Itmlien. - Digitalisierte Bestände der UB Greifswald
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Helllusgegeben<br />
<strong>Itmlien</strong>.<br />
von <strong>der</strong><br />
>esellschafi für Hommersche Geschichte<br />
und Altertumskunde.<br />
Ueue Folge K««> XVll.<br />
Stettin.<br />
Kommissionsverlag von Lion Saunier« Buchhandlung.<br />
19 «3.
H e r a u s fl e q e b e u<br />
von <strong>der</strong><br />
Stullicn.<br />
Gesellschaft für Hommersche Geschichte und<br />
stltertumskunöe.<br />
Neue Folge «and XVlI.<br />
Stettin.<br />
Kommissionsverlag von Leon Saunier« Buchhandlung.<br />
19 l 3.
Inhalts Morzeichnis.<br />
Herzog Ernst Vogislav voll Croy, <strong>der</strong> letzte Bischof von Cammin, im Streite<br />
Schwedens und Brandenburgs um den Besitz des Bistums. Von<br />
Dr. BeneoittSzczeponlk 1<br />
Der Rat und die Ratslwie von Stettin. Von Professor I)r. Otto Blüincke 61<br />
Stellin im eisernen Jahr. Zeitgenössische Berichte. Von Professor<br />
l)r. Otto Altenburg l49<br />
Die staatsrechtlichen Verhältnisse Pommerns in den Jahren 1190 bis 1214.<br />
2V<br />
FiinfundsiebzilN'ter Jahresbericht 311<br />
Anlage. Historische Kommission für die Provinz Pommern . . 320<br />
Beilage. Über Altertümer uno Ausgrabungen in Pommern im Jahre 1912.<br />
Von Plof. Dr. Walter in Stellin 824<br />
Achtzehnter Jahresbericht über die Tätigkeit <strong>der</strong> Kommission zur Erforschung<br />
und Erhaltung <strong>der</strong> Denkmäler in Pommern in <strong>der</strong> Zeit vom<br />
1. Ollober 1812 bis 30. September 1U13 I<br />
Redaktion:<br />
il. Archivar Or. Grotefend<br />
in Steil in.<br />
Geit«
Herzog Ernst Vogislav von Lron.<br />
<strong>der</strong> letzte Wchof von Lammin, im Olreite<br />
Bchwebens unöPranöenburgs um benPesch<br />
öes Pistums.<br />
Von<br />
vr. Benedikt szczepanik<br />
Oreifswald.
Benutzte Darstellungen und Quellen.<br />
Bär, Max: Die Politik Pommerns wahrend des dreißigjährigen Krieges, Leipzig<br />
1896 sPubl. aus den Preuh. Staatsarchiven 64).<br />
v. Bülow, G.: Stammtafeln des PommerichlNügischen ssürstenhauses und seiner<br />
Nebenlinien, Stettin 1876.<br />
Klempin, N. : Die Exemlion des Bistums Cammin, Stettin 1870.<br />
Kücken, Llldw. : Gcschichte <strong>der</strong> Sladt dammin i. Pomln. und Beiträge zur<br />
Geschichte des Cammmer Domkapitels, Eammin 1680.<br />
Micraelius, Joh.: Altes Pommernland, lid. I-Vl. Alten Stettin 1639/40.<br />
Mueller, Iul.: Neue Beiträge zur Geschichte <strong>der</strong> Kunst und ihrer Denkmäler<br />
in Pommern, Balt Stud. 1878, Ihrg 28.<br />
Odhner, (5. T : Die Politik Schwedens im westfälischen Friedenskongreß und<br />
die Gründung <strong>der</strong> schwedischen Herrschast in Deutschland, Golha 1877.<br />
Spuhrmann, R.: Geschickte <strong>der</strong> Stadt (5ammin i. Pom. und des Cammmer<br />
Domkapitels, Camnnn i. Pom 1912<br />
Wehrmann, M : Geschichte von Pommern, Bd. l/2 Gotha 19M/06. (In: Allgemeine<br />
Staalengeschichle, 111 At't.)<br />
Vitae ?omel2u0lunl, Vol. 119. Sammlung <strong>der</strong> Univ.-Bibl. <strong>Greifswald</strong>.<br />
Pommersche Jahrbücher, Vd XI.<br />
Akten aus dem Kgl. Geheimen Staatsarchiv zu Berlin.<br />
Alten aus dem Kgl. Staatsarchiv zu Stettin ^<br />
Allen aus <strong>der</strong> v. Bohlenschen Sammlung. Konisches Staats«<br />
Akten aus dem deponierten Archiv <strong>der</strong> Sladt Stettin. 1 "^" zu Stettin.<br />
Ich zitiere nach dem von M. Bär in dem angeführten Werke gegebenen<br />
Musier:<br />
Rsp. 92, Nr. öv -- Geh. Staatsarchiv Berlin, Nsponttur 92, Nr. 50.<br />
8. 42, 17 — Staatsarchiv Stettin, ^tett. Arch. 1"Ä,3 1, Tit. 42, Nr. 17.<br />
8t. 3, 182 — Staatsarchiv Stettin, Teponieites Archiv <strong>der</strong> Studi Stettin, Tit. 3,<br />
Nr. 182.<br />
N. 1493 --- Staatsarchiv Stettin, v. Bohlensche Sammlung Nr. 1498.<br />
-
Einleitung.<br />
Fünf Jahrhun<strong>der</strong>te hindurch hatte <strong>der</strong> alte Greifenstamm die<br />
Geschicke Pommerns geleitet und das Land durch manchen Sturm <strong>der</strong><br />
Zeiten hindurchgefnhrt. Umso größer war daher die Traner, als gerade<br />
mitten in den Wirren des dreißigjährigen Krieges <strong>der</strong> letzte Herzog von<br />
Pommern, Bogislav XIV., am 10. März 1637 seine Augen zum<br />
ewigen Schlafe schloß. Mit ihm sank <strong>der</strong> alte Ruhm des erlauchten<br />
Greifenstammes ins Grab.<br />
„Der Edle Greiffen-Vaum ist mit Stamm vnd Wurtzeln gantz<br />
hingerissen, onter dessen Schatten das ganhe Pommernland so viele Jahre<br />
geruhet hat." ^) ,^1kc6t tsoum pri80». karum re^ionum gloria et<br />
»laoont konnreL et MÄ^nia. zmtisluismmi pkriter ac Oel8i83»mi<br />
Nur noch zwei Fürstinnen blieben von dem einst so blühenden<br />
Herrschergeschlecht übrig: Elisabeth Magdalene von Wolgast, verwitwete<br />
Herzogin von Curland, und die Herzogin Anna von Croy-Havrse. Nach<br />
dem Tode <strong>der</strong> ersteren (23. Februar 1649) sehen wir in <strong>der</strong> Herzogin<br />
Anna von Croy uud ihrem einzigen Sohne Ernst Bogislav die letzten<br />
Sprossen des uralten Greifenstammes, die, würdig des Geistes ihrer<br />
Ahnen, gleich <strong>der</strong> in herrlicher Abendröte untergehenden Sonne noch<br />
einmal die Strahlen ihrer segensreichen Wirksamkeit über die Pommerulande^)<br />
verbreiteten.<br />
') MicraeliuS, a. a. O., 3. Buch S. 354.<br />
') Vit. ?om vol. 119 Gedächtnisrede des 0. Johannes Michaelis bei <strong>der</strong><br />
Trauerfeier in <strong>der</strong> Universität <strong>Greifswald</strong>, gehalten am 25. Mai 1654 gelegentlich<br />
<strong>der</strong> Bestattung des Herzogs Bogislav XIV. in Stettin<br />
') Eine Gedächtnisfeier, die auf Verfügung des Stifters, deS Herzogs Ernst<br />
Bogislav von Croy, vom Jahre ls90 au alle Dezennien von <strong>der</strong> Universität<br />
<strong>Greifswald</strong> am 7. Juli, dem Todestage <strong>der</strong> letzten Herzogin von Pommern, Anna<br />
von Croy. festlich als «tu» p^llo^lieu» begangen wird, hat das Andenken an die<br />
erlauchte Fürstin und ihr hehres Geschlecht von Generation zu Generation verpflanzt.<br />
Die Vitas ?om«r»norllw, vai. N9, enthalten die Korrespondenz des<br />
Herzogs Ernst Nogislav von Cray mit dem Rektor und Senat <strong>der</strong> Universität<br />
Greisswald zwecks Einrichtung <strong>der</strong> «perpetnirlichen Croy-Feier" sowie die Festreden<br />
<strong>der</strong> einzelnen «.otus pauo^riei mit Ausnahme <strong>der</strong> Jahre 1760 und 1770. Hur<br />
Deckung <strong>der</strong> bei den Feiern nötigen Unkosten hinterlegte <strong>der</strong> Herzog bei <strong>der</strong> Stadt<br />
Slralsund ein Kapital, dessen Zinsen in Höhe von 100 Rthl. alle 10 Jahre <strong>der</strong>
Spat erst, in ihrem 29. Jahre, hatte sich die Herzogin Anna,<br />
Tochter Vogislavs XIII., mit dem Herzog Ernst von (5roy nnd<br />
Areschott^) vermählt, <strong>der</strong>, wie sein ganzes Geschlecht, <strong>der</strong> römischen Kirche<br />
angehörte. Doch hatte sich die Herzogin als treue Anfängerin <strong>der</strong> ncnen<br />
delire ausbednngen, alle zn erwartenden Nachkommen in ihrer Ncligion<br />
erziehen zu dürfen. Bald nach <strong>der</strong> Hochzeit siedelte die Herzogin nach<br />
Ainstingen über, einem lothringischen Schlosse ihres Gatten, wo sie nach<br />
einjähriger Ehe einem Sohne das Gebell schenkte. Doch bald sollte das<br />
Familienglück getrübt werden. Kanm hatte <strong>der</strong> jnnge Prinz, Ernst<br />
Bogislav, das Vicht <strong>der</strong> Welt erblickt, als ihm sein Vater, <strong>der</strong> unter<br />
Amdrosins Spinola mit dem Ereknlionsheere in <strong>der</strong> Pfalz stand, bei<br />
Oppenheim am 7. Oktober 16^0 dnrch einen schnellen Tod entrissen<br />
wnrde.6)<br />
Dieses tranrige Ereignis sollte für das ganze spätere ?cben des<br />
jnngen Prinzen von größter Bedentung werden. Bei dem schroffen<br />
Gegensatz, <strong>der</strong> gerade damals znr Zeit des dreißigjährigen Krieges zwischen<br />
den Anhängern <strong>der</strong> alten und <strong>der</strong> neuen ^ehrc bestand, ist es erklärlich,<br />
daß den katholischen Anverwandten des Herzogs voll (5roy dessen Gemahlin<br />
als offene uud eifrige Berfechtcrin des nellen Bekenntnisses im ^andc<br />
nicht gerade sehr willkommen war, zumal die Nachkommenschaft <strong>der</strong><br />
protestantischen Kirche zugeführt werden sollte. Nach dem Tode ihres<br />
Gatten sah sich dle Herzogm bald wegen ihrer Religion bedrängt und<br />
flüchtete, ihr ^eibgedinge im Stiche lassend, im Jahre 1622 mit ihrem<br />
Sohne nach Pommern, wo sie ihr Bru<strong>der</strong>, <strong>der</strong> Herzog Bogislav XI V.,<br />
mit Stolpe ausstattete. „Vulsrs ^U55it. t^iita» l^reditario<br />
8l55im0 I'l'incirn l'ilio ditlOlle» 3liftqu6 ^ui'u, eßreAla, velut^<br />
patrimonium, ut. teterrimum<br />
Universität ausgehändigt werden sollten. Außerdem vermachte <strong>der</strong> Herzog <strong>der</strong>selben<br />
testamentarisch u. a. den berühmten Croy
Die NnwartschklNserleilullss auf das ötift Eammin<br />
durch den Herzog Vojislav ^IV. I633.<br />
Bald genug hatte das Schicksal die Herzogin Anna von Croh ihrer<br />
pommerschen Heimat wie<strong>der</strong>gegeben und damit auch über die ganze<br />
Zukunft des jungen Prinzen entschieden. Hier wurde ihm unter <strong>der</strong><br />
Leitung seiner allseitig gebildeten fürstlichen Mutter eiue vortreffliche<br />
Erziehung zu teil, auch er als <strong>der</strong> letzte Greifensproß sollte das Pommernland,<br />
wo seine Ahnen einst so segensreich gewirkt hatten, als seine neue<br />
Heimat lieben uud schätzen lernen. Dank <strong>der</strong> eifrigen Bemühungen<br />
seiner Anverwandten knüpften ihn bald enge Bande au dieses Land,<br />
beson<strong>der</strong>s an das Bistum Cammin, das von den Wandlungeu, die <strong>der</strong><br />
verheerende europäische Krieg allenthalbeu iu deu deutschen Landen in<br />
religiöser uud territorialer Beziehung hervorrief, auch nicht ganz verschont<br />
bleiben sollte.<br />
Da <strong>der</strong> Prinz durch seine lothringischen Verwandten seines väterlichen<br />
Erbes verlustig gegangen war, fehlten ihm die Mittel zu einem seiner<br />
fürstlichen Herkunft würdige» Haushalt. Es galt daher, zuuächst in<br />
dieser Beziehung für eiue sichere Zukunft des jungen Herzogs zu sorgen.<br />
Unermüdlich tätig darin war seine Mutter Anna.<br />
Das Bistum Cammin war im Anfang des 12. Jahrhun<strong>der</strong>ts von<br />
Wollin nach Cammin verlegt und durch die päpstliche Konfirmation vom<br />
14. Oktober 1140 bestätigt worden (Papst Iunocenz U.).') In <strong>der</strong><br />
Folgezeit hatte es wegen seines Suffraganverhältnisses zum Erzbistum<br />
Magdeburg große Kämpfe zu bestehen; erst 1244 erfolgte die Exemtion.<br />
Nach dem Tode des letzten katholischen Bischofs, Erasmus von Manteuffel.<br />
im Jahre 1544 wurde das Bistum protestantisch.s) Seit dem Jahre 1556<br />
hatten nur Angehörige des pommerscheu Herrschergeschlechtes den bischöflichen<br />
Stuhl von Cammin inne.")<br />
') Vgl Klempin, Rob., Die Exemtion des VistumS Cammin, Stettin 1870,<br />
5. 18 ff.<br />
') Vgl. Kücken, Ludwig, a. a. O., 9 Kap.<br />
') Vgl. G. v. Bülow, a. a. O., S. 1011.
tt Herzog Ernst Vogislav von Croy. <strong>der</strong> letzte Brschof von Cammin,<br />
Daher lag es <strong>der</strong> Herzogin Anna nahe, ihrem Sohne, als dem<br />
letzten Sprossen ihres Geschlechtes, das Anrecht auf das Bistum zu<br />
verschaffen. Auf ihre Bemühungen hin bat die „Witwe von Lörze",")<br />
Sophie Hedwig, Gemahlin des 1592 verstorbenen Herzogs Ernst Ludwig<br />
von Wolgast, beim Herzog Bogislav XI V. „wegen des Jungen Herrleins,<br />
Herrn Ernst Bogislaffen, Herzogen zu Croy vndt Arischott, weil hochgemelter<br />
Junger Herzog von Croya von fürstlichem Pommerschcm Oebluet<br />
endtsprossen", daß <strong>der</strong> Herzog beim Domkapitel gnädiglich veranlassen<br />
wolle, daß für den Fall, „wann Seine fürstlichen Gnaden vndt Dero<br />
geliebter Herr Vetter, Hcrtzog Philip Inlins, nach dem Willen Gottes<br />
ohne Menliche Leibes Lehens Erben diese Weldt gesegenen vudt kein<br />
geborner Hertzog von Pommern mehr im Leben sein sollte, . . daß alß<br />
dan hochgemellter Junger Hertzog von Croya zum Vischoffthumb Cammin<br />
erwehlett werden möge."") Herzog Bogislao XIV., <strong>der</strong> schon seiner<br />
Schwester Anna von Croy zu einem standesgemäßen Auskommen zu<br />
verhelfen wußte, zeigte sich gern bereit, seinem Neffen den Weg für seine<br />
künftige Lebensbahn zu ebnen. Nach Übereinkunft mit seinem Vetter<br />
Philipp Julius,") <strong>der</strong> als Glied des Greifengeschlechtes bei einer Vakanz<br />
des Vistums auch noch hätte in Frage kommen können, erließ Bogislav<br />
an das Domkapitel von Cammin als dessen Patron am 16. Januar 1623<br />
die Verfügung,^) den Herzog Ernst Bogislav von Croy auf Grund<br />
seiner fürstlichen Abstammung im Falle des Aussterbens <strong>der</strong> männlichen<br />
Mitglie<strong>der</strong> des pommerschen Herrschergeschlechts bei einer eintretenden<br />
Bischofswahl zu berücksichtigen. Doch mußte <strong>der</strong> Herzog als eifriger<br />
Verfechter seines Glaubens die Garantie haben, daß das Bistum als<br />
Vollwerk des Protestautismus in Pommern auch <strong>der</strong> neuen Religion<br />
") Die Schreibart <strong>der</strong> Namen habe ich konsequent den betreffenden Manuskripten<br />
entnommen. Nicht immer läßt sich eine Identität mit den heute gebräuchlichen<br />
Ortsnamen feststellen, ^örze" wohl gleich „Loitz".<br />
") «ep. 92. Nr. 9, Original'Urkunde, gez Alten-Stettin, den 16. Januar l62S.<br />
") Geb. 27. Dezember 1584, gest. 6. Febr. 1625. Herzog von Wolgast, eine<br />
.frischere, lebendigere Persönlichkeit in dem dahinsiechenden pommerscheu Herrscher»<br />
Hause, mit herrischem und leidenschaftlichem Charakter", beson<strong>der</strong>s bekannt durch<br />
seinen langwierigen Kampf gegen die Ltadt Stralsund (Lambert Sleinwich). Die<br />
Negierung Philipp Julius' hat infolge seiner übergroßen Schulden und <strong>der</strong> prunkvollen<br />
Hofhaltung dem Lande nicht zum Segen gereicht. Vgl. Wehrmann, M,<br />
a. a O, l, S. wb-IN.<br />
") Nsp. 92, Nr. 9. Original-Urkunde. Wie sich das Domkapitel von Cammin<br />
zu dieser Verfügung verhielt, konnte ich lei<strong>der</strong> nicht feststellen, da ich ein dies:<br />
bezügliches Antwortschreiben des Kapitels all den Herzog we<strong>der</strong> im Geheimen<br />
Staatsarchiv zu Berlin noch unter den in Frage kommenden Alten des Staatsarchivs<br />
von Stettin ausfindig machen konnte. Toch ist aus dem sonstigen Verhalten<br />
des Domkapitels zu <strong>der</strong> Angelegenheit des Herzogs von Croy mit Sicherheit
im Streite Schwedens und Brandenburgs um den Vesitz des Bistums. 9<br />
erhalten bleibe. Daher knüpfte er seine Bestimmung an die Bedingung,<br />
daß <strong>der</strong> junge Herzog von Croy „in <strong>der</strong> vnverün<strong>der</strong>ten Reyneu Augs-<br />
burgischen Religion erzogen vnndt darbey verharren würde". SoNte<br />
aber sein Neffe diesem Glanben untreu werden und sich etwa „zn jeniger<br />
an<strong>der</strong>n Religion wenden o<strong>der</strong> lengten lassen. Soll diese Eventual-<br />
bewilligunge an Ihr selbstend Cassirt vnndt ausgehoben, vnndt ein<br />
Ehrwürdig Thums Capittel hiezu nicht verbunden sein".<br />
So war durch diese Urkunde die spätere Succession des Herzogs<br />
Ernst Bogislav von Croy im Bistum Cammin in sichere Aussicht gestellt.<br />
II.<br />
Die Destgnation des Herzogs Ernst Vojislav von Croy<br />
zum Bischof von Cammin. lK33.<br />
Einstweilen gab sich die Herzogin von Croy mit dem erlangten<br />
Ergebnis zufrieden. Doch tonnte ihr wenige Jahre später diese Gewähr-<br />
leistung nicht mehr genügen, als sich in den politischen Verhältnissen des<br />
Landes eine Umgestaltung vorzubereiten schien, die für die Beziehungen<br />
ihres Sohnes zum Bistum Cammin nicht ohne nachteilige Folgen sich<br />
hätte gestalten können. Die Wogen des dreißigjährigen Krieges waren<br />
inzwischen über das durch die lauge Friedenszeit erschlaffte Pommernland<br />
hereingebrochen. Schon durch den Konflikt zwischen Polen und Schweden<br />
geriet das Land in eine schwierige Lage. Einerseits stand <strong>der</strong> Herzog<br />
durch die Herrschaften Lauenburg und Bütow unter polnischer Lehnshoheit,<br />
an<strong>der</strong>erseits waren die Handelsbeziehungen zu Schweden für Pommern<br />
eine Lebensfrage. Als nun noch die Wallensteinschen Scharen in Pommern<br />
erschienen, suchte <strong>der</strong> Herzog, ängstlich auf Neutralität bedacht, allenthalben<br />
Vermittelungen anzubahnen. Der bedrängten Lage zeigte er sich nicht<br />
gewachsen und mußte sich immer dem Mächtigeren fügen, „ein Mann<br />
arm an geistiger Begabung, ohne Willen und Tatkraft, ein Nohr im<br />
Winde".") So fah sich denn <strong>der</strong> schwache Regent unter dem Drucke<br />
anzunehmen, dah dasselbe sich einer späteren Leitung des jungen Herzogs willig<br />
unterordnen und anvertrauen wollte.<br />
") M. Vär. a. a. O., S. 2. Einl.
1s) Herzog Ernst Vojislav von Croy, <strong>der</strong> lehle Vischof von Cammin.<br />
<strong>der</strong> Wallenfteinschen Truppen bald znr Kapitulation von Franzburg<br />
ilt)./sl). Nov. 1627) gezwungeu, mit welcher die „dreijährige Drangsal"<br />
Pommerns begann. Kaum hatten die Schweden festen Fuß im Lande<br />
gefaßt, als sich <strong>der</strong> Herzog sofort wie<strong>der</strong> dem Stärkeren anschloß und<br />
mit Gustav Adolf im Juli 1639 ein Bündnis einging, das für die<br />
Zukunft Pommerns von großer Bedeutung werden sollte. Dieser Vertrag<br />
brachte wohl dem Lande eine augenblickliche Erleichterung, doch enthielt<br />
er an<strong>der</strong>erseits eine wichtige Klausel, die dem König ein gewisses Recht<br />
anf die Autorität über Pommern zusprach. Denn Gustav Adolf „hielt<br />
sich per expre83um vor, waun <strong>der</strong> Hertzog in Pommern ohne Mänliche<br />
Leibes Erben abgehen folte, ehe vnd zuvor <strong>der</strong> Churfürst zu Brandenburgs,<br />
als 6Vk>ntualiter gehuldigter 8u^e35fti-, diese Einigung bestätiget, vnd<br />
diesen Landen zu ihrer eutlediguug würcklich assistiret hatte, o<strong>der</strong> da dem<br />
Churfürsten die Succession von an<strong>der</strong>n streitig gemachet würde, das er<br />
alsdann diese Lande in ke^u^t^ori^ vnd clisntelar protectmne so<br />
lange inbehalten wolle, biß <strong>der</strong> puncwä 5uc:o688i0M8 seine vollständige<br />
richtigst vnd erledignng erlanget"/") Durch diesen Vorbehalt war ein<br />
Konflikt zwischen Schweden und Brandenburg unvermeidlich, das sich<br />
auf den im Jahre 15^9 geschlossenen Gnmnitzer Pertrag stützte, demznfolge<br />
Brandenburg im Falle des Aussterben? des Manuesstammes <strong>der</strong><br />
pommerschen Herzöge Erbrecht auf das Land haben sollte.<br />
Diesem Umstände, daß nach dem Tode des bereits kränkelnden<br />
Herzogs sich mehrere Machthaber (bei dem ungewissen Ausgange des<br />
Krieges) in die Autorität über Pommern würden teilen wollen, wobei<br />
das Bistum leicht in fremde Hände geraten könnte, trug die Herzogin<br />
Anna von Croy Nechuuug und suchte sobald als möglich ihrem Sohne<br />
das Anrecht anf das Bistnm zu sichern. Hatten sich doch schon mehrere<br />
vornehme Prätendenten, wie z. V. <strong>der</strong> Sohn des Diinentönigs, um das<br />
Bistum beworben. ") Es galt daher, die Designation des jungen Prinzen<br />
zum Bischof von Cammin nach Kräften zu beschleunigen, wozu die Zustimmung<br />
Schwedens und Brandenburgs erfor<strong>der</strong>lich war, da beide auf<br />
Grund ihrer mit Pommern geschlossenen Bertläge Anspruch auf das<br />
Land erheben konnten. Beide Staaten verhielten sich in dieser Frage<br />
nicht ablehnend.<br />
Schon bevor Gustav Adolf den deutschen Boden betreten hatte, war<br />
er eifrig darauf bedacht, das „Bißthumb Cammin nit allein bey seinen<br />
alten privilsßiig zu schützen, son<strong>der</strong>n auch deßelben Oou86!-vkt.i0n am<br />
") Micraelius, a. a. O., !id. V, S. 256. Vgl. M. Vär, a. a. O., S. 75.<br />
79 ff., ferner Odhner, C. T.. a. a. O., S. 10.<br />
") Vgl. M. Wehrmann, a. a. O., S. 112.
im Streite Schwedens und Brandenburgs um den Besitz des Bistums. l 1<br />
besten trewlich zu befur<strong>der</strong>n".^ Um so mehr mußte ihm nach seinem<br />
Eingreifen in den europäischen Krieg daran liegen, die Machtbefugnisse<br />
und Stellung des evangelischen Bistums nach Möglichkeit zn wahren<br />
und zu stärken, „zumaln weil so vielfeltige gefahr nnd hochsckedtliche<br />
8 vnd (Üan8ilik. . geführet, Welche inson<strong>der</strong>heit die ^atlion,<br />
ohne Zweifel mit <strong>der</strong> Zeit OonUnuirsn vnd sich deh Nihthumbs<br />
zu impkltroliiren, c^uil)u8oumqu6 inolii vt m^6ij8 unterstehen werden".'^)<br />
Um daher <strong>der</strong>artigen Eventualitäten vorzubeugen, empfiehlt <strong>der</strong> König in<br />
dem oben angeführten Schreiben vom 17. Januar 1l>31 dem Domkapitel,<br />
noch bei Lebzeiten des Herzogs, wenn nicht schon über einen „8ucoe880r",<br />
so doch wenigstens über einen „(^oachuwr" des Stifts zu beraten. Für<br />
diesen Posten „recommenäirl" er den Prälaten den jungen Prinzen<br />
),Nrn8ten, Herxoßk xu Oo^ vn6 ^rgokott", den sein Oheim, <strong>der</strong><br />
<strong>der</strong>zeitig regierende Herzog Bogislav XIV., als Patron und erwählter<br />
Bischof von Cammin dem Domkapitel durch den r6ver8 vom Jahre 1623")<br />
zur Nachfolge im Stift bereits empfohlen habe. Da außerdem statutengemäß<br />
die Patrone o<strong>der</strong> <strong>der</strong>en Erben und Blutsverwandte an<strong>der</strong>n Bewerbern<br />
in geistlichen Gütern vorgezogen werden sollen, so sei es auch<br />
Pflicht <strong>der</strong> Dankbarkeit, den Prinzen von Croy zu wählen, „deßen<br />
Uaior63 pkr Im6»m mat^i-nain das Stifft luuäirst vnd so reichlich<br />
äotirt haben".")<br />
Noch dringen<strong>der</strong> lautet das Empfehlungsschreiben, das Aogislav XIV.<br />
wenige Monate später, am b. Juni 1631 an das Domkapitel richtet.")<br />
Er stützt sich darin auf dte Abmachungen, die er schon 1622 mit seinem<br />
bereits dahingeschiedenen jüngeren Vetter Philipp Julius getroffen habe,2")<br />
wonach Ernst Äogislav von Croy zum Coadjutor des Stifts beför<strong>der</strong>t<br />
werden sollte. Damals sei ja auch auf eifriges Hinarbeiten <strong>der</strong> Herzogin<br />
Anna von Croy ihrem Sohne die „svenwal-^romit^ion" wegen künftlgcr<br />
,.prk686nwtion" durch die Urkunde vom 16. Januar 1623 in Aussicht<br />
gestellt worden.") Ganz abgesehen von seiner natürlichen Neigung gebiete<br />
dem Herzog allein seine Vormnndschaftsschuldigkeit, für die Beför<strong>der</strong>ung<br />
seines Neffen gegenwärtig einzutreten, um so mehr, als neben <strong>der</strong><br />
r6C0mmkn6ati0n vornehmer Potentaten, wie z. B. des Schwedenkönigs,<br />
auch die pommersche und stiftische Landschaft mit einer „beweglichen<br />
") «. 440, so!. 102/103, Originalschreiben Gustav Adolfs an das Domkapitel<br />
vom 17. Jan. 1631.<br />
") Vgl. oben S. 8.<br />
") liep. 30, Nr. 113 H, sol. 15. Herzog Vogislav an das Domlavilel am<br />
5. Juni 1631. Abschrift.<br />
2") (5m diesbezügliches Aktenstück habe ich in den in Frage kommenden<br />
Archiven nicht ermitteln können.<br />
") Vgl. oben S. 8.
12 Herzog Ernst Vonislav von Croy, <strong>der</strong> letzte Bischof von Cammln.<br />
Intereession" bei ihm eingekommen sei. Um jedoch das Domkapitel in<br />
feiner Weise in irgend einem Rechte zu kürzen, soll auch <strong>der</strong> Prinz von<br />
Croy alle Vedingnngen erfüllen, wie es die Bischöfe von Cammin bisher<br />
statuten- und gewohnheitsgemäß hatten tun müssen. Der Prinz muß<br />
daher zunächst das nötige Alter erreichen, um den „l-eqm8iti8" und<br />
„goionmbug" zu genügen. Sodann hat er den vorgeschriebenen Lid<br />
und „gewöhnliche OlMinn" zu leisten sowie „alle Iiltei-sszenten 8uper<br />
leli^iomZ ^onätkiM'tt in ßueto securilet, zn setzen"; schließlich soll anch<br />
die statutengemäße sorm^li^ electio stattsinden. Ullter diesen Zusicherungeu<br />
hofft <strong>der</strong> Herzog, daß das Domkapitel seinem Wunsche nachkommen werde<br />
und ersucht es, seinen Neffen nach Erfüllung „<strong>der</strong> obangezogenen<br />
i^squisiwn die 8uoc689>0n im Stifst vffn fall Vnser r63issuu.U0ll" zu<br />
garantieren, wodurch „allenn sorglichen occurrendien fürgebawet werde".<br />
Auch <strong>der</strong> Schwedenkonig ließ es in dieser Zeit an einer Interzession<br />
für den Herzog von Croy nicht fehlen. Selbst in jenen ereignisvollen<br />
Tagen, wo Gustav Adolf in <strong>der</strong> Schlacht bei Breitenfeld am<br />
17. September 1631 den unüberwindlichen Tilli, den Führer <strong>der</strong><br />
kaiserlichen Truppen, gänzlich geschlagen hatte und den Schweden <strong>der</strong><br />
Weg ins innere Deutichland offen stand, hat <strong>der</strong> siegreiche König doch<br />
stets mit großem Interesse die Vorgänge in Pommern und im Bistum<br />
Cammin verfolgt. Aus <strong>der</strong> Instruktion, die Vogislav XIV. seinen<br />
beiden Räten Paul von Damitz, dem Präsidenten des geheimen Rats,<br />
und Marx von Eickstedt in das schwedische ^ager mitgab,^) entnehmen<br />
wir, daß Gustav Adolf für die „Provision" des Prinzen von Croy aus<br />
deu Eiukünften des Bistums Cammin nnd dessen bischöfliche Succession<br />
eingetreten ist. Der für seinen Neffen väterlich sorgende Herzog bittet<br />
den König, anch fernerhin dem jnngen Prinzen nnd dem Bistum seinen<br />
Schutz „wie<strong>der</strong> aller außwertigen Potentaten pi-attlonginnos" angedeihen<br />
zu lassen. Auch betreffs <strong>der</strong> Mischen Intraden, die für den standes-<br />
gemäßen Unterhalt emer fürstlichen Person zu gering seien, solle <strong>der</strong><br />
König in Gnaden verfügen, daß dem Prinzen wegen dessen religiösen<br />
„exillj ein k6äiwm6,Uum o<strong>der</strong> aoce^ion an <strong>der</strong>gleichen Geistlichen o<strong>der</strong><br />
Weldtlichen pi-nventilmZ etwa an an<strong>der</strong>en gelegenen orten gegönnet werde".<br />
Illli bis September 1632 lagerten die beiden großen Feldherrn,<br />
Gustav Adolf und Wallenstein, in <strong>der</strong> Nähe von Nürnberg mit ihren<br />
Heeren einan<strong>der</strong> feindlich gegenüber. Die Verhandlungen mit den<br />
pommerschen Gesandten gerieten daher ins Stocken. In einem „kro-<br />
vom 17. September 132 bitten letztere abermals „umb<br />
") 8.43, g, f«! 26. Instruktion, womit Vogislao XIV. seine Räte Damih<br />
und Eickstedl an Gustav Adoij schickt, dat. 3. Iutii 1632. Eigene Unterschritt.
im Streite Schwedens und Brandenburgs mn den Besitz des Bistums. 13<br />
gnedigfte Resolution wegen des Stiffts vndt jungen Printzcn von Croy".")<br />
Daraufhin erfolgte am 23. September des Jahres die Autwort des<br />
Schwedentonigs auf die pommerschen Anliegen.") Gustav Adolf zeigte<br />
sich bereit, für die Unterhaltung des Prinzen, „daferue nur auuehmbliche<br />
Mittel Ihr Königlichen Majestät vorgeschlagen vndt an <strong>der</strong> Handt gegeben<br />
werden", einzustehen, damit „hochgedachtes Prinzen Fürstliche Gnaden<br />
mit einem käältamento o<strong>der</strong> kcc683ion versehen werden". Dies ist die<br />
letzte Urkunde, in <strong>der</strong> Gustav Adolf zur Angelegenheit des Herzogs<br />
von Croy Stellung nimmt. In <strong>der</strong> Schlacht bei Nützen am 16. No-<br />
vember 1632 starb <strong>der</strong> Schwedenköuig auf seiner Siegeslaufbahn den<br />
Heldentod.<br />
Nicht min<strong>der</strong> nahmen die Kurfürsten von Brandenburg, <strong>der</strong>en<br />
Vorfahren bereits mehrfach mit dem pommerscheu Herrschergeschlechte in<br />
verwandtschaftliche Beziehuua.cn getreten waren/") sich des letzten Sprosses<br />
aus dem Greifenstamme au. Um dieselbe Zeit, wo Paul von Damitz<br />
und Marx von Eickstedt die Interessen des Prinzen von Croy beim<br />
Schwedenkönig in Snddeutschlaud vertraten, schickten die Herzogin Anna<br />
und ihr Sohn Erust Bogislav eine Gesandschaft au den Kurfürsten von<br />
Ärandenburg, um auch desseu Beihilfe bei <strong>der</strong> Bewerbung um das Stift<br />
zu erwirken. Aus einem Schreiben Georg Wilhelms an deu Markgrafen<br />
Sigismuud erfahren wir, daß die pommerschen Gesandten Philipp Horn<br />
und Martin Aorcke in Königsberg augekommen wären und neben an<strong>der</strong>en<br />
Anliegen auch vom Kurfürsten die Zustimmung zur Designation des<br />
jungen Herzogs von Croy zum Bischof von Cammin zu erlaugen gesucht<br />
hätteu.20) Obgleich Georg Wilhelm den Wünscheu des Prinzen nicht<br />
abgeneigt war, wollte er doch vorläufig zur weiteren Beför<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />
„Kv6llt.ukl-?08wi3.ti0n" keine Schritte tun, da es ihm ili <strong>der</strong> schwierigen<br />
Lage vor<strong>der</strong>hand nur daran lag, bezüglich <strong>der</strong> Regierung des Stifts die<br />
Einverleibung und Bereinigung desselben mit Pommern durchzusehen.<br />
Erst dann sei er zur „parNcularer s>ummuluoat,ion" gern bereit. Doch<br />
war schou weuige Wochen später <strong>der</strong> Kurfürst für die Wahl des Herzogs<br />
vou Croy zum Bischof von Cammiu gewonnen. In dem Schreiben<br />
vom 12./2. Juli") erbietet er sich, gern in je<strong>der</strong> Weise seine „frcundt-<br />
«) 6. 43, 8, sol. 5iv. ?l-0NoMori3., 8issN2tu!u Weihheim, den 17. Sept. 1632.<br />
") 3. 43. 8, ioi. 57. Original-Urkunde am 23. Lept. 1632 zu Dinkelsbühl<br />
von Gustav Adolf unterzeichnet.<br />
") Vgl. Bi'llow, a. a. O., S. N.<br />
") kop. 21. Nr. 163. Originalschreiben Georg Wilhelms an den Markgrafen<br />
Sigisnmnd, Marienwer<strong>der</strong>, 21. Juni 1632 - Vgl. Vär, M., a. a. O., S. «9.<br />
"i ttop. 30, Nr. 113 a, lol. b. Abschrift. Georg Wilhelm an die Herzogin<br />
Anna, Marienwer<strong>der</strong>, 12.'2. Juli 1632. Tic Doppeldatierung habe ich konsequent<br />
den Manuskripten entlehnt.
14 Herzog Ernst Vogislav von (5roy, <strong>der</strong> letzte Bischof von Cammin,<br />
öhmliche assection" zu dem jungen Prinzen zu bezeigen und dessen Bestes<br />
nach Kräften zu beför<strong>der</strong>n. Der Herzogin Anna wünscht er, „das <strong>der</strong><br />
getrewe Oott das ganze Werck <strong>der</strong> Vorhabenden pogwlation . . . den<br />
Bornehmen Pommerschen banden zum besten, auch Euer Durchlaucht<br />
zu Trost vnnd Ihrem Herrn Sohn zu ropuwtinn . . . außschlagen<br />
laßen möge". Auch setzt er in die Herzogin das Vertrauen, daß sie<br />
betreffs <strong>der</strong> na<strong>der</strong>en Konditionen o<strong>der</strong> Kantelen nur for<strong>der</strong>n werde, was<br />
die Ruhe und das Wohl des Landes nicht beeinträchtigen würde. Die<br />
noch in Betracht kommenden Einzelheiten bezüglich <strong>der</strong> Designation ihres<br />
Sohnes könne ja ihr fürstlicher Aru<strong>der</strong> Bogislav XIV. durch Verhandlungen<br />
mit den Stifts- und landstanden zur Zufriedeuheit <strong>der</strong><br />
besorgten Schwester erledigen.<br />
Wenige Tage später, am 16. Juli 1632, legte Bogislav XIV., um<br />
sich anch die Zustimmung <strong>der</strong> Landstände zn sichern, dem in Alten-Stettin<br />
versammelten Landtage, <strong>der</strong> durch die Vertreter des Wolgaitischen und<br />
Stettinschen Bezirkes (Prälaten, Ritterschaft und Städte) beschickt war,<br />
die Angelegenheit seines Neffen zur eingehenden Beratung vor.") Er<br />
brachte den Vertretern noch einmal die mannigfachen Verhandlungen in<br />
Erinnernng, die wegen des jungen Prinzen mit Schweden, Brandenburg<br />
und dem Domkapitel bereits gepflogen worden waren, und ersuchte<br />
nunmehr die ttandstände, auch ihrerseits diese Angelegenheit in gewissenhafte<br />
Erwägung zu ziehen, um so mehr, als doch so vornehme Potentaten<br />
für den Prinzen bereits eingetreten und sie selbst schon wie<strong>der</strong>holt mit<br />
gleichen Interzessionen bei lhm eingekommen seien. Der Auffor<strong>der</strong>ung<br />
des Herzogs, „nunmehr auf pr^ticil-lic^s Mittel vnd Wege bedacht zu<br />
sein", leisteten die Stände auch gern Folge. Sie taten ihr Gutachten<br />
dahin kund. dah <strong>der</strong> „Herzog löblich und Christlich daran tedte, seinen<br />
Enckel 2") als ein eintziges noch übriges Sprößlein vom geblüet <strong>der</strong><br />
Fundatoren dieses Stiffts ... zu solchem Bistumb bey dem Thnm-<br />
Capitul daselbst ordentlicher weise zu befor<strong>der</strong>n Vud den Tilul eines<br />
äesißnirtyn Bischoffs zu lüammm Ihm gönnen". Doch wollten sie<br />
den vorschriftsmäßigen Weg innegehalten wissen. Zunächst sollte daher<br />
dieser ^andtagsbeschluß dem Kurfürsten von Brandenburg schleunigst<br />
notiüciret, sowie dessen wohlgemeinten (^onäitionk» 8ecunäum iormam<br />
vnnd üblichen 8wwwruin (Capimi, auch an<strong>der</strong>e<br />
") N«p. 30, Nr. N3a, so!. 10-12. Extract auß dem Pommerschen Lanotags-Abscheioe<br />
8ub pub!i«aw Alten-Stettin den 16 Iuln Aniw 1632, so nach<br />
gehaltener 6e1id«i-ktil)u von bei<strong>der</strong> ^andsfinstlichen Negierungen sowoll Stettin'schcn<br />
ach Wogastischen ohrts ^andt-Ständen von Praelaten, Ritterschaft! vnnd Städten<br />
geschlossen worden.<br />
") „Enkel" gleich <strong>der</strong> Bezeichnung „Neffe".
im Streite Schwedens und Brandenburgs um den Besitz des Bistums ! 5<br />
Satzungen berücksichtigt werden, ohne daß das Domkapitel<br />
irgendwie in seinen Rechten beeinträchtigt werden sollte.<br />
So hatten sich Schweden, Brandenburg wie anch die pommerschen<br />
Landställde mit <strong>der</strong> Designation des Prinzen von Croy zum Bischof von<br />
Cammin einverstanden erklärt. Es galt daher nur noch abzuwarten,<br />
wie das Domkapitel selbst zu <strong>der</strong> Sache Stellung nehmen würde. Auch<br />
hierbei sehen wir den Kurfürsten Georg Wilhelm eifrig und mit Erfolg<br />
tätig. Der Umstand, daß am 12. März 16AA und au den folgenden<br />
Tagen Kapitelstage abgehalten werden sollten, bot dem Kurfürsten will-<br />
kommene Gelegenheit, noch einmal iu diesem günstigen Augenblick in die<br />
Angelegenheit des Prinzen vou Croy einzugreifen. Am 9. März des<br />
Jahres sandte er au Bogislav XIV. ein Schreiben, iu welchem er dem<br />
Herzog nahe legte,^) das Domkapitel gerade jetzt bei den bevorstehenden<br />
Beratungen als Patron des Snfts noch recht dringend zu ermahnen,<br />
die Beför<strong>der</strong>ung des Prinzen uicht mehr weiter hinzuziehen und „nun-<br />
mehr vllverlimgert, ehe solisten etwaß dazwischen kompt, mit <strong>der</strong> 6vsntua1-<br />
Population zuverfahren vnud es zum richtige« staude zu bringen". Auch<br />
deu Stiftsständeu, die offeubar auch über den künftigen Zustand des<br />
Bistums berate» würden, legte <strong>der</strong> Kurfürst an demselben Tage brieflich<br />
ans Herz, sich „obgedachtes Prinzen vou Croy Durchlaucht bey itzlger<br />
gelegenheit... im besten i-?comm6m!ir6t sein zulaßeu, damit dieß Werck<br />
vor itzo auff gewisse maße . . . gerichtet werdeu möge".^) Dadurch<br />
würde endlich viele» lästigen „l^ompewntnn" die Möglichkeit gcuommen<br />
werde», sich noch fernerhin um die Nachfolge im Stift mit Erfolg zu<br />
bewerben.<br />
Iu gleicher Zeit ließ die schwedische Regierung, die bereits durch<br />
Axel Qxeustierua, den bevollmächtigten Legaten in Deutschland, für den<br />
jungen Herzog eingetreten war, auch noch durch den am ftommerscheu<br />
Hofe residierenden Legate», deu berühmten Diplomaten Steno Bielke,<br />
am 10. März 1633 schriftliche und mündliche Interzessiouen beim<br />
Domkapitel anbringen, um die „Nvendual-^ZZkcui-ation -zucce^ionis in<br />
Rpisoopatu" durchzusetzen. 22) Als beson<strong>der</strong>en Grund führten sie an,<br />
daß „des oorgedachten rseommOndii-wn Croyschen Printzen Hochpreißliche<br />
anHerrn Mutterlicher Linie dem ganzen Vaterlande vnd Stifft mit deßen<br />
") Nap. 30. Nr. N3H. lol. 7. Abschrift. Georg Wilhelm an Vogislao XIV ,<br />
Diesden den 9. März 1633.<br />
2') tt?i>. 30, Nr. U3u, la!. 8. Abschrift. Georg Wilhelm an da« Stift<br />
Cammin. Dresden den 9. März 1633.<br />
") kep. 30, Nr. 113a, sol 13 j- E. E Thum Capituls Zu Cammin auh<<br />
gegebener Prkundt wegen des Herzogen Zu (5roy Succession am Stifft, de dato<br />
(5ammin 15. Martij 1633. Abschrift.
16 Herzog Ernst Bogislav von Eroy, <strong>der</strong> letzte Bischof von Cammin,<br />
n, llatation vnd
im Streite Schwedens und NrandenburaS um den Besitz des Bistums. 17<br />
erfüllet vnd aäimpliret sein werden, <strong>der</strong> Huocekgmn in<br />
patu Versichert vnd vergewißert haben, Inmayen dan dieselbe<br />
Seine Fürstlichen Gnaden hiemit also eventu^Iiter, Wie es<br />
vffs Krefftigsle geschehen kan vnd magt, versichert vnd K886
18 Herzog Ernst Bogislav von ssroy. <strong>der</strong> letzte Vischof von Cammin,<br />
Erziehung Gewicht gelegt werden, weshalb Bogislav XIV. dem Domkapitel<br />
gegenüber die Bürgschaft übernahm, daß <strong>der</strong> Prinz ..in Dero noch<br />
wehrenden minorsnmwt Zu allen Christlichen Pnndt Fürstlichen Tugenden<br />
angewiesen Vnndt gewehnet^) werden solle". Für seine Ausbildung<br />
sollten daher nur Orte gewählt werden, wo die evangelische Religion<br />
gelehrt und gepredigt würde. Auf Veranlassung <strong>der</strong> Herzogin Anna<br />
nahm man fürs „erste", d. h. fürs „nächste" Jahr, also 1634, die<br />
Universität <strong>Greifswald</strong> in Aussicht, wo die neue 9ehre an den Vertretern<br />
<strong>der</strong> Wissenschaft und Gelehrsamkeit eine sichere Stütze hatte.") Auch<br />
sollte <strong>der</strong> Prinz auf „die wahre Evangelische Religion", wenn er zum<br />
Vischof „p08wl,l-6t" würde, das „.lurkmentum", den Eid treuer Anhänglichkeit<br />
leisten. In <strong>der</strong> bangen Vorahnung, daß bei seinen Netig<br />
abnehmenden Körperkräften sein Ende auch nicht mehr allzu fern sei,<br />
bestimmte <strong>der</strong> Herzog, daß bei seinem Ableben im Falle <strong>der</strong> Min<strong>der</strong>jährigkeit<br />
des Prinzen das „Stifftische Regiment durch anordnnng deß<br />
Landeß-Fürsten mit Nahdt Eines Ehrwürdigen Thumb-Capittelß geführet,<br />
Vnndt ein Stadthalter anß deß Capittelß Personen o<strong>der</strong> ein an<strong>der</strong> mit<br />
einrathen deß Capittelß bestellet werde" (fui. I«). Sollte nun dieser<br />
Fall eintreten, dann hat <strong>der</strong> Prinz, wenn er das 18. Lebensjahr erreicht<br />
hat, o<strong>der</strong> wenn ihn das Domkapitel schon früher zu seinem Amte beruft,<br />
gleich seinen Vorgängern vor <strong>der</strong> Introduction, <strong>der</strong> förmlichen Amtseinführung,<br />
alle Bedinguugen zu erfüllen, die nach <strong>der</strong> reformierten<br />
Religion vorgeschrieben waren. Er muß daher nicht nur den in den<br />
Kapitelsstatuten vorgeschriebenen Amtseid, das .luiametlwm NrnZcopi,<br />
son<strong>der</strong>n auch alle erfor<strong>der</strong>lichen Versicherungen, ^«36tturatjoi,o8 und<br />
Kev6i-8a1e8 leisten, die durch die Verbürgung des Landessürsten und die<br />
sog. t'i(l6ju38l0, das Gutachten <strong>der</strong> Stettinschen und Wolgastischen Stände<br />
„corroborilo!." seien.<br />
Die Übernahme des bischöflichen Amtes berechtigt den Herzog von<br />
Croy keineswegs, in territorialer Beziehung irgend welche Ansprüche auf<br />
Güter o<strong>der</strong> ^and zu machen. Vor seinem Regierungsantritt solle er sich<br />
daher „aller Prätension auff die Pomrische ^andt Vnndt Veute, vx<br />
tiwlo Vol pi-k6t>U«mtel, . .. worin des Hevtzogen zu Croy<br />
Fmsiliche Gnaden, wie Sie äo. 1634 Sich auf <strong>der</strong> Universität Grelsfswald ausgehalten<br />
und den keetorktuN ^.eg.ä6w.ia.s maßniLssulinZimum selbst geführet, iu<br />
pndliei« aolidu« bekleidet geworden."
im Streite Schwedens und Brandenburgs um den Besitz des Bistums. 19<br />
Waß Seiner Durchlaucht ex liei-eäiwts matei-na, O<strong>der</strong> sonst ex tituln,<br />
so dieser Lande lunciamentHl-Satzungen Vnndt Privilegien gemeß Vnndt<br />
nicht zuwie<strong>der</strong>, zustehen könte, Sich begeben Pnndt renuntHre,,, auch <strong>der</strong><br />
Fraw Äittttern gethane renun^i^is»n Oonlìrmiron" (sol. 1^^).<br />
Oleich bei seinem Amtsantritt übernimmt <strong>der</strong> Herzog die Pflicht,<br />
sich von seinem Bistum und den pommerschen Landen nicht zu entfernen,<br />
„sich auch teineß Voti o<strong>der</strong> 8en8ioni8 auff Reichstagen anzumaßen, darzu<br />
auch durch kein Geboth, mandai, o<strong>der</strong>
20 Herzog Ernst Vogislao von Croy, <strong>der</strong> letzte Bischof von Cammm,<br />
Instanz zu wenden. Tollte er mit <strong>der</strong> landesfürstlichen Regierung selbst<br />
in irgend einen Konflikt geraten, dann sei dieser Streit innerhalb <strong>der</strong><br />
Landesverfassung durch einen Gerichtshof zu regeln, <strong>der</strong> sich aus bestimmten<br />
Näten und gleichvielen Vertretern <strong>der</strong> ^andstände stiftischer wie pommerscher<br />
Negierung zusammensetzt.<br />
Die Negierung des Stifts hat durch den Bischof persönlich zu<br />
erfolgen, eine Vertretung ist ohne weiteres nicht zulässig. Auch darf <strong>der</strong><br />
Bischof ohne Einwilligung des Domkapitels, <strong>der</strong> Stiftsstände und des<br />
Herzogs nicht auf längere Zeit seinen Wirtungskreis verlassen. Seine<br />
Näte und Beamten, „oMoirer", müßten einheimisch, d. h. aus dem<br />
Stiftsgebiete o<strong>der</strong> den pommerschen banden stammen und dürften auch<br />
nicht einem an<strong>der</strong>en Religionsbekenntnis angehören.<br />
Bei Erfüllung <strong>der</strong> gestellten Bedingungen wird dem Herzog von Croy<br />
vom Kandesfürsten wie von den Stiftsständen Schutz und Schirm zugesagt<br />
in allen seinen rechtmäßig erlangten Privilegien, Gerechtigkeiten, Freiheiten<br />
usw., auch sollten ihm keinerlei Neuerungen seine Amtsführung erschweren.<br />
Betreffs <strong>der</strong> Gerichtsbarkeit wird dem Bischof unabhängige Jurisdiktion<br />
im Stiftsgebiete zugesichert: „Eß sollen die Semptlichen Stifftsstende<br />
Ihr Necht zu je<strong>der</strong>zeit vor Seiner Durchlaucht ali; künftigem Bischoff<br />
zu (sminili o<strong>der</strong> vor dehro Hoffgerichte for<strong>der</strong>n vnndt suchen" (sol. 20).<br />
Eine eventuelle Berufung sollten die Stände direkt an den Kaiser, bezw.<br />
das Reichskammergericht einreichen.<br />
In <strong>der</strong> kirchlichen Verwaltung steht dem Bischof das Reckt zu,<br />
eigenmächtig das „geistliche (üolläikwl'ium mit Verordnung eineß 8up6rinwnäenten<br />
Vnndt an<strong>der</strong>n tüglichen^) Personen Inhalt son<strong>der</strong>bahren<br />
Reverses zu bestellen", auch nach Bedarf Stiftszusammenkünfte und<br />
Stiftsversammlungen anznberaumen und abzuhalten.<br />
Bei diesem Vergleich hat sich jedoch das Domkapitel einen Vorbehalt<br />
ausbedungen:<br />
Dieser Vertrag sollte die Stiftsstände in keiner Weise in äurinl-em<br />
eonäitionem setzen und auch nur so lange das Domkapitel sowie dessen<br />
Untertanen zum Gehorsam verpflichten, als von feiten des Bischofs die<br />
angeführten Bedingungen in je<strong>der</strong> Hinsicht gewissenhaft erfüllt würden.<br />
So waren urkundlich bis ins einzelne die Bedingungen festgelegt,<br />
unter denen das Domkapitel die Desiguation des Herzogs Ernst Äogislav<br />
von Croy zum Bischof von Cammin vorgenommen hatte. Am 23. Juni<br />
dieses Jahres (1633) schickte <strong>der</strong> junge Herzog an den Kurfürsten Georg<br />
Wilhelm von Brandenburg durch Gesandte seines Oheims Bogislav XIV.<br />
ein „Handbriefel", in welchem er den Kurfürsten über den glücklichen<br />
") Im Manuskript „lüglich" d. h. „tauglich".
im Streite Schwedens und Brandenburgs um den Besitz des Bistums. 2 l<br />
Verlauf <strong>der</strong> Verhandlungen betreffs seiner „8un" benachrichtigte.")<br />
Wenige Tage darauf, am 30. Inni d. I., erwi<strong>der</strong>t <strong>der</strong> Kurfürst mit<br />
einem herzlichen Gratulationsschreiben, in dem es u. a. heistt:<br />
„Wünschen Euer Durchlaucht <strong>der</strong> getroffenen abhandlung halb, Zur<br />
künftigen 8ucce88l0n im Stifft d!»mmin, freundtlich Viel glucks vnd<br />
alle pl-08pentet." 28) Auch versichert er dem jungen Prinzen, daß er<br />
dessen Designation nach Kräften befürwortet habe und auch in Zukunft<br />
gern zur dienftwilligeu Hilfe bereit sei.<br />
III.<br />
Die Wahl des Herzogs Crnfl Vojislav von<br />
zum Vischof von Cammin. 163?.<br />
Infolge <strong>der</strong> Umgestaltung in <strong>der</strong> inneren Verwaltung des Landes,<br />
die durch den Tod Nogislavs XIV. und das gespannte Verhältnis<br />
zwischen Schweden und Brandenburg herbeigeführt wurde, erwuchsen dem<br />
Herzog von Croy neue Hin<strong>der</strong>nisse, die ihm die Übernahme des Bischofamtes<br />
geradezu unmöglich machen sollten. Um von seinen Beziehungen<br />
zum Bistum in dieser schwierigen Zeit ein klares Bild zu gewinnen, ist<br />
es notwendig, auf die politischen Zeitereignisse und die damalige ^age<br />
Pommerns des näheren einzugehen.^") Am 11). März 1l>37 verschied<br />
Herzog Nogislav XIV., <strong>der</strong> das von seinem Vetter Philipp Julius im<br />
Jahre I6LA übernommene Bistum bis zu seinem Lebensende verwaltet<br />
hatte. Da Philipp Julius am 6. Februar 1625 zu Wolgast kin<strong>der</strong>los<br />
gestorben war, hatte Bogislav XIV. als letzter männlicher Sproß des<br />
Greifenstammes auch die Regierung im Wolgaster Kande übernommen,<br />
sodaß <strong>der</strong> Herzog noch einmal ganz Pommern in seiner Hand vereinigte.<br />
Schon damals stieß er in <strong>der</strong> inneren Politik auf mannigfache Schwierigkeiten.<br />
Sein Bestreben, sofort eine Gesamtregierung für das vereinigte<br />
Herzogtum einzurichten, scheiterte an <strong>der</strong> Eifersucht <strong>der</strong> Slettiner und<br />
Wolgaster Stände, die mit Erfolg diesem Plane entgegenzuarbeiten<br />
") Der Brief ist nicht erhalten, doch weist <strong>der</strong> Kurfürst auf denselben hin<br />
in seinem Glückwunschschreiben, datiert (lölln, a. d. Spree, am 30 Juni<br />
Vgl. k. 30, Nr. 113 a, kol. 22.<br />
") Vgl. darüber M. Wehrmann, a. a. O., S. 111/112.
22 Herzog Ernst BoMav von Croy, <strong>der</strong> letzte Bischof von Cammin,<br />
wußten. Die Behörden, welche die Not des Krieges ins Dasein gerufen<br />
hatte, wie <strong>der</strong> „Geheime Rat", <strong>der</strong> „Staatsrat" sowie das „Ooli^iuin<br />
Osconomicum" nutzten dem Lande wenig o<strong>der</strong> garnicht. Sie sollten<br />
zwar eine einheitliche und gesunde Verwaltung <strong>der</strong> drei ^andeskreise<br />
darstellen, vermochten aber in <strong>der</strong> Praxis infolge mangelhafter Ausführung<br />
ihrer Anordnungen den vorhandenen Übelständen nicht zu steuern.")<br />
Zum Unglück für das ^and konnte man an dem noch regierenden letzten<br />
Vertreter des Greifenstammes in diesen schwierigen Zeiten teine sichere<br />
Stütze finden, da ein Schlaganfall den Herzog in seinen letzten Jahren fast<br />
regierungsunfähig gemacht hatte, und außerdem seine Ehe mit Elisabeth<br />
von Schleswig-Holstein-Son<strong>der</strong>burg kin<strong>der</strong>los geblieben war. Mit<br />
Bogislav XIV. sank daher auch die Selbständigkeit des alten Herzogtums<br />
ins Grab. Das Pommernland, das sich jahrhun<strong>der</strong>telangen Friedens<br />
erfreut hatte, wurde jetzt mit einem Male <strong>der</strong> Slreitapfel zwischen zwei<br />
Mächten und ging in diesen kritischen Tagen, innerlich nicht geeinigt,<br />
einer ungewissen Zukunft entgegen. Dem Kurfürsteu von Brandenburg<br />
konnte niemand sein altes Recht ans Pommern absprechen, an<strong>der</strong>erseits<br />
war das 5/and damals gänzlich in <strong>der</strong> Hand <strong>der</strong> Schweden, die in fast<br />
allen pommerschen Garnisonen ihre Truppen verteilt hatten. Schon seit<br />
dem evangelischen Konvent zu Frankfurt a. M. (März 1634), wo die<br />
schwedischen Gesandten offen erklärt hatten, daß Pommern als wünschenswerte<br />
Entschädigung für Schweden in Betracht käme, trat eine Spannung<br />
zwischen den beiden Staaten ein, die noch durch die Kriegsereignisse <strong>der</strong><br />
Folgezeit verstärkt wurde (Nie<strong>der</strong>lage <strong>der</strong> Schweden bei Steinau, Prager<br />
Frieden, Besetzung von Gartz durch die Kaiserlichen, schließlich Ban5rs<br />
Sieg bei Wittstock). Beim Tode Bogislavs XIV. war daher ein offener<br />
Konflikt zwischen den beiden Mächten unvermeidlich.<br />
Die pommerschen ^andständc konnten in diesen kritischen Tagen mit<br />
keiner <strong>der</strong> beiden Staaten gänzlich brechen. Es lag im Interesse des<br />
Landes, zunächst eine Zwischenstellung zu behaupten. Noch kurz vor dem<br />
Tode des Herzogs hatten die Stände an den Kurfürsten eine Gesandtschaft<br />
abgeschickt mit <strong>der</strong> Bitte, in Anbetracht <strong>der</strong> schwierigen Lage sein<br />
Erbrecht auf Pommern erst beim Friedensschluß geltend zu machen und<br />
eine Interimsregierung <strong>der</strong> hinterlassenen pommerschen Räte zuzulassen.<br />
Iuzwischen war aber die Todesnachricht des Herzogs nach Cunrin gedrungen,<br />
wo gerade die Gesandten beim Kurfürsten weilten.") Georg<br />
Wilhelm, <strong>der</strong> unter dem Einflüsse des Grafen Schwarzenberg nur eine<br />
antischwedische Politik verfolgte, lehnte die Vorschläge <strong>der</strong> Gesandten ab<br />
und erließ ohne Rücksicht auf seine künftigen pommerschen Untertanen,<br />
") Über die Einrichtung dieser Behörden siehe M. Bär, a. a. O., S. 66 ff.<br />
") Vgl. M. Bär, a. a. O., S. 123.
im Streite Schwedens und Brandenburgs um den Besitz des Bistums. 23<br />
die in diesen schweren Zeiten durch Vermittelungen ihre Zugehörigkeit<br />
zu Brandenburg durchzusetzen gedachten, ohne weiteres das Patent wegen<br />
Besitzergreifung des Landes. Durch dieses Vorgehen wurde naturgemäß<br />
die Spannung zwischen Brandenburg und Schweden, das sich mit <strong>der</strong><br />
beim Kurfürsten nachgesuchten Interimsregierung einverstanden erklärt<br />
hatte, nur noch größer.<br />
Obwohl die Haltung Georg Wilhelms in Pommern große Enttäuschung<br />
hervorgerufen hatte, versuchte man es hier doch noch mit einem<br />
Vermittclungsversuch bei Schweden. In dieser kritischen Zeit beginnen<br />
die Beziehungen des Prinzen von Croy zum Bistum Cammin in die<br />
Hauptverhandlungen hineinzuspielen. Die pommerschen Landstande wandten<br />
sich nämlich an den schwedlichen Legaten Bielke am L. April 1637 mit<br />
dem Gesuch/') er möchte mit Rücksicht auf ihre Stellung zu Brandenburg<br />
gestatten, daß die Negierung als<br />
„Churfürstlich-Pommrische Negiernng und die Verordnung mit dem<br />
Fürstlich-Pommrischen Wapen bis zu erfollgetem Frieden kutkori-<br />
3Ì6l-t würde".<br />
Dann könnten ja auch „an<strong>der</strong>e nohttwendige acta", welche <strong>der</strong><br />
Autorität Schwedens in keiner Weise Einbuße täten und doch dem Wohle<br />
des Landes dienten, „als wegen Fürstlichen Leichbestetigung . . . iwm<br />
des Printzen von Croy introäucUsm ins Stifft Cammin bey Ihrer<br />
Churfürstlichen Durchlaucht zuer perfetti«« o<strong>der</strong> abhelfflichen maaß<br />
beför<strong>der</strong>n werden".<br />
Es war vorauszusehen, daß die Schweden, die nun einmal in<br />
Pommern so festen Fuß gefaßt hatten, schwerlich dem Kurfürsten irgend<br />
welche Konzessionen machen wurden, beson<strong>der</strong>s in <strong>der</strong> inneren Verwaltung<br />
des Landes, wo es sich um „actus p06ä6880rii" handelte, die doch eine<br />
landesherrliche Autorität voraussetzten. Die Antwort Bielles") vom<br />
3. April d. I. lehnte dieses Ansinnen <strong>der</strong> ?andstände auch in entschiedenster<br />
Weise ab.<br />
„Ihre Excellenz (WI. 50^.) wollen auch die löblichen Herren<br />
Stände freundtlich gebeten haben, das Sie ihre Excellenz nicht für<br />
denienigen ansehen wollen, <strong>der</strong> nicht genugsamb verstehen folte, das<br />
die ZoUlciwwr am Churfürstlich-Braudenburgischen Hofe wegen ...<br />
des Printzen von Croy Fürstlichen Gnaden Iiltrocluction in das<br />
Stift Cammin . . . vnd <strong>der</strong>gleichen mehre ^ctus p088688o^ seind,<br />
vnd zwar solche ^ctug, die äuperioritkiem vnd die Landesfttrstliche<br />
Obrigkeitt importiren".<br />
") li. 1498, lol. 46^47. Die pommerschen Landstände an des Königs von<br />
Schweden Herrn Senator und Herrn Legaten. Alten-Stettin, am 2. April 1637.<br />
") v. 1498, lul. 49 ff Blelte an die Landstände, Alten-Stettin, d. 3. April 1637.
24 Herzog Er„st Vojislav von Croy, <strong>der</strong> letzte Bischof von Cammin,<br />
So hatte <strong>der</strong> Herzog von Croy infolge dieser Spannung zwischen<br />
Schweden und Brandenburg gegenwärtig wenig Aussicht, das ihm nach<br />
dem Tode seines Oheims nun rechtlich zustehende Amt als Bischof von<br />
Cammin anzutreten, da Schweden gegen das Patronatsrecht Brandenburgs<br />
über das Bistum Cammin Einspruch erhob.<br />
Die Landstände gaben trotzdem noch nicht die Sache des Herzogs<br />
von Croy auf und richteten vom Generattonvent vom 7. April 1637 au<br />
das Domkapitel selbst ein Mandat.") Der Graf Caspar von Eberstein,<br />
Herr zu Newgarten") und Massow, <strong>der</strong> die Konzession über die vom<br />
Herzog Bogislav XIV. „dem Herzog von Croy, 668ißmrten Bischoffen<br />
anmaßlichen Oomr^tent^en" erhalten hatte, wandte sich nämlich jetzt<br />
nach dem Tode des Herzogs an die ^andstande mit <strong>der</strong> Bitte, ihm in<br />
dieser Sache „inwrooaönclo zu a^igtii-en". Daraufhin ersuchten nun die<br />
Stände in dem angeführten Mandat das Domkapitel, diese Angelegenheit<br />
in Erwägung zu ziehen und „das Werck <strong>der</strong>gestalt zurichte«, wie Sie<br />
wissen, es"") <strong>der</strong> observant? vndt Okpituli statuti» in allem genieß".<br />
Indessen hatte auch die Herzogin Anna dem Gange 5er politischen<br />
Ereignisse nicht interesselos zugeseheu. Nach <strong>der</strong> erfolgten Absage Äielkes<br />
sandte sie am 17. April d. I. an den Kurfürsten ein Schreiben mit <strong>der</strong><br />
Bitte, die Sacke ihres Sohnes nach Kräften zu vertreten. In dem<br />
Erwi<strong>der</strong>ungsschreiben vom 25). April bedauerte Georg Wilhelm aufrichtig,<br />
daß er infolge <strong>der</strong> ungerechten Hin<strong>der</strong>ung vonseiten Schwedens gegenwärtig<br />
<strong>der</strong> Herzogin nicht mit Nat und Tat beistehen könne.") Doch<br />
sollte ihrem Sohne des Legaten Wi<strong>der</strong>setzlichkeit nicht zum Nachteil<br />
gereichen. Wenn auch die Introduktion gegenwärtig, „altz etwan sonsten<br />
des Landeß vnd Oapittelkl herkommen halber geschehen folte", nicht vorgenommen<br />
werden könnte, so sollte man sich damit begnügen, dieselbe<br />
bis auf „bequemere Zeit" zu verschieben. Um jedoch den Prinzen an<br />
den Einkünften, die ihm nach erfolgter Introduktion zufallen würden,<br />
keine Einbuße erleiden zu lassen, fällt <strong>der</strong> Kurfürst die wichtige Entscheidung,<br />
daß <strong>der</strong> junge Herzog „sich aller vnd ie<strong>der</strong> Nutzbarkeiten, so Seiner<br />
Durchlaucht nach <strong>der</strong> introciuction znstendig sein würden, auch iezo gleich<br />
annehmen vnd genießen möge". Auch den pommerschen landstanden,<br />
die ihn durch ein Schreiben vom 6. April d. I. von <strong>der</strong> Stelluugnahme<br />
") It. 1498, lo!. 132. Vertreter <strong>der</strong> Landstände bei<strong>der</strong> Regierungen an das<br />
Domkapitel zu Cammin, Datum beym Generallconvent den 7. April ao. 1637,<br />
überschrieben ,>lHliä2.lli!u".<br />
") Newgarten - dem heutigen Naugard.<br />
"») Es scheint zu fehlen: sei.<br />
") Ü6p. 92. Nr. 41 und ksp. 30, Nr. 113». sol. 23 Kopie eines kurfürstlich«<br />
brandenburgischcn ^ostsei-iptH an die Herzogin von Croy wegen Introduktion in<br />
das Stift Cammm.
im Streite Schwedens und Brandenburgs um den Besitz des Vlslums. 25<br />
Schwedens benachrichtigt hatten, teilte <strong>der</strong> Kurfürst am 2tt. April d. I.<br />
mit,") daß er sich in <strong>der</strong> Angelegenheit des Herzogs von Croy keineswegs<br />
ablehnend verhalte. Vielmehr bedauere er es, daß <strong>der</strong> Legat in seinem<br />
„Usurpationsverfahren" alle öffentlichen Sachen vor sich ziehe und ihm<br />
nicht einmal den „geringsten aotum, wenn er auch nicht ihm, son<strong>der</strong>n<br />
<strong>der</strong> fürstlichen Witwen o<strong>der</strong> des Herzogs von Croy Durchlaucht eigentlich<br />
und hauptsächlich zu gutem angesehen vnd gereichend, nicht zulassen wolle".<br />
Indes hatte das Domkapitel, das trotz <strong>der</strong> von Schweden getroffenen<br />
Oegenmaßregeln doch den Kurfürsten von Brandenburg als rechtmäßigen<br />
Patron des Stifts ansah, dem Wunsche <strong>der</strong> ^andständc und des Patrons<br />
gemäß, sich entschlossen, die Wahl des Herzogs von Croy zum Bischof<br />
von Cammin vorzuuehmen. Am Nachmittage des 17. Mai 1637 um<br />
2 Uhr brachte <strong>der</strong> Dekan Matthias von Güntersberg in Gegenwart von<br />
zwei Kapitularen und den drei Croyschen Abgesandten, dem Hauptmann<br />
Georg von Zihewitz, dem pommerschen Kanzler Christoph von Schwallenberg<br />
und dem Rat Johann Meyer, das Protokoll über die an demselben<br />
Tage erfolgte Wahl im Dome von Cammin zur feierlichen Verlesung.")<br />
Diesem zufolge hatten sich die Kapitularen am Morgen des erwähnten<br />
Tages nach abgehaltenem Gottesdienste, ,.p6l-Hcti8 8ucn8 orllmarijs",<br />
und uach Anrufung um göttlichen Beistand, da nach dem Tode BogislavsXIV.<br />
<strong>der</strong> Bischofstuhl vakant wurde, — „Leäe Npiscopali väcauts" —<br />
versammelt, um ein neues O<strong>der</strong>haupt für das Stift zu küren. Auf<br />
Grund <strong>der</strong> Wahl ist Herzog Ernst Bogislav von Croy unter folgenden<br />
Bedingungen zum Bischof von Cammin „olißii-kt. vnd poswürst worden" :<br />
1. follte <strong>der</strong> Prinz zunächst das vorschriftsmäßige Alter erreichen, sowie<br />
„alles dasjenige, was hiebevor abgehandelt vnd gebräuchlich,<br />
vnd leisten", beson<strong>der</strong>s bezüglich <strong>der</strong> gegebenen<br />
und „lievyrzalkn" '<br />
2. sollte er „aus gewißen Ursachen" keinen Anspruch auf die Präpositur<br />
erheben, son<strong>der</strong>n die Disposition darüber dem Patron und dem<br />
Domkapitel überlassen.<br />
Von <strong>der</strong> erfolgten Wahl wollte jedoch das Domkapitel dem Herzog<br />
von Croy vorläufig noch keine förmliche Mitteilung machen, da es zunächst<br />
die Genehmigung, „approdation", des Kurfürsten zu Brandenburg „als<br />
itzigen patroni des Stiffts" nachsuchen mußte. Da dies jedoch wegen<br />
<strong>der</strong> bestehenden Kriegsgefahr nicht geschehen tonnte, sollte ein Äerufungsdekret,<br />
„Oscrewm ^08wlati
2t) Herzog lernst Bossislav von Croy, <strong>der</strong> letzte Vischof von Camnim,<br />
anch ein Schreiben wegen inckxitirter «ppr0kg.tion liä<br />
beigelegt und bei <strong>der</strong> nächsten günstigen Gelegenheit dem Knrfürsten<br />
übermittelt werden. Ein beigefügtes Entschuldigungsschreiben sollte den<br />
Grund dartun, weshalb man nicht früher „all llotilictttioliem eledoni»"<br />
hätte schreiten können. Die Gesandten könnten den Herzog von <strong>der</strong><br />
Wahl in Kenntnis sehen, müßten jedoch darauf hinweisen, daß das<br />
Domkapitel unter allen Umständen zunächst die „Approbation" des<br />
Kurfürsten abwarten müßte, „nicht aber das solche I^tulation Ihre<br />
Fürstliche Durchlaucht ante approdatimlem l^cwriz tamlzualn Introni,<br />
solenniter »cceptil-en könnte".<br />
Im Namen <strong>der</strong> Gesandten dankte Hauptmann Georg von Zitzewih<br />
den Kapitularen für die Wahl und versicherte, daß <strong>der</strong> Herzog „allem<br />
demienigen, was wegen des Bischoffs Schuldigkeit hiebevor abgehandelt<br />
vnd den extraäirtel» Urkunden m8erirt, zu Seiner Zeit genüge thun<br />
würde". In zwei Punkten des Protokolls wünschte jedoch Zitzewitz eine<br />
Abän<strong>der</strong>ung zu Gunsten des Herzogs. Zunächst machte er den Vorschlag,<br />
das Domkapitel möchte <strong>der</strong> schnelleren Erledigung wegen durch die<br />
Herzogin von Croy das Schreiben an den Kurfürsteu übermitteln lassen:<br />
„Sie, I^e^uti, stellten Laziitulo anheimb, ob Sie Ihre Schreiben per<br />
viam clepo^itionis et consiFnaUoniZ ukyue aci pkcatioi'k tempor«., O<strong>der</strong><br />
Ihrer Fürstlichen Durchlaucht, <strong>der</strong> Herzoginn von Croy auff Dero<br />
pericul zu mäinuireil, beybehalten vnd überbringen lassen wollte".<br />
Sodann wollten die Gesandten die Bedingnng betreffs <strong>der</strong> Präpositur<br />
„aä reiei-enäum" annehmen, da sie keine diesbezüglichen Informationen<br />
erhalten hätten. Doch glanbt Zitzewitz, daß „zwischen den ^and-Ständen<br />
guth Vertrawen beybehalten würde", wenn das Kapitel die Präpositur<br />
dem Herzog übertrüge. Beide Vorschläge lehnte <strong>der</strong> Dekan ab und hielt<br />
mit Rücksicht auf die gefährliche Kriegslage und die Stiftsstatuten an<br />
dem unverän<strong>der</strong>ten Wortlaut des Protokolls fest. Auch sollten die in<br />
dem überreichten Memorial enthaltenen Nebenpunkte sowie an<strong>der</strong>e 8l>Ienma<br />
et, re^ui^itu. necc^arig. nicht sofort erledigt zu werden brauchen, da ja<br />
die „^pprodation" durch den Patron noch nicht erfolgt sei. Daher<br />
„müßte vi juriß Ottnomoi, 8ta.tutoi-um et od8ervantin.e, ^6milN8trntio<br />
in Kocl68lu.8tici8, I^Iiticiä, Oecollumicis vom O^ntulo eingeführet<br />
werden". Doch wollte das Domkapitel, auch wenn <strong>der</strong> Herzog augenblicklich<br />
noch nicht die Regierung übernehmen könnte, gern seinen uud<br />
seiner fürstlichen Mutter hohen Rat annehmen, ja gestatte sogar, daß<br />
„alle i-e6iw8 des Stiffts, was nach abgezogenen Spesen, so auf die<br />
aämini8tl-ktion müßen gewendet werden, übrig, Ihrer fürstlichen Gnaden<br />
zu guth auffgehobcn o<strong>der</strong> gegen extraäirunß eines Reverses zu des Herrn<br />
I^ angewendet werden".
im Streite Schwedens und Brandenburgs um den Besitz des Vistums. 27<br />
Noch an demselben Tage berichtete das Domkapitel <strong>der</strong> Herzogin<br />
von Croy in einem Schreiben,") daß nach Verlesung ihres vom 13. Mai<br />
datierten Kreditivschreibens die Kapitularen nach eingehen<strong>der</strong> „Conferentz"<br />
mit den Legaten ihren fürstlichen Sohn znm Vischof von Cammin<br />
gewählt hätten.<br />
Herzog Ernst Bogislav von Croy war somit gewählter Bischof von<br />
Cammin, dnrfte die Einkünfte beziehen, mußte sich jedoch mit <strong>der</strong><br />
Introduktion iu sein Amt infolge <strong>der</strong> schwierigen Zeitereignisse bis auf<br />
„bequemere Zeiten" vertrösten.<br />
IV.<br />
Des Herzogs Bemühungen vor und bei den<br />
General-Ariedknstrgktaten zu Münster und Osnabrück<br />
zwecks Erreichung <strong>der</strong> Introduktion in sein Amt<br />
als Bischof von Cammin. !63?—47.<br />
Der Prager Frieden hatte den deutschen Landen noch nicht die<br />
ersehnte Ruhe gebracht. Durch das Eingreifen Frankreichs in den<br />
europäischen Krieg, das vom Hause Habsburg die Abtretung des Elsaß<br />
und an<strong>der</strong>er rheinischen Gebiete erzwingen wollte, wurde noch einmal die<br />
Kriegsfackel entfacht. Die Kämpfe nahmen noch einen um so grausameren<br />
Charakter an, als jetzt meist fremdländische Truppen die deutschen Gaue<br />
durchzogen und überall Greuel und Verwüftuug verbreiteten. Daher<br />
machte sich allenthalben die Sehnsucht nach Frieden bemerkbar, um so<br />
mehr, als die einzelnen Parteien und Mächte durch den langwierigen<br />
Krieg schon empfindlich geschwächt waren. Mit dem Reichstage zu<br />
Regensburg im Jahre 1640 setzten die ersten Friedensverhandlungen<br />
ein, die dann nach den Nie<strong>der</strong>lagen <strong>der</strong> Kaiserlichen durch die Schweden<br />
und Franzosen, zu Münster und Osnabrück fortgesetzt wurden und dem<br />
erschöpften Lande endlich den ersehnten Frieden bringen sollten. So<br />
lange Jahre auch diese Verhandlungen in Anspruch nahmen, so führten<br />
sie doch in mannigfacher Beziehung nicht die erwünschte Lösung herbei.<br />
Zu Gunsten des Auslandes wurden zusammengehörige Gebiete zerrissen,<br />
") N«p. 92. Nr. 40, wie Anm. 48.
^ft Herzog Ernst Vogislav von Croy, <strong>der</strong> letzte Vischof von Cammin,<br />
wobei fremde Mächte durch Sitz und Stimme im Reichstage sogar<br />
Einfluß auf die innerdeutschen Angelegenheiten erhielten.<br />
Diese für das Reich verhängnisvollen ^andesteilungen sollten auch<br />
für den Herzog Ernst Bogislav von Croy nicht ohne nachteilige Folgen<br />
bleiben. Trotz rastloser Bemühungen bei den Friedenstrattaten konnte es<br />
ihm nicht gelingen, die Introduktion in sein Amt als Bischof von<br />
Cammin zu erwirken. Schon vor Beginn <strong>der</strong> Verhandlungen, am<br />
37. Mai 1«4l), hatte er mit seiner fürstlichen Mutter in einem Memorial<br />
beim Domkapitel um Erweiterung seiner Rechte an <strong>der</strong> Verwaltung des<br />
Stifts nachgesucht/") So sehr die Kapitularen stets die Interessen des<br />
Herzogs vertreten hatten, konnten sie doch zur Zeit diesem Verlangen nicht<br />
stattgeben. Vor allen Dingen tonnten sie unmöglich zulassen, daß <strong>der</strong><br />
Herzog schon gegenwärtig „sich des Regiments annehmen sollte". Nach<br />
reiflicher Überlegung kamen sie zu dem Entschluß, daß <strong>der</strong> Herzog „bey<br />
itzigem betrübtem Zustand des geliebten Vaterlands zu Verhütung mehrer<br />
incullvpllisntxen Sich <strong>der</strong> Stifftischen Regierung noch zur Zeit nicht<br />
wirklich anmaßen könne.") Doch kam ihm das Domkapitel insofern<br />
entgegen, als es die Bestimmung traf, daß <strong>der</strong> Herzog das Recht haben<br />
sollte, in die für das „Visitationswerk" über die stiftischen Ämter eingesetzte<br />
Kommission, die aus dem verordneten Statthalter und den stiftischen<br />
Regierungsräten bestand, in seinem Namen zwei Landräte zu entsenden,<br />
die „den Visitatoren mit Rhätlichen Erinnerungen beywohnen" dürften.<br />
Auch von seiner nachgesuchten Partikularadministration <strong>der</strong> Ämter<br />
Coslin und Gültzow rät das Domkapitel ab und macht dafür dem<br />
Herzog das Anerbieten, „das Ambt Gültzow einer beglaubten Person auff<br />
gewiße p6N8lon" zu geben, wobei ihm die überschüssigen Einkünfte zufallen<br />
würden. Auf diese Weise würden „lnennveineittia" vermieden, und <strong>der</strong><br />
Herzog würde „in eNectu 6uuä6m knem <strong>der</strong> Partitularadministration"<br />
erreichen.<br />
Dagegen lehnte das Domkapitel die Bewerbung des Herzogs um<br />
die eben vakante Stelle des Prapofitus kurzer Hand ab mit dem<br />
Bemerken, daß <strong>der</strong> Herzog schriftlich dem Kapitel gegenüber auf dieses<br />
Amt Verzicht geleistet habe.")<br />
Dieses vorsichtige Verhalten des Kapitels war sehr begründet in den<br />
schwierigen politischen geitverhältnissen und ist zurückzuführen auf Rück-<br />
") Dieses Memorial war nicht zu ermitteln, sein Inhalt ist jedoch zu entnehmen<br />
aus dem Erwi<strong>der</strong>ungsschreibcn des Domkapitels, vgl. Anm. 51.<br />
") Nep. 92, Nr. 64. Beschluß des Kapitels zu Cammin über die Zuwendunst<br />
<strong>der</strong> Einkünfte des Amts Gülhow an den Herzog Ernst Bogislao von Croy<br />
Cammin, den b. Juni 1640. „Gültzow" entspricht dem lieutigen „Gülzow".<br />
") Vgl. oben S. 2b.
im Streite Schwedens und Brandenburgs um den Besitz des Bistums. 29<br />
sichten, welche die Kaftitularen auf Schweden nehmen mußten. Hatten<br />
sie doch schon durch die Wahl des Herzogs von Croy znm Bischof von<br />
Cammin, die sie ohne vorherige Einwilligung <strong>der</strong> Schweden vorgenommen<br />
hatten, den heftigsten Protest <strong>der</strong>selben hervorgerufen. Vielke verwahrt<br />
sich ganz entschieden gegen einen <strong>der</strong>artigen „äiFjuäicii-liodsn 3.ctu8" und<br />
zeiht die Kapitularen <strong>der</strong> Undankbarkeit gegen die Schweden, <strong>der</strong>en König<br />
Gustav Adolf seiner Zeit ja io eifrig „die Population des Jungen<br />
Printzen befor<strong>der</strong>t" hätte.")<br />
Wollte daher Herzog Ernst Bogislav von Croy seine Ansprüche ans<br />
das Bistum bei den Fnedenstrattatcn mit Erfolg durchsetzen, so mußte<br />
er sich <strong>der</strong> Zustimmung Schwedens wie Brandenburgs vergewissern.<br />
Von dem Ergebnis <strong>der</strong> Verhandlungen über die Gebietsabtretung in<br />
Pommern an die Schweden hing daher auch das Los des Herzogs ab.<br />
Und darin lag gerade für ihn die Schwierigkeit. Deuu beide Mächte<br />
standen sich, auch wenn sie in religiösen Bestimmungen bei den Traktaten<br />
identisch handelten, in <strong>der</strong> sog. pommerschen Frage schroff gegenüber.<br />
Schweden legte sein Hauptgewicht darauf, ganz Pommern in Besitz zu<br />
nehmen, wahrend <strong>der</strong> Große Kurfürst eifrigst bemüht war, einen möglichst<br />
geringen Teil dieses Vandes herauszugeben und die Schweden dafür<br />
durch an<strong>der</strong>e Neicksgebiete zu entschädigen. Gleichwohl waren sich beide<br />
Mächte darin einig, daß dem Herzog von Croy ein Recht auf das<br />
Bistum Cammin zustehe, und zeigten sich nicht abgeneigt, seinen<br />
For<strong>der</strong>ungen in genügen<strong>der</strong> Weise entgegenzukommen. Da jedoch die<br />
Frage <strong>der</strong> Gebietsabtretung an die fremden Mächte bei den Friedens-<br />
traltaten lange und schwierige Verhandlungen herbeiführte, gingen die<br />
Gesandten, um möglichst eine Einigung in den Hauptfragen zu erzielen,<br />
über kleine Son<strong>der</strong>interesscn hinweg und überließen die Regelung <strong>der</strong>selben<br />
dem gütlichen Vergleich <strong>der</strong> betreffenden Mächte. Die Croysche Angelegen-<br />
heit war somit <strong>der</strong> Entscheidung <strong>der</strong> Schweden und des Kurfürsten<br />
überlassen. Daher stand <strong>der</strong> Herzog sowie seine fürstliche Mutter in<br />
regem diplomatischen Verkehr mit den Gesandten dieser beiden Staaten,<br />
um möglichst bald zu einem günstigen Ergebnis ihrer For<strong>der</strong>ungen zu<br />
gelangen.<br />
Auf ein Schreiben <strong>der</strong> Herzogin hin versichert Oxenstierna iu einem<br />
Briefe vom 5. März 1642,") daß er gern ihrem Wunsche nachkommen<br />
werde, „bey den bevorstehenden verhoffentlich abgenommenen Friedens-<br />
traktaten daß Stifft Cammin, worzu Ihrer Fürstlichen Gnaden Herrn<br />
") V. 1500, sol. 22'. Protokoll von <strong>der</strong> Landtagssihung auf dem Rathaus<br />
zu Alten-Stettin vom 13. Juni 1637.<br />
") Nep. 92, Nr. 51. Brief Oxenstiernas an die Herzogin Anna von Croy,<br />
Stralsund, den b. März 1642.
