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2.3.2.3. Radclyffe Halls „Quell der Einsamkeit“ – zwischen Wesen und Maske<br />
Der Roman „Der Quell der Einsamkeit“, ein Klassiker der lesbischen Literatur, erschien 1928 und wurde<br />
auf Grund von „Obszönität“ schon kurz nach dem Erscheinen verboten (vgl. Hall 1991, 577ff.). Obszön<br />
war meiner Ansicht nach vor allem die Vorstellung, dass Frauen keine Schuld an ihrer Homosexualität<br />
traf, dass sie nicht moralischer Vergehen angeklagt werden konnten, sondern dass Homosexualität eine<br />
unveränderliche, genetisch bestimmte Eigenschaft wie z.B. die Augenfarbe ist. Radclyffe Hall übernahm<br />
in ihrem Roman „Quell der Einsamkeit“ die zu dieser Zeit vorherrschenden Theorien, wonach lesbische<br />
Liebe vererbt ist und Lesbierinnen eigentlich Männer im falschen Körper sind. Diese sind bei ihr<br />
bemitleidenswerte Frauen, die das Mitleid der Gesellschaft verdienen. Ausgehend von ihrem Modell<br />
liebt ein Mann in einem Frauenkörper, d.h. eine lesbische Frau, eine „richtige“ Frau. Lesbische<br />
Sexualität unterscheidet sich demnach nicht von der heterosexuellen, insofern eine Frau immer einen<br />
Mann lieben muss und der Ausschluss des Mannes aus Liebesbeziehungen nicht gedacht werden<br />
kann. Bekannterweise ist es ja auch ein gängiges Klischee, dass Männerfantasien als Lieblingsobjekt<br />
zwei lesbische Frauen haben, die ihn allerdings in den Mittelpunkt stellen. Der wirklich praktizierte<br />
Ausschluss des Mannes kann kaum gedacht werden, verflüchtigt sich. Lesbische Liebe wird banalisiert,<br />
als Schwärmerei abgetan und ins Reich der Unkörperlichkeit, der harmlosen Zärtlichkeiten verschoben.<br />
Die Protagonistin Stephen hat schon einen Namen, der sie als Mann kennzeichnet, der klarmacht, dass<br />
sie nicht eine „echte“, „weibliche“ Frau ist. Ihre Bindung an den Vater ist viel intensiver als die an ihre<br />
Mutter, das Verhältnis zu ihrer Mutter ist von Spannungen und Missverständnissen geprägt. In der<br />
Rolle, die von Frauen der guten, bürgerlichen Gesellschaft erwartet wird, fühlt sie sich nicht wohl,<br />
sondern überfordert, nervös und fremd. Die Erwartungen, die ihr Vater in einen Sohn gesetzt hat, erfüllt<br />
sie allerdings sehr gut: sie bildet sich auf literarischem Gebiet, ist eine gute Reiterin, liebt die Natur, den<br />
Landsitz der Familie. Stephen verkörpert eigentlich das Ideal reiner Männlichkeit – aktiv,<br />
draufgängerisch, klug - gebrochen durch ihr biologisches Frau-Sein. Hier gerät die Autorin in einen<br />
offensichtlichen Zwiespalt: Einerseits will sie Homosexualität als angeboren präsentieren, andererseits<br />
betont sie bis zum Überdruss die Erziehung Stephens, die vor allem in einer Überbetonung von<br />
Geschlechtsklischees – in ihrem Fall eben der Männlichkeitsstereotypen – zu bestehen schien. Aber<br />
egal, ob ihre Homosexualität jetzt biologisch oder pädagogisch-psychologisch konstruiert ist, bleibt<br />
wenig Raum für eine freie Entscheidung Stephens. Die scheint ihr auf keinen Fall möglich - ihre<br />
Zuneigung zu Frauen geht weit über das normale Maß hinaus, darauf hat sie keinerlei Einfluss mehr,<br />
sie kann diese Neigung nur verwerfen und bekämpfen oder sich dazu bekennen. Es ist ihr völlig<br />
unmöglich, als Liebesobjekt bzw. als Lebenspartner einen Mann zu wählen. Ihre Partnerin Mary<br />
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