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Die Erfahrung der Lust der Frau ist eine dauernde, kontinuierliche, in das Alltagsleben integrierte, die<br />

jederzeit bewusst gemacht werden kann. Die Lippen sind ein Bild gegen Eindeutigkeit, klare<br />

Zuschreibungen und lassen Raum für Interpretationen, Mehrdeutigkeiten und Widersprüche. Und das<br />

Geschlecht der Frau ist nicht eins, aber auch nicht zwei – ebenso wie die Frau selbst.<br />

„Sie ist weder eine noch zwei. Bei aller Anstrengung kann sie nicht als eine Person, noch als zwei,<br />

bestimmt werden. Sie widersteht jeder adäquaten Definition.“ (Irigaray 1979, 25)<br />

Die Frau definiert sich damit gerade darüber, dass sie sich nicht definieren lässt. Damit schreibt Irigaray<br />

– und das ist in diesem Sinne eine Definition – bestimmte Eigenschaften, nämlich Un-eindeutigkeit, Un-<br />

Definierbarkeit zu, ohne allerdings eindeutige Zuschreibungen vorzunehmen, womit sie die<br />

Willkürlichkeit von Definitionen und Exaktheit entlarvt.<br />

Dass Irigaray das Wesen der Frau an ihrem Körper und ihrem Geschlecht festmacht, hat zu Kritiken an<br />

ihrem Modell geführt. Der Vorwurf, der Irigaray am häufigsten gemacht wird, ist der eines naiven<br />

Biologismus:<br />

„Alles, was die Frau ‚ist’, ist letztlich in ihrem biologischen Geschlecht begründet, welches sich immerzu<br />

berührt. Arme Frau.“ (Moi 1989, 156)<br />

Was dabei allerdings übersehen wird, ist die Tatsache, dass die von Irigaray ausgearbeitete Verbindung<br />

von Körperlichkeit und Sprechen im Wesen der Frau die in der Philosophie übliche Trennung von Geist<br />

und Körper, die die abendländische Denktradition über Jahrhunderte beherrscht (hat), aufhebt. Das<br />

Sprechen der Frau ist bei Irigaray immer ein zutiefst im Körper verwurzeltes Sprechen, das nicht von<br />

diesem losgelöst werden kann. Die Dualität von Geist und Körper ist so nicht mehr denkbar, für die Frau<br />

existiert sie nicht – sie ist und hat immer schon beides.<br />

Irigaray hat mit dem Bild der Lippen als Metapher für die Frau ein machtvolles, positives Bild<br />

geschaffen, das mittlerweile ein gängiges Bild mit verschiedensten symbolischen Implikationen<br />

geworden ist, Gegenstand unzähliger Diskussionen und mit einer Vielzahl unterschiedlicher<br />

Interpretationen verknüpft:<br />

„In a sense, whatever Irigaray may have ment originally when she put the two lips into circulation, and<br />

whatever she may maintain now, she is not longer in controll of this image any longer; it has taken on a<br />

life of her own and this life is far more significant than any single reading. It is the autonomous itinerary of<br />

multiple symbolic interpretation which I want to stress here, the now seemingly independent Life of an<br />

image which started of originally as an image of a (mostly unmentionable) part of women’s body, but is<br />

now thorougly impregnated with layers of symbolic meaning.” (Whitford 1991b, 101)<br />

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