Herzog Ernst Bogislav von Croy, <strong>der</strong> letzte Bischof von Cammin,<br />
Sohn alß pyZtuIii-tei- Bischofs erwehlt sein soll, in guther obacht zn halten",<br />
und will ihre „billigen interne" nach bestem Können vertreten. Die<br />
gleiche Versicherung enthält eine Resolution <strong>der</strong> schwedischen Negierung<br />
auf die Anliegen <strong>der</strong> Herzogin von Croy und ihres Sohnes: „daß<br />
inson<strong>der</strong>heit Seine Fürstlichen Gnaden <strong>der</strong> Herzog von Croy bey denjenigen,<br />
was Seiner Fürstlichen Nnaden von (Nott, Natur vndt Rechtswegen<br />
bey dem Stifft Cammin zustehet, geruhiglich gelasten werden möge,<br />
darin haben Ihre Königliche Majestät Ihrer Fürstlichen Gnaden auß<br />
freundtmuhmlichen asseetion gantz gerne Willfahren wollen".")<br />
Auch betreffs <strong>der</strong> inneren Verwaltung des Stifts gab die schwedische<br />
Regierung dem Domkapitel Befugnisse wie<strong>der</strong>, die es ihm früher aus<br />
Furcht vor dem Einfluß Brandenburgs entzogen hatte. So gestattete<br />
sie in <strong>der</strong> dem. Croyschen Gesandten Georg von Bonin überreichten<br />
Resolution vom 30. Oktober 1645/") „daß das OariiwII Ihre Zusammenkünfte<br />
vndt Capitulstage wie<strong>der</strong> frey vndt ungehin<strong>der</strong>t halten möge".<br />
Doch behielt sich die Regierung dabei vor:<br />
1. die .lura I^atrcmatug, Patronatsrechte,<br />
2. die den pommerschen Herzögen zuständig gewesenen «lui-a vuoalia,<br />
3. dürfen vom Domkapitel „keine pt-kolaten o<strong>der</strong> (Canonici<br />
werden, so Ihrer König!. Majestät übel atisotioiul-et", und<br />
4. nimmt die Negierung das Recht <strong>der</strong> Bestätigung,<br />
<strong>der</strong> vom Capitel erwählten Persollen sowie die „prac^onwtism eines<br />
o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>n Hllbjecti psr exs>r685um>' für sich in Anspruch.<br />
Im folgenden Jahre wandte sich <strong>der</strong> Herzog wie<strong>der</strong> an Schweden<br />
und bat in einem Memorial die Königin Christine, seine Interessen auch<br />
fernerhin ihren Bevollmächtigten zu Osnabrück zu empfehlen. Brauchte<br />
man ihn doch jetzt mit <strong>der</strong> Introduktion nicht mehr länger hinzuhalten,<br />
da er doch „nunmehr die Jahre erreichet, die iu deu Grundsatzuugen<br />
<strong>der</strong>oselben Thnmbstiffts Zum Äischöfflichen Ampt erfor<strong>der</strong>t worden, und<br />
die Lllndt-Stände auch anstatt <strong>der</strong> äirection, so das Oapiwl mit großem<br />
beschwer darinne führet, wohl wünschen, Von Ihrem Herrn Vnd Bischofs<br />
selber regieret zu werden"/') Mit diesem Gesuch übersandte <strong>der</strong> Herzog<br />
zugleich seinem am schwedischen Hofe weilenden Legaten Friedrich Pascooius<br />
eiue schriftliche Auffor<strong>der</strong>ung, die Empfehlungsschreiben, die Georg von<br />
Vonin im vergangenen Jahre daselbst hinterlassen hatte, an ihn baldigst<br />
") Nep. 92, Nr. 55. Resolution <strong>der</strong> schwedischen Regierung auf die schriftlichen<br />
Anliegen <strong>der</strong> Herzogin von Croy und ihres Sohnes, Stockholm, den 29 Juni 16l3.<br />
56) liep. 92, Nr. 60 Der Kömal. Majestät zu Schweden Resolution an<br />
Georg von Bonin, Stockholm, den 30. Okt. 1645.<br />
") Kap. go, Nr. 112a, lol. 30". Exiract Ihrer ssürstl. Gnaden Herrn Hertzogk<br />
Ernst Bog'lslaffs Zu Croy u. s. w. Ihrer Königl. Maiestät Zu Schweden eingeschickter<br />
Memorialen. 2. Oktob. 1646. Abschrift.
im Streite Schwedens und Brandenburgs um den Besitz des Bistums.<br />
beför<strong>der</strong>n zu lassen, da ihm selbige „bey ihigen fortgange <strong>der</strong><br />
rsäpeatu <strong>der</strong> darbey voräirenci^n Int6l'6886 des Stiffls Cammin . . .<br />
sehr wohl zustatten kämen".^)<br />
Noch Anfang des Jahres 1647, in dem die Friedensverhandlungen<br />
schon langsam dem Ende entgegen gingen, sandte die Königin Christine<br />
ihren Legaten bei den Friedenstraltateu für die Croysche Angelegenheit<br />
ein Empfehlungsschreiben,"») worin sie dieselben ersuchte, sich des Bischofs<br />
Postulation anbefohlen sein zu lassen, „inson<strong>der</strong>heit das <strong>der</strong>selbe im<br />
Friedens-Schluß wegen des Vischoffthumbs Cammin möge Versichert<br />
werden".<br />
Indessen hatte <strong>der</strong> Herzog von Croy erfahren, daß auf den Einfluß<br />
Schwedens hin <strong>der</strong> Kurfürst von Brandenburg seinem bei den Friedens-<br />
verhandlungen anwesenden Bevollmächtigten Georg v. Bonin bezüglich<br />
des Stifts Cllmmin eine hinreichende N886cur8.tiol, hatte ausfertigen lassen.<br />
Daraufhin übersandte <strong>der</strong> Herzog am I.Mai 1647 <strong>der</strong> Königin Christine<br />
ein Dankschreiben"") für ihre „krefftige K55i«tenc6 vndt cnnpei-ation"<br />
und bat noch um weiteren Beistand bis zur völligen „l^rfectiou" seiner<br />
Ansprüche.<br />
Dieser Wunsch des Herzogs sollte nun bald in Erfüllung gehen.<br />
Am 24. April 1647 berichtete ihm sein in Stockholm weilen<strong>der</strong> Vegat<br />
Friedrich Pascovius,") daß auf Grund fleißige» Aemüheus <strong>der</strong> schwedischen<br />
Kommissare <strong>der</strong> Kurfürst zu einem Ncvers bewogen worden sei, dem-<br />
zufolge <strong>der</strong> Herzog entwe<strong>der</strong> das Stift „aä
W Herzog Ernst Vojislav von Croy, <strong>der</strong> letzte Bischof von Cammin,<br />
dürfte; insbeson<strong>der</strong>e sollte „Seiner Fürstlichen Gnaden an geruhesamcr<br />
Regierung des Stiffts Vnd den Nischöfflichen Regalien teine Hin<strong>der</strong>ung<br />
gethan o<strong>der</strong> Zugefügt werden".^) In demselben Sinne erwi<strong>der</strong>te<br />
Friedrich Wilhelm"") auf ein vom Herzog selbst am 23. Februar 1644<br />
eingesandtes Memorial am 2. März d. I., sowie am 2. September<br />
desselben Jahres auf die Anliegen des Croyschen Gesandten Paul von<br />
Steinwchr.")<br />
Als im Herbst 1645 die pommersche Frage zum ersten Male bei<br />
den Friedenstraktaten auftauchte, da bat <strong>der</strong> Herzog brieflich am 6. September<br />
1645) die brandenburgischen Gesandten, sie möchten sich laut <strong>der</strong><br />
vom Kurfürsten in den Verhandlungen gegebenen Erklärung die Croyschen<br />
Interessen möglichst angelegen sein lassen."")<br />
Der Umstand, daß <strong>der</strong> Dekan Matthias von Gimtersberg am<br />
22. Oktober 1646 eine Zusammenkunft <strong>der</strong> Landstände aus beiden<br />
Regierungen in Stettin anberaumt hatte, bot dem Herzog willkommene<br />
Gelegenheit, auch die Stände zu ersuchen, ihren Gesandten in Osnabrück<br />
seine Angelegenheit zu empfehlen, damit er „vermöge geschehener rechtmeßiger<br />
eleotinn <strong>der</strong> (^ompetii-oncltm Wollerlangten Rechten ... in<br />
Indumento l>tt(N8 genugsam versichert werden möge".^)<br />
Als nun im Herbst 1646 die pommersche Frage auf dem Friedenskongreß<br />
zu heftigen Debatten führte und man sich garnicht über die<br />
Gebietsabtretung in Pommern, auch nicht über das Bistum Cammin<br />
einigen konnte/') sandte <strong>der</strong> Herzog an den Knrfürften, <strong>der</strong> gerade in<br />
Cleve weilte, ein Memorial, um zu verhin<strong>der</strong>n, daß über Cammin in<br />
einer für ihn nachteiligen Weise Bestimmungen getroffen würden.^)<br />
Um darzulegen, das; seine Ansprüche auf das Bistum sich auf gutes<br />
Recht gründeten, beruft sich <strong>der</strong> Herzog auf die bezüglich seiner Anwartschaftserteilung,<br />
<strong>der</strong> Dcsignation und Wahl zum Bischof mit Kurfürst<br />
Georg Wilhelm urkundlich abgeschlossenen Verträge, sowie auf dle vom<br />
«) ksp. 30, Nr. 112», WI. 5. Abschrift. Vxtraot <strong>der</strong> Chunürstl. Durchlaucht<br />
Zu Vlandcnburgk r^8olutiou, I)« Dato ^ü»tl-iu, 27 k'ekruari) 1643.<br />
es) Kap. 30, Nr. 112a, lo!, b. Abschrift. Lxtracr au8 6sl- Oburü. vul-odlauokt<br />
2u Ll-»näyuburssk l-esolutiou, 1»rth 1644.<br />
") ttep. 30, Nr 112a, kol. b". Abschrift, ttltrgot auh <strong>der</strong> Chursurstlichen<br />
Durchlaucht Zu Brandeuburgl i-ssolutiou, Cüstrin, den 2. Sept. 1644.<br />
") kop. 30, Nr. 112g., lol. 4. Original. Der Herzog an die brandend.<br />
Gesandten iu Osnabrück, Slolp. den 6 September I64b<br />
^) tt. 1506. sul. 2 Herzog Ernst Voglslav uon Croy an die Landstände,<br />
Stolp, den 17. Oktober 1646.<br />
") Über die pommersche Frage auf den Friedenstraktaten, vgl. C.T Odhner,<br />
a. a. O., Abschnitt IV-VI.<br />
e») kup. 30. Nr. 113», sol. 1 ff. Der Herzog von Croy an den Kurfürsten-<br />
Stolp. d. 16. Nov. 1646. Original.
im Streite Schwedens und Brandenburgs um den Vesih de? Bistums. 33<br />
Kurfürsten Friedrich Wilhelm selbst in den Jahren 1643/44 gegebenen<br />
Zusicherungen; auch fügt er von all' diesen Urkunden die Abschriften<br />
bei.«") Auf Grund seiner historischen Rechte auf das Bistum bittet er<br />
daher den Kurfürsten, nicht zuzulassen, daß „ein Niedriges dagegen<br />
tsiUirot o<strong>der</strong> verhenget werde" (/
34 Herzog Ernst Vossislao von Croy, <strong>der</strong> letzte Bischof von Cammin,<br />
Introduction dem Wercke seine völlige richtigst geben".^) An demselben<br />
Tage sandte auch die Herzogin von Croy an den Kurfürsten ein Bitt-<br />
gesuch, er möchte doch als „Oberster Patron" ihren Sohn endlich <strong>der</strong><br />
Introduktion in das Stift versichern und seinen bei den Friedens-<br />
verhandlungen anwesenden Gesandten auftragen, sich des Herzogs von Croy<br />
„äsäiäkNN" wirklich angelegen sein zu lassen.")<br />
Zu <strong>der</strong>selben Zeit überreichte auch Georg von Bonin den branden-<br />
burgischen Gesandten ein Memorial, worin er ihnen in <strong>der</strong> Croyschen<br />
Angelegenheit einen Vermittlungsvorschlag macht, <strong>der</strong> in den folgenden<br />
Jahren eine wichtige Nolle spielen sollte. Da auf Grund <strong>der</strong> Friedens-<br />
traktate das Bistum Cammin dem Kurfürsten zugefallen sei, an<strong>der</strong>erseits<br />
<strong>der</strong> Herzog von Croy vertragsmäßig Rechte auf dasselbe erhalten habe,<br />
könne <strong>der</strong> Kurfürst einen ausgleichenden Mittelweg nur dadurch schaffen,<br />
daß er die selbständige Negieruug des Bistums dem Herzog auf Lebenszeit<br />
überließe, um erst nach dessen Tode die geplante Säkularisation des Stifts<br />
vorzunehmen: „Ich sehe vnd finde keinen an<strong>der</strong>n Mittelweg, Alß Seine<br />
Churfürstliche Durchlaucht mögeten sich tegen Seine Fürstlichen Gnaden<br />
abson<strong>der</strong>lich aufs beständige art vnd Weiß erclären. Daß, Obschon<br />
Deroselben das Vischoffthumb Cammin durch dießen Friedensschluß Zu<br />
eigen gegeben würde. Sie dennoch Seiner Fürstlichen Gnaden dem Hertzog<br />
Zu Croy darin keinen eintrag thun, son<strong>der</strong>n ihm Zu Vollkommener<br />
Negieruug dehelben verhelften vnd Zeit seines Lebens geruhig dabey<br />
schützen vnd Handhaben wollen."")<br />
Kurfürst Friedrich Wilhelm, <strong>der</strong> wie sein Vater stets bereit war,<br />
die Interessen des Herzogs von Croy zu för<strong>der</strong>n, lehnte diesen Vergleich<br />
Bonins nicht ab. Beeinflußt durch die Schweden, welche die Ansprüche<br />
des Herzogs befürworteten, stellte <strong>der</strong> Kurfürst am 4. April 1647 einen<br />
Nevers aus, durch deu dem Herzoge bezüglich des Bistums bestimmte<br />
Zugestaudnisse gemacht wurden.^) Der Kurfürst verpflichtet sich, nach<br />
tatsächlicher Besitzergreifung von Hiuterpommern dem Herzoge völlig<br />
befriedigende Entschädigung zu bieteu:<br />
„Alß versprechen Wir trafst dieses, sobald Wir Zur würcklichen<br />
P088658ioil in Hinter-Pommeru kommen vnd gelangen werden, daß Wir<br />
'^ ksp. 30, Nr. 113a, wl. 31 v. Original. Der Herzog von Croy an den<br />
Kurfürsten; Stolp, am 27. Februar 1647.<br />
^) I5sp. 30, Nr. 113a, ful. 32. Die Herzogin Anna von Croy an den Kurfürsten.<br />
Stolp, den 27. Februar 1647. Original.<br />
") ksp. 30, Nr. 112a, lol. 36/37 Orissiuul, fai. 88/39 (^opie. Des Herzogs<br />
Memorial an die brandbg. Gesandten, überreicht von G. o. Bonin.<br />
") ttep. 92, Nr. 66. Abschrift, von Pascooius dem Herzog von Croy übersandt<br />
aus Stockholm; außerdem in ksp. 30, Nr. 113a., lol. 86, Abschrift. Obige<br />
Schreibart nach kyp. 92, Nr. 66.
im Streite Schwedens und Brandenburgs um den Besitz des Bistums. 35<br />
Seiner Durchlaucht zu Dero guten (^ontsnw wegen berührten Viftumbs<br />
Cammin gebührlich Befriedigen vnd Derselben vollkommen Hatikiaction<br />
darvor thun vnd wie<strong>der</strong>fahren laßen wollen". Sollte aber <strong>der</strong> Kurfürst<br />
Bedenken betreffs <strong>der</strong> vom Herzog gefor<strong>der</strong>ten Entschädigung hegen, dann<br />
bestimme und verwillige er, „inkrafft dieses, das HochgcmeUte Seine<br />
Durchlaucht Zu Dero Lebzeiten mekrbesagtes Stifft Cammin innehaben,<br />
besitzen vnd Ihrem gefallen nach volltömbUch genießen sollen vndt mögen".<br />
Zwei Tage später, am 6. April d. I., übersendet Friedrich Wilhelm<br />
feinen Gesandten in Osnabrück diese ^.Zsseuratian mit dem Auftrage,<br />
dieselbe dem Herzog zu übermitteln.'°) Diesen Revers scheinen dir<br />
kurfürstlichen Legaten dem Herzog nicht sobald übersandt zu haben; denn<br />
auf eine diesbezügliche Aufrage desselben^) an den Kurfürsten vom<br />
31. Juli 1647 antwortet ihm dieser, daß er bereits am 4. April d. I.<br />
dem Herzoge zu dessen Zufriedenheit eine ^gZeeuratimi ausgestellt und<br />
zur Übermittelung seinen Gesandten überwiesen habe.'s).<br />
So tonnte Herzog Ernst Vogislav von Croy in Anbetracht <strong>der</strong><br />
äußerst schwierigen Lösung aller bei den General-Friedenstraltaten auftauchenden<br />
Fragen sich mit seinem Ergebnis zufrieden geben. War doch<br />
die Besitzergreifung von Hinterpommern durch Brandenburg, mithin auch<br />
die Erfüllung des vom Kurfürsten am 4. April 1647 ausgestellten<br />
Reverses nach Abschluß <strong>der</strong> Friedensverhandlungen nunmehr in aller<br />
Kürze zu erwarten.<br />
V.<br />
Die Eroysche Präge vor <strong>der</strong> Grenzkommisston<br />
in Pommern.<br />
Mit dem westfälischen Friedensvertrage, <strong>der</strong> am 24. Oktober 1648<br />
zu Osnabrück unterzeichnet wurde, blieb eine <strong>der</strong> wichtigsten Fragen, die<br />
<strong>der</strong> Grenzregulierung in Pommern, noch immer ungelöst. Der Artikel 10<br />
") N«p. 30, Nr. N3», io!. 38. Der Kurfürst an leipe Legaten in Osnabrück.<br />
Cleve, d 6. April 1647.<br />
") k«p. 30, Nr. 113a, fol. 40. Eigenhändiges Schreiben des Herzogs an den<br />
Kurfürsten.<br />
") ksp. 30, Nr. 113», fol. 43. Cleve d. 14. Sept. 1647. Abschrift.<br />
3*
36 Herzog Ernst Bogsilao von Croy, <strong>der</strong> letzte Bischof von Cammin.<br />
des Friedensinftrnments bestimmte nämlich, daß die genane Festlegung<br />
<strong>der</strong> Grenzen sowie an<strong>der</strong>e weniger wichtige Fragen dnrch gütliches<br />
Übereinkommen zwischen Schweden und Brandenburg geregelt werden<br />
sollten. Damit hatte Schweden seine Absicht erreicht, den Kurfürsten zu<br />
isolieren, um mit ihm allein zu unterhandeln. So sehr sich dieser auch<br />
dagegen verwahrt hatte und bemüht gewesen war, die pommersche Frage<br />
noch auf dem Friedenskongreß selbst endgültig zu erledigen, so beharrle<br />
doch Schweden auf seinem Beschlusse, die Grenzregnlierung erst nach dem<br />
Abschluß des Friedens vorzunehmen, da eine solche nur an Ort und<br />
Stelle vor einer zuständigen Kommission möglich sei. Nachdem noch <strong>der</strong><br />
Kurfürst durch seinen Gesandten Ewald von Kleist in Stockholm bei <strong>der</strong><br />
Königin selbst vergeblich zwecks sofortiger Beilegung des Grenzstreitcs<br />
vorstellig geworden war, beschloß er endlich nachzugeben und entsandte<br />
eine Kommission von fünf Mitglie<strong>der</strong>n nach Stettin, wo sich auch drei<br />
schwedische Kommissare einfanden. ^") Einzelnen von den brandenbnrgischen<br />
Kommissaren war auch die Aufgabe zugefalleu, die Angelegenheit des<br />
Herzogs Ernst BoMav von Croy, insbeson<strong>der</strong>e seine For<strong>der</strong>ungen auf<br />
das Bistum Cammin mit dem Herzoge zu regeln.<br />
Schon im Jahre M49, am 4. Dezember, hatte <strong>der</strong> Kurfürst feine<br />
Näte in Cölln au <strong>der</strong> Spree benachrichtigt, daß er zu den „Vorsehenden<br />
Pommerischen i'l-acU^n . . . dem Von Güntersberg, Borcken vnndt<br />
Fr. Rungen mit des Herzogen Zu Croy Durchlaucht einige handeluugen<br />
Zu ftflegeu gnedigst committn^t habe".*") Die „Direktion" in den<br />
Croyschen Trattaten übertrug er dem Dekan Matthias von Güntersberg.<br />
Um auf <strong>der</strong> sicheren Basis authentischer Urkunden Entscheidungen<br />
zu ermöglichen, wandte sich l). Fr. Runge am ^2. Dezember 1649 an<br />
den brandenburgischen Kanzler mit <strong>der</strong> Bitte, <strong>der</strong> Kommission zur besseren<br />
Regelung <strong>der</strong> Croyschen Angelegenheit die im kurfürstlichen Archiv zu<br />
Cölln an <strong>der</strong> Spree vorhandenen ^.cta übersenden zu lassen,") was<br />
auch in <strong>der</strong> Tat bald geschah. Denn Ansang Januar 1650 bescheinigt^)<br />
1). Nunge den Geheimen Räten in Berlin den Empfang einiger or-ißinalia<br />
und üc.tü., „so die Zwischen Ihrer Elnnfürstliche» Durchlaucht undt Ihren<br />
Fürstlichen Gnaden Zn Croye vor diesem gepflogene Handlungen betreffen".<br />
So konnte die Croysche Kommission mit den Verhandlungen beginnen.<br />
") Über die Kommission und die pommerschc Grenzregulierung siehe Odhner,<br />
a a. O., Abschnitt Vil; Wehrmann, a. a. O, S l54 ff.<br />
«") kep. 30, Nr. 118d. fol.b. Der Kurfürst an seine Näte in Cölln a. d. Spree,<br />
Wesel, d. 4. Dez. 1649. Original.<br />
") ttep. 89, Nr. N3b. f
im Streite Schwedens und Brandenburgs uni den Befik des Vistumtz. 37<br />
Schon am 24./14. s») Januar d. I. richten (^eorg v. Zihewih und<br />
Fr. Nunge an den Kurfürsten ein ausführliches Memorial, worin sie<br />
ihm das Anerbieten machen, den Herzog von Croy für das Bistum<br />
Cammin durch ein geeignetes „asquiviUem" zu entschädigen.") An<br />
den Revers vom 4. April 1647 brauche sich <strong>der</strong> Kurfürst durchaus<br />
nicht zu halten, wcil <strong>der</strong>selbe in Wi<strong>der</strong>spruch stehe mit dem luxtl-umenw<br />
^aci»; denn diese „n^ecuration 8dcki!ir6t. dem Hertzog von Croye ein<br />
^U5 am Äischofthumb, Welches per lnsti-umentmn I'uciZ exZtmßuirst<br />
st in lkl-um Natur», nicht mehr ist". Sodann würde es bei <strong>der</strong> gegenwärtigen<br />
Beschaffenheit des Landes, das ohnehin schon durch den Krieg<br />
in Teile zerrissen sei, „wie<strong>der</strong> die gemeine Wolfahrt des Landes undt<br />
des Stiffts anlaufen, wan vermöge <strong>der</strong> K886curati0n ^nncum^us moäo<br />
die incorporatio solle gehämmet undt das Stifft von Hinter-Pommern<br />
gepariret bleiben". Als Äquivalent käme zuuächst eine Vebensreule,<br />
aciviwlitium, in Betracht. Und zwar könnte diese auf 5
3tt Herzog Ernst Bogislav von Croy. <strong>der</strong> letzte Bischof von Cammin,<br />
Leute 66NU0 begeben müßte".^) Sollte man jedoch den Herzog zu dieser<br />
Erklärung nicht bewegen können, dann wäre es vielleicht angebracht, die<br />
„Stifftijche Handlung" auf 15000 o<strong>der</strong> 30000 Reichstaler zu erhöhen.<br />
Denn Stolp mit seinem ?ortu8 sei für den Kurfürsten von unschätzbarem<br />
Werte.<br />
Auf eine Äußerung des Herzogs von Croy hin, er könnte sich <strong>der</strong><br />
Stifts- und an<strong>der</strong>er praetsnsionon so leicht nicht begeben, weisen die<br />
Gesandten darauf hin, daß „iu comparativi^ an den Stifftischen fachen<br />
für dieses mahl ein weit mehres gelegen ist, als an <strong>der</strong> Graf- vnd<br />
Herschafft Newgarten", zumal die Schweden sofort geneigt wären, bei<br />
gegebener Gelegenheit für den Herzog einzutreten. Um sich daher seiner<br />
Person zu versichern, könnte ihn ja <strong>der</strong> Kurfürst „mit einem cörperlichen<br />
Eide vinculirsn, daß man aller mconvenisntien, wiedrigen Machinationen<br />
Sich ins künfftige nicht von Ihme Zu befahren hätte". Auch ließe sich<br />
durch l^tH und Verträge leicht erreichen, daß <strong>der</strong> Herzog „sowoll iu<br />
r6a1iku3 alß ^ersonalikuä ^ctionilins Euer Churfürstlichen Durchlaucht<br />
Lubjeotum machen, auch alles dasjehnige würde leisten undt pra^tit-sn<br />
müßen, wozu alle an<strong>der</strong>e Euer Churfürstlichen Durchlaucht Lehnleute<br />
undt VasaUi verbunden seien".<br />
Nachdem <strong>der</strong> Kurfürst schon am 3./12. Februar d. I. Nunge<br />
ersucht hatte, nach Möglichkeit auf eine Abfindung des Herzogs gegen<br />
ein „btlligmeßiges äquivalent" hinzuarbeiten,") erklärte er auf obiges<br />
Memorial hin am 6. Febr./27. Jan., daß er mit dem vorgeschlagenen<br />
r6C0Ms>6Q8imtt6i durchaus einverstanden sei und es sehr gern sehen würde,<br />
wenn <strong>der</strong> Herzog die Diewitzschen Güter annehmen wollte; dagegen sollten<br />
sie mit den Newgartischen Gütern möglichst an sich halten.^)<br />
Doch ließ sich die Kompensationsfrage nicht so leicht erledigen. Denn<br />
die Verhandlungen zogen sich nach <strong>der</strong> damals nicht ungewöhnlichen Art<br />
diplomatischen Verkehrs bis gegen Ende des Jahres hin. Es ist nicht<br />
Aufgabe <strong>der</strong> vorliegenden Abhandlung, auf alle Einzelheiten <strong>der</strong>selben<br />
des näheren einzugehen, zumal diese Einigungsversuche nicht das wünschenswerte<br />
Ergebnis zeitigten. Im Herbst 1650 unternahm daher Herzog<br />
Ernst Vogislav von Croy eine Ncise nach Berlin, um nach persönlicher<br />
Aussprache mit dem Kurfürsten einen Ausgleich herbeizuführen. ^)<br />
") Vergi, oben S. 18/19.<br />
") liep. 30. No. 113b, kol. 8l/32. Der Kurfürst an v. Fr. Runge, Petersbagen,<br />
d. 2./12 Febr. 1650. Abschrift.<br />
»«) ttep. 30, Nr. 113b, lol. 9S. (5oM Der Kurfülst an GeolF V. Fi^wch<br />
und D. Fr. Nunge.<br />
") kep. 30, Nr. 113 2, fol. 155. Original. Runge an den Kurfürsten,<br />
23. Oktober 1650.
im Streite Schwedens nnd Brandenburgs um den Besitz des Vistumtz. 39<br />
Zu Cölln a. d. Spree kam es am 16./26. November 1050 zu dem<br />
wichtigen Vertrage, <strong>der</strong> dem Herzog endlich die ersehnte Entschädigung<br />
für seine Ansprüche auf das Bistum gewährleisten und auch seine<br />
soustigen For<strong>der</strong>ungen an Brandenburg regeln sollte.<br />
VI.<br />
Der Vergleich zwischen dem Kurfürsten<br />
von Brandenburg und dem Herzog von (llron.<br />
!6. 2K. Nov. I65N.°")<br />
Die westfälischen Friedenstraktate hatten dem Kurfürsten das unstreitige<br />
Recht gegeben, das Bistum Cammin als sein „eigenthumb" iu<br />
Besitz zu nehmen. Der Artikel 11 <strong>der</strong> Friedenstraktate besagt: „tensatur<br />
it.6m Vnmmu8 RIecwr daß Stifft Vnudt Äischoffthumb Cammin Zu<br />
einem keciuivklkuts, tiln^uk^ni leuäum seoulare et ^ki-sistuum".<br />
Doch hatte <strong>der</strong> Kurfürst, um den Ansprüchen, die <strong>der</strong> Herzog auf<br />
Grund <strong>der</strong> Empfehlungen seines Oheims Bogislavs XI V. und <strong>der</strong> Wahl<br />
durch das Domkapitel auf das Bistum machen durfte, Rechnung zu<br />
tragen, lieber „von seinen wolerlangeten Rechten etwas abbrechen alß<br />
denenselben Ltrictim mllasriren" wollen.<br />
Nachdem zu Corlihn") die Kommissare versucht hatten, die vielen<br />
sich einstellenden Schwierigkeiten zu beseitigen, einigten sich die beiden<br />
Prätendenten auf folgende Punkte:<br />
Der Herzog von Croy verzichtet feierlich auf alle bezüglich des<br />
Bistums Cammin erlangten Rechte:<br />
„So viel daß nunmehr seculkrisirtO Vnndt Vnß Zugeeignete<br />
Stifft Cammin anbelanget, haben Seine Durchlaucht sich aller au vnndt<br />
Zuspräche "2) an gemeltem Stifft Cammin, Welche Seine Durchlaucht<br />
auß <strong>der</strong> beschehenen Wahl vnndt klectinn deß Thumb Capittels, Vnsers<br />
Hochgeehrten Herrn Bettern Onaden Christseeligsten andenckeus i-ecomn,<br />
o<strong>der</strong> Vnserer selbsteigenen guetwilligteitt gehabt, gäntzlich in<br />
") ttSp. 30. Nr. 113 d, kol. 4-14 u. kol. 17—2? beide Originalverträge,<br />
Schreibart nach kol. 17-27.<br />
") Cörlchn «- dem heutigen Körlin. Vergl. Amn. 10.<br />
") „an onndt Zuspräche" --- An- und Zuspräche.
4t) Herzog Ernst Noaislav von Kroy, <strong>der</strong> letzte Bischof von Cammin.<br />
träfftigster vnndt bestendigster form Rechtens begeben Pnndt abgesaget,<br />
Also vnndt <strong>der</strong>gestaldt, daß Sie solches alles hiermit moNit^irell,<br />
annullii-en onndt abthnen, auch sich deßcn nimmer vnndt Zu Keinen<br />
Zeitten weiter anmaßen wollen", (lol. 18.)<br />
Der Kurfürst dagegen verpflichtet sich zur Entrichtung einer Abstandssumme<br />
von llXMlX) Reichstalern, zahlbar in zwei gleichen Raten,<br />
von denen die erste drei Jahre nach seiuer Besitzergreifung Hinterpommerns,<br />
die an<strong>der</strong>e in den nächstfolgenden drei Jahren fällig ist:<br />
„Dagegen geloben Vndt versprechen Wir hiermit Seiner Durchlaucht<br />
für solchen abstandt eine 8umm6 Bon Lm Hun<strong>der</strong>t I'aukmld Kml'liZ<br />
^Kalßi-ll in Zween Terminen folgen<strong>der</strong> maßen endtrichteu Vnndt Zahlen<br />
zulaßen, daß nemblich von <strong>der</strong> Zeitt an, Wann Wir zu würcklicher<br />
Z)088683ic)n Vnserer Hinter Pommerischen ^tegierung gelangen werden,<br />
drey Jahr hernach Zum ersten termin Zunffzig Tausendt Reichs Thaler,<br />
Vundt dann in den negst folgenden drey Jahren Zuui an<strong>der</strong>n Vnndt<br />
letzten wrmm Funffzig Tausendt Reichsthaler in einer Vuzertrennten<br />
Summe erleget werden sollen".<br />
Dieser Zahlungsweise zufolge ist <strong>der</strong> Herzog von Croy, bezw. dessen<br />
Erben und Erbnehmer gehalten, bei Zahlung des ersten Termins den<br />
halben und bei Erlegung des zweiten Teiles den noch übrigen Teil <strong>der</strong><br />
„k^potkecirwn vnndt Vntersetzeten Rüther Vermittelst Inventars<br />
wie<strong>der</strong>umb abzutretten Vnndt Zue i-otrackren".<br />
Betreffs des „mo6u8 accurat, 0M8" <strong>der</strong> dem Herzog zu verpfändenden<br />
Güter kann <strong>der</strong> Kurfürst noch leine bestimmten Angaben<br />
machen, da er selbst noch nicht zur tatsächlichen po85638ion Hinterpommerns<br />
gelangt ist. Daher trifft er die Verfügung, daß <strong>der</strong> Herzog<br />
bis zur Regelung <strong>der</strong> pommerschen Grenzen weiter wie bisher im<br />
Nießbrauch <strong>der</strong> stiftischen Güter und Einkünfte verbleiben solle, „Sich<br />
eines Weiteren aber keineswegs anmaßen, son<strong>der</strong>n alles in dem Stande<br />
laßen, wie eß iho ist".<br />
Erst nach <strong>der</strong> Grenzregnlierung wird <strong>der</strong> Kurfürst das säkularisierte<br />
Stift Cammin in seinen Vesitz nehmen und dann anch unverzüglich<br />
dem Herzoge eine „annehmbliche u^oui-alioi," ans die vereinbarten<br />
1(X>0 Reichstaler in die Hand geben. Und zwar stellt er dem<br />
Herzog in dem Vergleich „eventualità" folgende Entschädigung in Aussicht :<br />
1. das Amt Gültzow, jedoch ohne Pribbernow, Mädewitz^) und<br />
Sabersow und ohne die zu Pnbbernow gehörigen „Heyden";<br />
2. das Amt Bublitz mit den zugehörigen „pei-tinentien" und<br />
) Schreibart nach N«p. 30, Nr. 113b, 5ol. 20. Vergl. Anm. 10.
im Streite Schwedens und Brandenburgs um dm Besitz des Bistums. 41<br />
3. die Canongel<strong>der</strong> zn Carzihn, Zattun und Lubow mit <strong>der</strong> zum<br />
Amte Cößliil gehörenden Schäferei PoMikcn.<br />
Sollten diese Ämter und Güter zur ^ggecul-ktion <strong>der</strong> 100000<br />
Reichstaler nicht ausreichen, dann wollte <strong>der</strong> Kurfürst von dem Amte<br />
Treptow a. R. die beiden zugehörigen Vorwerke Snckow und Snltshorst")<br />
dem Herzoge verwilligeu, die allerdings erst nach dem Tode <strong>der</strong> „Fürstl.<br />
Wollinischcn Fraw Wittiben", <strong>der</strong> sie als „kussmenwm tn!iti.j" zugewendet<br />
worden seien, an das Amt Treptow, mithin auch an den<br />
Kurfürsten zurückfallen würden. Für den Fall, daß diese Vorwerke anch<br />
noch nicht genügen sollten, sichert <strong>der</strong> Knrfürst dem Herzog von dem<br />
Wittttms-Amt Nen-Stettin so viele lauter zu, bis die 100000 Reichstaler<br />
in hinreichen<strong>der</strong> Weise Hypotheken seien.<br />
Zur Regelung dieser ^Z^urat.ionsn soll eine vom Kurfürsten nnd<br />
Herzog bestimmte Kommission, die allerdings „in rs
42 Herzog Ernst Vogislav von Croy, <strong>der</strong> letzte Nischof von Eammin,<br />
1. Nach dem Aussterben <strong>der</strong> männlichen Linie <strong>der</strong> Grafen von Eberstein<br />
soll „hiermit vnndt in trafst diesetz Vertrages, Seine Durchlaucht<br />
Vnndt Dero Mänliche Leibes Lehns Erben in solcher Graffschafft<br />
— Ncugarten und Masfow -- mit aller Herrlichkeit vnndt Gerechtigkeit,<br />
wie die Grassen Von Eberstein dieselben bißhero besaßen,<br />
oum onero et commoäo . . . 8uoc6äir«n";<br />
2. bezüglich des Amtes Stolft gibt <strong>der</strong> Kurfürs: die Versicherung, daß<br />
<strong>der</strong> Herzog nach dem Ableben seiner fürstlichen Mutter „solch Ambt<br />
mit allen darzu gehörigen lutraäei,, i^rtmentien, Herlichkeiten<br />
Vnndt Gerechtigkeitten" aus Lebenszeit besitzen und genießen solle.<br />
Doch müßten nach des Herzogs Tode dessen Erben dieses Amt<br />
„oum t)6l't,mtmlij8 ohne einige Wi<strong>der</strong>rede vnndt plaownsion einiger<br />
mklioratioilum . . . wie<strong>der</strong>umb zu r68tiwil'6il vuudt abzutrettcn<br />
schuldig sein";<br />
3. die Schmolsinschen Güter solle <strong>der</strong> Herzog mit allen dazugehörigen<br />
„l)6rtill6i»U6ii . . . aä lii63 viws behalten Vnndt aufs beste genießen<br />
Vundt gebrauchen, Wie Wir dann Ihrer Durchlaucht hiermit<br />
dieselbe Zeitt ihres lebeus zu genießen vnndt Zugebrauchen<br />
coilcec^i-m, Vnndt verwilligen";<br />
4. bezüglich <strong>der</strong> 1>raep08it.ur von Cammin, auf die Ernst Bogislav<br />
von Croy wie<strong>der</strong>holt eine Zusicherung erlangen wollte, verfügt <strong>der</strong><br />
Kurfürst, daß <strong>der</strong> Herzog dem jetzigen ^rusps)8iw8 nach dessen<br />
Tode 8uec6äli-en solle; ^)<br />
5. <strong>der</strong> Kurfürst bewilligt <strong>der</strong> Herzogin Anna von Croy, obwohl er<br />
von <strong>der</strong> fürstlichen Hinterlassenschaft nicht das Geringste genieße,<br />
„Zum abschcidt wegen Hinter Pommerischer Regierung" eine Summe<br />
von 4M)()0 Neichstalern, die er binnen 8 Iahreu uach <strong>der</strong> durch<br />
itm erfolgten Besitzergreifung Hiuterpommerus <strong>der</strong> Herzogin ent<<br />
richten werde, wofür bis zur völligen Bezahlung <strong>der</strong> Summe das<br />
Amt Stolp hafte« sollte.<br />
") Die Königin von Schweden, Christine Eleonore, hatte im Jahre 1648<br />
dem Leibarzt ihres Vaters, König Gustav Adolfs, Johann von Rautenberg, die<br />
Verwaltung <strong>der</strong> Präpositur des Kapitels auf 10 Jahre übertragen. (Vgl. Kücken,<br />
a a. O. S. N2 ) Das Amt war daher im Jahre 1653 erledigt Im Iabre 1661<br />
trat das Domkapitel zu einer Neuwahl zusammen und übertrug dieses höchste Amt<br />
dem Herzog Ernst Bogislav von Croy auf Grund <strong>der</strong> diesem im Vertrage vom<br />
16./26. November 1650 gegebenen Zusicherung seitens des Kurfürsten. (Vgl oben Nr.4.)<br />
Am b. Juli d. I. fand die feierliche Installano im kamminer Dom statt ( Viwv<br />
?omel-2norum, vol. 119). Von <strong>der</strong> Amtstätigkeit des Herzogs als Präpositus sind<br />
bisher nur zwei Reden bekannt, die er an die versammelten Kapitularen in <strong>der</strong><br />
Kathedrale hielt: Die eine vom Jahre 1661 gelegentlich seiner Installation, die<br />
an<strong>der</strong>e vom 23. Mai 1655 anläßlich <strong>der</strong> feierlichen Einführung des neuen Dekans,<br />
Georg von Bonin, in sein Amt. (Vgl. Anhang S. 51 ff.)
im Streite Schwedens und Vrandenburfts um den Besitz des Vistums. 4H<br />
Als Gegenleistung übernimmt <strong>der</strong> Herzog folgende Verpflichtungen:<br />
1. er muß Verzicht leisten auf „alle Übrigen Fürstlichen begnadungen",<br />
die er von den Pommerschen Herzögen erlangt hatte; ebenso muß<br />
er den von seiner Mutter Anna ausgestellten „rynunüation- Vnndt<br />
Verzichtbrieff in allen Punkten vnndt clnusulen rntiNciren;"")<br />
2. da er die genannten Graf- und Herrschaften für sich und seine<br />
männlichen „Leibeslehnserben" als ein „wahres Herrn- Vndt<br />
Mcmnlehu" erhält, muß er <strong>der</strong> kurfürstlichen Herrschaft gegenüber<br />
als „ordentlichen Landes Fürstlichen hohen Obrigkeit Vnd Lehen-<br />
Herren" alle Pflichten erfüllen, wie es „getreweu Lehnleuten,<br />
Rechtens- vnndt <strong>der</strong> Pommrischen Lande gewohnheit wegen obliget<br />
Vnndt gebühret", und zwar muß er:<br />
») wie seine Erben vom Kurfürsten und dessen „8ucoo880ren" von<br />
Fall zu Fall das Maulehen i-ecossno^iren;<br />
b) die Lehns- und Huldigungspflichten erfüllen;<br />
c) die „gewöhnlichen Notdienste in ehren Vnndt Nöthen" leisten;<br />
ä) alle onsl-H puklica tragen gleich den übrigen Landstanden,<br />
z. B. die Reichs, Kreis-, Land- und an<strong>der</strong>e Steuern;<br />
e) darf er sich teine landesfurstliche Hoheit noch das ^U8 wri-iwi-inik<br />
anmaßen;<br />
f) darf er mit fremden Potentaten kein Vündnis schließen, auch<br />
nicht „wie<strong>der</strong>liche corre^smäonden" führen, ebensowenig „ino<strong>der</strong><br />
außerhalb Landes" irgend welchen Anhang suchen;<br />
3. <strong>der</strong> Herzog hat sich „in Uccle3ia3tici8 wie in k^oliticig" dem<br />
kurfürstlichem ^0N8l8wl-iuln und <strong>der</strong> Kirchenordmmg, bezw. <strong>der</strong><br />
in Hinterpommern angeordneten kurfürstlichen Negierung, dem<br />
Hofgericht sowie an<strong>der</strong>en Fundamentalsatzungeu „wm in<br />
quam ^6l60ualibu8 aotiduz" zu unterwerfen;<br />
4. darf er we<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Religion noch in an<strong>der</strong>n christlichen<br />
Verän<strong>der</strong>ungen vornehmen:<br />
a) es ist ihm nicht gestattet, die vooatog I^wreI an fremden<br />
Orten zu oräiniren, son<strong>der</strong>n er muß dieselben dem verordneten<br />
Oeneralsuperintendentcu <strong>der</strong> hiuterpommcrschen Regierung 9.6<br />
ordmandimi et in8titu6n6um präseutiereu;<br />
b) auch darf er das
4 l Herzoq Ernst Vossislao von Croy, <strong>der</strong> letzlc Bischof von Cammin,<br />
außträge nach anleitunge <strong>der</strong> Pommerischen Hoffgerichts-Ordnung<br />
Bnndt ^andt-Privilegieu endtlcheideu Zu lassen vnd jolchen auhträgeu<br />
sich gebührendt Zu vnterwerffen";<br />
6. bezüglich <strong>der</strong> Besehung <strong>der</strong> Beamtenstellen wird ihm znr Bedingung<br />
gemacht, daß nach Möglichkeit nur Einheimische gewählt werden sollen.<br />
Nach <strong>der</strong> gegenseitigen feierlichen Erklärung, unverbrüchlich au<br />
allen Punkten und Klauseln dieses Vertrages festzuhalten, gibt <strong>der</strong><br />
Kurfürst noch die Versicherung, diesen Vergleich, sobald er in wirklichen<br />
Besitz Hinterpommerns gelangt wäre, ans dem ersten Landtage den<br />
Ständen vorzulegen, um durch <strong>der</strong>en /Xj^i-oli^tinn dem Herzog eine<br />
umso größere Garantie zu gewährleisten.<br />
Die Bestätigung dnrch den Landtag erfolgte auch tatsächlich dnrch<br />
einen ^andtagsabschied vom Jahre 1t)f)4.v')<br />
Zur Ergünznng dieses Vertrages stellte <strong>der</strong> Herzog von Croy an<br />
demselben Tage, dem 1t>./26. November, einen Revers aus,"U) demzufolge<br />
an den Knrfürsten, im Falle <strong>der</strong> Herzog „ohne Leibes Erden<br />
Verfallen vnndt Von dieser Weldt abscheiden wurde", die halbe Summe<br />
des Kapitals, also 5^M0 »ieichstaler, an den Kurfürsten zurückfallen<br />
sollte.<br />
VN.<br />
Endgültige Abfindung des Herzogs von Eroy<br />
dnuch die pommerschen AandMlde. lß?l.<br />
Der Vertrag vom 26./16. November 1650 bedeutete für dcu Herzog<br />
Ernst Bogislav von Croy einen ziemlich glückliche« Abschluß <strong>der</strong> vou<br />
ihm mit unermüdlichem Eifer geführten diplomatischen Verhandlungen.<br />
Wenn er auch seinen sehnlichsteu Wunsch, die Bekleidung des bischöflichen<br />
Amtes von Cammin, mcht erfüllt sah, so bot itim doch <strong>der</strong> Vergleich m<br />
finanzieller Beziehung durch die Einkünfte <strong>der</strong> bis zur völligen Bezahlung<br />
<strong>der</strong> garantierte« Ml MW Taler verpfändeten Guter und Ämter eine<br />
durchaus hinreichende Entschädigung. Allerdings sollte diese Lösung <strong>der</strong><br />
Croy'icheu Frage nicht ohue Rückwirkung aus die Monomische Verwaltung<br />
von gang Hilitclpomlnem bleiben. Durch die großen Verwüstungen<br />
im Streite Schwedens und Brandenburgs um den Besitz des Bistums 45<br />
und die bedrückenden Einquartierungen hatte das ?and während des<br />
verheerenden Krieges unsäglich viel gelitten, <strong>der</strong> frühere Wohlstand war<br />
dahin, die Bevölkerung völlig ausgesogen. Nur allmählich konnte sich<br />
das ?and wirtschaftlich emporarbeiten, wobei es nach dem teuer erkauften<br />
Frieden noch die schweren tasten <strong>der</strong> Kontributionen zu tragen hatte.<br />
Umso mehr mußte es daher den Ausfall <strong>der</strong> Erträge aus den vielen<br />
dem Herzoge von Croy zur Nutznießung überlassenen Gütern vermisse«.<br />
Es ist mithin begreiflich, daß es den pommerschen landstanden schwer,<br />
ja geradezu unmöglich werden mupte, die in obigem Pertrage vereinbarten<br />
Zahlungstermine <strong>der</strong> Abstandssumme innezuhalten. Die Folge war,<br />
daß dem Herzoge wie dessen Erben und Einnehmern vertragsmäßig die<br />
Güter bis auf weiteres verpfändet blieben, was in ökonomischer Beziehung<br />
das verarmte ^aud noch auf lauge Zcitcn schädigen muhte.<br />
Indessen war dem Herzog durch den Bcstallungsbrief vom<br />
17. Februar 1t>5 vom Kurfürsten die Statthalterschaft von Hinterpommcrn<br />
und dein Fürstentum Cammm übertragen worden,^) auf die<br />
er später zu Gunsten des ^eueralfeldmarschalls v. Derfflinger verzichtete."")<br />
Im Jahre 1670 erfolgte dann seine weitere Beför<strong>der</strong>ung zum Statthalter<br />
von Preußen/") ^ er bis zu seinem Lebensende treu im Dienste des<br />
Vaterlandes wirkte. Hatte ihn auch das neue Amt seiner pommerschen<br />
Heimat entzogen, so behielt er doch stets ein Herz für die beiden und<br />
Kampfe seines Mutterlandes, mit dem er schon von frühester Jugend<br />
au die wechselvollen Geschicke schwerster Zeiten geteilt hatte. Um daher<br />
dem erschöpften Lande, das überdies noch <strong>der</strong> schwedisch-polnische Krieg<br />
in Mitleidenschaft gezogen hatte/"') in finanzieller Beziehung wie<strong>der</strong><br />
aufzuhelfen, reichte <strong>der</strong> Herzog im Jahre 1670 abermals dem Kurfürsten<br />
von Brandenburg die Hand zu einem Vergleiche/^) <strong>der</strong> die hinterpommerschen<br />
Stande von den harten Bedingungen des im Jahre 1650<br />
geschlossenen Vertrages befreien sollte. Der Herzog erklärte sich darin<br />
bereit, anstatt <strong>der</strong> vereinbarten 100000 Neichstaler gegen eine in 4 Jahren<br />
zu erlegende Abstandssumme von nur 50000 Neichstalern auf alle<br />
innehabenden I^erlilleilU^n, die er wegen <strong>der</strong> „darauff haltenden großen<br />
u und meliorakoilkn" unstreitig auf seme Erben „c<br />
«") «ep. 30, Nr. 48, kol. 6<br />
l">) tt«p. 5W, Nr 49. kol. 22 ff.<br />
"») Ii«p. 82. Nr. 136. Tagebuch des Herzogs von Croy über seine Tätigkeit<br />
als Statthalter von Preußen in den Jahren 1670—72. Original, 5 Bde.<br />
""> Nep. 92, Nr. 140, kol. 18.<br />
"2) ttrp. 92, Nr. 140, sol. 16. Ertrakt aus dem Vergleich zwischen hochgedachter<br />
Seiner Chunürstl. Durchlaucht und dem Herzog von Croy. 29. Martij 1670.<br />
Abschrift.
46 Herzog Ernst Bogisluv von Croy. <strong>der</strong> letzte Bischof von Cammin,<br />
würde, Verzicht zu leisten. Somit sollten samtliche pertmsntia nach<br />
seinem Tode unentgeltlich an die pommerschc Kammer zurückfallen, ohne<br />
daß die herzoglichen Erben das geringste zu „pi^dencliren" hätten. ^")<br />
Der Kurfürst von Brandenburg, <strong>der</strong> diesen Vergleich im Interesse<br />
<strong>der</strong> hinterpommerschen Lande begrüßte, konnte <strong>der</strong> dortigen Regierung<br />
sowie den landstanden dieses Anerbieten nicht dringend genug empfehlen.<br />
Schon in <strong>der</strong> Vergleichsurtunde verpflichtet er sich, eine dahingehende<br />
Verfügung an die ^tandstände zu erlassen:<br />
„Dahingegen wollen Seine Churfürstliche Durchlaucht bey Dero<br />
Hintcr-Pomrischen Landstenden die Verfügung thun, daß, weil durch<br />
diesten abstand und i-snullciatlou nicht allein das Land von einer<br />
Aeschwehrlichen pr^wn^ml befreyet wird, son<strong>der</strong>n auch demselben<br />
sonsten dadurch allerhandt lÜoinlnuäiwden vnd Vortheil zuwachsen.<br />
Sie, die Vandstende, Ihrer Fürstlichen Gnaden Zur ergetzlichteit<br />
eiue Summe von funfzigtaußend Thalern Pommerischer Wehrung<br />
einwilligen und solche innerhalb Vier Jahren bezahlen mögen". ^)<br />
Als nun <strong>der</strong> Kurfürst im folgenden Jahre zum 1. März einen<br />
allgemeinen Landtag nach Stargard ausschrieb, benutzte <strong>der</strong> Herzog<br />
von Croy sofort diese Gelegenheit, uu: eiue Entscheidung <strong>der</strong> Landstände<br />
bezüglich des obigen Vergleichs herbeizuführen. Im Februar wandte er<br />
sich an den Kurfürsten mit dem Ersuchen, <strong>der</strong> hinterpommerschen Re-<br />
gierung gnädigst anzubefehlen, diese Sache dem Landtage vorzutragen<br />
und vor allem „daß Werck dahin nachdrücklich Zu Vermitteln, Damit<br />
nicht alleine Seiner Churfürstlichen Durchlaucht gnädigster Wille undt<br />
Zusage wegen abtragunge dieser 50000 Taler in den gedachten 4 i^rmiucQ<br />
feste gesetzet, son<strong>der</strong>n auch nun Vor <strong>der</strong> Handt mit bezahlunge des ersten<br />
tsrmin8 in diesem Jahre <strong>der</strong> anfangt (8ic!) unaußpleiblich gemachet<br />
werde". ^<br />
Der Kurfürst kam dem Wunsche des Herzogs alsbald nach. In<br />
dem Schreiben vom 6. März u;?!"') legte er <strong>der</strong> hinterpommerschen<br />
Negierung die Gründe dar, die ihn zu dieser Vereinbarung veranlaßt<br />
hätten, und wies hiu auf die vielen „omm0ckda6t6n, Nutzungen und<br />
'") Nsp. 92, Nr. 140, toi. 57. Der Kurfürst an die Hinterpommersche<br />
Regierung, l^opiu.<br />
w.^ Extrakt auß dem Vergleich Zwischen hochgedachter Seiner Churfürstlichen<br />
Durchlaucht und Seinen Fürstlichen Gnaden. 29. März 1670. (^opio. ttsp. 95<br />
Nr. 140, toi. 16 Abschrist<br />
'. 92, Nr. 140, fol. 57. Oopio. Der Kurfürst an die hinterpommersche<br />
Regierung. Potsdam, 6. März »671.
im Streite Schwedens und Brandenburgs um den Besitz des Bistums. 47<br />
Vortheil", die ihr <strong>der</strong> Vergleich brächte. Mit Rücksicht auf das Wohl<br />
des Landes gab er daher <strong>der</strong> Regierung deu Befehl, diese Sache auf<br />
dem Landtage nach bestem Könneu zu vertreten:<br />
„Als befehlen Wir euch hiermit in Gnaden, diese Sache unsern<br />
Ständen aufs beste Zu rii-oponiron und dieselbe vermittelst fürstellung<br />
allerhand Bewegen<strong>der</strong> und dienlicher motivsn dahin Zu äispomr«?,!,<br />
damit Sie die Abtragung und Zahlung dieser 5MM! Taler willlg über<br />
sich nehmen, und dieses Jahr mit erlegung des ersten termil»3 a
4tt Herzog Ernst BoMav von Croy, <strong>der</strong> letzte Bischof von Cammin.<br />
Entschlüsse, bis zum März des nächsten Jahres dem Herzog 6000 Taler<br />
und vom April an dann den Nest von 44000 Talern in jährlichen<br />
Zahlungen von je N000 Talern zu leisten, sodaß die ganze Schuldsumme<br />
in 5^/, Jahren zu tilgen war.<br />
Das Landtagsprotokoll vom 33. März 1671 besagt darüber:<br />
„Nach nochmahliger geflogener cisli<strong>der</strong>atiori haben anwesende Stände<br />
endtlich dahin r^olvirst, dan . . . von dem Monaht Oktober an<br />
monahtlich 1000 Thaler undt also in denen folgenden Monahten<br />
6000 Thaler auff abschlug <strong>der</strong> 50000 Thaler außgeschlagen und darnach<br />
das rsoreältiv eingerichtet werden solle"."N)<br />
Als Ergänzung dazu lautet <strong>der</strong> Nachmittagsbeschluß desselben Tages:<br />
„Wegen <strong>der</strong> übriegen 44000 Thaler erbieten sich Stände alle<br />
Jahr undt Zwar Von dem Monaht April 1672 an «000 Taler<br />
undt alw in f)l/, Jahren solche 44000 Thaler abzutragen".^")<br />
Noch au demselben Tage benachrichtigte <strong>der</strong> Vandtag den Herzog<br />
von diesem Beschlusse, "^) womit einerseits die Landstände in ein Schuldvcrhältuis<br />
zum Herzog von Croy traten, an<strong>der</strong>erseits dessen Ansprüche<br />
auf das Äistum Cammin für immer erledigt waren.<br />
Schluß.<br />
Dem Herzog von Croy war es trotz <strong>der</strong> eifrigen Vermittelungen<br />
seiner nächsten Anverwandten und <strong>der</strong> Empfehlungen „hoher Potentaten"<br />
nicht beschieden, in vollen Besitz <strong>der</strong> ihm zugestandenen Rechte am Vistum<br />
Cammin zu gelangen. Wie die Abhandlung zeigt, waren es zwei Momente,<br />
die dem Herzog die Erreichung seines ersehnten Zieles unmöglich machten.<br />
Einerseits wußteu die Schweden zur Zeit des dreißigjährigen Krieges<br />
Brandenburg, das damals ohne Frage die Genehmigung zur Introduktion<br />
des Herzogs von Croy in sein bischöfliches Amt gegeben hätte, mit<br />
Erfolg daran zu verhiu<strong>der</strong>n, sodaß sich <strong>der</strong> Herzog auf „bequemere"<br />
"2) kep. 92, Nr. 140, kol. l10. Nitraet kandtaasprotoeoM Vom<br />
23. März 1671, maus.<br />
'") kep. 92. Nr. 140, sol. 110. Lxtract Landtanspi-nwooüi Vom<br />
23. März 1671 ä. morivo.<br />
l'b) ttttii 92, Nr. 140, ko!. 106 Die hinterpommerscken Landstände an den<br />
Herzog von Croy, Stargard, den 23. März 1671. Abschrift.
im Streite Schwedens und Brandenburgs um den Nesik dee; Bistums. 49<br />
Zeiten vertrösten mußte."") An<strong>der</strong>erseits sah sich <strong>der</strong> Kurfürst nach<br />
dem erfolgten westfälischen Friedensschlüsse, in dem er statt des ganzen<br />
Pommernlandes nur Hinterpommern mit dem Bistum Cammin erhalten<br />
hatte, zu einer an<strong>der</strong>n Lösung <strong>der</strong> Croyschen Frage veranlaßt. Da ihm<br />
in dem erworbenen ^ande ein souveränes Bistum unbequem war, suchte<br />
er den Herzog auf an<strong>der</strong>e Weije für seine Ansprüche zu entschädigen.<br />
So kam <strong>der</strong> Vergleich vom 26./16. November 1650 zustande..^")<br />
Herzog Ernst Vogislav von Croy blieb mithin sein ^eben lang nur<br />
Titularbischof von Cammin. Denn dem obigen Vertrage gemäß wurde<br />
<strong>der</strong> Kurfürst <strong>der</strong> rechtmäßige Nachfolger des Camminer Bischofs. Auf<br />
Grund <strong>der</strong> Vereinbarungen zwischen Schweden und Brandenburg wurde<br />
das Stift bei dem alten Zustande gelassen, nur teilten sich beide Mächte zur<br />
Hälfte in die Besetzung <strong>der</strong> Prälaturen. Mit dem Tode des Herzogs<br />
Ernst Bogislav von Croy 1684 hörte Cammin auf, ein Bistum zu sein.<br />
Die höchste Amtswürde und leitende Stellung hatte von nun an <strong>der</strong><br />
Dompropst, ^ln.os)08iw8, inne. lVgl. das Verzeichnis <strong>der</strong> Bischöfe bei<br />
Spuhrmann, a. a. O., S. W f.) Das Domkapitel geriet in <strong>der</strong> Folgezeit<br />
allmählich in Verfall. Die Prälaturen blieben läugere Zeit vakant<br />
und die Domherren wohnten zum Teil außerhalb, auch wurden die Kurien<br />
vielfach vermietet. Schließlich erfolgte durch das Edikt vom<br />
10. Oktober Ittl i die Aufhebung des Cammiuer Domstlfts von feiten des<br />
Königs von Preußen. (Vgl. Epuhrmann, a. a. Q., S. 74 ff.)<br />
Ernst Bogislav blieb bis zu seinem Tode ein eifriger Gönner des<br />
Stifts, dessen Propstei er seit dem Jahre 16tN verwaltete. "^) So ließ er<br />
in den Jahren 16l>9—71 in dem Dome eine kostbare Orgel erbauen, damals<br />
die vollständigste in Pommern."") Unter ihr befindet sich ein Bildnis<br />
des Herzogs aus seinen mittleren Jahren mit einer Aufschrift des Inhalts,<br />
daß er durch die Erbauung <strong>der</strong> Orgel ein Gelübde gelöst habe."")<br />
Beson<strong>der</strong>s finden wir in seinem Testament den Camminer Dom berücksichtigt,<br />
dem er zu seinem Andenken folgende Schenkungen vermachte:"")<br />
1. ein Kapital von 1000 Talern, dessen jährliche Zinsen zum Unterhalt<br />
<strong>der</strong> Orgel angewandt werden sollten;<br />
2. zur Zierung des Altars eine „Casel o<strong>der</strong> Planete Von güldnem<br />
Tuch mit einem Kreutz auch Von <strong>der</strong>gleichen 2tl"fe, nebst dem<br />
'«) Vgl. oben Abschnitt Ili.<br />
l") Vgl oben S. 39 ff-<br />
"') Vgl. oben S 42.<br />
"') Kücken, Ludwig, a. a. O., S. 114.<br />
"") litip 7, Nr. 16 » 2. 1'eliwmVllt des Horxoßg k>unt Vojislav von<br />
sol. 65, 66, 67. Abgedruckt in den Pommerjchen Jahrbüchern, Bd XI, 19l0,<br />
S. 197 ff.<br />
Valtlsche Etudlen N. F. XvN 4
50 Herzog Ernst Bosslslao von Croy, <strong>der</strong> letzte Bischof von Cammin,<br />
darzu gehörigen Altar-Tuch o<strong>der</strong> Umbhange, So ich beydes Von<br />
Meiner Hochschligsten fraw Mutter Vraut-Nock machen laßen";<br />
3. „einen silbernen Vergüldeten Kelch mit <strong>der</strong> Patene, so ich bey<br />
meiner Oominunion gebrauchen pflegen, nebst einer silbernen Vergüldeten<br />
6o«6 o<strong>der</strong> Schachtel Zu den oblaten";<br />
4. „eine silberne Vergüldete Kanne, darauf auf dem Deckel das<br />
Pommeriiche Wapen und in <strong>der</strong>. mitten deßelben das Cammsche<br />
Kreuh, alles jchwartz, gesetzet";<br />
5. „ein Paar silberne Altar-Feuchter";<br />
6. „endlich ein Silbern Pergüldetes Bildnüs Odrigti an einem OuciNx<br />
Von Ebcnholtz, so jetzo in Dantzig bey dem Kunstreichen Meister<br />
Mauker gemachet wird (dan das silberne und Vergüldete oorpus<br />
darzu schon längst fertig gewesen)".<br />
Im Jahre Nltt4, am 7. Februar, verschied <strong>der</strong> Herzog in<br />
Königsberg eines plötzlichen Todes und wurde neben seiner fürstlichen<br />
Mutter in <strong>der</strong> Schloßkirche zu Stolp zur ewigen Ruhe gebettet. In ihm<br />
verlor nicht nur das Stift Cammin, son<strong>der</strong>n auch das ganze Pommernlaud,<br />
insbeson<strong>der</strong>e auch die Universität <strong>Greifswald</strong>, einen väterlichen Wohltäter,<br />
dessen Andeuten bis auf deu heutigen Tag erhalten worden ist und noch<br />
lange Zeiten leben wird.
im Streite Schwedens und Brandenburgs um den Besitz des Vistums. 51<br />
Die beiden S. 44 angeführten Reden, die Herzog Ernst Vogislav von<br />
Croy vor den versammelten Kapitularen in lateinischer Sprache hielt, sind<br />
im Jahre 1707 vom Geschichtsprofcssor Joh. Phil. Palthenius herausgegeben<br />
worden und uns nur noch in dem Sammelwerke,,Vitnn I^<br />
Vnl. 119 auf <strong>der</strong> Universitätsbibliothek zn <strong>Greifswald</strong>, erhalten.<br />
Sie tragen den Titel:<br />
^6<br />
Optimi H (ie<br />
i» Danieli»<br />
Orationum<br />
e Kl8. 8. sciita,<br />
Oratio I.<br />
^i) Duei8 s^ro^i kadita l^. 5. ^sui. ^.o. I^ttl aä<br />
Deeanum atc^ue (Üapitulum ^ecle8ias (laminin^ii8i8, eum amz)1i88Mlnm<br />
in ya kra6p^)8iti 6i^nitat6m pukiica, quam vocaut,<br />
ia> Vii^ute H c^uoä tlìc merito Zpeetanäum, or6iny
52 Herzog (5rnst Vossislav von (^roy, <strong>der</strong> letzte Vilchof von Cammin,<br />
Illu8tre3, ?raece11ellte8 H ^dmodum Keverend, Domini,<br />
n Viri!<br />
Nx con8cientia Ioeuturu3 (o^uod oo locum uuno at^ue coetum<br />
venerandum maxime collvenit) nece386 lladeo conditori, maxima aninn<br />
perturljation6m 8ucoe38i0N!8 uc^nl()tu8, H) iuwl'<br />
fui. ^Ü6c6ru.t N0C<br />
Ducum<br />
simu!<br />
3tlMl0 MINU8, si!lt.6tll0<br />
eiu5<br />
M6 il»<br />
in ll»c<br />
vivo<br />
Xon<br />
«ui<br />
non minu8 vota, ne^otium<br />
rmem. s>o3tsjuam m<br />
intererat,<br />
ut<br />
ni coelum morte reoepw, eieetioni legitime<br />
(szuam voeantj iini8 im^oneretur,<br />
initium. Xec sier me 8t.etit, o,uin<br />
aetate<br />
au8s)ieia eiu3 rite ea^erem, 5partam^,ie, sjuam Divina<br />
naotu3 eram, r>ro modulo talenti 6ivinitu8 cone688Ì<br />
exornarem, o^uo nuno^uain ma^i>; aÜ^md ii» volili erat, nee nro<br />
vocatioile Divina 6836 deneoat.<br />
I^ec pra^sleee^orum v^trorum Virorum ae^uo illustrium vota<br />
alio s^uam a
im Streite Schwedens und Brandenburgs um den Besitz des Bistums. 53<br />
principe loco aä privatem 8ortem snuiu8 equiclem intmtu) me<br />
, n. dl^eulo, kk l^ni8eoMli inquam<br />
ml me solum e«l^miti^8 pertineliat. 3eä<br />
ju«-l 8plenäor in me ultimo eiu3, qu!6i's>r6 sorte im^3em iinmm-tini^. ex<br />
relatn vel n.^>3en8 tantum concedi ^nlnrem, ut nee ipu^ iuerit. ^ Imperii
f>4 Herzog Ernst Vossiilav von Croy. <strong>der</strong> letzte Bischof von Cammin,<br />
meam, non 8perata e^uitem äeditaque pompa, alia tarnen,<br />
nee il!«. contemnenäa, 8icque alio quiliem, 86(i nee ilio parum<br />
ae
im Streite Schwedens und Brandenburgs um den Besitz des Bistums. 55<br />
plene doc ne^otium äiem nuno mini äixeritl6) c^uo iam<br />
lntroäuctioQy locum miln inter von H votum in Illustri<br />
noe Oon3e38u oonceäere cli^nemini, onnixe p03tulo. (^uicc^nici
56 Herzog Ernst BoMav von ssron, <strong>der</strong> letzte Bischof von Cammm,<br />
ck incomprenen8i'ni'!em ita. nn^ik; in^Inuat, ut omne malum<br />
illuä, Huoä peccatum clieitur. non saciat lzuislem, 8eä permittat,<br />
eo^ue aä konum ali^uem iinem, provislentia 8ua praeco^nitum, utatur.<br />
Uic primam ,llam protoplaztorum no3trorum 9. I^e^e 8ua äeioctionem,<br />
l^ incle in no? pro^natum peccati malum, eum tantllm in iinem<br />
, ut ilielsakilkm 5.U8.M Ì i<br />
fìlli «Ul M3nis^8t<br />
ceci^erat, mirrili ori<br />
zimili», peccare etiam non p086et, cuna olim Lumma 6iu8<br />
ftt, uti ex mal«, nao Delic^u6 iuvigg.<br />
oriuntur, 8lc unn. cum ilig., non ^ui6ein pr^eter, 8e^ extln,<br />
voluntatem eiu3 acciäunt; nee. i^linm ^uo^ue nÌ3i i)onum in iìnem<br />
r, ut vel perditorum mniitia, a6 tempu8 occultò m^nilegtg.<br />
priora eorum H aliorum peccuta, per 8ub8e^uentig, punì an tur,<br />
vel donorum auclkma.
im Streite Schwedens und Brandenburgs um den Besitz des Bistums. 57<br />
ri H s>en.ti, Divina ^ratia<br />
)?.U8, Ut<br />
illo ts>t ^ro!<br />
illvolvereUlr,<br />
Orciinum<br />
« innnllito<br />
t^ntnm,<br />
9.<br />
tinem<br />
illusi sl^rnnl<br />
»nte !)iennium (^ linnsl exs'in'rld, n.<br />
8it<br />
tinem l'<br />
totiu3 <<br />
minori8<br />
, vit.im clevere felicem<br />
vetn«;t^te vener:»l»il,>, c<br />
non<br />
in<br />
cl^menti^
5H Herzog Ernst Vojislav von Croy, <strong>der</strong> letzte Bischof von Cammin ?c.<br />
no^trorum ineossnitae 8unt e^re^iae tuae animi H cornori8 dote«,<br />
e l'ietatÌ3 H «lu^titiae amor, reli^ioni8 natriae eultu3 kin»<br />
in Miriam clmrit^. in nessoti,'8 sserendÌ3 äexterita^, ^<br />
3eeulo no8tro ner^u.^m rarum, candor H lloni puliiici studium,<br />
privati, ^emo rerum ?atriae aäeo issnaru3 68t, quem<br />
pro utilitn.t6 t'iu8 3U3coni5ti,<br />
ä aulli.8 m^ximorum in<br />
N03tri N0niin6 obliati.<br />
68t. 0mni^u8, c^ui6<br />
col68Ì9.s H Oamtulo lie tam ^mz>Il35imo Decano,<br />
omuidu8 6e t^nto OoUe^a ex animo ^ratu!ante8, re3t.at nunc, ut<br />
8oliti iuramenti nr^e3tation6 ratam facias, iig verbiß ^uidu8 ex<br />
8tatutorum 8^n6icu8 (^amtuli nraeim't. ()uo<br />
ior, locuiu tim', b^v6 ut<br />
t, voto^ue in l^amtul) ^iNlslel)i8,<br />
ruin nl)8ttolunl öocunslun, (^«mtllll 8tatuta ^ere3, riteczue in'tium<br />
tuae c.anie8.<br />
?^ixit s)eux. 0MNI8 noni auctor H<br />
i i , a^ nomini 8ui ßloriam,<br />
ole^iae, ac Oollessii no8tri<br />
einoluinentum. ck aci tuam in<br />
utra^ue vita 8alut6m.
Mat und öle Matslmie<br />
von Mettin.<br />
Von<br />
Vrof. Dr. O. Vliimcke<br />
Stettin.
ie Mehrzahl <strong>der</strong> pommerschen Städte, insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> kleineren<br />
Landstädte, dankt ihre Entstehung im 13. Jahrhun<strong>der</strong>t nicht sowohl<br />
einer gewissen inneren Notwendigkeit als dem Gründungseifer nnd dem<br />
fiskalischen Interesse des Landesfürsten o<strong>der</strong> einzelner adliger Geschlechter.<br />
Der Hergang war dabei überall im wesentlichen <strong>der</strong> gleiche. Ein o<strong>der</strong><br />
mehrere Unternehmer (ptt^kZsoi') erhielten den Anftrag, ein Dorf o<strong>der</strong> eine<br />
dorfartige Ansiedelung als deutsche Stadt einzurichten; <strong>der</strong> Grundherr<br />
überwies hierfür eine Anzahl von Hufen Landes zur Anstellung an die herbeizurufenden<br />
deutschen Ansiedler, außerdem eine ungeteilte Mark als Weidennd<br />
Waldland; er verlieh <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>lassung Lübiiches, Magdebnrgisches,<br />
vereinzelt auch das diesem nahe verwandte Brandenburgische odor das<br />
Schweriner Necht, und behielt sich einen Grundzins (o6N8U3 ai-t^üs) vor.<br />
Dem Unternehmer, <strong>der</strong> außerdem die neue Stadt zu ummauern hatte,<br />
wurde das Amt des Erbrichters zu Lehen gegeben.<br />
Diesen zum Teil über das Bedürfnis hinaus geschaffenen Städten<br />
stehen an<strong>der</strong>e, größere gegenüber, die an günstiger Stelle, an einem<br />
schiffbaren Fluß, am Meer, oft in Anlehnung an einen wendischen Burgflecken,<br />
aus sich selber infolge des Zuströmens <strong>der</strong> deutschen Kolonisten<br />
emporwnchsen und dann erst zu passen<strong>der</strong> Zeit Stadtrecht empfingen.<br />
Jede von ihnen hat dabei, <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>en örtlichen Lage, den beson<strong>der</strong>en<br />
Erwerbsverhältnissen entsprechend, ihren eigenen Entwicklungsgang gehabt.<br />
Auch Stettin zählt zu diesen Städten. Nicht <strong>der</strong> Wille des Herzogs<br />
hat das deutsche Stettin gegründet, etwa wie man ein Edelreis auf einen<br />
wilden Stamm pfropft, son<strong>der</strong>n die Äewidmung mit Magdeburgischem<br />
Recht 1243 war nur <strong>der</strong> Schlußstein, den Barnim I. in einen Bau<br />
einzufügen hatte, welcher langsam und aus eigener Kraft im Lanfe eines<br />
Jahrhun<strong>der</strong>ts emporgewachsen war, seitdem sich Pommern christlichgermanischer<br />
Kultur erschlossen hatte. Die Biographen des Bischofs<br />
Otto von Bamberg, Ebbo, Herbord nnd <strong>der</strong> wg. Prieflinger Mönch,<br />
reden mit einer gewissen Überichwenglichtett von <strong>der</strong> Wendenstadt Stettin.<br />
Nach ihnen war sie zur Zeit <strong>der</strong> Missionsreisen des Bischofs I!24—^tt<br />
und später die älteste, ausgezeichnete, festeste, mächtigste Stadt, welche<br />
die Führnng <strong>der</strong> pommerschen Städte hatte, die Metropole des Landes,<br />
ausgezeichnet durch die Menge ihrer Einwohner; bei <strong>der</strong> ersten Ankunft
64 Der Nat und die Ratslinie von Stettin.<br />
des Bischofs sollen 9M Familienväter gezählt sein; nach dem Beispiele<br />
<strong>der</strong> Stettiner wollen sich die Vollmer in <strong>der</strong> Annahme des Christentums<br />
richten nsw.<br />
Im Vergleich zu den an<strong>der</strong>en pommerschen Orten, die Bischof Otto<br />
auf seinen Reisen berührte, mag das hier gezeichnete Bild zntreffen, nach<br />
deutschem Maße gemessen, war es ohne Zweifel stark übertrieben. Vor<br />
allem hatte sich die gepriesene Uneinnehmbarkeit <strong>der</strong> Stadt eben erst 1119<br />
dem Allsturm <strong>der</strong> Polen gegenüber als eine Täuschung erwiesen.<br />
Es war doch keineswegs so, das; die deutschen Ansiedler sich nur<br />
in die fertige Stadt zu seyen nnd die alten Bewohner zu verdrängeck<br />
brauchten, son<strong>der</strong>n die deutsche Stadt Stettin ist allein das Werk <strong>der</strong><br />
Deutschen.<br />
Man wird auch den Flächenramn, den die wendische Stadt einnahm,<br />
nicht als beson<strong>der</strong>s groß bezeichnen dürfen. Es war im wesentlichen <strong>der</strong><br />
noch während des ganzen Mittelalters Kcssin-Viertel benannte Stadtteil,<br />
also die Unterstadt zwischen dem Hügel, auf dem die fürstliche Burg<br />
stand, und <strong>der</strong> O<strong>der</strong>, im Süden von <strong>der</strong> Hagenstraße, im Norden von<br />
<strong>der</strong> Baumstraße begrenzt. Dieser Raum schloß etliche nicht allzustell zur<br />
O<strong>der</strong> abfallende Hügel und einen großen Marktplatz ein; <strong>der</strong> die Land-<br />
seite umfassende Wall begann nach Herings Untersuchung etwa hinter<br />
den nördlich gelegenen Häusern <strong>der</strong> Baumstraße, wand sich, die Petrikirche<br />
außen lassend, zur Burg empor nnd ging von dieser in <strong>der</strong> ^inie <strong>der</strong><br />
großen Domstraße, den Platz <strong>der</strong> später erbauten Iakobikirche ausschließend,<br />
über die Breitestrahe hinaus und wie<strong>der</strong> zur O<strong>der</strong> hinab.^)<br />
Wenn in <strong>der</strong> Tat dieser Wendenstadt eine die an<strong>der</strong>en pommerschen<br />
Städte überragende Bedeutung zukam, so wird sie uicht in ihrer Ein-<br />
wohnerzahl noch in <strong>der</strong> fürstlichen Burg o<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Möglichkeit des<br />
Laudcrwcrbs für deutsche Kolouisteu, sou<strong>der</strong>n in ihrer, dem Handel im<br />
deutschen Sinue güustigeu ^age erblickt werden dürfen. Diese allerdings<br />
hatte in Pommern schwerlich ihresgleichen. Hier allem bot die O<strong>der</strong><br />
mit ihren Verzweigungen, großer und kleiner Neglitz, Paruitz, Duuzig,<br />
schiffbare, breite Wasserwege, die gleich sehr geeignet waren für die Fahrt<br />
stromaufwärts mit Kühueu, Prämeu, Schalen in das ausgedehnte Hinter-<br />
land <strong>der</strong> Mark und Schlesiens wie stromabwärts mit Seeschiffen durch<br />
das Haff in die See. Hier allein an <strong>der</strong> unteren O<strong>der</strong> tritt die dm<br />
Strom zur Linken begleitende Hochfläche nahe genug heran und fällt<br />
doch am wenigsten steil znm Flußufer hiuab, ohne breites Wieseuvorland,<br />
um einer entstehenden Handelsstadt Naum zu bieten. Hierher führten<br />
') Herwss, Beiträge zur Topossravhie Stettins in älterer Zeit. Balt. Studien X,<br />
S 8 f. Lemcle, die älteren Steitiner Straßennamen, 1881, S 3. M. Wehrmann,<br />
Geschichte <strong>der</strong> Eladt Stettin, 1911, S. « s.
Der Rat und die Ratslinie von Stettin. 65<br />
aus den früher deutscher Kultur erschlossenen Slavenlün<strong>der</strong>n Brandenburg<br />
und Mecklenburg alte Pertehrsstraßen hinab, und auf dem rechten O<strong>der</strong>-<br />
ufer ließ sich durch das Niesen- und Bruchland ein Dammweg schütten<br />
und damit eine Handelsstraße nach Hintcrpommern, nach Danzig und<br />
Polen gewinnen; bis dahin konnte die Wasserverbindnng über den<br />
Dammschen See Ersatz dielen. Überreiche Waldungen in nächster<br />
Nachbarschaft lieferten vorzügliches Kiefern- und Eichenholz für den<br />
Brücken- und Schiffbau.<br />
Es gab an <strong>der</strong> ganzen unteren O<strong>der</strong> keine Stelle, welche auch nur<br />
aunähernd so zugleich die Vorteile eines Stapelplatzes für den Binnen-<br />
verkehr und <strong>der</strong> Verbindung mit <strong>der</strong> See hätte bieten können wie Stettin.<br />
Hier mußte sich bei stärkerer Bcsiedelnng des Landes ein größerer<br />
Handelsplatz, ein deutscher Markt entwickeln.<br />
Diese Entwickelung aber konnte erst erfolgen, nachdem das Land<br />
ringsum dem deutscheu Getreidebau erschlossen war, und sie konnte nicht<br />
durch die alteu wendischen Einwohner, son<strong>der</strong>n nur durch deutsche Kolonisten<br />
herbeigeführt werden.<br />
Nicht lange nach dem Siege des Christentums in Pommern hat<br />
die Einwan<strong>der</strong>ung deutscher Ansiedler begonnen. In Stettin boten ihnen<br />
die Kirchen von S. Adalbert und S. Peter, des weiteren das Bistum<br />
Wollin, 1170 nach Cammin verlegt, Gelegenheit und Schutz für den<br />
christlichen Kultus; die herzogliche Aurg gewahrte ihnen Sicherung des<br />
Erwerbs, insbeson<strong>der</strong>e seit Bogislaw I. sein ^and 1181 vom Kaiser<br />
Friedrich I. zu ^ehn genommen hatte. Damit waren für die deutschen<br />
Einwan<strong>der</strong>er die Grundbedingungen gegeben, unter denen sie in Stettin<br />
leben und vorwärts lommen tonnten. Es entstand in <strong>der</strong> zweiten Hälfte<br />
des 12. Jahrhun<strong>der</strong>ts allmählich außerhalb <strong>der</strong> umwallten Wendenstadt,<br />
im Süden und Westen <strong>der</strong>selben, eine größere Nie<strong>der</strong>lassung deutscher<br />
Einwan<strong>der</strong>er, die viel weniger die Aussicht auf Erlangung von Ackerland<br />
herbeizog, denn das war an<strong>der</strong>swo reichlicher zu haben, als <strong>der</strong> Gewinn<br />
aus Handel und Gewerbe. ^) Deshalb mußte für die räumliche Aus-<br />
gestaltung <strong>der</strong> Ansiedelung die Anpassung an das hügelige Ufergelünde<br />
und die Gewinnung tuulichst vieler Zugänge zum Fluß, dem Lebensnerv<br />
<strong>der</strong> werdenden Stadt, entscheidend sein. Hieraus erklärt sich die Richtung<br />
<strong>der</strong> Straßen sowie die rasche Verdrängung <strong>der</strong> Wenden aus dem Kessin<br />
in die Wieken. Der deutsche Handel verlangte Naum am Ufer zu seiner<br />
Entfaltung.<br />
Auf die nahe liegende, für die Entwickelung dieser deutschen An-<br />
siedelung nicht unwichtige Frage nach <strong>der</strong> Heimat <strong>der</strong> deutschen Kolonisten<br />
2) Etwas an<strong>der</strong>s faßt M. Wehrmann, a. a O., S 24 f. die Entstehung <strong>der</strong><br />
deutschen Stadt auf.<br />
»attische Gtudirn N. F. XVII. h
66 Der Rat und die Ratslinie von Stettin<br />
läßt sich aus den wenigen erhaltenen Familiennamen des 13. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />
keine sichere Antwort gewinnen. Namen wie Magdeburg, Gottinge,<br />
Wismar, Gubyn, Werzlavia, Bombz, Tremolila, Dusborgh, Colonia,<br />
Osterrode, Angermunde, Saltwedel, Struzenberch u. a. beweisen noch<br />
nicht ohne weiteres, daß ihre Träger unmittelbar aus <strong>der</strong> namengebendeu<br />
Stadt ohne Zwischenstationen nach Stettin übergesiedelt sind, da sich<br />
dieselben Namen vielfach in an<strong>der</strong>en Städten z. B. Lübeck, Rostock,<br />
Stralsund, <strong>Greifswald</strong>, Kolberg auch finden. Die vielen Namen aber,<br />
die dem ältesten Stadtbuche von 13l)5—1352 zu entnehmen sind/) sind<br />
vollends nur in den wenigen Fällen beweiskräftig, wo die unmittelbare<br />
Herkunft aus <strong>der</strong> Heimatsstadt angegeben wird. Zu 1307 verläßt<br />
Petrus de Tanna dem Michael mstitor einen jährlichen Zins von<br />
1 Mark 8up6l- 8U9. kona., qu6 kabst in 8annÄ;^) zu 13^4 wird erwähnt<br />
; zu 1345: Iil)tk6t-il8 äs I'ilia<br />
abuit in ^68tv3.llÄ in<br />
06t.; zu 1346: ^olwru8 kao tikus wolten l)3.c in l)U8cl)<br />
zu 1351: p^ivug Otw 6e vr2.n!ccnv0r66; zu 1353: t^iclei-ioiiZ mo-<br />
Daneben finden wir Namen wie Her<strong>der</strong>wik,«) Albea, Affen, Aken,<br />
Vetteren, Äralel, Vrunswik, Vuren, Coborg, Cusfelde sKoesfeld), Du<strong>der</strong>stadt,<br />
Endete, Erforde, Essene, Edemissen, Goslere, Hagen, Hamme,<br />
Herford, Hildensem (Hildesheim), Horn, Lemgowe, Vippia, Lyngen,<br />
Nörten, Osenbrugghe (Osnabrück), Monstere, Oldeudorp, Osterwik,<br />
Peyne, Steinvord, Springhe, Santen, Unna, Warendorp, Wittenbergh,<br />
Werben, Wesera; o<strong>der</strong> Vrcmen, Hamborg, Stade, ^ubik, ^uneborg,<br />
Rostock, Wismer, Lundis (Stralsund), Gripeswold, Tanglim (Anklam);<br />
o<strong>der</strong> Malchin, Kropelin, Orevesmolen, Gustrow, Stovenhagcn, Woldegk.<br />
Es bedarf kaum beson<strong>der</strong>er Hervorhebung, daß auch fast sämtliche Städte<br />
<strong>der</strong> Mart und Pommerns durch Familien ihres Namens vertreten sind.<br />
Vielleicht darf daher die Vermutung ausgesprochen werden, daß <strong>der</strong><br />
Hauptstrom <strong>der</strong> Einwan<strong>der</strong>er aus dem nie<strong>der</strong>deutschen Sprachgebiet links<br />
<strong>der</strong> Elbe, aus Ostfalen, <strong>der</strong> Altmart, verstärkt durch Zuzugler aus<br />
Westfalen und dem Nheingebiet, über die Mark nach Stettin gewan<strong>der</strong>t<br />
ist und mit ihm sich ein zweiter schwächerer längs <strong>der</strong> Oftseeküste und durch<br />
Mecklenburg kommen<strong>der</strong> verschmolzen hat. Die überwiegende Zahl <strong>der</strong><br />
Einwan<strong>der</strong>er stammte sicher aus dem ausgedehnten Geltungsgebiet des<br />
Magdeburgischen Rechtes.<br />
2) Slettin, Stadtarch. Tit. Xll. 8oel. 2, Nr. 1°, dep. im König! Staatsarch.<br />
*) Sänne, Kr. Osterburg; die Familie Sänne kommt seit 12tt5 m Stettin vor.<br />
') Hertogendosch, Vrabant.<br />
2) Her<strong>der</strong>wijt, Gel<strong>der</strong>land.
