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Ohne weitere Irrungen und Verwirrungen, komplizierte Muster und Erklärungen wählt der Mann die<br />
Mutter, seine primäre Bezugsperson und zusätzlich auch noch passenderweise der<br />
gegengeschlechtliche Elternteil als primäres Liebesobjekt. Und offensichtlich ist nicht nur der Knabe,<br />
sondern auch der Mann, zudem er sich entwickeln wird, so zufrieden mit seiner perfekten Wahl, dass er<br />
mit dieser einmal getroffenen Wahl scheinbar ein ganzes Leben lang glücklich werden wird – die einzige<br />
Herausforderung scheint für den Mann darin zu bestehen, an die Stelle der Mutter irgendwann eine<br />
andere Frau zu setzen, die dann ebenfalls Mutter eines Sohnes werden wird.<br />
Da die Grundlagen, die die Wahl des Liebesobjekts verursachen – Freud nennt hier Körperpflege,<br />
Nahrung, kontinuierliche Zuwendung – für Mädchen und Knaben völlig ident sind und die Quelle zur<br />
Befriedigung dieser Bedürfnisse in Freuds Darstellung immer die Mutter ist, ist das erste Liebesobjekt<br />
des kleinen Mädchens auch die Mutter. Doch die Entwicklung des Mädchens ist schwieriger – sie muss<br />
das Liebesobjekt tauschen, den Vater, der oftmals ja nicht einmal real existent in ihrem Leben<br />
irgendeine Rolle spielt, an die Stelle der Mutter setzen. Dieser Weg des Mädchens ist schwierig –<br />
Hindernisse liegen auf dem Weg.<br />
„Die Entdeckung seiner Kastration ist ein Wendepunkt in der Entwicklung des Mädchens. Drei<br />
Entwicklungsrichtungen gehen von ihr aus; die eine führt zur Sexualhemmung oder zur Neurose, die<br />
nächste zur Charakterveränderung im Sinne eines Männlichkeitskomplexes, die letzte endlich zur<br />
normalen Weiblichkeit.“ (Freud 2002, 368)<br />
Das Mädchen kann demnach auch Opfer illusionärer Vorstellungen über den eigenen, objektiv<br />
vorhandenen Mangel werden und sich einfach weigern diesen anzuerkennen. Dieses Mädchen hält<br />
daran fest, ein Mann zu sein, einen Penis zu haben und entwickelt die Vorstellung bzw. behält die<br />
Vorstellung, ein Mann, ein Penisträger zu sein. 27 Ganz die gegenteilige Entwicklung bringt das<br />
Verharren in der Position der Enttäuschung über das Nicht-Haben eines Penis mit sich, ein Verweilen in<br />
der Kränkung und darüber das Verweigern der Weiterentwicklung hin zur „normalen“ Frau. Neben<br />
diesen Entwicklungsmöglichkeiten ist das „natürliche“ Ziel in der Weiterentwicklung von Liebesobjekten<br />
für das kleine Mädchen der Vater und in weiterer Folge die Hinwendung zum Mann, währenddessen<br />
dieser in seiner ursprünglichen Mutterbindung verharren kann und nicht einmal eine Loslösung von der<br />
Mutter hin zur Frau vollziehen muss, wobei diese Unterscheidung zwischen Frau und Mutter in Freuds<br />
Texten auch wenig Bedeutung beigemessen wird.<br />
27 Der Männlichkeitskomplex einer Frau kann im weiteren Verlauf ihres Lebens zu einer homosexuellen Partnerinnenwahl<br />
führen – d.h. in diesem Kontext gäbe es keine wirklich homosexuellen Beziehungen zwischen Frauen, sondern eine der<br />
beiden wäre nur eine Frau, die glaubt, sie ist ein Mann.<br />
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