni mit beginnen<strong>der</strong><br />

Austrocknung abgebrochen:<br />

die Anzahl <strong>der</strong> Cyphon-Larven war mehr<br />

als doppelt so hoch in den Kontrolltümpeln<br />

als in denen mit Notonecta-Besatz.<br />

Das Ergebnis dieses Freilandexperiments<br />

weist darauf hin, dass sich starke Scirtiden-<br />

Populationen beson<strong>der</strong>s in solchen Habitaten<br />

entwickeln können, in denen Fraßfeinde<br />

nur eingeschränkt vorkommen o<strong>der</strong><br />

gänzlich fehlen. Und das sind neben den<br />

genannten Mooren <strong>und</strong> Sumpfwiesen auch<br />

Kleintümpel, Schlenken <strong>und</strong> Phytotelmen.<br />

Unter <strong>der</strong> Prämisse, dass die Habitatansprüche<br />

<strong>der</strong> fossilen (Eozän) <strong>und</strong> <strong>der</strong> mit<br />

diesen nahe verwandten rezenten aquatischen<br />

Insekten weitgehend übereinstimmen,<br />

lässt sich anhand <strong>der</strong> zahlreichen<br />

bearbeiteten Inklusen für den Bernsteinwald<br />

ein breites Spektrum aquatischer<br />

Lebensräume postulieren (Ulmer<br />

1912, Weitschat & Wichard 1998, Wichard<br />

2005). Hierin sind auch die vorn<br />

aufgeführten fraßfeindarmen o<strong>der</strong> -freien<br />

Habitate enthalten. Es ist also davon<br />

auszugehen, dass sich auch in einzelnen<br />

Bereichen <strong>des</strong> Bernsteinwal<strong>des</strong> starke<br />

Scirtiden-Populationen entwickelten.<br />

Für die sehr flugfreudigen, aber auch<br />

kleinen <strong>und</strong> daher leicht vom Winde zu<br />

verfrachtenden Imagines war <strong>des</strong>halb<br />

die Chance groß, auf Harz zu treffen <strong>und</strong><br />

in dieses eingeschlossen zu werden. Und<br />

tatsächlich sind unter den Einschlüssen<br />

im <strong>Baltischen</strong> Bernstein die <strong>Schlammkäfer</strong><br />

häufig vertreten. Nach den Bef<strong>und</strong>en<br />

von Hieke & Pietrzeniuk (1984), die die<br />

Käfer-Inklusen in drei großen Sammlungen<br />

<strong>Baltischen</strong> Bernsteins hinsichtlich ihrer<br />

taxonomischen Zugehörigkeit <strong>und</strong><br />

Verteilung untersuchten, können ca.<br />

15 % den Scirtidae zugeordnet werden.<br />

Literatur<br />

Amann, E., Brandstetter, C. M. & Kapp, A.<br />

1994. Käfer am Wasser (Gattungsschlüssel <strong>der</strong><br />

(semi-)aquatischen Käfer Mitteleuropas). Eigenverlag<br />

<strong>des</strong> Ersten Vorarlberger Coleopterologischen<br />

Vereins. 38 S. Bürs/Österreich.<br />

Hieke, F. & Pietrzeniuk, E. 1984. Die Bernstein-<br />

Käfer <strong>des</strong> Museums für Naturk<strong>und</strong>e Berlin (Insecta,<br />

Coleoptera). Mitteilungen Zoologisches<br />

Museum Berlin 60 (2): 297–326.<br />

Jeffries, M. 1996. Effects of Notonecta glauca<br />

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populations in small, seasonal ponds.<br />

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Kitching, R. L. 1987. Prionocyphon niger sp. n.<br />

(Coleoptera: Scirtidae) from water-filled tree<br />

holes in Australia. Journal of the Australian<br />

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Klausnitzer, B. 1974. Anwendung <strong>der</strong> phylogenetischen<br />

Systematik innerhalb von Gattungen,<br />

dargestellt am Beispiel <strong>der</strong> Gattung Helo<strong>des</strong><br />

Latreille, 1796 (Coleoptera). Zoologische<br />

Jahrbücher für Systematik 101: 479–559.<br />

Klausnitzer, B. 1976a. Neue Arten <strong>der</strong> Gattung<br />

Helo<strong>des</strong> Latreille aus Bernstein (Coleoptera,<br />

Helodidae). Reichenbachia 16 (2): 53–61.<br />

Klausnitzer, B. 1976b. Neue Arten, taxonomische<br />

<strong>und</strong> faunistische Bemerkungen zur europäischen<br />

Cyphon-Fauna (Coleoptera, Helodidae).<br />

Acta Entomologica Bohemoslovenia 73: 256–262.<br />

Klausnitzer, B. 1984. Käfer im <strong>und</strong> am Wasser.<br />

Die Neue Brehm-Bücherei 567. 148 S. A. Ziemsen<br />

Verlag, Wittenberg.<br />

Klausnitzer, B. 2004a. Neue Arten <strong>der</strong> Familie<br />

Scirtidae (Coleoptera) aus Baltischem Bernstein<br />

(Teil 1). Entomologische Nachrichten <strong>und</strong><br />

Berichte 48 (2): 99–103.<br />

Klausnitzer, B. 2004b. Eine neue Gattung <strong>der</strong><br />

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Abhandlungen 62 (1): 77–82.<br />

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IV. Entomologische Arbeiten aus dem Museum<br />

G. Frey, Eigenverlag, Tutzing.<br />

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89 (3/4): 250–254.<br />

Nyholm, T. 1970 Beiträge zur Kenntnis <strong>der</strong> paläarktischen<br />

Helodiden. 1. Cyphon-Arten aus <strong>der</strong><br />

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Nyholm; T. 1972. Die nordeuropäischen Arten <strong>der</strong><br />

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Suppl. 3: 1–100.<br />

Nyholm, T. 1976. Neue paläarktische Arten <strong>der</strong><br />

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Entomologica Scandinavica 7: 283–292.<br />

Ulmer, G. 1912. Die Trichopteren <strong>des</strong> <strong>Baltischen</strong><br />

Bernsteins. Beiträge zur Naturk<strong>und</strong>e Preußens<br />

10: 1–380.<br />

Weitschat, W. & Wichard, W. 1998. Atlas <strong>der</strong><br />

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S. Verlag Dr. Friedrich Pfeil, München.<br />

Wichard, W. 2005. Zeitzeugen eines alttertiären<br />

Wal<strong>des</strong>. Wasserinsekten im <strong>Baltischen</strong> Bernstein.<br />

Biologie in unserer Zeit 35 (2): 83–89.<br />

Yablokoff-Khnzorian, S. M. 1960. Novye zestkokrylye<br />

iz baltijskogo jantarja. Paleontologiceskij<br />

Zhurnal Akademij Nauk SSSR 1960: 90–101.<br />

Yablokoff-Khnzorian, S. M. 1961. Predstaviteli<br />

semejstva Helodidae (Coleoptera) iz baltijskogo<br />

jantarja. Paleontologiceskij Zhurnal Akademij<br />

Nauk SSSR 1961: 108–116.<br />

● Dr. Klaus Heuss,<br />

Gartenstr. 58, D-90571 Schwaig;<br />

E-Mail: Klaus.Heuss@t-online.de

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