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dagegen ist der Inbegriff der reinen Weiblichkeit, das Idealbild der hingebungsvollen, sich aufopfernden,<br />

weiblichen Liebe. Anscheinend war ihre Kindheit und Jugend, ihre Erziehung bis zum Umfallen<br />

ausgerichtet auf das Antrainieren der weiblichen Geschlechterrolle. Allerdings ist mir nicht ganz klar, wie<br />

sich Marys lesbische Identität konstruiert. Warum sollte sich eine „normale“ Frau zu einer Lesbe,<br />

hingezogen fühlen? Wenn die Lesbe nichts anderes als ein Mann ist, gäbe es eigentlich keinen Grund<br />

dafür, einen „verunglückten Mann“ statt eines „richtigen“ zu wählen, der alle an ihn gestellten<br />

Anforderungen ebenso zu erfüllen im Stande ist. Und hier eröffnet sich ein Spielfeld der freien,<br />

bewussten Entscheidungen: Die Sehnsucht der Frau nach der Frau lässt sich nicht auf die Beziehung<br />

zwischen Lesbe als Mann und Frau reduzieren. Lesbische Liebe ist eben kein Umkehrmodell des<br />

heterosexuellen und alle Versuche, diese beiden auf ein Schema zu reduzieren, scheitern. Auch die<br />

anderen Paare, die im Roman vorgestellt werden, bestehen klischeehaft aus einer Frau und einer<br />

Lesbe. Von feministischem Widerstand ist in diesem Buch für mich kaum etwas zu spüren,<br />

Konventionen gelten auch für homosexuelle Frauen, die ihre Beziehungen genauso leben wie<br />

heterosexuelle Paare. Aber gerade das war ja auch ein Punkt, der dieses Buch so gefährlich machte.<br />

Lesben als normale Menschen zu betrachten und nicht als moralisch verwerfliche scheint gefährlich<br />

gewesen zu sein. Und doch halte ich das für gefährlich: Rebellion, Widerstand und bewusste<br />

Entscheidungen finden in dem Modell, das Radclyffe Hall in ihrem Roman konzipiert, keinen Raum. Und<br />

die Forderungen, seht her, wir sind auch Menschen wie ihr alle, habt Mitleid mit uns und verzeiht der<br />

Natur ihre Launen, die uns zu dem machen, was wir sind, ist nicht unbedingt eine politische<br />

Kampfansage, die dazu dient, die freien Entscheidungen und das selbst gestaltete Leben von Frauen<br />

zu fördern.<br />

Gefährlich an dem Buch ist auch die Definition von Lesben, die es gibt, der Versuch, ein zu<br />

allumfassendes Erklärugsmodell anzubieten, noch dazu eines, dass lesbische Liebe als heterosexuelle<br />

Liebe darstellt.<br />

Aber ist die maskuline Lesbe die Darstellung eines Mannes, der sie gerne wäre, oder eine Maske, die<br />

das eigentlich weibliche, jenseits des Phallus liegende Begehren, die Liebe ohne den Mann, kaschieren<br />

soll? Die Lesbe kann immer nur in einer heterosexuellen Welt, die keine anderen Begriffe hat, als Mann<br />

durchgehen. Eine „Butch“ ist keine männliche Frau, die leider kein ganzer Mann ist, sondern eine Frau,<br />

die sich selbst bewusst anders und konträr zu gängigen Vorstellungen und kulturell verankerten<br />

Klischees inszeniert. Wenn für Rivière (1994) Weiblichkeit und die Maskerade der Weiblichkeit, d.h. ein<br />

übertriebenes, zwanghaftes Zur-Schau-Stellen codierten weiblichen Verhaltens nicht zu unterscheiden<br />

ist, ist Weiblichkeit vielleicht das Wesen der Maske an sich – jenseits deren geschlechtsstereotypen<br />

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