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Dokument 1.pdf - Universität Siegen

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Determinismus und Angewandtes Nichtwissen 57<br />

„Für ein Wesen, das, über unseren Erdball erhoben, von der äußeren Atmosphäre herab<br />

das Menschengeschlecht mit all seinen Fortschritten und Veränderungen betrachtete,<br />

würden die Menschen, wenn sie ganz nackt in den Wäldern umherirren, um dort mühsam<br />

ihre Nahrung zu suchen, nicht weniger den Gesetzen der Natur unterworfen erscheinen,<br />

als wenn sie, in zivilisierten Gemeinschaften lebend, das heißt, durch eine größere Zahl<br />

von Erfahrungen bereichert, sich schließlich in Luxus stürzen, von Tag zu Tag tausend<br />

neue Bedürfnisse erfinden und tausend Mittel entdecken, um sie zu befriedigen. Alle<br />

Schritte, die wir tun, um unser Dasein zu modifizieren, können nur als eine lange Folge<br />

von Ursachen und Wirkungen angesehen werden, die nur die Entwicklungen der ersten<br />

Antriebe sind, die die Natur uns gegeben hat.“ 2<br />

Freilich lässt sich der Determinismus auch völlig anders, beispielsweise wahrheitstheoretisch<br />

deuten. So könnte man etwa sämtliche Verhältnisse innerhalb der Welt in Form einer Momentaufnahme<br />

beobachten, d. h. betrachten, wie die Dinge zu einem gegebenen Zeitpunkt<br />

determiniert werden:<br />

„Wenn wir von der (prima facie gewiss plausiblen) Voraussetzung ausgehen, dass unsere<br />

Welt sich, auf welcher Beschreibungsebene auch immer, im Prinzip durch eine Menge<br />

zweiwertig wahrheitsfähiger Sätze beschreiben lässt, und wenn wir zugleich die (ebenso<br />

plausible) ‚Korrespondenztheorie‘ der Wahrheit zugrundelegen, wonach ein Satz genau<br />

dann ‚wahr‘ ist, wenn der von ihm bezeichnete Sachverhalt ‚wirklich‘ ist, können wir die<br />

Determiniertheit der Welt durch die Fixiertheit der Wahrheitswerte der sie beschreibenden<br />

Sätze zum Ausdruck bringen.“ 3<br />

Ein Satz mit einem bestimmten Wahrheitswert kann also den gegenteiligen Wahrheitswert<br />

nicht mehr haben. Dies impliziert aber, dass diese Sätze ebenso wie der ihnen korrespondierende<br />

‚wirkliche‘ Sachverhalt notwendig sind und dass ein durchgängiges System dieser Sätze<br />

unsere Welt vollständig determiniert. Unabhängig davon, ob man der mechanischen oder der<br />

wahrheitstheoretischen Deutung des Determinismus anhängt, erwächst dem Nichtwissen aus<br />

den deterministischen Systemen ein Problem: In ihnen scheint es nämlich für den für die<br />

strategische Anwendung des Ungewussten erforderlichen Verzicht auf Wissen keinerlei Entscheidungsspielraum<br />

zu geben. Wo das Wissen um die Welt total ist, verkümmert Nichtwissen<br />

zum ignoranten Ausblenden der verfügbaren Informationen.<br />

Wie sich jedoch in Betrachtung dreier deterministischer Weltkonzepte – Laplacescher Dämon,<br />

Zufallsmechanik bzw. Synchronizität, literarisches Billard-Motiv – herausstellen wird,<br />

2<br />

Paul Thiry d’Holbach. System der Natur oder von den Gesetzen der physischen und der moralischen Welt.<br />

Frankfurt am Main 1978, S. 18.<br />

3<br />

Gottfried Seebass. Freiheit und Determinismus. Zeitschrift für philosophische Forschung, Band 47, Heft 1,<br />

Januar-März 1993. Frankfurt am Main 1993, S. 1.

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