Der Rat und die Natslinie von Stettin. 6?<br />
Die Deutschen brachten ihre Sprache, ihre Rechtsnormen, ihre<br />
Anschauungen von deutscher Gemeindeverfassung, ihr Kapital und, soweit<br />
sie aus den Seestädten herkamen, die Vertrautheit mit dem Schiffs- und<br />
Seeverkehr und wertvolle Familienbeziehungen in die neue Heimat mit.<br />
So gewiß diese neue Ansiedelung nur im Handel emporblühen tonnte<br />
und also die „Tegelatiou" ihre eigentliche Bestimmung war,?) so sicher<br />
konnte sie dieser nur in Verbindung mit den alteren Schwesterstädten,<br />
insbeson<strong>der</strong>e Lübeck, und durch die aus diesen stammenden Einwohner<br />
entgegen geführt werden. Schon 1234 gewann Lübeck für seinen Handel<br />
in Pommern Befreiung von Zoll und Ungeld, 1345 vom Strandrecht,<br />
1246 freies Geleit für alle seine das Land mit Kanfmannswaren<br />
besuchenden Bürger.<br />
Die deutschen Kolonisten stammten zum weitüberwiegenden Teil<br />
aus Städten, freien o<strong>der</strong> grundherrlichen, und haben sich bei dem<br />
wendischen Stettin als freie Ansiedler nie<strong>der</strong>gelassen. In welcher Form<br />
sie den Grund und Boden erwarben, ist aus den wenigen Urkunden nicht<br />
mit Sicherheit zu entnehmen. Es scheint, daß Vogislaw I. dem edlen<br />
Beringer von Bamberg die Güter Cleczow und (Vribin und beson<strong>der</strong>s<br />
den Acker in <strong>der</strong> Stettiner Feldmark, womit dieser die Iakobitirche<br />
dotierte, geschenkt hatte. Dieser Acker lag im Gemenge mit an<strong>der</strong>em,<br />
<strong>der</strong> dem Herzog noch eignete o<strong>der</strong> Deutschen zu Erbleihe gegeben war.<br />
Durch Urkunde von 1243 schenkte Barnim I <strong>der</strong> Ialobiklrche 6 Freihufen<br />
und den jährlichen Zins von 21 Hufen in <strong>der</strong> Stettiuer Feldmark<br />
(in campo 8t6till6Näi), den die Besitzer Henrich 6«<br />
an lhn zu entrichten hatten; sterben diese unbeerbt, so sollen die 21 Hufen<br />
an die Kirche fallend)<br />
Auch aus dem Stadtbuche von 1305—1353 läßt sich solcher<br />
Streubesih <strong>der</strong> begüterten Familien in <strong>der</strong> Feldmark noch vielfach erkennen,<br />
so z. B. zu 1325: arnoläus
68 Der Nat und die Natslinie von Stettin.<br />
sie waren Eigentümer <strong>der</strong> von ihnen errichteten Gebäude und hatten<br />
an <strong>der</strong> Baustelle (arsa) ein vererbliches und veräußerliches Recht; dem<br />
Grundherrn hatten sie einen Zins zu entrichten.«) Solchen Grundzins<br />
(06N5UIN Hrealeiu K6l6äitawin) schenkte z. N. <strong>der</strong> Landcsfürst 12(>1 und<br />
1334 dem Etettiner Frauentlofter.")<br />
Noch im Anfang des 14. Jahrhun<strong>der</strong>ts war <strong>der</strong> dorfartige Charakter<br />
<strong>der</strong> Ansiedelung keineswegs verschwunden. Die einzelnen Baustellen<br />
(area., Wurt) waren noch nicht mit dicht aneinan<strong>der</strong> gebauten Häusern<br />
besetzt, son<strong>der</strong>n bildeten durch Zäune sssiimla) vielfach von den Nachbargrnndftücken<br />
abgeschlossenen Höfe (cui-ia, curtig), ans denen außer den<br />
nur selten erst aus Stein aufgeführten Wohnhäusern auch die Wirtschaftsgebäude<br />
standen . In dem Stadtbuche 1305—52<br />
ist nur selten von einer liereditaH lapillea o<strong>der</strong> ) sagt von <strong>der</strong><br />
Zeit Nogislaws X. Ende des 15. Jahrhun<strong>der</strong>ts: „Und von <strong>der</strong> Zeit hat<br />
sich Stettin überaus sehr gebessert, als, da es zuuor, ausgenhomen die<br />
O<strong>der</strong>strasse, nur eitel lcmenen Katen gewesct, da ists ilzund durch und durch<br />
stemm". Dagegen war für die beson<strong>der</strong>en Zwecke des Handels durch die<br />
Anlegung <strong>der</strong> sogenannten Brücken, die in den Fluß hinausgebaute ^adestege<br />
waren, durch Sellhäuser, Krambilden u. a. besser gesorgt. Erst allmählich, als<br />
in <strong>der</strong> ummauerten Stadt infolge des raschen Anwachsens <strong>der</strong> Bevölkerung<br />
<strong>der</strong> verfügbare Raum knapp wurde, hat sich dies Bild <strong>der</strong> Stadt in sein<br />
Gegenteil verwandelt, indem je<strong>der</strong> noch freie Platz mit Häusern, Hiuterhäusern<br />
und Buden besetzt wurde. Dieser Nmwandlungsprozeß hatte im<br />
Anfang des 14. Jahrhun<strong>der</strong>ts kaum begonnen.<br />
Es war also hauptsächlich eine Handelsnie<strong>der</strong>lassung, die hier<br />
entstanden war, ein Markt, aber freilich znnäckft nur tatsächlich ein<br />
solcher, <strong>der</strong> noch <strong>der</strong> Marttprivilegien entbehrte. Seme deutschen Bewohner<br />
bildeten eine Markgenossenschaft unter dem Schuhe und <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung<br />
des Grundherrn.<br />
Sie erhielt 1187 mit <strong>der</strong> Erbauung <strong>der</strong> Iakobikirche durch Beringer<br />
ihren beson<strong>der</strong>en kirchlichen Mittelpunkt, wenn auch die räumliche Abgrenzung<br />
<strong>der</strong> Sprengel erst 1^37 erfolgte. Die Iakobikirche war von<br />
Anfang au, was sie auch sein sollte, die Kirche <strong>der</strong> Deutschen allein; sie<br />
stand inmitten <strong>der</strong> deutschen Ansiedelung.<br />
') Vergl. Philipp!. Weichbild. Hans. Geschichtsbl. 1895, S. 7. R. Schrö<strong>der</strong>,<br />
Weichbild. Hiitomche Aufsätze, dem Andenken an Georg Waih gewidmet S. 317 s.<br />
'") Pomn.. Urkunden!). II, Nr. 70 < ; Dläger, a^ä. liizil. t^mer. muuukel-. VIII,<br />
Nr. 1579
Der Rat und die RatSlmie von Stettin. 69<br />
Man wird nicht behaupten dürfen, daß diese kirchliche Organisation<br />
das fin die Entstehung <strong>der</strong> deutschen Stadtgemeine wichtigste und<br />
entscheidende Moment gewesen sei, denn die Markgenossenschaft, aus <strong>der</strong><br />
sie hervorging, war früher da, aber es wird keinem Zweifel unterliegen,<br />
daß sie sehr wesentlich zur Stärkung und festeren Zusammenfassung des<br />
deutschen Elements beigetragen hat. In <strong>der</strong> Iakobikirche haben später<br />
<strong>der</strong> Nat, die L. Nicolai-Gilde <strong>der</strong> Segeler, die Erasmus-Vru<strong>der</strong>schaft<br />
<strong>der</strong> Kramer, die meisten und angesehensten Handwertergilden ihre<br />
beson<strong>der</strong>en Altäre und Vikarien.<br />
In dem halben Jahrhun<strong>der</strong>t von 1187—1243 vollzog sich nun<br />
unanfhaltsam <strong>der</strong> Sieg <strong>der</strong> Deutschen. Je enger <strong>der</strong> verfügbare Naum<br />
wnrde, je mehr sie selbst sich <strong>der</strong> für ihre Nie<strong>der</strong>lassuug entscheidenden<br />
Bedeutung des Handels bewuüt wurden, desto mehr mußten sie trachten,<br />
den Strom in seiner ganzen ^änge, also die wendische Nuterstadt in<br />
ihren Besitz zu bringen. Es begann das Verdrängen <strong>der</strong> Wenden in<br />
die Wicken") (vicu« ^Invicalizz) ; ihr Besitz ging an die Dentschen über;")<br />
<strong>der</strong> alte wendiscke Burgwall, <strong>der</strong> den Kessin von <strong>der</strong> draußeu liegenden<br />
deutscheu Ausiedelung schied, wurde durchbrochen uud allmählich nie<strong>der</strong>-<br />
gelegt.^! Die Umgestaltung <strong>der</strong> Unterstadt, die Führung <strong>der</strong> Straßen,<br />
die Anlage <strong>der</strong> beiden Märkte wird damals schon so in Angriff genommen<br />
sein, wie sie zu Anfang des 14. Jahrhun<strong>der</strong>ts im wesentlichen abgeschlossen<br />
im Stadtbuche sich darstellt.")<br />
Herzog Barnim I. hat diese mit <strong>der</strong> Stärke und Selbstverständlichkeit<br />
eines Naturgeseyes sich vollziehende Entwickelung nickt nur geför<strong>der</strong>t,<br />
son<strong>der</strong>n ihr auch die rechtliche Grundlage verliehen, indem er 1237<br />
bestimmte, daß alle Dentschen fortan zur Iatobikirche, die Wenden aber<br />
zu <strong>der</strong> außerhalb des Walles stehenden Peterskirche gehören sollten.<br />
Zugleich aber übertrug er den Deutschen die Gerichtsbarkeit in seinem<br />
Stettin, die bis dahin die Wenden gehabt hatten (ut<br />
8t,6tm, cuius iuri^^icionem kn!)u?runt Zelavi, a<br />
'suwnicorum.") Die Urkunde ist von hoher Wichtigkeit<br />
für die Geschichte Stettins. Sie besagt nicht, daß bis 1337 in dem<br />
") Otto l. belehnt 1334 IV. feria auto VM st 5loäs8t! Peter und Johannes<br />
Wussow mit dem Erbsämlzenamt und <strong>der</strong> plare», qu»e 8ekull«u«tl-2t« äieitur iu<br />
vul^o, sitH iu vico,
70 Ter Rat und die Ratslinie von Stettin.<br />
ganzen Stettin, dem alten wendischen, vom Walle umschlossenen, hier als<br />
oppiäuili des Herzogs bezeichneten, und <strong>der</strong> neben diesem außerhalb des<br />
Walles entstandenen deutschen Nie<strong>der</strong>lassung slavisches Recht gegolten<br />
hätte und vom Kastellan geübt worden wäre, son<strong>der</strong>n das Recht <strong>der</strong><br />
Deutschen, das sie mitgebracht hatten und unter dem sie lebten, das<br />
sächsische Landrecht ihrer Markgenossenschaft, verdrängte nun in <strong>der</strong><br />
Wendenstadt, dem Kessin, das slavische Recht, und die dort hausenden<br />
Wenden traten unter das deutsche Recht und das deutsche Gericht.")<br />
Nichts kann deutlicher den mächtigen Aufschwung <strong>der</strong> deutschen<br />
Ansiedelung bezeichnen als dieser Sieg ihres angeborenen Rechts. Auch<br />
in den wenigen Urkunden tritt dies klar zu Tage. Für das wendische<br />
oppiäum Stettin finden sich als fürstliche Kastellane lioxwarug 1316—Ist,<br />
^V>gti8lg.u8 1229, ^riänoduruZ 1230—32, aber schon 1235 heißt dieser<br />
nur vir nodili'8 und eam6rariu8^ und 1243 erscheint in den die Stadt<br />
angehenden Urkunden ^V^rnei-u» pi-eiectus in 8tetin, eine Amtsbezeichnung,<br />
die sehr bald <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en des Schultheiß (8culww8) gewichen ist. Nicht<br />
<strong>der</strong> fürstliche Kastellan war aus <strong>der</strong> deutschen Nie<strong>der</strong>lassung gewichen,<br />
in <strong>der</strong> er nicht Richter gewesen war, son<strong>der</strong>n er hatte im wendischen<br />
«ppiäum 8wtm dem deutschen Gerichte den Platz geräumt.<br />
Die deutsche Gemeinde war schon, ehe sie zur Stadtgemeinde wurde,<br />
eine Markgenossenschaft, und <strong>der</strong> Besitz von Erb und Eigen war die<br />
Voraussetzung zur Mitgliedschaft;^) ihr Gericht, das Burding, wurzelte<br />
in <strong>der</strong> Autonomie <strong>der</strong> Gemeinde im Gegensatze zu dem Hofgericht des<br />
Grundherrn.^) Die Erstreckung des Gerichtes <strong>der</strong> Deutschen auf das<br />
bis dahin unter Hofrecht stehende wendische oppiclum, den Kessin,<br />
bedeutete demnach die Erweiterung <strong>der</strong> Markgenossenschaft durch die<br />
Einbeziehung <strong>der</strong> von den Deutschen schon zum Teil desetzten Wendenstadt.<br />
Wie dieses Gericht <strong>der</strong> Deutschen geübt wurde, ob die Gesamtheit<br />
<strong>der</strong> Markgenossen unter dem durme8wr zusammen trat, was für die<br />
älteste Zeit anzunehmen ist, und das Urteil fand, ob späterhin ein<br />
Ausschuß <strong>der</strong> Gemeinde das Gericht bildete, darüber ergeben unsere<br />
Urkunden nichts. Es scheint, daß schon vor 1243, vielleicht seit 1237<br />
nicht mehr die Gesamtheit, die univ6i-8ita8 dui-^n3ium, entschied, son<strong>der</strong>n<br />
ein Gemeindekollegium bestaub, das, seitdem 1243 die Umwandlung in<br />
eine deutsche Stadt erfolgt war, die Tätigkeit eines solchen und die eines<br />
Schöffenkollegs zugleich ausübte.<br />
") Vergl. o. Maurer, Geschichte <strong>der</strong> Stäoteverfassung in Deutschland. lV, 23 f<br />
") v. Velow, Die Entstehung <strong>der</strong> deutschen Stadlgemeine, S. 52 f. v. Maurer,<br />
a. a. O., S. 1^2.<br />
") Planck Das Deutsche Gerichtsverfahren im M. N, I, 21 f.
Der Rat und die Ratslinie von Stettin. 71<br />
Die Zuständigkeit dieses Gerichtes bestimmt <strong>der</strong> Sachsenspiegel") so:<br />
vernemhnt umn unßei-icnw, xiloli ^erionts äi^r u!)6r ßö. Den<br />
8kl.1 mkln nen^n. s^68ckicnt anyr in ä^m 6orkl6 6e8 tass68 ein<br />
, 6ik imnnsr 66n 6rÌ6r 60niI!iitßE ^ert Ì8t, äax inü.x 6^r bürineis^r<br />
i-icnten 6e38eid^en t^^k8 xu nüt un
72 5-er Nat und die Ratslinie von Stettin.<br />
Weideland längs <strong>der</strong> O<strong>der</strong> ober- und unterhalb <strong>der</strong> Stadt; freie Fischerei,<br />
ausgenommen mit Oarnen; freien Holzhieb in den fürstlichen Wäl<strong>der</strong>n;<br />
Wiesen und Graswälle auf eine Meile abwärts und jenseits <strong>der</strong> O<strong>der</strong>,<br />
soweit sie nicht für des Herzogs und seiner Pasallen Bedarf dienen;<br />
Freiheit von Zoll und Ungeld, ausgenommen in Kolberg und Dievenow,<br />
wo sie die Halste zu entrichten haben; <strong>der</strong> Wagenzoll des Herzogs wird<br />
bestimmt auf vier Denare für jedes Pferd, das Ungeld auf V2 Iierdung<br />
von <strong>der</strong> Last; überall wo in pommerschen Städten Magdeburgisches Recht<br />
gilt, sott <strong>der</strong> Rechtszug nach Stettin gehen.") Über die am Ende <strong>der</strong><br />
Urkunde stehenden Namen <strong>der</strong> Zeugen wird weiter unten noch zu<br />
handeln sein.<br />
Für Stettin war naturlich <strong>der</strong> Schöffenstuhl in Magdeburg <strong>der</strong><br />
Oberhof, von dem in zweifelhaften Fällen Rechtsentscheidung erholt<br />
wurde; aus dem 16. Jahrhun<strong>der</strong>t liegt eine Anzahl solcher in den Akten<br />
vor;") <strong>der</strong> Rat zu Stettin zahlte seit 1509 jährlich dafür eine vereinbarte<br />
feste Gebühr von 10 fl. rhein.<br />
Magdeburgischcs Recht erhielten in Pommern außerdem 1235»<br />
Prenzlau, (1247) Gartz a. Q., 1^53 Stargard, das es aber 1292 mit<br />
Kubischem vertauschte, 1254 Greifenhageu, 12M Politz, 12i)3 Pyritz,<br />
12litt Wollnow, (1249) Zlltdamm, das dafür 1293 kubisches, dann 1297<br />
wie<strong>der</strong> Magdeburgisches Recht erhielt, (12^4) Penkun, (1295) Neuwarp.")<br />
Es sind die Städte im Gebiet <strong>der</strong> unteren O<strong>der</strong>, die mit Magdeburgischcm<br />
Rechte bewidmet wurden, und man wird auch hieraus folgern dürfen,<br />
dan <strong>der</strong> überwiegende Teil ihrer ältesten Bewohner aus dem ausgedehnten<br />
Geltungsgebiet^) dieses Rechtes herstammte.<br />
Durch die Urkunde vom 3. April 1243 wurde die Gemeinde <strong>der</strong><br />
Deutschen in Stettin zur Stadtgcmeinde, Stettin zu einer Stadt im<br />
deutschen Rechtssiun, einer abhängigen wie alle Städte Pommerns. Sie<br />
erhielt eine verhältnismüßig bescheidene 2') Ausstattung mit slcker und<br />
Alllnende und, was wichtiger war, weitgehende Zollfrciheit und war mit<br />
ihrem Magdeburgischen Weichbildrecht ein beson<strong>der</strong>er Stadtgerichtsbezirk<br />
geworden. Ein Markt, wenn auch nicht im deutschen Sinne, war sie<br />
Daher heißt es in <strong>der</strong> Urkunde für Gollnow 1268: St i6em wg A<br />
« quHsx-eut et aürlc'lit iu ÜtoUu in ui-ticulia suis clubiis et<br />
Pomm. Urkundenb ll, Nr. 864.<br />
"l Vergl. auch Pomm. Urkundenb. V, Nr. 2944.<br />
") Vergl. Kratz-Klempin, Die Städte <strong>der</strong> Provinz Pommern, 1N65, Einl.<br />
S. XXXlX.<br />
") Vergl. R. Schrö<strong>der</strong>, Lehrbuch dcr deutschen Rechtsgeschichte, 1902. S. 6^9,<br />
Anm. 60, S. 679 f.<br />
") Gartz ; B. erhielt 135. Stargard 120, Greisenhagen 200, Gollnow 120<br />
Hufen.
Der Rat und die Ratslinie von Stettin 73<br />
seit langem gewesen; jetzt hatte die natürliche EntWickelung dazu geführt,<br />
daß sie aus den Bedürfnissen des Marlies und Marktoerkehrs heraus<br />
das deutsche Stadtreckt gemami.'") Die Ncwidmuug mit diesem bedeutete<br />
nicht nur die Freiheit, sich im Privatrecht nach dem <strong>der</strong> Mutterstadt<br />
richten, son<strong>der</strong>n auch <strong>der</strong>en Einrichtungen in <strong>der</strong> Verwaltung zum Muster<br />
nehmen zu dürfen.<br />
Das erhaltene Recht aber war vorwiegend ein solches <strong>der</strong> freien<br />
Kaufleute. Für diese hatte viel weniger die Einrichtung <strong>der</strong> freien<br />
Jahrmärkte zu Maria Krautweihe 15. August uud Katharina 25. No-<br />
vember Bedeutung als die Zollfreiheit und <strong>der</strong> ständige Marktverkehr<br />
am Bollwerk. Das Wahrzeichen des Marktfriedens, die rote Fahue,<br />
kannte man für diesen Marktverkehr noch zu Ansang des 17. Jahr-<br />
hun<strong>der</strong>ts.") Daß es die freien Kaufleute waren, welche dieses<br />
Magdeburgische Necht erlangten, zeigt folgende Erwägung. In <strong>der</strong><br />
Bewidmungsurkunde für Prenzlau von 1235, Barnims I. erster Stadt-<br />
gründung, wird Zollfreiheit gewährt für die Kaufleute (M6rcawre8, c^ni<br />
6« I>l6N2l9.iv Luilt). u") Im Jahre 1271 verlieh <strong>der</strong>selbe Barnim I.<br />
Greifenhagen das Innungsrecht (ingtiweionem m?rca.wl-um, inilinxne vul^riwr inmcnipktm-) ; sie sollen sie haben und<br />
beobachten, wie sie die Bürger (durssenäes) von Stettin beobachten.")<br />
Dieses Innungsreckt hatte Barnim 1245 Stcttm gegeben; auch Pyritz<br />
!2iN und GoUnow I2r>h erhielten es nach dem Vordüde Stettins. N)<br />
Die Bürger also, welche in Stettin die Zollfreiheit und das<br />
Innungsrecht besaßeu, waren dieselben wie die Prenzlaus, nämlich die<br />
Kaufleute; unter diesen msrcator^ aber sind die Bewohuer eiller Markt-<br />
ansiedelung, Kaufleute, Handwerker und sonst mit Gruud und Boden<br />
angesessene Bürger zu verstehen.<br />
Diese umfasseu<strong>der</strong>e Bedeutung des Wortes msrcnwros ist von<br />
G. v. Below u. a. klar erwiesen worden;^) man darf am wenigsten<br />
bei einer Kolonisteustadt auf wendischem Boden im ersten Anfang ihrer<br />
") Veral. Solim. Die Entstehung des deulschm Städtewesentz, 1890. S. 27 f.<br />
Schrö<strong>der</strong> a. a. O., S 623.<br />
") Z B. revid. ssischordnung von 1602, bei Loeper, Manuskr. 180. Dep.<br />
im König!. Staatsarchiv.<br />
") Pomm Urlmldenb. I, Nr 322.<br />
sl) Ebenda li, Nr. 944.<br />
") stdenda I, Nr. 435<br />
«) v. Nelow, Ursprung <strong>der</strong> deutschen Stadtverfassuna, 1892, S. 45, Grohbändler<br />
und Kleinhändler ini deutschen Mittelalter m Hildebrands Jahrbüchern f.<br />
Nationalökonomie und Statistik. Bd. 75. S. 1 f. Kauhcn, Ter Großhandel im<br />
Mittelalter. Hansische Geschichttzblätter, 1902, S. 70 s. W. Stein, Rezension über<br />
Nolle, <strong>der</strong> deutsche Kaufmann in <strong>der</strong> deutschen Sprache und Literatur. Hansische<br />
HeschichtHbllltter, 1910. S. 1l9 i.
74 Der Rat und die Ratslwie von Stettin.<br />
Entwickelung an einen Unterschied von Groß- und Kleinhandel, an einen<br />
beson<strong>der</strong>en Stand von Großkaufleuten im Gegensatz zu den Kleinhändlern,<br />
den späteren Krämern, denken. Für solche Bildungen waren die Dinge<br />
in Stettin noch nicht reif und gefestigt genug. Allein es ist auch<br />
zweifellos, daß die in diese neue Stadt eingewan<strong>der</strong>ten Ansiedler, insbeson<strong>der</strong>e<br />
die Kapitalkräftigen aus den viel weiter fortgeschrittenen Städten<br />
des Westens und den älteren Seestädten <strong>der</strong> Ostsee kamen, nicht um<br />
Ackerbau, son<strong>der</strong>n um Handel zn treiben, für den sie kaufmännische<br />
Erfahrung, wertvolle Verbindungen, Unternehmungsgeist und Kapital<br />
mitbrachten. In ihnen werden wir die treibenden und führenden<br />
Elemente <strong>der</strong> Bürgerschaft zu erblicken haben, welche die Stadt ihrem<br />
durch die Lage von selbst gegebenen Beruf entgegen geführt haben; denn<br />
<strong>der</strong> Handel ging dem Handwerk voraus, und dessen Emporkommen,<br />
Wollenweber, Schmiede, Böttcher, Seiler u. a., war bedingt durch das<br />
Gedeihen des Handels, für den diese einen nicht unerheblichen Teil <strong>der</strong><br />
ausgeführten Waren lieferten. Dazu kam als weiteres erziehliches<br />
Moment die überragende Stellung, welche im 13. Jahrhun<strong>der</strong>t Lübeck<br />
im Stettiner Handel einnahm. Man wird sagen dürfen, daß durch<br />
Lübeck zumeist Stettin in den Kreis <strong>der</strong> älteren deutschen Ostseestädte<br />
eingeführt und zu dem ihm gebührenden Anteil am Schonenhandel<br />
gelangt ist. Zu <strong>der</strong>selben Zeit 1283 gewann die Stadt das Nie<strong>der</strong>lageprivileg<br />
und damit die Bedeutung eines Stapelplatzes für die untere<br />
O<strong>der</strong> und erscheint zuerst im Bunde <strong>der</strong> Hansestädte.<br />
Beides, das Recht des Stapclzwanges in Stettin für alle die O<strong>der</strong><br />
hinab kommenden, seewärts bestimmten wie für die seewärts einkommenden<br />
Waren sowie die Beteiligung am Schonenfang und Schonenhandel<br />
mußte eine entschiedene Art des kaufmännischen Betriebes anbahnen.<br />
Sowie die Nie<strong>der</strong>lage größere Veranstaltungen zum Löschen und Lagern<br />
<strong>der</strong> Warenmengen bedingte, Ladebrücken, Speicher, Sellhäuser, so erfor<strong>der</strong>te<br />
auch <strong>der</strong> Schonenhandel den Besitz eigener Schuten, eigener Fel<strong>der</strong> und<br />
darauf gebauter Buden in Falsterbo und aus Dragör und aljo auch<br />
größeren Kapitalbesitz und Unternehmungsgeist; denn <strong>der</strong> reiche Gewinn<br />
dieses Handels bestand nicht blos in den heimgebrachten Mengen von<br />
Hering, son<strong>der</strong>n die Schonenfahrer führten auf die Märkte als Ladung<br />
neben dem Proviant und leeren Tonnen doch auch die Erzeugnisse heimischen<br />
Gewerbefleißes, Bier, Tuche, Eisen- und Holzwaren u. a. So mußte<br />
sich allmählich in wachsen<strong>der</strong> Zahl aus <strong>der</strong> Menge <strong>der</strong> Handeltreibenden<br />
eine Anzahl von Kaufleuten herausheben, die den Kleinbetrieb aufgaben<br />
und sich dem Großhandel, namentlich bei fortschreiten<strong>der</strong> Nesiedelung des<br />
flachen Landes und dadurch bewirkter ausgedehnter Erzeugung von Korn<br />
und Wolle dem Handel mit diesen Waren zuwandten. Damit war die
Der Rat und die Ratslinie von Stettin. 75<br />
Scheidung des Handelsbetriebes in den <strong>der</strong> eigentlichen Kaufleute, die<br />
nun meroklwr68 hießen, und den <strong>der</strong> Krämer, M5t.itor68, angebahnt,<br />
wenngleich <strong>der</strong> Unterschied damals und eigentlich stets kein schroffer war<br />
und Übergänge und Mittelstufen nicht selten vorkamen. Der Unterschied<br />
lag weniger auf kommerziellem als auf politischem Gebiet, in <strong>der</strong> sozialen<br />
und politischen Stellung, welche <strong>der</strong> Kaufmann in Stettin einnahm.<br />
Im Stadtbuche von 1305—52 tritt uns dieser Unterschied des<br />
laufmäunischen Betriebes bereits deutlich als eine feststehende Tatsache<br />
entgegen. Neben dem eigentlichen Kaufmann, <strong>der</strong> nur allein nwrcawr<br />
heißt und iu <strong>der</strong> lraterint.a8 weroatoi-um, <strong>der</strong> S. Nicolai-Gilde <strong>der</strong><br />
Segler (veüNoatoreZ) seine Organisation besaß, findet sich <strong>der</strong> Kleinhändler,<br />
<strong>der</strong> Kramer, instiwr.<br />
Wir finden da häufig Eintragungen über den Verkauf einer 6omr»8<br />
msreawria que äicitur «eNekuL, von Kornspeichern,
76 Der Rat und die Natslinie von Stettin.<br />
ergänzte, die den Rat in Stettin bildete, werden wir die Träger <strong>der</strong> kraftvoll<br />
und zielbewußt vordringenden städtischen Politik gegenüber dem Landessurften<br />
und den Nachbarstädteu zu erkennen haben, welche <strong>der</strong> Stadt die<br />
beherrschende, fast jeden nachbarlichen Mitbewerb im O<strong>der</strong>handel ausschließeude<br />
SteNung errang; nur sie auch konnte dies erreichen.<br />
Die Beseitigung <strong>der</strong> herzoglichen Burg und das Versprechen des<br />
Herzogs, keine nene zu bauen (l219), auch keine an<strong>der</strong>en Burgen an<br />
<strong>der</strong> O<strong>der</strong> auf- und abwärts, am Haff und an <strong>der</strong> Twine bis zur See<br />
zu dulden (1294); <strong>der</strong> Kauf <strong>der</strong> an das Sladtfeld grenzenden Dörfer<br />
Pommereusdorf(1253), Krekow und Wussow (1277), Nemitz, Schwarzow<br />
(1351), <strong>der</strong> beiden Wieken (1519) drängt die fürstliche Macht zurück<br />
und schafft Raum nach <strong>der</strong> Landseite hin.<br />
Wichtiger noch war die Erwerbung <strong>der</strong> Fähren 1245 nach Altdamm,<br />
1374 nach ^übzin, dazu des Pfaudbcsitzes des Dammschen Sees 1283,<br />
<strong>der</strong> beiden jenseitigen Uferdörfer ^übzin und Bergland 1333; die dritte<br />
Fähre gelangte 1321 mit dem Ltädtlein Pöliv an die Stadt, seit 1339<br />
auch nach und nach in emzeluen Teilen das an Pölch grenzende Dorf<br />
Mcssentiu. Damit beherrschte die Stadt alle Wasscrverbindungen zum<br />
rechten O<strong>der</strong>ufer bis zum Papemvasser.<br />
Schon aber genügten diese dem wachsenden Verkehr nach Hinterpommern<br />
nicht mehr. Bereits 1283 führte die ^auge Brücke zum rechten<br />
O<strong>der</strong>ufer hinüber, wo sich ein neuer Stadtteil mit Holz- und Teerhöfen<br />
und Speichern bildete, 1298 zuerst als ?astadie bezeichnet. Im Jahre 1299<br />
erlangt die Stadt das Recht, einen Fahrdamm durch das rechtsseitige<br />
Wiesen- und Bruchwaldgebiet nach Altdamm bauen uud zu dessen<br />
Herstellung und Instandhaltung eiuen Dammzoll erheben zu dürfen. So<br />
war die große Bandstraße nach Hiulerpommern, nach Danzig und Polen<br />
geschaffen. Es war die notwendige Komequeuz, wenn die Stadt 1301<br />
das ganze von <strong>der</strong> Crampe, Ihna, dem Damansch und Gollnower Vrnch<br />
umschlossene Wiesen- uud Bruchland, 1307 die bewaldeten Wer<strong>der</strong><br />
zwischen Swaute, großer Ncgelitz, laugem Graben und O<strong>der</strong>, 1308 die<br />
Salunwiesen am Dammschen See, 1328 das Dorf Podejuch an <strong>der</strong><br />
Reglitz, 1336 die beiden Reglihen selbst auf dieser Strecke erwarb. Den<br />
kleineren Nachbarstädten Vreifenhageu, Altdamm, (Aollnow, war mit dem<br />
allen die Möglichkeit eiucs nennenswerten Mitbewerbs im O<strong>der</strong>handel<br />
abgeschnitten.<br />
Die den Handel auf <strong>der</strong> unteren O<strong>der</strong> beherrschende Stellung<br />
Stettins beruhte schon damals auf dem 1283 erzielten wertvollsten aller<br />
Privilegien, dem durch das ganze Mittelalter wie ein Palladium gehüteten<br />
Recht <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>lage. Von <strong>der</strong> Unechttieit dieses Privilegs kaun ich mich
Der Nat und die Ratslime von Stettin. 77<br />
trotz neuerdings erhobener Zweifel nicht überzeugen. Es wurde 1308<br />
von Otto I., 1370 von Kasimir und Swantibor confirmirt.<br />
Auf Grund dieses Privilegs mußten alle O<strong>der</strong> auf- und abwärts<br />
nach Stettin gefühlten Güter dort gelöscht werden und Nie<strong>der</strong>lage halten,<br />
d. h. den Bürgern zu Kauf gestellt werden, ehe die Weiterfahrt gestattet<br />
wurde; das Umfahren <strong>der</strong> Stadt durch die Neglih und den Dammichen<br />
See war bei Strafe <strong>der</strong> Konfiskation <strong>der</strong> Waren verboten; Getreide<br />
durfte ein Frem<strong>der</strong> nur ausführen, wenn er es von einem Bürger<br />
erkauft hatte; Ausfuhr von Getreide durfte nur mit Willeu uud Erlaubnis<br />
des Rates gehin<strong>der</strong>t werden. Ausgenommen beim Getreidehandel, hat<br />
nun freilich die Stadt dieses Privileg mindestens in den beiden folgenden<br />
Jahrhun<strong>der</strong>ten sicher nicht in voller Strenge gehandhabt, son<strong>der</strong>n, wie<br />
die von Markgraf Waldemar 1312 für seine märkischen Untertanen<br />
erwirkte Erlaubnis <strong>der</strong> freien Durchfahrt durch den Stettiner Baum<br />
erweist, die freie Durchfahrt gestattet; dazu war Stettins Eigeuhandel<br />
damals noch nicht entwickelt und selbständig genug. Immerhill war das<br />
Nie<strong>der</strong>lageprwileg, 1467 durch Erich II. und Wartislaw X. noch erheblich<br />
verschärft, eine starte Waffe <strong>der</strong> Stadt in ihren Handelslämpfeu mit<br />
Brandenburg—Frankfurt a. O. im 10. Jahrhun<strong>der</strong>t. — Bereits 131^<br />
hatte Otto I. bestimmt, daß auf <strong>der</strong> ganzen Uferstrecke von Stettin bis<br />
Ückermünde Getreide und Mehl nur nach Stettin verladen werden dürfe;<br />
das bedeutet, daß zu Gunsten des Stettiner Handels die Mündungen<br />
<strong>der</strong> Ucker und Ihna für Pasewalt, Ückermünde, Stargard, Golluow so<br />
gut wie geschlossen wurden; nach eben dieser Urkunde durften Holz und<br />
Kohlen aus dem ganzen Ufergebiet von Stettin bis Ziegenort, <strong>der</strong><br />
Crampe und Altdamm nnr nach Stettin gebracht werden.<br />
Man wird nicht sagen dürfen, daß es dieser Stadtpolitik an klarer<br />
Erkenntnis des für ihren Handel nützlichen und an kräftiger Durchsetzung<br />
ihrer Ziele gefehlt habe. Eine solche Politik aber konnte nur von einem<br />
Rate geführt werden, in dem <strong>der</strong> Kaufmann entschied.<br />
Wir sind damit zu <strong>der</strong> Frage gelangt, wie <strong>der</strong> Mat entstanden ist.<br />
Die ältesten Urkunden <strong>der</strong> Stadt kennen ihn noch nicht. Die Bewidmung<br />
mit Mageburger Recht wird 1343 erteilt >>urss6N8idu3 civiwti8 5t.6tin;<br />
das Innungsrecht wird 1^45 verliehen no3tr6 oiviwtis 8t6tin ommbu8<br />
in sa. bur^6N8it3.t6m Cadentilni3 v6i a6kuo «.(^uirentidulz; das Recht<br />
<strong>der</strong> Fähre und <strong>der</strong> Erbauung einer Markthalle (tilLutrum) erwerben<br />
1245 die bui-ß6N868 66 8i6t,'n; die Zerstörung <strong>der</strong> Burg und die<br />
Übereignung des Nurgplatzes zu Weichbildrecht erfolgt 1249 auf Bitten<br />
no3trorum in 8t6t.m kurß6N8ium; das Dorf Pommerensdorf vertauft<br />
Barnim N08tre civitHti» univ6r8Ì8 ocmdurß6U6ibuk; die Urkunde von<br />
1261, durch die er zwei Stellen zum Fischen mit großen Netzen schenkt
78 Der Nat und die Ratslinie von Stettin.<br />
und den Juden in Stettin die gleiche Rechtsstellung anweist, wie sie in<br />
Magdeburg haben, ist gegeben eiviwtiä noutre «tet-m burAenziKus.^) In<br />
allen diesen Fällen ist es die Gesamtheit <strong>der</strong> Bürger, welche diese Rechte,<br />
Freiheiten und Güter erwirbt; von einem Nate als ihrem Organ ist<br />
nirgends die Rede.<br />
Eine Än<strong>der</strong>ung tritt in den Urkunden zuerst 1263 hervor. Herzog<br />
Barnim 1. gründete in diesem Jahre die Marienkirche und bestimmte<br />
dafür den Platz, auf dem früher eine Burg gestanden hatte, auf fleißiges<br />
Bitten o0n8u!um et unanimem ingtänemin dur^ensium civitatÌ8 8tetin,<br />
Hui cesserunt et anrenuneiaverunt omni iure, quoä nakuerunt in<br />
pi-eiato e2.8tr0.us) Seitdem finden wir die Ratmannen in je<strong>der</strong> die<br />
Stadt betreffenden Urkunde.<br />
In dem Streit über die Parochialgrenzen zwischen S. Iakobi und<br />
S. Petri 1368 erscheint zuerst in Verbindung mit den Ratmannen <strong>der</strong><br />
Schultheiß. (Neni-icu3 8ou!tetu8, univer8ita8 consulum et alii);^)<br />
ebenso m den Urkunden über die Fähre nach Lübzin 1274, den Erwerb<br />
von Krekow und Wussow 1277 (seultetus, «M8u!e8 nee non<br />
Seit 1290 endlich finden sich vielfach in den Urkunden <strong>der</strong><br />
8canim, onnäuleg et commune civitati8 o<strong>der</strong> 80u1tetu8, 8oadmi,<br />
et ui)ivel-8l ooncive3 ei vitati» nostre 8tetin; ebenso 1295; 1296<br />
Vom Jahre 1263 an lassen sich also in Stettin Ratmannen<br />
urkundlich erweisen; seit 1268 erscheint <strong>der</strong> Schultheiß zusammen mit<br />
ihnen; seit 1390 finden wir ihn in Verbindung mit den Schöffen und<br />
Ratmannen; fast ausnahmslos wird daneben die Gemeinde (eivitas,<br />
università civitn.ti8, eommune ei vitati 8) genannt.<br />
Innerhalb <strong>der</strong> zwei Jahrzehnte seit <strong>der</strong> Bewidmung mit Magdeburgischem<br />
Recht hatte sich demnach eine verfassungsmäßige Umgestaltung<br />
vollzogen, die zur Bildung eines Rates geführt hatte. Ais dahin war<br />
die Gesamtheit <strong>der</strong> Bürger in allen die Gemeinde in ihrem Verhältnis<br />
zum Landesfürsten betreffenden Fragen entscheidend gewesen. Für das<br />
Verständnis dieses Vorganges ist ein Rezeß ") von 1503 am avente<br />
Lpipkauio (Jan. 5.) von Bedeutung, den <strong>der</strong> Abt Johannes von Colbatz<br />
und etliche fürstliche Hofleute als Schiedsleute zwischen Bogislaw X.<br />
") Pomm. Urkundenb. l, Nr. 418; 435; 494; 568; 577. II, Nr. 85.<br />
"") Ebenda II. Nr. 740.<br />
"j Ebenda l l, Nr. 8«5.<br />
") Ebenda 11, Nr. 985: 1051.<br />
") Ebenda 11, Nr. 1523; 1609; 1732; 1737; 1912<br />
") Original m <strong>der</strong> Stadtbchliothel.
Der Rat und die Ratslime von Stettin. 79<br />
und <strong>der</strong> Stadt Stettin zustande brachten. Stettiner Bürger hatten den<br />
herzoglichen Diener Hans Namel, <strong>der</strong> in Schlägerei mit dem Bürger<br />
Theves Voß geraten war, in <strong>der</strong> Stadt Gewahrsam gebracht, und <strong>der</strong><br />
Nat hatte dem Herzoge die begehrte Auslieferung verweigert; darauf<br />
hatte dieser mit seinem ganzen Hofe die Stadt verlassen; auf die <strong>der</strong><br />
Stadt auferlegte Sühne haben wir hier nicht einzugehen. Es wird aber<br />
im Artikel 5 bestimmt, daß die von Stettin bei dem Gerichte uach<br />
Inhalt ihrer Kaufbriefe zwar bleiben sollen, doch sei es nicht gut noch<br />
nützlich, daß die Bürgermeister, Kämmerer und Natmaunen zu Stettin<br />
zugleich Schöffen seien. Deshalb haben F. Gn. erkannt und die von<br />
Stettin eingewilligt, daß die vom Nate hinfort nicht mehr Schöffen sein<br />
sollen; sie sollen vielmehr aus den Alterleuten des Kaufmanns uud deu<br />
Kaufleuten an<strong>der</strong>e tüchtige Männer zu Säwffen wählen und <strong>der</strong> Herzog<br />
will sie bestätigen; stirbt einer dieser neuen Schöffen o<strong>der</strong> wird er<br />
zu Rate gekoren, so haben die übrigen Schöffen aus demselben Kreise<br />
einen an<strong>der</strong>en zu wählen.<br />
Die ergänzende Ordinantie des Herzogs von 1504 am g.v6nä6<br />
nativiwtiZ ^laris (Sept. 7.) ") zeigt, daß diese neue Ordnung inzwischen<br />
ins Leben getreten war. Hier wird das Verbot wie<strong>der</strong>holt, daß Bürgermeister,<br />
Kämmerer und Natmannen die Schöffenbant bilden; diejenigen,<br />
die bisher Schöffen gewesen waren, sind ausgeschieden; Bürgermeister<br />
und Nat haben aus den Alterleuten und gemeinem Kaufmann elf neue<br />
Schöffen erwählt, und <strong>der</strong> Herzog hat sie bestätigt; dies neue Schöffenlollegium<br />
soll hinfort bei Vakanzen sich aus den Alterleuten uud Kaufleuten<br />
durch Zuwahl ergänzen, die Gewählten dem Herzog zur Bestätigung<br />
anzeigen; den gewesenen Schöffen im Nate bleibt die Befreiung vom<br />
Rechtsgeld; den jetzigen wird im Rathause für alle Zeiten ein Naum<br />
für die Schöffenbant angewiesen; das Verfestungsbuch aber behält <strong>der</strong><br />
Rat.")<br />
Aus diesen Urkunden erhellt, daß bis 1503 in Stettin die Schöffenbank<br />
aus Bürgermeistern, Kämmerern und einem Teile <strong>der</strong> Natmannen<br />
gebildet worden war. Die Tatsache läßt sich auch sonst, soweit urkundliche<br />
Quellen reichen, erweisen. Hans von Dolghen wird 1419 Bürgermeister,<br />
1420 Schöffe, 1421 Bürgermeister genannt; Hans Gradow 1415<br />
Kämmerer, 1419 Burgermeister, 1420 ebenso und Schöffe; Iatob Kunne<br />
1407 und 1410 Kämmerer, 1409 und 1411 Schöffe; Engelte ^emegow<br />
1407 Kämmerer, 1409 und 1411 Schöffe; Vicko Preen 1415, 1420,<br />
") Original ebenda.<br />
") In Prenzlau erfolgte diese Trennung <strong>der</strong> Schöffenbank vom Rat schon<br />
1426. Riedel, eoä.
Hy Der Rat und die Ratslime von Stettin<br />
1435 Kämmerer, 1420 und 1423 Schöffe; Gerd Voge 1429 Ratmann,<br />
14^4 Bürgermeister und Schöffe.")<br />
Diese Beispiele gehören sämtlich in eine Zeit, da die sogenannte<br />
jährliche Umsetzung des Rates längst eingeführt war; sie legen die Annahme<br />
nahe, daß zumeist <strong>der</strong> im Jahre nicht regierende Teil des Rates das<br />
Amt <strong>der</strong> Schöffen bekleidete.<br />
Diese von Bogislaw X. beseitigte Verbindung von Rat und<br />
Schöffenamt wird als bis dahin von Alters her bestehend bezeichnet.<br />
Wenn daher in den oben angeführten Urkunden seit 1s90 neben dem<br />
fürstlichen Erbrichter, dem Schultheiß, Ratmannen und Schöffen zugleich<br />
auftreten, so wird man unter diesen nicht verschiedene Personen, son<strong>der</strong>n<br />
zwei verschiedene Funktionen <strong>der</strong>selben Personen zu verstehen haben.<br />
Stettin erhielt 1243 Magdeburger Recht. Das kann nicht Heisien,<br />
daß alle Einrichtungen Magdeburgs auf Stettin einfach übertragen<br />
wurden; denn „jede Stadt hat idre eigene Geschichte und nur einige<br />
Hauptzüge sind es, welche den Ursprung aller aus einem Stamme<br />
und die Familienähnlichkeit in <strong>der</strong> Verwandtschaft mehrerer untereinan<strong>der</strong><br />
zeigen".")<br />
Für Stettin schließen die völlig an<strong>der</strong>e Entstehungsart und Lage<br />
eine solche einfache Übertragung aus. Gleichwohl ist es nicht ohne<br />
Interesse und Bedeutung, die entsprechenden Einrichtuugen in Magdeburg<br />
zu vergleichen.") Hier lag ursprüuglich die Gemeindegewalt des landrcchtlichen<br />
burmeswr in <strong>der</strong> Hand <strong>der</strong> Schöffen, welche, zur Ehre <strong>der</strong><br />
Stadt gewählt, unter sich beraten, die oonvenwZ civiuin, die Vurdinge,<br />
abhalten uud auch unabhängig vom Burggrafen und Schultheißen<br />
Strafgewalt gegen Wi<strong>der</strong>spenstige o<strong>der</strong> Übertreter städtischer Willküren<br />
haben.<br />
Sie sind also einmal die regelmäßigen Nrteilfin<strong>der</strong> im Burggrafenund<br />
Schultheißending, also Schöffen (aldini) gegenüber den Bürgern<br />
^civo.8 o<strong>der</strong> kurAenäes); sie sind aber auch die insoweit vom Richter<br />
unabhängigen Träger <strong>der</strong> Kcmeindegewalt. Später, jedenfalls seit 1261,<br />
find beide Funktionen getrennt. Die erstere ist den aus Lebenszeit<br />
ursprünglich wohl von den Bürgern, später von den Schöffen selbst<br />
gewählten Schöffen, die zweite dagegen den auf ein Jahr gewählten<br />
Ratmannen übertragen uud zwar so seit 1294, daß die Schöffen nicht<br />
zugleich im Rate sitzen sollten.<br />
"l Geist! Verlesungen 1373 -1436; lidvr quvrslurum 1400-1426. Tep.<br />
im Kssl. Slaatsarch.<br />
") Tschoppe und Stenzel, Urkundensammlung zur Gejch. des Ulspr d Städte<br />
in Schlesien u. d. O<strong>der</strong>lausitz, l832. S. 206.<br />
") Planck, a. a Q., I, 25 f.
Der Rat und die Natslime von Stettin. 8l<br />
Die Ähnlichkeit <strong>der</strong> Entwickelung in Stettin, selbst chronologisch,<br />
ist augenfällig, nur daß hier, wo <strong>der</strong> Kaufmann von Anfang an allein<br />
im Nate und in <strong>der</strong> Schöffendank war, sich die Scheidung erst viel<br />
später vollzog, als die landesfürstliche Gewalt erstarkt war. Nicht diese<br />
Ähnlichkeit aber ist das Entscheidende. Eine Gemeine wie die von<br />
Stettin, in welcher <strong>der</strong> Handel mit seinen weitverzweigten Interessen<br />
von vornherein ausschlaggebend für die weitere Entwickelung sein mußte,<br />
tonnte nicht lange in einem Zustande verharren, in dem sie als Gesamtheit<br />
gelegentlich zur Äeratuug und Beichlußfassuug in Oemeindeangelegmheiten<br />
zusammen trat; sie konnte als solche die Aufgabe <strong>der</strong> Einrichtung und<br />
des Ausbaues <strong>der</strong> Stadt nicht erfüllen. Dazn bedurfte sie eines leitenden<br />
Organs, eines Ausschusses erfahreuer Bürger, <strong>der</strong> in dem Schöffentollegium<br />
gegeben war. In <strong>der</strong> Äewidmuugsurtunde vom 3. April 1243<br />
stehen unter den Zeugen hinter den Nameu <strong>der</strong> Ritter diejenigen von<br />
ueun Tlettiuer Aurgeru: Ktopkanu» ^^itwnu8, .lokanneg<br />
, cl« H<br />
, 66l-kr
82 Der Nat und die Ratslinie von Stettin.<br />
als eine von Alters her bestehende auf. Vor allem aber spricht <strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
Stadt von Anbeginn aufgeprägte Charakter als eiller ans den Handel<br />
bewidmeten, mit bescheidenem Landbesitz ausgestatteten dafür, daß die<br />
Träger dieser Entwickelung, die Kaufleute, den Rat bildeten.<br />
Das schließt nicht aus, daß anfangs auch größere Grundbesitzer")<br />
ohne kaufmännischen Betrieb, wenn es <strong>der</strong>en in Stettin gab, und vielleicht<br />
auch herzogliche Beamte im Rat gesessen haben, aber Namen wie<br />
Distel! monetane l^9l), .Ioiig.nn63 monstarius 1618—3H beweisen<br />
nicht viel. Im Stadtbuche von 1305—52 heißt die Familie ^Iuntm68t6r;<br />
in diesem wird auch 1305 die antrug, monetaria erwähnt. Die<br />
ursprüngliche Amtsbezeichnung kann hier bereits ebenso zum Familiennamen<br />
erstarrt sein, wie dies bei 8t6pbanu8 saAttarilig (Schütte),<br />
66i-aräu8 inktitol- (Kramer) 1A43, bei vitinar veüiioawr (Segeler)<br />
126:5—65, bei O(mra6u8 moi6nämanu8 (Molner) 1390—1302<br />
zweifellos <strong>der</strong> Fall war.")<br />
Soweit unsere Quellen erkennen lassen, unterliegt es kaum einem<br />
Zweifel, daß <strong>der</strong> Nat nur aus dem feslumgrenzten Kreise <strong>der</strong> Kaufleute<br />
hervorging, und in Stettin selbst wußte man es im ganzen Mittelalter<br />
nicht an<strong>der</strong>s, als daß je und allewege das Stadtregiment bei dem<br />
Kaufmann gestanden. Dieser besaß in <strong>der</strong> S. Nicolai-Gilde <strong>der</strong> Segler,<br />
kurz Seglerhaus genannt, seine feste Organisation, <strong>der</strong>en Bedeutung<br />
wnchs, als die Stadt <strong>der</strong> Hanse beigetreten war und am Schonenhandel<br />
gesicherten Anteil erlangt hatte. Auch die Kompagnien von Draker<br />
(Dragar), Falsterbo und Ellenbogen (Malmö) und die S. Annen-<br />
Bru<strong>der</strong>schaft vou Vornholm waren nur beson<strong>der</strong>e Gruppeu innerhalb<br />
des Seglerhauscs. Iu <strong>der</strong>en Alterleulen und erfahrensten Mitglie<strong>der</strong>n<br />
fand <strong>der</strong> Nat je<strong>der</strong>zeit die Männer, welche die Erfor<strong>der</strong>nisse des Handels<br />
am besten kannten und nötigenfalls auch politisch als Natsseudboteu,<br />
Schonenvögte, Bollwerksherrn usw. zu vertreten vermochten.<br />
Wenn nu» gleichwohl vereinzelt sich Namen von Gewandschnei<strong>der</strong>n,<br />
Braueru und Kramern in <strong>der</strong> Natsliste finden, so bestätigen sie doch<br />
nur die Negel. Gewandschnei<strong>der</strong>, Brauer und Kramer standen dem<br />
auf Schonen fahrenden Kaufmann ohnehin nahe, insofern sie mit Tuch,<br />
Bier, Malz, Eisenwaren ebenfalls am Schouenhandcl beteiligt waren.<br />
Die Gewaudschnei<strong>der</strong> gewannen die Natsfähigkeit aber erst, nachdem ihre<br />
Gilde 14t">6 mit dem Seglerhause verbunden war. Die Brauer bildeten<br />
") Nach dem Stadlbuck 1305—52 besahen die Angermünde, Brakel,<br />
Brandenburg, (5lsholt, Hovener, Sänne, Bilelow. Puls, R'ke, Winmann, Muntemester.<br />
Grabow u. a. Hufen im Stadtfelde.<br />
") Für Wislnar wenigstens ist es sehr zweifelhaft, ob die Münzer und Müller<br />
ratsfähig waren. Crull, Natslinie von <strong>der</strong> Stadt Wismar, 1865, S. XXVll.
Der Rat und die Ratslmie von Stettin. N3<br />
keine beson<strong>der</strong>e Korporation und sind nur vereinzelt in den Rat gelangt,<br />
nachdem sie „Kaufmaunsverbadung" erlangt hatten, d. h. in das Segler-<br />
haus eingetreten waren. Die Kramergilde endlich hat allerdings des<br />
öfteren und namentlich gegen Ende des 16. Jahrhun<strong>der</strong>ts den Anspruch<br />
auf die Natsfähigkeit ihrer Mitglie<strong>der</strong> erhoben, aber stets ohne Erfolg.<br />
Einige wenige Kramer sind zu Nate erkoren worden, doch nur unter <strong>der</strong><br />
Bedingung, daß sie die Kramerei vorher einstellen mühten; so noch 1676<br />
Jakob Anfing. Eine Resolution <strong>der</strong> schwedischen Landesregierung vom<br />
23. Dezember 1680 hat sodann die Erwählung von geschickten Subjekten<br />
aus den Kramern gestattet, allein auch jetzt war Bedingung, daß sie<br />
Kaufmannsverbadung gewinnen mußten.<br />
Die hier dargelegte Zusammensetzung des Rates läßt sich auch durch<br />
eine aus den von 1423—1810 geführten Bürgeraufnahmebücheru °")<br />
geschöpfte Zusammenstellung zahlenmäßig erweisen, die allerdings für das<br />
15. Jahrhun<strong>der</strong>t nicht erschöpfend sein kann, weil für dieses nicht bei<br />
jedem neuen Bürger sein Beruf vermerkt ist. Hiernach entfallen auf<br />
das 15. Jahrhun<strong>der</strong>t: Brauer 3, Kramer 9, Gewandschnei<strong>der</strong> 0; auf<br />
das 16.: Brauer 3, Kramer 4, Gewandschnei<strong>der</strong> 2; auf das 17.:<br />
Brauer 0, Kramer 1, Gewaudschnei<strong>der</strong> 1. Man erkennt, daß diese<br />
bescheidenen Min<strong>der</strong>heiten an dem viel gerühmten 8ww8 kNlztocrHticug<br />
nichts zu än<strong>der</strong>n vermocht haben.<br />
Auch <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e im Mittelalter hinzugefügte Bestandteil des Rates<br />
hat daran nichts geän<strong>der</strong>t. Die ständig wachsende Fülle <strong>der</strong> Aufgaben,<br />
die Entwickelung des Nechtswesens, die handelspolitischen uud diplomatischen<br />
Geschäfte, die fortschreitende Bildung haben allgemach dazu gezwungen,<br />
daß auch rechtskundige o<strong>der</strong> doch akademisch gebildete Natmanmn, kurz<br />
Literaten genannt, gewählt wurden. Seit dem Rezeß von 1503 und<br />
<strong>der</strong> Qrdmanz von 1504 wurde es fast zur Regel, daß <strong>der</strong> Rat bei<br />
eintretenden Vakanzen, wenn es für ratsam angesehen wurde, einen<br />
Juristen o<strong>der</strong> Literaten zu wählen, auf das Schöffeukollegium zurückgriff,<br />
dem sowohl solche wie auch Kaufleute angehörten. Aus den genannten<br />
Äürgerbüchern lassen sich feststellen für das 16. Jahrhun<strong>der</strong>t: 11; für<br />
das 17: 50; für das 18: 36 Juristen und Literaten, auch diese zum<br />
größeren Teile Söhne kaufmännischer Familien. Die größeren Zahlen<br />
des 17. und 18. Jahrhun<strong>der</strong>t erklären sich auch daraus, daß die erwähnte<br />
schwedische Resolution vom 23. Dezember 1680 anordnete, <strong>der</strong> Rat<br />
solle hinfort zur Hälfte aus erfahrenen Kaufleuten, zur Hälfte aus<br />
Literaten bestehen.<br />
") Stadtarch. Tit. XIII. 8p«o. 8oot. 1, vol. 1, 2.<br />
6'
K4 Der Rat und die Natslinje von Stettin.<br />
Noch schärfer griff Friedrich Wilhelm l mit seinem „Nathhäusilichen<br />
Regiment"") vom l^. März l?2A durch. Bei <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>besetzung <strong>der</strong><br />
Vakanzen, heißt es da, soll nicht auf Alter und Rang, son<strong>der</strong>n hauptsächlich<br />
auf Fähigkeit <strong>der</strong> Personen zn dieser o<strong>der</strong> jener Funktion, vor<br />
allem auf die Gerichtsbeisitzer uud Skabinen reflektiert werden. Gleichwohl<br />
haben bis zur Städieorduung vom 19. November 1M8 neben solchen<br />
nur Kaufleute im Nate gesessen.<br />
Den Mitglie<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Handwerkerzünfte o<strong>der</strong> Werke, wie sie in<br />
Stettin hießen, ist es nur einmal, im Aufruhr von 1-4^8, gelungen,<br />
nach Vertreibung des Nates anf kurze Zeit das Stadtregimcnt an sich<br />
zu reißen. Der damals eingesetzte revolutionäre Nat bestand aus dem<br />
Ratmann Klaus Wigger als Bürgermeister, dem Altermann <strong>der</strong> Bäcker<br />
Haus Kerckhoff als Kämmerer, dem Bogt Drcwes Hogenholt, dem<br />
Ziegelherrn l^erd van Affen, dem Muhlenherrn Hans Nostin, dem<br />
Münzherrn Hans Unrow, dein Vierherrn Henning Fischer, dell lArabeuherrn<br />
Hennmg Cruse nnd Tormann, sämtlich mit Ausnahme Klaus<br />
Wiggers Alterleute <strong>der</strong> Werke. Diesen Nat hat Herzog Kanmir Vl.<br />
nach wenigen Monaten beseitigt; die Rädelsführer, soweit man ihrer<br />
habhaft wurde, büßten ihr Tuu mit dem Tode.^j<br />
Dieses Anfruhrs gebeult die Äursprake^j (von 1429):<br />
lisN 8Ìli ci« I^lill V0icnil^(?t mit (lsi» lilii-^tlsren nnäo bsvreäst.<br />
vrunäs, Iiir 8c!l«.I ovns l)«^^^)^^^ 8ckeen umms clcr<br />
c1)s kir lun^ll^ ssdew680l) idj; 80 i8 äs raä mit<br />
6ftn ^V6rlvi86. I'o dkMS il8t6il<br />
80 ^!l ll i i ä idlt 6 ki<br />
ko^cle l^llil^n un6e kuten<br />
6in8wss nc^6ätk0ln^ilä6 lcmncm vor äsn ltlä, a)" raä<br />
uncls >vil äat mit<br />
Roeper, Manusk. l82. Dep. im Kgl. Staatsarch.<br />
Perql allch Frledcliorn, Histor. Beschreldung von Alten-Stetlin, l, 73 f.<br />
.lwrgerspwch und umbsezmin deg radcs ^ulptcr. Stadtarch, Tu Xl.<br />
r l.<br />
") Darauf bezieht sich das 3chreiben Stcitins an Lübeck l428, Nov. 16,<br />
ocn Prrsonen, die del den Unruhen betcililtt lvaien. leinen Scduh zu gewähren<br />
rulles l^sitlsr^ sse^63
Der Rat und die Natslmie von Stettin. 85<br />
Es folgt das Verbot des Auflaufes o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Zusammenrottung, die<br />
Mahnung, sich im Streite mit an<strong>der</strong>en an Magdeburgiicimu Nccht<br />
genügen zn lassen, und die Androhung, falls Jemand dagegcu tue mit<br />
Worten o<strong>der</strong> Werken, so solle er Veil) und Out gebrochen haben,<br />
nßk 8tcl
ssf; Der Rat und die RatSlime von Stettin.<br />
kollegium durch eine Anzahl von neuen Mitglie<strong>der</strong>n verstärkt wurde, das<br />
nun Nat hieß und zugleich die Schöffenbank verwaltete.") Dies Wahlrecht<br />
<strong>der</strong> Gemeinde ist aber sehr früh schon einem an<strong>der</strong>en Wahlverfahren<br />
gewichen, das <strong>der</strong> regierenden Klaffe außerordentlich günstig war und die<br />
sicherste Stütze ihres Einflusses wurde. Das Wahlrecht ging von <strong>der</strong><br />
Gemeinde auf den Mat selber über; er ergänzte sich selbst durch Zuwahl<br />
neuer Ratsherren, und die Wahl erfolgte nur <strong>der</strong> Form nach auf ein<br />
Jahr, tatsächlich auf Lebenszeit o<strong>der</strong> bis zu freiwilliger Abdankung. Die<br />
Wahl, bei welcher <strong>der</strong> Einfiuß <strong>der</strong> Gemeinde ausgeschaltet war, war zu<br />
einer bloßen Umsehung des Nates geworden, sofern die Betreffenden schon<br />
dem Nate angehörten, d. h. zu einer neuen Verteilung <strong>der</strong> Natsämter<br />
auf die vorhandenen und die neu zugewählten Mitglie<strong>der</strong> des Rates.<br />
Die Gemeinde hatte dabei weiter nicht mitzuwirken, als daß sie<br />
auf Montag nach Philippus Iakobustag (1. Mai) auf den Markt vor<br />
das Rathaus entboten wurde, um die Verlesung <strong>der</strong> Vursprake in<br />
<strong>der</strong> vom Nate beschlossenen Fassung und <strong>der</strong> Verteilung <strong>der</strong> Natsämter<br />
anzuhören und zu Gehorsam ermahnt zu werden. Zu Zeiten geschah<br />
diese Umsetzung auch getrennt von <strong>der</strong> Verlesung <strong>der</strong> Bur sprake an<br />
einem an<strong>der</strong>en Tage, so von I4«3—1550 auf cruci'8 inventio (3. Mai).<br />
Damit war die Bedeutung des alten Burdings zu einer leeren Zeremonie<br />
geworden, a')<br />
Man darf vielleicht aus dem Knochenhauerprivileg von 1312^)<br />
schließen, daß bereits damals <strong>der</strong> erwähnte Wahlmodus in Geltung war.<br />
Es heißt da: Zum dritten, nach S. Walburgstag (1. Mai), wenn<br />
unsere neuen Konsuln erwählt sind und auf ihre Plätze neben den alten<br />
miterwählten Konsuln gesetzt sind, sollen die Knochenhauer vor uns mit<br />
dem Begehren erscheinen, daß wir ihnen einen Altermann ihres Werkes<br />
wählen; nach dessen Erwählung sollen sie selbst zwei an<strong>der</strong>e wählen,<br />
einen für die Neustadt, einen für die Altstadt; diesen dreien soll sodann<br />
Friede gewirkt werden darin, daß ihnen alle übrigen Genossen in<br />
gebührenden und angemessenen Dingen Gehorsam leisten. Schon hier<br />
ist <strong>der</strong> 1. Alai erwähnt, am Montag nach welchem die Umsetzung des<br />
Rates und die Wahl <strong>der</strong> Alterleute <strong>der</strong> Werke erfolgte.<br />
") Vergi. Schrö<strong>der</strong>, a. a. 0, 635.<br />
") Ein Versuch des Nates, die Verlesung <strong>der</strong> Bürgersprache im Saale des<br />
Rathauses vorzunehmen, „weil angewelket worden, daß nicht allein zu anhö'rung<br />
<strong>der</strong>selben sich wenig aus <strong>der</strong> Bürgerschaft eingefunden, son<strong>der</strong>n auch allerhand<br />
äesordi-o von <strong>der</strong> muthwiUigen lugend, gesinde und Soldalesque vorgegangen,<br />
sodatz wenig o<strong>der</strong> nichts zu hören gewesen", scheiterte am Wi<strong>der</strong>spruch <strong>der</strong><br />
Bürgerschaft, die es bel dem urallen Brauch belassen wollte, 1688 Mai 1.<br />
") Pomm. Urlundenb. V, Nr. 2762.
Der Rat und die Ratslime von Stettin. 87<br />
Auch das bis jetzt früheste urkundliche Vorkommen von gleichzeitig<br />
zwei Bürgermeistern 1345, Aorchard Swinenz und Hermann von <strong>der</strong><br />
Lippe, weist auf alten Brauch hin.")<br />
In den von 1411 an erhaltenen Umsehnngslisten des Nates erscheint<br />
bereits diese Einrichtung als eine längst bestehende, verfassungsmäßige<br />
Ordnung.<br />
Der Eid, den die neu in den Nat eintretenden Ratsherren zu leisten<br />
hatten, lautete: Ilc ßelavs, 6at ik van 6e386m cla^s went6 to<br />
unäs 8unt6 .Ig.cl)d5 6«ss6 cier<br />
to 86ssß1l6U, unl^6 v^63 mlin in<br />
ilc nyrss6n68 xE^ßl^n, ven sin.r ivi1, iä k^ (1?nn6 mit den<br />
illo»^; a.i8O mv ^06 l)6lp6 unäk 6? lnlssftn.<br />
Wenn dieser Eid 1429 diese Fassung erhalten hat, dann läsit er<br />
in seinem letzten Passus noch etwas von <strong>der</strong> eben ausgestandenen Unruhe<br />
und Angst des Tumultes von 1428 erkennen:<br />
Von dem Wahlverfahren im Nate gewinnen wir aus den Wahl-<br />
Protokollen«") des 16. und 17. Jahrhun<strong>der</strong>ts ein deutliches Bild. Das<br />
damals geübte Verfahren wird indessen oft als alter Brauch und Herkommen<br />
bezeichnet.<br />
Man unterschied zwei Arten von Wahlen, einmal die eigentliche<br />
Ratskör, die Erwählung eines neuen Natsherrn, und ferner die ebenfalls<br />
durch einen Wahlakt bewirkte Verteilung <strong>der</strong> Natsämter.<br />
Waren durch den Tod o<strong>der</strong> Abdankung ein o<strong>der</strong> mehrere Ämter<br />
im Nate erledigt, so berief <strong>der</strong> regierende Bürgermeister den Nat und<br />
eröffnete die Sitzung mit Gebet für den heilsamen Ausgang <strong>der</strong> Wahl.<br />
Diese geschah in <strong>der</strong> Weise, daß die vier ältesten Ratsherren, nach emcm<br />
Natsbeschluß von l 616 so viele, als Bürgermeister und Kämmerer anwesend<br />
waren, an den Bürgermeistertisch traten und sich mit Bürgermeistern<br />
und Kämmerern über drei <strong>der</strong> Versammlung vorzuschlagende Kandidaten<br />
verständigten. Diese drei mußten dann hinausgehen, und es erfolgte die<br />
Wahl durch Umfrage seitens des regierenden Burgermeisters, <strong>der</strong> zuletzt<br />
seine Stimme abgab. Eine absolute Stimmenmehrheit war dabei nicht<br />
erfor<strong>der</strong>lich, son<strong>der</strong>n die relative genügte. Bei Anwesenheit von 21 Natsmitglie<strong>der</strong>n<br />
wurde z. V. 15)91 Bürgermeister Sachteleben zum regierenden<br />
Bürgermeister mit 10 Stimmen gewählt, die beiden an<strong>der</strong>en vorgeschlagenen<br />
Kandidaten, Kämmerer Nriehke und Ratsherr Wer<strong>der</strong>mann, erhielten 2<br />
") Dreger, ooä. 6ip!. ?om«r. mauuser. IX, Nr. 1?43. Dep. im Kstl.<br />
Staatsarch.<br />
") Stadtarch. Tit. Xl, Gener. Nr. b. Dep. im Kgl. Staatsarch.
88 Der Rat und die Ratslime von Stettin.<br />
und 6 Stimmen; sie wurden also, wie <strong>der</strong> amtliche Ausdruck lautet,<br />
„verschont". Im Jahre 1712 wurde Johann Rudolf Jahn zum<br />
Bürgermeister nnt 6 gegen 9 Stimmen gewählt; seine beiden Mitbewerber<br />
Krupita und Schulz erhielten je 2 gegen 13 Stimmeu. lehnte <strong>der</strong><br />
Erwählte ab und wurden seme Gründe für erheblich augeseheu, so fand<br />
alsbald ein neuer Wahlgaug statt; nahm er an, so wurde er sogleich<br />
„salutirt" und nahm seinen Platz am Vürgei meistertisch ein.<br />
An<strong>der</strong>s verfllhr man bei <strong>der</strong> Wahl eines neuen Ratsherrn. Hierbei<br />
stand jedem <strong>der</strong> Anwesenden frei, einen Kandidaten vorzuschlagen. Im<br />
Jahre 15'.)! z. B. wurden für 2 erledigte Stellen nicht weniger als<br />
27 vorgeschlagen. Es bedurfte daher oft mehrmaliger Umfrage, bis einer<br />
<strong>der</strong> Vorgeschlagenen die absolute Mehrheit gewann, so 1591 Michel von<br />
Hagen mit 15 gegen 13, Peter Westfal 14 gegen 13 Stimmen. Bei<br />
Stimmengleichheit hatte <strong>der</strong> regierende Bürgermeister die Entscheidung,<br />
das votum conoluäivum. War ein Bürgermeister bei <strong>der</strong> Wahl nicht<br />
zugegen, aber zu Hause und „seines voti mächtig", so wurden die beiden<br />
jüngsten Ratsherren zu ihm geschickt, um dies schriftlich einzuholen;<br />
insbeson<strong>der</strong>e geschah dies, wenn bei Abwesenheit des regierenden Bürgermeisters<br />
Stimmengleichheit eingetreten war. Seit 1667 war auf Grnnd<br />
eines Natsbeschlusses die Abstimmung geheim mit schwarzen und weißen<br />
Kugeln (ßloduli), uud nur noch ausnahmsweise uud auf beson<strong>der</strong>en<br />
Beschluß bediente man sich <strong>der</strong> öffentlichen (viva vo^). Die geheime<br />
Abstimmung hat Friedrich Wilhelm I. wie<strong>der</strong>um 17^3 beseitigt; das<br />
Votum jedes Senators mußte im Wahlprotokoll vermerkt, das Protokoll<br />
<strong>der</strong> Köuigl. Kriegs- und Domänenkammer eingeschickt werden. Der<br />
regelmäßige Wahltag für die ueueu Ratsherren war <strong>der</strong> Montag nach<br />
Ptnlwplls und Ialodustag; die Wahl <strong>der</strong> Bürgermeister uud Kämmerer<br />
erfolgte zwei Tage später, doch hat zwingende Not natürlich oft genug<br />
zur Ansehung eines an<strong>der</strong>en Termins gezwuugen.<br />
Der Ausfall <strong>der</strong> Natslör wurde dem neugewählten Ratsherrn<br />
alsbald dnrch dm obersten Natsdieuer mitgeteilt; er hatte, wenn er die<br />
Wahl annahm, vor versammeltem Nate zu erscheiuen und den<br />
vorgeschriebenen Natscid zu leisten, falls er, was etliche Male im<br />
16. Jahrhun<strong>der</strong>t vorkam, noch nicht das Bürgerrecht gewonnen hatte,<br />
auch den Bürgercid. Seit 1610 aber durften nur noch Bürger vorgeschlagen<br />
werden.<br />
Zu 1 Uhr wurde sodann die Bürgerschaft durch die große Glocke<br />
von S. Iakobi auf den Heumarkt vor das Rathaus emboteu, <strong>der</strong><br />
versammelte Rat trat hinaus „ms Gegitter auf dem Gange", und <strong>der</strong><br />
Bürgermeister ließ die Änrsprake uud die Zusammensehuug des Rates
Der Rat und die Ratslinie von Stettin. 89<br />
verlesen; die jüngsten gewählten Ratsherren wurden <strong>der</strong> Bürgerschaft<br />
vorgestellt; dann folgte im Rathause <strong>der</strong> übliche Ratsschmans.<br />
In <strong>der</strong> älteren Zeit hatte <strong>der</strong> neue Ratsherr selber noch eine<br />
..stattliche Ratstöste" ansznrichten; diese aber wurde schon 145>5 abgeschafft<br />
und durch eine Geldzahlung von AN si. rhcin. nebst einem silbernen<br />
Necher von 2 V» Mark erseht; 1667 trat dafür ein Bechergeld von<br />
40 Reichstalern ein.<br />
Von solchen Wahltagen abgesehen, fanden die regelmäßigen Sitzungen<br />
des Nates wöchentlich zweimal, nämlich am Dienstag und Freitag statt;<br />
sie begannen um 8 Uhr mit dein Glockenschlage von S. Nikolai nnd<br />
sollten in <strong>der</strong> Regel nicht über I I Uhr hinaus dauern. Der Dienstag<br />
war für die Geschäfte bestimmt, welche die Gemeinde als solche, <strong>der</strong><br />
Freitag für Sachen, die deu eiuzelnen Bürger angingen. Die Tagesordnung<br />
bestimmte <strong>der</strong> auch die Sitzung leitende regierende Bürgermeister;<br />
es sollten nicht mehr als 3—4 Puukte sein; die Abstimmuug geschah<br />
hier natürlich mündlich, uud eiufache Mehrheit entschied.")<br />
Die einseitige Zusammensetzung des Rates, die jeden nennenswerten<br />
Einfluß <strong>der</strong> außerhalb des Seglerhauses stehenden Kreise <strong>der</strong> Bürgerschaft<br />
ausschloß, mußte viele Unzufriedenheit hervorrufen. Die Beschwerden<br />
über den Eigennutz und die Vetternwirtschaft kamen bei den Unruhen<br />
142«, 1524, 1617 und auch sonst sehr stark zum Ausdruck; ein<br />
gründlicher Wandel aber trat nicht ein. Noch KN9, als Johann Philipp<br />
Meyer, Bru<strong>der</strong> des Ratsherrn Kaspar Meyer, zur Wahl staud, entschied<br />
<strong>der</strong> Rat einem in seiner Mitte erhobenen Bedenken gegenüber, es sei<br />
sehr wohl zulässig, daß auch zwei leibliche Brü<strong>der</strong> zugleich im Rate<br />
säßen. Bald darauf, am 9. April 1(^1, hat allerdings die schwedische<br />
Regierung verboten, daß gleichzeitig Vater und Sohn o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e nahe<br />
Verwandte dem Rate angehorten, und am Ltt. Dezember !i>61 verfügte<br />
sie, daß aus keiner Familie mehr als Einer im Rate sitzen dürfe. Die<br />
alte Praxis aber blieb, und die Beschwerden hörten nicht auf. Noch in<br />
einer solchen des Kaufmanns vom 4. Mai 1704 wird erwähnt, es sei<br />
landtunoig, daß bei den Ratswahlen stets die nahen Anverwandten zweier<br />
bestimmten Familien in Konsi<strong>der</strong>ation gezogen würden. Es war in <strong>der</strong><br />
Tat ein vollständiger Familientlüngel, <strong>der</strong> damals im Rate festgestellt<br />
wurde: Kämmerer Malchin nnd Senator Andrea die Schwiegersöhne des<br />
verstorbenen Bürgermeisters ^indcmann; Senator Varthold und Bürgermeister<br />
Scherenberg die Schwäger Malchins; Senator Tabbert <strong>der</strong><br />
Schwiegersohn Nartholds; Bürgermeister Schack verlobt mit Ändemanns<br />
dritter Tochter; ^andrat und Bürgermeister Sibrand Schwager des<br />
Ordnung im Nadtstuhl sl546). Loever, Manuskr. l30.
90 Der Rat und die Ratslinie von Stettin.<br />
Senators Liebeherr; dieser Schwiegersohn des Senators Lange; dessen<br />
Stiefsohn <strong>der</strong> Bürgermeister Jahn, ein Neffe des Senators Krnpeke<br />
und verlobt mit <strong>der</strong> Tochter des Bürgermeisters Matthäi.<br />
Damals versagten die Gewerle dem Kaufmann ihre Unterstützung<br />
mit <strong>der</strong> Bemerkung, sie hätten 30 Jahre dazu stillschweigen müssen und<br />
könnten es nun auch im 31. tun. Man erkennt, es war im Interesse<br />
<strong>der</strong> Stadt, daß Friedrich Wilhelm I. da mit fester, rücksichtsloser Hand<br />
eingriff.<br />
Im ersten Jahrhun<strong>der</strong>t seines Bestehens zählte <strong>der</strong> Rat außer dem<br />
Schultheißen 14 Mitglie<strong>der</strong>. Das ergeben die Urkunden von 1290<br />
Januar 1. und 1302 November 30, in denen er namentlich aufgeführt<br />
wird, 1302 mit dem Zusätze cnnäulibug nunc temporis in 3wtm, °^<br />
ein Beweis dafür, daß er vollzählig aufgeführt wird.<br />
Aus den Nats-Umsetzungslisten von 14» 1 f. erhellt, daß <strong>der</strong> Rat<br />
bis dahin auf 28 Mitglie<strong>der</strong> angewachsen war, von denen allerdings im<br />
15. Jahrhun<strong>der</strong>t 16 für die 6 Natsämter, im 16., 17. mindestens 22<br />
bis 24 für die 11 —l 2 jährlich erfor<strong>der</strong>t wurden. Die jährliche Umsetzung<br />
geschah in <strong>der</strong> Weise, daß an die Stelle <strong>der</strong> 16 im Amte<br />
gewesenen die 12 in demselben Jahre nicht beamteten Ratsherren traten<br />
und aus den ausscheidenden 16 noch 4 als remoti hinzugesellt wurden.<br />
Allein diese Regel galt mindestens für die entscheidenden Ämter <strong>der</strong><br />
Bürgermeister und Kämmerer keineswegs als unumstößliches Gesetz und<br />
ist namentlich im 16. und 17. Jahrhun<strong>der</strong>t oft genug außer Acht gelassen<br />
worden, wenn Alter, Krankheit, längere Abwesenheit o<strong>der</strong> sonst zwingende<br />
Gründe bei den in Betracht kommenden Personen vorlagen. Gewöhnlich<br />
war also ein Bürgermeister o<strong>der</strong> Kämmerer im 1. Jahre <strong>der</strong> reglerende<br />
o<strong>der</strong> worthabende, im 2. <strong>der</strong> mithelfende, im 3. blieb er verschont, um<br />
dann den Turnus von neuem zu beginnen, und nur insofern taun man<br />
sagen, Stettin habe drei Bürgermeister und drei Kämmerer gehabt, aber<br />
nur zwei davon waren in jedem Jahre im Amte. Jedoch Gerd Node<br />
z. B. war regieren<strong>der</strong> Bürgermeister !418, 19, 2l, 22, 24, 25, 27.<br />
29, 30, 31 ; Dietrich Grabow 1463, 64, 67, 68; Peter Parenholt 1471,<br />
74, 77, 79, 80, 82, 83; Bicko Preen war regieren<strong>der</strong> Kämmerer 14l6,<br />
17, 19, 20, 22, 23, 25), 26, 28, 30; Jasper Quast 1447, 48, 50,<br />
51, 53, 54, 58, und umgekehrt Hans vou Dolgeu nur mithelfen<strong>der</strong><br />
Bürgermeister 1417, 18, 20, 21, 23, 24, 26, 27; Jakob Werenbrot<br />
ebenso 1478, 79, 83, 83; Claus Steven 1471, 72, 74, 75, 77;<br />
HinrikPaul 1417, 18, 20, 3l, 23, 24, 26, 27 nur mithelfen<strong>der</strong>, erst<br />
1434 regieren<strong>der</strong> Kämmerer. Hier erwiesen sich die Dinge offenbar<br />
Pomm. Urkundenb. II, Nr 1523; IV, Nr. 2031; III, Nr. 1757.
Der Nat und die Natslinie von Stettin. 91<br />
mächtiger als die schönste Regel. Der mit dem 16. Jahrhun<strong>der</strong>t einsehende<br />
erhöhte Bedarf an Ratsherren für die fortwährend wachsende Zahl<br />
<strong>der</strong> Ämter erklärt sich aus <strong>der</strong> für diese Zeit bezeichnenden Pielregiererei,<br />
die das ganze kommunale und private ^eben <strong>der</strong> Bürger uuter ihre<br />
Obhut nahm nnd unermüdlich ihre Feuer-, Wacht-, Fischer-, Quartierherrn-,<br />
Makler-, Träger-, Haken-, Kramer-, Vorkäuferei-, Brot-, Fleisch-,<br />
Braner-, Klei<strong>der</strong>-, Kosten-, Hochzeits-, Kindtanfs-, Begräbnis-, Bettleru.<br />
a. Ordnungen ausgehen ließ, zu <strong>der</strong>en Handhabung Ratsherren bestellt<br />
werden mußteu.<br />
Die schwedische Regierung hat sodann 1667 die Mitglie<strong>der</strong>zahl auf<br />
24 und 168l, als etliche Ratspersonen wegen angeblicher brandmburgischer<br />
Umtriebe entsetzt wurden, ans 17 beschränkt.^)<br />
In dieser Stärke ist <strong>der</strong> Rat bis znr völligen Neuordnnng <strong>der</strong><br />
Stadtverwaltung durch Friedrich Wilhelms I. Rathhäußliches Regiment<br />
1733 verblieben.<br />
Die im Laufe <strong>der</strong> Zeiten immer weiter ausgebildete (Nie<strong>der</strong>ung des<br />
Rates durch die Errichtung von beson<strong>der</strong>en Ratsämtern mit genan<br />
umgrenztem Arbeitsgebiet bestand im ersten Jahrhun<strong>der</strong>t <strong>der</strong> Stadt noch<br />
nicht. Es finden sich keine Nachweise vom Borkommen von Bürgermeistern<br />
und Kämmerern, vielmehr beweist z. B. die Urkunde Bogislaws IV.,<br />
Barnims II. und Ottos 1. von 12^3 Dezember 19") das Gegenteil.<br />
In dieser heißt es, daß alle diejenigen, welche die Bürgerschaft von<br />
den Ratmannen erlangt haben, echte, rechtmäßige und volle Bürger sein<br />
sollen. Später ist es <strong>der</strong> regierende Bürgermeister allein, <strong>der</strong> diese<br />
Aufnahme zu Bürgerrecht vornimmt.<br />
An <strong>der</strong> Spitze des Rates stand vielmehr anfangs <strong>der</strong> Schnthciß;<br />
in seiner amtlichen Stellung findet das rechtliche Verhältnis <strong>der</strong> jnngen<br />
Stadt zum Landesfürsten als dem Obereigentümer <strong>der</strong> Allmende seilten<br />
Ausdruck. Der Schultheiß vertrat mit dem Rate die Gemeinde in allen<br />
Dingen und handelt in ihrem Auftrage (ex part« civium), aber er war<br />
auch <strong>der</strong> Erbrichter, als solcher <strong>der</strong> Lehnsmann des Herzogs, und saß<br />
dem aus li Ratmannen gebildeten Schöffentollegium vor. Als<br />
Gemeindebeamtcr findet er sich, wie oben dargelegt wurde, in den verschiedensten<br />
die Stadt betreffenden Urkunden vor den Namen <strong>der</strong> Ratmannen<br />
o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Schöffen o<strong>der</strong> auch bei<strong>der</strong> zugleich.<br />
Nach 1312 aber tritt er nur noch ganz vereinzelt als Gemeindebeamter<br />
und nur in Urkunden auf, die nicht eben beweiskräftig sind.<br />
Zu 1325 steht im Stadtbuche: con8uleg et prekctug äimi86runt kinl-ico<br />
") Vergl. Lemcke, Stadt und Amt Stettin unter dem großen Kurfürsten.<br />
Monatsblätter 1910, Nr 9, S. 137.<br />
") Pomm. Urkundenb. II, Nr. 1282.
Der Rat und die Ratslinie von Stettin.<br />
I marcarum 8uper bereäitatem<br />
!i; in einer Generaltonfirmation Barnims Ili. von 1349:<br />
pn, ratluäsn unäe ßancxen me^l^sit. ^^) Das<br />
erste Zeugnis spricht den Verzicht auf früher erworbene Rechte aus, das<br />
zweite ist die immer wie<strong>der</strong> von den Landesfürsten erteilte formelhafte<br />
Bestätigung früher erlangter Privilegien und fällt in die Zeit nach 1345,<br />
da die Bürgermeister schon urkundlich zu erweisen sind. Das Gleiche<br />
ist <strong>der</strong> Fall in <strong>der</strong> Urkunde Swantobors und Bogislaws von 1373 in<br />
6i6 a806N5Ì0ni3 6s)mmi (Mai 36) ""). Die Herzöge bestätigen in dieser<br />
dem 80uItetu3, 8cas)im, O0N5uIe8 et uni vergi civ68 das Magdeburgische<br />
Recht, ut secun^um ip3um lug et stktuta. yuemklimoclum<br />
^urssCl^es iuciioent, 2. quikug, oum 0s>u8 tiaduerint, 86ntencia8<br />
et reczuirklttt. Die Anführung des Zchultheißen in einer Urkunde, in<br />
<strong>der</strong> es sich um Bestätigung des Rates handelt, dessen Hüter und Vertreter<br />
er selbst ist, war begreiflich genug; zudem werden in <strong>der</strong>selben Urkunde<br />
das Iagdrecht im Stadtgebiet und zwei Hufeu in Messentin den Natmannen<br />
und Einwohnern allein, nicht auch dem Schultheißen und den<br />
Schöffen verliehen.<br />
Es muß also daran festgehalten werden, daß <strong>der</strong> Schultheiß als<br />
Gcmeindebeamter seit 1312 nicht mehr vorkommt.<br />
Die hier angedeutete Verän<strong>der</strong>ung findet ihre Erklärung in <strong>der</strong><br />
Entwickelungsgeschichte des Gerichts.<br />
Das Bestreben, das Gericht vom Landesherr« zu erwerben, tritt<br />
im Mittelalter bei fast allen einigermaßen bedeutenden Städten hervor;^)<br />
in Stettin ist man erst allmählich und spät zu diesem Ziele gelangt.<br />
Mit dem Gerichte waren erhebliche Einkünfte aus den Bußen und<br />
zahlreichen Gefällen verknüpft; deshalb bildete es auch für den Landesherr»<br />
in Geldnot ein sehr wertvolles Verpfändimgs- o<strong>der</strong> Verkaufsobjekt.<br />
Es heißt nun in einem durch die von beiden Parteien erwählten<br />
Schiedsleute Bischof Johann von Cammin und Herzog Bogislaw erzielten<br />
Vergleichs) zwischen Barnim III. und Stettin von 1346 in Lunte<br />
avente ^August A3) u. a. : vortmer<br />
slie tweail cie8 rictite8 tu 8tet^n; di^t trud6e diel 8cllal die<br />
van UN86M6 veääei-en tü lene bebolcien. Wir wissen nicht, wann sich<br />
die Stadt diesen Anteil am Gerichte verschafft o<strong>der</strong> angemaßt habe,<br />
") Original in d. Etadtbibliothet<br />
") Original ebenda.<br />
") Vcrgl. u. Maurer, a. a. O.. Itt. 501.<br />
"^ Original in d. Stadtbibliothel.
Der Rat und die Ratslinie von Stettin. 93<br />
vielleicht aber erklärt sich <strong>der</strong> Streit darüber aus Folgendem. Im<br />
Jahre 13l7 verkaufte Otto i. dem Stcttiner Burger Conrad Schapow<br />
4 Wispel Korn aus <strong>der</strong> Mühle zu Kuuow uud die Ober- und Uuterwiet<br />
bei Stetti« u. a. für 5W M. Slav. unter Vorbehalt des Wie<strong>der</strong>taufes<br />
und mit dem Rechte, diesen Erwerb weiter zu verkaufen."") Das ist<br />
zwei Jahre darauf geschcheu. Des Herzogs Vögte Ourkdug I^Ikminßug<br />
und I'lmieiicuz l^uollty bezeugen 131!) April 18 ^) unter Verzicht auf<br />
alle ihnen laut Verschreibuug des Herzogs zustehenden Einkünfte einen<br />
Kaufvertrag Ottos 1., nach dem er <strong>der</strong> Stadt vertauft hat nickoium<br />
zupremum in 8tet)'n neouon amdos vic03 ciro
94 Der Rat und die Natslinie von Stettin.<br />
Es entspricht diesem so geordneten Besitzstände, wenn es in einer<br />
Aufzeichnung's) aus <strong>der</strong> Mitte des lft. Jahrhun<strong>der</strong>ts heißt: Der<br />
Schultheiß soll das Gericht hegen, „van vnscs Kades wegen vnd van<br />
vnses ^offtigcn ^andesfursten vnd Herrn wegen vnd van wegen Eines<br />
Erbaren Rades, miner Herren van Stettin".<br />
Den ihr überkommenen Teil des Gerichtes hat Königin Christina<br />
am 27. September 164.'5 und endgültig am 24. Juli 1649'') dem<br />
Nate und gemeiner Stadt verliehen, sich aber und ihren Erben die<br />
Bestätigung <strong>der</strong> Gerichtsassessoren o<strong>der</strong> Schoppen nebst den an<strong>der</strong>en<br />
iuridulz 8up6rl0riwtl8 6t, ^prieÜKtionis vorbehalten; <strong>der</strong> Nat sollte<br />
hinfort das Gericht durch seinen Stadtrichter und die elf verordneten<br />
Schöffen gebührend administrieren lassen. Das Erbrichteramt hatte<br />
Johann Friedrich 159.'j dem Adam Wussow wegen unterlassener ?ehnsmutung<br />
entzogen.^)<br />
Die Stellung des Schultheißen war, wie vorstehende Darlegung<br />
ergibt, im ^aufe des 14. Jahrhun<strong>der</strong>t eine völlig an<strong>der</strong>e geworden, als<br />
sie anfangs gewesen war; statt seiner war an die Spitze des Gemeindekollegiums,<br />
des Rates, <strong>der</strong> Bürgermeister getreten.<br />
Der Chronist Friedeborn nimmt an, ^) dies sei schon 1306 <strong>der</strong><br />
Fall gewesen; denn er gibt an, m diesem Jahre sei <strong>der</strong> Bürgermeister<br />
Arnold voll Saune, ritterlichen Ordens, gestorben, alleili für die ältere<br />
Z;it Stettins lann Fricdeborn, dem für diese nicht viel mehr Archivalien<br />
zu Gebote standen, als heute noch erhalten sind, nicht als Autorität<br />
gelten; die voll ihm behauptete Zugehörigkeit Arnolds von Saune zum<br />
Nitterstande ist zudem unrichtig; die Familie war bürgerlich, stammte<br />
aus Sänne, Kreis Osterburg; Arnold j)ou Sänne wird in den Urkunden<br />
von 1^5—1305 bald als eon8u! bald als civin, niemals als milez<br />
bezeichnet. Friedeborn folgend hält auch Herings) es für sicher, daß<br />
Arnold von Sänne um NM) Bürgermeister gewesen sei, aber die Urkunde<br />
von 1303 November 3l),^) auf die er sich beruft, beweist das keineswegs;<br />
hinter den 14 als Zeugen aufgeführten Ratmannen steht nur eon3u!iku8<br />
nuno tempori» iu 8t6ttin; von proo0N8ul68 ist darin keine Rede.<br />
Ebenso sind die von Friedeborn I, 48, 54 als Bürgermeister bezeichneten<br />
") Form ein Gericht zu hegen. Mitte 16. Jahrh., Stadtarch. Tit. XII,<br />
8oet. 2, Nr. 2.<br />
") Stadtarch. Tit. l, 3ect. 8, Nr. 48.<br />
") Über diesen Streit, in den auch die Stadt eingriff, findet sich reiches<br />
Material bei v. Bohlen Nachlaß, Manusl. ä. 385, Kgl. Staatsarch.<br />
'") Friedeborn, a. a. O., 1, 48.<br />
") bering, a. a. O., S. 72.<br />
") Pomm. Urkundenb. IV, Nr. 2051.
