05.10.2013 Aufrufe

Download (1724Kb) - Wirtschaftsuniversität Wien

Download (1724Kb) - Wirtschaftsuniversität Wien

Download (1724Kb) - Wirtschaftsuniversität Wien

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Zunächst kritisiert Butler die notwendige Verknüpfung von männlichem Körper (sex) und männlicher<br />

Geschlechtsidentität (gender) als Gegensatz zur Entsprechung von weiblichem Körper (sex) und<br />

weiblicher Geschlechtsidentität (gender). Unabhängig vom biologischen Geschlecht könnten Subjekte<br />

also ein männliches oder weibliches soziokulturelles Geschlecht annehmen:<br />

„Wenn der Begriff ‚Geschlechtsidentität’ [Gender] die kulturellen Bedeutungen bezeichnet, die der sexuell<br />

bestimmte Körper (sexed body) annimmt, dann kann man von keiner Geschlechtsidentität behaupten,<br />

daß sie aus dem biologischen Geschlecht folgt. Treiben wir die Unterscheidung anatomisches<br />

Geschlecht/Geschlechtsidentität [sex/gender] bis an ihre logische Grenze, so deutet sie vielmehr auf eine<br />

grundlegende Diskontinuität zwischen den sexuell bestimmten Körpern und den kulturell bedingten<br />

Geschlechtsidentitäten hin. [...] so folgt daraus weder, dass das Konstrukt ‚Männer’ ausschließlich dem<br />

männlichen Körper zukommt, noch dass die Kategorie ‚Frauen’ nur weibliche Körper meint.“ (Butler 1991,<br />

22f.)<br />

Wenn diese Korrelation von je weiblichem bzw. je männlichem biologischem und soziokulturellem<br />

Geschlecht hinterfragt wird, ist die Grundlage eines Modells der Zweigeschlechtlichkeit selbst<br />

fragwürdig geworden. Selbst beim Festhalten an zwei biologischen Geschlechtern gibt es rein logisch<br />

die Möglichkeit von vier unterschiedlichen soziokulturellen Geschlechtern auszugehen: weibliches<br />

biologisches Geschlecht kombiniert mit entweder weiblichem oder männlichem soziokulturellem<br />

Geschlecht und männliches biologisches Geschlecht kombiniert mit entweder weiblichem oder<br />

männlichem soziokulturellem Geschlecht.<br />

„Ferner: Selbst wenn die anatomischen Geschlechter (sexes) in ihrer Morphologie und biologischen<br />

Konstitution unproblematisch als binär erscheinen (was noch die Frage sein wird), gibt es keinen Grund<br />

für die Annahme, dass es ebenfalls bei zwei Geschlechtsidentitäten bleiben muss. Die Annahme einer<br />

Binarität der Geschlechtsidentitäten wird implizit darüber hinaus von dem Glauben an ein mimetisches<br />

Verhältnis zwischen Geschlechtsidentität und Geschlecht geprägt, wobei jene dieses widerspiegelt oder<br />

anderweitig von ihm eingeschränkt wird. Wenn wir jedoch den kulturell bedingten Status der<br />

Geschlechtsidentität als radikal unabhängig vom anatomischen Geschlecht denken, wird die<br />

Geschlechtsidentität selbst zu einem freischwebenden Artefakt. Die Begriffe Mann und männlich können<br />

dann ebenso einen männlichen und einen weiblichen Körper bezeichnen wie umgekehrt die Kategorie<br />

Frau und weiblich.“ (Butler 1991, 23)<br />

Diese prinzipielle Vielfalt des soziokulturellen Geschlechts und ihre Trennung vom biologischen<br />

Geschlecht macht die Kategorie Geschlecht zu einer hinterfragbaren Größe, deren Grundlagen<br />

erkenntnistheoretisch zu überprüfen wären. Aber nicht nur das soziokulturelle Geschlecht kann in<br />

Hinblick auf seine zweigeschlechtliche Dualität kritisiert werden, sondern auch das biologische<br />

Geschlecht kann als gesellschaftlich konstruierte Diskurskonstante angesehen werden, die den<br />

Gegensatz und den Dualismus der Geschlechter festschreibt und damit eine ideologisch-politische<br />

Kategorie wird.<br />

63

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!