Dokument 1.pdf - Universität Siegen

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Das Projekt des Angewandten Nichtwissens 5 Die Bedeutung des Begriffs „Begriff“ spielt eine wichtige Rolle bei der Suche nach Begriffen, bei der Suche mit Begriffen und bei der Suche in konkreten Begriffen. Ros hat sich in einem dreibändigen Werk zu Begründung und Begriff umfassende Untersu- chungen präsentiert. Wenn man darin liest, stößt man auf folgende mögliche Definition des Begriffs in der Neuzeit: „Das Wort »Begriff«, beziehungsweise das eine oder andere der damit äquivalent verwendeten Wörter, steht innerhalb der Philosophie der Neuzeit für ein vom menschlichen Verstand (»frei«, »autonom«, »spontan«, usw.) geschaffenes, im Inne- ren des Menschen unmittelbar zugängliches psychisches Phänomen, das die Men- schen dazu befähigen soll, die Geltung prädikativer Aussagen überprüfen zu kön- nen.“ 5 Die neuzeitliche Konzeption wies der Sprache dabei nur eine Rolle als vermittelndes Medium zu, die Begriffe selbst waren nicht sprachlichen Ursprungs, wenngleich sie dem Menschen selbst eigen waren. Berkely forderte zur Beseitigung sprachlich bedingter Verwirrungen, den „Vorhang der Wörter“ beiseite zu schieben. 6 Damit wäre Begriffsklärung möglich, weil es einen von subjektiver Anschauung unabhängigen Begriff geben würde. Mit der Sprachphilo- sophie eines Wittgenstein wurde dann aber im 20. Jahrhundert doch der Sprache die entschei- dende Bedeutung bei der Begriffsbildung zuerkannt. Wittgenstein wird folgende Definition des Begriffs zugeordnet: „Das Wort »Begriff« steht bei Wittgenstein für die Fähigkeit eines Sprechers, zu er- klären, wie man einen bestimmten generellen Ausdruck, oder von dem jeweiligen Sprecher als gleichbedeutend betrachtete generelle Ausdrücke, gebraucht beziehungsweise gebrauchen sollte.“ 7 5 Arno Ros, Begründungen und Begriff, Bd. II, Hamburg 1990, S. 11. 6 Arno Ros, ebd., S. 34. 7 Arno Ros, ebd., S. 34.

6 Bernd Roland Elsner Begriffe sind insoweit stets abhängig von den sie prägenden und nutzenden Personen. 8 Damit sind Begriffe zumindest subjektiv geprägt und nicht ohne weiteres auf einen objektiv richtigen Begriffsinhalt zurückzuführen. Es soll jetzt aber zunächst noch ein wenig zu den Vorstellungen gesagt werden. Eine Vorstel- lung im hier zu behandelnden Sinn ist das im Bewusstsein einer Person auftretende, nicht auf unmittelbarer Wahrnehmung beruhende Abbild der Wirklichkeit; oder das Bild, das sich je- mand in seinen Gedanken von etwas macht. 9 Noch ein Schritt weiter? Wirklichkeit ist der Zustand, wie man ihn tatsächlich antrifft, wie man ihn erlebt; der Bereich dessen, was als Ge- gebenheit, als Erscheinung wahrnehmbar ist. 10 Die Wahrnehmung ist der Akt der unmittelba- ren sinnlich vollzogenen Erfahrung. Die Vorstellung schafft auf Grund der Wahrnehmung ein Abbild der Wirklichkeit. Die Vorstellung ist also nicht Wahrnehmung, sie muss auch nicht auf einer Wahrnehmung beruhen, kann sie doch auch ohne äußeren Einfluss willkürlich ent- stehen. Was heißt es nun aber, wenn wir vom Nichtwissen sprechen? Der Begriff oder die Vorstel- lung darf nicht objektivierbar sein; nur dann können wir der Definition gemäß von Nichtwis- sen sprechen. Geht es aber tatsächlich nur um die Objektivierbarkeit von Begriffen und Vor- stellungen? Hier stellt sich die Frage nach der Eingrenzung oder Öffnung der Definition. Von Zeit zu Zeit wurde (von den Teilnehmern an unserem Projekt) der Wunsch geäußert, sie zu erweitern. Ist die Wirklichkeit nicht auch ungewiss? Sollte man neben dem Nichtwissen im Hinblick auf zu bildende Vorstellungen und Begriffe und ihren Inhalt nicht auch Defizite der Wahrnehmung beachten? Kann man die der Begriffs- und Vorstellungsklärung folgenden Anwendungsfrage nicht zu einer dreiseitigen Pyramide ergänzen? Der Entscheidungsprozess entsteht aus Wahrnehmungsakten in der Erfahrung der Wirklichkeit, der (konkreten) Vorstel- lung von Wirklichkeit und einem System von (abstrakter) Begrifflichkeit, die diese Wirklich- keit beschreibt und ordnet. Aus dem Nichts wachsen diese drei Flächen zu einer Pyramide des Wissens/Nichtwissens (ohne Grundfläche; ein Graus für Mathematiker – aber hier geht es ja auch nicht um Geome- 8 Natürlich hat auch Platons Vorstellung einer objektiven Realität der Ideen ihre Anziehungskraft. „Begriff“ kann Unterschiedliches bedeuten. Ich versuche nur zunächst eine Basis zu finden, von der aus ich etwas zu Begriffen sagen kann. 9 Duden – Das Bedeutungswörterbuch. 2. Aufl., Mannheim u. a. 1985. 10 Duden – Das Bedeutungswörterbuch, ebd.