Der Rat und die Rattzlime von Stettin. 95<br />
Dietrich Stangevol und Petrus von Brakcl zwar als Natmannen, nicht<br />
aber als Bürgermeister urkundlich zu erweisen.<br />
So wenig daher die Möglichkeit eines früheren Vorkommens von<br />
Bürgermeistern in Stettin geleugnet werden darf, so muß doch, bis sich<br />
vielleicht noch ältere urkundliche Nachweise finden, daran festgehalten<br />
werden, daß erst 1345 Bürgermeister nachzuweisen sind. In einem<br />
Vergleich zwischen dem Abte Goswin von Colbatz und <strong>der</strong> Stadt<br />
Grcifenhagen wegen einer Heide bei Stettin 1345 (lis äommica.ludi^n.<br />
(13. März)") unterzeichnen als Zeugen Borchard Swinense und<br />
Hermann von <strong>der</strong> ^ippe, Bürgermeister, dann 5 Natmannen vou Stettin,<br />
9 von Greifenhagen.<br />
Darf man aus dem gleichzeitigen Auftreten von zwei Bürgermeistern<br />
schlichet«, daß die jährliche Umsetzung des Rates schon damals bestand<br />
(die vielleicht schon aus dem Knochenhauerprivileg von 1312 gefolgert<br />
werden kann), so liegt allerdings die Annahme sehr nahe, daß die Ein-<br />
setzung von Bürgermeister« nicht erst 1345 erfolgt sein kann.<br />
Die Glie<strong>der</strong>ung und Umsehung des Mates erscheint in den seit 1416<br />
erhaltenen Umsetznngsliften als eine längst bestehende, festgewurzelte<br />
Einrichtung; sie bietet m großen Umrissen ein Bild <strong>der</strong> Geschäfte des<br />
Rates; deun die beständig wachsende Menge <strong>der</strong> kommunalen Aufgaben<br />
bedingte die Übertragung mehrerer Funktionen auf jeden Natmann, ohne<br />
daß gleich ein neues Amt geschaffen wurde. Daher kommt m diesen<br />
älteren Umsehungslisten z. V. die gesamte hansische Tätigkeit des Nates,<br />
namentlich die jährliche Entsendung eines Natmannes anf die Fitte in<br />
Falsterbo als Schonenvogt, die Aufsicht über die Instandhaltung des<br />
Nefestigungswesens, den Wachtdienst, die Stellung <strong>der</strong> Ratsherren als<br />
Beisitzer bei den Morgensprachen <strong>der</strong> Werte u. a. noch nicht zum Ausdruck.<br />
Der Sinn und Zweck diejer jährlichen Umsetzung ist klar. Es<br />
war für einen Kaufmann, zumal bei <strong>der</strong> Eigenart des damaligen Handels-<br />
betriebes, <strong>der</strong> oft längere Abwesenheit von Stettin bedingte, nicht leicht,<br />
sich länger als ein Jahr den Ttadtgeschäften zu widmeu, und es finden<br />
sich genug Beispiele, daß <strong>der</strong> Gewählte dringend unter Hinweis auf seine<br />
Geschäfte um Verschonung bat. So ist z. V. Hermann Pape in den<br />
Jahren 13M—W uicht weniger als neunmal auf Hansetage geschickt<br />
worden. Henning Westfal von 1363—75: dreizehumal, Otto Iageduvel<br />
von 1382—14l)5: sechsmal, Dietrich Walker von 1369—79: dreimal<br />
und außerdem war er noch Befehlshaber des städtischen Kontingents im<br />
Kriege gegen König Waldemar von Dänemark 13
96 Der Nat und die Ratslinie "on Stettin.<br />
sicherte dies Zusammenwirken des Amtsinhabers mit seinem Mithelfer,<br />
dem Verwalter desselben Amtes im Jahre zuvor, eine festbegründete<br />
Tradition in <strong>der</strong> Verwaltung.<br />
In <strong>der</strong> Kämmerei-Verwaltung hatte <strong>der</strong> regierende Kämmerer<br />
seinen Mithelfer bei allen gemeinen Sachen hinzuzuziehen und nach einhelliger<br />
Beratung mit ihm alles zu erledigen, aber er allein hatte die<br />
Vorladung, die Proposition und den Beschluß; er allein trug die Verantwortung<br />
für die richtige Buchführung, für die mit Mare abzuschließende<br />
Kämmerei-Rechnung und die mit dieser zugleich zu Philippus Jakobus<br />
einzureichende Administrationsrechnung über alle Stadtgüter. "^)<br />
Im Jahre l4I
Der Rat und die Rattzlmie von Stettin. 97<br />
wir gar 4 Vierherren, je 2 für den obersten, 2 für den untersten Stadt-<br />
keller, doch 15>4tt wie<strong>der</strong> nur 1; 15tt.'5 waren wie<strong>der</strong> 3 'Mühlenherren,<br />
1 für die Malzmühlen, 1 für die Ober- uud Kuckucksmühlen. Von<br />
1s>58—i)2 fehlen die Ziegelherren, da in dieser Zeit die städtischen<br />
Ziegeleien den Kämmerern unterstellt waren. 15N2 erscheinen zncrst<br />
2 Fleiichherren, doch 15>64 wird dlt Aufsicht über den Fleisch- und<br />
Brotverkauf den Wedl^eherren, !:'iftf) den Fischherreu übertragen, und erst<br />
15)85 zwel Inspektoren <strong>der</strong> Bettlerordnung, 15>9l)<br />
2 <strong>der</strong> Kramordnung. Dazu müssen noch die Natsämter <strong>der</strong> Beisitzer<br />
bei den Werken und an<strong>der</strong>en Korporationen gerechnet werden; 15X0<br />
waren es 40, IM 7 schon 58; 1^37: 74.<br />
Es bietet wenig Interesse, die weitere Ausbildung <strong>der</strong> Natsverwaltung<br />
im einzelnen durch das 17. Jahrhun<strong>der</strong>t zu verfolgen. Wollte man<br />
allein nach dieser bei einer Einwohnerzahl von etwa 5lX)l> schier<br />
beängstigenden, in beständigem Zunehmen begriffenen Häufung von<br />
Ämtern die Verwaltung des Nates beurteilen, so war sie allerdings gut,<br />
aber die unvermeidliche Folge dieser Vielregiererci, die Belastung <strong>der</strong><br />
Ratsherren mit zahlreichen Funktionen verschiedenster Art, die oft sehr<br />
mangelhafte, zum Teil fahrlässige Verwaltung dieser Ämter, die wachsende<br />
Unlust, sich in den Nat wählen lassen, trat doch anch in Stettin zn<br />
") Dft raä 6« liuti» v^nem ^8?ill«n, 62t li
98 Der Rnt und die Natslinie von Stettin.<br />
Anfang des 17. Jahrhun<strong>der</strong>ts klar zutage und hat die Stadt einem<br />
unrühmlichen finanziellen Zusammenbruch cntgegengeführt.<br />
Im Jahre 1AX), kurz vor dein Beginn <strong>der</strong> preußischen Herrschaft,<br />
war die Ratsverwaltung diese: l regieren<strong>der</strong> Bürgermeister, l mithelfen<strong>der</strong><br />
Bürgermeister, 1 worthaben<strong>der</strong> Kämmerer, 1 mithelfen<strong>der</strong> Kämmerer,<br />
l Stadtschltltheitz, ä ^astadische Gerichtsvögte, für die Wein- und Niernie<strong>der</strong>lage<br />
3, AoNwerksherren 3, zur Erhebung <strong>der</strong> Krangefälle I,<br />
Inspektoren <strong>der</strong> Arauordnung
Der Rat und die Ratslinie von Stettin. 99<br />
Quartierherren und wird <strong>der</strong> Direktor des Quartierambts, wenn<br />
und s)cmtr6M9.rck6n vorgehen, wegen des Stadteigenthumbs ein wachendes<br />
Auge zn haben kommittiert, wegen <strong>der</strong> Servicen aber werden dieselben mtt<br />
E. E. Naths Vorwissen und Konsens allezeit Verordnung machen.<br />
Die Zahl <strong>der</strong> Werke, Gilden und an<strong>der</strong>en Verbände belief sich auf<br />
5l) und erfor<strong>der</strong>te etwa IM Natsbeisiher.<br />
Diese ganze Verwaltung hatten 17 Natspersonen zu leisten.<br />
Für die seit dem finanziellen Zusammenbruch zu Allfang des<br />
17. Jahrhun<strong>der</strong>ts hillsiechende Stadtverwaltuug wle für die durch das<br />
Darnie<strong>der</strong>liegen des Handels, dnrch Krieg und Belagerungen verarmte<br />
Bürgerschaft, <strong>der</strong> die Krone Schweden wenig Hülfe zu bieten vermochte,<br />
war <strong>der</strong> Übergang unter preußische Herrschaft ein Gewinn.<br />
Gleich nach <strong>der</strong> Besitzergreifung des im Stockholmer Frieden<br />
erworbenen Teiles Pommerns mit Stettin ernannte König Friedrich<br />
Wilhelm I. eine Kommission zur Umersuchuug des „rathäuslichen Wesens";<br />
sie bestand aus dem Generalleutnant voll Borcke, dein Geheimen Kricgs-<br />
rat von Lettow, dem Hofgerichtsrat von Vaurens, dem Hofrat Winkclmann,<br />
dem Steuerrat Uhl. Bereits am ^2. Mai 1722 eröffnete diese dem<br />
Nate, daß die in künftiger Woche beabsichtigte solemnelle Natswandelnng,<br />
da dieselbe durch die dabei vorgehende seltsame Zeremonien, auch dem<br />
Pnbliko dabei ohne alle Not zu kausirende Depensen S. Kon. Mat.<br />
Willenslneinttng gänzlich zuwi<strong>der</strong>, abgeschafft sei; die Natswandeluug<br />
habe hlnfort stets zu Neujahr nach beson<strong>der</strong>er Vorschrift zu erfolgen. ^)<br />
Über die Ratswahl geben das für die hiuterpommerscheu Städte<br />
erlassene Edikt des Königs vom 17. März 1717, das durch königliche<br />
Verfügung vom 18. Januar 1725 auch auf Stettin erstreckt wurde, und<br />
das im wesentlichen damit übereinstimmende, aus den Beratungen <strong>der</strong><br />
Kommission hervorgegangene „Htathhäuftliche Regiment <strong>der</strong> Stadt Alten-<br />
Stettin lle Itt öl:lltll 1723"^) die genauesten Vorschriften. Der König<br />
spricht in dem Edikt zuerst seilten Unwillen über dell bis dahin bei den<br />
Ratswahlen betriebenen Mißbrauch aus, indem mau mehr auf Ver-<br />
wandtschaft und Freundschaft, als auf Tüchtigkeit gesehen und also die<br />
Ratskollegien mit untüchtigen, ungelehrten o<strong>der</strong> solchen Persollen beseht<br />
habe, welche eiu und an<strong>der</strong>er Partei angehangen und durch die Vielheit<br />
<strong>der</strong> Stimmen den übrigen Ratsgliedcrn überlegen gewesen und folglich<br />
mehr auf ihre» Eigennutz und Vortell, denn auf <strong>der</strong> Städte Aufnehmen<br />
und unparteiische Administrierung <strong>der</strong> Justiz gesehen. Den Magistraten<br />
soll das freie Wahlrecht verbleiben, jedoch sollen sie jedesmal unbeschwägerte<br />
und tüchtige Subjekte auf die Wahl bringen, über sie ein richtiges<br />
") Sladtarch. Tit. Xl, Oener.Nr. 16<br />
") Loeper. Manuskr. 182.
MO Der Nat und die Ratslinie von Stettin<br />
Protokoll halten, die Vota darinnen bringen und dasselbigc den rathäuslichen<br />
Kommissarien einsenden, die nach ihrer Pflicht zu untersuchen haben, ob<br />
<strong>der</strong> e!ecw8 nicht mit den 6lißelltidu8 verwandt und ob er tüchtig sei,<br />
seiner Funktion vorzustehen. Zur Erforschung seiner Tüchtigkeit haben<br />
diese ihm gewisse Akten zu übergeben, damit er daraus cum vow referiere<br />
o<strong>der</strong>, wenn er als Kämmerer <strong>der</strong> Ökonomie vorstehen solle, einen gewissen<br />
ökonomischen Allschlag und eine Probe vom Rechnungswesen mache.<br />
Ein Bericht über den Ausfall dieser Prüfung ist jedesmal an den<br />
König zu schicken, <strong>der</strong> daraufhin die Bestätigung erteilen wird, sich aber<br />
vorbehält, den elsowg selbst nach Hofe kommen und allda seine Fähigkeit<br />
noch mehr explorieren zu lassen. Nach diesem Wahlreglemeut ist bis<br />
18W verfahren worden. Mit <strong>der</strong> alten Freiheit <strong>der</strong> Wahl war es vorbei;<br />
die königliche Kriegs- und Domänenkammer übte die strengste Aufsicht<br />
und schlug oft selbst geeignete Personen für die Natsämter vor, die<br />
abzulehnen schwer war.<br />
Bereits 1719 hatte Friedrich Wilhelm I. an die Kriegs- und<br />
Domäneukammer verfugt,"") sie solle an den Magistrat das Ansinnen<br />
stellen, seinen Hollverwalter Katsch in Stettin zum Senator zu wählen,<br />
ohne Präjudiz des freien Wahlrechts; beachte aber <strong>der</strong> Magistrat die<br />
königliche Fürsprache nicht, so solle sie die Bestallung des Katsch trotzdem<br />
veranlassen. Das führte zn langen Verhandlungen, in denen <strong>der</strong><br />
Magistrat bat, mit <strong>der</strong> angesonnenen Wahl verschont und bei seinem freien<br />
Wahlrecht belassen zu werden. Schließlich erwirkte <strong>der</strong> General von Borcke<br />
einen <strong>der</strong> Stadt günstigen Ausgang, indem er dein Könige vorschlug,<br />
dem Katsch durch das General-Fmanz-Direktorium einen an<strong>der</strong>en an-<br />
sehnlicheren Dienst zu geben und für den hiesigen Zoll einen Verwalter<br />
setzen zu lassen, <strong>der</strong> keine weitere Ambition habe.<br />
Im Jahre 1728 wurden zu Senatoren gewählt die beiden Skabinen<br />
Iädicke und Mathias, zu überzähligen Senatoren Altermann Mauve<br />
und eanä. inr. Oesler. Drei Tage später erging ein Nestript <strong>der</strong> Kriegs-<br />
ilnd Domänenkammer, die gewählten Personen seien noch nicht aä 5688iol!6m<br />
zuzulassen, vielmehr habe sich <strong>der</strong> Magistrat durch Deputierte am<br />
^1. Januar darüber zu rechtfertigen, weshalb er wi<strong>der</strong> die klare Dis-<br />
position des rathäuslichen Regiments eine pure Schwägerwahl vorgenommen,<br />
auch überzählige Senatoren ohne Not in Vorschlag gebracht habe. Die<br />
vier Gewühlten wurden dann allerdings bestätigt, nachdem die Rats-<br />
deputierten den Sachverhalt dahin aufgeklart hatten, daß Iädickes verstorbene<br />
Frau die Schwester des Senators Stolle gewesen, Oeslers verstorbene<br />
Schwester mit Senator Willich verheiratet gewesen sei.")<br />
") Swdtarch. Tit. Xl. 8«et. 1, Nr. 21.<br />
") Stadtarck. Tit. XI, Gener. Nr. 14.
Der Rat und die RatSlime von Stettin. Ml<br />
Im Jahre 1750 erzwang die Kriegs- und Domänenkammer auf<br />
Befehl des Königs die Wahl des Fabrikeninspeltors Filius zum Senator,<br />
1768 seines Nachfolgers Thilow. und 17^4 bestimmte <strong>der</strong> König, es<br />
sollten gar teine überzahligen Senatoren mehr angesetzt, son<strong>der</strong>n an <strong>der</strong>en<br />
Stelle junge geschickte bellte, die sich zum Dienst qualifizieren, als<br />
Neferendarien bestellt werden, welche die Emeritos unterstützen, doch nme<br />
voto, und bei Vakanzen ajcendiren.<br />
Diese Beispiele dürften genügen, um das Wahlrecht des Nates in<br />
<strong>der</strong> Periode von 1719—IKNN zu charakterisieren.<br />
Das Natskollegium erfuhr durch das vom Könige am 18. März 172A<br />
erlasseue „Ratkhäußliche Regiment <strong>der</strong> Stadt Alten-Stettin" eine durchgreifeude<br />
Umgestaltung. Es bestand fortan aus dem dirigierenden<br />
Bürgermeister, <strong>der</strong> zugleich als ^!audrat nach eiuer vom Kollegium<br />
verfaßten Instruktion die Stadt auf den Landtage» zu vertreten hatte,<br />
dem zweiten Bürgermeister, dem das Polizeiweseu, insbeson<strong>der</strong>e Bauamt,<br />
Feuerlöschwesen, Fleisch- und Brotscharru, Aufkäuferei, Kirchen, Schulen,<br />
Hospitale, Armenwesen u. a. unterstellt waren; dem Stadtrichter o<strong>der</strong><br />
iuclex p6l-pstuu3, dem zu mehrer Autorisierung das Prädikat eines<br />
Bürgermeisters beigelegt wird; dem Syndikus;^) dem Kämmerer, dem<br />
Zulagsdircktor uud Adjunkten des Kämmerers und 10 Senatoren.<br />
Dem dirigierenden Bürgermeister wird es zur Pflicht gemacht,<br />
aufzupassen, daß Je<strong>der</strong> die Ratssitzungen — wie bisher Dienstags und<br />
Freitags — besuche, die ohne Grund Fehlenden sind im Neglektenbuche<br />
zu notieren, aus dem monatlich ein Auszug <strong>der</strong> pommerschen Kricgsund<br />
Domäneukammer einzureichen ist; die Strafe für jede ohne Entschuldigung<br />
versäumte Sitzung von 6 Gr. fällt <strong>der</strong> Armenkasse zu.<br />
Kein Ratsherr darf ohne Wissen des dirigierenden Bürgermeisters über<br />
Nacht aus <strong>der</strong> Stadt bleiben o<strong>der</strong> unnötige Reisen machen.<br />
Die Ämter <strong>der</strong> Beisitzer bei den Gewerken bleiben den Senatoren,<br />
doch bei jedem nur einer, <strong>der</strong> vom Kollegium ohne Rücksicht auf Alter<br />
") In bezua auf die Stellung des Syndikus erging 20 Apr. 1768 folgen<strong>der</strong><br />
kgl. Bescheid: Als <strong>der</strong> Syndikus Blindow annezeiget, wie <strong>der</strong> zur Wahl eines<br />
Justiz Bürgermeisters angesetzt gewesene Terminus deshalb rückgängig geworden,<br />
weil Ihr euch eines Vorrechts im Directorwm vor ihm anmahen wollen und<br />
darauf <strong>der</strong> von dem Magistrat erfor<strong>der</strong>te Bericht eingekommen, so haben wir Eure<br />
höchst unschickliche Prelension Euch bey Abwesenheit das Landraths und <strong>der</strong>er<br />
übrigen Bürgermeistern vor dem Syndico des öireerori, anzumaßen und selbigem<br />
sogar das Volum bey Wahlen oerer Bürgermeister zu streiten Euch hiermit verweisen<br />
wollen, weiln dem Syndico das Votum nach dem Nalbäuhl. Reglements<br />
competirel, ü<strong>der</strong>dehm auch sämtliche Membra Magistraws darunter emig sino, daß<br />
<strong>der</strong> Syndicus a. voto ^ireotoni bey adwesenheit <strong>der</strong>er Vorsitzenden Mitglie<strong>der</strong> nicht<br />
zu excludiren, wonach Ihr euch zu achten. Gerichtet an den Kämmerer Pauly<br />
Stadtarch. Tit. XI, Gener. Nr. 14, vol. 3.
102 Der Rat und die Rattzlinie von Stettin.<br />
und Rang zu bestimmen ist, sich bei Strafe <strong>der</strong> Kassation <strong>der</strong> Übernahme<br />
nicht weigern darf; bei dem Kaufmann, den Kramern, Brauern darf kein<br />
Senator <strong>der</strong>selben Profession sein; nicht auf einen Senator dürfen die<br />
Assessorate <strong>der</strong> vornehmsten Gemerle verteilt werden.<br />
Der Stadtrichter, <strong>der</strong> ein Graduierter o<strong>der</strong> praktisch geschulter Jurist<br />
sein muß, wird nicht wie bisher auf 3 Jahre, son<strong>der</strong>n perpetuierlich<br />
vom Natskolleg aus dessen Mitte allein nach <strong>der</strong> Kapazität gewählt,<br />
nötigenfalls auch einer außerhalb des Nates. Die Zahl <strong>der</strong> elf Slabinen,<br />
dazu möglichst iun8 eoll8nlt.i zu bestellen, bleibt dem Kollegium selbst,<br />
doch wählt <strong>der</strong> Stadtrichter mit, <strong>der</strong> bei Stimmengleichheit entscheidet.<br />
Der Nat hat die Gewählten zu bestätigen.<br />
Das Lastadische und Vorslädter-Gericht wird in das Nathans<br />
verlegt; es besteht aus einem Literaten als Vorsitzenden (prastor) und<br />
einem Kaufmann als Assessor; von den lastadischen Einwohnern sind,<br />
falls sie nicht darauf verzichten, auch ferner sechs als Schöffen zuzulassen.<br />
Das alte Wettegerickt, so nur in Handlungssachen Kognition hat und<br />
ein iuäicium 8umlual-ium ist, bleibt wie bisher des Handels wegen, doch<br />
soll in Ermangelung eines an<strong>der</strong>en tüchtigen Juristen <strong>der</strong> Ttadtrichter<br />
präsidieren; neben ihm gehören 2 Senatoren und 4, 6, tt Kaufleute<br />
dazu; die Appellation geht au deu Senat.<br />
Das Seegericht (Watergericht), welches auf dem Seglerhanse<br />
st Kaufmannsälteste hegen und welches die Streitigkeiten zwischen Schiffern<br />
und Befrachtern, Ree<strong>der</strong>n und Schiffern entscheidet, wird dem Wettegericht<br />
gleich geordnet.^)<br />
Am bedeutsamsten aber war die ganzliche Neuordnung des Kämmerei-<br />
wesens. Abgeschafft wurden die verschiedenen getrennten Kassen. Der<br />
Kämmerer allein hat die Verwaltung nach dem neuen Nechnungsetat<br />
und den Schematen zu führen, seiu Mauual jährlich Ende Dezember<br />
abzuschließen und spätestens vier Monate darauf anfangs Mai >n (Oziili<br />
nebst allen Belegen dem Magistrat einzureichen; dieser übersendet es den<br />
17 Männern aus <strong>der</strong> Bürgerschaft zur Einsicht acl monendum auf<br />
14 Tage, dann hat <strong>der</strong> Senat selbst sofort die Hauptremsion und dle<br />
Prüfung <strong>der</strong> Monita vorzunehmen und alsdann das Ganze <strong>der</strong> Kriegs- und<br />
Domänenkammer bis zum 1. Juli einzureichen. Für die Kasse ist <strong>der</strong><br />
Kämmerer verantwortlich, <strong>der</strong> eine KanNon von 40M TM. zu stclleu hat.<br />
Der zweite Kümmerer o<strong>der</strong> Zulagsdirettor hatte die Zulage ")<br />
nebst den Kran- und Bollwerksgefällen nach <strong>der</strong> neuen Zulagsrolle und<br />
n) Die älteste erhaltene Ordnung des Seesserichts ist von 1536 Loeper,<br />
a. a. O, 1tt2, Sladtarch. Tn. XII. 3rcl 4. Nr. 1.<br />
") Vergl. meme Abhandlung: Stettins finanzieller Zusammenbruch im<br />
Anfang des 17. Jahrh. Vali. Stud. N. F. XII, S. 87.
Der Rat und die Ratslime von Stettin. 103<br />
den am Baum und am Tor gemachten Verzeichnissen in monatliche<br />
Manuale einzutragen und Ende jedes Monats nebst dem eingekommenen<br />
Velde abzuliefern, nachdem <strong>der</strong> Kontrolleur die Zuiagsmanualia mit<br />
dem Atziseregister kollationiert und nachlaltuliert hatte.<br />
Schon diese Mrundzüge <strong>der</strong> neuen Stadtverfassung lassen überall<br />
den Geist scharfer Aufsicht <strong>der</strong> Staatsbehörde über die Verwaltung des<br />
Rates erkennen. Dem entsprach durchaus die durch das ganze Iahrhnn<strong>der</strong>t<br />
geübte Praxis. Der König hatte bestimmt, daß <strong>der</strong> Rat jährlich eine<br />
beson<strong>der</strong>e Aste <strong>der</strong> abgehaltenen Ratssitzungen, <strong>der</strong> dabei Anwesenden und<br />
Fehlenden und <strong>der</strong> Gründe ihres Fehlens an die Kriegs- und Domäncnkammer<br />
einreiche. Auf Grund dieses königlichen Befehles verfügte die<br />
Kammer 11). August 1743: „weil sich findet, daß <strong>der</strong> Bürgermeister<br />
.Klstmacher, die Senatoren Willig, Daberlow, Kornmesser die rathäuslicheu<br />
Sessionen entwe<strong>der</strong> wohl gar nicht o<strong>der</strong> doch gar selten abwarten, es<br />
aber unverantwortlich, daß die Kämmerei denenjenigen Tractamcut reichen<br />
soll, welche keine Arbeit belim Nathhauß thun und an<strong>der</strong>e gute Arbeiter<br />
dadurch mit Arbeit überhäufft und verdrießlich gemacht werden", so hat<br />
Referent anzuzeigen, 1. wieviel Seisiones sie im abgewichenen Jahre<br />
versäumt uud 2. eines jeden Verantwortung, auch von denen, so sich<br />
A. auf Krankheit beruften, sein Attest vom Medico ihres Unvermögens<br />
halber zu erfor<strong>der</strong>n und solches einzusenden, 4. dabey auch zu berichten,<br />
ob einer o<strong>der</strong> <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e das Nathhäusliche Traktament zu seiner Subsistenz<br />
gebraucht. Die vom Nate darauf eingereichte Designation ergab,<br />
daß von 9l) Sitzungstagen Kistmacher an 71, Willich an 73, Dabertow<br />
an 9A, Kornmesjer an 76 gefehlt hatten.<br />
Im Jahre 1753 September 10 for<strong>der</strong>te ein neuer Erlaß die Einreichung<br />
<strong>der</strong> sogenannten Neglektenzcttel an die Kriegs- und Domänentammer<br />
am Ende jeden Monats und bestimmte zngleich die Natssitzungen<br />
sollten im Sommer um 8, im Winter nm 9 Uhr anfangen und bis<br />
12 Uhr dauern; nur den kaufmännischen Senatoren war erlaubt, an<br />
den Posttagen erst um 10 Uhr zu erscheinen.<br />
Man steht, mit <strong>der</strong> alten Selbstherrlictikeit des Nates war es<br />
gründlich vorbei, aber es war auch vorbei mit <strong>der</strong> Vetternwirtschaft, <strong>der</strong><br />
schwerfälligen Verwaltung und <strong>der</strong> Tchuldenmacherei, welche die Stadt<br />
dem wirtschaftlichen Nie<strong>der</strong>gang entgegengefuhrt hatten. Erst unter dieser<br />
neuen, von Friedrich Wilhelm I. begründeten Ordnung <strong>der</strong> Dinge ist<br />
Stettin nach jahrhun<strong>der</strong>telangem Siechtum wirtschaftlich gesundet. Nicht<br />
als eine Periode des Nie<strong>der</strong>ganges soll may diese beklagen, son<strong>der</strong>n als<br />
ein notwendiges Übergangsstadmm, als eine Schnle zu wahrer Selbstv«rw°lt.mg<br />
ansehen.
104 Der Rat und die Ratsltnie von Stettin.<br />
Mit <strong>der</strong> Einführung <strong>der</strong> Städteordnung vom 19. November 1808<br />
begann eine neue Entwickelungsperiode. Der von <strong>der</strong> Stadtverordneten-<br />
Versammlung am 15. und 22. Juni 1809 gewählte Magistrat bestand<br />
aus: 1) Oberbürgermeister Kirstein, 2) 1. Stadtrat und Bürgermeister<br />
Redepenning, 3) 3. Stadtrat und Syndikus Schmiedicke, 4) 3. Stadtrat<br />
und Kämmerer Bourwieg, 5) 4. Stadtrat für das Militärfach<br />
Masche, 6) 5. Stadtrat für das Bau- und ^konomiefach Frie<strong>der</strong>ich<br />
Dazu kamen 15 undcsoldete Stadträte, nämlich Kaufmann Wißmann,<br />
Postmeister Hauptmann a. D. von Rappin-Thoyras, Votsenkommaudeur<br />
Nüske, Kommerzienrat Dilschmann, Senator (Vraff, Kaufmann ^udcndorff<br />
5on., Seifeufabrikaut Nouvel, Seifenfabrikant Zehme, Kaufmann<br />
Wachenhusen, Nraueigen ^edoux sen., Senator Kaufmann Nahm, Kaufmann<br />
Wiehlow, Hofapotheler Thiemann, Kaufmann voll Essen, Kaufmann<br />
Dohrn.<br />
Über die Einkünfte <strong>der</strong> Natsmitglie<strong>der</strong> fehlen für die ältere Zeit<br />
alle Nachweise; was für die spätere Zeit aus den Akten zu ermitteln<br />
war, ist im Folgenden zusammengestellt worden.<br />
1614: Bürgermeister: 100 fl., 10 Gänse, 30 Hühner, 16 Faden Holz.<br />
Kämmerer: 50 „ 6 .. 15 „ 10 „ „<br />
Ratsherren: 10 „ 4 „ 10 ,. 8 „<br />
1681: Bürgermeister: 200 fl., 24 Faden Holz.<br />
Kämmerer: 140 „ 18<br />
Ratsherren: 46 ., 16 Schill. 13 Faden Holz.<br />
1723: regier. Bürgermeister: 200 Thl., Akzidenzien 200 Thl.<br />
Bürgermeister: 156 ., „ 96 „ 3 Schill.<br />
Kämmerer: 156 ., „ 92 ., 32 „<br />
Senatoren: 74 „<br />
1723 : dirig. Bürgermeister: 200 Thl., — Gr., Atzid. 250 Thl. — Gr.<br />
2. Bürgermeister: 200 „ — „ „ 68 ,. l0 „<br />
3. Bürgermeister: 200 „ — „ ., 68 „ 10 „<br />
Syndikus: 406 „ 16 ., „ 79 ., — „<br />
Kämmerer: 104 „ — „ „ 70 ., — .,<br />
Senatoren: 49 ,. 8 ,. „ 32 .. 2'/« ..<br />
1779: Ober-Bürgermeister: 527 Thl., — Gr., 3 Psg.<br />
2. Bürgermeister: 382 ., 13 „ 6 „<br />
3. Bürgermeister: 467 „ — ,. 2 .,<br />
Syndikus: ^ 583 ., 5 „ 1 ,.<br />
admimstr. Kämmerer: 387 „ 11 ,. 1 „<br />
mith. Kämmerer: !54 „ 18 „ 6 „
Der Rat und die Ratslime von Stettin 105,<br />
1779: Senatoren (11): 1 ^200Thl., 15(Nr.,3Pfg; 1 - 197Thl.,<br />
14 Nr., 4 Pfg.; die an<strong>der</strong>n zwischen<br />
64 TU., 12 Gr., 6 Pfg. — 17 Thl.,<br />
23 Gr., 1 Pfg.<br />
1809: Ober-BNrgermeister: 1600 Thl.<br />
Bürgermeister: 1500 „<br />
Syndikus: 1200 „<br />
Kämmerer: 1200 „<br />
4. u. 5. Stadtrat: 1100 .. u. 1000 Thl.<br />
1864: Ober-Bürgermeister: 3300 Thl.<br />
Bürgermeister: 2200 „<br />
Syndikus: 1400 „<br />
Kämmerer: 1200 „<br />
die übrigen Stadträte: 1400 bis 1600 Thl.<br />
1912: Ober-Bürgermeister: 25000 Mk. ^ 3000 Mk.<br />
Bürgermeister: 14000 „ ^- 1000 .,<br />
Syndikus: 9 600 „<br />
Kämmerer: 9 600 „ ^ 1000 „<br />
3 Stadtbauräte: 13000, 11000, 11000 .,<br />
2 Schillräte: 8 400 Mk.<br />
4 Stadträte mit: 1 -- 10600, 2 ^ 8400, 1 - 7200 Mt.
1O> Der Rat und die Ratslinie von Stettin.<br />
Die Natslinie.<br />
Eine amtlich geführte Liste <strong>der</strong> Natsmitglie<strong>der</strong> hat es in Stettin<br />
wohl kaum gegeben, und wenn es <strong>der</strong> Fall war, so ist sie längst verloren<br />
gegangen. Die Herstellung einer solchen nnistte daher ans den hentc<br />
noch erhaltenen verschiedenen Quellen erfolgen. Für die älteste Zeit<br />
lieferte den größten Teil <strong>der</strong> Namen das Pommersckie Urknndenbuch I—VI.<br />
das jetzt bis 1325 reicht; daneben wurden benutzt Drcger, collcx äipiom.<br />
Corner. Vand VII—XI, eine Sammlung von Urkuudeuabschriften. die<br />
sich im Königl. Staatsarchiv zu Stettin befindet; das älteste Stettiner<br />
Stadtbnch von 1305—1352, das allerdings große Lücken aufweist; <strong>der</strong><br />
sogenannte lik^r 3. .lacobi, herausgegeben von G. Haag im Programm<br />
des Stadtgymnasiums 1^76; das iu z.vei Teilen erhaltene Buch geistlicher<br />
Verlassungen (Verlatinge von S. Jakobs vnd S. Niclas) von 1373 bis<br />
15)22; <strong>der</strong> li<strong>der</strong> ^lierslm-um 1400—1426 uud zahlreiche Urkunden des<br />
Stadtarchivs (in <strong>der</strong> Ttadtbibliothek) und des Königl. Staatsarchivs.<br />
Auch ans den Hanserezessen I, l, 2, 3, 4, 5, 6; II, 2, 3, 4, 5, il;<br />
III, 1; dem Hansischen Urknndenbuch 3, 4, 5, 7; dem bübischen Urtundenbuch<br />
3, 4, 5; Riedel, coäex Diplomat. fTransltmlx III, I. ließen<br />
sich etliche Namen gewinnen.<br />
Mit dem Jahre 1370 beginnt die Natsliste des Stettiner Chronisten<br />
Paul Friedeborn (Historische Äeschreibuug vou Alten^Stettm, 1613, II,<br />
Anhang S. 169 f.), die bis 1610 reicht. Sie beruht auf urkundlichem<br />
Material, aber sie ist nicht vollständig, chronologisch vielfach ungenau<br />
und in <strong>der</strong> Schreibung <strong>der</strong> Namen zum Teil unrichtig. Falsch gelesen<br />
sind z. N. Sötcvoht, Hogenstrustem, Hackebold, Klotze statt Sötcbottcr,<br />
Hogensteen, Herbold, Klotzow. Für eine Nachprüfung <strong>der</strong> Vlste Frledcborns<br />
sind von beson<strong>der</strong>em Werte die von 1416 an erhaltenen Umsctzuugslistcu<br />
des Nates, die bis 1700 vorliegen. (Stadtarchiv XI, Neuer. Nr. 1,<br />
vol. 1,2; 1, 2, 3). Mit dem Jahre 1545 beginnen die kurzen, zuweilen<br />
ausführlichen Aufzeichuungen über die Natswahlcu, die bis 1911 fortgeführt<br />
siud (Stadtarchiv Tit. XI. Gener. Nr. 5—16); sie sind znmclst<br />
von den verschiedenen Stadtsekretären gemacht, aber nickt ohne Lücken,<br />
die aus an<strong>der</strong>en Natsakten sich jedoch ergänzen ließen.<br />
Die Angaben über den Hcimatsort und Oeruf <strong>der</strong> Natsglie<strong>der</strong> sind<br />
hauptsächlich aus deu beiden Bürgerbüchern von 1422—1603, 1603 bis<br />
entnommen worden l^Stadtarch. Tit. XIII, Speziai. Sekt. 1, 2).
Der Nat und die Rattzlwie von Stettin. 107<br />
Für die älteste Zeit sind in die Ratslinie aufgenommen worden<br />
die Namen <strong>der</strong>jenigen, die urkundlich ausdrücklich als Natmannen dezeichnet<br />
werden; ferner <strong>der</strong>jenigen Bürger (dnr^en3e«), die bis zum Jahre 1263<br />
als Zeugen anftreten. In diesem Jahre lassen sich überhaupt zuerst<br />
Ratmannen nachweisen, und bis dahin übte das Schöffenkolleginm die<br />
Geschäfte des Rates ans. Außerdem sind noch einige Namen solcher<br />
Vürger hinzugefügt worden, die nach 1263 anftreten, zwar nnr als<br />
civ6ti o<strong>der</strong> durgenze» bezeichuet werden, <strong>der</strong>en Eigenschaft als Natmannen<br />
aber ans dem Zusammenhange <strong>der</strong> Urkunde und dadurch erwiesen zu sein<br />
schien, dah sie in Verbindung mit dem Schultheißen und an<strong>der</strong>en als<br />
Ratmanncn beglaubigten aufgeführt werden, wie ja auch beglaubigte<br />
Natmannen in <strong>der</strong> einen Urkunde C0il8ui63, in einer an<strong>der</strong>en civ63<br />
genannt werden. Diese wenigen Namen sind durch einen * bezeichnet<br />
worden.<br />
Crnll, die Ratslinie von Wismar, hansische Veschichtsquellen, 1tt65,<br />
S. X, vertritt die Auffassung, das; alle die nicht als oongulog charak-<br />
terisierten Zeugen solche seien, wenn sie nur als lmr^enZe«; bezeichuet<br />
werden; diese lhre amtliche Eigenschaft folge aus dem Rechte uud <strong>der</strong><br />
Pflicht des Rates zur Vertretung <strong>der</strong> Stadt; die in einer Urkunde als<br />
oon8ule8, prefecw3 cle<br />
et alii; oon8ulc»8, scnlwwä, 8t^l>ini, msuper klii<br />
3', 1'ki6ei'icu8 8u.l>ieil8, ^Vt!rn6rn8 ^sus1ll6N8 6t.<br />
con8ulo8
Der Rat und die Ratslinie von Stettin<br />
Die Ratslinie von Stettin.<br />
Abkürzungen:<br />
P U. — Pommersäies Urkllndenbuch.<br />
Dr. ---- Dreyer, eo^sx äipIomarieuZ ?omer.<br />
Fr. --- Fr'edeborn, Historische Beschreibung von Alten Stettin.<br />
St. St. - Steltiner Sladlbuch 1305—52<br />
j. 8. ^. — li<strong>der</strong> sHno^i «/lzcobi.<br />
St. Sta. -- Stettlner Stadtarchiv.<br />
K. St. --. König!. Staatsarchiv in Stettin.<br />
St. Bspr. — Stettiner Vursprale von 14N f.<br />
1. qu. — litier querelarnm<br />
St. Verl. - Stetnner Verlassungen.<br />
H. N. -- Hanie-Rezelse.<br />
H. U. — hansisches Urkundenbuch.<br />
^. U. -- Lüdeckijches Urkundenbuch.<br />
M. U. -- Mecklendurssisches Urlundenbuch<br />
R o. 6. kl. -- Nledel, euäex cllpIomHt.ìl:u3<br />
pioo. -<br />
R — Nalmann.<br />
V. -- Bürgermeister.<br />
dir. K. — dirigieren<strong>der</strong> Kämmerer.<br />
K. — Kämmerer.<br />
O.-B. - Oberbürgermeister.<br />
Synd. — Syndikus.<br />
S. — Senator.<br />
b. St. — besoldeter Stadtrat.<br />
u. St. -- unbesoldeter Stadtrat<br />
1. 8wp^a,iu8 8a^iUariu3 (Schütte) 1243. sP. U. I, Nr. 247.)<br />
2. Johannes Epan 124-;. sEbenda.^<br />
3. Albert von Brandenburg 1243. sEbenda.^<br />
4. Heinrich von Magdeburg 1243; ist 1252 tot. sEbenda n. Nr. 419.<br />
554.)<br />
5. Lambert von Sandow 1243. sEbenda.)<br />
6. Albert von Lparrenvelde 1243. sEbenda.)<br />
7. Heinrich von Gnben l^ubyn) 1243. sEbenda.)<br />
«. Gerbard M5tiwr (Kramer) 1243. sEbenda.)<br />
9. Gerhard von Dömitz. sEbenda.j<br />
10. Ditmar veliiicawr (Tegeler) 1253. con8. 1263—65. sP. U. I,<br />
Nr. 568; 577; II, Nr. 736, 737, 740, 7«2.j<br />
11. Ulrich von Guben 1253. cnllg. 1263. >P. U. I, Nr. 568; II,<br />
Nr. 740.!
Der Nat'und die Ratslmic von Stettin. 109<br />
12. Arnold von V^ei-g/iavia (Breslau) 1253. sEbeuda I, Nr. 568;<br />
kommt uur einmal in einer die Stadt angehenden Nrknnde znsammen<br />
mit Schultheiß und Nr. 10, 11 vor zn <strong>der</strong> Zeit, wo noch kein Nat<br />
bestand, son<strong>der</strong>n das Schoffenkolleg.^<br />
13. Nndolf >v6M8 (Junge) 1253. con8. 1263. sP. N. I, Nr. 5)77;<br />
I I, Nr. 740.)<br />
14. ^Johannes von Wollin 1253. sWie Nr. 12^<br />
15. *Gottiäialt von A. 1253. sWie Nr. 12; <strong>der</strong> Anfangsbuchstabe ist<br />
nicht zu deuten.I<br />
16. *Adolf von Stettin 1253. sNie Nr. 12.1<br />
17. Dietrich 8n.pi6„8 (Wise) 1201. con3. 12/2. sP. U. II, Nr. 608,<br />
699, 700, 710, 736, 750, «44, 965.^<br />
18. "Dietrich von Talzwedel 1261-67. sP. U. li, Nr. 699, 782,<br />
810, 818, 856, 944, 936; kommt stets in Verbindung mit dem<br />
Schultheiß und Nr. 10, l7 u. a. vor, die zweifellos consuls waren, j<br />
19. "Johannes zm"- (Kint) 1261-64. sP. U. N, Nr. 710, 700;<br />
kommt 1261 und 1284 mit dem Schultheiß und Nr. 17 vor.><br />
20. Johannes parvuZ (Klein). om,8. 123. sP. N. I I, Nr. 740.^<br />
21. Dietrich ml>l^wnu8 ^2)iuntmester). co,l5. 12t'»3—67. sEbeuda und<br />
Nr. 849; V. Nr. 2800. ><br />
22. Iohaunes von Brakel. ccm8. 1263-85. sP. U. Il, Nr. 740, 818,<br />
85)6, 884, 935, 945, 96s', 1124, 1161, 1323.^<br />
23. Arnold mi!c8 (Ritter). cnn8. 1263. sP. U. I I, Nr. 740.^<br />
24. Gottichalk von D. con8. 1263. sEbenda; <strong>der</strong> Name ist nicht zu<br />
ermitteln. I<br />
25. Heinrich von Alffmnnde. conn. 1263. sEbenda.1<br />
26. Hermann von 3c0nen>v6r66r (Schonwerdcr). cou3. 1363. sEbenda.^<br />
27. Heinrich vou Angermüude. con« 1265. ^P. U. II, Nr. 782.<<br />
28. Wessel 1266. oou3. 1278—1280. >P. U. II, Nr. 818, 1124; <strong>der</strong><br />
Familienname ist Wnssow.j<br />
29. Friedrich alkus (Witte) 1267. oon5. bis 1296. sP. U. I I, Nr. 849,<br />
1322; III, Nr. 15»;7.^<br />
30. *Nicbert sortii (Ltark). 00118. 1267. sP. U. II, Nr. 849; kommt<br />
vor zusammen mit d. 8on!t6tu8 und Nr. 21, 29.^<br />
31. "Gottfried vou Talzwedel 1267—85. sP. U. II, 856, 93t!, 1323;<br />
erscheint zusammen mit dem Schultheiß und Nr. 21, 22.j<br />
32. Werner ,Iul^eu3 (Jode, Jude), oons. 1270—72. sP. U. II,<br />
Nr. 936, 945, 965, 1220.^<br />
33. Conrad von Nrakel. oonn. 1271—78. sP. U. II, Nr. 936, 1124.^<br />
34. Jacob von Güntersberg, cona. 1278—86. sP. U. Il, Nr. 1124,<br />
1178, 1194, 1220, 1308, 1399-1
Der Rat und die RatSlime von Stettin.<br />
35. Werner s^6 4IW Damo (Hogenhus). cc>li8. 1280—93. sP. N. II,<br />
Nr. 1163, 117«, 1498, 1523, 1646.><br />
36. ^Äodcko von >Vl-^l«.vi^ (Breslau» 1280. ^- U. II, Nr. 1163;<br />
kommt vor zulammen mit Nr. 35, 37.1<br />
37. Gottfried 8onpwr (Schreiber) 1272—93. sP. U. II, Nr. 1163,<br />
1268, 1308, 1323, 1399; Hl, Nr. 1444, 1498, 1646, 1679,<br />
1681.1<br />
38. -Johannes Gropetc 1280—96. sP. U. II, Nr. 1115; V, Nr. 2764;<br />
ob er C0N3. war, ist zweifelhaft.^<br />
39. Johannes »IduZ (Witte). con8. 1280—1302. sP. U. II, Nr. 1178;<br />
III, Nr. 1567, 1757, 1841, 1934; V, Nr. 2038.1<br />
40. Johannes von Colonia (Colne). c^ang. 1281—98. sP. U. II,<br />
Nr. 1220, 1323, 1498, 1679, 1718, 1757, 1818, 1841-1<br />
41. Nicolaus von Woltin. cong 1283. sP. U. II, Nr. 1268, 1274-1<br />
42. Marquard von Flddlchow (Vilisil?cli0>v). con8. 1283. sP. U. II<br />
Nr. 1274.1<br />
43. Johannes von Daber (l)^?!^). con8. 1283. sEbcnda.1<br />
44. Johannes Pape. 8. 12^.i. >Ebenda.><br />
45. K5Ml"kim!5 >Ve35i6lj. cong. 1285—95. sP. U. II, Nr. 1323,<br />
1498, 1523; Ili, Nr. 1647, 1718.<br />
46. Arnold von Sänne 1285. ccm». 1290-1306. ^P. U. II, Nr. 1323;<br />
III, Nr. 149X, 1523, 1646, 1679, 17«0, 1841, 1934; VI,<br />
Nr. 2038, 20X7, 2196. Fr. I, 4«.)<br />
47. Petrus von Orakel 1285. enn8. 1296—1316. sP. U. II, Nr. 1323;<br />
III, Nr. 14M, 1646, 1679, 1718, 175)7, 1818, 1841, 192«,<br />
1929; IV, Nr. 2025, 2051, 2153, 2290, 2404, 2539, 2825,<br />
2877. Fr. l, 48.j<br />
48. Johannes Wnssow 1291. con8. 1296 — 1306. sP. U. II, Nr. 1323;<br />
III, Nr. 1567, 1646, 1679, 1718, 1?«0, 1618, 1910, 1929;<br />
IV, Nr. 20^5, 2087, 2196, 2290, 2204. j<br />
49. "Arnold Bogtmnil. sP. U. li, Nr. 1323; III, Nr. 1618, 1341;<br />
IV, Nr. 2196, 2606; V, Nr. 2885, 3136.j<br />
50. Engelbert von Sänne 12^7. col,8. 1290—1308. sP. N. III,<br />
Nr. 1444, 1498, 1523, 1757; I V, Nr. 2290, 2404.j<br />
51. Winano von Wiringhuseu (>Virnicku56). cong. 1290—98. ^P.<br />
U. 111, Nr. 149«, 1523.j<br />
52. Bertram Junge lmvemz) 1280. con«. 1290. sP. U. II, Nr. 1161;<br />
lli, Nr. 1523.j<br />
53. Johannes von Brakel. con8. 1290—1309. sP. U. III, Nr. 1523,<br />
1567, 1757, 1780; IV, Nr. 2025. Fr. I, 53-1<br />
54. Heinrich Westfal. ecm8. 1290. ^P. U. III, Nr. 1523.)
Der Nat und die Ratslinie von Stettin.<br />
55. Dietrich Vtangevol. ^n8. 1290—1336. Menda, Fr. I, 54.)<br />
56. Johannes von Malchin, aon«. 1390. sEbenda.s<br />
57. Erbrecht von Bombst (ttomx). con8. 1290. Ebenda.)<br />
58. Johannes von Stranh<strong>der</strong>g (8tru^nberss). cong. 1290. sEbenda.^<br />
5)9. Dietrich mouewrius (Muntmester). C0il8. 1290. s Ebenda.^<br />
60. Werner äiv68 (Me). co,»8. 1290. sEbenda.j<br />
lN. Johannes «.N>u8 (Witte), cong. 1391—1303. sP. U. M, Nr. 1646,<br />
1679; IV, Nr. 2038.)<br />
62. "Johannes I.u8on3 (3chile, Schele). oon8. 1293—1301. sP. U. III,<br />
Nr. 1646, 1679; I V. Nr. 203^.^<br />
63. Albert von Bremen. cou8. 1294. sH. R. I, 1. S. 2».^<br />
64. Heinrich Hake. oon8. 1296—1302. ^P. U. III, Nr. 1757, 1934;<br />
I V. Nr. 2051.1<br />
65. Arnold von Osterooe. cong. 1296. sEbenda Ili, Nr. 1757.)<br />
60. Berner von Damm. con«. 1296. sEdenda.)<br />
67. Johannes von Nitecon (Bnthecowe). eons. 1396. sEbenda.^<br />
6ft. Conrad moll^nl1in2.rlu8 (Moincr). conn. 1296—1302. >P. U. III,<br />
Nr. 1757; IV, Nr. 2051.><br />
69. Heinrich äivcZ (Nike). ^n,3. 1296—1318. sP. N. III, Nr. 1757,<br />
1934: IV, Nr. 2051; V, Nr. 3181.j<br />
70. *^riedrich Hoczenhns (lio alta lwmo). 1303. sP. U. IV, Nr. 2038.)<br />
71. Arnold Hogenhns ((^ aka n8. 1303—33. >P. N. IV,<br />
')lr. 2038, 2!)5l, 3606. Fr. I, 53.j<br />
72. Johannes von Politz. con«. 1303—45. sP. U. IV, Nr. 2038,<br />
2196. Dr. IX, Nr. 1644. Fr. I, 34.)<br />
73. Nilletin von Schapow («eapon) 1303—08. sP. U. IV, Nr. 3051.<br />
Fr. 1, 48.!<br />
74. Heinrich Strobek. cnng. 1302—36. sEbenda, Fr. I, 54.)<br />
75. Verthold Perleberg, couz. 1303—33. Ebenda, Fr. I, 53.)<br />
76. Nicolaus Hamer. con8. 1303—04. sP. U. I V, Nr. 3051, 2196.)<br />
77. Bethetin von Bobelin. con8. 1303—09. sP. N. IV, Nr. 2051,<br />
Fr. 1, 48.j<br />
78. ^Nicolans von Schonefcld (8eP. U. IV,<br />
Nr. 3051, 3195.j<br />
79. "Willekin Potelente 1306. sP. U. IV, Nr. 3051.)<br />
80. ^Werner Stenhus (66 Ikpulea domo) 1310-36. sP. N. IV,<br />
Nr. 2606; V. Nr. 3136, 3401; IV, Nr. 3486, 3591. Dr. VIII,<br />
Nr. 1465.<br />
31. Johannes von Vrakel. oon3. 1314—29. sP. U. IV, Nr. 2823,<br />
2877, 3885, 3136, 3401; VI, Nr. 3553. St. St. 1305—52.)
112 Der Rat und die Ratslinie von Stettin.<br />
NI. sP. N.V, Nr.3181;<br />
Vl, 3486, 3885. I. 8. ,!.><br />
83. Mobelo Huvener (Hovener) 1330—25. sP. U. V, Nr. 3401;<br />
Vl, Nr. 3712. St. St. 1305)—53.1<br />
84. Johannes Stolp 1322—30. ^P. U. VI, Nr. 36351. Dr. VlII,<br />
1510.)<br />
85,. ^Henning Wussow 1334—38. sDr. VIII, Nr. 1455, 1579;<br />
IX, Nr. 1014. St. St. 1305-52.)<br />
86. Petrus Honesben 1335. Natmann 1337—31. sK. St. A. 1337,<br />
31. St. St. 1305-53.)<br />
87. Hermann von <strong>der</strong> Äppe (äs I^ripia) 1330. proc. 1345—46. sDr.<br />
VIII, Nr. 1513; IX, Nr. 1644, 1743. St. Sta. 1339. K. St.<br />
A., l". 1, Tit. 57, Nr. 1. St. St. 1305—53.)<br />
88. Wessel Germer (Oei-äo) 1330. N. 1345-51. sDr. VIII, Nr.<br />
1513; IX, Nr. 1743. St. St. 1305—53.)<br />
89. Eberhard Tydup 1336, 1330. N. 1351. sDr. VIII, Nr. 15.13.<br />
St. St. 1305—53.)<br />
90. "Michael voll Pulse sPuls, Polsen). N. 1335—46. sDr. IX, Nr.<br />
1644. K. St. A. 1335. Die beiden Namen Pulse, Pulsen, Puls und<br />
Poljeu, Politz, Puliz gehören nicht <strong>der</strong>selben Familie an; sie kommen<br />
im Stadtbuche oft nebeneinan<strong>der</strong> mit verschiedenen Vornamen vor.)<br />
91. Johannes Pölitz 1330. N. 1335—66. sDr. VIII, Nr. 1510;<br />
IX, Nr. 1614. 1743, 1827. H. N. I, 1, S. 310, 344, 353, 358,<br />
364. St. Sta. 1335), 133«.)<br />
93. Ludwig Scherf. R. 1338—46. sSt. Sta. 1338. St. St. 1305—53.)<br />
93. Werner Witte 1336. N. 1338-39. sSt. St. 1338. St. St.<br />
1305—52.)<br />
94. Michael Pulseman. N. 1343. sK. St. A., ?. 1, Tit. 57, Nr. 1.)<br />
95. Johannes Pauli. N. 1343—51. jEbenda, Dr. IX, Nr. 1743. St.<br />
St. 1305—53.)<br />
96. Borchard Swiueuze 1333. R. 1343, V. 1345. ^Dr. IX, Nr. 1743.<br />
K. St. A., I>. 1, Tit. 57, Nr. 1.)<br />
97. Hinrit Wacker 1338. N. 1345-52. sDr. IX, Nr. 1743. St.<br />
Sta. 1338. St. St. 1305—52.j<br />
98. Hinrik Wobbermyn. N. 1345—64. sDr. IV, Nr. 1743, 1837.<br />
H. N. 1, 1, L. 185, 239, 253.)<br />
99. Dietrich Wacker 1346. R. 1362—79. sDr. IX, Nr. 1893. H. R.<br />
I, 1, s. 456; II, 3, S. 163, 167. ^ U. III, 824. St. St.<br />
1305—53.)
Der Rat und d« Nattzlime von Stettin 113<br />
100. Johannes Lowentsni<strong>der</strong> (^inwantsni<strong>der</strong>). N. 1351—68. sDr.<br />
IX, Nr. 1^92. H. N. 1. I, L. 2i'.4, 284, 381. ^St. st.<br />
1305—52. ><br />
101. Gottfried Bnnge 1351. N. 1302, K. 1377. sDr. IX,Nr. 1892.<br />
Lt. Lt. 1305—52.><br />
102. Henning Pölitz 1352. V. 1361-li6. sDr. IX, Nr. 1527,<br />
188t', 1892, 1919, 1928, 1931.^<br />
IM. Johannes Lötedotter 1352. R. 1302. sDr. IX, Nr. 1892.<br />
Lt. St. 1305—52.1<br />
104. Hermann Pape. N. 1358, B. 1365—69. IDr. IX, Nr. 1928,<br />
1931, 1932. H. R. I, 3, S. 220; I, 1, S. 185, 232, 244.<br />
284, 293, 324. H. U. III, 402.><br />
105. Johannes Levenow. A. 1361. sDr. IX, Nr. 1886.^<br />
10l'l. Berthold von Leppene (^ibdene). N. 1363—82. sH. N. I,<br />
1, L. 232, 25:;, 258. 1. 8. .1., S. 9.^<br />
107. Eberhard von Stade. N. 13l»:5—70. >H. R. I, 1, S. 120,<br />
224, 280, 451, 478.j<br />
108. Hartwig vom Snnde. N. 1363—71. sH. N. I, 1, S. 120,<br />
306, 324, 381, 406; 1, 2, S. 27.><br />
109. Nicolans Wobbermyn. N. 13l;3—63. sH. N. I, 1, S. 239,<br />
248. j<br />
110. (3) Marqnard Porrat. N. 1363, V. 1381—85. s.h. N. l, 1,<br />
S. 239, 297, 428; I, 2, 6. 98, 122, 187, 197, 301. :'.6.><br />
111. Antonius Lnale. N. 13'»:;. ^H. N. l, 1, S. 244.><br />
112. (2) Henning Wcstfal. N. 1363, B. 1376. >H. N. I, I, S. 222,<br />
244, 284, 293, 324, 358, 370, 381, 397, 406, 425, 444,<br />
451; I, 2, S. 17, 79, 9«^<br />
113. Johannes Denetc. N. 1367—78. s.H. N. I, 1, S. 358;<br />
II, 2, S. 164.j<br />
114. Egbert Mherwer. N. 1368-74. IH. N. I, 1, S. 358; II,<br />
2, S. 1l!4.j<br />
115. (1) Otto Iageduvel. N. 1370, B. 1384—1412. >Dr. XI,<br />
Nr. 2074. H. N. I, 2, S. 304, 319, 3
z 14 Der Rat und die Natslime von Stettin.<br />
119. ft) Nussow van <strong>der</strong> Dollen. N. 137«, K. 1387, V. 139! bis<br />
1405 IH. R. I, 4, S. 419; 1, 5), S. 55. H. U. I V, 973.1<br />
130. Engelkc ^emgow. N. 1377, K. 139St. Verl.<br />
l 373—1430. j<br />
121. Nicolaus Sneberg. K. 1377—91. M. Verl. 1373-143»!.<br />
1. 8. .l., S. 9. St. Sta. Tit. VI, 8cct. 18, Nr. 9a.^<br />
122. (0) Jacob Kunne. N. 1378, K. 1407, B. 1410—13. M Verl.<br />
1373—1430. H. N. I, 5, S. 291, 54'!. 1. 8. Dr. XI, Nr. 2030.<br />
H. N. I, 2, S. 304.j<br />
124. (7) Heinrich Sotebottcr. N. 1380-95. sH. N. I, 4, S. 130,<br />
1<br />
125. stt) Volrad Zastrow. N. 1380—1415. sssür ihn und die<br />
Folgenden sind die Nmsehungslistcn des Rates 1411—82.<br />
St. Sta., Tit. XI, ttenoi-aliK 1, vol. 1, Hanfttquelle.1<br />
12N. (9) Heinrich Nohde. N. 1380, K. 1384—92.<br />
127. Bruno Wardenberg. N. 13^0, Kr. 1390. sH. N. I, 2,<br />
S. 288.><br />
128. (10) Heinrich Voge (Vuge). N. 1381—1423.<br />
129. (IN Jacob Goltbeke. N. 1381—99.<br />
130. (12) Aruold Nygenkerken. N. 1384—1408.<br />
131. Pcrthold Eäwttorp. N. 1384. sH. N. I, 2, S. 347.j<br />
132. (13) Albrecht Gripes. N. 1384-1415.<br />
133. (14) Heinrich Wodbermyn. R. 138, B. 1391 — 1409. sSt.<br />
Verl. 1373-1440. St. Sta., Tit. VI, 8ect. 18, Nr. 9".j<br />
134. (15) Tldeman van Mortze. N. 138H. N. I, 0. S. 363.<br />
St. Verl. 1373—1430. 1. s^i.j<br />
141. (30) Vicko Preeu. N. 1393. K. 1413—31. l^. N. I V. 006.<br />
Lt. Verl. 1373—143^<br />
143. s19) Haus Wrabow. N. 13
Der Rat und die Natslinie von Stettin. 1 15<br />
143. (21) Hans Berndes. N. 1397. K. 1415—34. M Vcrl. 1373<br />
bis 1430.><br />
144. Claus Jordan (Worden). K. 1398—1405. sEbenda.^<br />
145. Heinrich Nynlcn<strong>der</strong>. N. 1398—99. sH. N. I. 4. s. 44s;.<br />
490; II. 2. S. 281. H. U. I V, 192. ><br />
140. (22) Heinrich Vaul de Inngc. N. 1399. K. 1417-30. sH.<br />
N. I, N, S. 534. st. Verl. 1373—1430. ><br />
147. (23) Heinrich van Affen. N. 1400—24. >h. U. V, 547. St.<br />
Verl. 1373—1430.^<br />
148. (24) Hans van Dollen lDolghen). N. 1400. B. 1417—27. >I.qn.^<br />
149. Jacob Lnelle. H. 1400—22. jTt. Verl. 1373—14^;.<br />
150. (25) Heinrich Paul de Olde. N. 1402—23. sh. N. l, l». S. 534.><br />
151. Arnd Qnaft. R. 1402—12. >St. Verl. 1373—143.j<br />
152. (20) Haus van Affen. N. 1403, B. 1431—32. jl. lsu.><br />
153. (27) Kersten Vorrat. N. 1404-1427.<br />
154. (28) Peter Warden<strong>der</strong>g. N. 1407. K. 1431—39.<br />
15b. (29) Vcrud von Grollen. N. 1407—23.<br />
150. (30) Johann Geringer. N. 1408. K. ^!442)-45. si. qu.j<br />
157. (31) Claus Goltbcke. R. 1410 — 1430.<br />
15«. (32) Dubslav von Nalzmerstorf. N. 1410—25. sVergl. Fr. I,<br />
73 f. H. R. I. 7. S. 288. l. lin.j<br />
159. (33) Heinrich Bertholt. N. 1411—29.<br />
160. (34) Everd Horn. R. 1411-30.<br />
101. (35) Hans Veman. N. 1413-17.<br />
102. Heinrich Ännghe. ^)i. 1413.<br />
10:). (3ft) Clans Wiggcr. N. 1413, Ä. 1428—29. sVerc;!. ssr. I. 77/j<br />
104. (37) Heinrich ^icen. N. 1415—38.<br />
105. (38) Ätattdias Clotzow. )li. 141i>—34. sAlterm. v. Draler.<br />
H. R. I. 8. S. 452.)<br />
160. (39) Wedige Plote. N. 1410 — 31.<br />
107. (40) Cnrt van Hassend lHaslen, Hasselen). N. 1417—31.<br />
Ni8. (41) Hans Paul. R. 1417—20.<br />
109. (42) Clans Wolff. N. 1417. H^. 1427—55. sH. U. Vl, 5
Der Rat und die Ratslinie von Stettin.<br />
174. (47) Nolof Dossc. N. 1421. B. 1433-55.<br />
175». (48) Hans Pranke. N. 1424-30.<br />
170. (49) Iost Berlinghof. N. 1424, K. 1443—54.<br />
177. (50) Gerd Voghe. N. 1425, B. 1434—44. !H. N. II. S. 59.j<br />
17«. (51) Claus Weunemer. N. 1425—36.<br />
17li. (53) Heinrich Kunue. ^. 1425—50.<br />
180. (53) Bernd Broker (Bruker). N. 1420—30.<br />
Itti. (54) Curd Hogenstecu. R. 1427—30.<br />
182. (55) Heinrich Schulte. N. 1427-02.<br />
183. (56) Hans Quast. N. 1427. K. 1430—50. s.h. N. 7l. 1. S. 201.^<br />
184. (57) Claus Gherman. N. 1430—33.<br />
185. (58) Gerd Grote. N. 1430—37. >H. N. II. 2, S. 352, 486;<br />
II, 3, S. 29, 173.1<br />
180. (59) Jacob Nosow. N. 1431. K. 1440—47. ^H. N. II. 3,<br />
S. 173.^<br />
187. (00) Peter Kokstede. N. 1431. K. 1438. B. 1^^5—04. sH.<br />
N. li. 3, L. 29, 345.1<br />
188. s01) Hans Treptow. N. 1431—30.<br />
189. (l>2) Heinrich Prilop. N. 1431—30.<br />
1W. l03) Hans Nosentre<strong>der</strong>. N. 1431, K. 1453, V. 1458 — 01. >H.<br />
N. II. 3. S. 345.^<br />
191. (65) Henning Mcllentin. N. 1431, V. 1442-50. >H. N. III.<br />
3, S. 91.)<br />
192. (09) Bruno Wardenberg. N. 1431. K. 1433—71.<br />
193. (70) Albrecht Glinde. R. 1431. B. 1448-71. sH. N. li. 0.<br />
S. 294; II. 4. S. 493; dankt ab 1471. Vcrgl. Balt. Slud.<br />
XXXI, 103.1<br />
194. (71) Hans Plote. N. 1431—54.<br />
195. (72) Ansclm Vcrkholt. N. 1431—51.<br />
190. (70) Curd Brinck. N. 1431. H?. 1447—52.<br />
197. (77) Borchard Poleman. N. 1431—
Der Rat und die Ratslinie von Stettin. 117<br />
207. (82) Lorenz Schulte. N. 1443—52.<br />
208. (88) Hans Voghe. N. 144:5-54.<br />
209. (78) Dietrich Grabow. N. 1445,. K. 1458. V. 1460—72.<br />
sH. N. II, 6, S. 294. N. c d. ft. III, 1, 483; die<br />
Abdanknnqsurkunde 1472, Jan. 14 im St. Sta. Tit. XII.<br />
8sct. 2. Nr. l a.j<br />
210. (70) Bertram Paul. N. 1446, K. 1458. V. 1464—69. sN.<br />
a. a. O. Ili. 1, 483.j<br />
211. (81) Gerd Steven. N. 1446—56. IH. N. II, 5. S. 39.^<br />
212. (83) Claus Äandow. R. 1447. K. 1461—66. >H. N. II. 4,<br />
S. 492. ><br />
213. (84) Hans ^oytz. N. 1447—40.<br />
214. (85) Peter Vorkc. N. 1449—51.<br />
215. (87) Marqnard Vorrat. N. 1449. K. 1465—67.<br />
216. (89) Dietrich vom ^tyne. N. 1452—NO.<br />
217. (90) (Aiso Schwanberg. R. 1452. K. 1467—i',8.<br />
218. (91) Clans Nodinger. R. 1453. K. 141—li4. >H. U. VIII.<br />
Nr. 518-1<br />
219. (92) Vorenz Flotow. R. 1453—55.<br />
220. (93) Matthias Frodenberg. N. 1454—63.<br />
221. (94) Tue Rust. R. 1454—64.<br />
222. (95) Clans Goltbele. ^t. 1455, K. 1468, B. 1469—76. >H.<br />
N. II, 5. S. 39.j<br />
223. (96) Peter Farnholt l«arenholt). N. 1455. V. 1469—83.<br />
^H. U. X, Nr. 773.1<br />
224. (97) Lurd Rynbete. R. 1458—63.<br />
225. (9«) Arnd Waßmann. R. 1458—3. sH. N. II. 2. S. 536.<br />
ß 40, 47.1<br />
226. (99) Merten Navenstein. N. 1458. K. 1469—74. >H. N. Il,<br />
5, S. 258. H. U. VlII, 334; Kaufmann.<<br />
227. (100) Henneke Vrandes. N. 1459. K. 1469—72.<br />
228. (101) Claus Dorn. N. 1459—63. sH. N. II. 5, S. 47;<br />
Altermann von Draler.j<br />
229. (102) Hans Gerwen (Gerben). N. 1459, K. 1469. N. 1478—91.<br />
230. Dietrich Äacker. R. 1459—61.<br />
231. (103) Arnd Nevelmg. R. 1460. K. 1478. B. 1480—81.<br />
232. (104) Lambrecht Böge (Fuge). R. 1461—72.<br />
233. (105) Jacob Werenbrot. N. 1462, K. 1476, B. 1478—83.<br />
234. (106) Nickel Tymme (Thimme). ')i. l4l>3—7l.<br />
235. (107) Asmus Gotschall. N. 1463. K. l475—86. ^Kramer.><br />
236. (108) Peter Torgelow. R. 1464. K. 1478—79.
118 Der Nat und die Natslinie von Stettin.<br />
337. (109) Kersten Wulff. N. 1464—05. Mermaun von Draker.)<br />
28«. (110) Cord Wittenborn. N. 1464, K. 1479, V. 1493—15,02.<br />
23<br />
25>1. (123) Hans Iesse. ^i. 1470—75. jBcrgl. Aalt. Studien XXXI.<br />
S. 107; Altermann von Drafer.I<br />
252. (124) Hans Hampelpacht (Ampelpacht). N. 1470—91.<br />
253. (125) Simon Wigger. ^i. 1472—93.<br />
254. (126) Arnd Rammyn (Ramyn). ^t. 1472. N. 1492—! 503.<br />
sEr Mllßte Amt und Stadt verlassen infolge des Konflikts<br />
mit Herzog Äogillaw X. Vergl. Fr. I. 137 und oben 6. 19.><br />
255. (127) Hans Ertmer. R. 1473—77. jAltermann von Drakcr.j<br />
256. (128) Michael ^oytze (Lohe). N. 1473—94.<br />
257. (129) Hans Nyubeke. N. 1474—76. >Altermann von Ellenbogens<br />
258. (130) Simon Trestin. N. 1475—85.<br />
259. (131) Clans vam Ä (?oe). ^i. 1475, K. 1502. V. 1504—15.<br />
260. (132) Georg Schulte, ^l. 1477—86.<br />
261. Claus Rodinger (Rudiuger). ^'. 1477—99.<br />
262. (133) Michel van Buren. '!l. 1477, K. 1487, A. 1503—12.<br />
2ll3. (134) Gerd Steven (Stoven). R. 1478, V. 1492-99. sH. R.<br />
IN, 2, S. 130.!<br />
264. (135) Claus Stoppelberg. N. 1478—91.<br />
265. (136) Valentin Herbolt. N. 1479. K. 1499-1504.<br />
266. (137) Claus Goltbcke. N. 1480—1503. ^Altermanu von Ellenbogen. ><br />
267. (138) Tewes Nevcling. N. 1481, V. 1484—1502.<br />
268. (139) Peter Sprenger, .^t. 1483 — 1502.<br />
269. (140) Peter Marqnart. N. 1484—86.<br />
270. (14l) Bertram Sunneuberg. 'tt. 1484—1503.<br />
271. (142) Albrecht Glinden. R. 1485—1507. >H. N. III. 2, S.
Der Rat und die Ratslinie von Stettin. l 19<br />
273. (143) Gerd Farnholt (Varenholt). N. 1486. K. 1402—93.<br />
sAltermann von Ellenbogen.)<br />
273. (144) Peter Voß. N. 1486—99. >Altermanu von Draker. j<br />
274. (145) Marquart Engelbrecht. R. 1486—1504.<br />
275. (146) Peter Schul<strong>der</strong>. N. 1486—96. >Altermann von Ellenbogens<br />
276. (147) Hans Liidrle (Altkc). R. 1437 — 15)2!. >H. U. VIll,<br />
Nr. 1187.j<br />
277. (148) Hans Knrow. N. 1487—1508.<br />
278. (149) Hermann Kavcman. R. 1401, K. 1513 — 16.<br />
279. (15)0) Hans Hake. N. 1491 — 1512. jAltermann von Draker.j<br />
280. (151) Paul Tasse. N. 1492—1501. jAltermann von Draker.><br />
281. (152) Hans Äoddeter. N. 1402, K. 15,04, Ä. 1513—15.<br />
282. (153) Clans Schynnechow l Tchinekow. Schinechow). N. 1493—95.<br />
sAltermann von Draker; im Drakcrduch von 1461 steht:<br />
Schlinnechow.j<br />
283. (154) Gerd Gode! (Göbel). R. 1493—1504. sNltermcmn von<br />
Ellenbogen. I<br />
284. (155) Albrecht Pasenow (Pasnow). N. 1494 — 1509. sAltermann<br />
von Draker. I<br />
285. (156) Heinrich Paul d. Junge. N. 1494, K. 1516—30.<br />
286. Jochim Wreegh. R. 1494.<br />
287. (157) Jacob Hogenholtz. ^t. 1497. B. 1504—24. >H. N. Hl,<br />
7, S. 499.><br />
288. (153) Otto OotschaN. N. 1497. K. 1506—10. lAltermann von<br />
Draker.j<br />
289. (159) Joachim Otto. N. 1499, K. 1503, B. 1512—35.<br />
290. l160) Jasper Gawehow (t^awcssowj. N. 1501, B. 15)12—31.<br />
I Altcrmann von Draker. ><br />
291. (165) Hans Stoppelbergk. ')i. 1501. B. 1508—38. sH. N. III.<br />
5. S. 85). 7. S. 499; vergi, über ihn Fr. II. 13 f.j<br />
292. (161) Arnd Schmid (Smethj. A. 1502—19. sAltermann von<br />
Draker.j<br />
293. (162) Tcwes Wmeke. N. 1502—07. Mermann <strong>der</strong> Segler.!<br />
2!t4. (163) Simon Lübbeke. R. 1502—18.<br />
295. (164) Banholomeus Sachtelevcn. N. 1502—23.<br />
296. (166) Jasper Farnholt lFarneholtj. ')t. 1503. K. 1509-19.<br />
lAltermann <strong>der</strong> Segler.j<br />
297. (167) Hans Swantes. .')i. 1503, K. 1517-19.<br />
298. (168) Clans Steven. R. 1503—19.<br />
299. (169) Aartholomeus Schaum (Schum). N. 1503—14.<br />
300. (170) Dinnies Wustenie (Wosteuyghe). R. 1503, K. 1520—37.
120 Der Nat und die Natslinie von Stettin.<br />
301. (171) Paul Nortstede. N. 15)04—07. sNltermann <strong>der</strong> Segler. ><br />
303. (173) Mauritius Klinicke (Glineke.) N. 1504. Ä. 1530—45,.<br />
503. (178) Matthias Goltbele. N. 1504—40.<br />
304. (174) Paul Goltbekc. R. 15>00—21. I')lltcrmann <strong>der</strong> Segler.<br />
H. R. III. 0. S. 30.1<br />
3"5. s175) Ebel von Winden. 3l. 1508—09. sAltermann <strong>der</strong> Seglers<br />
.'Mi. (170) Hans Beyteman. N. 1508 — 31.<br />
307. l177) Jochim Kule. R. 1509, K. 1530—43. sH. N. Ili, ft.<br />
S. 3f).1<br />
30«. (17«) Lorenz Bnlle Wolle). N. 1509—30. s.ssnufmann.1<br />
30. (17i>) Hans Loytz. .1i. 1509. V. 1539—39. sIn den llmsetznnqslisten<br />
erscheint er erst 1529 als Bürgermeister; Altermann<br />
<strong>der</strong> Seglcr.j<br />
310. (180) Jasper Äremer. N. 1511-33. sH. R. III, 8. S. 481 /><br />
311. (181) Hans Heimele. R. 1511—1550. sMermann von Elbogen.1<br />
313. (183) Thomas Junge. R. 1513—35.<br />
313. (183) Hans van Vnren. R. 1513—43. s?lltermann von Draker/j<br />
314. (184) Barthold Halle. A. 15.13—Is'x sVergl. Fr. II. 14, 3ti;<br />
Altermann <strong>der</strong> Segler; H. R. III, 7, S. 434. ><br />
315. (185) Michael Dranck. ^. 1514—41. jH. R. III. 8, T. 285.1<br />
31 tt. (186) Hans Moller. N. 1514—34.<br />
317. (187) Hans Nevelingk. ^i. 1510—35.<br />
318. l1«8) Andreas Wer<strong>der</strong>man. N. 15U>—33.<br />
319. (18) Jacob Mildenitz. 'li. 1519—54. jH. N. III. 8, S. 285.j<br />
330. (190) Valzer Frcy<strong>der</strong>g (Frigberch). N. 1519—39.<br />
331. (UN) Hans Brink. N. 15)19—39. sAltcrmann von Dralcr.><br />
333. (1lj3) Hans Nof. R. 1530—35).<br />
333. (193) Matthias Kavemann. R. 1530—43.<br />
334. (1l)4) Claus Sasse. N. 1532. N. 1540—49.<br />
335. (195) Simon Hestede (Hastade, Hezcde). 3i. 1534—29.<br />
336. (190) Hans Lüdbekc (^ubbicle). ^i. 1534. B. 1549—5>1.<br />
337. (197) Eberhard von Bell. Dr. mod. ^. 153ft. K. 15)31 — 43.<br />
338. (198) Hans Dolgeman. N. 1530. V. 1539—40.<br />
339. (199) Albrecht Glinde. «. 15)39—30.<br />
330. (300) Burchard Witte. ^'. 153i'—30. sIn den Umschnngslisten<br />
fehlt er.,<br />
331.
Der Mt und die Natslimc von Stettin. 121<br />
330. (200) Lorenz Evert. N. 1532—02. sNltermann des Gegiert).I<br />
337. (207) Jasper «ringt. N. ,5:52. ät. 1545—48.<br />
838. (208) Jochim Ncgelstorf (Nedelstorp). N. 1532. K. 1548 — 09.<br />
j^ltermann von Draler.j<br />
339. (209) Michel Blomberg (Blomenberg). N. 1533—30.<br />
340. (210) Matthias Sachtleven. N. 1534. K. 1550, N. 1553—72.<br />
l Dankt ab 1571—72, gest. 1575.1<br />
341. MI) Thomas Forstenow (Furftenow). N. 1535—44.<br />
342. (212) Jochim Qlde. N. 1535. K. 1547—^2.<br />
343. 1—s»0.<br />
350. (220) Otto von Namyn. M. 1541. K. 15W—tttt. !?lltcrmanu<br />
des Seglerh.I<br />
351. (221) ^oren.^ Groylingl (Grolink). N. 1541 —W. >Älttrmanu<br />
des Seglerh.I<br />
352. (222) Gernd Farnholz. N. 1541—W.<br />
353. (223) Steffen Vöddeker (Boddiker). N. 1541 — 52.<br />
354. (224) Jochim Makel. N. 1543—51. Mterlttanu des Scglerh.^<br />
355. (225) Marcus Gisclbrecht. R. 1543—40.<br />
356. (22ll) Lorenz Freiberg. N. 1543—N5. > Altcrmann des Scglcrh><br />
357. (227) Steffan ^oytz (^oitze). N. 1544—57.<br />
358. (228) Matthias Böddekcr. N. l 544-45.<br />
359. Lorenz Ärinck. N. 1545 —Ul.<br />
300. Asmus Hintze (Hentze). N. 1545—74.<br />
361. (229) Moritz Glineke. N. 1546, N. 1551-75.<br />
302. (230) Gregor Vruchmann. R. 1540. K. 157l), V. 1571—75.<br />
303. (231) Jasper Echivelbein. N. 1540, K. 1502—09. >Altermann<br />
von Elbogen.j<br />
304. (232) Marcus Schaum. R. 1547—4«.<br />
305. (233) Nenedict Wueslehove. N. 1548. ät'. 15,02—70. >Llltcrmann<br />
von Draker. j<br />
300. (234) Paul 'Mchardt (Nichert). N. 1549—64.<br />
307. (235) Jacob Möller. R. 1549—04.<br />
308. (230) Ambrosius Schwave. R. 1459. V. 1509—72.<br />
309. (237) Joachim Kitzerow. R. 1551 — 81.<br />
370. (238) Simon Belle. R. 1551—72.
Der 3tat und die Natslinie von Sleltm.<br />
871. s33!Y Peter ssramboltz iFromeholt). R. 1553—75.<br />
:;72. (240) Martin Ärinck. N. 155)2—55.<br />
37A. (24 l> Ambrosius Hademer (Hadamer). N. 1553, K. 1509,<br />
V. 1575—1555.<br />
374. (242) Clemens ?eveke (?evike). N. 1553—59.<br />
375. (243) Clans Stoppelbcrgk. N. 1550—79.<br />
370. (244) Jochim Werdcrman. N. 1555-01.<br />
377. (245) Peter Kaveman. N. 1559 — 69.<br />
:-i7^. (240) Johann Schwellenqrebel. N. 15l;! — .Ans ì<br />
390. ('255) (5asper Sä)anm. ^i. 15.<br />
395. (203) Michel Dobbergast. N. 1571—77. sHanptmann auf<br />
^öckcnitz geworden, ein Jurist.)<br />
390. (204) Johann Nanmbnrg. N. 1573—90. s)lns Gnben.^<br />
397. (205) Panl Boß. ')i. 1573—79.<br />
395. (200) Urban Frie<strong>der</strong>ich, ^i. 1573 — 70,<br />
399. (207) Aalun (Ilosterwold. N. 1573, Ä. 1590-1000.<br />
400. (205) Jacob Trebbiu. N. 1575, K. 102-04.<br />
401. (29) Lajpar Wendeler. N. 1575—81.<br />
402. (270) Lorenz Troye. R. 157
Der Nat und die Ratsl'mie von Ltettw. 123<br />
(273) Alexan<strong>der</strong> von Ramyn. .N. 15)77, K. 15«4, V.<br />
li2 i).<br />
(274) Vorell^ Boddcler. N. 1577-7^.<br />
407. (275) Jacob (Johann) Wüstehoff. '!t. 1578—^;.<br />
40«. (27Vrn<strong>der</strong> von<br />
385; Altermann von Drakcr.)<br />
410. (27ft) Elias Slckcr (Schlecker), ^t. 1579—99. sAns Qncdlinnburg,<br />
erst <strong>der</strong> ^oytzen Schreiber; dann Stadtichreiber.j<br />
411. (279) Michel Iastcr. R. 157^—34.<br />
412. (2tt0) Balthasar Sachtcleven. N. 157^, B. 1591 —MK'>.<br />
4i:z. (2^1) Christian Vildke. R. 15^1 —K, 19. sBorhcr Hofssenchts><br />
procurator, ans Stendali<br />
414. (2«2) Thomas Gröneberg. N. 15^1—99.<br />
415. (25N) Jacob Simons. ^. 15«1, K. 1<br />
417. (2«7) Hermann Braullschweig. N. 15« 1 — ^2 ans 5cm Natc<br />
geschieden, 1584 R., V. 15«5—95.<br />
41». (2^5) (5asper Werkman (Wergman). N. 15^2-1^1 l. >Ans<br />
Prenzlan, Hofgerichtsprocurator.^<br />
419. (2«ly Conrad Brinck. :!i. 15^2—1599.<br />
420. (2«st) Simon Giselbrecht. N. 1584, Ä. 159^—1^14 (1^l t).<br />
421. (289) Peter Nenmark. R. I5«5 —1l!0^.<br />
422. (290) Andreas Kellner. N. 158N-91. sVnchdrncker.><br />
423. (291) Benedici Fuchs. N. 15^,, V. 1s)l7- 24.<br />
424. (292) Albrecht Hohellholz. R. 15«03.<br />
429. (297) Michel vom Hagen. 5!t. 1591 —Uli 9.<br />
4:^0. (298) Christian Carsliani (Cristiani, Carstens). N. 1592-91.<br />
Dankt ab, weil er znm Bürgermeister in scmer Vaterstadt<br />
Stendal gekoren war.)<br />
431. (299) Georg Stranpitz. N. 1.592—1l'>14. sBraner n. Altermann<br />
von Draker.)<br />
432. (300) Georg Blancke. R. 15)95—U»19. sO^sii-^wi- ^linl^,<br />
1595 wegen Disputierens und Reformiercns auf Befehl<br />
Johann Friedrichs abgesetzt; dann Äraner.j
124 Der Nat und die Ratslinie von Stettin.<br />
433. (301) Simplicius Iaster. R. 1595—1609.<br />
434. (302) Iacobus Lange. R. 1595—1614.<br />
435. (30-!) )ticolaus Voßberg. R. 15)95)—1610.<br />
436. (3l>4) Samuel Nochlitz. N. 1598, K. 1609, V. 1626-34.<br />
437. (305) Georg Zimmermann. R. 1598—1614. sFürstl. Sekrctär.1<br />
t.^. (3l)6) Bonaventura Werter. N. 1601, K. l
Der Rat und die Nalslinic uon Stettin 125<br />
407. Urban Siedmann. N. 1019-2«.<br />
4Hofgerichtsadvocat,<br />
ans Preuzlau.j<br />
409. Georg Neveling. N. 1622—23. ISchöffc.^<br />
470. Heinrich Araunschwcig. :)i. 1l>32. K. UN", V. 16^1—7l. s?iterat,<br />
ans Danzig- seit 1654: von Arauuschweig.><br />
471. Andreas (^icrschow. :)t. 1022, K. 1641—53.<br />
472. Johann Dilligcs. N. 1024, ^k. 1, B. IN39—l)tt.<br />
Ttralsnnd.I<br />
473. Jacob Hermann. N. 1624—44.<br />
474. Heinrich Westphal. N. 1il>6—28. Dankt ab.<br />
475. Peter Milliges (MiNies). R. 1l)2l',, K. i^M—37.<br />
476. Valentin Turow (Thnrow). ^i. 102«. K. 1045—5^.<br />
<strong>Greifswald</strong>.^<br />
477. Johann Schambach. N. 1l;2«—5)4. iSchoffe.^<br />
47tt. Ioachiin ^ieh<strong>der</strong>g. N. U>3i)—42. sAduomt, ans Prcn^an; in<br />
