Dokument 1.pdf - Universität Siegen
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Das Projekt des Angewandten Nichtwissens 29 Welten der Vorstellung in einem gemeinsamen Erleben, womöglich gar in einem Rausch auf. Sich einer größeren Gruppe anzuschließen, kann also auch aus diesem Grund ein schlechter Rat sein; es handelt sich also um eine riskante Technik des Angewandten Nichtwissens. 3.2.7 Nichtwissen schaffen, um Nichtwissen zu überwinden Erstaunlicherweise kann die Erzeugung von Nichtwissen selbst eine Technik des Angewand- tem Nichtwissen sein, wenn damit Probleme mit einem bereits bestehenden Nichtwissen ge- löst werden sollen. Glauben wir in bestimmten Zusammenhängen, es müsste doch möglich sein, aus den isolierten Inseln des Wissens etwas größeres abzuleiten, dann geht es uns häufig so, dass wir vor lauter Wald die Bäume nicht sehen können. Das vorhandene Wissen blockiert die Lösung im größeren Zusammenhang. Bestimmte Faktoren müssen einfach ausgeblendet werden, sonst kommen wir auf keinen grünen Zweig. Wir wissen dann natürlich nicht, ob das Ausblenden dieser Faktoren ein Ergebnis erzeugt, das deshalb unvollständig und falsch ist. Aber wir kommen wenigstens zu einem Ergebnis. So versucht man Nichtwissen sogar „künstlich herzustellen“ und als Instrument der Lösungsfindung in wichtigen Fragen, wie der nach der Gerechtigkeit, zu empfehlen. Rawls’ Schleier des Nichtwissens 70 oder die Augen- binde der Justitia scheinen die Wahrnehmungen der eigenen Person geradezu als Hindernis gerechter Entscheidungen zu entlarven. Doch kann man auch hier nicht wissen, wie man, könnte man einen Zustand der vollkommenen Teilnahmslosigkeit erreichen, Maßstäbe für eine Entscheidung finden sollte, es sei denn, diese wären uns wiederum vorgegeben. Es kann sein, dass wir so teilnahmslos und unmenschlich werden, dass unser Ergebnis zwar formal gerecht ist, aber von niemandem, der es aus subjektiver Sicht betrachtet und befühlt, als ge- recht empfunden werden kann. 4. Ein paar Worte zum Abschluss Ich hoffe, dieser inhaltliche Rückblick auf neun Ausgaben der ungewußt regt zu einer Reihe weiterer Beiträge an. Es schien mir wichtig, ein wenig zu ordnen und den Freunden des An- gewandten Nichtwissens etwas an die Hand zu geben, das ihnen hilft, neugierige Fragen zu beantworten, was das denn eigentlich sei, Angewandtes Nichtwissen. Es konnte hierbei nicht 69 Philip G. Zimbardo, Psychologie, für die deutsche Ausgabe bearbeitet und herausgegeben von Siegfried Hoppe-Graf und Barbara Keller, 5. Aufl., Berlin u. a. 1992, S. 588ff. 70 Andreas Wagener, Der Schleier des Nichtwissens, ungewußt, Heft 3, S. 4.
30 Bernd Roland Elsner auf alle ungewußt-Aufsätze eingegangen werden. Vieles ließe sich noch ausführlicher und vertiefter analysieren, manches hätte man noch erwähnen können. Aber das Spielfeld ist nun besser abgegrenzt, und die ungewußt liest man nun vielleicht mit mehr und besserer theoreti- scher Rückendeckung. Es war stets einfach, Beispiele zu finden. Es ist auch nicht so, dass in der Zeitschrift Überle- gungen zum Wesen des Angewandten Nichtwissen gefehlt hätten. 71 Vermissen durfte man bislang aber eine Verbindung von beidem. Es sollte nun möglich sein, alte und neue Beispiele von Nichtwissen einem bestimmten Problemfeld zuzuordnen und ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu erkennen. Sichtbar dürfte auch geworden sein, in welchen Problemfeldern neue Beispiele zu suchen sind. Daraus kann im Idealfall ein fruchtbares Wechselspiel entste- hen, wenn abstrakte Überlegungen neue Beispiele in den Blick ziehen und diese neuen Bei- spiele ihrerseits zu umfassenderen und präziseren Überlegungen führen. Neben den Formen des Nichtwissens ist eine kleine Sammlung von Techniken präsentiert worden. Überraschen muss, wie sehr wir auf diese Techniken im Alltag angewiesen sind und wie häufig wir sie unbewusst – und bestimmt nicht selten falsch – anwenden. Deutlich erken- nen wir, dass diese Techniken mehr oder weniger geeignet sind, Probleme zu lösen, die uns in bestimmten Fällen des Nichtwissens begegnen. Sie verleiten aber leicht dazu, dass wir glau- ben wir wüssten, was wir nicht wissen. Die Besonderheiten dieser Techniken müssen deshalb noch genauer analysiert werden und viele andere Techniken warten noch auf den geschulten Blick des nichtwissenden Anwenders. 71 Siehe nur: Claudia Althaus/Andreas Wagener, Die Kunst des Angewandten Nichtwissens, ungewußt, Heft 7, S. 57. Michael Gail, Angewandtes Nichtwissen. Eine Annäherung, ungewußt, Heft 1, S. 5.
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auf alle ungewußt-Aufsätze eingegangen werden. Vieles ließe sich noch ausführlicher und<br />
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besser abgegrenzt, und die ungewußt liest man nun vielleicht mit mehr und besserer theoreti-<br />
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Es war stets einfach, Beispiele zu finden. Es ist auch nicht so, dass in der Zeitschrift Überle-<br />
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bislang aber eine Verbindung von beidem. Es sollte nun möglich sein, alte und neue Beispiele<br />
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Unterschiede zu erkennen. Sichtbar dürfte auch geworden sein, in welchen Problemfeldern<br />
neue Beispiele zu suchen sind. Daraus kann im Idealfall ein fruchtbares Wechselspiel entste-<br />
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Neben den Formen des Nichtwissens ist eine kleine Sammlung von Techniken präsentiert<br />
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wie häufig wir sie unbewusst – und bestimmt nicht selten falsch – anwenden. Deutlich erken-<br />
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71 Siehe nur: Claudia Althaus/Andreas Wagener, Die Kunst des Angewandten Nichtwissens, ungewußt, Heft 7,<br />
S. 57. Michael Gail, Angewandtes Nichtwissen. Eine Annäherung, ungewußt, Heft 1, S. 5.