6 Bernd Roland Elsner<br />

Begriffe sind insoweit stets abhängig von den sie prägenden und nutzenden Personen. 8 Damit<br />

sind Begriffe zumindest subjektiv geprägt und nicht ohne weiteres auf einen objektiv richtigen<br />

Begriffsinhalt zurückzuführen.<br />

Es soll jetzt aber zunächst noch ein wenig zu den Vorstellungen gesagt werden. Eine Vorstel-<br />

lung im hier zu behandelnden Sinn ist das im Bewusstsein einer Person auftretende, nicht auf<br />

unmittelbarer Wahrnehmung beruhende Abbild der Wirklichkeit; oder das Bild, das sich je-<br />

mand in seinen Gedanken von etwas macht. 9 Noch ein Schritt weiter? Wirklichkeit ist der<br />

Zustand, wie man ihn tatsächlich antrifft, wie man ihn erlebt; der Bereich dessen, was als Ge-<br />

gebenheit, als Erscheinung wahrnehmbar ist. 10 Die Wahrnehmung ist der Akt der unmittelba-<br />

ren sinnlich vollzogenen Erfahrung. Die Vorstellung schafft auf Grund der Wahrnehmung ein<br />

Abbild der Wirklichkeit. Die Vorstellung ist also nicht Wahrnehmung, sie muss auch nicht<br />

auf einer Wahrnehmung beruhen, kann sie doch auch ohne äußeren Einfluss willkürlich ent-<br />

stehen.<br />

Was heißt es nun aber, wenn wir vom Nichtwissen sprechen? Der Begriff oder die Vorstel-<br />

lung darf nicht objektivierbar sein; nur dann können wir der Definition gemäß von Nichtwis-<br />

sen sprechen. Geht es aber tatsächlich nur um die Objektivierbarkeit von Begriffen und Vor-<br />

stellungen? Hier stellt sich die Frage nach der Eingrenzung oder Öffnung der Definition. Von<br />

Zeit zu Zeit wurde (von den Teilnehmern an unserem Projekt) der Wunsch geäußert, sie zu<br />

erweitern. Ist die Wirklichkeit nicht auch ungewiss? Sollte man neben dem Nichtwissen im<br />

Hinblick auf zu bildende Vorstellungen und Begriffe und ihren Inhalt nicht auch Defizite der<br />

Wahrnehmung beachten? Kann man die der Begriffs- und Vorstellungsklärung folgenden<br />

Anwendungsfrage nicht zu einer dreiseitigen Pyramide ergänzen? Der Entscheidungsprozess<br />

entsteht aus Wahrnehmungsakten in der Erfahrung der Wirklichkeit, der (konkreten) Vorstel-<br />

lung von Wirklichkeit und einem System von (abstrakter) Begrifflichkeit, die diese Wirklich-<br />

keit beschreibt und ordnet.<br />

Aus dem Nichts wachsen diese drei Flächen zu einer Pyramide des Wissens/Nichtwissens<br />

(ohne Grundfläche; ein Graus für Mathematiker – aber hier geht es ja auch nicht um Geome-<br />

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Natürlich hat auch Platons Vorstellung einer objektiven Realität der Ideen ihre Anziehungskraft. „Begriff“<br />

kann Unterschiedliches bedeuten. Ich versuche nur zunächst eine Basis zu finden, von der aus ich etwas zu<br />

Begriffen sagen kann.<br />

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Duden – Das Bedeutungswörterbuch. 2. Aufl., Mannheim u. a. 1985.<br />

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Duden – Das Bedeutungswörterbuch, ebd.

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