den Ratsumsetzllngslislen fehlt er.><br />
479. Johann Passovins iPassow). R. 1030, Ä. I0l9-5,
Der Nat und die Ratslinie von Stettin.<br />
Martin Dirigke. R. 1641—43. sNns Posen.'j<br />
Daniel Schlegel. R. 1641—48. Dankt ab.<br />
501. Grcgorins Westphal. N. 1042—47. sNechtsgelehrter.><br />
502. Marx Westhoff. N. 1042—43. sAus Wbeck.j<br />
5)03. Joachim Wartens. ^. 1644, K. 1l)58—67. s?lns Stargard'j.<br />
5)04. Georg Blancke. R. 1044—54. sAns Schönflies.j<br />
505). Christian Malchin. R. 1644, K. 1659-Ans Ftl. ^iischow.j<br />
514. Immannel Placotomn?l. ?k'. 1l)5>0—53. sAdvocat, ans Straßbnrg<br />
i. U.^<br />
515. Petrus Friedeborn. R. 1650—61. ^Brauer, Altermann von<br />
Falsterbo.^<br />
516. Georg Kividt. N. 1652—57. sAltermann von Falfterbo.^<br />
517. Nndolf Heldt. 5li. 1652, K. 16ti7, Ä. 1672—81. ^lns Knran<br />
in Schlesien; abgesetzt dnrch Schweb. Urteil 1681, Mai 2.)<br />
518. Gottfried Schwcllengrebel. R. 1655, z^. 16l>9, O. 1674—79.<br />
519. Heinrich Starcke. )!i. 165»5—66. ^cilld. iur.; ans ^icnenburg,<br />
Fürstentum ^nnebnrg.^<br />
520. Friedrich Gerjchow. R. 1655—63. ILiterat.^<br />
521. Ulrich Clemens Michaelis. N. 165)5, K. 1667, V. 16Advocat.)<br />
528. Johann Gertner. N. 1658—67. ^Altermann von Draker, aus<br />
Friedeberg.)<br />
529. Georg Goetzke. N. 1658—63. sInrist-1<br />
530. Johann Äarteld. R. 1658—59. >Ans Friedland i. Meckl.j
Der Rat und die Natslnuc von Stettin. 127<br />
5,31. Johann Sänniedt. N. 1658, K. l 079—51. Mgcscht dmch<br />
Schwed. Urtcil 1'i^i. Mai 2.><br />
533. Peter Mane lMan). R. 1659—64. sAus Slargar^<br />
533. Conrad Bolte. ,!i. 1659—64. sNr. iur. Advocat, aus Stralsuud.^<br />
034. Magnus Wulff <br />
543. Jacob Schadelock. N. 1667—83. sAdqescl/t durch Schwcd. Urtcil<br />
1681, Mai 2.><br />
544. Joachim Wolliu. R. 16l!7—78. sSetrctär des Nic<strong>der</strong>qerichts,<br />
aus Rügcnwalde.^<br />
545. Iohaun Drcyer. N. 1667—86. sAdvocat^<br />
546. Joachim Schaukirch. '^. 1Jurist.^<br />
554. Iohanu Vinsiug. R. 1676, K. 1690—1704. jKramer, aus<br />
Rostocks<br />
555. Jacob Gabriel. N. 1677—91. sIurnt.><br />
556. Oarthold Tchmiedt. R. 1677—81. Ms Altdamm, abgesetzt<br />
durch Lchwed. Urteil 168l, Mai 3.^<br />
55>7. Johann Adam Calbius. ')i. 1678—79. sl)r. iur., Tubsekretär.!<br />
558. Christopher golchow. R. 1679—81. sAdvocatj<br />
559. Iodocus Audreas Hiltedrandt. R. 1679—80. sVorher Stadt'<br />
jekretär.1<br />
560. Johauu Hentschell. N. 1680—84. lStadtgerichtsnotar.j<br />
561. Martin Winter. R. 1680—92. s
Der Rat und die Ratslinie von Stettin.<br />
502. Erdmann Lindemann. R. 1080, B. 1082-1701. sNdvocat.1<br />
503. Johann Uecker. N. 1080, K. 1081, B. 1li90—1703. >^iterat.^<br />
504. Jacob Patzig. N. 1082—1702. sAltcrmann von Draker, ans<br />
Bantzen.^<br />
505. Christian Nrannschweig. R. 1083—92. sAus Schönwalde.)<br />
5>0^itcrat, Vastad. Gerichtssekretär.',<br />
5)Altermauu von Draker.)<br />
5)09. Theodor Scherenberg, ^i. 1080, K. 1702. B. 1703—05. Mvocat.)<br />
5>70. Jacob Simon. N. 1080, K. 1703—05. sAltermann des Scglcrh.j<br />
5)71. Ieremias Hopffer. ')i. K',89—1702. IStadlgerichtssetretär, ans<br />
Augsburgs<br />
572. David Heinrich Matthaci. N. 1090, B. 1700—23. sMermauu<br />
von Falstcrbo, ans Freiberg i. Sachsen.)<br />
573. Panl Groot (Oroote). 5)i. 1091—94.<br />
574. Michael Matthies. ')i. 1092 — 1703. >Inrist nnd Kanfmann.1<br />
575. Paul Erhörn. '!i. 1092—99. s'Altermann von Draler, ans<br />
Stralsuud.j<br />
576. Johann Georg Francke. R. 1693—1712. sAdvocat, aus Wildenreuth<br />
577. Christian Malchin. R. 1093, K. 1700-1710. ^Jurist.!<br />
578. Christian Krafft. R. K',94, K. 1710--12. >Advocat.^<br />
5)79. Friedrich Vange. ')i. 1094, K. 1710—14. >Aus Pyritz.j<br />
580. Gottfried Krnpekc (Krupike). :)t. 1090, K. 1714—15. ^Assessor<br />
581. Iohauu Audreä. N. 1700—16. I^ewaudschnei<strong>der</strong>, aus Anklam.><br />
5^2. Hermaun Slbrand. B. 1702—12. ^l)r. inr., vorher Syud^kus,<br />
aus ^ostock.j<br />
583. Johann Rudolf Jahn. N. 1702, V. 1702-20, O.-B. bis 1727.<br />
>Advocat.><br />
584. Johann Peter Nuhrhosf. N. 1702. sAltermaun des Seglerh.<<br />
5)85». Mattheus Heinrich vou Viebeherr. R. 1703, K. 1714, B. 172^—49.<br />
>Ans ötolberg. geadelt, j<br />
580. Cristian Friedrich von Freyberg. N. 1703, B. n. O.-B. 1714—20.<br />
Literat, vorher Obcrsekretär, geadelt 1723.)<br />
587. Daniel Schultz. M. 1703, K. 1713—14. lAdvocat.1<br />
588. Johann Friedrich Bartholt. R. 1703—08. Mtermann des<br />
Seglerh.j<br />
589. Christian Michaelis. R. 1704-14. >I.icelUiat. iur.1<br />
590. Daniel Tabbert. R. 1700—25.
Der Rat und die Ralslmie von Stettin. 129<br />
591. Balthasar von Schack. R. 1706, K. 1717, B. 1723-39. sHofgcrichtsadvocat,<br />
ans Pyntz, geadelt 1732.1<br />
592. Heinrich Äarthold ^t. 170^—11. >Altermann des Scglerh., ans<br />
Krivitz i Meckl.j<br />
593. Carl Christian Strauß. N-1710, K. 1718, B. 1726—40. sSchöffc.I<br />
5)94. Johann Iädicke. N 1712. lAltcrmann des Seglerh.I<br />
595. Daniel Dopkc ^. 1712—23.<br />
596. Vartholomcus Schütte. N. 1713—15. sAltermanu des Seglerh.^<br />
597. Johann Patzig. ))i. 1713—14. >3iterat.j<br />
598. Andreas Barthold. N. 1713—14. Dankt ab. lAus Krivitz i.<br />
Meckl.I<br />
599. Jacob Banselow. N. 1714—31. >Altcrmann des Scglerh., ans<br />
Kammin. ><br />
s)00. Jacob Albrecht Zaftrow. N. 1714—49. >Altermann des Seglcrh.,<br />
aus Kammin.j<br />
601. Inrgcu Kubc. N. 1714-22. s?iterat-1<br />
602. Friedrich Krafft. N. 1715. > Altermann des Seglerh.><br />
603. Christian ')icnmann. N. 1715—24. jSubsekretär.j<br />
604. Joachim Sckultz. ')v. 1715—27. >3chölfe.j<br />
l')05. Ernst ^üdtte. N. 1716—19. jAltermann des Seglers<br />
60Schoffe.><br />
6l)7. Martin Hartte. R. 1717—37. >Altermann des 2eglerh.><br />
60«. Friedrich Neumann. '!i. 171^, K. 1728—30. I?itcrat und Schöffe.^<br />
609. Philipp Möller (Müller). R. 1718—30. >Ältermann des Seglerh.l<br />
610. Georg Andreas ^ubbeke (?übcke^. N. 1720—5lj. jAns Stolp.><br />
611. David Glindow. Synd. 1725(!)—41. l?ldvocat, ans Pyritz;<br />
seit 18. März 1723 geHort <strong>der</strong> Slindikus dem Rate an.><br />
612. Immanuel Willlch. S. 1725—44. >Assessor des Stadtgerichts.I<br />
613. Ocorg Michael Stolle. S. 1725—32. > Kaufmann uud Literat.><br />
614. Paul Stabe. S. 1725—3t). I-ftaufluann, aus Bohus b.Gothenburg.I<br />
615. Carl Ludwig Hübner. V. u. O.-B. 1726—51. >Vorher Audttenr.I<br />
616. Christian Friedrich Iädicke. L. 1728, K. u. Z. 173'»—42,<br />
S. 1742 — 62. ^Assessor des Stadtgerichts.j<br />
617. Michael Matthias. S. 1728—65. >Assessor des Stadtgerichts, j<br />
618. Carl Philipp Oesler. 3. 1728—40. >Iurist.<<br />
619. Christiau Manoe. S. 1728—44. >Altermaun des Seglerh.j<br />
620. Christmn (^ottlieb Masche. S. 1730—50. jAus Schöufeld.j<br />
621. Iahann Dabertow. ä. 1730—5)3. >Ans Stargard.j<br />
622. Martin Kornmesser. S. 1732—44.<br />
623. Johann Jacob Zillmer. S. 1733—50. lAssessor des Stadtgerichts.!
130 Der Rat und die Ratslwie von Stettin<br />
634. Johann George Ludwig Voigt. S. 17557—50. Mermann des<br />
Seglerh.j<br />
635. Johann Ludwig Kistenmacher. A. 1639—67. l Stadtrichter, ans<br />
Pliritz.I<br />
636. Adam Joachim San<strong>der</strong>. S. 1741, dir. K. 1750, L. u. O.-B.<br />
1751—69. IHofrat und Advocat.><br />
637. Siegmund Gottfried Loeper. ännd. 1741—43. >Hofgerichtsrat.><br />
63«. Samuel Probeck. K.u.Z. 1741 —73. Hofsiskal, aus Fralllfurt a.O.><br />
639. Georg Gustav von Gerdes. Synd. l743—6ft. IIustizrat.j<br />
630. Martin Köhler, S. 1745—5^. >Aus Stargard.j<br />
^astad. Gerichtssekretär.I<br />
634. Iohanu Christoph Schmidt. S. 1750—6>4. jAdvocat, aus<br />
<strong>Greifswald</strong>.j<br />
635. Wolter Peters. S. 1750—69, sAltermanu des Seglerh.j<br />
636. Jacob Schroc<strong>der</strong>. S. 1750—56. jAltermann des Leglerh.^<br />
t'>37. Heinrich Wilhelm Filius. S. u. Fabrilillsp. 1750—67.<br />
63«. Caspar Friedrich Bulle. S. 1751—53. lInnst; dankte ab, weil<br />
er zum Bürgermeister in Gartz a. O. gewählt war.j<br />
639. Johann Gottfried Ludwig Pott. Dir. K. 1751 — 63. sKriegsuud<br />
Domäneurat, aus Halberstadt. ><br />
640. Paul Busch. S. 1753.<br />
641. Paul Buchner. S. 175^—56. ^Gewaudschuei<strong>der</strong>, aus Eutin.I<br />
i!43. SteuM Joachim Trendclendurg. S. 1754, B. I76X —kl. ^Gerichts.<br />
sekretär, aus ^lullam.j<br />
643. Andreas Nohde (^'otli). S. 1756—71. >Nltermann des Seglerh.j<br />
i;44. Martin Torff. 2. »756 — 72. >Aus Crcmp^ow.j<br />
Altermaim von Draker.j<br />
646. Carl Jacob Cammeradt. S. 1758 — 61.<br />
647. Carl Gotthilf Matthias. N. 1761 —ft9. Mtermann des Teqlcrh.><br />
645. Christian Goltlieb Emanncl Willich. S. 1762, K. u. Z. 1773-94.<br />
»Jurist.!<br />
649. Joachim Friedrich Pauli. Dir. K. 1763, P. 1770, L. u. O.-B.<br />
1773—91. jVorhcr Kämmerer iu Auklam.j<br />
i)50. Georg Gottfried Meynhold. S. 1765—67. jKriminalrat beim<br />
Stadtgerichts<br />
651. Carl Philipp Audreae. S. 1765—83.<br />
li.'>3. Johann Friedrich Gottschalk. S. 1767—1^07. jAssessor des<br />
Stadtgerichts, Jurist, aus Wesel, j
Der Rat und die Natslmie von Stettin. 131<br />
653. Johann Wilhelm Ncdtel. S. 176«, Synd. 1769, V. u. O.-B.<br />
1791—V9. jSublckretär, Assessor des Ttadtgcrichts.I<br />
654. Johann David Blindow. Synd. 1768, ^. u. O.B. 1769—71.<br />
I Assessor des Stadtgerichts.)<br />
655. Georg Martin Sellnow. S. 1768-79 emerit., ^ l 783. Mermann<br />
des Seglcrh.><br />
656. Friedrich Carl ?hilow. S. und Fabrikinspekt. 1768—1500.<br />
> Procurator, aus Halberstadt. ><br />
657. Gotthilf Abraham Böhmer. S. 1769, V. 1772—96. >Advocat,<br />
ans Pit^erwih.I<br />
655. Christian Friedrich Sänne. S. 1771—84. Mermann des<br />
Seglerh., ans Berlin.!<br />
659. Benjamin Gotthilf Essgeling. Dir. K. 1771—92. sKammersekretttr,<br />
ans Colbatz.j<br />
660. Johann Gottlieb Voh. S. 1772, B. 1793—1816. sSubsekretäri<br />
661. Balthasar Daulel Nofock. 3. 1772—85. jAus Anllam>.<br />
662. Johann Samnel Mnller. T. l774, dir. K. 1792, ^. n. O.-B.<br />
17W-1W3. lIurist.j<br />
663. Johann David Heinrich Bracht. S. 1778, B. 1796-1804, ?.<br />
u. O.-B. 1804—09 Mgiernngsreferendar. aus Viandelkow.j<br />
664. Wilhelm Gottfried Heintze. S. 1781 —84. sNegierungsreferendar,<br />
1784 zum Bürgermeister in Treptow a. N. gewählt, j<br />
665. Andreas Gottlicb Stoltenburg. S. 1783—89. jAltermann des<br />
Seglerh.I<br />
666. Ernst Chrislian Witte. S. 1754-90. IMermann des Seglrrh.I<br />
66?. Johann Christian Hildedrandt. S. 1784—95». jAus Magdeburg!<br />
2ulisekretär.><br />
669. Daniel Friedrich Weinreich. S. 1789—1808.<br />
670. Carl Friedrich Siebe. S. 1791—1805. j Altermann von Draler.I<br />
671. Johann Friedrich Ludwig Hübner. S. 1791 —1«04. jMermann<br />
des Seglerh.I<br />
672. Carl Sigismund Böttcher. Synd. 1791 — 1802.<br />
673. Carl Friedrich Wülsten. 2. 1792, B. 1804—07. ^Senator in<br />
Demmin.1<br />
674. Johann Ludwig Kirstein. S. 1793, Synd. 1802, V. 1W7, L.<br />
n. O.-B. 1808—2^. >Negierungsreferendar, aus Stargard.j<br />
675. Christian Heinrich Steineckc. S. 1795-1807.<br />
676. Johann Gottlied Oegler. 2. 1795—1808. > Mermann des<br />
Seglerh.I<br />
9'
Der Rat und die Natslime von Stettin.<br />
077. Daniel Friedrich Vourwieg. S. 1796, dir. K. 1809—28. sNegierungsreferendar.><br />
678. Carl Gottlieb Bethe. S. 1799—1803. sNegierungsreferendar,<br />
aus Dramburg; wurde 1803 Assessor bei <strong>der</strong> Kriegs^ und Domänenkammer.I<br />
679. Johann Ludwig Frie<strong>der</strong>ici. S. 1801, b. St. 1809—33. sNegicruugsreferendar.<br />
!<br />
680. Michael Friedrich Nedepenning. S. 1803, Slind. 1807, B. 1809—23.<br />
jNegierungsreferendar.j<br />
681. Heinrich Ferdinand Doenniges. S. 1803—04. sNegierungsreferendar;<br />
wird 1.^04 Iustizamtmann in Colbatz.)<br />
682. Johann Adolf Ockel. S. 1804—09. j Stadtgerichtsassessor, ans<br />
Stolp.j<br />
683. Samnel Gottlieb Wächter. T. 1805—24. IZlltermann des Seglerh.,<br />
aus l>ireifenberg.j<br />
684. Heinrich Christoph Graff. Z. 1805—21. sAltermann von Draker,<br />
aus Usedom, j<br />
68s). Ernst Heinrich Angustin. S. 1805—09. sNegierungsreferendar,<br />
ans Berlin. 1809 Bürgermeister m Pölitz.1<br />
6K6. Andreas Friedrich Masche. S. l807, b. St. 1809, B. 1834,<br />
O.-B. 18^2—1845. INegierungsreferendar.1<br />
687. Hoening. S. 18<br />
68!'. Georg Friedrich Heinrich Schmidicke. N. 1808, Sliud. 1809 — 17.<br />
IKammergerichtsassessor, ans Berlins<br />
690. Friedrich Wilhelm Nahm. li. 2t. l809—14.<br />
19l. Johann Friedrich Wietzlow. U. Lt. !8<br />
698. August Wilhelm ?udendorff. 11. St. 1809—14.<br />
699. Jean Ledonr. U. St. 1809—12. iBraueigen.j<br />
700. Johann Friedrich von Essen. U. St. 1^09 — 12.<br />
701. Johann Heinrich Tlnemann. U. St. 1809—14. sHofapotheker.I<br />
702. Heinrich Dohru. U. St. 1809—12.
Der Nat und die Natslime von Stettin<br />
703. Friedrich Wilhelm Dilschmcmn. U. St. 1809-12.<br />
704. Andreas Gottlieb Friedrich Johann MsM). U. St. 1810-16.<br />
705. Heinrich Dietrich Ackermann. II. Lt. IXN—12.<br />
706. Samuel Zitelmann. U. St. l«12-15. sApothekcr.j<br />
707. Carl Heinrich Wein. U. St. 1 «12-15.<br />
703. George Carl Wilhelm Struck. U. St. 1812—27. >Vuchdruckerei-<br />
besiher.I<br />
709. Lorenz Paulsohn. U. St. 1812—15. sGoldardeitcr.1<br />
710. Carl Hofsmann. II. St. 1812—15.<br />
711. Johann Christoph Höpfner. U. St. 1812—15.<br />
712. Michael Ludwig Herwig. U. St. 1812—24.<br />
713. Ernst Friedrich Heinhe. U. St. 1812—15.<br />
714. Friedrich Wilhelm Brunnemauu. 11. st. 1312—15.<br />
715. Johann Friedrich Vener. U. St.'.612-15. , Kürschner-Altermann.!<br />
716. Johann Emanuel Kugler. U. St. 1814—20.<br />
717. Carl Ludwig Vergemaun. II. St. 1814—26.<br />
718. Friedrich Andrae. U. Lt. 1314—28.<br />
719. Johann Gotthilf Wolfs. II. St. 1815-18.<br />
720. Gottlieb Wilhelm Schuwe. U. St. 1815—21.<br />
721. Johann Michael Prutz. U. St. 1815—19.<br />
722. Moritz Jahn. U. St. 1815—19.<br />
7^3. Friedrich Wilhelm Hübner. 11. St. 1815—18.<br />
724. Johann Friedrich Herberg. U. St. 1815—18.<br />
725. Carl Rudolf Güler. U. Tt. 1815—21.<br />
72i). Joachim Hermann Brehmer. U. St. 1816^21. sMastwirt.^<br />
727. Bernhard Salomo Hartfeil. U. St. 1818—23.<br />
728. Ferdinand Velthujen. U. 3t. 1818—21.<br />
729. Johann Friedrich Nttth. Snnd. 1818, V. 1832-36. sObersetretär<br />
selt 1805.1<br />
730. Gottfried Ferdinand Lobedan. U. St. 1818—21.<br />
731. Wilhelm Gribel. II. St. 1819—23.<br />
732. Joachim Diedrich Staveuhngen. 11. St. 1820—26.<br />
733. Samuel Friedrich Winkclsesjer. U. St. 1821—24.<br />
734. Friedrich Gottlieb Zitelmann. U. Et. 1821—35.<br />
735 Adolf Philipp Wilhelm Weber. U. Et. 18^1—25.<br />
736. Heinrich Ferdinand Steinicke. U. Et. 1821, O.-B. 1828-31.<br />
>1tt31 vom Amte fuspendiert.^<br />
737. Anton August Friedrich Hoffmann. U. Tt. 1821-27. >Äraneigcn.1<br />
73« August Ferdiuaud Siebe. 11. St. 1^3—35.<br />
739. Gustav Wllhelm Scheeffer. U. 2t. 1824-27, 1833-35. IBrau-<br />
eigen.I
134 Der Rat und die Ratslime von Stettin.<br />
740. Ernst George Otto. N. St. 15534—27.<br />
741. Leopold Jacob Theodor Hein. U. St. 1824—27.<br />
742. Leopold Eugen Dieckhoff. H. St. 1824—54. j Rechtsanwalt. ><br />
743. Ferdinand Ärumm. ll. St. 1«24—37.<br />
744. Johann Friedrich Boy. U. St. 1824—27, 1834—37.<br />
745. Haus Alben Eduard Schallehn. B. St. 1827, Syud. 1832,<br />
V. 1830—68. ^ber^Landesgerichtsassessor.I<br />
746. Christian Ernst Iuppert. N. ^t. 1826—29.<br />
747. Ferdinand Petersen. U. St. 1827—35.<br />
748. Martin Friedrich Kamecke. U. St. 1827—30.<br />
749. Johann Michael Dreher. U. St. 1827—30.<br />
750. Friedrich Christian Gutberlet. u. St. 1827—45.<br />
75!. Carl Friedrich Weinreich. U. St. 1828 — 34.<br />
752. Carl Heinrich August Schultze. N. St. 1325-31.<br />
753. Carl Daniel Friedrich Böhm. N. St. 1828—35.<br />
754. Adolf August Vode. U. St. 1828—35.<br />
755. Friedrich Gotllicb Vcnjamin Schmidt. K. 1828—65.<br />
756. Heinrich Görlitz. U. St. 1840—33, 1846—56.<br />
757. Ferdinand August Wilhelm Lippe. U. St. 1832—42.<br />
758. Wilhelm Ernst Friedrich Hessenland. V. St. 1832—68 sOber-<br />
Landesgerichtsreferendar. ><br />
759. Carl Gottlieb Winckler. B. St. 1833—53. sÖkonomie-Kommissar.1<br />
760. August Lemonius. U. St. 1833—36.<br />
761. August Friedrich Wilhelm Wißmann. U. St. 1834—46.<br />
762. Johann Franz Heinrich Fraissiuet. U. St. 1834—37.<br />
763. Anton Ebeling. U. St. 1834-46.<br />
764. Johann Gustav Lischke. U. St. 1835—41.<br />
765. Heinrich Ludwig Heyn. U. st. 1835-41.<br />
766. Erust Ludwig Vcthe. U. St. 1835—50.<br />
767. Johann Friedrich Agath. U. St. 1835—63. sKanfmann und<br />
Gastwirts<br />
768. Eduard August PitzscM. Synd. 1836—48. sGerichtsassessor.'!<br />
76!1. Franz Heinrich Michaelis. U. St. 1836—38.<br />
770. Eduard Gottfried Weitmer. U. St. 1^37, s 1837.<br />
771. Emil Rahm. U. St. 1837-43.<br />
772. Carl Metzenthin. U. St. 1837—49.<br />
773. Carl Albert Frie<strong>der</strong>ich. U. St. 1837—64. sGoldarbeiter.i<br />
774. Julius Wilhelm Wilsnach. U. St. 1838—44.<br />
775. Daniel Friedrich Christian Schmidt. U. St. 1841 — 47.<br />
776. Ernst Cochoy. U. Lt. 1841—53. sBrauer und Holzhändler.1<br />
777. Ernst Wegener. U. St. 1842—48.
Der Rat und die Ratslmie von Stettin. 135<br />
77«. Wilhelm Mrühmacher. U. Tt. 1843—49. s?edcrfabrikant.1<br />
779. Friedrich Wilhelm Wcinreich. U. Et. 1844—5l.<br />
780. Wilhelm H. V. Wartenberg. O.-A. 1845—49. sNegiernngsund<br />
Forstrat; dantl ab 1 Gerichtsassessor, 2tadtsckretär.><br />
783. Carl Ernst Friedrich Wilhelm Angnst Moritz. N. St. 1845—52.<br />
7^4. August Ferdinand Haact. U. 5t. 1846—52.<br />
785. Hottlieb Kremier. B. St. u. Vaurat 1846—52. IStadtbaumeister.j<br />
786. Carl Friedrich Hellwig. ll. St. 184tt—64.<br />
7X7. Angust Eduard Theel. ll. St. 1847-53.<br />
788. ^indolf Eduard Julius Gierkc. Svud. I84X. j Qber-^audesgerichtsassessor;<br />
schied aus, weil zum Mimstcr ernannt.j<br />
789. Gustav Albert Wellmann. II. St. 1849—58.<br />
790. (5arl Friedrich Wnchardt. U. St. 1"l8—tt9.<br />
791. Carl Augnst Vndwig Schnee. U. Tt. 1849—52.<br />
792. Carl Albert Hering. O.-V. 1849—Appellationsgerichtsrat.><br />
793. Johann Gustav Otto. Syno. 1849—58. IQbcr^Vandesgerichtsrefereudar.I<br />
794. Ernst Friedrich Wilhelm Reiche. N. St. 1851—5N.<br />
795. Friedrich Ludwig Thenne. U. St. 185)2—^6.<br />
796. Carl Wilhelm Schoeneberg. Ä. St. und Vaurat 1852-ttl.<br />
I Negierungsbanmeister. I<br />
797. Iulins Meister. U. St. 1852-63.<br />
798. Angnft Lindau. N. Bt. 1852—54.<br />
799. August Wilhelm Carton. U. Et. 1852—72. sNentner.)<br />
800. Johann Friedrich Wilhelm Hempcll. V. Tt. 1853—78. j Hauptmann<br />
a. D. und Vnrgermeister in Treuenbriehen.1<br />
801. Friedrich Marggraff. N. St. 1853—63.<br />
802. Carl Edmnno Robert Alberti. V. St. und Stadtschnlrat 1854—66.<br />
^Archidialonus uud Stadtschnlrat in Äiarienwer<strong>der</strong>.j<br />
803. Iulins Schmidt. U. St. 1854—63.<br />
804. Johann Wilhelm Ernst Kntscher. U. St. 185t>-6i;. Leutnant<br />
a. D. und Rentners<br />
805. Ferdinand Heinrich Eisermann. U. St. 1856—66.<br />
"06. Ferdinand Jahn. U. St. 1858—63.<br />
807. Felix (Ymebrecht. Synd. 1858, H. 1884 — 1900. ^Gerichtsassessor.z<br />
808. Carl Becker. U. St. 1859-63.
Der Rat und die Ratslinie von Stettin.<br />
«09. James Friedrich Ludolph Hobrccht. V. St. und Baurat l«6l-69.<br />
^Regierungsbaumeister.^<br />
810. Ernst Heinrich Koppen. U. 2t. 1662—69.<br />
8l l. Gustav Ludwig Karow. U. St. 1«62—75).<br />
«12. August Euchel. U. 2t. 1862-75).<br />
813. Ludwig Eickfen. U. St. 1802-61. sGewerbeschuldirektor a.D.<br />
in Stettins<br />
«14. Rudolf Albert Ferdinand Nnckforth. U. St. 1863-69.<br />
815. Georg Friedrich Seipvel. U. Et. 186-1—66.<br />
816. Wilhelm Nadloff. ll. St. 1864—75. sZimmermeister.)<br />
817. Hermann Hoppe, ll. St. 18Ncntier.j<br />
833. Wilhelm Schmidt. U. St. l«62—«3. ^Rentier.j<br />
834. Adolf Schlcjacl. B. St. und K. 1872—84. sGerichtsreferendar.^<br />
835. Wilhelm Meister. U. St. 1872—78.<br />
836. Wilhelm Mayer. N. St. 1872-86. sApothckcubcswer.^<br />
837. Adalbert Kruhl. B. Ct. und Stadtbanrat 1^73—d7. s^Negierungsbaumeistcr.^<br />
838. Georg Schultz. N. St. 1874-89. >Zimmermcister.)<br />
839. Albert Wilhelm Schlntow, Nr. iur. U. Lt. 1874-87.<br />
Kommerzienrat.^<br />
840. Carl Angust Keddig. U. St. 1874—82.<br />
841. Angust Zapp. U. St. 1874—75. jNenticr.)
Der Rat und die Ratslinie von Stettin. lA7<br />
842. ?ouis Meister. 11. St. 1875—89. ^Offizier a. D. und Rentiers<br />
843. Julius Äinjch. U. Lt. 1875—^7. sNeutier.)<br />
844. Wilhelm ^ossius. N. St. 1876—81. ^Fadrikdircltor.^<br />
845. Julius Koppen. U. St. 1876—81. ^Ingenieur.!<br />
846. Franz Martin saniert. U. Lt. 1878—85.<br />
847. Hermann Iohauu Friedrich Ludwig Haken. O.-V. 1878—1907.<br />
^Bürgermeister in Kolberg.^<br />
848. Carl Driiger. N. St. 1878-1890. sLtadtforstrnt iu Fürsten<br />
Waldes<br />
849. Emil Convreur. U. St. 1879—91.<br />
850. Friedrich Ottomar Krosta. B. Et. und Stadtschulrat l892—1900.<br />
sOberlcluer ln Königsberg iu Pr.1<br />
851. Friedrich Schiuse. U. St. 1882—87. ^Maurermeiftei'.i<br />
852. Hermann Stcidel. U. St. 18«3—93. sKurichnermeister^<br />
853. Paul Kohli, I)r. iur. N. St. und Syndikus. ^Amtsrichter in<br />
Stepenitz.^<br />
854. Hermann Dießner. N. St. 1884—90.<br />
855. Hermann Paul Doering. U. Lt. 1885—90.<br />
85<br />
859. Wilhelm Ambach. U. St. 18.^7—90. sIuwcNcr.l<br />
860. Carl Staekcr. U. St. 1887-91.<br />
16l. Hermann Zarges. 1!. St. 1890-19ll).<br />
862. Wilhelm Meyer. V. St. nud Ltadtbaurat lX90- . jTtadt-<br />
baurat iu ^i'lbeck.^<br />
863. Wilhelm Heinrich Meyer. N. St. 1890-96.<br />
864. Georg Wilhelm Paul Matting. B. St. und K. 1^90-95.<br />
> Gerichtsassessor, j<br />
«65. Gerhard Wigand. B. St. 1^90— . fKöuigl. Forstasscssor.^><br />
866. Gustav Morgenroth. 11. St. 1890—97.<br />
867. Friedrich ^enz. U. St. 1890-95. sGeh. Kommerzicnrat und<br />
Eiseubahn-Äauuuteruehmer.1<br />
868. Friedrich Richard Hermann Krause. B. St. uud Stadtbaurat<br />
1890—1.902. sStadtbauiuspektor in Posm.^<br />
869. Carl Kanzow. U. St. 1890-96.<br />
870. Eberhard Wolff. B. St. und Synd. 1892— . sGerichtsassessor/j<br />
87 l. Ernst Rabbow. A. St. 1892, K. 1900— . Mrichtsasscssor.)<br />
872. Carl Emil Herrmanu. U. Lt. l89^i— . ^Neutier.^<br />
873. Georg Grawitz. U. St. 1892—1899.
Der Rat und die RaMinie von Stettin.<br />
»74. Julius Braeunlich, Dr. mr. U. St. 1892—9!). > Kaufmann. ><br />
«75. Carl Domcke. II. Lt. 1893—99. ^tentier.1<br />
«7ft. Emil Tromvetter. II. St. !«95—I9l>5.<br />
877. Carl Michalowsky. V. St. nnd K. 1895—1900. Gerichtsasscssor<br />
a. D.^<br />
878. Alfred Brennhausen N. St. 1895-1905. sKöniql. Vanrat a. D.^<br />
«79. Carl Wolff. U. St. 18W— . ^^entior.^<br />
880. Ferdinand Constant Carl Maria Henry. II. St. 189N—!905.<br />
s.Hanptmann a. D><br />
881. Carl Aendnbn. N.St. nnd Stadtbanrat 1«97—1910. ^Stadtbaumeistcr<br />
in Stettins<br />
882. Albert Collas. II. St. 189«— . Generalagent.^<br />
««A. Carl Muetzell. U. St. 1899-1902.<br />
884. Hans Knust. U. St. 1899— . ^Schifftree<strong>der</strong>.<<br />
885. Hugo Nülil, Dr. pliil. V. St. nnd Stadlschnlrat 19
Der Rat und die Ratslinie von Stettin. 139<br />
904. Heinrich Schnrmnnn. V. St. und Stadtbanrat 1911- . Madt-<br />
baurat in Oanzig.^<br />
905. Fran.'> Schlcu'encr. B. St. 1911— . ^Bürgermeister in Deutsch-<br />
^issa.'^<br />
90ft. August Hahne, Dr. pkil. B. St. und Stadtschulrat I9l2— .<br />
^Stadtschulrat in Hanaus<br />
907. Hermann Dibbern, Dr. pi,,'!. B. St. und Stadtschnlrat 19l2— .<br />
^Kreisschnlinspektor in Nordhauien.^<br />
90«. Nemhold Thelemann. U. St. 1913— . sObevst a. D-1<br />
909. Paul Stromer. O. St. 1913— . sMagistratsasscswr in Stettins
140<br />
Rat und die Natslmic von Etcttm.<br />
Alphabetisches Verzeichnis <strong>der</strong> Natslinie.<br />
Zahlen bezeichnen die Nnmmern <strong>der</strong> Naislinie.)<br />
Hckermann 705, 899.<br />
Affen 147, 152.<br />
Agath 707.<br />
Albern 802.<br />
^Idu8 (Witte) 29, 39, 6l.<br />
Alffmunde 25.<br />
Allk 6om0 66 (Hogcnhns) 35.<br />
70, 71.<br />
Ambach 859.<br />
Andrà 718.<br />
Andrea 581.<br />
Andrene 051.<br />
Angermnndc 27.<br />
Angnstin 085.<br />
Macker 230.<br />
Balsam 824.<br />
Bandow 212, 245.<br />
Barteld 530.<br />
Bartels 000.<br />
Barthold 592, 598.<br />
Äartholt 583.<br />
Becker 808.<br />
Beckmann 480.<br />
Behm "92.<br />
Behnfe 830.<br />
Behre 551.<br />
Beliv 335.<br />
Bell 327, 334, 370.<br />
Bmduhn 881.<br />
Berckhoff 445.<br />
Vergemann 717.<br />
Bcringer 15)l>, 205.<br />
Bertholt 159, 195.<br />
Berlinghof 170.<br />
Berndes 143.<br />
Bethe 678, 700.<br />
Benchel 832.<br />
Beyer 715.<br />
Beyteman 300.<br />
Binsch 843.<br />
I-iiwco^ 07.<br />
Blancke 432, 504.<br />
Blindow 01 l, 05>4.<br />
Blomberg ."»39.<br />
Bobcltn 77.<br />
Aock 825.<br />
Boddeker 281, 353, 358, 400.<br />
Bode 754.<br />
Böhmer 057.<br />
Böttcher 072.<br />
Boghcmil 49.<br />
Böhm 753.<br />
Botte 533.<br />
Bombst 57.<br />
Borken 135, 170. 172.<br />
Bonrwieg 077.<br />
Boy 744.<br />
Bracht 003.<br />
Braennlich 874.<br />
Aratel 22, 33, 47, 53, tti.<br />
Brandenburg 3.<br />
Brandes 227.<br />
Brandt 507.<br />
Ärannschweig 343, 417, 470, 505.<br />
Brchmer 720.<br />
Bremen 03.<br />
Bremer 310.<br />
Ärcnnhansen 878.<br />
Aricele 388, 409.
Der Nat und die Ratslinie von Stettin.<br />
Brinck 196, 321, 337, 359, 372. ! Dömih 9.<br />
3"6, 4! 9.<br />
Brockhans 344.<br />
Broker 180.<br />
Bruchmanu 362, 494.<br />
Brumm 743.<br />
Brunnemaml 714.<br />
Ärunow 123.<br />
Buchner 641.<br />
Bulle 305<br />
Bttughe 101,<br />
Buren 250, 262,<br />
Burscher 826.<br />
Busch 640.<br />
ßalbius 557.<br />
(5ammeradt 646.<br />
Canon<br />
Clostcrwold 399.<br />
Clokow 165.<br />
Coäwy 776.<br />
Collas 8«2.<br />
^lonin. (Colue) 40.<br />
Couvrelir 849.<br />
Cuutzow 171.<br />
Daber 43.<br />
Danim 2.<br />
! Framholtz 371.<br />
^ Francke 451, 576.
142<br />
Fraude<br />
Freyberg 320, 345, 356, 522, 586.<br />
Friededorn 457, 5! 5.<br />
Frie<strong>der</strong>ich 398, 525, 773.<br />
Friedens 679.<br />
Fritzhans 444.<br />
Frodcnberg 220.<br />
Fuchs 423.<br />
Funcke 449.<br />
Gabriel 490, 555.<br />
Gadebusch «31.<br />
Gamewilidt 537.<br />
Gawetzow 24«, 290.<br />
Gerdes 629.<br />
(Ncrickc 4«4.<br />
Gcrschow 3«9, 471, 520.<br />
Gerstmann 550.<br />
Gertner 528.<br />
Germer (lercio) 88, 114.<br />
Ghermaml 184.<br />
Gherweu 229.<br />
Gierke 788.<br />
Gicse 40«.<br />
l^icsebrecht 807.<br />
Gieselbrccht 355, 420.<br />
Glse 447.<br />
Glinde 193, 271, 305, 329,<br />
Glineke 361.<br />
Glitlicke 302.<br />
Gobel 2«3.<br />
Görlitz 75
Hessenland 75«.<br />
Hestede 325.<br />
Hetzer «96.<br />
Heyn 765.<br />
Hildebrandt 4«1, 667.<br />
Hilledrandt 140, 559.<br />
Hinhe 360.<br />
Hipmann 460.<br />
Hobrecht «09.<br />
Hocning 6«7.<br />
Höpffuer 711.<br />
Hoffmann 710, 737, «19.<br />
Hogenholtz 2«7, 333, 424.<br />
Hogeuhus s. ^!tn. <<br />
Hogensten 1«1.<br />
Honesben 8ti.<br />
Hopffcr 572.<br />
Hoppe «17.<br />
Horn 160.<br />
Hübner t>15, 671,<br />
Hun<strong>der</strong>tmal'! 3«2.<br />
Huvener «3.<br />
Zlliges 465.<br />
jll8t,wl' (Krmner) «.<br />
Iädicke 594, 616.<br />
Jagednvel 115, 199.<br />
Jamt 5«3, 722, «0
144 Der Nat und die Natslinie uon Stettin.<br />
Veppene 106.<br />
Vevete 374.<br />
Vevenow 105.<br />
Vicbeherr 5.^5.<br />
Vindau 798.<br />
Vindemann 562.<br />
Linsing 554.<br />
Lippe 87, 757.<br />
tischte 764.<br />
?o 259.<br />
Lobedan 730.<br />
Loeper 627.<br />
Lossius 844.<br />
Loweutsni<strong>der</strong> 100.<br />
Voytz 213, 256, 309, 357, 3^4<br />
Ludendorff
?ähig 564, 597.<br />
Pape 44, 104.<br />
Pargow 549.<br />
?arvu8 (Klein) 20.<br />
Pasenow 284.<br />
Passovius 479.<br />
Paul 14'i, 150, 168, 210, 246,<br />
285.<br />
Pauli 95, 453, 649.<br />
Paulsohn 709.<br />
Perleberg 75.<br />
Peters 635.<br />
Petersen 747.<br />
Pfeill 4l»4.<br />
Piper 524.<br />
Pitzschky 704, 768.<br />
Placotomu^ 514.<br />
Plate 349.<br />
Plote 166, 194, s. Plate.<br />
Pölitz 72, 91.<br />
Pokelentc 79.<br />
Poleman 197.<br />
Pott 039.<br />
Preen 141.<br />
Prilop 118, 189.<br />
Probeck 025.<br />
Prutz 721.<br />
^uer (Kint) 19.<br />
Pulse .<br />
Pulsemaun 94.<br />
(VuaN 151, 183, 204.<br />
Quirn 492.<br />
Kabbow 871.<br />
Nadloff 816.<br />
Nahm 690, 771.<br />
Ramyn 254, 350, 405.<br />
Rllpin-Thoyras 695.<br />
Ravenstein 226.<br />
Redepenning 680.<br />
ValUlchl Studien 9l. F XVll<br />
Der Nat und die Ratslinie von Stettin. 145<br />
Ncdtcl 653.<br />
Neen (Nline) 164, 202 216.<br />
Aegelstorf 338, 392.<br />
Reblierc, 478.<br />
Reiche 794.<br />
Richardt 366.<br />
Nichter 496.<br />
Nlnck 82«.<br />
Rochlitz 416, 436.<br />
Node 140.<br />
Nodinger 218, 261.<br />
Nof 322.<br />
Nohde 126, 643.<br />
Noientre<strong>der</strong> 190.<br />
Noiow 139, 186.<br />
Noth 886.<br />
NückforNi 314.<br />
Nühl 8^5.<br />
Ruhrhoff 5«4.<br />
Nunge 823.<br />
Rust 221.<br />
Nuth 729.<br />
^iynbeke 224, 257.<br />
Nyne s. Neen.<br />
Nynlcn<strong>der</strong> 145.<br />
Sachteleven 295,340,412,426,461.<br />
8kßUwrlU8 (Schütte) 1.<br />
l Salomoil 485).<br />
Salzwedel 18, 31.<br />
San<strong>der</strong> 626.<br />
Sandow 5.<br />
Sänne 46, 50, 658.<br />
8api6li5 (Wise) 17.<br />
Sasse 2«, 324.<br />
Schack 59!.<br />
Schadelock 482, 543.<br />
Schallehn 745.<br />
Schambach 477.<br />
Schapow 73.<br />
10
146 Der Nat und die Natslmie von Stettin.<br />
Tchaukirch 546.<br />
Schaum 299, 347, 390, 441,<br />
Scheesser 739.<br />
Scherenberg 569.<br />
Scherf 92.<br />
Schittke «51.<br />
Schivelbein 363.<br />
Schlegel 488, 500, 510.<br />
Schleich 638.<br />
Schleier (Sleker) 410.<br />
Schlesack 834.<br />
Schleusener 905.<br />
Schlutow «39.<br />
Schmid 292.<br />
Schmidicke 689.<br />
Schmidt 634, 755, 775, «03,<br />
833.<br />
Schmiedt 531, 556.<br />
Schoeneberg 796.<br />
Schöuefeld 78.<br />
Schöppcrle «27.<br />
Schottorp 131.<br />
Schroe<strong>der</strong> 636.<br />
Schür 822.<br />
Schürmaun 904.<br />
Schulte 596.<br />
Schütze 526.<br />
Schul<strong>der</strong> 275.<br />
Schulte 1«2, 207, 260.<br />
Schultz 5«7, 604, «38.<br />
Schnitze 391, 513, 720, 752,<br />
791.<br />
ächwanberg 217.<br />
Scdwave .^,68.<br />
Echwelleugrebel 37«, 427, : ')18.<br />
Schnuuechow 282.<br />
Sconenwer<strong>der</strong> 26.<br />
8crijltor (Schreiber) 37.<br />
Seifert 439.<br />
Seippel «15.<br />
2elluow 655.<br />
Setzer 452.<br />
><br />
Sibraud 5«2.<br />
Siebe i'»7, 73«.<br />
Siedmann 4:^5, 467.<br />
Simon 570, 902.<br />
Simons 415.<br />
Suake 111.<br />
Sneberg 121.<br />
Snelle 149.<br />
Sötebotter 103, 124.<br />
Lommervelt 137.<br />
Span 2.<br />
Sparvenvelde 6.<br />
Spele 346.<br />
Sprenger 26«.<br />
Stabe 614.<br />
Stade 107.<br />
Btadtleu<strong>der</strong> 486.<br />
Staeler 860.<br />
Stangevol 55.<br />
Starcke 519.<br />
Staveuhagen 732.<br />
Steidel 852.<br />
Tteinecke 675.<br />
Steiniäe 736.<br />
Stenhus 80.<br />
Sternberg 782.<br />
Stettin 16.<br />
Steven 206, 211, 263, 298.<br />
Stolle 613.<br />
Stolp 84.<br />
Ltoltenburg 49«, 665.<br />
Ttoppelberg 264, 291, 375.<br />
Straupitz 380, 431.<br />
Strauß 536.<br />
Strausberg 58.<br />
Strobek 7 1.<br />
Strömer 909.<br />
Struck 708.<br />
Suude 108.<br />
Suuneuberg 270.
Swautes 297.<br />
Swiueuze 9ti.<br />
Tabbert 590<br />
Theel 7«7.<br />
Thelemann 908.<br />
Theune 795, «21.<br />
Thiemann 701.<br />
Thilow 656.<br />
Thode 901.<br />
Timme 45)9.<br />
Tobieu «95.<br />
Toniesdorp 19«.<br />
Tonueubiu<strong>der</strong> 5)0«.<br />
Torfs 644.<br />
Torgelow 236.<br />
Trauenol IM.<br />
Trebbm 400, 450, 489.<br />
Tre<strong>der</strong> 497.<br />
Trendelenburg 642.<br />
Treptow 117, 1«".<br />
Trestiu 258.<br />
Trompetter 876.<br />
Troye 402.<br />
Turow 473, 563.<br />
Ulrich 645.<br />
Vauselow 599.<br />
Velitio^tor (Segeler) 10.<br />
Velthusen 728.<br />
Böge (Vughe) 12«, 173, 177,<br />
20«, 232.<br />
Voigt 624.<br />
Bolschendorp 136.<br />
Volke 214.<br />
Vorrat 110, 153, 215.<br />
Voß 273, 397, i^.0.<br />
Dcr Nat und die Ralslinie von Stettin l47<br />
Voßberg 435.<br />
Braute 175.<br />
Machenhuseu l>94.<br />
Wacker 97, 99.<br />
Wächter i'>«3.<br />
Wagner. 552.<br />
Wardeuberg 127, 154, 192, 349.<br />
Warsow «20.<br />
Wartcuberg 7«0.<br />
Waßmauu 225.<br />
Weber 735.<br />
Wcgener 777.<br />
Wclchardt 790.<br />
Weidner 770.<br />
Weigert 894.<br />
Weiureich l!l»9, 751, 779.<br />
Weist 7N7.<br />
Wellmaun 7«9.<br />
Wels 89«.<br />
Weudeler 401.<br />
Wcuuemer 17«.<br />
Wer<strong>der</strong>mau 31«, 34«, 37i'>, 3«5,<br />
3«7, 425.<br />
Wercubrod 20s), 233.<br />
Wcrtmau 41«.<br />
VVe^.I^vi«. (Breslau) 12, 3^,.<br />
Werter 43«.<br />
Wessel 2«, 45.<br />
Westboff 502.<br />
Westphal (WestfaN 54, ll2, 428,<br />
474.<br />
Wide 244.<br />
Wletzlow l!91.<br />
Wigcmd 8
148<br />
Winß 404.<br />
Winter 561.<br />
Wiringlmsen 5l.<br />
Wißmann 692, 761.<br />
Witte 93, 330, 666.<br />
Wittenborn 238.<br />
Wobbermyn 98,<br />
Wolff 169, 7l9<br />
Wollm 14, 5)44,<br />
Woltin 41.<br />
Wregh 2«6.<br />
Der Rat und die Natslmie von Ztettln<br />
109,<br />
856<br />
133.<br />
^70 ^79<br />
Wüstchove 332,<br />
Wnstenie 300.<br />
365, 394, 407.<br />
Wnlff 20 l, 237,<br />
536<br />
Wnlsten 673.<br />
Wnssow t^, ^5.<br />
Jandcr 903.<br />
Zavp ft41.<br />
Karges "6l.<br />
Zattrow !25,<br />
600.<br />
Zillmer 623.<br />
Zilmcr 509.<br />
Zimmcrlnann 437.<br />
Zisemer 5ll.<br />
Zitelmann 706,<br />
734. -<br />
Zolchow 55X.
Ateltin im eisernen Fahr.<br />
Zeitgenössische Berichte.<br />
Von<br />
Professor Dr. Otlo
MO. Wie<strong>der</strong>lehr des eisernen Jahres hat eine Fülle von<br />
Gesamtdarstellungen <strong>der</strong> großen Zeit und ebenso zahlreiche Einzel-<br />
Untersuchungen hervorgerufen, die <strong>der</strong> Forschung wie <strong>der</strong> allgemeinen<br />
Belehrung wohl zn dienen vermögen. Wenn dabei das Verlangen nach<br />
einer genauen Kenntnis <strong>der</strong> Ortsgeschichte im Jahre 1«13 beson<strong>der</strong>s<br />
start hervortritt, so ist das sicher ein Zeichen einer Erstarkung des<br />
Heimatsinnes. Die neunmonatige Belagerung Stettins im Jahre lttlA<br />
ist nun zwar in ihrem Verlauf im großen und ganzen bekannt, doch lag<br />
es nahe zu versuchen, ob sich nicht noch bisher unbekannte Aufzeichnungen<br />
finden ließen, die, verfaßt von Renten, die die schwere Zcit selbst miterlebten,<br />
uns Nachfahren ein wirklich lebendiges Bild <strong>der</strong> Ereignisse in uud vor<br />
Stettin geben könnten. Nicht alle, zum Teil zeitraubenden Nachforschungen<br />
haben zum Ziele geführt. Auch mir ist es nicht gelungen, das Tagebuch<br />
des Kaufmanns Well mann aufzufinden; an<strong>der</strong>e Svureu führten zu<br />
weit; z. B. ist das Tagebuch des Kaufmanns Berg wahrscheinlich nach<br />
Österreich verschleppt. Noch an<strong>der</strong>e zeitgenössische Aufzeichnungen, wle<br />
Briefe u. a., sind nachweislich noch vor einigen Jahren vorhanden<br />
gewesen, dann aber dem übertriebenen Ordnungssinn ihrer Besitzer zum<br />
Opfer gefallen. Am wenigsten sind Druckschriften aus <strong>der</strong> Zeit vor<br />
1lX) Jahren erhalten; freilich werden die beiden Stettmer Druckereien<br />
von C. W. Struck (heute Hessenland) und Esfenbarths Erben<br />
unter dem Zwange <strong>der</strong> französischen Fremdherrschaft kaum etwas<br />
Nennenswertes haben leisten können, immerhin aber noch einiges. Z. A.<br />
wurde bei Effenbarth am 10. Februar <strong>der</strong> Aufruf vom 3. Februar zur<br />
Nildung freiwilliger Iägerlorps gedruckt, bei Struck spater auch einzelue<br />
Gedichte; auch kam dieser in den Verdacht, Aufruhrzcttcl gedruckt zu habcu.<br />
Die Effenbarthsche Druckerei ist in <strong>der</strong> Mitte des vorigen Iahrhnn<strong>der</strong>ts<br />
aufgelöst, und obwohl die Structsche noch heute fortbesteht, scheint sich<br />
doch keins <strong>der</strong> im geheimen hergestellten Stettiner Druckblätter vom<br />
Jahre 1813 erhalten zu haben; die Filma besitzt jedenfalls nichts.<br />
Um so wertvoller sind persönliche Aufzeichnungen, die, bisher im<br />
Familienbesitz treu gehegt, es wohl verdienen im Gedenkjahre I9l3<br />
mitgeteilt zn werden; denn wie den Stettincr Bürgern in ihrer eigenartigen<br />
^?age zu Mute war, wie sie die entsetzliche Langeweile zu bannen
l5>2 Stettin im eisernen Jahr.<br />
suchten, wie sie um die teuren Familienangehörigen in Sorge waren,<br />
nachdem sie die bittere Not erbarmungslos getrennt hatte, o<strong>der</strong> die jungen<br />
Söhne in den heiligen Kampf hinausgezogen waren, wie erfin<strong>der</strong>isch <strong>der</strong><br />
harte Druck <strong>der</strong> verhaßten Fremdherrschaft machte, um die Peiuiger zu<br />
überlisten, vor allem auch welche Heldentaten auf dem Gebiete <strong>der</strong><br />
helfenden Nächstenliebe vollbracht wurden, das zeigen uns Briefe o<strong>der</strong><br />
Selbstbcrichte doch am allerdeutlichsteü. Nach dieser Richtung geht schon<br />
eine Anregung, die kein Geringerer als Martin Wehrmann vor vier<br />
Jahren gab/) als er zur Sammlung privater Aufzeichnungen aus dem<br />
Jahre 1813 auffor<strong>der</strong>te.<br />
Wenn nun hier eine Reihe solcher zeitgenössischen Berichte veröffentlicht<br />
wird, so scheint es fast selbstverständlich zu sein, daß sie, von eiuigen<br />
notwendigen Kürzungen abgesehen, in ihrer ganzen Ursprünglictikcit<br />
wie<strong>der</strong>gegeben werden, daß <strong>der</strong> Herausgeber „nichts verlin<strong>der</strong>t und nichts<br />
verwitzelt, nichts verzierlicht und nichts verkrihelt". Die schriftliche«<br />
Zeugen einer 100jährigen Vergangenheit sollen im Gedenkjahre selbst zu<br />
uns sprechen!<br />
Darum scheint es mir auch gerechtfertigt, wenn ein bisher<br />
unbekanntes Tagebuch fast ganz zum Abdruck gelangt, aus einem an<strong>der</strong>en<br />
aber Ergänzungen gegeben werden. Mögen manche ihrer Angaben <strong>der</strong><br />
geschichtlichen Forschung nichts Neues bieten, so tragen sie doch beide<br />
ein persönliches Gepräge, in einzelnen Fragen werden sie auch früher<br />
veröffentlichte Tagebücher ergänzen.<br />
Das eine von ihnen ist verfaßt von August Wilhelm Wächter<br />
aus Stettin,2) dem im Jahre 1M3 im 19. Lebensjahre stehenden älteren<br />
Sohne des Senators Samuel O ottl. Wächter, <strong>der</strong>, aus Greifenberg<br />
stammend, im Jahre 17552 in Stettin die noch heute blühende Handlung<br />
begründet hatte. A. W. Wächter war es nicht gelungen, aus Stettin<br />
herauszukommen und seinen Kampfeseifer zu betätigen. Schwer drückt<br />
es auf die Seele des jungen Patrioten, hinter so viele» Altersgenossen<br />
zurückzustehen und nichts für das Vaterland tun zu können. Ist doch<br />
selbst sein jüngerer Bru<strong>der</strong> Carl Eduard Wächter, obwohl erst<br />
l6 jährig (wahrscheinlich war er damals noch Stettiuer Gymnasiast"),<br />
als freiwilliger Jäger bei den Kolbergern eingetreten! Unerträglich ist<br />
dem älteren Bru<strong>der</strong> die unfreiwillige Untätigkeit, und er benutzt die<br />
') Baltische Studien N. F., Bd. XIII. p. 70.<br />
') Echon P. Meinhold hat auf dieses kurz hingewiesen in Baltische<br />
Studien, N. F., Bd. XI, p. 192.<br />
') Über Stettiner Gymnasiasten im Jahre 1853 habe ich (nach Tagebüchern<br />
und Akten) gehandelt in <strong>der</strong> Beilage zum Stettincr Generalanzeiger vom<br />
15. Juni l913.
Stettin im eisernen Inhr. 153<br />
Muße, um Stimmung und Empfindungen iu lang ausgesponnenen<br />
Netrachtungen wie<strong>der</strong>zugeben. Die tatsächlichen Vorgänge interessieren<br />
ihn nicht immer, er ist ganz Gefühlsmensch; scine Aufzeichnungen tragen<br />
daher einen sehr subjektiven Charakter. Er lebt damals nicht dei seinen<br />
Eltern, Tchnlzenstraße 3557, sou<strong>der</strong>n ist Lehrling in <strong>der</strong> Handlung von<br />
I. G. Weidn er, Frauenstraße ^91, und hat bei seinem Vehrherrn<br />
nach damaliger Sitte Wohnung uud Beköstigung. Auf einem Auge<br />
blind, kann „er doch iu <strong>der</strong> Handlung immer so gut arbeiteu, wie je<strong>der</strong><br />
an<strong>der</strong>e" und hofft (wie er am
154 Stettin im eisernen Jahr<br />
(anonyme) Tagebuch ist offeubar am Anfang verstümmelt; es reicht vom<br />
39. März bis zum 34. Dezember l513. Durch größere Sachlichkeit<br />
empfiehlt es sich vor dem Wächterschen zur möglichst vollständigen Veröffentlichung,<br />
während ich aus diesem einzelne Stücke ausgewählt habe.<br />
Dell Tagebüchern werden einige Briefe des Kaufmanns Carl<br />
Wilhelm Meister an seine Schwester folgen. Obgleich erst 19 Jahre<br />
alt, steht er nicht in den Reihen <strong>der</strong> Vaterlandskämpfer, son<strong>der</strong>n leitet<br />
„als Disponent <strong>der</strong> Handlung seiner Mutter" (<strong>der</strong> Vater war früh<br />
verstorben) das seit 1791 noch heute im Besitz <strong>der</strong> Familie Meister<br />
befindllche Geschäft in <strong>der</strong> Wrapengießerstraßc 167/168.') Wie jede gute<br />
Stettiner Familie, entsendet aber auch die Familie Meister ihren Freiwilligen,<br />
den ein Jahr jüngeren Heinrich Ernst, in den Freiheitskampf,<br />
<strong>der</strong> dann beide Feldzüge mitmacht und noch mehrere Jahre<br />
aktiver Offizier bleibt. Wilhelm hält die ganze Belagerung mit den<br />
Handlungsdienern und den Hausbedienten in Stettin aus, während die<br />
Mutter mit <strong>der</strong> Tochter lind einem jüngeren Sohn am ^4. April nach<br />
Iasenitz flüchten und dort beim Konftttorialrat Langn er, spater in<br />
Pasewalk Aufnahme finden. Zwar ist es bisher nicht gelungen, alle<br />
Briefe <strong>der</strong> Familie wie<strong>der</strong> zu erlangen, vor allem fehlen noch die Feldbriefe<br />
des freiwilligen Jägers, aber auch die sechs hier mitgeteilten stehen in<br />
ihrer Art fast einzig da. Die Briefe werden wesentlich ergänzt durch<br />
die Geschäftsbücher <strong>der</strong> Firma, die (wie auch einige ältere) glücklich<br />
erhalten sind. Hier finden sich die genauen Eintragungen <strong>der</strong> Beiträge<br />
für die Kontributionen, <strong>der</strong> Einquartierungen, <strong>der</strong> ausierordeutlicheu<br />
Unterstützungen für Freiwillige, für Lazarette, für preußische Gefangene<br />
u. a. Schon im Jahre Ittici belaufen sich diese Ausgaben auf etwa<br />
10
Stettin im eisernen Jahr. 155<br />
und befand sich in dem großen Giebelhansc am Hcumarkt, Ecke (Aroße<br />
O<strong>der</strong>straße. Frau Pitzschky gehörte nach ihren Angaben offenbar auch<br />
zu den Begrün<strong>der</strong>innen des Frauenvereins, <strong>der</strong> sich die Unterstützung <strong>der</strong><br />
Witwen und Waisen von Freiheitskämpfern zur Aufgabe machte. Aber<br />
auch nach dem Kriege hat sie unermüdlich innerhalb nnd außerhalb<br />
dieser Pereinignng als Wohltäterin gewirkt, lange Jahre als Vorsteherin<br />
des Franenvereins, bis sie im Jahre 1848 mit Rücksicht auf ihr Alter<br />
ihre Tätigkeit aufgeben muß (Schreibet! vom 13. November 1848). Am<br />
24. Januar 1827 wird ihr von Marianne, Prinzessin Wilhelm<br />
von Preußen, geb. Prinzessin zu Hessen-Homburg, „zur Anerkcnntniß<br />
ihres Verdienstes nm das Vaterland" <strong>der</strong> „Lnisen-Qrden" verliehen. Die<br />
Urkunde mit Unterschrift <strong>der</strong> Prinzessin Marianne ist erhalten. Diese<br />
Auszeichnung erst veranlaßt sie, ihren Bericht über ihre Tätigkeit im<br />
Jahre 1813 zu verfassen; er hat den Titel: „Erinnerung aus meinem<br />
tteben im Jahre 1813. Ihro Kgl. Hoheit <strong>der</strong> Prinzessin Wilhelm von<br />
Preußen übereignet Stettin d. 9. Februar 1827 nachdem mir unter dem<br />
28. Januar die Insignien des Louiien-Ordens übersandt worden". Der<br />
von <strong>der</strong> Verfasserin selbst geschriebene Text liegt in zwei, fast wörtlich<br />
übereinstimmenden Ausführungen in Folio vor, von denen die eine als<br />
„Copia" bezeichnet ist. Die drei französischen Briefe des Generals<br />
Du fr esse finden sich nur in <strong>der</strong> Copia; die Originale sind jedenfalls<br />
vernichtet.<br />
Den Beschluß werden amtliche Berichte ans den Akten des<br />
Kgl. Staatsarchivs zu Stettin, beson<strong>der</strong>s über die Verdienste<br />
einzelner Stettiner Bürger nnd die Leistungen <strong>der</strong> Stadt machen.
Tagebuch bes Btettiner Unqenanntell.<br />
Märtz.<br />
29. Während dem heutigen Gefecht, wo die Preuß. Infanterie bis<br />
bey <strong>der</strong> Knpfermühle postirt war, wurden auch das Eckhaus neben <strong>der</strong><br />
Scharfrichterey und die Scheunen und Ställe <strong>der</strong> Kupfermütile abgebrannt<br />
durch die Franzosen, welche dabey ganz barbarisch sich betrugen uud den<br />
Grabowschen Bauerssohn Mandel tow, welcher im ersteren Hause Betten<br />
retten wollte, erschossen, anch die an<strong>der</strong>n ^ente Kolben und Bajonetstöße<br />
gaben. Man schätzt den heutigen Verlust <strong>der</strong> Franzosen ans 2. Die Franzosen verlangen jetzt außer die Unterhaltung dcr<br />
Lazarethe, so 16000 Nthlr. monathlich losten, eine Menge an<strong>der</strong>er Requisitionen<br />
und die schon erwähnteu 30000 Nthlr.^) und schicken Exekutionen<br />
wenn ihnen nicht gewillfähret wird.<br />
31. Man sieht jetzt die Preusi. Infanterie in Zabelsdorff und Nredow<br />
stehen, auch eine Schanze am Fahrweg diesseits Bredow, wobey Infanterie<br />
und 1 Cosacken Piket steht; auch ^ärmstangen bemerkt ^nan^ bey Warsow.<br />
Die Franzosen haben in mehreren Häusern in Grabow, wo jedoch du<br />
Einwohner schon mit ihrem besten Habe geflüchtet sind, geplün<strong>der</strong>t.<br />
Zpril l8l».<br />
2. u. 3. W(M) Nthlr. am Gonverneur bezalt, worauf am .'5. des<br />
Abends die 13 Geiseln aus Fortpreußeu frey gelaneu wurden. Denselben<br />
Abend erschien auch ein Parlamentair, welcher den an<strong>der</strong>n Morgen früh<br />
eingelassen wnrde, und in einer Stunde beantwortet worden ist. Denselben<br />
Nachmittag um A Uhr war eine kleine affaire mit ^ franz. Officir.<br />
s>. Des Abends 9 Uhr marschirten ^ Bataillon nach Damm, welche<br />
mit <strong>der</strong> dortigen Garnison des Morgens früh die Preußen in und bey<br />
Finckcnwalde angriffen und ihnen bey diesen Übersal eine 8 Pfundige<br />
Kanone und 20 Mann Gefangene abnahmen, welche d. tt. Morgens<br />
hierher transportiert und 15 davon aufin Schloß und 5 stark bleßirte<br />
im Hospital gebracht wnrden.<br />
') Zur Eintreibung <strong>der</strong> Kontributionen bediente sich <strong>der</strong> Magistrat gedruckter<br />
Formulare; <strong>der</strong>en Wortlaut gibt C. F. Meyer. Aus <strong>der</strong> Franzosenzeil Stettins<br />
VII, in Neue Stettiner Zeitung, 11. Januar 1U91.
Stettin im eisernen Jahr. 157<br />
lO. Nachmittags 4 Uhr wurde von den Preußen in <strong>der</strong> (Negend<br />
bey Habclsdors Victoria geschahen, die Veranlaßung dazu wird man<br />
späterhin erst erfahren, da man bis jevt gantz ohne Nachricht ist.<br />
!.">. Früh Morgens am grünen Donnerstag wnrdc von den Preußen<br />
in Verbindung einiger Canonier Schalupen, so man für Schweden hält,<br />
die franz. Batterie beym Zoll attakirt, indeßen da die Preußen viel<br />
zu schwach gewesen seyn sollen, so ist ihr Unternehmen gemisglückt, und<br />
von beyden 3eiten vicl Menschen verlohren gegangen. Unter den bleßirten<br />
Preußen wurde auch 1 Capt. Nahmens Be reus im Hospital gebracht,<br />
welchen sogleich das Äeiu abgeuommen werden mußte.<br />
D. Itt. Der stille Frentag war ciuer <strong>der</strong> schrecklichsten ?age für<br />
die Stettiner, indem früh Morgens 7 Uhr die Franz. gantz Grabow<br />
in Brand steckteu, welches uebst allen Holtz Lageru ein Naub <strong>der</strong><br />
Flammen wurde.<br />
Vom l? bis dcu 20. Abends war alles still, wo unsere im Quartier<br />
habende Qfficiere sich uunüh betrugen, indem sie mit dem Esten nicht<br />
zufrieden wareu, ewige Couverts eutzwey schmißen, und uns noch obeneiu<br />
maltraitirten.<br />
D. 2!. rcißte Madame Wdr.^) nach Frauendorff ab.<br />
D. 22. wurde <strong>der</strong> am Tage vorher gestorbene Prenß. Capt.<br />
Behrens von den Franz. Nachmittags um A Uhr mit vieler Feyerlichtcit<br />
und allen militärischen Ehren beerdigt.<br />
D. 24. Vormittags wurde <strong>der</strong> Commandant vom Artilleriehoff<br />
? eh a ut begrabeu. Das ganze Officier Corps <strong>der</strong> hier anwesenden<br />
Garnison folgte.<br />
D. 25., 2tt., 27. u. 28. schoßen die Preuß. Batterien am Kespersteig<br />
auf die Franz., um sie zu verhin<strong>der</strong>n, eine neue Batterie beym Zoll zu<br />
errichte«.<br />
D. Aft. schlugen sich die Franz. mit den Preußen auf <strong>der</strong> Oberwiet,<br />
wo Erstere 1^ Mann vcrlohren und <strong>der</strong> Branntweinbrenner Rückforth<br />
in seiner Stube todt geschoßeu wurde.<br />
May.<br />
D. l. war bey Ttuthoff hiuter Damm eine Affaire.<br />
D. 2.-7. ist alles ruhig, außer daß die Franz. sich mit den<br />
Preußen täglich geschlagen haben, und am 5. 400 Manu an Gefangenen<br />
verlohreu haben sollen. Aus den Preuß. u. Franz. Batterien, beym<br />
Zoll, wurde fast täglich auf einan<strong>der</strong> geschahen. Vom Gouverneur<br />
wurden abermals zum 10. d. M. 40000 Rthlr. Contribntion gefor<strong>der</strong>t.<br />
') Die Abkürzung bedeutet ohne Zweifel „Weidner".
15« Stettin im eisernen Jahr.<br />
9. Hente Vormittag wurde das Siegesfest von dem Preuß. Velagernngscorps<br />
feierlich begangen. Nach den: Gottesdienste, dem eine<br />
ganze Menge Ballern und Mädchen aus den benachbarten Dörfern beiwohnte,<br />
wurde von <strong>der</strong> Infanterie eine 3 malige Salve gegeben, eben so<br />
von einer reitenden Batterie von 5 Kanonen, die auf dem Platze aufgefahren<br />
war, und von sämtlichen etablierten Schanzen. Der starke<br />
Nord Ost Wind aber verhin<strong>der</strong>te es gänzlich, daß es von hier gehört<br />
werden tonte. — Auch wurde diesen Morgen Herr Henpel') nach Fort<br />
Preußen gebracht.<br />
ll). Heute Nachmittag langte ein Parlamentair an; dem in <strong>der</strong><br />
Wachtstube am Thore, sein Brief, welcher wie man sagt sehr dick gewesen<br />
seyn sott, abgenommen und zum Gouverneur gebracht wurde. Nach<br />
Beantwortung desselben ist er wie<strong>der</strong> abgereiset, und man weiß bis jetzt<br />
noch nicht den Inhalt seiner Depesche, vermuthet sie aber von großer<br />
Wichtigkeit, da man wie<strong>der</strong> von einer großen gewonnenen Schlacht spricht.<br />
l l. So wie man hente sagt, ist es eine förmliche nochmalige Auffor<strong>der</strong>ung<br />
gewesen, mit <strong>der</strong> Anzeige von <strong>der</strong> gewonneneu Schlacht bey Lichen.<br />
12. (Bußtag.) Diese Nacht um 4 Uhr marschierten 2 Bataillone<br />
von <strong>der</strong> Besatzung mit 4 Kanonen aus <strong>der</strong> Sladt, um wie man vermuthet,<br />
die Preuß. Batterien hinterm Galgen zu nehmen. Sie sind aber<br />
sehr unglücklich in ihrem Vorhaben gewesen, da sie nicht nur <strong>der</strong> Schanze<br />
durchaus keinen Schaden zugefugt habeu, son<strong>der</strong>n auch mit einem Verluste<br />
von ca. ^50 Mann an Todten, Bleßirten und Gefangenen in die Festung<br />
hineingejagt sind. Die Preuß. reitende Batterie soll sehr wirksam hierbey<br />
gewesen seyn, nnd den Franz. Kanonen die Nä<strong>der</strong> zunichte geschoßeu<br />
haben, so daß diese nur mit Mühe und durch Vorspannung <strong>der</strong> Soldaten<br />
in die Stadt gerettet sind. In Fort Preußen wurden 14 Hanbiz<br />
Granaten hineingeworfen, wovon die letzte das Haus des Schmidts<br />
zerschmetterte.<br />
13. Heute Morgen sind wie<strong>der</strong> 4 Bataillone ans dem Heil. Geistthore<br />
marschiert um die Preußen anzugreifen, wie man sagt, aber in den<br />
Gewerken schon wie<strong>der</strong> umgekehrt ohne etwas unternommen zu haben.<br />
l4.—IH. nichts passirt.<br />
An diesem Tage wurde Herr Heupel nach einem N tägigen Sitzen<br />
in Fort Preußen wie<strong>der</strong> frey gelahen; an deßen Stelle an demselben<br />
Tage <strong>der</strong> Just. Com. Neich hingeschickt wurde und am 2^. do.<br />
Biancone.<br />
D. 20.-28. an welchem Tage unser Walter') zur Armee abging,<br />
nichts paßirt.<br />
l) Wahrscheinlich ein an<strong>der</strong>er Angestellter <strong>der</strong> Weibnerscken Handlung.<br />
') Iedensalls ein Sohn Weidners.
Stettin im eisernen Jahr.<br />
3l>. früh um 1 Mr starke Kanonade bey Damm. Wie man sagt, haben<br />
die Franz. einen ENerduich abhauen wollen, sind aber hierin nicht glücklich<br />
gewesen. — An diesem Tage wollten anch viele junge Lente aus <strong>der</strong><br />
Stadt zur Armee abgehen, wurden aber am Thor durch einen kleinen<br />
Tumult aufgehalten und zurückgewiesen, und sind ungeachtet aller<br />
Bemühungen nicht hinausgekommen. Am folgenden Tage wnrde anch<br />
die Ordre an die Polizey gegeben, keiner Manspcrson vom 15. bis zum<br />
50. Jahre einen Pan zu ertheilen.<br />
Zuny.<br />
1. Seit heute werden nuu alle armen Leute, die wegen Mangel<br />
an Nahrungsmitteln aus <strong>der</strong> Stadt gebracht werden, von den Preußeu<br />
durchaus nicht durchgelaßeu, uud wie man sagt, soll eine Bekanntmachung<br />
von Taucuzien hier in <strong>der</strong> Stadt eMiren, daß er keinen Menschen,<br />
er sey waffenfähig o<strong>der</strong> nicht, annehmen würde, und wollte mau sich<br />
nicht zurückweisen laßen, auf sie schießen laße.<br />
4. Vom Gouvernenr abermals 40(XX) Nthlr. gefor<strong>der</strong>t.<br />
8. Heute ist ein franz. Courier angekommen, <strong>der</strong> die Nachricht voll<br />
einem Waffenstillstände, wie man glaubt, überbracht hat, und morgen<br />
weiter nach Dantzig geht. Die näheren Umstände, die denselben herbeigeführt<br />
haben, wird man wohl erst in einigen Tagen erfahren.<br />
9. Diesen heutigen Vormittag fuhr <strong>der</strong> jetzige Gouverneur Grandeau<br />
mit den Geueraleu Schobert und Chamberlac und sämtlichen Civil<br />
Autoritäten nach dem Torney, wo bald nach ihm <strong>der</strong> General<br />
von Tauenzicn mit einem großen Gefolge von Offizieren zu eiuer<br />
Unterredung eintraf. Nie man sagt, so wird morgen <strong>der</strong> Bürgerschaft<br />
das Resultat <strong>der</strong>selben bekannt gemacht. Die Beweggründe zum Waffeustillstande<br />
sind bls ieht noch nicht bekannt.<br />
N. Da die vom Gouverneur verlangten 40lX)l) Nthlr. noch nicht<br />
bezahlt waren, so bekameu sämtliche Magistratspersonen vom Ober<br />
Bürgermeister bis zum Stadtrath militärische Execution, und da heute<br />
beschlossen worden ist, die verlangte Contribution gänzlich abzuschlagen,<br />
und es lieber aufs äußerste ankommen zu laßen, so steht zu morgen<br />
wohl noch eine Verstärtuug <strong>der</strong> augedrohten Strafe im Weigerungsfall<br />
zu erwarten.<br />
17. Es hatten auch mehrere Bürger, die nicht Magistratsmitglie<strong>der</strong><br />
waren, militärische Erecution erhalten, die sich allenthalben auf das<br />
imfamste betragen haben, indem sie entwe<strong>der</strong> nnt dem Essen nicht zufrieden<br />
waren, o<strong>der</strong> noch mehr verlangten, was auch in jedem Hause einigen<br />
Tumult verursacht hat. Von heute Abend um 5 Uhr an hört aber die
Stettin im eisernen Jahr.<br />
Verpflegung dieser theuren Mäste auf, wie den Bürgern soeben bekannt<br />
gemacht ist, und man hofft, sie morgen, o<strong>der</strong> doch bald, gänzlich los<br />
zu werden. Den Grnnd zu dieser Gclindigkeit, die je<strong>der</strong>mann unerwartet<br />
war, sucht man in einer Drohnng des Preuß. Generals Tauen zien,<br />
man weiß aber nichts Gewißes hierüber.<br />
Es wird jetzt stark unterhandelt, nnd täglich treffen Trompeter mit<br />
Briefen des Generals ein. Auch sind bis jetzt noch keine Lebensmittel<br />
hereingekommen, weil, wie man behaupten will, <strong>der</strong> General T. Damm,<br />
als außerhalb <strong>der</strong> Demarcations Linie von einer halben Meile um<br />
Stettin liegend, von den Franzosen geräumt verlangt, worauf sich aber<br />
<strong>der</strong> hiesige Gouverneur durchaus nicht einlassen will.<br />
Man befindet sich hier noch immer in einer fürchterlichen Ungewißheit<br />
über die Angelegenheiten bey unserer Armee und die Ereiguiße die den<br />
Waffenstillstand herbeigeführt haben. Aus <strong>der</strong> Berliner Zeitung, die bis<br />
vom 12. d. M. hier angekommen ist, wißen wir nnr so viel, daß keine<br />
große Schlacht vorgefallen ist, die ihn von unserer Seite nothwendig<br />
gemacht hat, man glaubt daher daß <strong>der</strong> Östreichische Hos durch eine<br />
ernste Sprache ihn zu Stande gebracht hat; vielleicht daß <strong>der</strong> Friede<br />
für nns noch beßcr ausfällt, als wir es befürchten.<br />
!9. Gestern und heute wurde denjenigen, die wegen <strong>der</strong> verlangten<br />
Contributiou von 4l)(X)0 Nthlr. militärische Execntion erhalten halten,<br />
dieselbe vom Gouverneur wie<strong>der</strong> abgenommen. Er besteht indeß noch<br />
auf l-4l>>0 Nthlr., worüber mall sich uoch hoffentlich mit ihm vereinigen<br />
wird.<br />
23. Bon heute an gehen Commißionen von einigen Officieren und<br />
Commißären von Haus zu Haus und halten strenge Nachsuchungen uach<br />
Lebeusmittel. Sie schreibe« alles, wovon sie etwas beysammen finden,<br />
anf, haben indeß noch nichts fortgenommen, nnr dell Sellhausleuten,<br />
bey denen noch Hering liegt, anbefohlen, nichts weiter davon verabfolgen<br />
zu laßen.<br />
27. Heute Morgen ist ein Preuß. desertierter Husar angekommen,<br />
deßen Pferd aber beym Absteigen zufällig scheu wird, und zu den<br />
Preußen wie<strong>der</strong> zurückläuft. Er ist also schon dadurch sehr bestraft,<br />
indem er alle seine Effekten nebst einigem Gelde verlohren hat. Am 29.<br />
wurde <strong>der</strong> Ober Bürgermeister nebst dem Direktor Sebert nach Fort<br />
Preußen gebracht, uud am ;;. d. M. <strong>der</strong> Kriegsrath Mü hl dach.<br />
Juln.<br />
Der Gouverneur hat nun den armen beuten, die sich nicht erhalten<br />
können, die Erlaubniß gegeben, aus <strong>der</strong> Stadt zu gehen. Heute Morgen<br />
ist daher auch scholl eine Parthie abgegangen, und da sie nicht wie<strong>der</strong>
Stettin im eisernen Iakr. Issi<br />
zurückgekommen sind, so werden die Preisten sic wohl ungehin<strong>der</strong>t haben<br />
pasneren lahm. Anch sind deute alle Vorräthe an Oetreide, Wein,<br />
Branntwein, Hering :c. versiegelt, nnd Schildwachen vor den Kellern und<br />
Nöden gestellt, die von den Eigenthümern verpflegt nud logiert werden<br />
müßen.<br />
4. Heute wnrden die Mengen, die ans <strong>der</strong> Stadt haben gehen<br />
wollen, am Thore zurückgewichen, weil, wie man sagt, die Preußen mit<br />
einem male nicht so viel Veule haben annehmen wollen. Auch wurdeu<br />
unsere Heringe von <strong>der</strong> Franz. Behörde gewaltsamcrweiic weggenommen,<br />
sie ließen sich indeß mit Tonnen<br />
zurück, so daß sie gerade 1
Stettin im eisernen Jahr<br />
17. Mehrere Bürger haben sich mit dem Gouverneur dahin geeinigt,<br />
daß sie heute etwas o<strong>der</strong> die Hälfte nnd zum l. August den Nest bezahlen<br />
wollen; viele hingegen wollen sich ans mchtS einladen, nnd abwarten,<br />
was er für strenge Maßregeln ergreifen wird.<br />
Der Registrator Naß nnd Aßetzor Well mann kamen hellte nach<br />
Fort Preußen hinaus, weil sie die vom Gouverneur gefor<strong>der</strong>te Reparation<br />
<strong>der</strong> früheren Contributionen nicht haben schaffen können o<strong>der</strong> wollen.<br />
tH. Diefe Nacht und heute morgen hat <strong>der</strong> Gouvernenr zu sehr<br />
strengen Maßregeln schreiten laßen. In <strong>der</strong> Nacht nm 1 Uhr wurde<br />
<strong>der</strong> Bürgermeister Kir stein aufgeweckt und llnn sämtliche Papiere<br />
genommen, auch bekam er Hallsarrest. Darauf wnrde das Nathhaus,<br />
das Banco Comptoir, die Pappine vom Direktor Se<strong>der</strong>t versiegelt,<br />
eben so bey den Kanflentcn Kahrns (?) und Andrä, weil <strong>der</strong><br />
Gouverneur die Pappiere über die ^ermögensstenern sich verschaffen will,<br />
die er auch Nachmittag bey Sebcrt gefunden hat.<br />
Gegen Mittag bekamen denn auch alle diejenigen, die nicht die<br />
gefor<strong>der</strong>te Contribution bezahlt o<strong>der</strong> sich mit demselben vereinigt hatten,<br />
militärische Execution, was denn anch wohl jeden noch bewegen wird,<br />
sich in die schreckliche Zeit zu schickeu o<strong>der</strong> zu bezahlen.<br />
2l). Der Magistrat hat sich jetzt entschloßm die Repartition <strong>der</strong><br />
Contribution selbst zu übernehmen; wodurch denn anch <strong>der</strong> Registrator<br />
Naß und Weltmann ans Fort Prenßen frey gekommen sind, eben so<br />
wie die Execution jetzt wie<strong>der</strong> vou den Äurgern abgenommen ist. Diese<br />
Nacht ist im Preuß. Vager ein großer Värm gewesen, indem man viel<br />
Singen nnd Freudengeschreli gehört hat. Wie man sagt, soll ein Theil<br />
fortgegangen uud an <strong>der</strong>en Stelle Vaudwehr angerückt seyu.<br />
2H. Hellte wurde von Fort Preußen aus auf dlc Preußen, die in<br />
den Torney gegangen waren, kanoniert; ob dadey welche Schaden genommen<br />
haben weiß man mcht.<br />
26. Der Waffenstillstand ist jetzt, wie wir aus den Zeitungen<br />
sehen, bis znm IN. August verlängert worden; was aber, so viel man<br />
weiß, den Franzosen noch nicht bekannt gemacht worden ist; wenigstens<br />
nicht dem gemeinen Soldaten, voll Selten des Gonvernenrs. Man will<br />
hier ans dem Preuß. Vager Nachricht habeu, daß am ?. August die<br />
Festung von den franz. Truppen geräumt werden wird; es glaubt aber<br />
niemand daran.<br />
2H. Hente Abend wnrde auf Befehl des Gouvernenrs ausgerufen,<br />
daß sich niemand nach 10 Uhr, bey Gefahr arretirt zu werden, anf <strong>der</strong><br />
Straße sollte blicken laßen.<br />
3l. Die Franzosen schickten heute früh eine Menge Wagen vors<br />
Thor nnd ließen so viel Korn als sie fortschaffen tonnten hereinholen;
Stettin im eisernen Iabr. 163<br />
da sie dies wie<strong>der</strong>holen wollten, so wnrdcn sie durch Kanonen nnd<br />
Haubitzen-Kugeln, die ans den Schanzen geschahen wnrden, davoll<br />
verjagt. Bey dieser Gelegenheit fnhr anch <strong>der</strong> Kntscher d. H. Biancone<br />
mit 2 Pferden zu den Preußen über.<br />
1. Da die Franz. hente wie<strong>der</strong> Korn hereinholen, und von den<br />
Preußen darin nicht gestört werden, so haben sich die bey<strong>der</strong>seitigen<br />
Generale wahrscheinlich darüber vereinigt.<br />
2. Hente Abend nm 9 Uhr ist ein franz. Conrier angekommen;<br />
man weiß aber noch nicht, was er mag gebracht haben.<br />
3. Soviel man erfahren hat, bringt er die Bestätigung <strong>der</strong> Per-<br />
längernng des Waffenstillstandes bis znm 16. d. M. und ca. MO Orden<br />
<strong>der</strong> Ehrenlegion für Gemeine und Qsficiere, nebst einigen Avancements:<br />
wodnrch dies von den Truppen verdient ist, kann man nicht begreifen,<br />
da sie bis jetzt sich doch noch nicht hervorgethan haben. Da hente<br />
unseres geliebten Königs Geburtstag ist, so schmückten viele Einwohner<br />
ihre Hänser mit Blumenkränzen uud bestreuten den Gang vor denselben<br />
uud iu deu Thüren mit Blnmen und grünem ^anbe. Dies nahm sich<br />
sehr gnt ans, und da von den Franz. nichts verhin<strong>der</strong>t wurde, so<br />
glaubte man anf dem Abende auch wohl die Fcnstcr mit Richten erleuchten<br />
zu köunen. Hierbey zeigte sich aber <strong>der</strong> ftau^. Haß und Gemeinheit.<br />
Officiere nebst <strong>der</strong> Patrolle warfen allenthalben die Fenster ein, wo noch<br />
dichter brannten, nnd fanden ihren großen Jubel in <strong>der</strong> Zerstörung<br />
nnserer kleinen Freude. Es mochte ihnen wohl unbegreiflich seyn, wie<br />
Nurger, die schon soviel gelitten hatten uud noch täglich lelden, doch noch<br />
immer mit treuer Anhänglichkeit uud Liebe ihrem theuren Könige zu-<br />
gethan seyn und mitten in dlcicr verhängnisvollen Zeit seinen Geburtstag<br />
mit unschuldiger Freude feyern können. Der Gouverneur selbst soll, wie<br />
man sagt, den Anfang mit dem Fenstereinwerfen gemacht, nnd dieses<br />
Zeichen seine Untergebenen natürlich wgleich befolgt haben.<br />
4. Der Polney Director Stolle ist heule wegen <strong>der</strong> gestrigen<br />
Gebunstagsfeyer nach Fort Preußen gebracht, tauu iudeß dort freu<br />
herumgehen.<br />
U. Derselbe ist hente wie<strong>der</strong> frey gekommen.<br />
ll. Heute wurden von Fort Preußen ans 2 Haubitzgranaten auf<br />
den Kronprinzen von Schweden, <strong>der</strong> feit gestern bey dem Belagernngs-<br />
corps zur Nevue eiugetroffen ist, geworfen, indem <strong>der</strong>selbe bei <strong>der</strong><br />
Necognoscierung <strong>der</strong> Festung innerhalb dem franz. Territorium gekommen<br />
war. Er schickte darauf eineu Parlamentair herein, <strong>der</strong>, wie man sagt,<br />
den Gonvernenr gefragt hat, aus welchem Grnnde man während des
164 Stettin im eisernen Jahr.<br />
Waffenstillstandes schösse, und noch dazu auf den Prinzen. Der Commandant<br />
v. Fort Preußeu soll deshalb einen verweis hckommeu haben.<br />
l5. In dieser vergangenen Nacht sind von den Preußen ^ große<br />
Schanzen bey Pommereusdorff und auf dem sogenannten Kosackenberg<br />
aufgeworfen, die gegen Fort Preußeu gerichtet siud. Auf diese Art wird<br />
nun wohl Stettin wirtlich eiugenommen werden sollen, da man auch<br />
von einer Verlängerung des Waffenstillstandes nichts weiß. Napoleons<br />
(Geburtstag wurde von <strong>der</strong> hiesigen Besatzung dnrch 1W Kanonenschüße<br />
von deu Wälleu, uud von Nachmittag an bis nach l 1 Uhr Abends mit<br />
unaufhörlichem Flintenfeuer in den Straßeu uud aus deu Fenstern<br />
gefeiert, eben so mit einem Feuerwerke uud einer Illumination, wohin<br />
aber von den gesitteten Bürgern niemand gegangen seyn wird.<br />
17. Der Waffenstillstand hat mit dem Ende des gestrigen Tages<br />
auch das Einige erreicht; da aber bey den großen Armeen, noch Unterhandlungen<br />
wegen eiller Verlangernng deßelben stattfinden, so soll gestern<br />
<strong>der</strong> commandierende Preuß. General einen Parlamentär mit <strong>der</strong> Anzeige<br />
heimgeschickt haben, daß cr noch scine Nachricht wegen einer Aufkündigung<br />
des Waffenstillstandes erhalten hätte, und man von beyden Seiten, bis<br />
auf nähere Anzeigen, sich <strong>der</strong> Feindseligkeiten euthalten wolle. Dies<br />
scheint sich zu bestätigen, da bis diesem Allgenblick Morgens tt Uhr noci)<br />
kein Schllß voll <strong>der</strong> Festuug auf die Belagerer, um sie am schanzen zu<br />
hin<strong>der</strong>n, gethan worden ist.<br />
Denjenigen Bürgern, die ihren Antheil an <strong>der</strong> letzten Contribntion<br />
noch nicht bezahlt haben, ist gesteril Erecutiou zugeschickt, uud wie man<br />
sagt, hat <strong>der</strong> Gouverneur schon wie<strong>der</strong> eine neue Coutribution von<br />
4l)(X)s) Nthlr. ausgeschrieben, wogegen sich denn aber wohl je<strong>der</strong> bis aufs<br />
äußerste sträubeu uud sich des Gouverueurs Borhaben, die letzten Tage<br />
seiller Herrschaft in Stettin zur Erpressung eines eigenen Vermögens<br />
von den unglücklichen Einwohnern anwenden zu wolleu, wi<strong>der</strong>setze» wird.<br />
19. Der Wafseustlllstaud ist, wie man soeben hört, uuu wirtlich<br />
aufgeküudigt, so daß mit Anfang des 21. Augusts die Feiudseligkeiten<br />
ihrcu Aufang auch wie<strong>der</strong> uehmeu, da die commandirenden Generale<br />
in einer 48 stündigen Aufkündigung übereingekommeu siud.<br />
20. Heute Morgen war ein kleines Scharmützel zwischen den<br />
Preußen uud Franz. vor dem Anklamerthore; letztere haben 6—tt Todte<br />
und Verwundeten gehabt, dagegen haben sie einen Preußen zum<br />
Gefangeneu gemacht.<br />
21. Heute Morgen um 8 Uhr wurden sämtliche Pferde in <strong>der</strong><br />
Stadt auf dem grünen Paradeplatz verlangt, wo denn 16 <strong>der</strong> besten<br />
zum Dienste <strong>der</strong> Cavallerie ausgesucht und vom Gouverneur zurückbehalten<br />
wurden. Unter diesen ist auch Herrn Weidners Reitpferd. Desgleichen
Stettin im eisernen Jahr. 165<br />
ließ <strong>der</strong> Gouverneur heute ausrufen, daß sich niemand ferner erlauben<br />
solle, Preußische Kokarden zu tragen. Wi<strong>der</strong>spenstige winden als Nebellen<br />
betrachtet und vor einer Militär Commission geseht werden. Der Polizey<br />
Direktor Stolle ist nun auch vom Gouverneur seiner Dienste entlassen,<br />
uud überhaupt die soustige Polizey ganz aufgelöset, indem er einige des<br />
alten Personals seiner Militär Polizey. <strong>der</strong>en Chef <strong>der</strong> Capitai«<br />
Flamand ist, beygefügt hat.<br />
23. Heute wurde auf Vefehl des Franz. Gouvernements ausgerufen,<br />
daß <strong>der</strong>jeuige, <strong>der</strong> eiu Reitpferd hätte uud es nicht sogleich anzeigte,<br />
600 Nthlr. Strafe bezahlen und nach Fort Preußen kommen sollte.<br />
24. Wir wurdeu diesen Morgen durch eiue ziemlich starke Kanonade<br />
geweckt. Wie wir nachdem erfuhren, haben die schwedischen Schecreuböte<br />
in Damm mehrere Oomben geworfen; wovon eine auch gezündet hat;<br />
2 Offiziere follen auch dabey enchoßen seyn.<br />
25. Das Sengen und Brennen <strong>der</strong> Franz. nimmt schon wie<strong>der</strong><br />
seinen Anfang. Diese Nacht haben sie den Torney angesteckt, und man<br />
fürchtet sehr für die Oberwieck; da <strong>der</strong> Gouverneur geäußert haben soll,<br />
er würde sie sogleich anstecken laßen, wenn ein Flintenschuß nur von<br />
den Preußen daraus geschähe. Eme Bekanntmachung ist jetzt immer<br />
verrückter als die an<strong>der</strong>e; so wurde z. V. heute ausgerufen, daß niemand<br />
nach 11 Uhr Acht in den Zimmern halten sollte; wer es dennoch thäte,<br />
würde hart bestraft werden.<br />
2s>. Das Brennen hat seinen guten Fortgang; denn diese Nacht<br />
haben die Franz., viele behaupte« die Preußen, /5 Mühlen, die in <strong>der</strong><br />
Nähe <strong>der</strong> Qberwiet liegen, in Braud gesteckt. Bey dieser Gelegenheit<br />
entstand wie<strong>der</strong> eine Kanonade, die ziemlich start war, und wobey auch<br />
1 Granate auf den Paradeplak geworfeu wordeu ist. Nachmittag entstand<br />
wie<strong>der</strong> ein heftiges Kanonieren zwischen <strong>der</strong> Schanze bey Bredow uud<br />
den Bastionen hier am Frauenthore. Hierbey fiel eine Granate in das<br />
Haus des ^andsyndicus (5 alo, nahe bey <strong>der</strong> Schlafstube des Stadtrath<br />
Matzow(?).<br />
27. Man war gestern Abends in großer Furcht, die Preußen<br />
würden die Strohmagazine auf dem Paradeplatz in Brand schießen, wo<br />
denn bey dem schrecklichen Sturm die Stadt großen Schaden hätte<br />
erleiden können; es ist aber alles ganz ruhig geblieben, und nur haben<br />
die Nacht einmal ungestört schlafen tönneu. Die Nachtwachter dürfen<br />
jetzt auch dir Stunden nicht mehr abrufen; <strong>der</strong> Thltt'Mwüchter darf schon<br />
seit einiger Zelt nicht mehr blasen.<br />
In Fort Preußeu sitzen jetzt <strong>der</strong> Maurermeister Vorchardt wegen<br />
Correspondence, und <strong>der</strong> Kaufmann Courriol, weil er ersteren draußen
lfts; Stettin im eisernen Jahr.<br />
besncht hat; über Vorchardt ist, wie man sagt ein Kriegsgericht gehalten,<br />
seine Angelegenheiten sollen aber nicht schlimm stehen.<br />
Wir haben auch heute durch Briefe Nachricht von einer gewonnenen<br />
Schlacht bey Trebbien AH Meile von Potsdam. Eckin il hl o<strong>der</strong> Ney,<br />
<strong>der</strong> Anfangs mit überlegener Macht vorgedrungen ist, ist endlich mit<br />
einem großen Verlust geschlagen worden; das 1. Pommerscke Infanterieregiment<br />
soll sich hierbey äußerst hervorgethan haben.<br />
28. Diese Nacht um V2 Eins, entstand schon wie<strong>der</strong> eine ziemlich<br />
heftige Kanonade, die bis 1 Uhr dauerte, und, wie man sagt, zwischen<br />
den Schanzen bey Pommercnsdorff nnd Fort Preußen Stattgefunden<br />
hat. Bey dieser Gelegenheit sind mehrere Granaten in die Stadt geschoßen.<br />
Üi9. Diese Nacht wurden wir durch ein starkes Klein Gewehrfeuer<br />
wobey ^ Kanonenjchnßc fielen! geweckt; man weiß nicht, was es eigentlich<br />
bedeutet hat. Nachmittags war eine kleine Kanonade beym Zoll.<br />
30. Wir haben gestern Abend von 10 Uhr an ein kleines<br />
Bombardement gehabt, wobey einige Häuser sehr beschädigt wordeu sind.<br />
In dem Nendant Steffen scheu Hause in <strong>der</strong> Bolleustraße hat eine<br />
Haubitze ein großes Loch im Dach gemacht, und durch ihr Zerspringen<br />
sind auch die Fenster nebst denen <strong>der</strong> nahegelegenen Häuser zerschmettert.<br />
Beym Conditor X X X sunleserlich^ sind 2 Granaten ins Hans gefallen;<br />
eine ist nachdem vor dem Hause des Gouverneurs zersprungen, hat aber<br />
weiter keinen Schaden angerichtet; eine ist bey nns in <strong>der</strong> Frauenstraße<br />
ins Hans des Kaufmann Voigt gefallen und dort gesprungen, wobey<br />
das Dach beschädigt worden ,st. Gegen Morgen war eine heftige<br />
Kanonade bey Damm; man hat hierüber noch nichts Näheres erfahren.<br />
Der Gouverneur hat nun wirklich eine neue Coutribution von<br />
4l)sX)0 Nthlr., die bis zum 10. Sept. bezahlt seyn muß, ausgeschrieben.<br />
Anfangs wollte er nur W
Stettin im eisernen Jahr. 167<br />
auf die Wälle am Frauenthor und auf den Bleichholm gerichtet gewesen.<br />
Die Ursache davon ist uns, so wie überhaupt das nächtliche Haubitzen-<br />
werfen gänzlich unbekannt. Bey dieser Gelegenheit fiel auch eine<br />
^8 pfundige Kanonenkugel in die Wohnung des Lontrolleur Müller,<br />
jchlug durch eine Büste (?) nnd blieb, nachdem sie auf seinem Sopha<br />
herumgewühlt hatte, in seinem Zimmer liegen. Line andre fiel bey uus<br />
in <strong>der</strong> Fraueustraße vor dem Hause des Schlößer Spieler so<strong>der</strong> Stieles<br />
nie<strong>der</strong>, ichlug eine kleine Brücke eutzwey, uud nahm von da einen Satz<br />
nach einem an<strong>der</strong>en Hause, wo sie ciu Stück Mauer fortriß, uud dann<br />
auf die Straße uach dem Böttcher Ruuge hiurollte, <strong>der</strong> sie auch auf-<br />
gehoben hat. Die Scheereuböte haben am Ausfluß des Duusches in<br />
den Dammschen See gelegen.<br />
2. (Nestern Abend um U Uhr schon wurde die erste Haubitze in die<br />
Stadt geworfen, und so ging es fort alle halbe Stunde wenigstens eine.<br />
Sie haben aber insgesamt keinen solchen Schaden angerichtet wie die<br />
ersten, indem sie fast alle schon in <strong>der</strong> Vust zerplatzt sind. Die Franzosen<br />
haben anch viel die Nacht durch uach <strong>der</strong> Wick geschahen, uud mele<br />
Häuser daselbst ruinirt, indem sie geglaubt haben, die Preußen würfen<br />
dort eiue Schanze auf. Heute Abend wurde <strong>der</strong> Buchhalter vou Herru<br />
Weiß, Namens Fischer, uach <strong>der</strong> Wache auf dem Noßmarkt gebracht,<br />
indem er Nappiere zum Fechte« geschliffen hat, was wahrscheiulich eiu<br />
Franz. gesehen und angezeigt hat.<br />
3. Alles ruhig gebliebeu. Man sagt heute, <strong>der</strong> General Tauenzien<br />
wäre beym Belagcruugscorps und correspondire mit dem hiesige«<br />
Gouverneur über die Caoitulation.<br />
4. Heute von 5 bis ü Uhr Morgens ein heftiges Kanonenfeuer<br />
auf Damm und auf den Zoll, aus welcher Ursache, weiß mau uicht.<br />
.">. Alles ruhig gcblicbeu. Heute sind 2 Preuß. Deserteure am<br />
gekommen, die geglaubt habeu, <strong>der</strong> Gouverneur würde sie wie<strong>der</strong> un-<br />
gehiu<strong>der</strong>t mit den vielen Einwohnern aus <strong>der</strong> Stadt laßen, bey welcher<br />
Gelegenheit sie denn ans dem ^ande hätten fliehen wollen; sie werden<br />
aber in Fort Prenßen auf's strengste bewacht und nach Eroberung <strong>der</strong><br />
Stadt ihren verdienten ^ohn schon empfangen.<br />
tt. ?. u. «. Alles ruhig geblieben. (5s gehen jetzt wie<strong>der</strong> Com-<br />
mihionen von einigen Offizieren in den Häusern herum und versiegeln<br />
alle Borrathc von Wein, Mehl, Oehl und Getreide. Mau hofft jetzt,<br />
da die großen Armeen so große Siege über die Frau;, erfochten haben<br />
auf eine baldige Befreyuug; wozu das Benehmen und die Aussagen<br />
<strong>der</strong> Franz. selbst Anlaß geben; es wird nämlich (?) alles vorräthige<br />
Rindvieh geschlachtet uud au die Oarnisou vertheilt, welches soust gewiß<br />
nicht so häufig geschehen wäre.
