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Charisma wird so als Prozess zwischen Führenden und Geführten beschrieben. Grundlage dieser<br />
Theorie sind die Narizssmus-Theorien (v.a. von Kohut) der Psychoanalyse. Extrem vereinfachend<br />
formuliert geht Steyrer (1995) davon aus, dass der Charisma-Träger/die Charisma-Trägerin zum<br />
Aufrechterhalten seines/ihres narzisstischen psychischen Gleichgewichts eine Spiegelung durch die<br />
Geführten inszeniert und sein/ihr eigenes Grenzverhalten zur Kompensation von Selbst-Defiziten dient.<br />
Die Geführten wiederum weisen komplementär dazu narzisstische Defizite auf. Die Archetypen der<br />
Führung fungieren in diesem Kontext nicht nur als Representativheuristiken, sondern dienen als<br />
Inszenierungsvorlage, die allerdings – wie der Großteil des psychodynamischen Prozesses –<br />
unbewusst bleiben (vgl. Steyrer 1995, 315).<br />
„Welcher Archetypus zum Identifkationspunkt bzw. zur Handlungsmaxime sozialer<br />
Dramatisierung/Reversion wird, hängt vom narzisstischen Grundkonflikt ab. Eine Affinität gegenüber<br />
heroischen bzw. majestätischen Erscheinungsbildern geht primär aus Spiegelungs-Defiziten hervor und<br />
ist psychodynamisch auf eine nicht überwundene Überhöhung des eigenen Selbst zurückführbar, so<br />
dass die narzisstischen Energien auf Macht, Grandiosität und Erfolg fixiert sind. Eine Affinität gegenüber<br />
missionarischen/paternalistischen Erscheinungsbildern liegt neben dieser Fixierung auf das Großen-<br />
Selbst in einer zusätzlichen nicht überwundenen Idealisierung primärer Bezugspersonen begründet. Die<br />
daraus erwachsende narzisstische Energie ist dabei entweder auf Ziele, Werte und Ideale<br />
(missionarisches Charisma) oder auf die Verwirklichung idealisierter Elternimagines (paternalistisches<br />
Charisma) gerichtet.“ (Steyrer 1995, 315)<br />
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Entstehung von Charisma in diesem Modell sowohl einen<br />
Prozess der sozial-kognitiven Wahrnehmung als auch einen psychodynamischen Prozess enthält, die<br />
auf unterschiedlichen Ebenen gemeinsam stattfinden und einander gegenseitig ergänzen. Kritik an<br />
diesem Modell fokussiert jedoch auf die methodisch schwierige Überprüfbarkeit, vor allem auch in<br />
Hinblick auf die psychodynamischen Prozesse, die ja unbewusst und damit nur sehr schwer zugänglich<br />
sind.<br />
3.2.8. (deutschsprachige) Kritik der charismatischen Führungskonzepte<br />
„Es ist somit festzustellen, dass das Thema Charisma in praktikergerecheten Management-Magazinen<br />
und einschlägigen Veröffentlichungen zwar einer populärwissenschaftlichen Aufarbeitung anheimfällt und<br />
zumindest das „Bestseller-Genre“ der nordamerikanischen Leadership-Literatur einen Markt findet, die<br />
„Scientific Community“, die im deutschen Sprachraum mit Führung beschäftigt ist, sich allerdings relativ<br />
beharrlich diesen Interessen gegenüber verschließt, eine Integration der Konzepte in ihre<br />
Aussagensysteme und Theoriegebäude nur äußerst zaghaft vorantreibt und dort, wo derartige<br />
Integrationsversuche angestellt werden, ein gewisser Abwehrreflex zum Ausdruck kommt.“ (Steyrer<br />
1995, 53)<br />
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