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Inhalten. Damit entfernt sie sich von der Frage eines essenziellen Wesens hin zu einer Untersuchung<br />
von Codierungen, Bildern und Zeichen, die in Ermangelung der Zugänglichkeit eines „Wesens“<br />
versehentlich dessen Echtheit garantieren sollten. Für Rivière 43 dient die besondere, schematisierte<br />
Darstellung von weiblichem Verhalten dazu, die Konkurrenz mit Männern, d.h. den<br />
Männlichkeitskomplex der heterosexuellen Frau zu verbergen. Da das Streben nach beruflicher<br />
Anerkennung „männlich“ ist, einen Versuch darstellt, sich den Penis anzueignen, muss die „männlich“<br />
lebende Frau die Männer besänftigen, indem sie ein Verhalten von überzeichneter Weiblichkeit<br />
präsentiert. Sie stellt fest, dass<br />
„Frauen, die nach Männlichkeit streben, zuweilen eine Maske der Weiblichkeit aufsetzen, um die Angst<br />
und die Vergeltung, die sie von Männern befürchten, abzuwenden.“ (Rivière 1994, 35)<br />
Doch auch sie verweist auf die enge Verknüpfung von Weiblichkeit und Maskerade:<br />
„Der Leser mag sich nun fragen, wie ich Weiblichkeit definiere oder wo ich die Grenze zwischen echter<br />
Weiblichkeit und der ‚Maskerade’ ziehe. Ich behaupte gar nicht, dass es diesen Unterschied gibt; ob<br />
natürlich oder aufgesetzt, eigentlich handelt es sich um ein und dasselbe.“ (Rivière 1994, 38)<br />
Lacan – positiv wie immer – über die nicht vorhandene, präsentierte Weiblichkeit:<br />
„So paradox diese Formulierung auch erscheinen mag, wir behaupten, dass die Frau, um Phallus zu<br />
sein, Signifikant des Begehrens des Anderen, einen wesentlichen Teil der Weiblichkeit, namentlich all<br />
ihre Attribute in die Maskerade zurückbannt. Ausgerechnet um dessentwillen, was sie nicht ist, meint sie,<br />
begehrt und zugleich geliebt zu werden.“ (Lacan 1975, 130)<br />
Die Frau, von der Lacan spricht, die heterosexuelle Frau identifiziert sich also mit dem Phallus44 – im<br />
Gegensatz zur homosexuellen Frau, zur wirklichen Lesbe, die versucht, den Phallus zu haben, also den<br />
43 Vgl. Rivière (1994): Der Text erschien ursprünglich 1929 unter dem Titel „Womanliness as Masquerade“ und behandelt die<br />
Fallstudie einer Frau, die für sie als eine Art Zwischenstadium zwischen homo- und heterosexueller Frau erscheint und die<br />
stark „männliche“ Wünsche hat. Bei der Unterscheidung zwischen homo- und heterosexuellen Frauen orientiert sich Rivière<br />
an der Einteilung von Jones, der Frauen mit starken männlichen Wünschen, unabhängig von Ausrichtung ihres sexuellen<br />
Begehrens als „homosexuell“ bezeichnet (vgl. Rivière 1994, 38). Schwierig an dieser Konzeption von Weiblichkeit als<br />
Maskerade ist zudem auch die Konstruktion von Weiblichkeit als maskierter Männlichkeit, die sich (vielleicht?<br />
wahrscheinlich?) dahinter verbirgt – damit löst sich auch hier Weiblichkeit in einer konzeptionellen Leere auf, die am ehesten<br />
– durch das Fehlen eines visuellen Symbols, des Phallus – als Ersatzmännlichkeit konzipiert werden kann.<br />
44 Lacan erhebt damit die Maskerade zur Seinsform des Weiblichen, während bei Rivière die Maskerade lediglich in einem<br />
weiteren Schritt von der Trägerin benutzt wird, um sich zu schützen. Enttäuschend ist dann allerdings Rivières Antwort auf<br />
die Frage am Ende ihrer Arbeit: „Worin besteht das eigentlich wesentliche voll entwickelter Weiblichkeit? Was ist das ewig<br />
Weibliche? Die Vorstellung von Weiblichkeit als einer Maske, hinter der der Mann eine verborgene Gefahr befürchtet, wirft<br />
ein wenig Licht auf dieses Rätsel.“ (Rivière 1994, 38). Ihre Schlussfolgerung ist dann allerdings nur ein Rückverweis auf die<br />
Wichtigkeit der Erlangung von Genitalität als Voraussetzung für die „voll ausgebildete Heterosexualität“.<br />
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