05.10.2013 Aufrufe

Download (1724Kb) - Wirtschaftsuniversität Wien

Download (1724Kb) - Wirtschaftsuniversität Wien

Download (1724Kb) - Wirtschaftsuniversität Wien

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

männlichen Pol zu besetzen – das binäre Gedankengebäude heißt hier: Phallus-haben oder Phallus-<br />

sein. 45<br />

Hierzu ein kurzer Ausflug in die praktische Erfahrungswelt: Lesbische Paare führen genauso<br />

komplizierte, vielschichtige und unterschiedliche Beziehungen wie heterosexuelle Paare auch, die<br />

Geschlechterrollen werden zumeist nicht so eindeutig vergeben wie in heterosexuellen Beziehungen, es<br />

wird vielmehr damit gespielt, kokettiert und darüber gelacht. Zwei Frauen sind zwei Frauen oder besser,<br />

zwei Lesben sind zwei Lesben und nicht eine Frau und ein Mann. 46<br />

Freud ist hier meiner Ansicht nach viel mutiger und aufmüpfiger als die meisten seiner nachfolgenden<br />

Erneuerer. Zwar ein bisschen widersprüchlich, aber immerhin geht er davon aus, dass die lesbische<br />

Frau in ihrer Geliebten alles zu finden sucht – sie liebt männliche und weibliche Züge an ihr, lässt weder<br />

sich selbst noch ihre Geliebte auf eine Geschlechterrolle festschreiben. Viel mehr wird in aller<br />

Radikalität entlarvt, dass Geschlechterrollen Stereotypen sind, dass sie konstruiert sind und sich auf<br />

keinerlei Naturgegebenheit berufen können.<br />

Bei näherer Betrachtung ist auch die Geschlechtsidentität Stephens brüchig – weder hält ihr Körper das<br />

Versprechen der männlichen Maskerade, noch wird ihre äußerliche, durch die Kleidung symbolisierte<br />

Maske, die ihrem eigentlichen „Wesen“ entsprechen soll, ihrer Weiblichkeit im konventionellen Sinne<br />

gerecht. Der biologische Körper unterläuft die Intentionen Stephens, ihrem männlichen Geist durch<br />

gelebte Männlichkeit im klischeehaftesten Sinne Ausdruck zu verleihen, er verrät sie, er macht sie zur<br />

ewigen Außenseiterin in der dualistischen Geschlechtswelt, die biologisches Geschlecht ganz eindeutig<br />

mit Geschlechtsstereotypen zusammenfallen lässt. Das von der Autorin so bewusst inszenierte Modell<br />

der eindeutigen Männlichkeit und Weiblichkeit und dessen Weiterdenken in der idealisierten Ehe enthält<br />

Risse, Brüche, und gerade durch diese entsteht Raum für die Konstruierung der lesbischen Identität als<br />

einer Subjektposition jenseits von Geschlechtsdualismen, die ein Verstoß gegen die gesellschaftliche<br />

und ästhetische Norm ist. Ich glaube, dass es ein sehr guter Weg ist, lesbische Identität in einer<br />

uneindeutigen Geschlechtszugehörigkeit, einer Betonung der Differenz und eines Spiels mit<br />

45 “Let us say that these relations will turn around a ‘to be’ and a ‘to have’, which by referring to a signifier, the phallus, have<br />

the opposed effect, on the one hand of giving reality to the subject in this signifier, and, in the signifier and, on the other,<br />

derrealizing the realtions to be signified. This is brought about by the invention or a ‘to seem’ that replaces ‘to have’ in order<br />

to protect it on the one side, and to mask its lack in the other, and which has the effect of projecting in their entirety the ideal<br />

or typical manifestations of the behaviour of each sex, including the act of copulation itself, into the comedy.” (Lacan 1977,<br />

43)<br />

46 An dieser Stelle sei auch auf Butlers Auseinandersetzung mit dieser Thematik in ihrem Buch “Das Unbehagen der<br />

Geschlechter” verwiesen. In dem Kapital „Lacan, Rivière und die Strategien der Maskerade“ wird die Maske als Mittel der<br />

kulturellen Produktion von Geschlecht vorstellt und herausarbeitet, was die Maske verdeckt und bedeutet.<br />

78

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!