1ss8 Stettin im eisernen Jahr.<br />
8. In <strong>der</strong> Nacht hörten wir einige Kanonenschuße; sonst war alles<br />
ruhig. Man sagt, daß die Unterhandlungen ganz abgebrochen wären.<br />
Die Garnison erhält jetzt 10 Tage hintereinan<strong>der</strong> blos Wein uud Brod.<br />
l0. u. 11. Alles ruhig. Es darf jetzt niemand, bey 5,0 Nlhlr.<br />
Strafe und nach Fort Preußen gebracht zu werden, sich erlauben, von<br />
einem Soldaten Wein zu kaufen.<br />
12. In <strong>der</strong> Nacht hörten wir öfters Kanonenschuße fallen, wir<br />
wissen aber nicht, wo es gewesen ist.<br />
N. Heute Vormittag geschah nun endlich, was wir täglich<br />
erwartet hatten, die Preußen schoben nämlich wegen <strong>der</strong> vielen erfochtenen<br />
Siege Victoria. Sogleich wurde ihnen von den Wällen mit scharfen<br />
Schüßen geantwortet, und auf diese Art bis Nachmittag gegen 4 Uhr<br />
fortgefahren, wahrscheinlich um dem gemeinen Mann glauben zu machen,<br />
die Preußen thäten daßelbe, ihre Kugeln träfen aber nicht. Den Eindruck,<br />
den dies auf ihn machen wird, da er vom Wahren doch überzeugt ist,<br />
werden wir wohl späterhin sehen, wenn noch dazu <strong>der</strong> ibucn verheißene<br />
Entsatz sich nicht blicken läßt.<br />
l4. In dieser Nacht von 11 Uhr an bis heute morgen gegen<br />
4 Uhr war eine <strong>der</strong> heftigsten Kanonaden, die wir bis jetzt gehört<br />
haben. Wie man sagt, haben die Preußen sehr viele Granaten in ^fort<br />
Preußen geworfen, wovon die Häuser sehr beschädigt sind.<br />
l.">. Heule wurden sämtliche Pferde von <strong>der</strong> Vastadie nach dem<br />
Parade Platz gebracht, wo 3l bis 36 Stück <strong>der</strong> schlechtesten^) ausgesucht,<br />
und nach dem Schlachthause gebracht wurden. Morgen bekommt die<br />
Garnison das erste Fleisch davon.<br />
ll>. Heute wurde das Pferdefieisch wirklich ausgetheilt; einige haben<br />
es aber von <strong>der</strong> Brücke in die O<strong>der</strong> geworfen; doch versichern diejenigen,<br />
die es gekostet haben, daß es sehr gut schmeckt.<br />
!!). Heute gegen Morgen, um 10 Uhr, wurde von den Preußen,<br />
was wir schon gestern erfahren hatten, abermals Victoria geschoßen.<br />
Zuerst singen die Batterien bey Pommerensdorff das Kanonenfeuer an,<br />
sodann die bey Krekow, Zabelsdorff, eine reitende aufgefahrene Batterie<br />
von 6—ft Stuck, Arcdow, die auf dem Dammschell See stationierten<br />
Schwedischen Scheerenböte, die Batterien bey Damm und beym Zoll;<br />
nachdem nahm das kleine Gewehrfeuer in <strong>der</strong>selben Ordnung seinen<br />
Anfang, welches 3 mal die ganze Linie durch geschah. Wir bemerkten<br />
aber dabey, daß nnr sehr wenig Preuß. Mllttär aufgestellt war, ob dies<br />
mit Flein geschehen ist, wissen wir mcht. Die Ursache zu dem heutigen<br />
Victorisiren ist uus uoch nicht officici bekannt, vermuthen aber, daß es<br />
') Wächter schreibt: „Alles infames
Stettin im eisernen Iabr 1tt9<br />
wegen <strong>der</strong> Siege des ?ord Wellington in Frankreich, des Feldm.<br />
Hiller (?) in Illyrien, nnd <strong>der</strong> verbündeten Armee bey Dresden<br />
geschehen ist. Die ssranz. verhielten sich ganz rnhig dabey, doch «st <strong>der</strong><br />
gemeine Mann, <strong>der</strong> das vorigemal getauscht worden, nnn wohl vom<br />
Wahren überzeugt.<br />
20. Es soll hente wie<strong>der</strong> ein Parlamentair hercingeschickt worden<br />
seyn, man sagt, nnt <strong>der</strong> Anzeige von einer gewonnenen Schlacht, wo<br />
Marschall Ney geblieben sey, nnd einer nochmaligen Auffor<strong>der</strong>ung.<br />
1^—15 Pferde wurden heute wie<strong>der</strong> zum Schlachten reqnirin. Katzen<br />
giebt es nun wohl wenig o<strong>der</strong> gar keine in <strong>der</strong> Stadt mehr; da dies<br />
<strong>der</strong> delicatcfte Braten für die Franz. ist. Hnnde werden aufgegriffen<br />
und todgestochen, auf öffentlichen Straßen, ohne sich viel um den Eigen-<br />
thümer <strong>der</strong>selben zu kümmern; man sagt sogar, sie fressen schon Nahen,<br />
wenn sie welche erhaschen können. ^)<br />
22. Heute Morgen wurden in allen Häusern <strong>der</strong> Stadt die strengsten<br />
Nachsuchnngeu nach Lebensmitteln gethan; in einigen war man min<strong>der</strong><br />
strenge, in an<strong>der</strong>en aber wie<strong>der</strong> desto mehr. Sogar Ofens wurden<br />
aufgemacht, Betten ausgekramt, Fäßer mit Waren ausgepackt, kurz <strong>der</strong><br />
Unsinn ging soweit, daß Misthaufen durchsucht und Mauern durch-<br />
brochen wurden. Es waren Commissionen von l Ccwitain o<strong>der</strong><br />
I Lieutenant und 3 Sergeanten; letztere for<strong>der</strong>ten sich Nachmittag, da sie<br />
getrunken hatten, Geld o<strong>der</strong> stahlen es, mit Gewalt, wie es beym alten<br />
^osack mit 3 Nthlr. geschehen lst. Daß sie etwas gefunden haben, weiß<br />
man nicht, es ist auch nichts vorhanden. Die Zeitungen vom 1l>. n. !tt.,<br />
die schon gestern kommen sollten, sind noch nicht hier; wir sind darüber<br />
etwas unruhig.<br />
23. Auf Befehl des Gouverneurs wurde heute ausgerufen, daß<br />
diejenigen, die sich gemeldet hätten, die Stadt zn verlaßcn, bis auf<br />
weitere Qrdre noch hier bleiben müßten. Die Ursache dazu kann man<br />
sich nicht erklären, da nun noch das Gerede in <strong>der</strong> Stadt geht, die<br />
') In rühren<strong>der</strong> Anhänglichleil fragt Otto Ernst Grischow in einem<br />
Briefe vom 22. Dezemb. 1813 bei seinen Angehörigen an:<br />
..Wie sind die Gewndheils-Umslände des Lohnes des Priamus. Königs von<br />
Troia? (Ich bitte ibm auf meine Kosten einen tüchtigen Vralen - - - lnochen<br />
zu geben)".<br />
Worauf seine Schwester Johanna aus Stettin berichtet.- „Unser treue Hector<br />
ist ein Raub <strong>der</strong> Franzosen geworden welchen sie genns gebraten daden, denn die<br />
letzten Monathe war ihre Svelse nichts als Pferdefleisch, Hunde, Katzen, Mäuie<br />
und sehr kärglich Arod."<br />
irisch o ms höchst originelle Aufzeichnungen (Tagebuch und Briefe) hat<br />
teilweise veröffentlicht P. Melnhold. Ball. Studien N. ,V Xl. p. 107 ff. Das<br />
hier Mitgeteilte findet sich dei M nicht.
170 Stettin im eisernen Jahr.<br />
franz. Generalität würde mit <strong>der</strong> Preuß. in Pommere»sdorff am künftigen<br />
Sontage eine Confcrenz halten, so hofft man auf baldige Äcfreynng.<br />
Die Zeitungen vom 16. u. 18. find jetzt hier. Wir sehen daraus mit<br />
Schmerz de» Tod des Gcuerals Mo re au.<br />
24. Wir wurden diese Nacht durch eine kleine Kanonade geweckt;<br />
wahrscheinlich haben die Preuh. Schanzen beym Zoll o<strong>der</strong> lue schwedischen<br />
Scheerenböte aus die Wagcu geschoßeu, die von Damm hierher tommeu,<br />
um Lebensmittel zu holen. -- Mau sagt, daß die Unterhandlungen<br />
über eine Capimlation abgebrochen find, es ist also leicht möglich, daß<br />
wir iu diesem Jahre nicht befreyt werden.<br />
Ü'V Hente Nachmittag gingen einige Offiziere und Doctoren in den<br />
Häuseru herum, wo sie Oehl aufgeschrieben hatten, uud holten sich<br />
davon Proben. Sämtliche Nüböhl wurde von ihnen für eßbar<br />
erklärt, dagegeu die Hauföhl zurückgewieseu, und die Keller versiegelt.<br />
2K. Plötzlich lame» heute die nämlichen Offiziere mit Mannschaft<br />
und Wage» wie<strong>der</strong>, und holtcu sich ohne weitere Umstände die Nüböhl<br />
fort, zuerst 6 Fäßer vou Herrn Schultz, dann 12 Fäßer mit
Stettin im eisernen Iakr. 17 z<br />
jetzt den letzten Termin <strong>der</strong> Contributiou mit 10000 Nthlr. crlaßcn; er<br />
wird sich jedoch wohl bald wie<strong>der</strong> mit einer neuen einfinden.<br />
4. Nichts passiert. Ein großer Transport Einwohner verliest die<br />
Stadt. Heute kam tue Nachricht von dem Rnclznge <strong>der</strong> Fran^. aus<br />
Dresden. — Es soll auch ein Parlamentair herein geschickt selm.<br />
.">. Vormittag von 9 Uhr bis 12 hörten wir eine ieln' heftige<br />
Kauouade <strong>der</strong> schwedische,! Schcerenböte auf Damm. Zu welchem Zweck<br />
dies geschehen, und ob sie etwas ausgerichtet haben, ist nus gänzlich<br />
unbekannt. Einige Bleßirte würden indeß doch hereingebracht.<br />
l 72 Stettin im eisernen Jahr.<br />
wissen würde, daß er nnter den jetzigen Umständen noch an leine<br />
Capitulation denken dürfte, da noch lein Grund dazu vorhanden wäre.<br />
Abends wurde ausgerufen, daß niemand außer <strong>der</strong> Polizey und den<br />
Feuerlöschern, ben Gefahr arretin zu werden, sich während des Schießens<br />
auf <strong>der</strong> Straße sollte sehen laßen.<br />
lk. Die Preußen schießen so eben Victoria; weshalb, wißen wir<br />
noch nicht mit Gewißheit, vermuthen aber, daß es wegen den Affairen<br />
mit General Blücher und <strong>der</strong> Besitznahme von Casse! geschieht.<br />
16. Gegen Mittag schoßen die Franz. von Fort Preußen aus<br />
häufig uach den Preuß. Schanzen, warum, und od sie etwas ausgerichtet<br />
haben, weiß niemand. Vom Gouverueur ist dem Magistrat angezeigt<br />
worden, daß er monatlich ^5) Ml) Rthlr. Court, nothwendig gebrauche,<br />
wovon durchaus nichts abginge. Am 5W. d. M. müßteu die ersten<br />
25()sX) bezahlt sey», am ^1. November die sten, und am sl). December<br />
die letzten 25 0lX>. —<br />
>?. Heute Abend wurden von den Preußell ca. 400 Faden Brennholz,<br />
den Wiekscheu Branntweinbrennern zugehörig, die auf <strong>der</strong> Silberwlese<br />
standen, durch Granaten in Braud geschoßen. Daß die Frauz., wenu<br />
sie an Brennholz Mangel leiden sollten, die schönen auf <strong>der</strong> O<strong>der</strong><br />
liegenden Balken, uud das Stabholz zur Feuerung gebrauchen würden,<br />
ist wohl'vou den Preuß. Befehlshabern nicht bedacht worden.<br />
19. Heute wurden plötzlich die Keller, in welchen Hauföhl liegt,<br />
von einem Kriegs-Commissair versiegelt, nachdem er sich eine Prode von<br />
<strong>der</strong>selben herausgenommen hatte. — Mau will jetzt den Versuch machen,<br />
mit Hanköhl statt Rübohl zu kochen, indem durch deu starken Genuß<br />
<strong>der</strong> letztere» mehrere Soldaten plötzlich krank geworden und gestorben<br />
seyn sollen.<br />
20. Von Herrn Tousiaiut wurde heute die Rübölü fortgenommen;<br />
ob die Hanföhl zu gebraucheu ist. wird morgen eutschiedeu werden. 'Der<br />
Oberst Plötz schickte eincu Parlamcntair herein, mit <strong>der</strong> Anzeige, daß<br />
wegeu eiuer vom General Blücher gewouuetteu Schlacht bey Leipzig<br />
morgen vom Blocade Corps Victoria geschoßen werdeu würde.<br />
21. Gegen U) Uhr Vormittags, wie gewöhnlich, verkündigte uns<br />
<strong>der</strong> Kanonendonner die Feier des Sieges von General Blücher. Doch<br />
sogleich wurdeu uou den Bastionen am Fraucnthor Grauateu uach<br />
Bredow geworfen, die aber nicht weit gingen, son<strong>der</strong>n bald in <strong>der</strong> Vust<br />
zerplatzten. Ein Adjutant von General Dufresses verbot es deu<br />
Artilleristen jedoch bald, worauf denn die Preußen in aller Ruhe, nach<br />
Abfeuerung <strong>der</strong> :i. Salve iu ihre Standquartiere zurücttehrteu. Wir<br />
bemerkten dabey, daß bey Damm sehr viel Militair stehen muß, indem<br />
das kleine Gewehrfeuer eine ganze Zeit laug einem immerwährenden
Stettin im eisernen Jahr 173<br />
Donner ähnlich blieb. — Nachmittag lam hier die Nachricht an, daß<br />
am 17. und N>. die ganze Franz. Armee gcjvreuqt wäre, nnd in Folge<br />
deßen die hiesige Besatzung ans keine Capitulation zn rechnen hätte.<br />
Morgen würde deshalb wie<strong>der</strong> Victoria geschossn werden. Der Inbel<br />
darüber ist groß, und wir sehen mit Schmerzen <strong>der</strong> Bestätigung entgegen.<br />
22. Victoria ist zwar vom Velagerungscorfts nicht geschohen worden;<br />
jedoch haben wir bestimmtere Nachrichten über die große Schlacht. Der<br />
Kayser Napol. soll mit LbiM) Mann entkommen senn. Ven Damm<br />
hören wir jetzt des Abends, sobald es finster wird, ab und zn Kanonen-<br />
schütze fallen, welches die ganze Nacht durch geht. Die Vanfgraben<br />
sollen daselbst schon weit vorgerückt jeyn.<br />
23. Die Nachricht von <strong>der</strong> fürchterlichen Schlacht bey Leipzig am<br />
18. d. M. hat slch heute bestätigt. Napol. ist in <strong>der</strong>selben total<br />
geschlagen worden, nachdem er sich einen ganzen Tag hartnäckig gewehrt hat.<br />
24. Um 10 Uhr nahm <strong>der</strong> Kanonendonner aus den Prenh. Batterien<br />
seinen Anfang, um auch den Franz. zu verkündeu, dak durch den großen<br />
Sieg am IN. ihnen alle Hoffnung anf Entsatz benommen ist. Man<br />
tonnte heute das .'i malige Hnrrarufen <strong>der</strong> Prenßen in Zabclsdorff wie<br />
in Nredow ganz deutlich hören; schade, daß <strong>der</strong> gemeine Soldat nicht<br />
mehr beym Victoriaschießcn anf dem Wall gelaßen wird, sonst hätte er<br />
sich auch hierüber freueu tonnen. Die Schlacht hat größere Folgen<br />
gehabt, als wir durch das gestern hereingekommene Extrablatt <strong>der</strong><br />
Voisischen Zeitung glauben tonnten. Der Marschall Macdonald, die<br />
Generäle Bert rand, ^aurißon, Neg nier sind allein am N'., als<br />
Leipzig mit Stnrm genommen in, gefangen worden. Je<strong>der</strong> setzt jetzt<br />
den Termin unserer Befreiung in spätestens 4 Wochen an. - Heute<br />
wurden jümtliche Weinkeller wie<strong>der</strong> versiegelt.<br />
25., 2tt. u. 27. nichts passirt. In einer <strong>der</strong> vergangenen Nächte<br />
ist im Brodmagazin eingebrochen und ca. 4 bis 5M Stück Brode sind<br />
gestohlen, wahrscheinlich von den Hollän<strong>der</strong>n aus <strong>der</strong> großen gegenüber-<br />
liegenden Kaserne. Diese letzte Nacht haben sie eine Kuh gestohlen,<br />
wobey durch Unvorsichtigkeit Feuer ausgekommen ist. Die erste Cmttribution<br />
von 250M Nthlr. zum :zl). fallig, ist jetzt mit 10W0 Mthlr. ausgeschrieben,<br />
man wird sich also hiermit wohl begnügt haben. In Damm wird des<br />
Nachts fortwährend geschoßeu; man sagt aber, es geschähe blos von den<br />
Franz., indem die Preuße» dort ebensowenig Anstalten zur Belagerung<br />
machten als hier. Die dortige Besatzung ist jede Nacht auf dem Wall.<br />
Die ungeheuren Vortheile, die wir durch die große Schlacht am Itt.<br />
erlangt haben, laßen uns eine baldige Befreyung hoffen. Die meisten<br />
setzen deu Termin dazu in die Mitte künftigen Monats.
174 Stettin im eisernen Jahr.<br />
28., 2»., 30. u. .11. alles rnhig geblieben. Man sagte, daß <strong>der</strong><br />
Kronprinz von Schweden einen Etat von allen franz. Marschällen,<br />
(Generälen :c. aufnehmen und ihn von allcn diesen unterschreiben laßen<br />
würde, um den Festungscommandanten von <strong>der</strong> Wahrheit <strong>der</strong> großen<br />
Siegesnachrichten zu überzeugen. Am W. soll ein Parlamentair denselben<br />
überbracht haben, mit einer Anzeige von General Tauenzien, daß er<br />
einen gefangenen General selbst hin einschicken würde, wenn <strong>der</strong> Gouverneur<br />
hieran noch nicht genug hätte. Hierum soll unser Gouverneur nun<br />
gebeten habe», und wir erwarten nun täglich die Ankunft des Generals<br />
und dann auch unsere Befreiung; wenigstens sagen auch die franz.<br />
Officiere, daß sie in Zeit von 14 Tagen, höchstens .') Wochen wohl<br />
capituliereu würde«. — In einigen Tagen sollen alle noch vorräthigeu<br />
Kühe geschlachtet und mit deu Pferden aufgehört werden. — Wir werden<br />
jetzt öfters durch Feuerlärm aufgeweckt; so war am 29. um Mitternacht<br />
im Ackermaunschen Hause, durch die Ruchlosigkeit <strong>der</strong> Soldaten, das<br />
Stroh zur Vagerstelle in Vrand gerathen, wodurch die gan^e Stadt<br />
allarmirrt wurde. Die Diebcreyen <strong>der</strong> Soldaten nehmen jetzt wirklich<br />
überHand. Im Ferdin. Schultzschm Hause haben sie vor eiuigen<br />
Tagen eingebrochen und einen Schaden voll mehreren hun<strong>der</strong>t Thalern<br />
angerichtet. Sogar die Brücken über die Kanäle sind nickt mehr vor<br />
ihnen sicher. Ob das Franz. Gouvernement die Hanföhl nehmen wird,<br />
ist noch nicht entschieden, wenigstens smd die Keller, worin sie liegt,<br />
fortwährend versiegelt. Die schwedischen Scheerenbötc sind Mitte dieses<br />
Monats auch zurückgegangen; man sieht sie wenigstens nicht mehr;<br />
wahrscheinlich aus Furcht vor plötzlichem Frost.<br />
November.<br />
l, 2. ll. 3. nichts passirt. Unsre Hoffnung iu kurzer Zeit befreM<br />
zu seyn scheint diesmal in Erfüllung gehen zu wollen. Franz. Offiziere<br />
erzählen, daß am 3. ihnen <strong>der</strong> Oberst Plötz eine Capitulation angeboten<br />
hat, wonach sie einen freyen At^ug jedoch ohne Gewehr und Waffen<br />
und in einzelnen Bataillonen zu marschieren, erhalten sollen. Hierüber<br />
ist ein Kriegsrath gehalten, und um 4 Uhr die Antwort durch einen<br />
Parlamentair hinausgesandt Wir müßen also noch einige Tage abwarten,<br />
vielleicht daß wir dann etwas Näheres erfahren. Einmal, an<strong>der</strong>e sagen<br />
zweimal, erhält die Garnison noch Pferdefleisch, und danu sollen die<br />
vorrätigen Kühe geschlachtet werden.<br />
4., ö., ft. u. ?. nichts passiv. Als am 5>. des Morgens die<br />
Franz. Piquet Wache nach dem Hanse <strong>der</strong> Prinzessin vor dem<br />
Aullamer Thore geht, trifft sie die Preußen dort noch an. Es fallen<br />
hierbey einige Schütze, wodnrch ein Franz. Dragoner vom Pferde
Stettin im eisernen Iak»r. 175<br />
geschossen wird. Mit den Unterlilmdlungeu über die Capitulation scheint<br />
es nicht recht fort zu wollen, da seit einigen Tagen alles wie<strong>der</strong> still «st.<br />
Es wäre schrecklich, wenn wir mit diesem Monath nicht erlöset würden,<br />
da das Elend täglich größer wird. Zum 15. d. M. hat <strong>der</strong> Gouverneur<br />
die 1A0l) Nthlr., worauf er von 250M heruntergestimmt hat, bestimmt<br />
verlangt. Da die ersten 10s)W zmn Theil noch nicht dezahlt sind, so<br />
wird es dann gewiß zu strengen Maßregeln kommen, da er schon am 5>.<br />
dem Magistrat damit gedroht hat.<br />
lN. Heute vormittag wurden die Keller, in denen Hanfohl liegt,<br />
wie<strong>der</strong> entsiegelt. Der Gouverneur verlangt wie<strong>der</strong> einige Hun<strong>der</strong>t<br />
Faden Brennholz; mau fürchtet, dnß er wird Ballen nehmen laßen, wenn<br />
er sie nicht erhält.<br />
Nthlr. zu stehen, so daß<br />
je<strong>der</strong> Tag <strong>der</strong> Stadt 5lX> Nthlr. tostet.^)<br />
1A. Hente wird für benimmt erzählt, daß die Capitulation ab-<br />
geschloßcil sey; die Stadt soll vom 25. bis zum AO. geräumt werden;<br />
ob die Beladung kriegsgcfangcn ist, o<strong>der</strong> freyen Abzug erhält, weiß<br />
mau noch uicht. Die zum l5>. fällige Coutribution vou l/i Nthlr.<br />
hat <strong>der</strong> Gouverneur auf t!(M) herlintergelaßen, sie aber bestimmt vcrlaugt,<br />
weil es die letzte sey.<br />
Am Naude: Ein Transport Einwohner von etlichen Zs) verließ<br />
die Stadt, wahrscheinlich ist es <strong>der</strong> letzte. —<br />
14. Herrn Weidners Neitpferd wurde heute geschlachtet. Man<br />
sagt, <strong>der</strong> General Navier nnd <strong>der</strong> Obrist Berthier wären zu<br />
ilommissm'len von <strong>der</strong> Generalität eruauut, um morgen, mit den Peußeu,<br />
auf dem Salzspeicher iu <strong>der</strong> Oberwiek ciue Zusammenkunft zu halte»,<br />
und die Cavttulallou abzuschließen Wir sind in gespaumcr Erwartullg.<br />
l>. Um ll Uhr Vormittags fuhrcu <strong>der</strong> General Dufresses uud<br />
<strong>der</strong> Obrist Berthier mit dem Major Tingo in 2 Wagen nach <strong>der</strong><br />
Oberwiek hinaus, dic für neutral erklärt ist. Voraus ritteu 2 Dragoner<br />
und hiuteu ;'), iu großer Staatsmoutur, die aber deßen ungeachtet sehr<br />
abgetragen aussah. Um 3 Uhr Nachmittags kehrten sie wie<strong>der</strong> zurück.<br />
Ihre Unterredung kennt man noch nicht, jedoch sind sie schwerlich un-<br />
verrichteter Sache auseinan<strong>der</strong> gegangen, da es heißt, daß sie übermorgen<br />
wie<strong>der</strong> hinausfahre» und die Lapitulalion abschließen werden. Vou<br />
Preußischer Seite nennt man den Obrist von ^assow als Bevollmächtigten.<br />
— Einige wollen behaupten, daß am 20. d. M. die erste Colonne ab-<br />
marschieren wird; und zum 25. die Stadt gänzlich geräumt ,st.<br />
') Wächter ssibt sogar 800 an
I7s» Stettin im eisernen Jahr.<br />
17. Um 11 Uhr Vormittags erwartete man, daß die Commissaricn<br />
wie<strong>der</strong> zur Zusammenkunft nach dem Salzspeicher fahren wurden. Der<br />
Wagen nnd die Begleitung von Dragonern hält auch vor dem Hause<br />
des Gouverneurs, als plövltch <strong>der</strong> Befehl tommt, die Pferde aus-<br />
zuspannen und die Dragoner nach Hause zu schicken. Wir wußten in<br />
<strong>der</strong> ersten Bestürzung darüber nicht, was es bedeuten sollte, jedoch konnte<br />
man sich wohl erklären, wie es denn auch war, daß den Herren<br />
Generalen die Capitulation als Kriegsgefangenen doch zu hart schieu.<br />
Nun hörteu wir auch, was auch die Polizey uns sagen lies, daß Nach-<br />
mittag eine Revision nach Lebensmitteln vor sich gehen würde. Da<br />
dies doch nur eine Formalität seyn konnte, indem <strong>der</strong> Gouverueur wohl<br />
weiß, wie gering die Vorräthe <strong>der</strong> Bürger sind, so bekümmerte es uns<br />
wenig. Mitlerweile mußten sich die Generale noch besonnen haben,<br />
denn um 2 Uhr Nachmittags fuhren <strong>der</strong> General Dufresses, <strong>der</strong><br />
Obrist Berthier uud <strong>der</strong> Capitaiu Pis sin doch nach <strong>der</strong> Oberwiek<br />
hinaus und kehrten um tt Uhr Abends erst wie<strong>der</strong> zurück. Daß sie, wo<br />
nicht die Kapitulation ganz zu Stande ist, doch einig im allgemeinen<br />
sind, läßt sich gar nicht bezweifeln, indem sie sonst nicht so lange würden<br />
zusammen geblieben jeyu.<br />
Itt. Die Herren Offiziere, die sich nie als Kriegsgefangene haben<br />
denken können, sind über eine solche Capitulatiou äußerst aufgebracht.<br />
Ohugefähr 4l) <strong>der</strong>selben gehen heute Vormittag zum Gouverneur, und<br />
machen ihm die bittersten Vorwürfe darüber. Nur durch die Dazukunft<br />
des Generals Dufresses gelingt es ihm sie abzuweisen. Nachmittags<br />
um 2 Uhr rottiren sie sich wie<strong>der</strong> zusammen, um wahrscheinlich Berath-<br />
schlagung zu halten, als plötzlich <strong>der</strong> General-Marsch geschlagen wird,<br />
wodurch sie deuu gezwungen werden, sich eiligst auf ihre Posten zu<br />
begeben. Der Gouverneur, umgeben von den übrigeu Ocueralcn, mi<br />
größten Staate, erklärt ihnen nun, daß, sofern noch einer von ihnen<br />
sich gegen ihn, und mithin gegen die Subordination vergäße, er ihn<br />
binnen 24 Stunden erschießen ließe. 12 <strong>der</strong> aufrührerigsteu sollen nach<br />
Fort Preußen gebracht seyn. Man glaubt, daß Gcueral Baubauegne (?)<br />
sie aufhetzet, uud sieht morgen vielleicht noch unruhigeren Auftritten<br />
entgegeu. Während die Truppen auf ihre Posten eilten, wurde aus-<br />
gerufeu, daß sich kein Bürger auf <strong>der</strong> Straße sehen laßen sollte, indem<br />
sonst auf ihn geschoßen werden würde. Der Gouverneur will erst am<br />
5. künftigen Monats die Stadt übergeben, und von Preuß. Sette verlangt<br />
mau die Räumung spätesteus am 25». d. M. Dies soll noch <strong>der</strong> einzige<br />
Streit seyn.<br />
19. Noch in <strong>der</strong> Nacht sind verschiedene Stabsoffiziere arrctirt und<br />
nach Fort Preußen gebracht; viele dagegen haben nur Wache in ihren
Steitm im eisernen Jahr. 177<br />
Logis, die nichts ein noch auspaßiren läßt. Solche strenge Maaßregeln<br />
waren änßerst nothwendig, nm die Herren Offiziere, die durch den vielen<br />
und schönen ihnen ungewohnten Wein noch mehr erhitzt werden, im<br />
Zanm zu halten. Der General Äanbaue gue, <strong>der</strong> sie aufgehetzet<br />
haben soll, hat auch viele zu ihrer Pflicht wie<strong>der</strong> zurückgeführt, und so<br />
werden sie sich wohl mit Gednld in ihr Schicksal ergeben müßen, das<br />
immer noch beßcr ist, als sie es verdienen. Auch Herr Igot(?) ist<br />
heute nach Fort Preußen spaziert.<br />
20. Die Herren Offiziere scheinen sich schon zu beruhigen. Sie<br />
haben heute ans Fort Prenßeu eine Bittschrift an den Gouverneur<br />
erlaßen, uud ihu mn Befreiung gebeten. Man sagt, sie werden morgen<br />
wie<strong>der</strong> loskommen. Nur ein Capitani, <strong>der</strong> gegen den Gouverneur deu<br />
Degen gezogen hat, wird in semem Gefängniß, wo er nur Vrod uud<br />
Wasser erhält, und auf einem Bunde Stroh schläft, zurückbleiben mühen,<br />
und sein Schicksal erwarten, das aber nicht das beste seyn wird. Der<br />
Gouverneur hat heute uoch dem Magistrat ein Schreiben zugeschickt,<br />
worin er die Contribution von 5>l)M Ellen Tuch und eine Parthie ^edcr<br />
bestimmt in 2 Tagen verlangt unter Androhung <strong>der</strong> strengsten Maaßregeln.<br />
21. Gegen V4 auf Ein Uhr fuhren heute die Commissaricn wie<strong>der</strong><br />
nach dem Salzjpeicher hinans, um die Kapitulation vollends abzuschließen!<br />
Sie sind wahrscheinlich fertig geworden, da sie erst abends li) Uhr<br />
wie<strong>der</strong> zurückkehrten. Man erfuhr noch, daß zum 36. und ^7. d. M. die<br />
Stadt geräumt werden wird, indem <strong>der</strong> Preuß. Bevollmächtigte durchaus<br />
nicht einen längeren Termin hat zugestehen wollen.<br />
22. Die Capltnlatiou ist wirtlich abgeschloßen, jedoch ist die<br />
Räumuug <strong>der</strong> Stadt erst am 5. künftigen Monuths festgesetzt. Wir<br />
sind mit diesem langen Termin keineswegs zufrieden, da man früher<br />
nicht glaubte, daß die Preußen eine längere Frist als die letzten Tage<br />
dieses Monaths, zugestehen würden. Gestern Abend soll <strong>der</strong> Gouverneur<br />
auf <strong>der</strong> Straße von einem Offizier in bürgerlicher Kleidnng angefallen<br />
und verwundet worden seyn.<br />
23. Gestern Abend schon sollten die Ratifikationen <strong>der</strong> geschl.<br />
Caftitulation ausgewechselt werden, und da dies nicht geschehen war, so<br />
vermuthete man, daß von Preuß. Seite dieselbe wie<strong>der</strong> umgestoßen<br />
werden würde. Jedoch ist heute Bormittag durch deu Capitani Pi hin<br />
die Auswechselung wirklich erfolgt, und Nachmittag fuhr <strong>der</strong>selbe wie<strong>der</strong><br />
mit dem General Dufresses und dem Obrist Äerthier nach <strong>der</strong><br />
Oberwiet, um die Versäumniße zu eutschuldigcn. Die Garnison hat<br />
heute wie<strong>der</strong> Rindfleisch bekommen; jedoch in sehr geringer Quantität.<br />
24. Heute sollten 2 Preuß. Offiziere hereinkommen, dagegen<br />
2 Franz. hinausgehen, um gegenseitig als Unterpfän<strong>der</strong> <strong>der</strong> geschlossenen<br />
ValNlche 3tud»en N. ss X VlI ^
17« Stettin im eisernen Jahr.<br />
Capitulation zu dienen. Dies ist jedoch nicht geschehen. Misihelligkeiten<br />
sind wie<strong>der</strong> vorgefallen, soviel sehen wir wohl ein; daß sie aber in <strong>der</strong><br />
Capitnlation, die doch eimnal geschloßen ist, eine Än<strong>der</strong>ung hervorbringen<br />
sollten, läßt sich schwerlich glanben. Man Witt behaupten, daß aus<br />
Damm gestern noch auf die Preußen geschoßen ist; dies soll den General<br />
Plötz sehr verdrossen haben; und da er gerade einen Courier vom Konige<br />
erhält mit <strong>der</strong> Anzeige, daß er die Capitulation nicht an<strong>der</strong>s schließen<br />
sollte, als wenn die Festung am Zs>. geränmt würde, so hat er dem<br />
Gouverneur angezeigt, daß, da sie die Capitnlation nicht hielten, er es<br />
auch nicht thnn würde. Wir müßen <strong>der</strong> Zeit alles überlaßen. Sämtliche<br />
Preuß. und Nuß. Kriegsgefangenen einige 3l) an <strong>der</strong> Zahl wurden<br />
heute dem Belagernngscorps zurückgegeben. Der O<strong>der</strong> Bürgermeister<br />
Kirstein nebst dem Stadt Nath Majche machten dem General Plötz<br />
in Güstow heute ihre Aufwartung, ersterer will um Lebensmittel bitten;<br />
sie sind auch die Nacht dranßen geblieben.<br />
2."). Man verlangt jetzt noch 34 Pfd. Nüböhl von <strong>der</strong> Stadt,<br />
obgleich sie nicht mehr nöthig ist, da feine Pferde mehr geschlachtet<br />
werden. Eben soll die Contribmion von 5M0 Nthlr. wozu noch l(X)0Fr.^?)<br />
gekommen sind, bestimmt bezahlt werden. Der Ob. Bürg. Kirstein<br />
ist heute wie<strong>der</strong> retournirt.<br />
2l'». Von den Franz. Offizieren verkanfen jetzt viele ihre Reitpferde;<br />
jedoch haben sie noch hohe Preise im Kopf. Die Prenß. Offiziere sind<br />
noch nicht hereingekommen.<br />
29. Hente endlich hat ein Parlamentair die Ratifikation <strong>der</strong><br />
geschl. Capitulation von General Tancnzien überbracht; <strong>der</strong> Gouverneur<br />
soll äußerst erfreut darüber geweien seyn. Morgen werden nun ^ Prenß.<br />
Offiziere hereinkommen, um die <strong>Bestände</strong> aufzunehmen; 2 Franz. gehen<br />
dagegen als Geiseln ms Prenß. ^!ager. Sobald dies geschehen ist, sollen<br />
anch die Thore geöffnet werden, nnd je<strong>der</strong> Bürger sich ungehin<strong>der</strong>t<br />
Lebensmittel von den Dörfern hereinholen können.<br />
30. Hente Nachmittag kamen <strong>der</strong> Ob. Vientenant v. Collin und <strong>der</strong><br />
Major Lesczinsky aus dem Vager herein, nm sich alles Franz. Eigenthums<br />
übergeben zu laßen.<br />
Pecemver.<br />
1. Es sind noch viele Artillerie Offiziere heute hereingekommen,<br />
welche auch bereits in voller Thätigkeit sind. Man kann schon seit einigen<br />
Tagen frey aus <strong>der</strong> Stadt gehen; jedoch weisen die Prenß. Borposten<br />
jeden zurück, <strong>der</strong> nicht innerhalb ihrer Chaine bis zum Sonntag<br />
bleiben will.<br />
') Der voll den Franz. «vergebene Kriegsprouiant bestand aus 5N FI. Rotwein<br />
und 2 Haseibraten; so berichtete <strong>der</strong> Vater des Oeheimr. Lcmcke.
Stettin im eisernen Jahr. 179<br />
2. ll. 3. nichts pnssirt.<br />
Die Offiziere sind auch schon in Damm mit <strong>der</strong> Übernahme<br />
sämtlicher Militär <strong>Bestände</strong> fertig geworden.<br />
4. Heute Mittag wnrdc das Berliner nnd Anclamer Thor jedes<br />
mit 1(X) Mann Preußen beseht.<br />
Ans 3WM Wilhelm Mächters Tagebuch.<br />
„Stettin. Freytag d. 7. Mah 13.<br />
Obgleich ich die größte Hoffnung für einen guten Ausgang des<br />
Krieges habe, so ist jedes kleine Ercignist, welches die Einnahme nnserer<br />
Stadt verzögern könnte, mir höchst fürchterlich; vorzüglich da I.^) lunans<br />
ist, und ich mich nach ihrem Umgänge doch sehr fehne.<br />
10. May<br />
Am Sonnabend fuhr unser Kutscher, <strong>der</strong> eine Leiche ans dem Thore<br />
brachte, zn den Preußen über; worauf <strong>der</strong> Mann <strong>der</strong> sie liegleitete<br />
arretirt uud zum l^ouvcrueur gebracht wurde. Gestern Morgen kömmt<br />
ganz unerwartet ein Gensd'arme und briugt H. Heupel nach Fort<br />
Preußen, wo er noch bis diese Stunde, ungeachtet aller unjcrer Acmühnngen,<br />
sitzt. Wie es auch wegen den 4W Nthlr., die wir zur<br />
Contribution zahlen müßen, werden foll, mag Gott wissen! Gutes entsteht<br />
daraus nicht". —<br />
Wahrscheinlich meint August Wilhelm Wächter im letzten Satze<br />
nicht jeiuen Prinzipal Weiduer, jou<strong>der</strong>n seinen Bater, wie aus deu<br />
folgenden Bemerkungen hervorgeht. —<br />
„15. May<br />
O wenn man doch Antheil hätte, an dem Nutnne unserer Truppen,<br />
wenn man nnr etwas dazu beitrage» köunte! Doch hier sitzt mall mir<br />
in ganzlicher Nmhätigkeit, mit dem gnten Willen, mnß sich anf alle<br />
mögl. Art von den Hundsföttern scheeren laßen, und weiß nicht mal<br />
sicher, von den eignen ^andsleuten getödtet zu werdeu. Es ist dies eiu<br />
schreckliches ^eben, mit einem von Nache und Hast erfüllten Herzen!<br />
Doch abwarten mus; ich hier die Einnahme Stettins, denn daß ich jetzt<br />
meine Eltern verlaßen und sie um die kostspielige Ausrüstung eines<br />
reitenden Jägers bitten sollte, ist eben so unmöglich, wie daß sie im<br />
Stande sind, mich mit 200 Nthlr. zu versorgen. — In Iulchens<br />
^) Später heiht es „Iulchen".<br />
12*
180 Stettin im eisernen Jahr.<br />
Abwesenheit habe ich mich nun schon Kott ?ob gefunden. Es vergehen<br />
wohl Tage, wo ich nicht einmal an sie denke, und ich sehe hierbey<br />
wie<strong>der</strong>um, daß auch den größten Schmerz die Zeit heilt". —<br />
Wie gut die eingeschlossenen Stemuer dltrch auswärtige Zeitungen über<br />
die Vorgänge auf dem Kriegsschauplatz unterrichtet wurden, beweisen die<br />
wie<strong>der</strong>holten genauen Angaben darüber, die sich gerade in A. W. Wächters<br />
Tagebuch findeu. So erhalten sie am 19. Mai die Verl. Zeitung vom<br />
IH. Mai, alw in verhältnismäßig kurzer Zeit; am 20. die vom 15.,<br />
und später ähnlich.<br />
Trotz <strong>der</strong> uugewöhulicheu Notlage, in die die Familie Wächter durch<br />
die Belagerung gekommen, weiß <strong>der</strong> Sohn doch noch die Mittel für<br />
seine Ausrüstung von den Eltern zu erhalten; deuu — so schreibt er am<br />
Stettin im eisernen Jahr. 181<br />
jetzt noch nicht verloren, und so lange werde ich ihn auch noch behalten,<br />
bis ich selbst in diesem Kampfe gefallen bin. Etwas schlimmeres als<br />
<strong>der</strong> Tod steht uns nicht bevor, uud für diesen kenne ich kcine Furcht,<br />
wenn er mich von ewiger Sclaveren befreyen kann."<br />
Interessant ist die Erklärung, die die belassenen Stettiuer für die<br />
Zurückweisung <strong>der</strong> Freiwilligen durch die Prcußeu l,lcit Auwug Juni)<br />
gefuuden haben: „Wir wißcn es nicht an<strong>der</strong>s zu erklären, als daß sie<br />
mit die Lebensmittel ^ <strong>der</strong> Stadt verzehren helfen und zuleyt<br />
tumultuarische Auftritte erregen sollen, auf welche Art <strong>der</strong> (Araf<br />
von Tauenzieu vielleicht die Fcstuug leichter zu nehmen denkt."<br />
Über den Abschluß des Waffenstillstandes (4. Inm) findet sich in<br />
Wächters Tagebuch folgeude wertvolle Äußerung: „Daß unser König<br />
um Waffenstillstand gebeten haben sollte, ist gar nicht denkbar; denu er<br />
keuut das Herz seiner braven Unterthauen, die mit unerschütterlicher<br />
Liebe an ihm hangen, und lieber sterben wolleu, als sich noch einmal<br />
unter das Sclavenjoch <strong>der</strong> Franz. Tyrannei) beugen werden".<br />
„Stettin. Freytag d. Itt. Iuny.<br />
Es ist jetzt wie<strong>der</strong> ein huudsföttisches ^eben in <strong>der</strong> Stadt. Nach<br />
unserm verunglückten Ausmarsch hatte man doch noch etwas zu thun.<br />
Man lief wenigstens hernm, erkundigte sich bey diesen! uud jenem, ob<br />
er was gehört hätte, uud sprach sich unter einan<strong>der</strong> Hoffnung ein, daß<br />
doch noch unser Vorhaben glucken würde: jekt aber lst durch den<br />
Waffenstillstand mit einemmale in dieser Hinsicht alles vorbey, und wir<br />
dürfen gar keine Rechnung darauf machen doch noch hinauszukommen.<br />
Stünde zu vermuthen, daß nach Ablauf des Waffenstillstandes die<br />
Feindseligkeiten wie<strong>der</strong> ihren Anfang nchmeu würden, jo wurde ich nach<br />
meiner Überzeugung doch noch unter die Jäger gehen, bey den jetzigen<br />
Umständen möchte ich es aber nicht wagen, mdem bey einem Frieden<br />
man sich bey <strong>der</strong> Rückkehr von an<strong>der</strong>n mußte auslachen laßen."<br />
Zwischeu „tiudlicher Liebe und seinem Patriotismus" schwaukt er<br />
hin und her und macht „den schrecklichsten Kampf" durch; denn „meine<br />
Neigung, Vaterlandsliebe, o<strong>der</strong> wenn ich es an<strong>der</strong>s ueuuen soll, mein<br />
Ehrgeiz sind gleich stark". Endlich läßt er sich vom Polizei-Kommissar<br />
Sch neppe aufschreiben und erhält auch nachträglich die Einwilligung<br />
seiner Eltern.<br />
„Stettin. Mittwoch d. 31. Iuly 1813.<br />
Der Gouverneur hat nun 50MO Nthlr. Contriburion nicht gefor<strong>der</strong>t,<br />
son<strong>der</strong>n selbst ausgeschrieben, wodurch je<strong>der</strong> und einige darunter<br />
ganz entsetzlich angezogen sind. Z. A. die verw. Senator Mathias,<br />
die weiter nichts hat, als ein kleines Haus und einen kleinen Speicher,
182 Stettin im eisernen Jahr.<br />
wofür sie gar keine Miethe erhält, mit 800 Nthlr. Cr., <strong>der</strong> Pastor<br />
Schrö<strong>der</strong>, <strong>der</strong> weiter nichts als sein Einkommen hat, mit 5l)s) Ntlür.,<br />
ohne diejenigen zu gedenken, die noch weit höher taxiert sind, es aber<br />
geben können, wie z. V. Goltdammer n. Schleich L000 Nthlr.,<br />
Hempel 2000 Rthlr., Bergemanns Esrbenj 15>00, Gribel,<br />
Wißmann, Lorenz je<strong>der</strong> mit 1000 Nthlr. Cr. Viele arrangieren<br />
sich mit dem Gonverncur, bezahlten etwas o<strong>der</strong> die Hälfte gleich, und<br />
den Nest zum 1. August, doch viele andre laßen sich auf nichts ein, und<br />
bekommen Erecutiou ins Haus, die allenthalben tolle Wirthschaft gemacht hat."<br />
Mit lebhaftem Iuteresse verfolgt Wächter das Schicksal <strong>der</strong> im<br />
Felde stehenden freiwilligen Jäger aus Stettin: „Mein Bru<strong>der</strong> und<br />
die übrigen Freunde stehen bey Tchweidnitz und haben die Schlacht bey<br />
Bautzeu mitgemacht, ohne einen Todten zu haben, son<strong>der</strong>n blos 2 leiäü<br />
bleßierte. Berg ist in Berlin soviel wir wißcn, und noch nicht vor<br />
dem Feind gewesen. Wo Walter ist, das mögen die Götter wißen,<br />
indem wir so wenig von ihm als von Wcidner seit d. i>. May die<br />
geringste Nachricht haben! Gott gebe nur baldige Erlösung und daun<br />
viel Handel und Schiffahrt, vielleicht heilt das ja etwas die Wunden,<br />
die <strong>der</strong> jetzige Krieg dem armen Stettin geschlagen hat. Einen<br />
schimpflichen Frieden wird <strong>der</strong> König nie schließen, das sind wir überzeugt,<br />
lieber schlagen wir uns alle, so lange noch ein Blutstropfen in unsern<br />
A<strong>der</strong>n rollt."<br />
„Stettin. Freytag den 23. Iuly, Morgens 9 Uhr:<br />
Herr Schsleich^ hat jetzt einen Brief von Carl S. bekommen,<br />
worin dieser ihm denn von dem Befinden aller Angehörigen Nachricht<br />
giebt. Sie sind wi<strong>der</strong> uuser Erwarten jetzt m Berlin, uud zwar Fritz S.<br />
als Premier Lieutenant mit dem eisernen Kreuze, Eduard (^soltdamtucrl<br />
u. C. Keck als Lieutenants unter dem Negimente Colberg, und er selbst<br />
als Lieutenant unter dem Jäger Detachement, weil alle Jäger ihn<br />
zurückverlangt haben. Mein Bru<strong>der</strong> uud Henuiges wären gesund.<br />
Donnerstag d. 5. August 1813.<br />
Wir haben jetzt Zeitungen sVerliner, wie es kurz vorher heißt^)<br />
bis zum 3. d. Monaths. General Moreau ist, wie wir daraus<br />
ersehen, zu Gothenburg angekommen, allwo eine Fregatte bereit liegt,<br />
ihn nach Colberg zu bringen. Den Zweck seiner Hierherkunft weiß man<br />
') Am 19 Oktober wird ausdrücklich die „Voßische Zeitung" erwähnt. Am<br />
21. Oktober kommt sogar ein »Extra Blatt" in die Stadt.
Stettin im eisernen Jahr. 183<br />
noch nickt, vermnthct aber, kann es sich auch nicht an<strong>der</strong>s erklären, als<br />
daß er ein Kommando in unserer Armee erhalten wird. Ist er noch<br />
ein so großer Feldherr wie im Nevolutious Kriege, dann ist wohl mit<br />
Gewißheit ein glücklicher Ausgang aller dieser Streitigkeiten zu erwarten,<br />
auch wenn Österreich nicht Antheil nimmt an dem allgemeinen Kriege."<br />
Am 14. Angnst heißt es von dem schwedischen Kronprinzen,<br />
<strong>der</strong> bei den Preuneu eingetroffen war nnd die Stellungen <strong>der</strong> Truppen<br />
besichtigte: „Mit einem Franz. Offizier, <strong>der</strong> bey <strong>der</strong> Wache beym Kornmähen<br />
gewesen ist, soll er sich lauge uuterhalten und ihm verschiedene<br />
Grüße an Generale hier aufgetragen, uud sich dabey geäußert habeu,<br />
daß er die Stadt auf jcdeu Fall durch sechsfache Stürme uehmeu<br />
würde . . . Man ist aus <strong>der</strong> Ursache auch sehr beschäftigt, die Sachen<br />
von Werth, die man noch stehen hat, einznpacken, und alles rüstet sich<br />
auf eiuc schwere Belagerung. Diese Woche sind auch theils aus Furcht<br />
fürs Schießen theils wegcu Maugel au Lebensmitteln !(XX) bis l.^X)<br />
Menschen ans dem Thore gegangen, so daß man mit Gewißheit die<br />
jetzige Einwohnerzahl auf die geringere Hälfte <strong>der</strong> sonstigen Äevölkeruug<br />
ansetzen kann. Die Sehnsucht nach Erlösung ist anch jetzt aufs höchste<br />
bcy mir gestiegen, wozu denn diejenige nach Iulchen etwas beytragt . . .<br />
Ich glaubte, als sie abreisete, keiue ruhige Stunde mehr haben zu können,<br />
und doch muß ich gestehen, daß ich noch viele vergnügte wahrend dieser<br />
schlimmen Zeit gehabt habe. Destomehr freue ich mich aber auf ihre<br />
Ankunft, obgleich wenn ich anch hier bleibe ihr Umgang lauge nicht jo<br />
zwanglos wie sonst seyn würde, uud durch die vieleu Geschäfte und durch<br />
des alten Wds. ^Weidners^ Gegenwart ich nicht so uugestört mit<br />
ihr bleibett kann.<br />
Donnerstag den 19. August IN! 3.<br />
Von Weidner haben wir am Sontag endlich auch einen Brief<br />
gehabt; <strong>der</strong> aber auch nickt sehr tröstlich ist, indem die Schiffahrt für<br />
die Nhe<strong>der</strong> sehr schlecht geht, da von emem Nußischen Hafen jetzt nur<br />
engl. Schiffe nach England laden können. Mit Waaren wird daher<br />
wohl etwas Geschäfte nach Eroberung <strong>der</strong> Stadt zu machen seyn, mit<br />
<strong>der</strong> Nhe<strong>der</strong>ey aber wird es wohl solange anstehen müßeu, bis <strong>der</strong> Friede<br />
geschloßen ist.<br />
Sonnabend d. 21. August 15N3.<br />
Heute wurden auch alle Pferde in <strong>der</strong> Stadt vom Gouverneur<br />
auf den Paradcplatz verlangt, wo er sich dann 16 <strong>der</strong> besten zum<br />
Cavalleriedienst aussuchte, und die übrigen wie<strong>der</strong> nach Hause schickte.<br />
Uuter diesen ist auch Weidners alter Braune.
184 Stettin im eisernen Jahr.<br />
Sontag d. 29. August 1813.<br />
Wir waren heute morgen bey uns im Garten und schoben Kegel,<br />
wobey ich denn baarc 15 Gr. verlor, das bis jetzt noch nie geschehen ist.')<br />
Mitwoch d. 1. September.<br />
Der Sieg bey Trebbin, <strong>der</strong> schon in <strong>der</strong> Zeitung vom 24. August<br />
stehen sollte, ist, wie wir aus den späteren Zeitungen sehen, erlogen;<br />
jedoch haben wir dagegen die Franz. Hauptarmee unter Napoleons<br />
Commando am 35. August bey Teltow und Groß Bährens geschlagen.<br />
Also sind die Franz. nur .'5 kleine Meilen von Berlin ab gewesen, und<br />
waren wir nicht stark genug sie abzuhalten, so wäre Berlin verloren<br />
gewesen, und Stettin u. Cüstrin eutsetzt worden; eine schöne Pastete, die<br />
wir uns wohl nicht vermuthet hatten. Jedoch, Gott Lob, es ist nicht<br />
geschehen, wir haben sie durch die Bravour unserer Truppen gcschlageu."<br />
Den Fortgang <strong>der</strong> Siege <strong>der</strong> Verbündeten wünscht sich Wächter<br />
etwas langsamer, „indem ich dann gar keine Hoffnung habe, meinen<br />
Lieblingswunsch zu erreichen, für mein Vaterland zu kämpfen. Wollte<br />
ich aber jetzt meine Aeltern mit dem Entschluß bctrübeu, so fürchte ich<br />
sehr für die Gesundheit meiner guten Mutter; die bey den schlechten<br />
Nahrungsmitteln schwer herzustellen seyn würde . . . Mein Lieblings-<br />
wunsch ist doch, an den Nhein zu kommen; würde ich auch <strong>der</strong> Armee<br />
nachgeschickt, so würde das Einezerciren auch mit so vielen Unannehmlichkeiten<br />
verbunden seyn, daß aus dem Grunde schon mir <strong>der</strong> Appetit vergehen<br />
würde: uud die Hauptsache ist immer, daß ich links schießen müßte; und<br />
ob dies zugelaßen würde, steht dahin." — Schon an früheren Stellen<br />
seines Tagebuches weist Wächter wie<strong>der</strong>holt darauf hin, daß „mein<br />
Gesicht doch gar zu schlecht, und zum Jäger ein vorzüglich gutes<br />
durchaus nöthig ist".<br />
') Daß dieser Garten, wie man zunächst vermuten möchte, in Grabow<br />
gelegen war, ist kaum möglich; war doch das Dorf Grabow bereits am 16 April<br />
(Karfreitag) zum größten Teil, ebenso wie die Unterwick, durch eine furchtbare<br />
Fenersbrunst zerstört. Außerdem lag Grabow außerhalb <strong>der</strong> Stettiner Befestigungen.<br />
Wächters Garten wird vielmehr auf <strong>der</strong> Lastadie in <strong>der</strong> Epeicherstraye gelegen<br />
haben. Das geht aus Briefen des Kaufmanns Carl Wilhelm Meister hervor.<br />
Er schreibt aus Stettin, o. 6. April 1813: „Am Montag war Wegner bey mir<br />
zum Mittag, bls nach dem Caffeetrinlen blieben wir zu Hause, alsdann gingen<br />
wir nach Webers Garten heraus, um dort bey dem schönen Wetter eine Probe<br />
des Eommers zu setien, indem sämmtliche Bäume <strong>der</strong> Speichergarten in voller<br />
Blüthe standen". Und am 30. April 1813: „Wir IMeister und Wegnerj gingen<br />
nach Wächters Garten und schoben dort mit mehreren alten Herrn eine (5ahe<br />
Kegeln, doch dies wollte uns auch nicht behagen denn Wegner gewann leinen<br />
Kuß uon Dir l'Auguste Meisters und ich kemen von Iulchen Wei nreich und<br />
Minna Müller, son<strong>der</strong>n wir mußten je<strong>der</strong> 3 Gr. Mze ^Münze^ bezahlen."
Stettin im eisernen Jahr. l N5<br />
Am 6. September wird er sich darüber klar, daß er „dagegen in<br />
<strong>der</strong> Handlung so gut arbeiten kann, wie je<strong>der</strong> andre. Ich denke nun<br />
wohl, daß Wei du er mich zu Neujahr zum Diener machen wird, und<br />
spätestens zu Ostern zu meinem Bater kommen werde; und dauu<br />
öffuet sich mir die Aussicht zu einem vergnügtere!« und freiere» ^cben;<br />
weuigstens werde ich weit uuabhängiger jeyu, wenn ich auch bey weitem<br />
mehr zu thun habe. Meinen guten Vater iu dell Geschäften zn unterstützen,<br />
Muttern dadurch ihre Tage zu versüßen, und die Handlung<br />
wie<strong>der</strong> aufblühen zu sehen, dies wird für mich das schönste Ziel seyn,<br />
und Gott 5!ob die Aussichten dazu sind ja da, indem <strong>der</strong> Feind alles<br />
ruhigen Glückes allenthalben gejchlageu wird, und <strong>der</strong> Preuß. Adler<br />
seine mächtigen Fittige nne<strong>der</strong> zu bewegen anfäugt, und unaufhaltsam<br />
auf <strong>der</strong> Bahn des Ruhms und <strong>der</strong> Größe mit starkem Fluge forteilt.<br />
Mitwoch d. 8. September<br />
Der alte General Blücher, in dem wir sonst gar kein Vertrauen<br />
sehten, scheint durch seine Thaten die gefaßte nachtheilige Meynung<br />
wi<strong>der</strong>legen zu wollen. Dies ist nuu schon <strong>der</strong> 2. Sieg, deu er seit dem<br />
Wie<strong>der</strong> Ausbruch <strong>der</strong> Feindseligkeiten über die Franz. erfochten hat, u.<br />
er wird auch uicht <strong>der</strong> letzte seyn. Bey BunMu allem hat er jetzt<br />
103 Kanonen genommen. «<br />
Donnerstag d. 16. September.<br />
Von <strong>der</strong> Armee haben wir nun Nachricht von einer großen Schlacht<br />
bei Dennewitz nnd Iüterbock . . . Der junge Scherenberg^) soll<br />
hierbey, wie seyn Vater gestern Nachricht erhalten hat, geblieben seyn.<br />
Ich fürchte sehr für meinen Bru<strong>der</strong> uud meine Freuude. Gott<br />
erhalte sie. — Die Preise von Lebensmitteln sind jetzt ungefähr folgende:<br />
Nutter 4 Nthlr. Ct., Speck und Schinken') I Nthlr. 16 Gr. uud<br />
2 Nthlr. Ct., Noggen«) 5H Nthlr. Ct., Weizen«) 9-11 Nthlr. Ct.,<br />
Gemüse fast nicht mehr zu haben, das Schock grüne Bohnen tj Nthlr.<br />
Münze, die Mandel Gurkeu l Nthlr. Münze, die Metzc gelbe Erbsen<br />
') Von seinem Tode berichtet auch kurz <strong>der</strong> Stettiner Gymnasiast Carl<br />
Eduard Theodor Purgold, dessen Tagebuch und Vriefe ler stand als freiw.<br />
Jäger im Pommerscken lHrenadierbataillon) ebenfalls in meinen Händen sind. (5r<br />
nennt unter den Gefallenen vom 6 September (Scklacht bei Tennewih) Mylan und<br />
Scherenberg. Es war Eduard Theodor Sck.. <strong>der</strong> ältere Bru<strong>der</strong> des Tichters<br />
Christian Friedrich Scherenberg. - Vgl über den sreiwill. Jäger E Th. Scherenberg<br />
auch theodor Fontane „Chr. Fr Scherenberg und oas literarische Berlin"<br />
p. 305 6, wo er auch zwei Feldbriefe desselben abdruckt.<br />
') Die Preise bei diesen drei Lebensmitteln verstehen sich offenbar für das Pfund.<br />
') Offenbar für den Scheffel.
Stettin iin eisernen Jahr.<br />
3 Rthlr. Münze, ebenso weiße Bohnen, das Stück Holl. Hering<br />
« Gr. Münze, das Pfund Syrnp l Nthlr. Ct., Raff. Zucker ^'/g Nthlr. Ct.,<br />
Sahne 3 Nthlr. Ct.<br />
Dienstag d. 21. September 13.<br />
Des Herbstes Anfang ist fürchterlich. Wir haben ein schreckliches<br />
Regenwetter schon den ganzen Morgen gehabt. Unsere armen Jäger<br />
sind hierin zu bedauern; all Nuhc und Bequemlichkeit gewöhnt, müßen<br />
sie jetzt tagelang in diesem Negen stehen, und sich mit dem Feinde<br />
herumschlagen; wo ihre Büchsen nicht mal recht losgehen werden. Da<br />
Winterquartiere zu macheu jetzt schon ganz abgekommen ist, so sind es<br />
keine guten Aussichteu für sie, in solchem schlechten Wetter sich beständig<br />
zu schlage«. Doch Gott wird sie ja wohl beschützen. Wir haben die<br />
Berliner Zeitungen bis zum 14. d. M. hier, woraus wir denn mit<br />
Entsetzen lesen, daß dem braven General Mor eau beyde Beine durch<br />
eiue Kugel fortgerißeu siud. Uuser Schmerz ist groß: für die allgemeine<br />
Sache ist nun wohl schon das meiste geschehen . , . Das Nähere<br />
werden wir wohl heute noch, wenn die Zeitungen vom 1i>. u. 18.<br />
kommen sollten, erfahren. . . .<br />
Sonnabend d. 27>. September 1N13.<br />
Wollen die Franz. es aufs äußerste ankommen laßen, so halten<br />
sie sich wirklich noch bis November auch vielleicht noch bis Weihnachten;<br />
dann müßten sie sich aber auch auf Gnad und Ungnade ergeben, u.<br />
die Preußen könnten mit ihnen machen was sie wollten. Es müßen<br />
also immer die Begebenheiten in Sachsen den Ausschlag geben: und<br />
vielleicht ist es in diesem Augenblicke dort schon entschieden; welches <strong>der</strong><br />
Himmel gebe. Die Noth ist sehr groß unter den Bürgern nnd die<br />
Gewaltthätigkeiten <strong>der</strong> Franz. werden täglich mehr.<br />
Mitwoch d. 29. September<br />
Die Zeitungen sind bls zum 33. d. M. hier. . .<br />
Sonnabend d. 2. October 1313.<br />
Gesund sind unsere Jäger — ich nenne sie so, obgleich die meisten<br />
Offiziere sind — noch bis zum 6. September gewesen, an welchem<br />
Tage die Schlacht bei Dennewih geliefert wnrde, die sie glücklich überstanden<br />
haben. Steffen, <strong>der</strong> Adjutant seyn soll, ist ein Pferd unterm<br />
^eibe erschohen, Fritz Schleich hat einen Streifschuß am Arme erbalten;<br />
deu übrigen ist nichts pm'sirt. Darüber sind wir also allch<br />
beruhigt; deun wir fürchteten sehr für sie in dieser mör<strong>der</strong>ischen Schlacht. . .
Stettin im eisernen Jahr. 187<br />
Dienstag d. 5. Octobcr.<br />
Meine Schwester Minna nebst ihrem Mann haben heute<br />
anch die Stadt verlaßen, nm die wenigen Lebensmittel, die ihnen noch<br />
übrig geblieben sind, Großen zu lassen. Ueber die Franz. Vorposten<br />
hinaus sind sie glücklich gekommen, <strong>der</strong> Himmel wird sie auch bis au sdenj<br />
Bestimmungsort, Greiffcubcrg, helfen. Wenn mit Ende dieses Mouaths<br />
noch leine Aussicht aus baldige Erlösung vorhauden wäre, so wurde<br />
wahrscheinlich Mutter auch noch hinaus müßen.<br />
Eduard Goltdammer hat nach einem gestern eingelaufeueu Briefe<br />
eiueu Prellschuß am Knie erhalten, io wle Carl Schleich einen Streif-<br />
schuß am Arm, jedoch beyde ganz leicht.<br />
Sonnabend d. 9. Qctober 1813.<br />
Wie ich glaube erhalten die Franz. jetzt ^ Pfd. Brod auf dcu<br />
Tag, Pferdefleisch, Wem, Ochl und hin und wie<strong>der</strong> etwas Orühe. Sie<br />
müßen nun bey den geringen Portionen zwar abscheulich huugeru, jedoch<br />
wirkt dies nicht aus die Generäle, die noch immer Porrath an Fleisch<br />
haben. . . .<br />
Sie sollen heute von ihren eigenen Pferden schon geschlachtet<br />
haben. — So eben höre ich, daß Altmann von Heintze in <strong>der</strong><br />
Schlacht bey Deunewitz geblieben seyn soll.<br />
Donnerstag d. 14. Qctober 1813.<br />
Heute vor 7 Jahren wurde die Schlacht bei Jena und Auerstädt<br />
geliefert, die für die Preußische Monarchie so ungeheuer ver<strong>der</strong>blich war.<br />
Es ist heute, sozusagen, Napoleons Olüctstag, denn am 14. Octobcr<br />
wurde auch die Schlacht bey Marengo von ihm gewonnen; so wie<br />
Mack bey Mm am heutigen Tage mit seiner ganzen Armee capitulirtc').<br />
Ob er deshalb seine Truppen durch die Erinnerung au so glorreiche Tage<br />
nicht encouragircn uud eine Schlacht liefern sollte? Thäte er es doch!<br />
Die Preußen würden den ungeheuren Schimpf vor 7 Jahren auf eine<br />
fürchterliche Art rächen, die vielleicht sein Schicksal entscheiden würde'.<br />
Ebenso die Österreicher, da sie noch schmählichere Erinnerungen an diesen<br />
Tag haben. Wir werden ja dies bald hören! D,e 7 schlimmen Jahre<br />
sind nun vorbey, ich denke die guten werden nun auch kommen.<br />
Dienstag d. 19. October 13.<br />
Am Sontag Abend wurden wir in ssurcht gejagt, iudem <strong>der</strong><br />
Himmel ganz roth war, woraus wir auf eine Feuersbrunst schloßen.<br />
'j ES war am 17. Oktober 1805, nachdem die Österreicher in vier Gefechten<br />
überwunden waren.
Stettin im eisernen Jahr.<br />
Anfangs wußten wir nicht wo? doch auf <strong>der</strong> Langenbrücke sah ich dann<br />
die ganze Bescheerung. Die Preußen hatten nämlich das Brennholz,<br />
man spricht von 400 Faden, die auf <strong>der</strong> Silberwiese steheu, in Brand<br />
gesteckt o<strong>der</strong> geschoßen; eine Maßregel die von <strong>der</strong> nicht großen Klugheit<br />
des Preuß. Befehlshabers zeugt, noch dazu, da von franz. Seite ein<br />
Parlamentär hinaus geschickt worden ist, <strong>der</strong> von Plötz um Erlaubnis<br />
gebeten hat, das Holz ungestört herein bringen zu dürfen, im Weigerungsfall<br />
sähe <strong>der</strong> Gouverneur sich genöthigt, das in <strong>der</strong> Stadt lagernde Nutzund<br />
Ttabholz zur Feuerung zu gebrauchen, wo denn <strong>der</strong> Faden auf<br />
()0—NO Nthlr. zu stehen lommen würde . . . Ich woNte erst diese<br />
Maaßregel <strong>der</strong> Preußen vertheidigen; jedoch sahe ich bald ein, wie thörigt<br />
er gegen die arme Stadt gehandelt hat; denn den Franz. thut es keinen<br />
Schaden, im Gegentheil freuen sie sich, hierdurch berechtigt zu seyn, uns<br />
noch immer mehr zu ruimren.<br />
Donnerstag d. 21. October Itti3.<br />
So eben verkündigt uns <strong>der</strong> Kanonen Donner <strong>der</strong> Preußen einen<br />
neuen Sieg des Generals Blücher bei Leipzig. Wir erfuhren es schon<br />
gestern, daß heute würde victorisirt werden . . . Mein Wunsch, noch<br />
vor Bcfreyung nnters Militair zu gehen, möchte wohl erfüllt werden<br />
können; wenn nicht bey <strong>der</strong> jetzigen traurigen Zeit meinen Aeltern die<br />
Ausrüstung äußerst schwer, wonicht unmöglich fallen würde, nnd <strong>der</strong><br />
Abschied vielleicht auch, bey ihrer schwachen Gesundheit, meiner Mutter<br />
schädlich seyn würde ... O wäre ich doch im Juli fortgekommen, als<br />
ich mich durch Heup els Krankheit zurückhalten ließ; ich läge vielleicht<br />
schon in <strong>der</strong> Erde! — dafür fürchte ich mich nicht — wohl aber für<br />
die siegreiche Heimkehr meiner Freunde!<br />
Sonnabend d. 23. October 13.<br />
Auch Minna Müller verläßt so eben die Stadt: alles geht fort,<br />
was einem lieb und theuer ist, und ich sitze hier still und denke au kein<br />
Hinausgehen ... Au Friede« ist wohl nun sobald nicht zu deuken, da<br />
ein so unnatürlicher Bluthund wie Napoleon lieber scili ^auo noch<br />
10 mal mehr ruinirt, wenn er nur nicht zum Frieden gezwungen werdeit<br />
kann. Und dies zu können wird noch Muhe kosten ... In 14 Tagen<br />
ist gewiß kein Tentscher mehr bey <strong>der</strong> Franz. Armee, und alles erwacht<br />
gewiß aus einem tiefen Schlummer um Nache an den Unterdrückern unserer<br />
Freiheit zu nehmen.<br />
Nachmittags.<br />
Es ist ein Extrablatt <strong>der</strong> Votzischen Zeitung vom 30. hereingekommen,<br />
worans wir zwar einen großen Sieg lesen, doch nicht in dem
Stettin im eisernen Jahr 189<br />
Maaße wie man erst glaubte. Am IN. von 4 Uhr Morgens an bis<br />
Abends 9 Uhr ist die größte Schlacht geliefert, die es in <strong>der</strong> ncnen<br />
Zeit gegeben hat. 500s) Mann nud 2Ml) Kanonen sind im<br />
Feuer geweien. Nur Abends spät entscheidet sich <strong>der</strong> Sieg für nns,<br />
nnd die Franz. Armee zieht sich nach Naumburg zurück. . . .<br />
Sonntag d. 24. October 1813.<br />
Wir haben jetzt durch ein Gouvernements Blatt aus Berlin etwas<br />
umständlichere Nachrichten von <strong>der</strong> Schlacht am 18. erhalten. Bis<br />
Abends spät haben sich die Franz. tapfer gewehrt, doch um 4 Uhr schon<br />
haben wir Nachricht erhalten, daß sie anfingen sich zurückznziehen . . ."<br />
In <strong>der</strong> Nachschrift zu diesem Extrablatt heißt es noch: „Seit dieser<br />
Nachricht sind noch 180 Kanonen, 35>(XX) Mann, 14 Generale u.<br />
sämtliche Bagage <strong>der</strong> Franz. genommen worden".<br />
Montag d. 25. October 13.<br />
So eben Vorm. Il) Uhr, erhalten wir einen Brief von meinem<br />
Bru<strong>der</strong> Heinrich aus Vhpcke. Wir sind so erfreut hierüber, als hätten<br />
wir die Nachricht von einer großen Schlacht erhalten. Und wahrlich es<br />
ist auch ein angenehmes Gefühl einen geliebten Bru<strong>der</strong> und Sohn<br />
vorwurfsfrei) in seiner bisherigen Laufbahn zu erblicken. Vetter Witte<br />
ist Lieutenant uuter einem Cavallerie Regiment vom General Blücher,<br />
hat iu <strong>der</strong> Schlacht au <strong>der</strong> Kahbach einen Hieb übers Gesicht und einen<br />
über den Kopf erhalten, ist jedoch ichon wie<strong>der</strong> geheilt, so wie Vetter<br />
Palhon (?) als Lieutenant unter den Gardejägern in <strong>der</strong> Schlacht bey<br />
Nutzen einen Schuß durch den Plattfuß erhalten hat, auch dieser ist<br />
curirt. Fritz Schleich ist Capitai«, was wir auch wißen. Bru<strong>der</strong><br />
Eduard ist noch gesund gewesen. Heinrichs Brief ist vom 2. d. M. —<br />
Donnerstag d. 28. October 1813.<br />
Glänzen<strong>der</strong>e Nachrichten als wir heute erhalten haben, sind gar<br />
nicht zn verlangen, ich werde sehen, ob ich sie alle behalten habe. Das<br />
erste ist, <strong>der</strong> König von Neapel, die Herzöge von Bassano, <strong>der</strong><br />
in einer Mehltonne gesessen hat, und Padua sind gefangen. Der<br />
König von Sachsen wird nach Schweden kommen; sein Königreich<br />
hat aufgehört . . « Jemand sagt, daß unser geliebter König, <strong>der</strong> am ^4.<br />
in Berlin gewesen ist, bey seiner Abreise die Nachricht erhalten hat, daß<br />
<strong>der</strong> Kaiser Napoleon selbst bey Erfurth von den schwarzen Husaren<br />
gefangen worden ist. Dies wäre aber zuviel auf einmal. Wir können<br />
jetzt schon unser Glück nicht faßen ... Die Englän<strong>der</strong> geben uns außer
190 Stettin im eisernen Jahr.<br />
den Subsidien noch die völlige Uniformirnng <strong>der</strong> ganzen Armee,<br />
200000 Mäntel sind nebst Rumm nnd an<strong>der</strong>en Stärtungssachen schon<br />
unterwegs.<br />
Mitwoch d. !?. November 1«13.<br />
Da so eben die Polizey hernm geht, nm den Bürgern zu sagen,<br />
daß heute Nachmittag o<strong>der</strong> morgen früh eine Revision nach Lebensmitteln<br />
vor sich gehen sollte, so glauben wir, daß einer von den Herren wahrscheinlich<br />
den Einfall bekommen hat, vor <strong>der</strong> Unterschrift <strong>der</strong> Eapitulation<br />
noch einmal die Lebensmittel in <strong>der</strong> Stadt zu revidiren. Anch eine<br />
Proclamation soll hinansgesandt worden seyn.<br />
Sonnabend o. 27. November<br />
Am 5. Dccemb. erst wird die Stadt geränmt . . . Man tanft<br />
jetzt Pferde von den Offizieren, ich bemnhe mich anch darnm, damit ich<br />
sogleich unters Militair gehen kann.<br />
Montag d. 20. Decemb. 1813.<br />
Das Bischen Ruhe, was sich so eben mir darbietet, will ich benutzen<br />
meine Gedanken über meine jetzige ^age aufzusetzen (schon vorher<br />
klagt Wächter über großen Mallgel an Zeit seit <strong>der</strong> Übergabe Stettins).<br />
Am 5. d. M. war <strong>der</strong> Tag, an welchem wir endlich von dem<br />
unerträglichen franz. Joche erlöset wnroen. Um !0 Uhr vormittags<br />
streckte die Garnison das Gewehr, n. um !2 Uhr zogen unsre vaterländischen<br />
Truppen unter dem größten Jubel ein. — Der Tag wurde<br />
mit einer Illumination und mit vielen Arendenschüßen beschloßen. Wir<br />
sind seit <strong>der</strong> Zeit so beschäftigt, die ankommenden Waaren in Empfang<br />
zu nehmen, daß ich noch gar nicht Rnhe habe, an mein künftiges<br />
Schicksal zn denken . . . I.^ulcheul kam vorigen Donnerstag anch<br />
wie<strong>der</strong> an. ...<br />
Freylag d. 31. Decemb. 1813.<br />
Der heutige Tag ist zu wichtig, als daß ich ihn m diesem Buche<br />
mit Stillschweigen übergehen könnte; er ist <strong>der</strong> letzte in einem verhängnisvollen<br />
Jahre, das mit den besten Aussichteu für unsere Freiheit<br />
begann; in <strong>der</strong> Mitte jedoch sich sehr für uns trübte, und in den letzten<br />
3 Monathen nnr gänzlich gut und beglückt für uns sich endigte. Am<br />
18. Qctober 18l3 war die Riesen, man nennt sie die Völkerschlacht,<br />
in welcher alle Nationen vou Europa, außer die Türken, für verschiedenes<br />
Interreße sich mordeten. . . .<br />
Dienstag d. 29. Märtz 1814".<br />
Nach einem Überblick über die kriegerischen Ereignisse des neuen<br />
Jahres fährt Wächter fort: „Von meinen sich bey <strong>der</strong> Armee befindenden
Stettin im eisernen Jahr. IN<br />
Freunden hat bis jeht Frih Schleich das erste Opfer gebracht. Am<br />
11. Januar wurde ihm iu <strong>der</strong> Schlacht den Antwerpen das Unte Pein<br />
zerschmettert. Er ist nach Breda gebracht, u. ist bis jetzt so weit wie<strong>der</strong><br />
hergestellt, daß er in 4 Wochen ans hier abzureisen gedenkt, Carl Keck<br />
ist in <strong>der</strong>selben Affaire mit dem Pferde gestürzt, hat das Bein gebrochen<br />
und liegt ebenfalls zu Breda trank. Mein Arn <strong>der</strong> ist bis znm<br />
17. Februar uoch gesund gewesen. Von ihm selbst haben wir seit d.<br />
3. Januar teine Nachricht . . .<br />
Sonnabend d. ?. May 14.<br />
Der 11. Aprill 1ft14 er wird mir ewig unvergeßlich seyn, an<br />
ihm erhielt ich das Geständnis ihrer Gegenliede, u. auch an ihm traf<br />
die Nachricht von dem siegreichen Einznge unserer Truppen von Paris<br />
hier ein. Die Stadt war wie electrisirt, und ich hätte nicht geglaubt, daß<br />
dadurch eine so gros;e Bewegung unter den Bürgern entstehen würde.<br />
Am Abend war die Stadt illuminirt ... Nie hat wohl Gott ein solches<br />
Exempel von Hochmuth statnirt als bey diesem Hund. Der größte u.<br />
mächtigste Fürst von Europa, desten Befehlen alles, wiewohl zitternd,<br />
gehorcht, ist blos durch seinen unersättlichen Ehrgeiz in sein voriges<br />
Nichts zurückgeführt. Er <strong>der</strong> sich selbst für einen Gott hielt nnd an<br />
keine Vorsehung glaubte, wie muß er jetzt erst von <strong>der</strong> göttlichen<br />
Gerechtigkeit überzeugt werden, wie wird nicht sein Ende, das gewiß<br />
nahe ist, furchtbar seyn, wenn alle Bil<strong>der</strong>, die vielen durch ihn gemordeten<br />
Millionen Menschen sich noch einmal seinem Gedächtmß darstellen! —<br />
O Gott Dank, daß es einmal so weit ist!"<br />
Über den Einzug <strong>der</strong> siegreichen preußischen Truppen in Stettin,<br />
5). Dezember 1813, uud die sich anschließenden Feierlichkeiten mag ein<br />
erst vor kurzem bekannt gewordener Brief <strong>der</strong> Witwe Karow berichten^).<br />
„An die freiwilligen Jäger Carl') und Wilhelm Karow, bei<br />
dem Regiment Colberg bey <strong>der</strong> Compagnie des Herrn Hauptmaun<br />
von Sydow unterm Corps des Herrn General Bülow wird gebeten<br />
<strong>der</strong> Armee nachzuschickeu.<br />
Meine theuersten geliebten Söhne!<br />
. . . Von morgen an als den 3. December denke ich von Poelitz<br />
nach Stettin abzugehen. Weil Stettin offen ist. Da Torney verbrannt<br />
') Er wurde bereits veröffentlicht in <strong>der</strong> Po mm er scheu Tagespost<br />
(Stettin) am 4 Ili. 1913.<br />
2) Carl Gottfried Karow erhielt als Oberjäaer nach <strong>der</strong> Schlacht bei<br />
Arnheim, 30. November 1813, das eiserne Kreuz.
193 Stettin im eisernen Jahr<br />
ist, so weiß ich nickt, was ich anfangen werde; Ihr könnt euch meinen<br />
grausamen Schmerz denken, als Torney verbrannt wnrde. Gebt mich<br />
also euren Rath, was ich wohl machen soll. Da Wilhelm mit <strong>der</strong><br />
Vandwirthschaft schon etwas bescheid wem, so wiN ich auch so gerne sehen,<br />
wenn Friede ist, daß er dabey bleibe . . . Den dritten December war<br />
<strong>der</strong> Brief bis soweit geschlossen. Darauf fuhr ich nach Stettin bey <strong>der</strong><br />
Uebergabe und habe dies mitangesehen, weil die Franzosen das Gewehr<br />
streckten. Es herrschte eine allgemeine Stille, selbst die Offiziere waren<br />
bewegt. Und dle Franzosen weinten. Viele von den unsrigen weinten<br />
mit, und so füren wir nach <strong>der</strong> Stadt, wo bey Eröffnung an ^00 Wagen<br />
hielten, und wo wir das Glück hatten, die ersten zu seyn. Ich sahe<br />
alle Fenster und Thüren mit Tangergrün nnd Blumen behangen. Und<br />
die Strafen mit Blumen und Buchsbaum bestreut, so stiegen wir bey<br />
Velthusen ab. Ich konnte nicht Wetter; denn mein Herz lief über<br />
vor Freude und Wehmuth. Ich ließ meiue Sachen bey Velthnsen und<br />
ging zu Onkels.<br />
Welche Freude hatte ich. Onkel alle seine Fenstern waren behangen.<br />
Die Thüren weit offen uud eine Ehrenpforte errichtet. Onkel stand<br />
prächtig angezogen in <strong>der</strong> Thüre, und noch zwey Deputierte, um seiner<br />
Exelenz den General Plötz zu empfangen. Hieine Sachen waren alle<br />
ausgeränmt und nach dem Stadtchirurgus Weber in <strong>der</strong> Kuhstraße^)<br />
getragen, wo ich jetzt wohne. Denke dich meine Verlegenheit, weil ich<br />
keine Aufnahme finden konnte. Onkel sagte, Sie wären mir lieb, wären<br />
Sie 4 Tage später gekommen. Jetzt kann ich mich kein Wort mit<br />
Ihnen unterhalten. Gehen Sie indessen rein. Ich kann mich garnicht<br />
um Ihnen kümmern. Ich ging mit <strong>der</strong> Gesellschaft, wo ich mit gekommen<br />
war, nach Verlinerthor, um den General Plötz zu sehen;<br />
Alle Fenstern waren mit Menschen gestopft. Ans die Wälle standen die<br />
Menschen wie Mauern. Und dabey zwey Corp Hoboisten, und an dem<br />
Thor die Bürgergarde, und die Schulrathe prächtig gekleidet. Die<br />
Schühenkompagnie mit einer neuen Fahne, und so erwarteten sie den<br />
Einzug des General Plötz, welcher auch kam. Unter Geläute aller<br />
Glocken trat er in das Thor nnd Vancken und Trompeten. Der<br />
Bürgermeister Cürstein überreichte ihm die Schlüssel und hielt eine<br />
schöne Anrede. Darauf traten zwölf junge Mädchens grün und weiß<br />
gekleidet mit einer kostbaren Fahne mit einem großen goldnen Knopf.<br />
Zwei trugen einen Lorbeerkrauz. Der Geueral stieg vom Pferde und sie<br />
hingen ihm den Kranz um. Unter einem Jubel. Hoch lebe <strong>der</strong> Köuig<br />
unser Vater. Mit Baucken uud Trompeten. Und so ritt er durch alle<br />
') Gemeint ist <strong>der</strong> Kaufmann Wiehlow am Roßmarkt.<br />
2) Heme oberer Teil <strong>der</strong> Gr. Wollweberstr. und des Rosengartens.
Stettin im eisernen Jahr. 193<br />
Straßen <strong>der</strong> Stadt. Die Mädchen vorauf. Die Jäger hinter ihm<br />
bis vor Onkels Thüre, die Mädchen, an ie<strong>der</strong> Seite sechs, blieben stehen<br />
mit <strong>der</strong> Fahne. Onkel und die Deputierten traten hinzu und führten<br />
ihn hinauf in den Saal. Wo ihn ein prächtiges Mittagessen erwartete.<br />
Der Hochzeitsbitter Thomas hatte die Ehre ihn aufzuwarten. Alles<br />
was man hatte, war da, die Stabsoffiziere uud die Mädchen wnrden<br />
hingebeten und von dem freundlichen Mann liebreich bewirtet. Unter<br />
diesem Jubel wurde ein immerwährendes Bivat hoch gerufen es lebe<br />
unser Vater von vielen Menschen. Nicht zu vergessen <strong>der</strong> Negieruugsrath<br />
O tel hielt vor Onkels Thür die Anrede. Weil das Dinee vorbey war,<br />
gingen im Geläute aller Glockeu unter <strong>der</strong> Schützcnkompagnie, <strong>der</strong><br />
Magistrat, die Schulrälhe uud seiner Erellenz <strong>der</strong> General nach <strong>der</strong><br />
Iakobi-Kirche. Ncy den Eintritt wurde die Orgel sehr schön gespielt.<br />
Unter Baucken uud Trompeten wurde gesnngen Nun danket alle Gott.<br />
Alsdauu hielt <strong>der</strong> Prediger Schrö<strong>der</strong> vou <strong>der</strong> Cautzel eiue sehr schöue<br />
Predigt. Beson<strong>der</strong>s den Segen machte er wun<strong>der</strong>schön. Unter NX)<br />
Dantgebeten uud Thräueu wurde Herr Gott Dich loben wir mit Vauckeu<br />
und Trompeten gesuugeu. Alsdann ging <strong>der</strong> Zug wie<strong>der</strong> zu Oukel,<br />
nun war es Abend. Nnu wnrde auf den Casiuo ein prächtiges Mahl<br />
gegeben den General zu Ehren wo Onkel <strong>der</strong> Direktor von war und wo<br />
je<strong>der</strong> <strong>der</strong> mit speisen wollte 8 Thal. Crt. bezahlen mußte. 300 Personen<br />
waren da. Wo alles was Curjol außer Vaudes auftreiben konnte da<br />
war. Und wo nichts weiter als Äurguu<strong>der</strong> und Champagner getruuken<br />
wurde. Nnn denke dich alles schönes und die schöne Illumination. Bor<br />
das Velthusensche uud Töpfers Haus wareu Iujchriften auf den<br />
Frieden gemacht. Alle Resoursen alle Kanflente jhatten j die Prächtigsten<br />
Gemälde. Alle Häuser von <strong>der</strong> Spitze au bis an <strong>der</strong> Erde voll Lichter. Und<br />
wo Ontel feius das schönste war. Die ganze Nacht ein Geschieße bis am<br />
Morgen. Dieses alles was ich nicht zu schreiben vermag und die Frende,<br />
daß ich meine Kin<strong>der</strong> wie<strong>der</strong>sah, hat mich davon abgehalten, dir die<br />
verlangten Hemden und Strümpfe zu schicken. Den Morgen drauf ist<br />
August zu diesem Freuudlichen Manne gegangen und wollte uuter die<br />
Landwehr angestellt seyn. Er ist so gnädig gegen ihm gewesen, und<br />
dabey gesagt, die Landwehr würde vermuthlich eiugehen, er würde aber<br />
alles für ihm thun. Die Gedichter und die Carm zu diesem Feste hat<br />
Augustl) gemacht, uud in Druck gegeben, den an<strong>der</strong>ntag bin ich wie<strong>der</strong><br />
nach Poelih abgereist um meine Mutter und Sachen zu holen, wenn<br />
l) Von diesen hat sich nichts finden lassen. Nur ein von August Karow<br />
gedichteter „Gruß an die heimkehrenden Freiwilligen <strong>der</strong> Pom. Regimenter. Stettin,<br />
am 1ü. Juli 1814. Gebruckt bei (5. W. Struck" hat sich in Purgolds Nachlaß<br />
erhalten.<br />
Valwche Studien N. F. X VII. ^
194 Stettin im eisernen Jahr.<br />
ich wie<strong>der</strong> hin komme nach Stettin, wird die Messerschmidt und die.<br />
Carow von Stargard angekommen seyn, die werde ich alsdann fragen,<br />
wie die Sachen wegzubringen sind, weil sie an Eduard schon mehres<br />
geschickt hat. . . . Gott segne und behüte euch. Ich küsse euch tausendmal<br />
und bin Eure Mutter bis in den Tod. Witwe Carow.<br />
Poelitz, den 7. December 1»13."<br />
Über die Beteiligung mehrerer Stcttiuer am Freiheitskamvf berichtet<br />
Otto Ernst Grischow an seinen Vater, den Gewandschnei<strong>der</strong> nnd<br />
Stettiner Bürger Jacob Friedrich Grischow.<br />
,.I?ourn7 bey la ?6n-6 den 12. März 1«14.^)<br />
Daß Ihr meine lieben Aeltern! in Enrem Alter noch habet darben<br />
müßen nnd sogar die gewöhnlichsten Lebensmittel gemangelt haben, thut<br />
mir in <strong>der</strong> That sehr weh; wie oft habe ich einen wohlbesehten Tisch,<br />
an dem ich es mir manchmal wohlschmecken ließ, nach Ench hinüber<br />
gewünscht; übrigens habe ich doch seit einiger Zeit fleißig bei dem<br />
Professor Hunger CoNegia hören mühen, denn bey <strong>der</strong> Velagernng von<br />
Antwerpen, vor Laon uud Soisions gab es ganz vertenfelt schmale Bissen<br />
nnd <strong>der</strong> gänzliche Vrodmangel war in <strong>der</strong> That drückend; allein was<br />
thnt das; ich bin ja gesund, wie es keiner seyn kann; ja noch mehr, ich<br />
bin (K. L. wenn ich nicht lange gehnnqert habe) viel kraftvoller als ich<br />
es zn Hause war. . . .<br />
Du wünschest mein lieber Vater, daß ich Dir einige von den<br />
Stettineru nennen soll, die mit mir unter demselben Detachement sdes<br />
Kolberger Negiments Nr. i^ stehen. Hier sind einige <strong>der</strong>en Nahmen<br />
Dir bekannt seyn werden. Unsere beyden Lieutenants sind die Söhne<br />
des Kaufmanns Schleich;*) <strong>der</strong> älteste ist bey Antwerpen stark am<br />
Schenkel verwundet worden nnd wird wahrscheinlich nicht wie<strong>der</strong> kommen,<br />
da das Bein steif geworden; <strong>der</strong> Sohn des Kaufmanns Wächter,<br />
Brede, Henniges, Pivschty, Karow,s) <strong>der</strong> Sohn des Bäckermeisters<br />
Nohde; des Arztes, Herrn Dopel, auch <strong>der</strong> Bursche unseres<br />
lieden Nachbars, dein ich Unterricht im Französischen gegeben; außerdem<br />
sind seit einiger Zeit viele als Offiziere bey an<strong>der</strong>en Regimentern angestellt<br />
o<strong>der</strong> auf an<strong>der</strong>e Art versetzt worden; auch sind <strong>der</strong>eu viele bey uns,<br />
die in <strong>der</strong> Handlung o<strong>der</strong> auf das Gymnasium in Stettiu gewesen ;c. tnrz<br />
<strong>der</strong> größte Theil besteht aus wirklicheu Stettinern o<strong>der</strong> aus solchen die<br />
') Dieser Brief ist noch nicht veröffentlicht<br />
2) Von Carl Ludwig Schleich sind Aufzeichnungen vorhanden.<br />
') Mit Karow war Grisckow schon auf dem Hinmarsch bei Kohlen<br />
zusammengetroffen- bride waren erkrankt und zurückgeblieben.
