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Michael Haneke - Filmarchiv Austria

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LUKAS MAURER<br />

Wer die Welt mit scharfen Augen betrachtet, ist<br />

in seinen Zugängen nicht selten radikal. <strong>Michael</strong><br />

<strong>Haneke</strong> ist so jemand, ein Künstler, ein Filme-<br />

macher, der mit kühler Präzision auf das Gebaren<br />

der Gesellschaft blickt, der schonungslos und mit<br />

provokativem Gestus den Horror des Alltäglichen<br />

freilegt und die Grundbeschaffenheit der mensch-<br />

lichen existenz im Spiegel der Moderne durchleuch-<br />

tet. <strong>Haneke</strong> übt Kritik an den Dingen, die ihn stören,<br />

unumwunden – sei es das Fernsehen und seine<br />

Zerstreuungspraktiken, die Beruhigungsstrategien<br />

des Hollywood-Kinos oder einfach die lieblosigkeit<br />

im Miteinander, die »Vergletscherung der Gefühle«:<br />

Das Uneinverstandensein mit dem Zustand der<br />

Welt ist der Motor seiner Kunst. Darüber hat er<br />

zu einer Form, zu einer Sprache gefunden, die im<br />

Gegenwartskino ohne Vergleich ist. »<strong>Michael</strong> Hane-<br />

ke ist der erste österreichische Spielfilmregisseur<br />

der nachkriegszeit, der als bedeutender auteur<br />

wahr genommen wird«, hat Alexander Horwath vor<br />

einigen Jahren geschrieben. Spätestens seit seiner<br />

elfriede-Jelinek-Adaption Die KlAVieRSPieleRin,<br />

allerspätestens seit seinem französischen »Polit-<br />

Thriller« cAcHÉ zählt er zu den weltweit wich-<br />

tigsten Autorenfilmern überhaupt – die Goldene<br />

Palme und der anschließende erfolgslauf seines<br />

epischen erziehungsdramas DAS WeiSSe BAnD hat<br />

dieser Position nur noch die Krone aufge -<br />

setzt.<br />

MicHAel HAneKe<br />

LA PIANISTE/DIE KLAVIERSPIELERIN | F/D/Pl/A 2001<br />

Seine Kompromisslosigkeit hat darunter aber nicht<br />

gelitten. Gewiss: Das hermetische Kino <strong>Michael</strong><br />

<strong>Haneke</strong>s, welches den Figuren so gut wie keinen<br />

Fluchtpunkt bietet, ist im Zuge seiner internationali-<br />

sierung filmisch »weiträumiger« (die vielschichtigen<br />

sozialen Bewegungen in cODe incOnnU) und, wenn<br />

man so will, auch »wärmer« geworden (man denke<br />

nur an den geradezu magischen Schluss in WOlF-<br />

ZeiT oder an das liebeswerben zwischen Dorflehrer<br />

und Kindermädchen in DAS WeiSSe BAnD), aber als<br />

Konzessionen an den Weltruhm sind diese (Auf-)<br />

Brechungen freilich nicht zu deuten. Für das Kino<br />

von <strong>Michael</strong> <strong>Haneke</strong> gilt wie eh und je: Die Rigorosi-<br />

tät ist seine wirksamste Kraft.<br />

<strong>Haneke</strong>s Filme sind tiefschürfende, (moral)philo-<br />

sophisch grundierte erzählungen. Sie handeln von<br />

Schuld, Verdrängung, entfremdung und, damit eng<br />

verbunden, von Gewalt. letztere ist, als Thema<br />

und Motiv, der zentrale leitfaden in seinem Werk.<br />

An ihr arbeitet er sich ab, unermüdlich, spürt ihren<br />

Strukturen nach, von den Medien angefangen bis<br />

hinein in die privaten, die intimsten Bereiche. in<br />

DeR SieBenTe KOnTinenT beschließt eine linzer<br />

Kleinfamilie, ihre weltlichen Zelte abzubrechen<br />

und gemeinsam in den Tod zu gehen. in BennY’S<br />

ViDeO tötet ein mediensüchtiger Jugendlicher ein<br />

Mädchen mit einem Schlachtschussgerät (weil er<br />

wissen will, wie das so ist). in Die KlAVieRSPiele-<br />

Rin weiht eine verhärmte Bildungsbürgerin einen<br />

verführerischen Studenten in ihre sadomasochi-<br />

stischen Sehnsüchte ein. cAcHÉ wiederum rückt<br />

einen französischen literaturjournalisten in den<br />

Mittelpunkt, den anonyme Videobotschaften mit<br />

einer Schuld aus der Kindheit konfrontieren. Und<br />

DAS WeiSSe BAnD porträtiert eine norddeutsche<br />

Dorfgemeinschaft im Vormärz des ersten Welt-<br />

krieges, hinter deren protestantischer Fassade<br />

Unterdrückung und Verachtung keimt. Die Qualen<br />

– sowohl die sichtbaren als auch die unsichtbaren –,<br />

welche seine Figuren ungelindert ertragen müssen,<br />

will <strong>Haneke</strong> stets auch dem Pub likum zu spüren<br />

geben. Und setzt dabei gerne auf die Wirkung des<br />

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