Dokument 1.pdf - Universität Siegen
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Das Projekt des Angewandten Nichtwissens 9<br />
Es geht um Wahrnehmungen, Sinneseindrücke, also um das, was ich sehe, höre, rieche,<br />
schmecke oder ertaste. Es kann zwar ein Informationsdefizit die tiefere Ursache divergieren-<br />
der Vorstellungen und Begriffe sein. Sich dabei aber allein auf die Folgen für Vorstellung und<br />
Begriffsbildung zu beschränken und die Ursache auszublenden, erscheint doch etwas willkür-<br />
lich.<br />
Das Informationsdefizit ist etwas anderes als das bloße Nebeneinander sich nicht vollständig<br />
entsprechender Vorstellungen, es ist das fehlende Wissen um die erfahrbaren Tatsachen, das<br />
Fehlen jedes Sinneseindrucks, bei Bestehen einer Vermutung, dass es das nicht Wahrnehmba-<br />
re doch gibt. Solange diese Vermutung besteht, führt auch dies nicht in die Beliebigkeit. Er-<br />
kennt man in Informationsdefiziten eine Form des Nichtwissens, so ist eine weitere Ein-<br />
schränkung jedenfalls notwendig. Es geht um fehlende Informationen, nicht jedoch um er-<br />
reichbare Information, die man nicht heranziehen will oder kann. Dies wäre potentiell vorhan-<br />
denes, aber willentlich oder fahrlässig vernachlässigtes und infolgedessen nicht angewandtes<br />
Wissen. 14<br />
Interessant ist, dass wir mit Vorstellungen fehlendes Tatsachenwissen, das auf Wahrnehmun-<br />
gen beruht, ersetzen können, und dass auch die Begriffsbildung ein Mittel sein kann, sogar das<br />
Unvorstellbare zu benennen. So ist schon der Umgang mit Vorstellungen und Begriffen An-<br />
gewandtes Nichtwissen, aber nicht notwendig allein bezogen auf diese Begriffe und Vorstel-<br />
lungen, sondern oft wiederum auch auf zugrundeliegendes Nichtwissen hinsichtlich von Vor-<br />
stellungen und Tatsachen. Die Verflechtung von Wahrnehmung, Vorstellung und Begriffs-<br />
verwendung ist also vielfältiger Art.<br />
1.4 Die Grenzziehung zwischen behebbarer Unkenntnis und Nichtwissen<br />
Wenn sich jemand einer Prüfung stellt und bei einer Frage passen muss, weil er nicht ausrei-<br />
chend gelernt hat, befindet er sich dann in einer Situation, die Angewandtes Nichtwissen er-<br />
fordert? Befindet sich ein Arzt in einer Situation, die Angewandtes Nichtwissen notwendig<br />
macht, wenn er einem an einer heimtückischen Krankheit leidenden Menschen mit einem in<br />
13 Claudia Althaus, Angewandtes Nichtwissen oder nicht angewandtes Wissen, ungewußt, Heft 1, S. 3.