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Dokument 1.pdf - Universität Siegen

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66 Frank Müller<br />

Es wird noch mysteriöser: Normalerweise sitzen die Teilnehmer und Teilnehmerinnen der<br />

Zufalls-Experimente einfach vor dem Zufallsgenerator, d. h. Gerät und Versuchsperson befinden<br />

sich in enger Raum-Zeit-Koinzidenz. Man kann den Versuch aber auch so anordnen,<br />

dass die Versuchsperson sich 100 Kilometer entfernt und sich auf ein bestimmtes Ergebnis<br />

konzentriert oder gar zu einem späteren Zeitpunkt versucht, auf den Versuchsablauf Einfluss<br />

zu nehmen. Der in Mexiko lebende Physiker Helmut Schmidt hat ein solches Experiment beschrieben,<br />

bei dem dieselben Anomalien auftreten wie dies in herkömmlichen Versuchsanordnungen<br />

der Fall ist. 26<br />

Wenn unser Leben ebenso gut rückwärts wie vorwärts ablaufen kann, da wir post factum Einfluss<br />

nehmen können auf das, was sich zuträgt, dann ist, philosophisch gesprochen, die<br />

menschliche Existenz eher Projekt als Schicksal. Sie ist keine Widerfahrnis, nicht dem Zufall<br />

unterworfen, sondern ein von Bewusstseinsstrukturen abhängiger Prozess. Ginge es nach den<br />

Zufallsmechanikern, so müssten wir uns, nach der ungeheuren Karriere, die der Zufallsbegriff<br />

dank der Darwinschen Evolutionstheorie 27 sowie durch die Quantenmechanik genommen hat,<br />

wieder an den Gedanken gewöhnen, dass wir nicht nur unabhängige und passive Beobachter<br />

sind, sondern das Beobachtete selbst aktiv mitgestalten.<br />

Von diesen Annahmen ist es nur ein weiterer Schritt bis zu den von der Autorin Carmen<br />

Thomas in ihrem Buch Der Zauber des Zufalls versammelten Synchronizitätserlebnissen.<br />

Berichtet wird beispielsweise vom Fall einer hochadeligen Dame, die beim Einkaufen ihren<br />

wertvollen Siegelring verliert. Als sie zwei Jahre später in einem Handschuhgeschäft verschiedene<br />

Modelle anprobiert, durchfährt sie plötzlich ein kalter Schreck: Sie zieht ihre Finger<br />

aus dem Handschuh und – trägt ihren Ring am Finger. Das Eintreffen mancher Koinzidenzen<br />

ist in der Tat so unwahrscheinlich, dass man geneigt ist, in ihnen eine Fügung höherer<br />

Mächte zu erblicken. Wie im folgenden Fall:<br />

„Der berühmte Rennfahrer Graf Berghe von Trips sollte 1961 mit einer Delegation der<br />

Landwirtschaftskammer Bonn in die USA reisen. Statt dessen fuhr er zum Rennen nach<br />

Monza, bei dem er tödlich verunglückte. Das Flugzeug, in dem er sonst gewesen wäre,<br />

wenn er mit nach Amerika geflogen wäre, stürzte zur gleichen Zeit ab. Alle Insassen kamen<br />

zu Tode. Irgendwie hatte er ein Doppelticket für sein schlimmes Schicksal.“ 28<br />

Ein Doppelticket in den Tod. - Wird der Zufall durch das Zusammentreffen zweier Ereignisse<br />

für unser Erleben gewissermaßen zu ‚zufällig‘, d. h. verschränken sich gleichartige Geschehnisse<br />

mit jeweils geringen Wahrscheinlichkeiten, so greift offenbar ein psychischer Mecha-<br />

26 Vgl. Helmut Schmidt. In: Ebd., S. 15.<br />

27 Gemeint ist die Zufallsdrift der Evolution durch spontane (zufällige) Mutationen.<br />

28 Carmen Thomas. Vom Zauber des Zufalls. Eine Einladung zum Mitmachen. Köln 1998, S. 19.

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