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Dokument 1.pdf - Universität Siegen

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Das Projekt des Angewandten Nichtwissens 21<br />

mehr aus dem Nichtwissen Nutzen zu ziehen. In dieser Zeitschrift wurde der Skeptizismus<br />

bereits genauer behandelt 44 und die Unfähigkeit des Skeptikers zum Rat im praktischen Leben<br />

angesprochen, ähnlich dem Esel Buridans, der zwischen zwei gleich weit entfernten Heuhau-<br />

fen verhungert. 45 Vielleicht ist der Skeptizismus auch eine „Kinderkrankheit“ 46 . Aber mögli-<br />

cherweise macht sie denjenigen, den sie befällt, immun gegen eine andere Krankheit, die Vor-<br />

stellung, das Heil immer in der Gewissheit suchen zu müssen, was häufig zu einer Selbsttäu-<br />

schung führt, die auf unbeweisbaren Grundannahmen aufbaut. Sicherlich ist es konsequent,<br />

auch den Skeptizismus nur skeptisch zu benutzen. So sollte man Theorien nicht notwendig<br />

blind und pauschal in Frage stellen, sondern ihre Schwachpunkte suchen und dort finden, wo<br />

sie tatsächlich zu finden sind.<br />

Der Skeptiker kann sich zweifelnd der Tradition zuwenden oder sie mit seinen Zweifeln un-<br />

tergraben. So kann er konservativ oder subversiv sein. 47 Doch wer Nichtwissen anwendet, ist<br />

ein konstruktiver Skeptiker. Es soll, soweit Angewandtes Nichtwissen betroffen ist, kein Va-<br />

kuum an Theorie erzwungen werden. Jede Theorie muss sich allerdings fortwährend ihre<br />

Schwächen vorhalten lassen. Es mag sein, dass der absolute, endgültige Beweis nie gelingen<br />

wird; immer werden wir uns deshalb jenen dritten (Aus-)Weg offen halten, den schon Karl R.<br />

Popper für wichtig erachtete. 48 Gewissheit sollte immer auf einem gewissen Maß an Unge-<br />

wissheit gründen. Das Projekt des Angewandten Nichtwissens zieht dann aber praktische Kon-<br />

sequenzen aus dem Nichtwissen und setzt bewusst angemessene Techniken ein, um damit<br />

umzugehen.<br />

3.1.2 Nichtwissen und die alltäglichen Fragen<br />

Natürlich wird sich das tägliche Leben vielfach mit einem „alltagspraktischen Wissen“ be-<br />

wältigen lassen. Und muss man nicht überhaupt das Fragen irgendwann einmal beenden, um<br />

fortzufahren in der Unschuld des Alltagswissens? 49 Die Erkenntnis, wie frustrierend es häufig<br />

44<br />

Rudolf Lüthe, Der diskrete Charme Angewandten Nichtwissens – Eine kurze Reflexion über das Glück des<br />

Skeptikers, ungewußt, Heft 9, S. 3ff.; Jens Timmermann, Über das, was wir ernst nehmen sollten – oder:<br />

Pyrrhonische Skepzis, Putnams Pragmatismus und die Geschichte der Philosophie, ungewußt, Heft 5, S. 49.<br />

45<br />

Jens Timmermann, ebd., S. 56.<br />

46<br />

Gespräch mit Vittorio Hösle, ungewußt, Heft 4, S. 15.<br />

47<br />

Martin Hartmann, Gewißheit und Gewalt, ungewußt, Heft 6, S. 46.<br />

48<br />

Thomas Kleinknecht, Wissen, Nichtwissen, Systemwissen: Popper ad usum historicum, ungewußt, Heft 8,<br />

S. 59.<br />

49<br />

Martin Hartmann, Woran man zweifeln kann, ungewußt, Heft 5, S. 9.

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