Download (1724Kb) - Wirtschaftsuniversität Wien
Download (1724Kb) - Wirtschaftsuniversität Wien
Download (1724Kb) - Wirtschaftsuniversität Wien
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Rande erwähnt. Und die einzige Frau, Mary Ann Lawlor, betritt die Bühne mit einem Hinweis auf ihre<br />
katholische Erziehung und vor allem auf ihre Eltern. Sie erscheint im Text so zunächst als gute Tochter<br />
und ihre beruflichen Erfolge verdankt sie der großartigen, katholischen Erziehung ihrer Eltern. So<br />
entsteht der Eindruck, dass die Erfolge von Frauen im Grunde die ihrer Eltern sind, die dafür<br />
herangezogen werden müssen, diese Erfolge verstehbar zu machen. Männer haben das nicht nötig –<br />
sie sind aus sich selbst heraus erfolgreich, verdanken niemandem nichts – bzw. zumindest in einem<br />
nicht erwähnenswerten Ausmaß. Im Text sprechen ihre Leistungen unzweifelhaft für sie.<br />
Und in welchem riesigen, multinationalen Unternehmen arbeitet nun Mary Ann Lawlor?<br />
„Im Jahr 1970 übernahm sie eine private Business School mit völlig veralterter Ausstattung, ohne<br />
staatliche Anerkennung und ohne das nötige Geld, um die laufenden Gehälter bezahlen zu können. Sie<br />
deckte das Defizit aus ihrem eigenen Vermögen ab und begann Drake umzukrempeln. Sie berichtet,<br />
dass eher Mut als Intelligenz erforderlich war, um der Herausforderung gerecht zu werden.“<br />
(Tichy/Devanna 1995, 16)<br />
Im Text leiten Männer riesige Unternehmen, Frauen leiten, wenn sie schon nicht mehr „nur“ Lehrerinnen<br />
sind, Schulen. Dass Mary Ann Lawlor das tut, verdankt sie nicht ihren besonderen Fähigkeiten, ihrer<br />
Intelligenz, sondern ihrem eigenen finanziellen Vermögen, und das in einem so gender-segregierten<br />
Arbeitsfeld wie es der Beruf der Lehrerin immer noch ist.<br />
„Lehrerin wurde der ideale Beruf für unverheiratete, gebildete Frauen aus den Mittelklassen, die<br />
angeblich geduldig und fürsorglich waren, von wenig Gehalt leben konnten und dazu noch etwas für die<br />
künftige eigene Mutterschaft lernten. In den Vereinigten Staaten wurden bis zum Zweiten Weltkrieg<br />
Lehrerinnen entlassen, wenn sie heirateten, und bis in die sechziger Jahre hinein zwangsbeurlaubt, wenn<br />
sie schwanger wurden. Das Lehramt heute hat für Frauen die strukturellen Merkmale der Frauenarbeit –<br />
niedrige Gehälter, wenig Selbstständigkeit und hohe Fluktuation; für Männer, die die Mehrheit der<br />
Schulleiter und Schulaufsichtsbeamten stellen, hat es die strukturellen Merkmale der Männerarbeit –<br />
Stabilität, Aufstiegschancen und hohe Gehälter.“ (Lorber 2003, 299)<br />
Immerhin hat Mary Ann Lawlor die Position der Lehrerin aufgegeben und stattdessen die Business<br />
School geleitet. Und wie sie das getan hat, bestätigt gleich das nächste, leider immer noch die Realität<br />
nachbildende Vorurteil, nämlich das Frauen für die gleiche Leistung schlechter bezahlt werden als<br />
Männer. Mary Ann Lawlor begann ihre Arbeit, in dem sie zunächst ein leistungsstarkes Team mit<br />
Kampfgeist aufbaute. Und in diesem Team finden sich nur Frauen. Ihre Personalauswahl erklärt sie so:<br />
„[...] sie waren einfach bereit für weniger Geld zu arbeiten als Männer mit derselben Qualifikation. So<br />
stellte ich sie ein. Inzwischen werden wir nach unserem Marktwert bezahlt, aber am Anfang sah jeder in<br />
der Chance, die sich ihm hier bot und die ihm in einem erfolgreichen Unternehmen wahrscheinlich nicht<br />
angeboten worden wäre, eine Art Ausgleichszahlung.“ (Tichy/Devanna 1995, 17)<br />
Geschlecht ist hier gleich auf mehrfache Weise repräsentiertes und explizites Thema:<br />
219