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„Im ethnomethodologisch-wissenssoziologisch inspirierten Feld der Sex-Gender-Diskussion steht die<br />
Frage nach den (Ethno-)Methoden der Konstruktion von Männlichkeit und Weiblichkeit, von Frauen und<br />
Männern im Mittelpunkt: Wie werden ‚Frauen’ und ‚Männer’ gedacht und wahrgenommen, wie<br />
präsentieren Individuen sich als weiblich oder männlich, welche Eigenschaften werden ihnen zu- oder<br />
abgesprochen, in welchen Prozessen vollzieht sich im Alltagsleben die Blau- bzw. Rosafärbung von<br />
Personen, Räumen, Gegenständen, Praxisfeldern?“ (Becker-Schmidt/Knapp 2000, 73)<br />
Innerhalb der Feministischen Theorie ist Judith Butler (1991, 1997) sicherlich die bekannteste<br />
Vertreterin des dekonstruktivistischen Ansatzes und mit eben diesem Ansatz steht sie im Mittelpunkt<br />
einer heftigen Kontroverse, die die Feministische Theorie der 90er-Jahre des letzten Jahrhunderts<br />
beherrscht hat. Kritik an Judith Butlers Texten kommt aus zwei unterschiedlichen Positionen: Zum einen<br />
wird kritisiert, dass die Abschaffung des Subjekts „Frau“ fatale Konsequenzen für politische Positionen<br />
mit sich bringt, da es dann eben nicht mehr möglich ist, als Kollektiv mit gleicher Identität aufzutreten,<br />
zum anderen wird Butler vorgeworfen, sich zu sehr auf den Aspekt der Sprache zu konzentrieren und<br />
die Leiblichkeit und Körperlichkeit des Erlebens von Identität außer acht zu lassen. 105<br />
4.4. Die (Un)Ordnung des Diskurses 106 – Foucault, Macht und Wissen<br />
„In den Diskurs, den ich heute zu halten habe, und in die<br />
Diskurse, die ich vielleicht durch Jahre hindurch hier werde<br />
halten müssen, hätte ich mich gern verstohlen eingeschlichen.<br />
Anstatt das Wort zu ergreifen, wäre ich von ihm lieber<br />
umgarnt worden, um jedes Anfangens enthoben zu sein. Ich<br />
hätte gewünscht, während meines Sprechens eine Stimme<br />
ohne Namen zu vernehmen, die mir immer schon voraus war:<br />
ich wäre es dann zufrieden gewesen, an ihre Worte<br />
anzuschließen, sie fortzusetzen, mich in ihren Fugen<br />
unbemerkt einzunisten, gleichsam, als hätte sie mir ein<br />
Zeichen gegeben, indem sie für einen Augenblick aussetzte.<br />
Dann gäbe es kein Anfangen. Anstatt der Urheber des<br />
Diskurses zu sein, wäre ich im Zufall seines Ablaufs nur eine<br />
winzige Lücke und vielleicht sein Ende.“ (Foucault 1998, 9)<br />
Die Diskursanalyse ist die Methode, die Foucault (1973, 1998) entwickelt und angewandt hat, um zu<br />
zeigen, dass der Mensch nicht aus sich heraus und für sich allein existiert, sondern sich durch historisch<br />
bedingte, sozio-kulturelle Prozesse konstruiert und konstituiert, wobei die Erfahrungen, die der Mensch<br />
105 Als Beispiele für Kritik am Ansatz Judith Butlers sei exemplarisch hingewiesen auf: Duden (1993), Lindemann (1993)<br />
106 Um begriffliche Klarheit gleich vorweg zu schaffen, sei an dieser Stelle klargestellt, dass der Begriff „Diskurs“ im Kontext<br />
meiner Arbeit in Anlehnung an die Erarbeitung des Begriffes durch den französischen Philosophen Michel Foucault<br />
verwendet wird – diese Verwendung ist klar unterschiedlich zur Verwendung des Begriffs „Diskurs“, wie er vom deutschen<br />
Philosophen Jürgen Habermas in die wissenschaftliche Diskussion eingebracht wurde. Der Diskursbegriff nach Habermas<br />
meint, kurz gesagt, eine Debatte unter gleichen in einem herrschaftsfreien Raum und knüpft an die Denktradition der<br />
Aufklärung an, während bei Foucault vor allem der Strukturalismus, Epistemologie und die Schriften Nietzsches wie die<br />
postmodernen Theoretiker zu seinen Einflüssen gezählt werden können.<br />
196