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„Demnach gehört die Geschlechtsidentität (gender) nicht zur Kultur wie das Geschlecht (sex) zur Natur.<br />

Die Geschlechtsidentität umfasst auch jene diskursiven/kulturellen Mittel, durch die eine‚ geschlechtliche<br />

Natur’ oder ein ‚natürliches Geschlecht’ als‚ vordiskursiv’, d.h. als der Kultur vorgelagert oder als politisch<br />

neutrale Oberfläche, auf der sich die Kultur einschreibt hergestellt und etabliert wird. [...] Diese<br />

Produktion des Geschlechts als vordiskursive Gegebenheit muss umgekehrt als Effekt jenes kulturellen<br />

Konstruktionsapparats verstanden werden, den der Begriff ‚Geschlechtsidentität’ (gender) bezeichnet.“<br />

(Butler 1991, 24)<br />

Butlers Kritik adressiert demnach die bisher gebräuchliche Verwendung von biologischem und<br />

soziokulturellem Geschlecht in dem Sinne, dass das biologische Geschlecht als unhinterfragbare<br />

Tatsache erscheint, die von der „Natur“ Vorgegebenen ist. Damit verbunden ist ein Subjekt „Frau“ bzw.<br />

„Mann“, als dessen Grundlage etwas prädiskursiv vorgegebenes erscheint. Diese Kritik von Butler<br />

berührt vor allem auch den politischen Rahmen der Anstrengungen um rechtliche und gesellschaftliche<br />

Anerkennung der Gruppen, die durch die Abweichungen von dieser Norm an den Rand der Gesellschaft<br />

gedrängt werden.<br />

Unter den Folgen der Abweichung von der Norm einer binären, oppositionellen Geschlechterdifferenz<br />

und einer heterosexuellen Sexualität leiden homosexuelle Personen, deren libidinöses Objekt nicht zum<br />

anderen, sondern zum gleichen Geschlecht gehört sowie Transgender-Personen, die sich mit dem<br />

anderen, nicht dem gleichgeschlechtlichen soziokulturellen Geschlecht identifizieren, Transsexuelle, die<br />

sich nicht nur das soziokulturelle Geschlecht, sondern auch das biologische Geschlecht, den Körper<br />

des anderen Geschlechts aneignen und Hermaphroditen, d.h. Menschen, die auf einer biologischen<br />

Ebene über Geschlechtsmerkmale beider Geschlechter verfügen. Diese Gruppen stellen in Frage, dass<br />

Heterosexualität und die eindeutige Geschlechtszugehörigkeit die einzig möglichen Normen sind und<br />

zeigen, dass Zweigeschlechtlichkeit und Heterosexualität als angeblich einzige, von der Natur<br />

vorgesehene Norm permanent unterlaufen werden.<br />

Die Thesen von Butler, nach denen das biologische Geschlecht eine soziokulturell konstruierte Größe<br />

ist, die ideologischen Interessen unterliegt und in einem gesellschaftlichen Prozess als Norm<br />

kontinuierlich bestätigt und unterlaufen wird, lösten eine sehr kontroverse Diskussion aus (vgl. bspw.<br />

Wobbe/Lindemann, 1996, Haas, 1995, Waniek/Stoller, 2001): Die Kritikpunkte waren u.a. die Auflösung<br />

des Subjekts „Frauen“ und die Konsequenzen darauf auf einer politischen Ebene, die Ausblendung des<br />

geschlechtlichen Leibes34 und die Fokussierung auf Sprache, wobei Butler in einer Tradition arbeitet,<br />

34 Als Replik darauf ist Butlers Buch „Körper von Gewicht“ zu lesen, in dem sie ihren Begriff von Körperlichkeit und<br />

Leiblichkeit thematisiert (Butler 1997).<br />

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