Stettin im eisernen Iabr. 195<br />
wenigstens lange Zeit in dieser Stadt gewesen nnd zur Zeit des Aufrufes<br />
dieselbe verlassen haben. . . .<br />
Bey <strong>der</strong> baldigsten ersten Gelegenheit, meine theuren Aeltern!<br />
schreibe ich wie<strong>der</strong>. Gott mit Euch! Otto Ernst Grischow."<br />
Dazn eine Notiz ans seinem letzten Brief:<br />
„Minister den 19. Iuny 1«14.<br />
Der kleine Ut echt, <strong>der</strong> Sohn unseres Nachbarn ist vor einigen<br />
Tagen bey unserm Detachement angekommen und war sehr erfreut mich<br />
anzutreffen, denn er versicherte mich, dan er vorzüglich gewünscht hätte,<br />
mit mir bey <strong>der</strong>selben Compagnie zu seyn. — Der kleine Mann ist in<br />
<strong>der</strong> That noch zn jung uud schwächlich, uud möchte wohl nicht recht die<br />
von uus früher ausgestaudeneu Strapatzeu haben ertragen tonnen."<br />
Vriefe Hart Wilhelm Meisters an seine Schwester.<br />
ft Auguste Meister.<br />
Stettiu den K. April<br />
Liebe gnte Auguste!<br />
Ich biu von Deiner aufrichtigen Liebe zu mir nur zu gut überzeugt,<br />
als daß ich nicht glaubeu tonnte, wie sehr uud wie oft Du dm guten<br />
Carl iu seiuer jetzigen traurigen Einsamkeit bedauerst, uud doch müßte<br />
ich lügen, wenn ich sagen wollte, daß ich mir in den ersten Tagen nach<br />
eurer Abreise verlassen vorgekommen wäre, nein ich war munter und<br />
vergnügt, vorzüglich als ich die erste sichere Nachricht von ench Lieben<br />
erhalten hatte, denn nun wußte ich euch m Sicherheit uud außer Gefahr.<br />
Diese Freude dauerte iudeß nur, wie gesagt eiuige Tage und nun trat<br />
an <strong>der</strong>en Stelle eine desto größere Traurigkeit uud da ich nichts<br />
dringendes zu thun hatte, auch die langweile. Ich fühlte das Unangenehme<br />
dieser Lage und war also daranf bedacht dieser Sache em<br />
Ende zu machen. Anstatt, daß ich bis jetzt seit <strong>der</strong> Belagerung wenig<br />
o<strong>der</strong> nichts gethan hatte, theilte ich jetzt die Stunden des Tages uud<br />
Morgeus eiu und beschäftige mich ununterbrochen bald mit Leseu,<br />
Schreiben o<strong>der</strong> aufräumen des Ladens, so vergeht mir <strong>der</strong> Tag so schnell,<br />
wie es kaum bey eurem Hiersein <strong>der</strong> Fall war, des Abends gegen 7 Uhr<br />
kömmt Wegner zu nur und bleibt gewöhuiglich zum Abeudbrodt bey mir,<br />
alsdann plau<strong>der</strong>n wir zusammen o<strong>der</strong> lesen uns etwas vor uud hierbey<br />
sind wir so zufrieden, daß wir noch nicht einmal daran gedacht haben<br />
bei einem Dritten hinzugehen, obglelch ich von Madame Heiliger sowohl<br />
wie auch von Madame Henniges mehrere mal die Erlaubniß hierzu<br />
bekommen habe. Der einzige Ort wo wir fast alle Abend bis 8 Uhr<br />
13'
190 Stettin im eisernen Jahr.<br />
zu finde» sind, ist bey Weinreichs, doch auch dies fängt schon an<br />
seltener zu geschehen indem Iulchen vor einigen Tagen unt einer ihrer<br />
jüngeren Schwestern und ihren Cousinen bey Homanns ucbst einer<br />
Tcmdte die Stadt verlassen hat; sie befindet sich iu Deiner Nähe nnweit<br />
Neuwarp bey Imforts. Am Sontag war Wegner bel mir zum<br />
Mittag, bis nach dem Caffeetrinten blieben wir zu Hanse, alsdann<br />
gingen wir nach Webers Garten heraus, nm dort bey dem schönen<br />
Wetter eine Probe des Sommers zu sehen, indem sämmtliche Bäume <strong>der</strong><br />
Speichergärten in voller Blüthe standen. — Vorgestern Abend haben<br />
wir die goldene Hochzeit Wegners Groß Eltern gefeiert, glücklicherweise<br />
hatte sich eins unserer Hühner den Fuß gebrochen, so daß es geschlachtet<br />
werden mußte, und wir also am Hochzeits-Tage Vuchweitzeu-Grutze nnd<br />
Huhnerbraten mit rothen Nübeu esseu louuten. Hierzu besorgte Weguer<br />
aus dem Keller seiues Vaters eine Flasche 1W jährigen Franz. Wein<br />
<strong>der</strong> uns und vorzüglich Bellmann ^) — welcher wahrscheinlich mußte<br />
gerocheu haben was paßierte uud lei<strong>der</strong> daher zu Hause blieb — recht<br />
gut schmeckte. — Nachdem wir mehrere mal die Gesnndheil Wegners<br />
Familie getrunken hatten, kommt auch ihr all die Reihe und da wir<br />
uus wegeu Bellmann genieren mimten, stießeu ich u. Weguer einmal<br />
stillschwcigens au, worüber wir uus bis jetzt nicht eiumal gesprochen<br />
haben, ob anch seine Gedanken die Meiuigeu waren. —<br />
Vor einigen Tagen waren wir am Abend bey Vottcheu Labes,<br />
sie befindet sich wohl u. läßt Dir grüßen. — Weiht Du was Weguer<br />
und ich uns jetzt wünschen? Nichts weniger als: eilten Zaubermantel<br />
(um des Sonntags nur eine Stunde bey euch uud eine Stuude iu<br />
Vogelsaug bei W. Cousinen sein zu können; doch wir sehen auch ein,<br />
daß wir hierbei es beim bloßen Wünschen müssen bewenden lassen nnd<br />
versparen uns daher alles dis zu Eurer zurückkuuft.<br />
erhalten?<br />
Habt Ihr von dem guten Heinrich*) schon wie<strong>der</strong> Nachricht<br />
O l könntest Du doch eine Gelegenheit ausfindig machen nm mir<br />
über diesen guten Jungen etwas näheres schreiben zu köuuen, denn bis<br />
jetzt weiß ich blutwenig von ihm. Doch ich werde wohl aufhören müssen,<br />
den» das Papier geht zu Ende und das Couvert muß auf dieser Seite<br />
noch kommen. Daher Basta. Wahrscheinlich ist es <strong>der</strong> letzte Brief, denu<br />
die Gelegenheiten werden schon sehr selten, also lebe auf baldiges Wie<strong>der</strong>sehn<br />
wohl u. bleib gut Deinen Bru<strong>der</strong> Carl.<br />
Ein Handllmgsdiener bei Meisters.<br />
Heinrich Meister, freiwiUiaer Jäger.
Stettin im eisernen Jahr 197<br />
Solltest Du schon einmal nach <strong>der</strong> Laise s—Leese^ gewesen sein, o<strong>der</strong><br />
bald mal hinfahren, jo grüße doch die Braut des Prediger Vlut, nemlich<br />
Carolinchen Schmidt von mir. — Wegner läßt Dir vielmal grüßen.<br />
Von eurer Reise erzählte man sich hier wun<strong>der</strong>bare Geschichten, da<br />
ich sie dem Papier nicht anvertrauen mag, so verspahre ich mir die<br />
Mittheilung <strong>der</strong>selben bis zu eurer Zurücttlmft.<br />
DkmnikeNk Auguste Meister<br />
pr. Add. H. Consistorialrath Langn er<br />
in Iasnitz.<br />
Stettin den »0. April INI3.<br />
Geliebte Schwester!<br />
Daß Ihre eure Reise-Abendtheuer so glücklich überstanden habt, ist<br />
mir um so lieber, da ich schou seit mehreren Tagen durch die unangenehmsten<br />
Gerüchte, welche man hier über eure Reise verbreitete<br />
geängstigt wurde.<br />
Vorgestern erhielt ich euern Brief von Herrn ^angner vom 32. d.<br />
worin er nochmals recht dringend darum bat, daß ihr die Stadt verlassen<br />
möchtet und nun seid ihr schon da; übrigens erhielt ich schon durch ihn<br />
die angenehme Nachricht, daß Heinrich am 2. d. m Berlin eingetroffen<br />
sey und daß ihn dort H. Krüger gesprochen habe und ihn sehr zu<br />
seinem Portheil verän<strong>der</strong>t gefunden hätte. Der Himmel gebe nur, daß<br />
er ebenso gesund nnd wohl einst als Sieger wie<strong>der</strong> m unsere Arme<br />
zurückkehrt. O Gott, wie glücklich wollte ich mir schätzen, wenn ich sein<br />
Loos mit ihm theilen könnte, aber lei<strong>der</strong> befinde ich mich in <strong>der</strong> Lage,<br />
daß es erst bis zum Landsturm kommen muß, ehe ich an diesen großen<br />
Kampf für Freiheit n. Baterland theilnehmen kann. — Solltest Du an<br />
den guten Heiurich schreiben, so grüß ihn sowie auch den guten Keck recht<br />
herzlich von mir und bitte Ihnen nochmals, daß sie sich als Kriegs-<br />
Cameradeu nicht verlassen sollten. — Als ihr am Sontag kaum den<br />
Baum hinter euch hattet ging H. Hoffmann mit seiner Frau,<br />
Weg ner und ich nach dem Schloßthurm herauf und hier verfolgten<br />
wir euch mit den Augen soweit wir konnten.<br />
Gleich darauf ging ich u. Weguer nach Hause u. tranken Caffee,<br />
doch hier kam uns alles so still und leer vor, daß wir, um uns den<br />
ganzen Nachmittag nicht mit seufzen und stönen zu ver<strong>der</strong>ben, machen<br />
mußten aus dem Hause zu kommen. Wir gingen nach Waechters<br />
Garten l) und schoben dort mit mehreren alten Herren eine Caße Kegeln,<br />
doch dies wollte uns auch nicht behagen, denn Wegner gewann keinen<br />
l) Wahrscheinlich, wie die oben erwähnten Speickergärten. in <strong>der</strong> Speicherstrahe,<br />
of. p. 184, Anm.
IM Stettin im eisernen Jahr<br />
Kuß von Dir uud ich keinen von Iulchen Weinreich nnd Minna<br />
Müller, son<strong>der</strong>n wir mußten je<strong>der</strong> 3 Gr. Mze. bezahlen; wir empfahlen<br />
uns daher bald wie<strong>der</strong> uud gingen nach Herrn Haase um von euch<br />
Erkundigung einzuziehen; die Bots-Leute wareu zurückgekommen und<br />
versicherten euch bis zum Bredow'schen Berge gebracht zn haben, wofür<br />
ich auf unser Theil 6 Rthlr. 8 Gr. Court, bezahle« mußte, von hier<br />
wan<strong>der</strong>ten wir hinüber nach Weinreichs, doch mir wurde ganz bange,<br />
als ich in die Stube trat uud lauter junge Mädchen nebst <strong>der</strong> Fr.<br />
Senatorinn Weinreich und <strong>der</strong> Madame Weber erblickte. Nun hätte<br />
ich wohl Kegel schiebe» mögen. — Da das Wetter sehr schöu war so<br />
entschlossen sich die jungen Mädchen mit uns spazieren zu gehu, und die<br />
alte Madame Wein re ich war als ich mir bey ihr empfahl, so gut mir<br />
zu erlauben ihnen öfters besuchen zu können. Welche Erlaubniß ich<br />
auch Willens bin recht steißig zu benutzen, uud wirklich habe ich schon<br />
einen recht gntcn Anfang gemacht, denn bis jetzt bin ich alle Abend da<br />
gewesen. Iulchen Weinreich u. Minna Müller sowie auch<br />
C. Wegner lassen Dir uielmal grüßen, und versichern, daß sie an<br />
eurer glücklichen Neise den lebhaftesten Antheil genommen hätten. Die<br />
Einlage ohne Addreße ist an Heinrich, da ich nicht weiß wo er ist so<br />
konnte ich sie nicht ausfüllen.<br />
Nochmals recht viele Grüße von alle Freunde und Vekannte. Lebe<br />
wohl, bleib gesund und gut Deinen Bru<strong>der</strong> Carl.<br />
Deu Brief au Heiurich kounte ich nicht mehr schreiben, die Zeit<br />
war zu kurz. Die frühere» Abschieds Briefe, welche wir Herru Laugne r<br />
einsandten, wird er ja wohl schon au ihn beför<strong>der</strong>t haben. Lebewohl<br />
Dein Carl.<br />
Der vcmoiLcIIe A. Meister<br />
p. Add. H. Consistorialrath sanguer<br />
iu Iasuih.<br />
Stettin d. 19. Iuny<br />
Liebe gute Auguste!<br />
Soeben kommt Herr Hoffmann zu mir herum, und weist mir<br />
die Gelegenheit an, wodurch Du diese Zeilen erhältst. Doch da er mir<br />
zugleich sagt, daß ich den Brief so einrichten möchte, daß er verlohren<br />
gehen kann, so bleibt mir nicht viel mehr zum schreiben übrig, als Dir<br />
zu sagen, daß ich, unsere übrigen Hausgenossen uud überhaupt alle welche<br />
ihr hier verlassen habt noch gesund und wohl sind. Am Hd. d. schrieb<br />
ich einige Zeilen an Muttern, wahrscheinlich sind diese doch schon in<br />
euren Händen. — Bis jetzt habe ich erst einen einzigen Brief von euch<br />
Lieben erhalten und zwar von Dir vom 3. May dadirt, doch gewiß
Stettin im eisernen Jahr. 1W<br />
liegt die Schuld nicht an euch, denn ohne Zweifel habt ihr zede<br />
Gelegenheit benutzt, die sich euch nur dargeboten hat nm mir von euch<br />
Nachricht zu gebe». — Ich weiß nicht, was ich darum gäbe wenn ich<br />
nur von euch ein Zettelchen erhielte, woranf nur die Worte stehen: Wir<br />
sind gesund. — Übrigens glaube ich doch, daß ihr meine Briefe, ohngefähr<br />
tt an <strong>der</strong> Zahl, alle erhalten habt. — bei<strong>der</strong> sind jetzt die Aussichten so,<br />
daß es wohl noch lange währen darf, ehe wir uns wie<strong>der</strong>sehen, doch gereut<br />
es mir bls jetzt nicht, Muttern zu eurer Entfernung zugeredet zu haben,<br />
denn so nie<strong>der</strong>geschlagen und traurig mir mitunter <strong>der</strong> Gedanke auch macht,<br />
von euch lieben getrennt zu seiu, so lieb ist es mir auch wie<strong>der</strong>, wenn ich<br />
bedenke, daß es wohl recht lange währen könnte, und mm doch zwei Esser,<br />
welche ich uicht mögtc so manche kleine Bequemlichkeit entbehren lassen,<br />
weniger siud. Verliehre Du liebe Auguste uur den Muth nicht, denn<br />
gewißlich sehen wir uns glücklicher und znfriedener wie<strong>der</strong>, als wir uns<br />
verließen, tröste und unterstutze misere gute Mutter, wenn Sie verzagen<br />
sollte und bernhige sie um unsern gnten Brn<strong>der</strong> Heinrich, welchen<br />
wir gewiß gesund wie<strong>der</strong>sehen werden. Vorgestern war <strong>der</strong> Geburtstag<br />
dieses Theuren, ich will wünschen und Hoffell, daß ihr denselben recht<br />
vergnügt verlebt habt. — Am Morgen fielen mir Mutters Worte ein,<br />
die sie vor zwei Jahren in Grabow au diesem Tage sagte, als wir ihr<br />
gratnlirten. Dn wirft Dir <strong>der</strong>selben auch wohl noch erinnern. Übrigens<br />
habe ich u. Wegner diesen für mich so wichtigen u. heiligen Tag<br />
nach Möglichkeit gefeiert. Wegner läßt vielmal grüßen. Perläßt das<br />
Ober-^audsgericht die Stadt, wie mau allgemein sagt, so halte ich das in<br />
meinem letzten Briefe vom 15. d. Mutteru gegebene Versprechen gewiß<br />
und schreibe an Euch Alle recht viel und ausführlich. Gewiß schreibst<br />
Du an Heinrich, vergesse alsdann ja nicht ihm von mir zu grüßen.<br />
— Was macht Julius, den werde ich gar nicht wie<strong>der</strong>erkennen.<br />
Sollte es ench an Geld fehlen, so wird ja wohl Herr tt . . . dafür<br />
sorgen, auf den ench angewiesenen Wegens etwas zu erhalten. Grüße<br />
deßen ganze Familie recht herzlich von mir, sowie auch Krügers,<br />
wenn sich diese in Iasnitz nie<strong>der</strong>gelassen haben, wie Du in Deinem<br />
Briefe erwähntest. Alle Bekannte namentlich Hoffmanns sowie auch<br />
die öenzen lassen Muttern u. Dir recht herzlich grüßen.<br />
^ebe wohl und bleib mit Mutter u. Julius') so gesund als ich bin.<br />
Dem treuer Bru<strong>der</strong> L W. Meister.<br />
') Tarauf beziehen sich offenbar folgende Angaben, die hinter den ersten<br />
11 Zeilen eingefügt sind: Klatt I. f. in Schwelbein K2 Nthlr 9 Gr. 7 Pfg.<br />
Landt A. s. m Wollin 130 3tthlr. 5 Gr. A. V. Kuhn ca. 20 Rthlr.<br />
Schürmann in Gülzow 72 Nthlr. IK Gr.<br />
'1 W. We ist ers jüngerer Bru<strong>der</strong>.
200 Stettin im eisernen Jahr.<br />
Der NftmmlnNs Auguste Meister<br />
p. Add. Herrn Consistorialrath Langn er<br />
Herzlich geliebte Schwester!<br />
in Iasnitz.<br />
Stettin den 7. Iuly<br />
Unter dem 3. Iuly schrieb ich an Mutter indem sich mir eine<br />
directe Gelegenheit nach Iasnitz darbot, wie ich anch in Ihrem Briefe<br />
bemerkt habe, und nun liegt <strong>der</strong> Brief noch hier da ich die Zeit verfehlte,<br />
und wird erst morgen mit diesem abgehen. Wie wir hier leben nnd<br />
daß wir noch leben wirst Du wohl ans Mutterns ersehn, doch kann ich<br />
nicht umhin Dir zu sagen, was ich Muttern verschwieg, daß im<br />
allgemeinen die Noth und <strong>der</strong> Mangel an Lebensmitteln bald den höchsten<br />
Gipfel erreicht haben wird und daß sich schon öfter Stunden bey mir<br />
einfinden, wo ich ganz muthlos und nie<strong>der</strong>geschlagen bm, obgleich ich<br />
für meine Person bis jetzt nichts weniger als Mangel kenne und auch<br />
wohl nicht teunen lernen werde und wenn dies elende Leben auch noch<br />
6 Monate danerte. Aber <strong>der</strong> Oedanke von euch Lieben getrennt zu sein<br />
und auch nicht eine Sylbe von euch zu erfahren, <strong>der</strong> tägliche Anblick<br />
von Elenden und Unglücklichen, alles dies macht mir alsdann so tranrig,<br />
daß ich oft im stillen weine. — Der einzige Freund und Tröster ist<br />
alsdann Wegner mit dem ich täglich zusammen bin und des Abends<br />
abwechselnd entwe<strong>der</strong> bei Hennies, Weinreichs o<strong>der</strong> den alten<br />
Homanns gehe. Vorgestern waren wir bei Homanns zum Abendbrodte<br />
auf einen Kälberbraten gebeten, wie uns <strong>der</strong> geschmeckt hat, kannst Du<br />
denken, da wir schon seit 8 Wochen kein frisches Fleisch mehr gehabt<br />
haben, es waren Kalows und Weinreichs da, und wir waren nach<br />
Möglichkeit vergnügt. — Ich weiß nicht, ob Dn schon das Unglück von<br />
<strong>der</strong> Wertmeistern gehört hast, verzeihe mir wenn ich ganz kurz dannt<br />
herausplatze, denn ich habe nicht mehr viel Zeit zum schreiben, genug<br />
ihr Mann badet sich vor acht Tagen, wird bald darauf krank und ist<br />
in Zeit von 4 Tagen todt. — In welcher unglücklichen Lage die arme<br />
Wittwe zurück bleibt kannst Du denken. — Suche es Muttern mit<br />
möglichster Schonung zu sagen. Wegner alle, alle lassen herzlich grüßen.<br />
Liebe Auguste eine größere Frende könnt ich jetzt nicht haben, als wenn<br />
ich einen Brief von euch Lieben erhielt.<br />
Lebe wohl und bleib gesund, grüß den guten Julius von Deinem<br />
Dich liebenden Bru<strong>der</strong> Carl.
Stettin im eisernen Iabr. . 2l)l<br />
Der Uemoiseüs Auguste Meister Wohlgeboren<br />
Einzig geliebte Schwester!<br />
in Paiewalt.<br />
Stettin d. 14. Oktober 15N3.<br />
Unter den 7. d. W. sandte ich euch durch die gütige Besorgung<br />
<strong>der</strong> Madame Kruse eine kleine Kiste mit Kleidungsstücke für deu<br />
heranuaheuden Wiuter nebst einen Brief an Muttern, ohne Zweifel habt<br />
Ihr diese Sachen trotz <strong>der</strong> jetzigen uaßen Witterung ohue Schaden<br />
erhalten, deun Bell ma nu, welcher die Kiste emballirt hat, versichert mir<br />
ja sie 3 fach in Wachsleiuwand eingeschlagen zu habeu; wie erwüuscht Euch<br />
übrigens diese Sachen kommen werden, kann ich mir deuken uud ich habe<br />
mir schou im voraus darauf gefreut, wie Ihr rieben nur beym Empfaug<br />
<strong>der</strong>selben in Gebauten tüßen werdet. Herr Droysen <strong>der</strong> Morgeu mit<br />
seiner Frau Stettiu verläßt, und uach Iasuitz reist, ist so gut diese»<br />
Brief mit zu nehmeu, ich habe ihm oi Schaustücke mitgegebeu, welche<br />
Ihr im Fall <strong>der</strong> Noth verkaufen köunt, denn obgleich ich wohl glaubeu<br />
sollte, daß Navelli) Euch mit dem uöthigeu Gelde versorgt, so köullte<br />
es bey so außerordentlichen Zeitumständen doch wohl seiu, daß es ihm<br />
mituuter selbst an Caste fehlte, geru würde ich euch baares Geld geschickt<br />
haben, wenn es I teus erlaubt wäre dasselbe heraus zu schicke« u. 2teus<br />
wenn ich selbst hier etwas übrig hätte. Damals als ich diese Stücke<br />
einwechselte, ahndete ich wohl nicht, daß sie auf solche Weise aus meinen<br />
Händen kommen würden. Es sind Aerley Sorten<br />
für N gab ich pro Stück Mdw<br />
ä ., .. .. .. N(5hd<br />
3 NCdw. -<br />
Wie ich jetzt übrigens hier lebe, wirst Du wohl aus Mutterus Briefe<br />
ersehen haben, gestern Abend aß ich mit W. u. Ä. ein geschmortes<br />
Pferdefleisch welches uns ganz delicat schmeckte, nur schade daß wir kein<br />
Apfelmuß o<strong>der</strong> auch nur Kartoffeln') zu hatten, denu <strong>der</strong> Geschmack<br />
<strong>der</strong>selben ist mir jetzt schon so unbekannt, daß ich glauben werde Nudding<br />
zu essen, wenn sie das erste Mal wie<strong>der</strong> auf unsern Tisch kommen<br />
werden. Seit einiger Zeit hat sich hier ein Victualien Händler etablirt,<br />
<strong>der</strong> sehr große Geschäfte macht, doch fehlt es ihm im gauzen noch an<br />
l) Geschäftsfreund in Berlin, früher in Meisters Handlung.<br />
') cl. G. Lenz, Ein Flühlingsleben, p. 4^ „Die schwere Belagerung Stettins<br />
in <strong>der</strong> Franzosenzeit hielt mein alter Vater l Pastor an St. Peter und Paul! mit<br />
mir und Schwester Adolphinen dei seiner Gemeinde treulich und snvchtlos aus"...<br />
p. 60 „Die Lebensmittel wurden bald sehr sparsam, theuer und schlecht. Wir aßen<br />
verschimmeltes Brot und Pferdefleisch, meine Schwester backte Eierkuchen ohne<br />
Eier. Die Franzosen drangen Abends in die Häuser und marodirten ...
Stettin im eisernen Int,r<br />
Connection, er hat also seit einigen Tagen Preiß-Courante angefertigt,<br />
wovon er uns auch mehrere zusandte um ihn außerhalb .zu recomman-<br />
diren, einliegend schicke ich Dir einen, vielleicht tonntest Du draußen<br />
einige Geschäfte machen und alsdann hat mir dieser Ehrenmann V< pro<br />
Mille Provision versprochen, zn gleicher Zeit lernst Du bei dieser<br />
Gelegenheit die jetzigen Preise <strong>der</strong> Lebensmittel kennen, übrigens mußt<br />
Du Dir nicht über die Firma dieses Hanfes wnn<strong>der</strong>n, denn sie klingt<br />
ein wenig son<strong>der</strong>bar, wahrscheinlich walten sehr wichtige Gründe hierzu<br />
ob, worüber wir vielleicht für die Folge Aufschluß erhalten. —<br />
Habt Ihr gar keine Nachricht von Heinrich? O, Gott! es<br />
vergeht jetzt keine Stunde in <strong>der</strong> ich nicht an ihn dächte, jeden Abend,<br />
wenn ich mir in mein Bette lege, denke ich an ihn auf welcher nahen<br />
Erde er sich jetzt vielleicht herumtreibt und seinen Hnnger nicht einmal<br />
in Brod stillen kaun, stelle ich mir dies alles recht lebhaft vor, so<br />
möchte ich öfter vor Schahm nnd Mißmuth in die Erde versinken, daß<br />
ich, während dem er dort sein ^eben preisgiebt, zu Hause sitze, und ihm<br />
seinem Schicksal überlaße, anstatt ihm beyznstehn, wären die Pflichten,<br />
welche mir hiervon zurückhalten, nicht zn heilig, ich würde längst meinen<br />
Wünschen gefolgt sein nnd ebenfalls die Waffen zur Nettung des Vater-<br />
landes ergriffen haben, doch so darf ich nicht fort, ich mnß hier bleiben<br />
nnd ruhig zusehen, so schwehr es mir anch wird. Vergangenen Montag<br />
wurden wir einmal durch ciueu ziemlich starken Kanonendonner geweckt,<br />
ich hörte dies ruhig eine Stunde ins Bette mit an als gegen 7 Uhr<br />
mit einem Mal Feuer gerufen wnrde, nicht 5) sMinnten) dauerte es<br />
so war ich augezogeu nnd lief nach <strong>der</strong> Oberstadt wo das Feuer sein<br />
sollte, jetzt sah ich erst in welcher Gefahr ich auf meiner Stube geschwebt<br />
hatte, denn nach allen Nichtnngen hin flogen in <strong>der</strong> Stadt Granaten,<br />
uud lninirten Dächer und Stnben, <strong>der</strong> Fcuerlärm war blind, und ich<br />
war daher auf dem Wege uach Hause zu gehen als auf einmal gerade<br />
über mich eine Granate platzte und die Stücke <strong>der</strong>selben nicht 8 Schritte<br />
von mir in ein Hans stintzten, nun machte ich daß ich zu Hause kam.<br />
bei<strong>der</strong> war unsere Frende nicht von langer Daner denn gegen 9 Uhr<br />
war alles wie<strong>der</strong> stille.<br />
In <strong>der</strong> Stadt selbst sind gewiß über 100 Granaten mit Inbegriff<br />
<strong>der</strong> Kugeln, die von <strong>der</strong> Wasserseite kamen, hereingefallen. Alles läßt<br />
grüßen. Dem Dich liebeu<strong>der</strong> Bru<strong>der</strong> Carl.<br />
Der Schluß meines Briefes ist eiu wenig sehr bündig, woran<br />
das Vicht Schuld hatte, das soebeu ausgegangen war. Gestern habe<br />
ich wie<strong>der</strong> die Nonde nach sämmtlichen Kellern gemacht, in den unsere<br />
Sachen stehen, und Gott sei Dank noch alles trocken nnd gnt vor-<br />
gefunden. Solllest Dn an Navcn^s schreiben, so grüße doch recht
Stettin im eisernen Jahr.<br />
herzlich von mir. Es ist doch son<strong>der</strong>bar, das; ich gar keinen Nricf voll<br />
euch erhalte, da doch an<strong>der</strong>e regelmäßig Nachricht von den Ihriqen haben.<br />
Der Demorsile Auguste Meister<br />
in Pascwall.<br />
Nebst 2 K. . . .<br />
Stettin den 2l. Oktober Itt!.'!.<br />
Geliebteste Schwester,<br />
Wie froh und vergnügt bin ich, endlich einmal wie<strong>der</strong> Nachricht<br />
von Euch sieben zu habeu. denn schon Wochenlang wurde ich von den<br />
bängsten Besorgnissen um Euch gequält, indem beinahe je<strong>der</strong> meiner<br />
Bekannten Nachricht voll den Seinigen erhielt, und ich scholl wie<strong>der</strong> seit<br />
2 Monaten keine Sylbe von Ench erfahren hatte, so groß übrigens<br />
meine Freude auch ist, von Euer allerseitigem Wohlbefinden in Pasewalk<br />
benachrichtigt zu sein, so kann ich doch nicht läugnen, daß mir uuter<br />
jetzigen Umständen dieselbe Versicherung in Betreff unseres lieben<br />
Heinrichs noch mehr Freude machte, denn welchen Strapazcu und<br />
Gefahren ist er nicht unaufhörlich ausgesetzt gewesen uud uoch immer<br />
ausgesetzt? Manchmal wenn mir Mißmuth und üble Gaulle übermannen,<br />
kann nur <strong>der</strong> Gedanke an ihn und au den Mühseligkeiten<br />
welche er zu bekämpfen hat, mir wie<strong>der</strong> ins Gleichgewicht zurückbringe«,<br />
da obgleich ich jetzt so vieles entbehren muß, doch manche Bequemlichkeiten<br />
genießen kann, worauf er als Soldat gänzlich verzicht thun muh. —<br />
Deinen lieben Brief vom 14. d. erhielt ich am vergangenen Soutag,<br />
das einzige was ich an demselben auszusetzen habe ist, daß er sehr kurz<br />
ist, mich dünkt ein bischen ausführlicher hättest Du wohl schreiben<br />
können, wenigstens von dem was Heinrich betrifft, hättest Du wohl<br />
schreiben können; seit wann er geschrieben hat, wo er nach seinem letzten<br />
Briefe stand, welche Schlachten er beigewohnt hat, alles dies möchte ich<br />
gar zu gern wissen. Sollte Herr Brumm in Iasnitz nicht so gut<br />
sein, Deine Briefe zu beför<strong>der</strong>n? Herr Loewer Hierselbst hat wöchentlich<br />
Nachricht von ihm. Wäre dies <strong>der</strong> Fall so erfülle doch ja meine Bitte<br />
und benachrichtige mir von allem, was mir nur einigermaßen interessieren<br />
könnte, recht ausführlich, denn Du glaubst nicht, welche Freude<br />
dies für einen ist, <strong>der</strong> so zu sagen von <strong>der</strong> übrigen Welt ganz abgeschnitten<br />
lebt. — Die mit meinem Jüngsten vom 15. d. durch Herrn<br />
Droysen gesandten 2s) Schaustücke werden doch wahrscheinlich, so wie<br />
auch eingelegter Preiß - Courant ^) von Herren ^aus angel
Stettin ini eisernen Iabr.<br />
schon in Euren Händen sein, solltest Dn schon nack demselben einige<br />
Geschäfte abgeschlossen haben so würde es mir leid thun, denn wenigstens<br />
sind sämmtliche Preise seit jenem Tage schon wie<strong>der</strong> um lOO"/ gestiegen;<br />
Madame Ackermann ist, wie man jetzt weiß, ein Haupt-Mitglied dieser<br />
sich zum Wohl <strong>der</strong> armen Ttettiner vereinigten Gesellschaft. — Vor<br />
einigen Tagen habe ich einen genallen Etat unserer noch vorhandenen<br />
Lebensmittel aufgenommen und nach demselben berechnet, daß wir noch<br />
N ,j ^ Tage zu leben haben; was nns bei dieser traurigen Zeit sehr<br />
zu statten kommt ist die Kuh welche wir schou seit 2 Monaten von<br />
unsern Officieren im Hause haben; diese giebt alle Tage 3 Quart gute<br />
Milch von <strong>der</strong> wir zugleich wöcheutlich I V2 Pfd. Vutter genießen. Dles<br />
wird euch ja wohl hiureichend zur Beruhigung dienen, daß wir fürs<br />
erste noch nicht verhungern, freilich ist da die Kost ein wenig schmahler<br />
eingerichtet als sonst, indeß das schadet nichts, die Zeiten sind anch sehr<br />
schmahl, und nach diesen muß mau sich immer etwas richten. Des<br />
Morgens trinke ich meine Tasse bittern Caffee ^gehörig mit Roggen<br />
verseht) und mein Stück trocken Brodt dazu, mit dem größten Appetit<br />
und bedaure nur immer deu armen Heinrich dabey, <strong>der</strong> es vielleicht<br />
noch lange nicht so gut hat. —<br />
den 23. October 18! 3.<br />
Vorgestern glaubte ich die niedliche Veför<strong>der</strong>inn dieses Briefes<br />
würde uns sogleich verlassen, und nnn reist sie erst heute ab, ich habe<br />
ihr gebeteu eine Kleinigkeit an Ench mitznnehmen und sie hat es mir<br />
auch versprochen, ohne zu wissen, was es ist; es sind nemlich ein paar<br />
herzlich Küsse an Dir und Muttern, welche Du von ihr zu for<strong>der</strong>n hast,<br />
und die ich ihr auch noch heute geben werde. — Welche unaussprechliche<br />
Freude habeu wir seit eiuigeu Tagen hier gehabt? Alles, Alles<br />
ist seinem Ende nahe. — — —<br />
Früher gingen Wegner u. ich öfters zu Labs'ens, doch da wir<br />
einige mal das malheur hatten den bei ihnen logirenden Kriegs Commißair<br />
zu treffen, sind wir sehr lange Zeit nicht da gewesen, so daß ich<br />
von Lottchen weiter nichts zu sagen weiß, als daß sie noch lebt.<br />
Hennies'sens und Hoffmanns sowie auch Madame Otto, <strong>der</strong><br />
ihre Mutter vor einiger Zeit gestorben ist, sind alle wohl, bis auf<br />
Louise H.— welche lange Zeit recht krank gewesen ist, indem sie einen<br />
ähnlichen Zufall hatte als Du im Frühjahr 181^. Sämmtliche sowie<br />
auch W. und unser ganzes Haus-Personal laßen Allen, Allen recht<br />
herzlich grüßen. Von mir an Allen ein Dito. Dein Dich herzlich<br />
lieben<strong>der</strong> Bru<strong>der</strong> Carl Wilhelm.
Stettin im eisernen Jahr<br />
Frie<strong>der</strong>ike Vihschkiz.<br />
Erinnerung aus meinem Z'eben i. I. 18!3.<br />
Das an ausgezeichneten Begebenheiten für die Preußische Monarchie<br />
so reiche Jahr 1813 war es nicht min<strong>der</strong> für die blokirtc Festnng<br />
Stettin. Mein Gatte <strong>der</strong> Kaufmann nnd Stadt-Nath Pihschky. ich,<br />
nnd 2 kleine Knaben haben die Stadt nicht verlaßen, nnd alle Plagen<br />
und Bedrängnihe erlebt, die im (befolge solcher Ereignitze stattfinden.<br />
Seit <strong>der</strong> Rückkehr <strong>der</strong> Franzosen ans dem eisigen Nußland, waren<br />
wir mit Einquartierung überhänft, nnd so drückend diese Last anch war,<br />
so sprach das Mitgefühl doch unsere Hertzen an, bei dem Anblick <strong>der</strong><br />
unglücklichen verkrüppelten Indimonen, nnd wir leisteten mehr als die<br />
Pflicht for<strong>der</strong>te.<br />
Das Ankommen und Fortgehen dieser Unglücklichen dauerte, bis<br />
Preußische Truppen die Stadt umgabeu. Jedes Herz <strong>der</strong> Einwohner<br />
frohlockte die geliebten, so lange ersehnten ^andsleute sich so nahe zn<br />
wissen; nnd man schlief fast keine Nacht ruhig, iu Erwartung daß die<br />
Preußeu die Stadt angreifeu würden, nnd wir machten im Geiste<br />
Entwürfe, wie wir Ihnen zu Hülfe kommen wollten. Es blieb jedoch<br />
alles stille, weil, wie wir später erfuhren, die Zahl <strong>der</strong> Preußischen<br />
Truppen nicht groß genug war ein solches Unternehmen mit lhlück<br />
auszuführen.<br />
Die Franzosen benutzten die Zeit wo die Ahnung ihrer bedenklichen<br />
Lage sich Ihnen anfdrang um ans den umliegenden Dörfern alles<br />
Schlachtvieh fortnehmen, und in die Stadt eintreiben zu laßen, bis die<br />
Preußen sie endlich daran hin<strong>der</strong>ten.<br />
M,t stillem Bangen, sahen wir die Franzosen alle Vorkehrungen<br />
znr Vertheidigung machen nnd Thor und Wälle mit einem Wald von<br />
Pallisaden umgeben, wozu Ihueu die reich versorgten Holtz-Höfe <strong>der</strong><br />
Kaufleute das Holtz lieferten. Wir mußten leute zur Arbeit liefern, und<br />
wer nicht gntwillig kam, wnrde mit Gensd'armes geholt.<br />
Am 2tt. Märtz früh 5 Uhr, trat ein französischer Sergeant in<br />
nnser Schlafzimmer, for<strong>der</strong>te im Namen des (Gouverneurs, General<br />
Dnfrese meinen Mann anf ihn zn selbigem zu begleiten, und ließ lhm<br />
kaum soviel Zeit sich anzukleiden. Überrascht von Angst uud Schreck<br />
blieb mir nur soviel Besinnnng, einen Commis unserer Handlung<br />
nachzusenden, <strong>der</strong> mir denn die Nachricht brachte, daß meiu Mann nebst<br />
12 <strong>der</strong> angesehensten hiesigen Einwohner aus dem Berliner Thor znm<br />
Fort Preußen geführt worden ware.<br />
Wir Franen erbaten uns vom Gouverneur die Erlaubnis unsere<br />
Mänuer besuchen zu dürfen; was nns ohne Schwierigkeit bewilligt ward.
Stettin im eisernen Jahr.<br />
begleitet mit <strong>der</strong> Anzeige: daß selbige augenblicklich frei wären, so bald<br />
die Stadt die vom Gonvernenr gefor<strong>der</strong>te Contributiou von 3MX)s) Nthlr.<br />
gezahlt hätte. Der Magistrat hatte, nach vielem Stränden, dieselbe<br />
endlich bewilligt, nnd nnsere Männer wnrden am ^. April ihres Arrestes<br />
entledigt.<br />
Am Morgen dieses Tages hatte man mehrere Hänser am entferntesten<br />
Ende <strong>der</strong> Oberwieck in aller frühe angezündet, nnd die unglücklichen<br />
Bewohner <strong>der</strong>selben hatten kanm so viel Zeit gehabt, das nackte ^eben<br />
zu retten. Als wir Fraueu lm Gefühl <strong>der</strong> Freude nnsere Ä^änner aus<br />
dem Fort abholten, lagen viele dieser Unglücklichen mit Ihren vor Frost<br />
nnd Hunger weinenden Kin<strong>der</strong>n am äußern Thor, und flehten eingelassen<br />
zu werden, da sie durch das Abbrennen Ihrer Hänier nun ohne Obdach<br />
wären. — Umsonst! — Man schloß hinter uns die Thore, und die<br />
Unglücklichen blieben lallt jammernd zurück! — Mein Hertz war zerrißen<br />
von dem Anblick! und ich beschloß, im Dankgefühl für deu mir wie<strong>der</strong>gegebenen<br />
Gatten, mich <strong>der</strong> Armen anzunehmen.<br />
Ich schrieb am an<strong>der</strong>n Morgen am Gouverneur, und schil<strong>der</strong>te<br />
ihm die ^age <strong>der</strong> durch seiuen Befehl zur Abbreunung <strong>der</strong> Häuser<br />
unglücklich gewordenen Vorstädter und erbat mir einen Pah, um diese<br />
Bedauernswürdigen Hülfe zu bringen.<br />
Die hier beigefugte Antwort Nr. I nebst Paß für meiue Person,<br />
und 25 Kronen Thaler, ward mir am an<strong>der</strong>n Morgen durch deßcn<br />
Adjudanten überciguet.<br />
Ich eilte auf Flügelu <strong>der</strong> Freude aus dem Thore, ich breitete meine<br />
Arme dem Himmel dankend entgegen, daß er meinen Wunsch gelingen<br />
ließe mich Hülfe bringend den Unglücklichen nahen zu können! Ich<br />
ergözte mich kindlich au dem Klange des Geldes womit ich sie zu<br />
erfreuen dachte; und nahete mich dem äußereu Ende <strong>der</strong> Vorstadt ohne<br />
einen Menschen zu finden. Nur rauchende Trümmer leer stehende<br />
Häuser fand ich, die Armen waren durchs Preußische Lager gegangen.<br />
Weinende Stimmen unter dem Dach eines Hauses zogen mich an,<br />
ich kletterte hinanf. — Welch ein Anblick?! — 3 kleine Kin<strong>der</strong>, von<br />
Krankheit ausgezehrt, dürftig mit alter Kleidung bedeckt, jammern für<br />
Hunger auf einem Strohlager nach Arodt. — Da stand ich. — Arm<br />
mit allem Gelde! ich hätte die Welt für ein Stückchen Brodi gegeben<br />
um diese Thränen zu trocknen! — Die Mutter kam jetzt, einige erbettelte<br />
Kartoffeln bringend; sie war die Frau eines sich bei <strong>der</strong> Armee befindenden<br />
Soldatcns, namens Ramlow, und sah in je<strong>der</strong> Stunde Ihrer<br />
Entbindung entgegen. Ich ging nun, eine gehoffte Freude ärmer! tief<br />
bewegt zur Stadt zurück! erbat mir von dem Oberbürgermeister<br />
Kir st ein die Erlaubmß, die Soldaten Frau Namlow mit ihren
Stettin im eisernen Jahr. 2s>7<br />
Kin<strong>der</strong>n ins hiesige Krankenhaus bringen zu dürfen; was nur augenblicklich<br />
gewährt wnrde.<br />
Am an<strong>der</strong>n Morgen eilte ich mit dem Frühesten hinans zur Vor-<br />
stadt, ließ die p. Namlow mit Ihren Kin<strong>der</strong>n in ein Boot tragen, u.<br />
brachte sie ans diesem damahls noch offenen Wege zum Kranken Hause ').<br />
Viel gute Frauen <strong>der</strong> Stadt gaben Klei<strong>der</strong> nnd Wäsche; und wir<br />
pflegten die, nach einigen Tagen entbundene Mutter, gemeinschaftlich.<br />
Mir ward beym Einschiffen <strong>der</strong> Kranken die Anzeige, daß in <strong>der</strong><br />
mittlere» Vorstadt, sich viele Kranke am damahls überall herrschenden<br />
^azareth Fieber befänden, <strong>der</strong>en ich mich erbarmen mochte. Ich schrieb<br />
daher am Gouverneur, entwarf eiue Schil<strong>der</strong>ung des Gehörten, und<br />
bat, seine Güte dadnrch zu erhöben, das; er nur die Begleitung einer<br />
Gesellschafterinn nnd einen mich begleitenden Domestiqnen bewillige. Der<br />
Paß ward mir sogleich ausgefertigt.<br />
Tages darauf ließ ich durch meiucu Domcstiqneu einige Lebensmittel<br />
mit hiuausnehmeu. Es erwarteten mich schon Mehrere nm meiner<br />
Fürsorge ihre Kranken zu empfehlen, beson<strong>der</strong>s bat mich eine alte kranke<br />
Frau aufs rührendste, mich ihres Sohnes, des Kahnschiffcrs Voigt, und<br />
deßen Familie anzuuehmcu, die in <strong>der</strong> nebensteheudeu Hütte todt krank<br />
am Nerven-Fieber lägen. So lange es ihre Kräfte erlaubt, hätte sie<br />
für fic gesorgt, nuu aber erliege sie selbst, uud habe mit Mühe den<br />
Armen noch einige Eymer Wasser in die Thüre gesetzt, da niemand, aus<br />
Furcht vor Ansteckung es übernehmen wollen.<br />
Ich ging. — Wie sott ich aber den Herzzerreißenden Jammer<br />
schil<strong>der</strong>n, <strong>der</strong> sich mir darbot? — Eine znm Gerippe dnrch Krankheit<br />
entstellte Frau lag iu einem Vette, em jammerndes Kind in <strong>der</strong> Wiege<br />
vor demselben. 3 Knaben iu einem Vette zu ihren Füßen; ein größeres<br />
Mädchen auf Stroh an <strong>der</strong> Crde, — nnd hinter <strong>der</strong> Thür eiue männliche<br />
Gestall durch Krankheit und laugem Varte ein Aublick des Schreckens.<br />
Mein Hertz war vou Wehmuth ergriffe», ich eilte Fenster uud Thüre<br />
zu lüften, ließ Etwas Warmes bereiten, fütterte die Kin<strong>der</strong>, welche ein<br />
um das an<strong>der</strong>e mir den Löffel entrißen, gab den beiden Eltern vorsichtig<br />
zn eßen, uud versprach sie morgen alle zur Stadt zu holen uud im<br />
Krankenhause zur Pflege unterzubringen.<br />
Mit Himmels Gefühlen ging ich znr Stadt zurück! O ich war<br />
so seelig, so hochbeglückt! Es hatten die dankbaren gerührten Micke <strong>der</strong><br />
Mutter auf mich geruht, als ich ihre Kin<strong>der</strong> gesättigt! Die welke Hand<br />
hatte die meine gedrückt, als ich versprach sie morgen in beßere Pflege<br />
zu bringen!<br />
Aus <strong>der</strong> Lastadie, Wallstraße.
Stettin im eisernen Jahr.<br />
Der Oberbürqcrm. H. Kirstein bewilligte mir gerne die Erlaubniß<br />
auch diese Familie ins Krankenhaus zu bringen, nnd so brachte ich sie<br />
in 2 Kähnen, gnt in Betten gepackt alle ins Krankenhaus, wo sie sämmtlich<br />
nach längerer Zeit ganz hergestellt mit <strong>der</strong> Familie Gramlow') auswan<strong>der</strong>ten.<br />
Die gan^e Anzahl <strong>der</strong> Kranken welche ich in <strong>der</strong> Vorstadt nach<br />
und nach vorfand, machte es mir unmöglich sie zur Stadt zu bringen,<br />
da die Ungewißheit <strong>der</strong> Dauer <strong>der</strong> blokadc nicht voraussehen ließ, ob<br />
das Krankenhaus am Ende nicht einen Mangel an Lebensmittel zu<br />
befürchten hatte. Dies ließ es mir wünschens Werth erscheine« einen<br />
Arzt mit hinans nehmen zu dürfen.<br />
Ich schrieb aufs neue an den Gouverneur, schil<strong>der</strong>te ihm die<br />
traurige ?age <strong>der</strong> Hülfe Bedürftigen, die nicht durch die Thore <strong>der</strong><br />
Ttadt, noch durchs ^ager dürften, nm sich einen Ar^t zu verschaffen.<br />
Ein Adjudant brachte mir sogleich einen Paß für einen Arzt, und <strong>der</strong><br />
Aßessor Droß unterzog sich <strong>der</strong> Bemühung mich täglich zur Vorstadt<br />
zu begleiten, die Stadt bewilligte freie Medizin, und so wurden fast alle<br />
bei besserer Pflege und Stärkung durch Wein und gesnn<strong>der</strong> Speise,<br />
womit ich sie versorgte, nach uud nach wie<strong>der</strong> hergestellt.<br />
Am Morgen des 23. Avril war ich mit <strong>der</strong> Gattin des Ober-<br />
Bürgerm. H. Kirstein znr Vorstadt sehr früh hinausgegangen, um<br />
einer todt kranken Frau Medizin zu bringen, und geriethen dabei in<br />
Gebens Gefahr. Es hatteu nemlich Prenßische Schützen sich Nachts in<br />
die das fort Preußen umgebeudeu Obst-Gärten versteckt, und unter dem<br />
Schutze <strong>der</strong> Bäume beim anbrechenden Morgeu die französischen<br />
Schildwachen auf den Wällen erschoßeu. Um dies zu verhin<strong>der</strong>n, war<br />
eiue Compagnie Soldaten an diesem Morgen abgesandt, die Bäume<br />
umzuhauen. — Die im nahen Dorfe Pommeränsdorff kantonircnden<br />
Preußen hatten von ihrem Cheff Ordre erhalten, und rückten nun, des<br />
terrains unkundig, die große Straße hcranf uns entgegen, eine Batterie<br />
am äußersten Schnecken Thor beschoß diese mit Granaten. Die Dächer<br />
beschädigend fielen sie um uns her; Wir aber durch den so lange<br />
entbehrten Anblick unserer lieben Landsleute so über alle Beschreibung<br />
erftent, vergaßen die uns drohende Gefahr, und eilten immer vorwärts<br />
Ihnen entgegen, und als mehrere aus <strong>der</strong> Stadt gesandte französische<br />
Soldaten die geringere Zahl <strong>der</strong> sich in den Bergschluchteu nicht durchfindenden<br />
Preußen zurückdrängten, plün<strong>der</strong>ten sie wo sie etwas fanden.<br />
Wir hatten uus in eins <strong>der</strong> ledigstehenden Häuser geflüchtet, und<br />
Erwarteten nut Herhklopfen das Ende des Gefechts. Nach mehreren
Stettin im eisernen Jahr.<br />
Stnnden hatte das Schießen aufgehört, und wir wagten uus hervor.<br />
Das Wehklagen <strong>der</strong> Armen, ihrer Vcbcnsmittel bcrallbten v)icnschen,<br />
sowie das <strong>der</strong> Familie Nnckfort, <strong>der</strong>en Fanlilien Hanpt indeß ersäwßen<br />
war, daß wir nns iil <strong>der</strong> Hütte verborgen hatten, den wir noch knrtz<br />
vorher den Preußischen Soldaten Branntwein nnd Lebensmittel hatten<br />
austheilen sehen, ergriff uns mächtig.<br />
Kaum in die Stadt zurückgekehrt, entwarf ich dem Gonvernenr eine<br />
Schil<strong>der</strong>ung, bat um die Erlaubnis;, Lebensmittel Hinansschaffen zu<br />
dürfen, nm den beranbten einen Ersah zu geben für die, dnrch seine<br />
Soldaten geübte Plün<strong>der</strong>ung. Das beigelegte Schreiben Nr. 2 erhielt<br />
ich znr Antwort. Der Mangel an Lebensmitteln ward nach diesem<br />
Porfall den Bewohnern <strong>der</strong> Vorstadt immer drücken<strong>der</strong>, mit Ausnahme<br />
<strong>der</strong> Branntweinbrenner Schreiber, Rückfort nnd Stol ten burg,<br />
welche zum Preußischen Vager hiu und zurückgehen dnrfteu, dahingegen<br />
die übrigen Bewohner nnr inner beson<strong>der</strong>er Begünstigung znr Stadt<br />
kamen, anch dnrcks Prenßische ^ager wohl hindnrch, aber nicht zurück durfteu.<br />
Um dem Hiaugel zu begegnen beredete lch mich mtt dem Polizey<br />
Direktor H. Stolle, die Erdtoffeln ausgraben zn lasten, welche von den<br />
Geflüchteten Abgebranten in <strong>der</strong> Erde znrückgelaßen waren. Sie<br />
wurden dem noch lebeudeu (wärmer ssieck übergeben, <strong>der</strong> sie für einen<br />
mäßlgeu Preis den Vorstädtern verkanste, nud nach Elöffnnllg <strong>der</strong> Stadt<br />
empfingen die Eigenthümer das geloste Geld znr gemenn'chaftlichen<br />
Theilnng.<br />
Am ?. May ersuchte ich deu i^ouvernenr llm die Erlanbniß den<br />
Prediger Schnltz von <strong>der</strong> St. Iacobi Kirche nm znr Borstadt nehmen<br />
zu dürfen, um mehreren schwer Krallken den io Hein ersehnten Gennß<br />
des heiligen Abendmahls zu verschaffeu, uud 3 Kin<strong>der</strong> zn tanren. Die<br />
beigefügte Antwort des Gouverneurs Nr. 3 bezeugt die Bewilligung,<br />
auch übergab mir <strong>der</strong> Adjutant 30 Kronen Thaler znr Verwenduug für<br />
Unglückliche.<br />
Ich hatte im Laufe <strong>der</strong> Zeit unausgesetzt mich <strong>der</strong> Fürsorge <strong>der</strong><br />
Kranken unterzogen. Hatte die entfernt wohnenden, in die <strong>der</strong> Stadt<br />
näher liegenden Hänser tragen lassen, tranken Müttern die Säuglinge<br />
genommen, damit sie schneller gesnndeten, nnd diese gesnnden Frauen<br />
zur Pflege übergeben. Wärterinnen bei den schwer Kranken angestellt,<br />
für beßere Kost gesorgt und den genesenden Wein und Erquickung gesandt,<br />
und die Todten beerdigen lanen. Bon dieser mir theuer gewordenen<br />
Beschäftigung lehrte ich m Begleitung einer (Gesellschafterin, und dem<br />
Arzt, eines Nachmittags zurück und finde eine große Allzahl Männer,<br />
Frauen und Kin<strong>der</strong> wehklagend vor dem Berliner Thor; auf mem<br />
Befragen erfahre ich, daß sie mit gültigen Päßen versehen ausgewan<strong>der</strong>t<br />
VaMsche Studien N ss XVU. ^
210 Stettin im eisernen Jahr.<br />
und von dem Preußischen blocade Corps zurückgewiesen, und auch nicht<br />
wie<strong>der</strong> in die Stadt aufgenommen werden sollten, daß sie ieit dem frühen<br />
Morgen ohne alle Nahrung wären und in <strong>der</strong> Hike für Durst fast<br />
verschmachteten.<br />
Mir schien hier ein Irrthum vorzuwalteu, da ich am Tage zuvor<br />
noch eine grone Menschen Menge hat'e durchs Preußische Vager wan<strong>der</strong>n<br />
sehen. Ich erbot mich also fie zum ^ager zu begleiten wenn sie mir<br />
folgen wollten? — Gab auf ihr „ja" mciucn Pah <strong>der</strong> mich degleitenden<br />
Dame uud dem Arzt, uud ging fröhlich mit meiucm Häufcheu zum Lager.<br />
Iu <strong>der</strong> Allee uuter dem Cosakeu Verge augckommeu, beredete ich<br />
einen <strong>der</strong> beiden Vorposten, <strong>der</strong> mir den Eingang zum ^ager verweigerte,<br />
den commandirendeu Officier zu mir her zu bitten; er ging, während<br />
eiu Cosack vom uaheu Berge seiue Stelle eiuuahm, und meine ermüdete<br />
Schar lagerte sich in baugcr Erwartuug uuser.<br />
Eiu Officier <strong>der</strong> sich Major vou Schuten ^) nannte kam mir<br />
entgegen, hörte freuudlich meine Bitte au, die Ausgewan<strong>der</strong>ten geneigt<br />
durchs ^agcr ziehen zu laßen, da sie durch das hiu uud herlaufen in<br />
<strong>der</strong> großen Hitze und das Tragen dcr Kin<strong>der</strong> bis zur
Stettin im eisernen Iatir. 211<br />
von <strong>der</strong> Schildwache, mir den wachthabenden Officier zn rnfen. Es<br />
tameu zwey. weil in <strong>der</strong> Nacht die Wachen verdoppelt wnrocn. Ich<br />
bat mich einzuladen. Sie bedauerten meinen Wnnsch nicht erfüllen zu<br />
lönnen, indem sich die Schlüncl beim Gouverneur befanden; doch erbot<br />
sich <strong>der</strong> eine mich zn Waßer dnrch die beiden nen eingerichteten barrieren,<br />
die „Bäume" genannt, zur Slaot zn bringen, was ich sogleich annahm,<br />
meine Begleiter zurück sandte, und dem mir ganz uubelanuteu Manuc<br />
mich vertraute, uud mit Sorgfalt von ihm über die letzte barriere<br />
geleitet im Vadcgartcn ^) ankam, nnd zur höchsten Frcnde <strong>der</strong> beängstigten<br />
Meinen in meinem Hanse anlangte.<br />
So spät es auch war ging ich dennoch zum Oberbürgermeister<br />
H. Kirstein, trng ihm die Vage <strong>der</strong> Unglücklichen Versperrten vor,<br />
erbat mir Brodt für selbige, von dem welches von den städtischen Behörden<br />
für das Krankenhaus gebacken wurde. Mit immer gleicher Güte bewilligte<br />
er theilnehmend mein Gesuch, und seine Gattin kochte mit mir gemein-<br />
schaftlich um die Armen mit warmer Svelse zu erqnicken.<br />
Am an<strong>der</strong>n Morgen ließ ich mich beim Gouverneur melden, trug<br />
ihm mit großer Herzlichkeit die Bitte vor, die sich vor befiudenden<br />
wie<strong>der</strong> in die Stadt anfznnehmcn. Er verweigerte es jedoch, nnd<br />
verwieß mich ans die Preußischen Behörden, welche thnen die Hin<strong>der</strong>niße<br />
in den Weg legten. Mit Aufrichtigkeit gestand ich uun, daß ich den<br />
Tag znvor bereits Versuche bei den Preußischen Behörden gemacht, nnd<br />
<strong>der</strong> Antwort entgegensähe. Da meinte er lächelnd, „das dürfe <strong>der</strong><br />
Gouverneur nicht wisten" — Wie ich aber von ihm etwas begehren<br />
könne, was <strong>der</strong> Preußische General seinen eigenen ^auoslenten verweigere?<br />
<strong>der</strong> ja mehr Pflichten gegen sie habe als er. Mir blieb mm nichts<br />
weiter übrig als um die Erlaubniß zu ersucheu, diese Geäugstigteu so<br />
lange zn speisen, bis sich hinsichtlich ihrer etwas entschieden hätte. Dies<br />
ward bewilligt; so ein zn diesem Aehnf bemanntes Boot mit 2 Arbeitern.<br />
Der Kaufmann Goldtammer dem ich die Sache mittheilte, stellte<br />
täglich eine Tonne Bier zn meiner dispositwn, bis die Armen dnrchs<br />
^ager würden gehen dürfen. Dnrch den Aufenthalt, den sämmtliche<br />
Besorgungen veranlaßten, war es Mittag geworden, als wir bei den<br />
Saltzspeichern autameu, wohiu ich die Ausgewau<strong>der</strong>ten beschicken hatte.<br />
Schon von ferne sah ich die mich Erwartenden, und als ich ans ^and<br />
stieg umfaßten sie meine Kniee, drückten mir die Hände, nannten mich<br />
ihren rettenden Engel.<br />
Ich war tief gerührt! uud vertheilte mit herzlicher Freude Suppe,<br />
Arodt uud Bier, gab auch Zettel um sich für deu Abend mit Kartoffeln<br />
l) Dieser muh auf <strong>der</strong> Lastadie, nahe dein heutigen Zimmerplatz gelegen<br />
haben; <strong>der</strong> Plan <strong>der</strong> Festung SleMu uon IUl6 verzeichnet dort „Vadehaus".<br />
14
212 Stettin im eisernen Jahr.<br />
zu sättigen, versprach sie täglich zn sättigen bis das Mißverständnis;<br />
gelöset, und sie frei dnrchs Preußische Vager gehen könnten. Sehr viele<br />
teilnehmende Frauen unterstützten mich großmüthig z. V. Frau Ober-<br />
bürgerm. Kir stein, die Frauen l^old tammer, Schmidt, st) raff,<br />
Schultz; <strong>der</strong> Magistrat gab täglich Vrodt, H. Oold tammer Bier,<br />
und so gelang es mir die ttl> Menschen 9 Tage zn erhalten, wo sie<br />
dann Ordre empfingen durchs ^'ager paßiren zu können.<br />
Eines Vorfalls will ich doch erwähnen, <strong>der</strong> in dieser Zeit in <strong>der</strong><br />
höchsten Verlegenheit hätte bringen können. Mehrere junge Männer,<br />
welche zur Preußischen Armee hatten gehen wollen, waren in diesem<br />
Vorhaben gehemmt, dnrch den Befehl des Generals von Taueuzieu,<br />
Niemand durchs ^ager zu laßen. Ein jnnger Mann, <strong>der</strong> Brn<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
Casino Winhin Godenschweg, war förmlich als Jäger eingekleidet,<br />
und glaubte, von diesem Umstände begünstiget, dennoch aufgenommen zn<br />
werden. Ich ließ mich auf seine Ville bewegen ihm als Bootsführer<br />
mitzunehmen: seine Büchse, Tschako, Tornister :c. ward in Säcke versteckt,<br />
uuter deu Vrodt Säcken verborgen, und so fuhren wir ab.<br />
Der wachthabende Officier des ersten O<strong>der</strong> Baumes visirte meinen<br />
Paß, und ließ nns paßircn; <strong>der</strong> zweite am äußern Banme, mißbilligte<br />
den Transport <strong>der</strong> Lebensmittel, verlangte die Znrücklaßung <strong>der</strong>selben,<br />
wenn ich znr Vorstadt fahren wollte; respectirte keine Vorstelluug noch<br />
den Paß, fondcrn bestand auf debarquirung <strong>der</strong> Eimer mit Snppe,<br />
Brodt :c. Jetzt galt es Eutschloßenheit! ich sprang muthig aus dem<br />
Kabn, empfahl dem Arzte nnd meiner Begleiterin sowie meinen Dome-<br />
stiquen dafür zu sorgen daß kein Stück im Boote angerührt würde, und<br />
erklärte dem Officier daß ich znm Gouverueur geheu würde; wohl<br />
30 Schritte ließ er mich gehen, dann liest er mir dnrch einen Nacheilenden<br />
sagen; ich möchte für heute nur fahren. Ich stieg nun wie<strong>der</strong> ins Boot,<br />
wo mein armer Verkleideter todtenbleich den Ausgang erwartete. Als<br />
wir am Saltzspeicher angekommen, kleidete er sich gleich in seiner<br />
Montiruug, und ging directe ms ^agcr.<br />
Einige Tage daranf fand lch in dem Bootes welches mich zur<br />
Vorstadt führen sollte, Vier Ru<strong>der</strong>er, statt <strong>der</strong> mir erlaubten Zwei.<br />
Auf meine Einwendung, daß die Überschreitung <strong>der</strong> Personen Zahl,<br />
welche mein Paß mir nnr mitzuuehmen erlaubte, mir Unannehmlichkeit<br />
verursachen köunte, baten sie so hertzlich, wenigstens den Versuch zu<br />
machen, daß ich nachgab.<br />
Die erste barriere ward ohne Schwierigkeit paßirt, an <strong>der</strong> zweiten<br />
angekommen, wollte <strong>der</strong> Offizier die viel größere Personen Zahl als <strong>der</strong><br />
') Es geholte <strong>der</strong> Witwe des Zimmermeisters Kümmerling.
Stelli« im eisernen Jahr.<br />
Paß bezeichnete nicht paßiren lasten; sprach von UnterNül'Nng junger<br />
^eute, nm il)nen den lie<strong>der</strong>gang zu den Preußen zu erleichtern, usw.<br />
und verzeichnete nach langer dedatte endlich die Personen Zahl <strong>der</strong> Hinalls'<br />
fahrenden, nm sie mit den rückkehrenden zn vergleichen, nnd so fuhren<br />
wir ab.<br />
Als ich alle Geschäfte <strong>der</strong> Lebensmittel Vertheilnng, nnd die<br />
Besuche <strong>der</strong> Kranken beseitigt batte, kehrte ich mit dem Arzte zurück zu<br />
unserm Boote; meine dort zurückgelasseue Begleiterinn, Madame<br />
Schmidt, meldete mir, daß noch keiner <strong>der</strong> Bootsleute dort sey. Meiue<br />
Angst wuchs da die Zeit <strong>der</strong> Rückkehr uahte und niemand sich sehen<br />
lieh, bis ich eudlich von den Vorstädtern ennhr, — sie wären sämmtlich<br />
zu den Prellsien übergegangen.<br />
Ich wage nicht meinen Schrecken zn beschreiben bei dem Gedanken<br />
an die Unannehmlichkeit in welcher mich diese Unbesonnenheit <strong>der</strong> juugen<br />
Leute verwickelu könnte. Nasch entschloß ich mich mit meiner Begleituug<br />
zu Fuh, dein Berliner Thor zuzneüen. Hu Schweiß aufgelöst langten<br />
wir noch gerade vor Thores Schluß an, Zu Hause angekommen nahm<br />
ich sogleich mit meinem (Natten Rücksprache, auf welche Art ich eiuer<br />
möglichen Unannehmlichkeit vorbengen könnte? uud es ward beschloßen,<br />
den Gouverueur hiervou in Keuutniß zu seveu, welches ich uoch denselben<br />
Abend mit aller Offenheit that.<br />
An<strong>der</strong>n Morgens wurde ich im Nameu des Gouvernenrs von<br />
deßen Adjudanten ersncht, mich zu selbigem zu bemühen. Gerne<br />
bekenne ich, daß ich voller Besorguiß meiuem Begleiter folgte. Der<br />
Gouvernenr war sehr ernst, bedauerte sich in mir geirt zu haben, daß<br />
<strong>der</strong> Offieier <strong>der</strong> Schnecken Wache ihm angezeigt, daß ich mit den<br />
Preußeu verkehre, ihnen junge Vente zuführe, uud sein Vertrauen schlecht<br />
belohne. — Im Gefühl memer Unschnld vertheidigte ich mich, berief<br />
mich auf das Zeugniß meiner Begleiter, <strong>der</strong> Viadame Schmidt und<br />
H. Aheßor Droh, so wie auf die Offenheit mit welcher ich gestern<br />
sogleich Anzeige von dem Vorfall gemacht. Er ward nuu sanfter nud<br />
von meiner Schuldlosigkeit überzeugt, empfahl mir Vorsicht, und ich kehrte<br />
vernügt zu den Meinen znrück, die mich mit Angst und Besorgmß<br />
schon erwartet hatten.<br />
Obgleich <strong>der</strong> Gouverneur schon im Februar aus deu umliegenden<br />
Dörfern das Vieh hatte nehmen und in die Stadt hatte eintreiben<br />
laßen, so hatten die Bewohner <strong>der</strong> Oberwieck doch ihr Vieh behalten.<br />
Ausgangs May ließ <strong>der</strong> General von Tauenzien in einer Hiacht<br />
sämmtliches Vieh aus <strong>der</strong> Wieck fort, und hinter dem Dorfe Pommc-<br />
ränsdorff treiben. Der französische Gouverneur reclamine dies Vieh,<br />
als ihm zugehörend, welches er längst in die Festung eiuzieheu können,
214 Stettin im eisernen Jahr.<br />
wenn er die Milch den armen Vorstädtern nicht zu ihrem Unterhalt<br />
hätte laßen wollen. Der General von Tauenzien verweigerte es;<br />
und mm dachte <strong>der</strong> Gouverneur die Vorstadt abbrennen zu laßen.<br />
In Todes Angst riefen die Bedroheten mich zur Hülfe auf. Noch<br />
einmal ging ich zum ^ager. Der brave Major von Schntter, den<br />
ich in Kenntniß von <strong>der</strong> Angst <strong>der</strong> Vorstädter setzte, und um die Besorgung<br />
eines Briefs an den General von Tauenzien bat, in welchem<br />
ich im Namen <strong>der</strong>selben nm Zurücksendung <strong>der</strong> Kühe bat, da ihre Häuser,<br />
ihr Habe und Gut sonst ein Nanb <strong>der</strong> Flammen würde, und <strong>der</strong> Werth<br />
von 60 Kiihe in keinem Verhältniß zu dem unermeßlichen Schaden<br />
stehen würde — anch erlaubte ich mich dem General zu bemerken, daß<br />
die Königl. Saltz Gebände bei dem bedrohten Brande in Gefahr kämen,<br />
und dem Könige ein nicht zu berechnen<strong>der</strong> Verlust hieraus erwachsen<br />
würde — ließ sogleich dem Adjudanten von Stülp nagel Eile<br />
empfehlend nach Curow reiteu um meinen Brief dem General von<br />
Tauenzien zu überreichen.<br />
Da <strong>der</strong> General nicht anwesend, son<strong>der</strong>n sich in Finkenwalde befand,<br />
versprach <strong>der</strong> menschenfreundliche Major von Schutter sich <strong>der</strong>, ihm<br />
mit aller Beredsamkeit eines vollen Hertzens Empfohlenen anzunehmen,<br />
und mir seine Antwort zum Saltz Inspector Knoblauch zu senden.<br />
Ohne Trost für die beängstigten Vorstädter kehrte ich zurück, und<br />
versprach ihre Bitten auch noch dem französischen Gouverneur vorzutragen;<br />
was ich nuch mit den eindringendsten Worten that und wenigstens<br />
um die Nichterfüllung <strong>der</strong> gemachten Androhung für die nächste<br />
Nacht bat, welche ich auch erhielt, jedoch zu spät, um die Beängstigten<br />
hiervon zu unterrichten.<br />
Am an<strong>der</strong>n Morgen fand ich sie, von Angst und Wachen erschöpft!<br />
zwar noch immer in banger Erwartung. Ich beruhigte sie, indem ich<br />
sie von <strong>der</strong> Billigkeit <strong>der</strong> Gesinnungen des Generals von Tanenzien<br />
alles hoffen ließ. Fand jedoch, als ich nach meinen Kranken Besuchen<br />
zum Saltz Speicher kam ein Schreiben des Major von Schntter an<br />
mich vor, in welchem er bedauerte mir anzeigen zn müßen, daß <strong>der</strong> Gen.<br />
v. T. die Kühe mcht zurücksenden wolle, doch den Vorstädtern erlaube,<br />
selbige täglich zu metten, zu welchem Zwecke er sie zu bestimmten<br />
Zeiten vor das ^ager führen laßen würde. Von Gen. v. T. lagen<br />
folgende Zeilen dem Briefe beigefügt:<br />
Madame<br />
Will <strong>der</strong> französische General Mordbrennerei üben — so möge er<br />
es; wir werden es zu rächen wißen. v. Tauenzien.<br />
Durch diese Rache nun hätte freilich we<strong>der</strong> <strong>der</strong> König für den<br />
Verlnst <strong>der</strong> Saltz Speicher noch die Einwohner für den Verlnst ihrer
Stettin im eisernen Jahr.<br />
Häuser Ersatz gehabt. Ich habe indeß Ursache zu glauben, daß mittelbare<br />
Unterhandlungen über diesen Gegenstand mit den franz. Behörden<br />
obwalteten, denn uack A Tagen war teine Rede mehr vom Abbrennen«<br />
Die Kranken gesundeten nach und nach und so tonnte ich es ohne<br />
großes Bedauern sehen, daß <strong>der</strong> General Grand eau, welcher im<br />
Anfange des Monats Iuny das Gouvernement übernahm, woran ihm<br />
bisher Krankheit verhin<strong>der</strong>t hatte, sich meinen Paß nut dem Bemerken<br />
zurück erbitten ließ: er könne io unternehmende Personen keinen Paß<br />
auvertrauen.<br />
Ich war also <strong>der</strong> meinem Hertzen so theuer gewordenen Beschäftigung<br />
<strong>der</strong> Kranken Pflege beranbt. Doch bot sich in <strong>der</strong> Stadt selbst sehr<br />
viele Gelegenheit dar, den Armen bei dem mehr und mehr eintretenden<br />
Mangel an Redens Mittel hülfreich zu seyn. Ich bildete mit 6 Frauen<br />
einen Verein um die 24 Bewohner des Hospitals zu St. Gertrnd durch<br />
tägliche Speisnng zn erhalten. Mehrere Alte und Krüppel, welche<br />
körperlich behin<strong>der</strong>t wnrden, die Stadt zu verlaßen, nahmen Theil daran.<br />
Die sparsam zu uns in <strong>der</strong> belagerten Feste eingehenden Zeitungen<br />
theilten uns das wi<strong>der</strong>rechtliche Verfahren <strong>der</strong> Franzosen gegen das<br />
Vützowsche Frey Corps mit, das so empören<strong>der</strong> Weise überfallen<br />
worden, uud den Anfruf des Dr. Saalfeld in Berlin, <strong>der</strong> zur<br />
Wie<strong>der</strong>equipirung des Corps die Hertzen aller Vaterlands Frennde<br />
auffor<strong>der</strong>te. Ich siegelte das schönste Teil meines Schmuttes. eine<br />
goldene Halskette mit einem orientalischen Granat und lleiueu Brillanten<br />
ein, und übergab den Branntweinbrenner Stoltenbnrg auf Obcrwieck<br />
solche mit folgendem Briefe znr Abgabe anf nächster Post an den<br />
Dr. Saal feld zu senden.<br />
P. P.<br />
Erlauben Ew. Wohlgebohren, in Ihren Händen den kl. Beweis<br />
von ^icbe für König nnd Vaterland, in bekommenden Halsschmuck<br />
nie<strong>der</strong>legen zu dürfeu, ich wünsche ihn zur ^quipiruug des v. ttihowjcheu<br />
Frey Corps verwaudt.<br />
Wir gaben dem Paterlande schon einen 17jährigen Sohn, als<br />
Freywilligen, im 2. Bataillon des 1. Pommerschen Infanterie Regiments,<br />
und gäben gerne auch die beiden letzten, wenn ihre Jugend es nicht<br />
verhin<strong>der</strong>te.<br />
Nur für Ew. Wohlgebohren sey mein Name genannt, <strong>der</strong> übrigen<br />
Welt bleibe er ein Geheimniß.<br />
Möchte die kleine, so herzliche Gabe von Ew. Wohlgebohreu gütig<br />
aufgenommen werden, und ein kleiner Beytrag zum großen Zwecke
216 Stettin im eisernen Jahr<br />
Das Einzige, was uns in <strong>der</strong> langen Dauer <strong>der</strong> Vlocade crfrente,<br />
waren die Nachrichten unsers 17jährigen Sohnes, welcher bei dem<br />
Aufrufe des geliebten Königs sich seiner Jugend unerachtet zum freywilligen<br />
Jäger Corps, attachirt am Regiment Colberg wandte, und lei<strong>der</strong> bei<br />
dem Sturm auf Arnheim am Fuße bleisirt <strong>der</strong> militärischen Carriere<br />
entsagen mußte! Vier Jahre nachher raubte ihn uns <strong>der</strong> Tod, als er<br />
im Geschäft des Vaters sich in l>cith befand, und wir hatten den<br />
Schmertz ihn in frem<strong>der</strong> Erde laßen zu müßen, da sein Hertz so innig<br />
an seinen geliebten König und Vaterland hing.<br />
Ich schließe hiermit die Begebenheiten des Jahres 1813 und bemerke<br />
nur noch, daß die Register des Fraueu Vereins die Beweise meiner<br />
Vaterlandsliebe in <strong>der</strong> Darbringung von Hemden, Socken, Charpie,<br />
deinen und Binden verzeichnet haben.<br />
Als <strong>der</strong> Friede alles wie<strong>der</strong> in ruhigen Geschäfts Gang gebracht,<br />
ward ich von den hiesigen Behörden ersucht, die Aufsicht auf die<br />
Marquardtsche Töchter Schule so wie auf die armen Schuleu zu<br />
übernehme«, uud späterhin ward ich ersucht, mich <strong>der</strong> Aufsicht des<br />
Waiseuhauses zu unterziehen, welcher Beschäftigung als meinem Hertzen<br />
zusagend ich mich noch fortwährend unterziehe.<br />
Frie<strong>der</strong>icke Pitzschky.<br />
Copia <strong>der</strong> Briefe des General Gouverneur Dufreße im Jahr<br />
an Mad. Pitzschty.<br />
Nr. 1.<br />
V0U8 n'äim58 NN6UX
Stettm im eisernen Iabr.<br />
.je snik, inetti mm lie molili l^g.n8 vo3 8oin3 pour eux, li'l^r<br />
P35 mn. fortune. äenui3 !ul'8<br />
et proteotion I0r8ssu'j!8 8ouN'lei,llt ui8, et ce c^ue je (!oi8. I^ermett^ moi l1ln»3 cette ('ire0N8tlmc;e,<br />
lie vou« ^roil^er o„ r»eu; ^e von8 ai onvert ma dmn^e<br />
s,0ur vs)8 ^2nvre8, et vm,8 n'/ n.ve« eneore rie^ prin, quii nie «oit<br />
permis 6e vou8 repre8enter, c^ue 1^ OomrmLion<br />
timicie, et oe que Vou8 n'^ure8 pk8 — moi ^je le i<br />
^oeur, et ßroßir V03 aum0n63.<br />
8i V0U8 voule8 ».voir la Konto l^e l^s>nner ^ mon<br />
äcireüe 6e8 äeux .jnrslimer8 ^'s)<strong>der</strong>^v ^<br />
nour eux un non nrakque pour 1e8 lie3oin8, 6e n>a !Vll-li»on, et ^e<br />
pourrai enoore !e8 ailler, en ^i. 8cnulx, nre6icateur 6e 1'L^Il3e de Kt. »lnqup«, auvre8 le3 Oon8o!^tion8 cle l'glne, nou8 ne nouvl)ll>> imu^<br />
ocouner que rs)5l.<br />
l^ame, .je 8M8 tou^ourZ nvec «cimirl^tion et r^onvotre<br />
numdle 5>erviteur.<br />
?. ^ l ^ . !.. i^. ^. O„frette.<br />
Amtliche Berichte.<br />
Unmittelbar nach <strong>der</strong> Aufhebung <strong>der</strong> Belagerung Stettins wurden<br />
amtliche Erhebungen über die Verdienst e einzelner Bürger<br />
angestellt. Darüber liegen Berichte vor z. B. von <strong>der</strong> Kgl. Preußischen<br />
Kommandantur an die Polizei-Deputation <strong>der</strong> Kgl. Preuß. Regierung<br />
von Pommern zu Stargard, vom 22. Januar l8!4.^)<br />
») Kgl Staatsarchiv Stettin, Akten <strong>der</strong> Kgl. Ressienmg Stettin, Abteilung I<br />
Tit. V, Vol. 2 (Ordens- und Hnadensachen).<br />
—
Stettin im eisernen Jahr.<br />
l. Negierungs Nath Bnchholz.<br />
Hat sich das Verdienst erworben, daß es dem Blockade Corvs<br />
niemals all <strong>der</strong> nöthigen Subsistenz, Holz, Fuhren usw. gemangelt, und<br />
dalici stets die möglichste Schonung <strong>der</strong> Provinz vor Anaen gehabt.<br />
Ferner hat sich <strong>der</strong>selbe bei <strong>der</strong> Übergabe von Stettin als ein geschickter<br />
und patriotischer (Geschäftsmann bewiesen.<br />
2. Der Bürgermeister Kir st e in.<br />
Hat sich dadurch verdient gemacht, daß er sich mehrmals den<br />
Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> französischen Behörden bei <strong>der</strong> Betreibung <strong>der</strong><br />
Neqnisttioncn wi<strong>der</strong>setzt, nnd auch selbst bei seinem deshalb erlittenen<br />
Arrest in Fortpreußen standhaft bei seiner Weigerung geblieben ist, wodurch<br />
<strong>der</strong> Stadt mehrere Bortheile gestiftet sind.<br />
3. Bürgermeister Neichhelm aus Damm.<br />
Hat sowohl dem Obriften von Rödlich als dem Unterschriebenen<br />
einen jeden vom Feinde projezierten Ausfall mit Lebensgefahr anzeigen<br />
lassen, sich gegen die Besahuug sehr determilliert bewiesen, die Bürgerschaft<br />
möglichst in Tänttz genommen und stehet deswegen bei <strong>der</strong>selben in<br />
allgemeiner Nchtnng.<br />
4. Criminal Nath Schmeling.<br />
Dessen Berdienfte sind sowohl dem hohen Militär-Gonverncmcnt<br />
als <strong>der</strong> Kgl. Negierung bekannt. Er ist sowohl dem Blockade Corps<br />
als <strong>der</strong> Bürgerschaft zu Stellili nützlich gewesen, hat die Hypothckcnbucher<br />
aus <strong>der</strong> Stadt geschaft, stets die besten nnd sicherstell Nachrichten geliefert<br />
und anch eme bedeuteude Anzatü Bürger dahin disponiert, sich zu bewaffnen,<br />
und bei einem etwanigm Sturm im Innern <strong>der</strong> Stadt mitznwirten.<br />
5. Der Kaufmann Wacheuhuseu.<br />
Hat bei <strong>der</strong> im Aufange <strong>der</strong> Belageruug durch den Crnninal Nath<br />
Zchmeling allgeordneten heimlichen Bewaffnung von etwa WO Bürgern<br />
fehr thätigen Anteil genommen, auch dem p. Schmcling nach dessen<br />
Flucht ans Stettin sehr wichtige Nachrichten gewissenhaft mitgetheilt auch<br />
dazu beigetragen daß man ans dem Bureau des Gouverneurs mauches<br />
Wichtige erfahre« hat.<br />
6. Der Kaufmaun Curiol.<br />
Ist dadurch sehr nützlich geworden, daß er die Veranlassung zu <strong>der</strong><br />
Bekanntschaft mit dem franz. Obersten Chulliot gewesen ist, uud durch<br />
diesen nicht nur sehr wichtige Nachrichteu mitgetheilt, son<strong>der</strong>n anch den<br />
größten Teil dcr Pläne von Stettin dem General <strong>der</strong> Infant. trafen
Stettin im eisernen Iakr 2!
Stettin im eisernen Jahr.<br />
<strong>der</strong> Belagerung Wohlthaten erwiesen, und beson<strong>der</strong>s das Verdienst, daß<br />
er die Taxe von Bier während <strong>der</strong> ganzen Belagerung nickt erhöht hat.<br />
Eine unbegrenzte Perehrung für deu König und eine Vtcbc zum<br />
Vaterlande, die keine Aufopferung schein, sind die Triebfe<strong>der</strong> seiner<br />
Handlungen. Mit diesem verbindet er auch eine beispiellose Wohlthätigkeit<br />
sur die Armuth; seine Uneigcnnilftigteit hat ihm die Achtung und ^icbe<br />
seiner Mitbürger erworben. Auch die hiesige Garnison hat schon Beweise<br />
seines Hanges znm Wohlthnn^) erhalten.<br />
!4. Ttadtrath Masche.<br />
Hat sich gleich dem Oberbürgerm. Kirstein rühmlichst ausgezeichuct.<br />
beson<strong>der</strong>s dem ft. Schmeling jegliche Mittheiluug, die all den Magistrat<br />
von den Franzosen erging, znr weiteren Beför<strong>der</strong>ung gemacht.<br />
15). Schiffskapitän N ü s k e.<br />
Hat die ganze Zeit <strong>der</strong> Nelagernng über ans dein Bodenberge die<br />
Überfahrt über den Dammschen 2ee nnentgelttich betrieben, beson<strong>der</strong>s<br />
aber in Stettill voll p. Zchmeling uud Wachenhuseu angeordnete<br />
Zignale von dort ans,^) Tag und Nacht beobachtet.<br />
16. Zimmermeister Krause.<br />
Wurde beson<strong>der</strong>s iu <strong>der</strong> ersten Zeit <strong>der</strong> Belagerung von den<br />
Franzosen gezwungen, mit seinen Venten bei den Fortificationen zu arbeiten,<br />
er beredete alle seine Veute zur Flucht, hierdurch und beson<strong>der</strong>s dadnrch.<br />
') Den Beweis dafür bringt <strong>der</strong> Leutnant Eng! er in seinem Tagebuch<br />
i>f. Baudonin, Aus Tagebüchern freiwilliger Jäger 1813,14 des Eolbergischen<br />
Infanterieregiments, ini Veihesl des Militär-Wochenblattes 1913, A. u. 4.HeN, p. 1'.6
Stettin im eisernen Iakr 221<br />
das: er manches auf die Belagerung Nezug habendes mi theilte, auch<br />
während <strong>der</strong> ganzen Belagerung mele nützliche Dienste leistete, hat er<br />
sich ausgezeichnet, sich anch durch Fortjchaffung mehrerer, unter den<br />
Wällen gelegenen HolMsjeu mtt seineu Venteu bedeutenden (Gefahren<br />
oft ausgesetzt.<br />
17. Tuchscherer Schroe<strong>der</strong>.<br />
Hat sich beson<strong>der</strong>s bei <strong>der</strong>, durch den p. Schmeling angeordneten<br />
heimlichen Bewaffunng thätig bewiesen, nnd dnrch seine Niitwirknng sind<br />
nach <strong>der</strong> Versicheruug des p. Schmeliug wenigstens ^»Oo Bürger dem<br />
heimlichen Verein beigetreten.<br />
IN. Aukerichmidt Seydel.<br />
Hat den p. Schmeliug, wie dieser versichert hat, iu den Stand<br />
gesetzt, sich von allen Gegenständen ans dem Bleichholm auf das genaueste<br />
zu informieren, nm davon Hiittheiluugen machen zu töuueu; hat sich<br />
auch bei <strong>der</strong> heimlichcu Acwaffuuug thätig bewieseu.<br />
l9. Kauflnann Ho manu «^n.<br />
Hat sich durch Wohlthätigkeit gegen die armeu Einwohuer Stettius<br />
währeud <strong>der</strong> Blokade bcsou<strong>der</strong>s ausgezeichuet, und fährt damit täglich<br />
fort; er ist uicht weniger freygebig gegen Freywillige mW Vazarcthe<br />
gewesen. Diescrhalb geuieftt er die allgemeiue Achtung, die er im hohen<br />
Grade verdieut. Bei je<strong>der</strong> Gelegeuheit giebt er Beweise vou ^iebe gegeu<br />
seiuen König und das Vaterlalld.<br />
20. Kommerzienrath Dilschmann.<br />
Hat sich gegen die hiesigen Truppen sehr wohlthätig bewiesen. Er<br />
zeigt bei je<strong>der</strong> Gelegenheit seine Anhänglichkeit an König und Vaterland,<br />
und taun es uicht unerwehut bleiben, daß er für die hiesigen Vazarethe<br />
24 Anker Wein zu meiner Disposition uud Auweisuug gestellt.<br />
2l. Polizey Direktor Stolle.<br />
Von diesem ist mir nichts bekannt geworden.<br />
Stettin d. 22. Januar 1»14. v. Plötz.<br />
Fast aus <strong>der</strong>ielbeu Zeit liegt ein Bericht von dem eben genannten<br />
Polizeidircttor Stolle in den Akten') vor „wegen außerordentlicher<br />
Äelohnnug einiger hiesiger Einwohner wegen ihres rühmlichen nnd<br />
patriotischen Benehmens während <strong>der</strong> Vlocade von Stettin". Datiert<br />
') Kal Staatsarchiv Stettin, Kgl. Negier. Stettin, Abteilung I, Til. V.
332 Stettin im eisernen Jahr<br />
vom 5)tt. Januar 1Nl4, bildet er, znmal er von einem <strong>der</strong> höchsten<br />
Beamten in <strong>der</strong> Stadt verfaßt ist, .zu jenem eine wertvolle Ergänzung.<br />
Darin wird betont, daß mehrere Ttcttiner Bürger eine Kommunikation<br />
mit dem Belageruugskorps und eiu gewisses Einverständnis mit einigen<br />
znm franz. Gouvernement gehörigen höheren Offizieren znm Besten des<br />
Belagcruugskorps uud zur Beför<strong>der</strong>ung ihnen betannt gewordener feindlicher<br />
Verfügungen uud Operatioueu au die Behördeu, sowie zur Beför<strong>der</strong>ung<br />
<strong>der</strong> Korrespoudeuz von Slettiu aus uuterhalteu habe». Der Zinimermeister<br />
Krauß (se> habe sich gleich zu Aufaug <strong>der</strong> Belageruug mit<br />
mehrere» Gesellen entfcrut und sich bis zur Übergabe <strong>der</strong> Stadt bei dem<br />
Aelagerungskorps aufgchaltell. Während <strong>der</strong> Anwesenheit des franz.<br />
Gouvernements habe Kr. unter <strong>der</strong> Direktion des franz. Commandant<br />
du Genie alle Festungsarbeiten verrichten und ausführe»! lassen; seine<br />
dabei erworbenen genauen Kenntnisse aller feindlichen Anlagen hätten<br />
ihn bis zum Eintritt <strong>der</strong> Blockade noch mehr in den Stand gesetzt, dem<br />
Belagerungskorps nützlich zn werden.<br />
Da das franz. Gouvernement streng verboten habe, mit dem<br />
Velagerungskorps nnd überhanpt mit Auswärtigen von Stettin aus zu<br />
„kommuuiziereu", wozu noch ein starkes Mißtrauen und Spionieren des<br />
franz. Gouvernements gekommen iei, so sei die Tätigkeit einzelner Bürger<br />
um so verdienstlicher; wenn „sie gleich, falls wirklich eine Connivenz von<br />
Seiten franz. Befehlshaber hierbei) stattgefunden, erleichtert seyn dürfte,<br />
so hat sie doch den hiesigen Einwohnern, außer dem was dadurch dem<br />
Paterlaude geleistet seyn mag, die große Annehmlichkeit bereitet, theils<br />
voll ihren Verwandten und Bekannte« außerhalb <strong>der</strong> Stadt Nachricht<br />
zu erhalten, theils und hauptsächlich dadurch zum Geuuß <strong>der</strong> Ieituugen<br />
nnd zur Kenntuiß an<strong>der</strong>er wichtigen politischen und kriegerischen Ereignisse<br />
zn gelangen, sich dnrch diesen Kanal auch einige Lebensmittel zn<br />
verschaffen. ..."<br />
Die Hypothekenbücher nnd Akten des Kgl. Oberlandes - Gerichtes<br />
seien dnrch den Präsidenten von Hem pel u. a. „wenn man nicht eine<br />
fast nicht zu präsumiereude Conuivenz bedeuten<strong>der</strong> franz. Befehlshaber<br />
hyerbey annehmen will, mit aller Um- und Borsicht und mit wirklich<br />
großer Gefahr im Fall <strong>der</strong> Entdeckung" fortgeschafft worden.<br />
Von <strong>der</strong> Existenz einer geheimen Perbindung hätten viele Einwohner<br />
garnichts gewußt, und die etwas gewußt (wie Stolle selbst),<br />
hütteu alles getau, um etwa entstehenden Verdacht abzulenken.<br />
Beson<strong>der</strong>s hätten sich Kaufmann Goltdammer, Kaufmann und<br />
Destillateur Ho mann 86i»./) Lohgerber Boccard uud Prediger<br />
Riquet von <strong>der</strong> franz. Kolonie verdient gemacht, letzterer habe, „tm<br />
') Die ssirma besteht noch heute.
Stettin im eisernen Iakn.<br />
Besitz <strong>der</strong> höchsten Achtnng des Publieums dnrch einen höchst inoralischen<br />
Lebenswandel nnd seltene Rechtlichkeit, walnend <strong>der</strong> ganzen Blockade jede<br />
Gelegeliheit wahrgenommen, vor einem immer höchst zahlreichen Auditorio<br />
die sehr möglichen Verfolgungen <strong>der</strong> franz. Behörden »licht schenend, in<br />
allen seinen Vorträgen eine heilige Vaterlandsliebe lant und frey zn<br />
predigen, die Heiligkeit des Kampfes, welchen nnser Vaterland kämpfte,<br />
seinen Znhörern mit den lebendigsten Farben zn schil<strong>der</strong>n und sic zit<br />
unwandelbarer Trcnc gegell König und Vaterland zn verpflichten."<br />
Der Kanfmann Grotjohauu, Stettin, hat nach einem Bericht ^)<br />
des Obcrbürgerm. Kir st ein trotz mehr als dreimaliger Haussuchung<br />
(infolge Dennuzieruug) 40 Wispel Weizen vor den Frau^. zu verberge»<br />
gcwustt, (wobei ihm <strong>der</strong> Höker Ninow behilflich war), so daß er ilnter<br />
die notleidenden Aurger verteilt werden konnte, Grotjohann hatte die<br />
Dreistigkeit, den Boden, ans dein <strong>der</strong> Weizen lagerte, nut dem Zeichen<br />
<strong>der</strong> franz. Magazine zn versehen. Beson<strong>der</strong>es Verdienst erwarb er sich<br />
durch die Nettnng <strong>der</strong> Vermögens-Steuerpapierc <strong>der</strong> ^. Kommission,<br />
nachdem <strong>der</strong> Mfbewahrmlgsort <strong>der</strong> Papiere <strong>der</strong> l. Kommission verraten<br />
war. Jene befanden sich samt dein Kgl. Stenerstempcl ans dem Schloß;<br />
von hier brachte sie Grotjohaun in eincu sicheren Keller und rettete sie so.<br />
Gr. hatte mit dem Kaufmann Dicckhoff eine „Compagnie-Hand-<br />
lnng", geriet aber nach <strong>der</strong> Belagerung Stettins, wie auch an<strong>der</strong>e Kauf-<br />
leute, in Konkurs. Daher beantragte er für sich das merne Kreuz<br />
(am AO. Juli 1^14) „mcht aus Ehrsucht, son<strong>der</strong>n um als Offizier<br />
besser fortznkommen, da er als Kaufmann nicht ferner subsistieren zu<br />
können glaube".<br />
Der Kaufmann Curiol beanspruchte uach Beendigung <strong>der</strong> Belage-<br />
rung eine (Zntschädignng „wegen ''Abbrennung seines Holzhofes" uud<br />
für die Allsgaben, die ihm aus seinem Verlehr mit den franz. Befehls-<br />
habern erwachseil waren. Von diesen seinen Beziehungen „will er durch<br />
zweckmäßige Communicationen mit dem l^hef des Preilß. Bclagerungs-<br />
Corps Gebranch gemacht haben. Der franz. lAcneral Du fr esse hat,<br />
um an<strong>der</strong>e franz. Behörden von dem Verdachte eines zwischen ihm und<br />
dem p. Curiol bestehenden Einverständnisses zurückzubriugeu, ihm seinen<br />
Holzhof abbrennen lassen". Dieser Ampruch Curiols rief längere Berichte<br />
nnd Verhandlungen hervor, die sich etwa ein Jahr laug hiuzogenl).<br />
Beson<strong>der</strong>s wichtig ist <strong>der</strong> Bericht des Generals von Plöv; er ist datiert<br />
von Stuchow bei Greifeuberg i. P., tt. Oktober 1814: „Während <strong>der</strong><br />
Belagerung erhielt ich durch Hülfe des p. Curiol, des Criminal<br />
Nath Schmeling uud Kaufmann Wachenhnsen alle Nachrichten<br />
') Dasselbe Aktenzeichen wie vorher.
Slettin im eisernen Jahr.<br />
voll demjenigen, wast in <strong>der</strong> Festung vorging, sogar von denen Beschlüssen<br />
ill dellen Conscillcs, nnd verbreitete anch anf diesem Wege alle<br />
Nachrichten, welche die Garnison wissen sollte nnd die meinen Absichten<br />
gemäß waren. Die Briefe beför<strong>der</strong>te <strong>der</strong> Branntweinbrenner Nückforth<br />
anf <strong>der</strong> Oberwieck durch Hülfe einer Sauve (Aarde eines franz.<br />
lHensd'armes, nnd ich mnn es bedauern, daß dieser Nückf. nebst mehreren<br />
Individuen, die ich znr Allszeichnung bei <strong>der</strong> Ordens-Cominmion . . .<br />
in Borschlag gebracht, selbige bis jetzt noch nicht erhalten hat.<br />
Die Beschlüsse in denen 8 fonte <strong>der</strong> Curiol nnr allein<br />
durch den General Dufrefse und Obristen Plauzen erhalten, wie<br />
anch die projektirten Allsfälle erfahren, von letzteren sind mir sogar<br />
mehrere schriftliche Pläne zu Angriffen zugekommen, die mir verdächtig<br />
erschienen, anch wegen Schwäche des Blokade Korps nnd Mangel all<br />
allen Mitteln unausführbar wareu. Nachdem ich aber die Schwäche<br />
des Graudeall, die Uiieiuigkeit <strong>der</strong> Generale, und Cabale mehrerer<br />
Offieiere <strong>der</strong> Garmson kennengelernet, nnd <strong>der</strong> Plauze» iu Preußische<br />
Dieuste getreten ist, kann lch die Aufrichtigkeit nnd Uneigennüyigkeit des<br />
letzteren nicht bezweifeln.<br />
Die Mittel, welche sich <strong>der</strong> p. Cnriol hierzu nach Inhalt des<br />
Journals bedient, bin ich zwar zu beurtheilen nicht im Stande, indessen<br />
ist es außer Zweifel, daß die Französ. Behörden, beson<strong>der</strong>s Eommissarien<br />
das Nehmen seeliger hielten wie gebend) Dufresse spielte seine Nolle<br />
sehr geschickt, neigte sich aber immer dahiu, wo Sicherheit und Gewinn<br />
war; bei dem Aufruhr wegen <strong>der</strong> Capitulation hat er indessen viel<br />
Entschlossenheit gezeigt."<br />
Curiols Ansprüche wurden schließlich anerkannt; er erhielt „für<br />
seine Dienste und Aufopferungen ein für allemal eine Belohnung von<br />
^Ol)l) Thal." ans <strong>der</strong> Generalstaatskasse zu Berlin (Schreiben des Kgl.<br />
Finanzministers, datiert Paris 1815).<br />
Bon den ill den letzten Berichten aufgeführten Stettiner Bürgern<br />
erhielten u. a. <strong>der</strong> Branutweinbrenuer Friedr. Stolteuburg jun.,<br />
Wilhelm Schreiber und Friedr. Nückforth gen. auf <strong>der</strong> Oberwiek,<br />
ferner <strong>der</strong> Stadtzimmcrmeister Krause das allgemeine Ehrenzeichen<br />
(15. August 1^19). Der Matrose Schmidt für Auszeichnung auf<br />
dem Dammschen See das eiserne Nreuz 2. Kl. (16. Septemb.<br />
') Für die Bestechlichkeit <strong>der</strong> franz. Offiziere spricht auch die voll dem Oberbürsscrm.<br />
Kirst e: n berichtete Tatsache, daß ihm und seinem gleichzeitig m Fort<br />
Vreuhen eingekerkerten AmtHgcnossen Redevenning .die Gewinnung des<br />
Kommandanten 60 Thaler gekonet habe", et". (5. F. Meyer, Aus <strong>der</strong> Franzosenzelt<br />
Stetlins VlI, Nrue Sleltiner Zeitung 11. Januar 1^1, und M. Wehr mann,<br />
Stettiner Bürgermeister ul franz. Gejangemchail l1813>, Ostleezeitung, Stettln,<br />
2ü Mai 1907.
Stettin im eisernen Jahr.<br />
Eine brave Tat des Vierschenkeu 2t effen anf <strong>der</strong> Obcrwiek.<br />
„Am 2tt. April l^1H morgens machte eine Compagnie vom<br />
Bataillon des Major von Schuter eine Rekoguoscicrnng in <strong>der</strong><br />
Oberwyk. Die Frallzosen umstellten die Oberwyk, so daß die Compagnie<br />
ringsum eingeschlossen wurde und von allen Setten Feuer bekam.<br />
Niemand von ihnen kannte die Wege; darum rief <strong>der</strong> Offizier: „Wir<br />
sind verloren". Der Bierschenk Steffen, zwar selbst krank, hörte<br />
dies uud führte die Compaguie auf den Hof <strong>der</strong> Seehandlung; er ließ<br />
sich von dem Kontrollenr Knobloch die Schlüssel geben uud führte die<br />
Ventc dann durch die Gärten in die Neue Wyt. Vou da ging die<br />
Compagnie nach Pommcrensdorf zurück. Einen blcssirten Soldaten<br />
verbarg Steffen und fuhr ihn in <strong>der</strong> Nacht nach <strong>der</strong> Schneidemühle.<br />
Dies erfuhreu die Frauzoseu, uud Steffeu mußte die Oberwyt verlassen,<br />
um sich zu retten. Da ließ ihn <strong>der</strong> General Tauenzien zu sich rufen<br />
uud versprach, ihn nicht zu vergessen. Bezeugt wurde die Tat von dem<br />
Offizier <strong>der</strong> Compagnie, dem Kontrolleur Knob loch, dem Stadt-<br />
verordneten Ducroif und dem (Hürtucr Äuth. Dieser fügte hinzu,<br />
auch <strong>der</strong> Zimmergeselle Stcinbriuck habe bei <strong>der</strong> Rettung dcr<br />
Compagnie wacker mitgeholfen. Steffen und er hätten ein Fachwcrk aus<br />
dem Zaun gehauen, um die Preußen schneller zu beför<strong>der</strong>n. Dafür sei<br />
Buth von den Franzosen „auf das erbärmlichste gemißhandelt worden". —<br />
Trotz <strong>der</strong> ungeheuren Vasten, die <strong>der</strong> Stadt und den Bürgern<br />
aufgebürdet wurdeu, leistete man in freiwilliger Wohltätigkeit noch<br />
Erstaunliches. Dabei waren schon während <strong>der</strong> ganzen Zeit <strong>der</strong><br />
französischen Okkupation große Opfer gebracht worden, zumal im<br />
Jahre 18l2, wo die Stettiner „so ziemlich eine Mustertartc des ganzen<br />
Napoleonischen Heeres gesehen haben . . . und viele berühmte Marschälle<br />
des Kaisers ... alle höchst anspruchsvoll, so daß <strong>der</strong> Besuch dieser<br />
Herren unserer Stadt viele Tausende von Thalern gekostet hat".^) So<br />
berichtet <strong>der</strong> Magistrat am 10. September 1814") folgendes: „Zur Zeit<br />
<strong>der</strong> frauz. Occupation hat auf Veranlassung des Herrn Stadtrath<br />
Masche mehrere Male eine Geldsammlung zur Unterhaltung <strong>der</strong> hier<br />
eingebrachten ftreuß. Kriegsgefangenen statt gehabt, wodurch im Ganzen<br />
baar uud an Naturalien eingekommen circa U200 Rthlr. — hierbey<br />
sind viele Lieferungen, beson<strong>der</strong>s zur Speisung <strong>der</strong> Leute nicht gerechnet.<br />
Im October und November a. p. ist für das Graf von Tauenziensche<br />
Armee-Corps eine Freiwillige Äeitrags-Vieferung von 347 Stück Hemden<br />
') ef. den kurzen, aber sehr anschaulichen Bericht eines Augenzeugen in: Das<br />
liebe Pommerland 1868, p. 279 ff.<br />
') Kgl. Staatsarch. Stettin, Akten <strong>der</strong> Kgl. Neg. Stettin, Abteilg. I. TU. VIII.<br />
2 a, Nr. 5, vol. 1.<br />
Vnltische Ctudlen N. F. XVIl 15
Stettin im eisernen Jahr.<br />
aufgebracht und <strong>der</strong> Zeit auch herausgeschafft worden, wovon <strong>der</strong> Werth<br />
circa 420 Rthlr. ist". Nach einer an<strong>der</strong>en Angabe in den Akten war<br />
für diese Sammlnng außerdem <strong>der</strong> Sckanspieldirettor Moe hu er<br />
beson<strong>der</strong>s tätig.<br />
An Freiwilligen stellte die Stadt Stettin (nach den eben angeführten<br />
Akten) im Jahre 1813 im ganzen 275, und zwar 70 Kavalleristen und<br />
205 Infanteristen. Die Kosten für ihre Nusrüstnng, die sie selbst trugen,<br />
beliefen sich für einen KavaN. durchschnittlich auf 265 Taler, für einen<br />
Infant. auf 60 Taler. Die Gesamtansgaben für die Freiwilligen<br />
betrugen 34 950 Taler.<br />
Für die Landwehr stellte Stettin i. I. 1813 300 Mann Infant.,<br />
18 Mann Kavall. Die Kosten ihrer Ausrüstung beliefen sich auf 0458 Taler.<br />
Für Lazarettbedürfnisse sorgte beson<strong>der</strong>s die Wohltätigfeit einzelner<br />
Vereine und lieferte i. I. 18!3 Leibbinden nnd Socken im Werte von<br />
2000 Talern.<br />
In beson<strong>der</strong>en Notfällen wirkte immer wie<strong>der</strong> das Porbild einzelner<br />
Bürger anfeuernd ans die Gcbcsrciidigkeit <strong>der</strong> übrigen; so sammelte <strong>der</strong><br />
Buchdrucker Krüger 1500 Taler, <strong>der</strong> Polizei-Commissarins Schneppe<br />
84 Taler, <strong>der</strong> Prediger Niqnet 30N Taler, und sogar die Schüler <strong>der</strong><br />
Lastadieschen Schule 46 Taler.<br />
Der schon in dem Bericht <strong>der</strong> Frau Stadtrat F. Pitzschky<br />
erwähute Fraueuverein zur Unterstützung <strong>der</strong> Witwen und Waisen<br />
war gestiftet bzw. erneuert von <strong>der</strong> Frau des Oberlandesgerichts-<br />
Präsidenten von <strong>der</strong> Osten, geb. von Grape, nnd <strong>der</strong> Gattin des<br />
Kaufmanns Goltdammer, geb. Äergemann. Sie wünschten ausdrücklich,<br />
in den Berichten an die Regierung uicht erwähut zu werden.<br />
Für diesen Verein wirkten nach <strong>der</strong> Belagerung u. a. Fräulein<br />
von Dewitz und Frl. von Pirch in <strong>der</strong> Weise, daß sie wertvolle Frauenarbeiten,<br />
die sie ans verschiedenen Orten erhalten hatten, auf dem Iohannismarkt<br />
in Stargard i. I. 1814 öffentlich verkauften; sie konnten für die<br />
Witwen und Waisen in Stettin 226 bzw. 100 Taler abliefern.<br />
Sogleich nach <strong>der</strong> Schlacht bei Leipzig bildete sich in Stettin unter<br />
<strong>der</strong> Führung <strong>der</strong> Herren Kir st ein, Karow, Zitelmann u. a. eiu<br />
„Verein zur Versorgung pommcrscher Invaliden". Er plante den<br />
Bau von 12 Invalidenhäusern zu beiden Seiten des von <strong>der</strong> Falkenwal<strong>der</strong><br />
Landstraße nach dem „Deutschen Berge" führenden Weges; doch wurden<br />
nur 2 errichtet, von denen heute noch eins steht. ^)<br />
') es. (5. F. Meyer, a. a. O. VIII.
Stettin im eisernen Jahr. 227<br />
Auch die Freiwilligen von 1813 schlössen sich bald nach dem Fcldzugc<br />
zusammen und feierten alljährlich den 3. Februar. 1838 (beim 25 jährigen<br />
Stiftungsfest) brachten sie ein Kapital von 1200 Talern zur Unterstützung<br />
hilfsbedürftiger ehemaliger Freiheitskämpfer zusammen und verteilten<br />
die Gaben jedesmal bei <strong>der</strong> Gedenkfeier am 3. Febrnar. ^)<br />
Von <strong>der</strong> in England für die Deutschen gesammelten Spende, die<br />
vom Parlament mit l 00 000 Pfnnd Sterling uuterstützt wurde, erhielten<br />
die durch deu Krieg geschädigten Einwohner Stettins allein 1500 Pf. St.2)<br />
Der eigenartigste Wohltäter <strong>der</strong> Stettiner war jedenfalls <strong>der</strong><br />
Ncgierungsdircktor Leopold von Nohr. Wie die Ttettiner Regierung,<br />
so war auch er während <strong>der</strong> Belagerung nach Stargard übergesiedelt<br />
nnd brachte hier nicht nnr bedeutende Sammlungen zu stände, son<strong>der</strong>n<br />
stellte auch seiu achtenswertes poetisches Talent in den Dienst <strong>der</strong><br />
Wohltätigkeit. In den Akten") liegt vor eine von ihm selbst geschriebene<br />
„Summarische Übersicht <strong>der</strong> von dem Unterschriebenen in dem Zeitraum<br />
vom 1. März l813 bis zum 1. März 1818 theils zu patriotischen<br />
theils zn an<strong>der</strong>en wohlthätigen Zwecken erhobenen und ausgegebenen<br />
Gel<strong>der</strong>.<br />
1. Für die im Jahre 1813 geplün<strong>der</strong>te Gemeinde<br />
zu Wittstock laut Quittung des Pfarrers<br />
gesammelt l57 Rthlr. Ist Or.<br />
2. 490 Leibbinden für die vaterl. Truppen im<br />
Werth !63 ,. « .,<br />
3. Für ein Gedicht von mir auf die Schlacht<br />
bei Leipzig 163 „ tt „<br />
4. Eine große Menge Bekleidungs Stücke und<br />
Victualien in mehreren Transporten an die<br />
Princeßin Wilhelm Kgl. Hoheit abgesandt<br />
circa im Werth 1000 .. — ..<br />
5. Für eine von mir gehaltene Rede bei dem<br />
Wahlgeschäft <strong>der</strong> Repräsentanten 1813 . . 39 „ 15 „<br />
6. Für ein von mir verfaßtes Gedicht auf die<br />
Rückkehr Sr. Majestät des Königs 1814
228 SletNn im eisernen Jahr.<br />
Übertrag 3000 Nthlr. 85 (Ar.<br />
8. Für eine Sammlung meiner Gedichte zu patriotischen<br />
Zwecken 1468 „ 30 ..<br />
9. Für ein Gedicht auf die Befreiung Stettins 77 ,. 14 „<br />
10. Für ein ähnliches Gedicht im Jahre 1816 136 „ 30 .,<br />
11. Für die unglücklichen Einwohner iu Danzig 377 „ 14 „<br />
13. „ „ „ Rheinbewohner . . . 6i)5 ., 6 „<br />
13. Für die Luisen Stiftung iu Berlin in dem<br />
Zeitraum vom 15. Juli 1815bis I.März 1818 1776 ,. 9 ,.<br />
Summa 7010 „ 1 ,/)<br />
Von vorstehend eingenommener und wie<strong>der</strong> ausgegebener Summe<br />
habe ich selbst beschaft, durch die zu patriotischen Zweckeu verkauften<br />
schriftlichen Arbeiten in Nr. A, 5, 6, 7, 8, 9, 10 -- 3355 Nthlr. 33 Gr.<br />
welche größtenteils zu Unterstützung <strong>der</strong> Wittwell und Waisen uud <strong>der</strong><br />
Invaliden verwendet, und ganz voll mir zu diesem Zweck abgeführt sind.<br />
Stettin den 27. Septd. 1819. von Nohr.<br />
Mit dem Concept gleichlautend<br />
Kamper, Negierungslallulator".<br />
Eine Ergänzung zu diesem Aktenbericht hat <strong>der</strong> menschenfreundliche<br />
Dichter selbst veröffentlicht im Amtsblatt <strong>der</strong> Kgl. Pommersch. Regierung<br />
1816 p. 405/6.<br />
„Im Verfolg <strong>der</strong> öffentlichen Bekanntmachung, betreffend den Debit<br />
meiner Gedichts-Sammlung zum Besten <strong>der</strong> Invaliden, und <strong>der</strong> Wittwen<br />
und Waysen gebliebener Vaterlands-Vertheidiger, welcher größteutheils auf<br />
dem Wege <strong>der</strong> Subscription nach einer mühsamen Correspondenz gegenwärtig<br />
bewürkt ist, sehe ich mich im Stande, das Resultat, mciuem<br />
Versprechen gemäß, dem Publiko vorzulegen. Nach <strong>der</strong> umstehende»<br />
Berechnung habe ich für 766 Exemplare 1468 Nthlr. 30 Gr. ein.<br />
genommen, und nach Abzug <strong>der</strong> gleichfalls nachgewiesenen Kosten von<br />
533 Nthlr. 3 Gr., daher einen reinen Ertrag von 946 Nthl. 18 Gr.<br />
gehabt, wovon 473 Nthlr. 18 Gr. an den Verein für die Wittwen<br />
und Waysen, und 473 Rthlr. an dell Verein für die Invaliden-Etablissements<br />
am deutscheu Berge vou mir gegen Quittuug abgeliefert sind.<br />
Noch habe ich für 67 Exemplare 111 Nthlr. 16 Gr., uud für<br />
82 Exempl., welche die Maureriche Buchhandlung in Berlin gefällig<br />
zum Debit übernommen, 136 Nlhl. 16 Gr. zu erwarten, uach bereu<br />
Eingang ich mir aus diesem kleinen Fonds die Uuterstützung einzelner<br />
Hilfsbedürftiger vorbehalte. Der gesammte reine Ertrag wird also<br />
Die Pfennige sind fortgelassen und nur hier mttberechnet.
Stettin im eisernen Jahr. 229<br />
1194 Rthir. 2 Gr. betragen. Meine Pflicht ist es, noch den Einwohnern<br />
Pommerns nnd beson<strong>der</strong>s <strong>der</strong> Stadt Stettin, welche dies<br />
wohlthätige Unternehmen so bereitwillig unterstützt haben, den herzlichsten<br />
Dank zu sagen.<br />
Stettin, den 28. September 1kl 6. vonNohr,<br />
Kgl. ReqieruuqsDireltor."<br />
In einer sehr genanen „Berechnung" werden sodann die Fürsten,<br />
Städte und Kreise angegeben, die die 7l>6 Exemplare übernommen haben.<br />
Sehr bedauerlich ist es, daß sich von den oben erwähnten Einzeldichtuugen<br />
z. V. ans die Leipziger Schlacht und ans die Vefreinng<br />
Stettins nichts erhalten hat; jedenfalls waren meine nach verschiedenen<br />
Richtungen angestellten Nachforschungen ergebnislos. Die Sammlung<br />
<strong>der</strong> Gedichte von Rohrs ist äußerst selten. Der Verfasser besitzt:<br />
Gedichte von ^eop. von Rohr, 2. Bändchen, Stettin 18 u; bei<br />
Effenbarths Erben, und ein 3. Bändchen, welches aber erst 1824<br />
erschienen ist. Das l. Bändchen ist ebenfalle' erst vom Jahre 181 ti;<br />
sein Inhalt hat zum Jahre 1^13 keine Beziehung. Dagegen finden sich<br />
im 2. folgende Gedichte: „Die Freiheit bringende Weisheits-Göttin Minerva<br />
Elentheria", und „An den edlen Frauen- und Mädchen-Verein zur<br />
Unterstützuug leiden<strong>der</strong> Krieger". Der Band von 1824 cuthält als<br />
zweitletztes Stück „Dankbare Erinnerung an den 5. Dezember 1813.<br />
Nach <strong>der</strong> Melodie: Zeiten schwinden, Jahre kreisen . . ." Die Ausgabe<br />
von 1824 in einem Bande hat manches ans den ersten beiden wie<strong>der</strong><br />
aufgenommen; auch <strong>der</strong> Ertrag dieses Bandes war für wohltätige<br />
Zwecke bestimmt. v. Rohr besingt mit Vorliebe ethische Stoffe:<br />
Glaube, Treue, Freiheit, edle Menschlichkeit, sittliches Streben, Frieden,<br />
Glück, u. a. Die Sprache ist poetisch belebt und meist von schönem<br />
Fluß, doch fehlt den Gedichten die rechte Gegenständlichkeit. Oft kommt<br />
<strong>der</strong> Dichter über eine gewisse Gefühlsschwärmnei nicht hinaus. Den<br />
großen üußereu Erfolg verdanken diese Dichtungen allein <strong>der</strong> idealen<br />
Sinnesart ihres Verfassers, <strong>der</strong> sie auch nur „für eiuen heiligen, wohlthätigen<br />
Zweck" veröffentlichte. —<br />
Eine auf amtlichem Material beruhende Zusammenstellung gibt:<br />
E. Gurlt: Die freiwilligen ^eistungeu <strong>der</strong> Preußischen Nation in den<br />
Kriegsjahren 1813—15, in: Zeitschrift für Preuß. Geschichte u. Landeskunde,<br />
hersg. von C. Nößler, 9. Jahrg. 1872, p. 672:<br />
„Überhaupt stellte Pommern in deu drei Kriegsjahren von 1813 bis<br />
1815 zum Heere und zur ^auowehr, mit Einschluß <strong>der</strong> Freiwilligen,<br />
39 889 Manu, und bewies durch patriotische Beiträge für die Ausrüstuug<br />
<strong>der</strong> Freiwilligen, die Pflege <strong>der</strong> Verwundeten und die Unterstützung <strong>der</strong>
230 Stettin im eisernen<br />
Invaliden, Wittwen nnd Waisen einen rühmlichen Antheil an <strong>der</strong> Sache<br />
des Vaterlandes.<br />
Ans dem Kreise Randow und <strong>der</strong> Stadt Stettin sind beson<strong>der</strong>s<br />
die von vielen Personen ans allen Ständen Behufs <strong>der</strong> Befreiung vom<br />
Französischen Joche, vielfach mit Gefahr des Gebens und <strong>der</strong> Freiheit,<br />
gemachten Anstrengungen und gebrachten Opfer, die eine schnellere<br />
Übergabe <strong>der</strong> Festung zum Zweck hatten, hervorzuheben. Es würde hier<br />
eine Reihe von Namen rühmlich zu nennen sein.<br />
(Gesamtsumme Davon verwendet Zu Wohlthätiakeits<strong>der</strong><br />
freiwilligen zu Ausrüstungs» und Zwecken<br />
Leistungen Vertlmoigunns-Zwccken<br />
Stadt Stettin 1005)1? Thal. 40044 Thal. 60473 Thal,<br />
<strong>der</strong> übrige Kreis<br />
Randow 30365 „ 3« 066 ,. 3199 „<br />
Die For<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Stadt Stettin für Lieferungen au das<br />
franz. Oouuernemem während <strong>der</strong> Belagerung waren nach einer in den<br />
Alten2) erhaltenen „General-Nachweisung" (30. August 1819) folgende:')<br />
1. Weihen 13 Winspel 638 Thal. 10 Gr.<br />
s. Roggen 17 Wimpel 3 Scheffel . . . . 653 „ 6 ..<br />
3. Talg 446 Pfund . 76 ,. 5 .,<br />
4. Brandweiu 37 995 Quart 5490 „ 3 „<br />
5. Franchrandwein 463 ,. 770 „ 30 .,<br />
6. Stroh 43 Schock 156 ., 16 „<br />
7. Saecke 35179 Stück 3363 ., 9 „<br />
8. Pferde 17 Stück 680 „ 0 „<br />
9. Rüböhl 30069 Pfund 4564 .. 3 ..<br />
10. Taback 55133 8 355 , 8 .,<br />
11. Stockfisch 9766 1395 ,. 5 ..<br />
13. Hering 100 Tonnen 6 500 „ 0 „<br />
13. Vier 315 35« Quart 11531 .. 15 „<br />
14. Eisig 56 Oxthoft 1003 „ 13 ..<br />
15. Kühe 139 Stück 3471 ,. 7 „<br />
16. Pferde zum Schlackten 150 Stück . . . 8703 „ 13 .,<br />
17. Holz 119194 „ 0 ,.<br />
13. Weine 111596 „ 0 „<br />
19. Bekletdungs'.Gegenstände . . . . . . 17881 ,. 5 ,.<br />
Dieselben wie bei von Rohr.<br />
Pfennige sind nur bei den Schlußsuinmen mitberechnet.<br />
.. 136 ..
Stettin im eisernen Ia5r 23 t<br />
Übertrag 305 418 Thal. 136 C5r.<br />
20. Gegenstände für das «enie-Wesen . . . 744 „ 17 ,.<br />
21. Diverse (Gegenstände welche an die Artillerie<br />
geliefert sind ! 1 2N0 ., 2 ..<br />
22. Zur Unterhaltung des Lazaretts gelieferte<br />
Gegenstände 36501 „ 3 „<br />
23. Fleisch 1750 Pfnnd . 127 ., 14 „<br />
Summa 354172 ., 9 „<br />
Allsierdem hat die Stadt Stettin noch baare<br />
Geld-Kontribution gegeben . . . . . 156 664 „ 4 „<br />
Summa 5l1>^0 ,. i:ì ..<br />
An <strong>der</strong>selben Stelle findet sich anch ein Nachweis über die Lieferungen<br />
<strong>der</strong> Stadt Alt-Damm; sie betragen insgesamt 164'.)2 Thal. 12 ('«ir.
We staatsrechtlichen Verhältnisse Kommerns<br />
in ben Fahren IM bis 1314.<br />
Von<br />
Drofessor Dr. Kmll von Meßen.
n znm Anfange des Jahres 1914 in <strong>der</strong> Zeitschrift <strong>der</strong><br />
historischen Gesellschaft unserer Provinz eine Arbeit erscheint, welche<br />
Verhältnisse <strong>der</strong> Jahre vor 1214 zum Gegenstände hat, so wird man<br />
mit Recht daraus schließen können, daß da ein ursächlicher Zusammenhang<br />
in den beiden Daten vorliegen dürfte. Und es ist denn auch<br />
zunächst eine etwas romantische Anwandlung gewesen, welche den<br />
Verfasser zur Vornahme dieser Arbeit veranlaßt hat, eine Art von<br />
Säkularerinnerung.<br />
Es ist in <strong>der</strong> Tat kein unbedeutendes Ereignis, das sich da vor<br />
700 Iahreu zugetragen hat; es handelt sich um nicht mehr und nicht<br />
weniger, als daß damals zum ersten Male <strong>der</strong> brandenburgische Adler<br />
über dem Turme <strong>der</strong> Greifenburg au <strong>der</strong> O<strong>der</strong> geweht hat, zum<br />
mindesten ist keine Spur davou zu fiuden, daß schon in noch früherer<br />
Zeit die heutige Hauptstadt unseres Landes märkische Kriegsleute als<br />
Herren in ihrem Bering gesehen hat.<br />
Indessen erhält dieses Ereignis, so merkwürdig es an sich sein mag,<br />
seine eigentliche Bedeutuug doch erst durch das, was in staatsrechtlicher<br />
Aeziehnng mit ihm zusammenhängt, vor allem durch die Frage nach<br />
<strong>der</strong> Entstehung <strong>der</strong> Vehnsabhangigkeit Pommerns von Brandenburg.<br />
Por einigen Jahren versuchte ich in dieser Zeitschrift die letzte Phase<br />
<strong>der</strong> aus jenem Abhäugiglcitsverhältuisse sich ergebenden schier endlosen<br />
Wirren zu schil<strong>der</strong>n; eiu Satyrspiel, durfte ich sie nennen, in welchem<br />
das vielaktige Drama ansklaug. Heute will ich den säkularen Erinnerungstag<br />
benutzen, um die Blicke noch einmal anf die ersten Auftritte des<br />
Schauspiels zurückzuleuken.<br />
Dah dies geschieht, mag manchem befremdlich erscheinen, <strong>der</strong> die<br />
Literatur über diese Frage eiuigermaßeu verfolgt hat; ist doch, nachdem<br />
vor zwei Jahrzehnten die Forscher für sie lebhaftes Interesse gezeigt<br />
hatten, allem Anscheine nach eine Übereinstimmung in <strong>der</strong> Auffassung<br />
über die wesentlichsten Punkte eingetreten; die von Klempiu seiner Zeit<br />
aufgestellte Ansicht, daß die Hoheit <strong>der</strong> Mark zum ersten Male im Jahre<br />
1198, o<strong>der</strong> kurz vorher, von seilen Pommerns anerkannt worden sei, hat,<br />
trotz dem Wi<strong>der</strong>spruche Zickermauns in Rachfahl einen energischen<br />
Verteidiger gefunden, und ihnen haben sich die meisten an<strong>der</strong>en Bearbeiter<br />
16*
Die staatsrechtlichen Verhältnisse Poinmerns<br />
<strong>der</strong> Geschichte Pommerns und Brandenburgs o<strong>der</strong> <strong>der</strong> hier in betracht<br />
kommenden Zeitabschnitte, vor allem M. Wehrmann, W. v. Sommer-<br />
feld, Rndloff, Krabbo, trotz gelegentlicher Abweichungen bezüglich<br />
einzelner Auffassungen im wesentlichen angeschlossen.^)<br />
Indessen hat es auch nicht ganz an Zweiflern gefehlt; Georg Sello,<br />
gewiß kein verächtlicher Forscher auf diesen Gebieten,") hat jchon vor<br />
langer Zeit bedenklich den Kopf über diese Ansicht geschüttelt. Ich felbst<br />
habe ebenfalls vor längerer Zeit darzutun versucht, daß und warum<br />
ich mich mit ihr nicht recht befreunden kann.^) So schien es mir,<br />
ausgehend eben von den Ereignissen des Jahres 1214, angezeigt, an<br />
dieser Stelle, welche <strong>der</strong> Beachtung eines größeren Leserkreises innerhalb<br />
Pommerns gewiß ist, meine Ansicht des näheren vorzutragen, obwohl<br />
ich mir nicht verschwieg, daß ich dem Gewichte <strong>der</strong> vorher genannten<br />
Autoritäten gegenüber einen schweren Stand haben müsse, zumal ich in<br />
den letzten Jahren den lebendigen Zusammenhang mit <strong>der</strong> rastlos fort-<br />
schreitenden Wissenschaft etwas verloren habe.<br />
Die letztere Tatsache kam mir lebhaft zum Bewußtsein, als ich<br />
gleich im Beginne meiner Beschäftigung mit dem Gegenstande eine vor<br />
einiger Zeit erschienene Arbctt in die Hand bekam, welche auf <strong>der</strong><br />
an<strong>der</strong>en Seite doch im allerhöchsten Maße geeignet war, meine Meinung<br />
über diese Dinge zu unterstützen;^) es handelt sich dabei für uns nnr um<br />
eine formal betrachtet lächerlich winzige Entdeckung, die Feststellung <strong>der</strong><br />
Tatsache, daß eine fast gleichzeitige Nachricht über einen jener Vorgänge<br />
ans einem — hier verbesserten — Lesefehler des früheren Herausgebers<br />
einer Chronik beruht. Sachlich war aber diese Tatsache von <strong>der</strong> aller-<br />
einschneidensten Bedeutung, da sich auf jene Nachricht fast das ganze<br />
Gebäude Klempins und <strong>der</strong> ihm folgenden Forscher gründet. Und so<br />
') Klempin, Pommersches Urlundenbuch, Bd. I. Stettin 1SS8, S. !01 f.<br />
F. Zickermann, Tas Lehnsvethältnis zwischen Brandenburg und Pommern im<br />
IT und 14. Ihdt. Forsch, zur brand. u. preuß. Gesch., Ad. IV, 1-120.<br />
F. Rachfabl, Der Ursprung des brand.-pomm. Lehnsoerhältnisses, ebenda Bd. V,<br />
51—U4. M. Wehrmann, Gesch. v. Pommern, Teil 1. Stettin 1904.<br />
W. v. Sommerfeld, Gesch. <strong>der</strong> Germanisierung des Herzogtums Pommern<br />
o<strong>der</strong> Slauien bis zum Ablauf des 13. Ihols. Leipzig 1696 Rudloss, Gesch.<br />
Mecklenburgs vom Tode Niclots bis zur Schlacht bei Bornböved. Berlin 1901.<br />
Krabbo, Regesten <strong>der</strong> Markgrasen von Brandenburg aus aslanischem Hause.<br />
2. Lieferung. Leipzig 1911. Derselbe, Die Markgrafen Otto 1., Otto II. und<br />
Albrecht II. von Brandenburg Forsch, z. br. u. pr. Gesch, Bd. XXlV, 323-370.<br />
2) Sello, Allbrandenburgische Miszellen. Forsch, z. br. u.pr.Ge>ch., Ad.V, 295.<br />
') von Nießen, Gesch. <strong>der</strong> Neumarl im Zeitalter ihier Entstehung und<br />
Besiedlung. I. Teil. Landsberg 1904; beson<strong>der</strong>s S. 45.<br />
*) Mey. Zur Kritik Arnolds von Lübeck Diss. Leipzig 1912; angezeigt von<br />
Krabbo, Forsch, z br. u. pr. Gesch., Bd. XXV. 887.
in den Jahren N80 bis 1214. 337<br />
erfor<strong>der</strong>te dieser Umstand gebieterisch auch eine erneute Prüfung jener<br />
ganzen Zusammenhange ans sich heraus.<br />
Überdies hat ein an<strong>der</strong>es uus sehr iuteressierendes Ereignis ans<br />
jenen Jahrzehnten inzwischen durch die Auffiudnng cincr neuen Quellell-<br />
notiz eine vollere Beleuchtung erfahren/) und endlich ist durch eine<br />
kritische Arbeit über mehrere <strong>der</strong> in Betracht kommenden Urtuuden^) eine<br />
Fülle neuer Fragen aufgeworfen worden.<br />
So denke ich, wird es berechtigt sein, wenn au dieser Stelle eine<br />
neue Untersuchung über jene Verhaltnisse vorgelegt wird, bei<strong>der</strong> wlrd<br />
manches von mir nnr skizzenhaft dargestellt werden können, an an<strong>der</strong>en<br />
Stelleu, wo eine auch uur leidliche Llcherdeit mangels allsreichen<strong>der</strong><br />
Quelle» auch jetzt noch nicht zu gewinnen lst, werde ich nuch mit <strong>der</strong><br />
Allfstelluug von Ansichten begnügen müssen; wenn ich hierin dem einen<br />
o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en kritischen ^eser hier und da zu weit gegangen sein sollte,<br />
so werde ich mich damit abfinden müssen in dem Bewußtsein, daß vielleicht<br />
ein späterer Bearbeiter durch den Wi<strong>der</strong>spruch gegeu meine Meinung<br />
<strong>der</strong> Wahrheit auf die Spur kommt.<br />
Ich werde nun, in Rücksicht auf die Lesbarkeit <strong>der</strong> Arbeit, so<br />
verfahren, daß ich zunächst abschnittsweise eine Übersicht über die nach<br />
meiner Meinung Vorgefalleneil Ereignisse bezw. die Zustände gebe uud<br />
hiuterdrein die einzelnen dessen bedürfenden Punkte genauer uutersuche<br />
bezw. meine Ansichten begründe.<br />
I Die Tage Pommerns kurz vor dem Sturze<br />
Heinrichs des Löwen.<br />
Seitdem Heinrich <strong>der</strong> ?öwe, spätestens i. I. NN4, Veranlassung<br />
erhalten hatte, sein Augenmerk auch Pommern ernstlicher zuzuwenden,<br />
hatte er mehrfache Versuche gemacht, sich dessen Fürsten, Bogislaw 1<<br />
und Kasimir I., zu unterwerfen. Das Gebiet des letzteren, <strong>der</strong> sich auch<br />
wohl nach <strong>der</strong> Stadt Demmin benannte, lag dem Hauptteile nach dem<br />
von ihm unterjochten Mecklenburg näher, als das Bogislaws, dessen<br />
Besitzungen sich im wesentlichen um die untere O<strong>der</strong> zusammenschlössen.<br />
') A. Hofmeister, Über eine Handschrift <strong>der</strong> Sächsischen Weltchronik.<br />
Neues Archiv d. G. f. ältere d. Geschichlslunde, Bd. XXXlI. 83-132.<br />
') Sa lis, Tie Schweriner Fälschungen, dlplomaniche Untersuchungen zur<br />
mecklenburgischen und pommerschen Gesch. des Xll. u. Xlll. Ihdts. Archiv für<br />
Urk.-Forschung. Vd. I. 273-353.
Die staatsrechtlichen Verhältnisse Pommerns<br />
Beide Fürsten erkannten, wie es scheint, z. T. aus Furcht vor den<br />
dänischen Plün<strong>der</strong>ungszügen, seit etwa 1167 o<strong>der</strong> doch seit 1171 die<br />
Oberhoheit des gewaltigeu Herzogs an, ohne doch treu in diesem<br />
Verhältnisse zu verharren; 1177 hat Fürst Kasimir in Demmiu eine<br />
neuerliche Belagerung durch den Herzog zu bestehen gehabt; <strong>der</strong> Umstand,<br />
daß dieser durch an<strong>der</strong>e dringen<strong>der</strong>e Pflichten abgerufen wurde, verschaffte<br />
Kasimir einen billigen Frieden, <strong>der</strong> sich bald zu einem engen Anschlüsse<br />
an den Welsen ausgestaltete. Als dann im Jahre 117« nnd vollends<br />
1179 das Wetter gegen Heinrich heranzog, als alle an<strong>der</strong>en Freuude<br />
und Gefolgsleute, auch Herzog Vogislaw, ihn verliefen, da unternahm<br />
<strong>der</strong> Demmincr Fürst, gewonnen, wie ich glaube, durch Überlassung<br />
Zirzipaniens. das bisher dem jüngst verstorben« Pribislaw von<br />
Mecklenburg gehört hatte, mehrfache Verwüstuugszüge gegen die Gebiete<br />
<strong>der</strong> Feinde des Herzogs, fiel dann aber im Kampfe gegen Markgraf<br />
Otto I. von Brandenburg noch vor Ablauf des Jahres 11W, also noch<br />
ehe das Schicksal seines großen Gönners endgültig entschieden war.<br />
Hinsichtlich <strong>der</strong> Stellung Brandenburgs zu und in Pommern<br />
sind wir fast ganz auf Mutmaßungen angewiesen. Daß seit den Tagen<br />
Albrechts des Bären, wenn uicht schou vorher, <strong>der</strong> Markgraf <strong>der</strong> Nordmark<br />
bezw. vou Brandeuburg traft <strong>der</strong> Amtsgewalt <strong>der</strong> Markgrafen<br />
gegenüber dem Slaveulande, wenigstens soweit es westlich <strong>der</strong> O<strong>der</strong> lag,<br />
die Oberherrlichkeit beanspruchte, ist wahrscheinlich und wenigstens in<br />
einem Einzelfalle erweislich, daß aber die askamschen Fürsten eine solche<br />
auch innerhalb beschränkter Grenzen, etwa zwischen Pcene und O<strong>der</strong>,<br />
ausgeübt Hütten, davou ist nichts nachweisbar, eher scheint die überragende<br />
Stellung des Herzogs Heinrich sie in dem bisherigen Umfange ihrer<br />
Machtansprüche noch eingeschränkt zu haben. (S. dazu unten 2. '^N1.)<br />
Nnch Polen beanspruchte die Herrschaft über Pommern; Boleslaw III.<br />
hatte sie bis zu seinem Tode (113N) fest in <strong>der</strong> Hand gehalten, zum<br />
mindesten innerhalb <strong>der</strong> Gebiete östlich <strong>der</strong> O<strong>der</strong>, und wahrscheinlich<br />
beträchtliche Striche, die als zu Pommern gehörig angesehen wurden,<br />
beson<strong>der</strong>s in <strong>der</strong> späteren Neumark, von ihm abgerissen. Unter seinen<br />
nächstell Nachfolgern mag sich das Untertäuigkeitsverhältnis bezw. die<br />
Tributpflicht gelockert haben, kurz vor <strong>der</strong> Zeit, die wir hier betrachten<br />
wollen, scheint <strong>der</strong> ältere Zustand wie<strong>der</strong> hergestellt worden zu sein; die<br />
Jahre 1177 und 1180 bringen uns die Erwähnung daranf hindeuten<strong>der</strong><br />
Vorgänge.<br />
Endlich ist anch Dänemark in hohem Maße an den Zuständen<br />
in Pommern interessiert gewesen. Nachdem es noch in den fünfziger<br />
Jahren wie<strong>der</strong>holt die Naubfahrten Nicht bloß <strong>der</strong> Nanen, son<strong>der</strong>n auch
in den Jahren NftO bis 12l4<br />
<strong>der</strong> Umwohner <strong>der</strong> O<strong>der</strong>mündungen am eigenen ?eibe hatte verspüren<br />
müssen, unfähig sich ihrer zu erwehren, hat es in dem siebenten und<br />
achten Jahrzehnt begonnen den Spieß umzukehren, nnd nunmehr haben<br />
sich die von Süden her durch den Sachscnherzog dedrängten Slawen<br />
dem Dänenkönige, trotz tapferer Gegenwehr, nicht gewachsen gezeigt;<br />
abgesehen von schweren Landverwüstungcn sind einzelne Teile des Landes<br />
auf kürzere o<strong>der</strong> liiugere Zeit von deu Nordmannen beseht worden,<br />
namentlich Wolgast und Stettin, das am Schlüsse unseres Zeitabjchuittcs<br />
unter ihrer Botmäßigkeit gestanden haben dürfte, uud zeitweilig habcu<br />
auch die Fürsteu selbst die Hoheit des Dänentönigs anerkannt, o<strong>der</strong> doch<br />
Geiseln gestellt und Tribnt gezahlt; eine eigentliche Herrschaft <strong>der</strong> Dänen<br />
aber, wie sie seit N
Die stantsrecktlicken Verhältnisse Pommerns<br />
Päpste. Nach ihnen sollte zum Sprengel von Schwerin alles ?and<br />
gehören, welches innerhalb <strong>der</strong> Grenzen des Herzogtums Sachsen lag,<br />
was dann in an<strong>der</strong>en Urkunden näher bestimmt wurde als ganz Vorpommern<br />
bis zur Peeue, und selbst auf dem rechten Pecneufer wurden<br />
noch mehrere Landschaften links und rechts <strong>der</strong> Tollense, Tolenz,<br />
Plote, Meserechs, einmal auch Groswin, mit eingeschlossen, endlich auch<br />
noch die Hälfte von Nügen. Da sind nun aber vor kurzem in <strong>der</strong><br />
oben erwähnten Arbeit vou Friedrich Salis gerade diejenigen Schweriner<br />
Urkunden, welche diese genauen Angaben über die östliche Ausdehnung<br />
des Spreugels enthalten, als Fälschungen angesprochen worden; sie sollen<br />
zumeist im dritten Jahrzehnt des folgenden Iahrhuu<strong>der</strong>ts hergestellt sein<br />
zwecks Verteidigung vermeintlicher o<strong>der</strong> wirklicher Neckte gegen die Übergriffe<br />
<strong>der</strong> Bischöfe von Kamin und Havelberg. Salis ist zu <strong>der</strong><br />
Beschäftigung mit diesem interessanten Gegenstände z. T. wohl gerade<br />
dadurch geführt worden, daß ihn, wie so viele an<strong>der</strong>e vor ihm, <strong>der</strong><br />
große Umfang stutzig machte, <strong>der</strong> in diesen Urkunden dem Herzogtum<br />
Heinrichs zugewiesen wird, und <strong>der</strong> Gebietsverlust, den dadurch weuiger<br />
das ^and Pommern als vielmehr das Bistum Kamin erfahren haben<br />
wurde. Indem Salis dies für unglaubwürdig hielt, hat er mit einem<br />
großen Aufwaude vou Kcnutuisseu, Scharfsiuu und Fleiß, im wesentlichen<br />
ohne Zweifel auch mit Erfolg, die Echtheit jener Urkunden bestritten.<br />
Aber er ist dabei noch nicht stehen geblieben, er hat auch zn erweisen<br />
versucht, daß auch die chronistischen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e urkundliche Nachrichten<br />
nichts enthalten, wodurch eine Herrschaft des Sachsellherzogs über<br />
Pommern erwiesen würde.')<br />
Unter diesen Umständen müssen wir die Ansicht dieses Forschers<br />
einer eingehenden Betrachtung unterwerfen und die einzelnen Angaben<br />
unserer Quellen hier noch einmal heranziehen. Zuerst mögen die<br />
Chroniken sprechen.<br />
Bezüglich Rügens erzählt Helmold, Heinrich habe uach <strong>der</strong> Eroberung<br />
<strong>der</strong> Insel durch Dänen und Pommern laut früheren Vertrages vou<br />
König Waldemar die Hälfte <strong>der</strong> Beute uud des Tributes beansprucht<br />
und schließlich auch erhalten; Salis hält das nicht für beweisend:<br />
„Helmold sagt teiu Wort davon, daß Heinrich <strong>der</strong> Löwe die Territorialherrschaft<br />
über die halbe In,'el Nügeu im Jahre 1170 besessen<br />
habe" (L. 327). Salis will das gleiche offenbar auch von <strong>der</strong><br />
Oberhoheit sagen. Aber Helmold schreibt weiter:') et mi8,t (lux<br />
l) S. 325. Eine Territorialherrschaft Heinrichs d. L. auf pommerschem Voden<br />
hat nicht eximert.<br />
') Oltaoausgabe S. 219.
m den Jahren N90 bis 12l4. 34l<br />
nunci03 8U0f; crlm nnncn8 re^if; in terr^m fl^norum et serviei-unt ei<br />
cui» tributo I^Hln. Hier drückt <strong>der</strong> Chronist sich meines Erachtens<br />
ganz nnzwcidentig aus. Salis gedenkt, soviel ich sehe, dieser Stelle nicht<br />
ausdrücklich; übersehen dürfte er sie kaum haben, also schreibt er sie wohl<br />
dem von ihm mehrfach scharf hervorgehobenen Pragmatismus Helmolds<br />
zu. Wird das aber angehen? Daß <strong>der</strong> Wahldäne Saxo, dessen<br />
Pragmatismus noch viel größer ist als <strong>der</strong> des Pfarrers von Nosau, diesen<br />
Vorgang nicht erzählt, darf meines Erachtens nicht als ein arssumenwin<br />
e mlentia gegen Helmold aufgefaßt werden.<br />
Die Unterwerfung <strong>der</strong> Pommern unter den Sachsenherzog erwähnt<br />
auch Saxo^) ausdrücklich: Interea Ku.7.imn.ru8 el Nu<br />
vilium mein ^leiuicl) «e Zndcimit, reßlium^ue 8l»um<br />
8l^x0inci inunen» snciunt; usw. Beson<strong>der</strong>en Wert hat diese dänische<br />
Nachricht durch den Umstand, daß Saxo, neidisch und prahlerisch zugleich,<br />
die Unterwerfung lediglich ans die Dänenangst <strong>der</strong> Pommern zurückfuhrt.<br />
So darf sie meines Erachtens als znverlässig gelten.<br />
Sind nach dieser Angabe beide Herzöge in Abhängigkeit von Heinrich<br />
gelangt, so bringt Saxo an einer früheren Stelle, noch vor <strong>der</strong> Erzählung<br />
von <strong>der</strong> Eroberung Rügens, eine ähnliche über Aogislaw allein:^) Heinrich,<br />
i Danorum inew nbsequium pactu8, beklagt sich bei Waldemar,<br />
militem 8uum UuFÌ82la.vum, coram ne non accuLnUim, I)t^!l0<br />
Hier tritt uns ein regelrechtes Lehnsverhältnis in den Ausdrücken<br />
und den Ansprüchen Heinrichs entgegen, denn <strong>der</strong> Lehnsmann ist von einem<br />
dritten wegen etwaiger Übergriffe vor seinem Lehnsherren anzusprechen.<br />
Hinsichtlich <strong>der</strong> Glaubwürdigkeit <strong>der</strong> Nachricht gilt das Gleiche, wie bei<br />
<strong>der</strong> vorigen. Zu einem noch früheren Zcilpnnlte, schon vor N
242 Die staatsrechtlichen Verhältnisse Pommerns<br />
Fürsten nach <strong>der</strong> von Helmold geschil<strong>der</strong>ten Zeit erfolgt ist. Aber<br />
an<strong>der</strong>erseits darf man wohl fragen, ob Helmold mehr, als er es wirklich<br />
tnt, von <strong>der</strong> tatsächlichen Unterordnung <strong>der</strong> Pommern unter Heinrichs<br />
Befehle sprechen kann. Aber über das, was er da sagt, äußert Salis:<br />
„sein lnit Vorliebe auf die Pommern bezogenes lolimtnr ^aesm ?t<br />
odtemperant, manäat doNum et llicunt: a.88umu8! ist eine Phrase und<br />
weiter nichts". Daß es das ist, meine ich, musile bewiesen werden,<br />
an<strong>der</strong>nfalls wird man in diesen und ähnlichen Worten des Chronisten<br />
die von Salis zu Unrecht bei Helmold vermißte Nachricht „von <strong>der</strong><br />
Eroberung Pommerns durch seinen Helden" erblicken dürfen. Die<br />
Angabe, Heinrich habe den Pommern die Unterstntznng <strong>der</strong> Dänen im<br />
Kampfe gegen Rügen aufgetragen, stimmt damit durchaus überein. So<br />
wird man denn die erste Unterwerfung zu Ende 1166 o<strong>der</strong> zu 1167<br />
ansetzen dürfen, jedenfalls nicht früher; damals war es, wo die Pommern<br />
den Obotriten Pridislaw von sich abschüttelten, wie Helmold erzählt,<br />
llnter Hinweis anf die ihnen von den Sachsen seinetwegen drohende<br />
Gefahr. Sollte dies wirtlich bloß durch Drohungen erzielt worden sein?<br />
Salis sagt: „Die Pommern, auf drei Seiten bedrängt, geben den Kampf<br />
auf". Sehr richtig, aber da die Pommern nicht die Angreifer, sou<strong>der</strong>u<br />
die Angegriffenen waren, kann das doch nur heißen, sie uuterwarfen sich,<br />
und das ist es ja eben, was Saxo sagt, und das sagt noch viel schärfer<br />
Helmold: ^umiliat? sunt. ißitur vire» 31av0rum nec auzi 8unt. mutii-6<br />
I>i-6 formi6ln6 lluciz (3. 34), und zwar nicht bloß in bezng auf den<br />
Obotritenfürsten. Gewiß ist auch das wie<strong>der</strong> eine recht starke rhetorische<br />
Übertreibung, aber eben eine Übertreibung, kein grnndlosos Geschwätz.<br />
Daß also sowohl nach dem dänischen ihn giftig neidenden, wie nach dem<br />
deutschen, ihn übermäßig erhebenden Chronisten <strong>der</strong> Herzog die Pommern<br />
unterworfen hat, läßt sich meines Erachlens nicht gnt bestreiten. Und<br />
das gilt von Bogislaw, welcher nicht bloß an und jenseit <strong>der</strong> O<strong>der</strong><br />
begütert war, son<strong>der</strong>n namentlich von Kasimirs) Dennoch ist Salis'<br />
Bemerkung, „Heinrich konnte das Land nicht unterwerfen, sonst hätte er<br />
es müssen" nicht ganz unberechtigt. Zwar meine ich, daß er irrt, wenn<br />
er die Gegend an <strong>der</strong> Peene den Wetterwinkel (für den deutschen Nord-<br />
osten) nennt, denn davon, daß scholl um diese Zeit von dort aus Einfälle<br />
iu das deutsche Gebiet erfolgt wären, verlautet, soviel ich sehe, nichts,<br />
und ebenso scheint Salis mir fehl zu gehen, wenn er Demmin als den<br />
„PreUbock" bezeichnet, „an dem sich mehr als eine deutsche WeUe brach".<br />
N64 hat ja Heinrich das von seinen Verteidigern geräumte Demmin<br />
') Die ausaedehnten Raisonnements. die Salis ^beson<strong>der</strong>s S. 328 f).hieraeaen<br />
vorbringt, können lei<strong>der</strong> kier nickt jedes für sick erörtert werden, die folgende<br />
Untersuchung oezw. Darstellung wird manches davon noch zu erwähnen haben.
in den Jahren 1180 bis 1214. ^4A<br />
zerstört, und daß er es 1177 nicht in seine Gewalt bekam, daran war<br />
doch nicht die Stärke <strong>der</strong> Festung schuld, son<strong>der</strong>n die auf Sachsen erfolgten<br />
Angriffe Ulrichs von Halberstadt. Darin aber hat Salis gewiß recht,<br />
wenn ich ihu so verstehen darf, das; Heinrich seine pommersche Eroberung<br />
nicht behaupten kouute; kaum hat er deu Nucken gedreht, da fällt das<br />
?aud wie<strong>der</strong> ab. Um so bcmerlenswertcr ist es, das; Kasimir I. nach<br />
jenem Mißerfolge Heinrichs im Jahre 1177, wo Arnold vou Lübeck<br />
den Herzog ol^iäiduk c!gti3 abziehen läßt, sich diesem völlig ergeben zeigt,<br />
fo völlig, daß er nicht lange nachher sich ganz iu seinen Dicust stellt;<br />
das bedarf also eiuer recht einleuchteudeu Erklärung, und diese stelle ich<br />
mir fo vor: 117k stirbt Pnbislaw, ums Jahr 11l)4 <strong>der</strong> Schützling<br />
Kasimirs iu Demmiu, seit 1167 Heinrichs unbedingt ergebener Vasall.<br />
Oleich nach feinem Tode hat, so meiue ich, <strong>der</strong> Sachseuherzog unserm<br />
Kasimir den größeren bisher Pribislaw gehörigen Teil Zirzipauieus, auf<br />
den er altcu Anspruch haben mochte, übertrageu und so erreicht, was<br />
er durch Waffengewalt uicht vermocht hattet)<br />
Soweit lonnteu wir die Chroniken sprechen lasfeu; wie steht es uun<br />
mit den Urtuuden?<br />
Salis hat meines Erachtens den Veweis erbracht, daß sechs<br />
Urtnudeu eutwe<strong>der</strong> bis zur Unbrauchbarkcit iuterpoliert o<strong>der</strong> ganz gefälscht<br />
sind, die Friedrichs 1. vom Jahre 1170, zwei Heiurichs vom 9. September<br />
1171, sowie die Bulleu Urbaus Ili., Clemeus' lll. und Coelesüus III.<br />
aus den Jahren 1186, 1189 uud 1197;^) aber bezüglich eiuer <strong>der</strong> von<br />
ihm beaustaudetcu Urkunden, <strong>der</strong> Bulle Alexan<strong>der</strong>s lll. vom Frühjahr<br />
1178/) scheint mir dieser Veweis vou ihm uicht erbracht zu sein.<br />
Uud diese Urkunde enthält emeu Satz, <strong>der</strong> iu Verbindung mit <strong>der</strong><br />
Koldbulle Kaiser Ottos I V. vom Jahre 1211 meiues Erachteus ausreicht,<br />
um die bisherige Auffassuug <strong>der</strong> Verhältnisse doch als zu recht bestehend<br />
erscheinen zu lassen.<br />
Salis selbst erkennt au, daß sich die Urkunde vom Jahre 1178 von<br />
den schweren Verstößen gegen die Glaubwürdigkeit, welche er mit Recht<br />
drei an<strong>der</strong>en augeblicheu Papsturkunden zur Last legt, im wesentlichen frei<br />
'j Salis, S. 43. ist geneigt, die Erwerbung Zirzipanientz durch Kasimir in<br />
das Jahr N64 zu setzen und aus dessen freiwillige Abtretung seitens des bisherigen<br />
Besitzers an leinen Beschützer zurückzuführen; das will nn^ wenig wahrscheinlich<br />
bedunken. Übrigens ist jedes Urteil über die Hesitzuerhültnisse in diesem Lande<br />
bis 12l5 hin sehr unsicher; ich komme aber noch mehrfach darauf zurück und dille<br />
die verschiedenen Erwähnungen des Landes zu beachten; nur aus dem Zusammen«<br />
hange läßt sich meine Annahme erklären und verstehen.<br />
2) 50(l. 6i,i1. ?0„l. Nr 25. 32. 59, 69 u. P. U.«B., Bd. I, 98, Nr. 132.<br />
Meckl. U.-B. Nr. 91. 100 ö u. (^, NI, 149. 162.<br />
') 0ocl. Nr. 44. M. U-H. Nr. 124.
344 Die staatsrechtlichen Verbölmisse Pommerns<br />
hält. Sie tnt aber mehr, sie ist bescheiden in ihren Ansprüchen (abgesehen<br />
natürlich von Pommern), atmet keinerlei Kampfstimmung, sie schweigt<br />
sich ans über die nach I20l) streitigen Grenzen gegen Havel<strong>der</strong>g dezw.<br />
sie gibt sie in einer Weise an, wie es unmöglich jemand, <strong>der</strong> später<br />
<strong>der</strong> Schweriner Kirche Vorteile o<strong>der</strong> auch nur Sicherheit ihres Bestandes<br />
verschaffen wollte, tun konnte. Wenn sie z. B. die Grenze <strong>der</strong> provincia<br />
in den Jahren 1180 bis 1214 245<br />
Fällen gleich, bei dem Fälscher vielleicht noch größer. Salis meint das<br />
bestreiten zu sollen, erjagt: wenn Aischof Verno N78 nach Rom ging,<br />
(bloß) nm sich seine Güter bestätigen zn lassen, wird er sicher alles<br />
vorhandene Beweismaterial mitgenommen haben. Wenn es Verno mm<br />
aber garnicht ans die kleinen Stücke, son<strong>der</strong>n ans den großen innerhalb<br />
Pommerns gelegenen Besitz angekommen wäre! Aber wir wissen doch<br />
nicht, ob Verno nur deshalb die Reise unternommen hat? Auf diesen<br />
Punkt kommen wir noch wie<strong>der</strong> zurück. Im übrigen darf man sagen,<br />
wenn das Fehleu einiger Besihtitel ein wesentliches Verdachtsmoment<br />
darbieten sollte, dann würde es auch gegeu dle Kaiserdulle von 1211<br />
sprechend)<br />
Wenn sodann von Salis weiter geltend gemacht wird, es seien<br />
mehrfach unrichtige Namen <strong>der</strong> Stifter <strong>der</strong> betreffenden Güter genannt,<br />
so trifft das für Kasimir wohl nicht zu; das ^aud Barth-Triebsees,<br />
iunerhalb dessen die fraglichen Orte lagen, hat damals aller Wahr-<br />
scheinlichkeit nach noch zu Pommern gehört, nicht schon zu Nilgen, wie<br />
Salis annimmt.')<br />
Wenn dann ferner unserer Bulle in einer echten Bestätigungs-<br />
urkunde Papst Coelestins vom Jahre 1191 nicht gedacht wird, während<br />
diese einer audcreu von Clemens III. gedenkt, so kann daraus uoch nicht<br />
geschlossen werden, daß sie nicht vorhanden war; <strong>der</strong> Bestätige nennt<br />
eben nur die nüchstjüngere, auf die er auch noch zurückgeht. Was<br />
endlich Salis' Meinung angeht, die verdächtigen Papsturkundcu seien in<br />
Rom alle gleichzeitig hergestellt worden, so bringt er selbst meines<br />
Trachtens Material genug bei, um uns davon bezüglich <strong>der</strong> drei<br />
an<strong>der</strong>en zu überzeugen, bezüglich unserer doch wesentlich an<strong>der</strong>s gearteten<br />
Bulleu hätte er den Beweis, daß sie in diesen Neigen örtlich und<br />
zeitlich mit hineingehört, doch wohl auch geson<strong>der</strong>t erbringen müssen; er<br />
') S. die Tafel bei Salis, S. 348-51.<br />
2) Salis, S. 286 und gl6. Wenn Velsckww in <strong>der</strong> Saxoausgabe<br />
(S. 982, Anm. 2) die Anbie<strong>der</strong>ung des Landes Banh-Triebsees zu 1183 setzt<br />
unter Hinweis aus die Nachricht des Textes zum Jahre 1184-85. dah es damals<br />
<strong>der</strong> Botmäßigkeit des Königs unterstand, so kann mau dem zustimmen; wenn er<br />
aber an<strong>der</strong>erseits meint, es habe auch schon früher einmal nach 1167 zeitweilig zu<br />
Dänemark gehört, so ist das abzuweisen; vor <strong>der</strong> Eroberung Rügens ist da« doch<br />
wohl ausgeschlossen; aber angenommen, es wäre <strong>der</strong> Fall, so ist das ^and dann<br />
doch infolge des Vertrags von <strong>der</strong> Ei<strong>der</strong>brü'cke 117l an Pommern zurückgelangt,<br />
und so könnte die Spülung jener Dörfer seitens Kasinms sehr wohl zwischen<br />
1171 und 1183 erfolgt sein. Übrigens ist es schr wohl möglich, datz Iarimar<br />
Tribsees noch später als 1183 in seinen Besitz bekommen hm; die pommerscheu<br />
Herzöge betrachten es noch zu Anfang des 13 Jahrhun<strong>der</strong>ts als ihnen von rechts'<br />
wegen zugehörend.
246 Die staatsrechtlichen Verhältnisse Pommerns<br />
kündet auf Seite 300 auch die Absicht an, es zu tun. Sollte ich den<br />
betreffenden Abschnitt übersehen haben, bitte ich nm Vergebung.<br />
Dem Fehlen <strong>der</strong> Unterschrift des Papstes legt Salis selbst, wie<br />
mich dünkt, eine erhebliche Beweiskraft nicht bei; auch für das Tagesdatum<br />
ist <strong>der</strong> Raum offen geblieben. Hätte ein Fälscher nicht gerade<br />
darin an<strong>der</strong>s gehandelt? Ich möchte in dem Fehlen <strong>der</strong> beiden wichtigen<br />
Einzeichnungen gerade ein Zeichen <strong>der</strong> Echtheit <strong>der</strong> Urkunde erblicken.<br />
Aber nnn bleibt noch das wichtigste Beweisstück zu erörteru: das<br />
Datum unserer Urkunde, das übrigens an sich schon durch seine<br />
Fassung Juteresse erregt, trägt das (dreifach gesicherte) Jahr 1178.<br />
Damals soll sie uach dem Texte Bischof Beruo selbst in Nom erwirkt<br />
haben. NUN aber ist es gut überliefert, daß Verno im Jahre 1179,<br />
und zwar in den gleichen Frühiahrswochru, nach Non: gereist ist, um<br />
dort an einer Synode teil zu nehmen; somit, deduziert Salis, kann er<br />
unmöglich auch l178 in Rom gewesen sein, denn daß er zwei Jahre<br />
hintereinan<strong>der</strong> die beschwerliche Winterreise von Schwerin nach Nom<br />
unternommen hat, muß so gut wie ausgeschlosseu erscheinen. Das scheint<br />
ja gewiß plausibel.<br />
Es gibt nnn aber ans dem Frühjahr 1178 eine Nachricht, <strong>der</strong>znfolge<br />
Verno damals einen Altar in Clmr geweiht hat; wir dürsten also mit<br />
Salis auch dieser Nachricht keinen Glauben scheukcu, müßten anch diesen<br />
Vorgang auf 1179 umdatieren. Das erscheint aber doch sehr bedenklich,<br />
und was Salis für die Berechtigung einer solchen Äu<strong>der</strong>ung vorbringt,<br />
ist meines Erachtens nicht zwingend. Ja, noch eine dritte Angabe über<br />
Bernos Anwesenheit im deutschen Süden, welche das Jahr 1178 trägt,<br />
aber allerdings etwas weuiger gesichert ist und die Möglichkeit eines<br />
Irrtums offen läßt, müßte statt auf 1178 auf 1179 datiert werden!<br />
Dem glande ich denn doch nicht folgen zu können.<br />
Salis stellt dann cm Ncmonnement an, nm darzutun, daß auch nach sage<br />
<strong>der</strong> politischen Verhältnisse eine Neise Bernos nach Nom im Frühjahr ! 178<br />
höchst unwahrscheinlich ist. Auch dem wird mau nicht beipflichten können,<br />
im Gegenteil war, meines Erachtens, nm diese Zeit, wo von einem Prozeß<br />
gegen Heinrich den ^öwen noch garnichts verkantete, eine solche Reise<br />
Bernos ganz unbedenklich. Wir wissen ja anch garnicht, was den<br />
Bischof zu einer solchen veranlaßt haben kann. Man kann daran denken,<br />
daß er dem nun allgemein anerkannten Papste seinen Missionsbericht<br />
hat abstatten wollen, <strong>der</strong> in Nom gewiß hohes Interesse erregen mußte,<br />
er kann sogar von Alexan<strong>der</strong> zu diesem Zwecke dorthin gerufen sein!<br />
Daß er dann die Gelegenheit benutzt hat, eine Bestätigung seiner Güter<br />
zu erwirken, wer will sich wun<strong>der</strong>n! Und dann hat <strong>der</strong> Papst ihn<br />
schätzen gelernt und veranlaßt, auch im nächsten Jahre zu <strong>der</strong> Synode
in den Jahren 1!80 bis 1214 247<br />
noch einmal in Nom zu erscheinen. Daß die im Vorstehenden skizzierte<br />
Annahme irgend wie unwahrscheinlich ist, kann ich nicht glauben.<br />
Alles in allem bietet also die Urkunde wohl einige Schwierigkeiten<br />
dar, doch reichen diese meines Erachtens nicht ans, um sie als falsch<br />
zu bezeichnen. So glaube ich denn auch, daß Halis auf ihre Beanstandung<br />
aus diplomatischen Gründen nicht gekommen sein wurde, wenn sie nicht<br />
jenen Passns bezüglich <strong>der</strong> Peenegrenze enthielte, <strong>der</strong> für Lalis unannehmbar<br />
ist. Ist diese Urkunde echt, dann hat eben die Herrschaft Heinrichs d. V.<br />
zur Zeit ihrer Ausstellung !178 bis an die Pecne, und sogar über sie<br />
hinaus, und bis an die Ostsee gereicht, denn nach <strong>der</strong> unbeanstandeten<br />
Kaiserurkunde Ottos IV. vom Jahre 1211 soll die Eprengelgrenze<br />
Schwerins zusammenfallen mit <strong>der</strong> des dicktu» 8axm»l6 V6ri>u8 ^lußiam<br />
et ^omeramam et. marHiam Ki-and6ndurß6n86m, nnd zwar soll diese<br />
Bestimmung beruhen anf <strong>der</strong> Verfügung von Ottos Vater, eben Herzog<br />
Heinrichs)<br />
Salis selbst faßt, gewiß mit Necht, die (Noldbulle des Kaisers in<br />
erster ^inie als eine Bestätigung altuerbriefter Rechte auf. Aber wenn<br />
ich recht sehe, so ist seine Anschauung über den engen Umfang des<br />
Herzogtums Sachsen zn Heinrichs Zeit, über seine und damit auch des<br />
Bistums Schwerin Beschränkung anf Mecklenburg mit jener Auffassung<br />
nicht recht vereinbar.<br />
Salis selbst rechnet hier das Land zwischen Nebel, Trebel, Necknitz<br />
und Peene während des 12. Jahrhun<strong>der</strong>ts und noch zu Anfang des<br />
13. politisch zu Pommern, kirchlich aber cl6 iui-6 und 6? woto zn<br />
Schwerin. Vielleicht tut er das erstere zu Unrecht? Ob in <strong>der</strong> für uns<br />
in Frage kommenden Zeit, Ende 1177, Anfang 1178, ganz Zirzipanien<br />
zu Pommern gehört hat, ist nicht nachweisbar,") vielleicht würde man<br />
aus <strong>der</strong> Erzählung Helmolds über die kriegerischen Vorgänge des<br />
Jahres 1170, die Angriffe auf die dänischen Inseln und den daranf<br />
1171 erfolgenden Einfall Waldemars in Zirzipanien 2) den Schluß zu<br />
ziehen geneigt sein, daß dieses ttand damals zu Pommern gehört hat;<br />
aber das geht nicht an; auch Pribislaw, <strong>der</strong> Mecklenburger, muß an<br />
den Beutezügen nach Dänemark beteiligt gewesen sein (wie er ja auch<br />
an <strong>der</strong> Eroberung Rügens teilgenommen hatte), denn nach Helmolds<br />
Mitteilung sind damals Massen dänischer Sklaven auf dem Markte<br />
') Coä. Nr. 93.<br />
') Die nicht spärlichen Erwähnungen dieser Vesitzverliältnisse in <strong>der</strong> Literatur,<br />
namentlich in den Mecklenburgischen Jahrbüchern, sind deshalb für uns nur schlecht<br />
verwendbar, weil darin meist aus die Kmsermkunde von 1170, die ja mchl beweis«<br />
kräftig ist, bezug genommen wird.<br />
2) He Imo ld, S. 218. Saxo, S. 643 ff.
Die staatsrechtlichen Verhältnisse Pommerns<br />
von Mecklenburg verlauft worden; also mnßtc <strong>der</strong> Nachezua. des Königs<br />
ebenso gut gegen Mecklenburg wie gegen Pommern gehen, und die<br />
Richtung dieses Zuges deutet eher auf jenes Land als auf dieses hin.<br />
Daß also im Frühjahr 1178 zur Zeit <strong>der</strong> Alcxan<strong>der</strong>bullc ganz<br />
Zirzipanicn schon pommerjch gewesen ist, läßt sich nicht beweisen, ich<br />
habe oben die Vermutung geäuftert, daß es erst im weiteren Verlaufe<br />
des Jahres den Herreu gewechselt hat; das aber wissen wir bestimmt,<br />
' daß schon im Jahre 1171 ein Teil des Landes im Eigentum Kasimirs<br />
von Pommeru gewesen ist und doch kirchlich zu Schwerin gehört hat;<br />
denn damals erfolgte die Gründuug des Klosters Dargun unter<br />
gemeinsamer Betätigung dieser beiden Fattore». Wie groß <strong>der</strong> pommersche<br />
Anteil an Zirzipanien damals gewesen ist, können wir ganz und gar<br />
nicht beurteilen, Salis, ist geneigt, ihn als unbedeutend anzusehen;<br />
möglich, aber es kann auch die Hälfte und mehr gewesen sein. Aber<br />
schließlich kommt es doch ans die Größe des betreffenden Stückes nicht all,<br />
jedenfalls steht fest, daß ein Teil des Schweriner Sprengels zn <strong>der</strong> Zeit,<br />
wo seine Zuweisung durch Heinrich d. ^. erfolgt ist, außerhalb <strong>der</strong><br />
Grenzen des damaligen Mecklenburgs gelegen hat, daß also <strong>der</strong> Oucatus<br />
8axolli6 weiter als dieses gereicht hat. Und an dieser Stelle hat sich<br />
an den Verhältnissen bis zur Bestätigung <strong>der</strong> Rechte Schwerins durch<br />
Kaiser Otto IV. nichts geän<strong>der</strong>t. Darauf aber wollen wir erst weiter<br />
unten eingehen.<br />
Salis macht ferner geltend, daß das Bistum Schwerin in den<br />
von <strong>der</strong> Alexan<strong>der</strong>bulle ihm zugesprochenen Gebieten Pommerns niemals<br />
irgend eine Amtshandlung vorgenommen hat. Das ist zweifellos richtig,<br />
erklärt sich aber nnschwer nnd trügt für die Angaben unserer Urkunde<br />
von 1178 nichts aus. Fast unmittelbar nach ihrer Ausstellung hörte<br />
ja die Macht Heinrichs in Pommern auf, und Herzog Vogislaw, <strong>der</strong><br />
nun bald über ganz Pommern gebot, hatte keine Veranlassung, die von<br />
ihm nicht anerkannten Ansprüche des Schweriners zu ungunsten seines<br />
eigenen Landesbischofs zu unterstützen, nnd ohne eine solche Unterstützung<br />
seitens <strong>der</strong> landesherrlichen Gewalt waren alle kirchlichen Ansprüche, wie<br />
auch Salis mit vottem Rechte betont, in jenen Zeiten wirkungslos. Erst<br />
recht mußte <strong>der</strong> Ansprnch Schwerins auf Nügen mißglücken, zumal hier<br />
Alexan<strong>der</strong> III. selbst noch, wahrscheinlich infolge einer Klage über<br />
Schweriner Begehrlichkeit, die guten Rechte Noeslildes, das er ja l
in den Jahren 1180 bis I2i4. 249<br />
das von ihm selbst 1169 an Noeslild gewiesene liö nicht wie<strong>der</strong>erkannt<br />
und es demnach (zur Hälfte) versehentlich 1178 Schwerin zugesprochen<br />
hatte, können wir wohl verstehen, ohne darum jene Angabe <strong>der</strong> Urkunde<br />
von 117« zu beanstanden. Man wird wohl nicht fehl greifen, wenn<br />
man annimmt, dah sich in <strong>der</strong> Papsturknnde von 11^0 für Noeslild<br />
die Wirkung <strong>der</strong>jenigen von 1178 zeigt, und dasselbe wird man annehmen<br />
dürfen bezüglich des Diploms, durch welches Kaiser Friedrich 1179 dem<br />
Bistum Havelberg seine alten Sprengelrechte einschließlich <strong>der</strong> Pecue-<br />
landichaften neu bestätigt. ^) An<strong>der</strong>erseits hat <strong>der</strong> Bischof von Schwerin,<br />
wahrscheinlich noch im 12. Jahrhun<strong>der</strong>t, seinen Anspruch auf das inzwischen<br />
an Rügen gelangte ^aud Triebsees-Äarth (das nicht zu Roeskild gehörte)<br />
durchgesetzt, weil Fürst Iarimar ihn hier lieber sehen mußte als deu<br />
unter Einfluß Vogislaws bezw. seiner Erben stehenden pommerschm<br />
^audesbischof; daß ihm dabei die Bulle Alexan<strong>der</strong>s Borschub geleistet<br />
hat, darf man wohl annehmen.<br />
Wenn ich nach allem dem die Urkunde von 1178 für echt halte,<br />
fo meine ich wird mau Salis' Auffassung doch in einem Punkte<br />
entgegenkommen dürfen: ich meine, was Alexan<strong>der</strong> 1178 bestätigte, war<br />
doch nur Anspruch Schwerins, nicht Recht, auch nicht im Sinne<br />
Heinrichs des ^öwen; Heinrich hat, so meine ich, dem Bistum als<br />
Ostgrenze wirklich die Grenze Mecklenburg-Sachsens zuweisen wollen,<br />
abcr so wie sie damals, 117 l, wohl schon zur Zeit vor <strong>der</strong> Unterjochung<br />
Pommerns war; Berno hat dann später <strong>der</strong> verän<strong>der</strong>ten ^age auf seiue<br />
Weise Rechnung getragen, die frühere, jetzt unmöglich in diesem Sinne mehr<br />
gemeinte Grenzbestimmung in seiner Weise, nach dem neuerlichen Status<br />
ausgelegt und die neu für Sachsen gewonnenen Gebiete einzeln mit in<br />
seine Nestätigungsurkunde aufnehmen lassen; für uus aber bleibt, solange<br />
die Urkunde vou 1178 nickt auch hinsichtlich ihrer Form als Fälschung<br />
unumstößlich nachgewiesen wird, bestehen, daß Heinrich <strong>der</strong> ^öwe im<br />
Jahre 1178 Pommern (ungefähr) iu dem in <strong>der</strong> Urkunde angegebenen<br />
Umfange <strong>der</strong> Diözese Schwerin beherrscht o<strong>der</strong> doch wenigstens mit mehr<br />
o<strong>der</strong> weniger gutem Rechte zu seinem Herzogtum gerechnet hat.^)<br />
Wer dies leugnen will, <strong>der</strong> wird sich genötigt sehen zu erkläre»,<br />
wie die Schweriner Fälscher auf den Gedanken getommcu sei» könne«,<br />
dem sächsischen Herzogtum eine solche Ausdehnuug beizulegen, die sie<br />
doch nicht ganz aus <strong>der</strong> ^!uft gegriffen haben könneu. Talis meint das<br />
») 0oä. Nr 47.<br />
') Aus die Grenzen im einzelnen kommt dabei für unsere Zwecke nicht viel<br />
an. Gerade für die östlichen Peenelandschajtm scheint die Vestimmuna. in <strong>der</strong><br />
Urkunde von 1178 sogar absichtlich unklar gehalten zu jem: per Nuris ot, ^oleuxli<br />
i Oroxwiu vl. ?eurm üuvmm. P. U.-V, Bd. I, 4!), lir. 7b<br />
Valnsche Studien N. F. XVU. 17
Die ftantsrecktlicken Verhältnisse Pommerns<br />
zu können, er ist <strong>der</strong> Ansicht, sie hätten ihre politischen Kenntnisse aus<br />
Helmold geschöpft, den sie in ihrem Sinne allsgelegt hätten. Er versucht<br />
dies dadurch wahrscheinlich zu machen, daß er dartllt, sie hatten die<br />
Chronik seines Fortsctzers Arnold gekannt lS. 353). Wenn dieser Beweis<br />
erbracht wndcu kounte, würde er meines Erachtens doch für die Sache<br />
wenig austragen, aber ich kann mich auch nicht damit befreunden, daß<br />
er gelnngen ist; die Übercinstimmnngen, die Salis nachweist, sind meines<br />
Erachtens doch zu allgemeiner Art.<br />
lassen wir mmmehr endgültig die Papsturkunden des 12. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />
bei Seite, so meine ick, daß auch ganz unverdächtige Zengnisse späterer<br />
Zeit für eine Ausdehnung <strong>der</strong> Herrschaft Heinrichs des Löwen über die<br />
Ostgrenze Mecklenburgs hinaus vorhanden sind. Nach <strong>der</strong> allgemeiuen,<br />
soviel ich sehe ausnahmslos geteilten Ansicht hat das Herzogtum Sachsen<br />
in nnseren Gegenden mit dem Jahre 1179/fti zu bestehen nnfgehört;<br />
ich bin dagegen <strong>der</strong> Ansicht, daß dies nicht <strong>der</strong> Fall ist, daß vielmehr<br />
we<strong>der</strong> die Aelehnung von Gelnhausen noch die Vorgänge von Lübeck,<br />
welcher Art sie für Bogislaw I. immer gewesen sind, au dem durch<br />
Heinrich geschaffenen Ncchtszustande etwas geän<strong>der</strong>t haben.<br />
Für diese Ansicht sprechen zunächst die sachlich gleichlautenden Urkunden<br />
des Königs und des Kaisers Otto IV. vom Jahre 1209 und 1211. Wenn<br />
nach ihren Angaben Schwerin bis an die Grenze des I)uc3.tu8 Naxonis<br />
gegen Mgen, Pommern, Brandenburg reichen soll, so kann das doch<br />
nur den auch 1209/11 noch zu recht bestehenden Zustand kennzeichnen<br />
wollen; nun ist aber, was wir zum Jahre 117^ nur teilweise und<br />
unsicher erweisen konnten, für diese Jahre einwandfrei nachweisbar,<br />
nämlich daß Zirzipanien nicht zu Meckleuburg gehörte; Schweriu würde<br />
also, wenn die Ansicht vom Aufhören <strong>der</strong> sächsischen Herzogsrcchte mit<br />
den Jahren 1179/tti zuträfe, 1209/11 eine Bestätigungsurknnde erwirkt<br />
haben, auf Grund <strong>der</strong>er ihm die Sprengelgewalt über Zirzipanien, die<br />
es doch gerade verteidigen will, abgesprochen wurde. Wie will man, mit<br />
dieser Urkunde in <strong>der</strong> Hand, Bischof Sigwin von Kamin aus Dargun<br />
wnanstreiben, in dem er sich schon 1209 eingenistet hat, wenn <strong>der</strong><br />
6u(nw8 8kX0ui6 nicht weiter reicht als Mecklenburg. Man beachte die<br />
Übereinstimmung dieses Jahres mit dem <strong>der</strong> Königsnrkunde Ottos I V.<br />
Genau auf dasselbe Ergebnis führt uns die Betrachtung <strong>der</strong><br />
Verhältnisse in Triebsees. Es gehört um diese Zeit, darüber herrscht<br />
kein Zweifel, zum Gebiete des Fürsten von Rügen, müßte also, wenn<br />
Heinrichs des Löwen Herrschaft auf Mecklenburg beschränkt gewesen wäre,<br />
nach dem Wortlaute <strong>der</strong> Urkunden voll 1209/11 vom Schweriner Sprengel<br />
ausgeschlossen sein; auch hier würde also Kamin o<strong>der</strong> gar Noeskild in<br />
<strong>der</strong> Kaiserurkunde eine Waffe für die Behauptung o<strong>der</strong> Gewinnung des
in den Jahren N?0 bis !2l4. 351<br />
Landes erhalten haben. Tatsächlich hat aber Schwerin das (Neblet, wenn<br />
nicht schon damals besessen, was doch auch Salis meint, so doch sicher<br />
in den nächsten Jahren erworben.^)<br />
So haben also die Urkunden Ottos IV. für Schwerin, das sich ja<br />
wohlgemerkt diejenige von 1209 im Jahre 121! von dcm nunmehrigen<br />
Kaiser noch einmal ausfertigen läßt, nur dann Sinn, wenn darin die<br />
lehnrechtlich eben damals bestehende Grenze des Herzogtums Sachsen<br />
ins Auge gefaßt ist, die also nachweislich Teile Pommerns mit einschloß.")<br />
Und daß das Herzogtum Sachsen auch noch fernerhin im Besitze<br />
dieser Rechte gewesen ist, dafür lassen sich Belege erbringen. Im Vertrage<br />
von Cremmen im Jahre 1236 schließt Herzog Wartislaw III., <strong>der</strong> da<br />
seine sonstigen Vän<strong>der</strong> von dem Markgrafen von Vraudeuburg zu ^eheu<br />
nimmt, diejenigen aus,
Die staatsrechtlichen Verhältnisse Pommerns<br />
erkennt Wizlaw III. dies als durchaus zurecht bestellend an. Kann man<br />
diese Angaben wirklich für jedes Nechtsbodens bar, o<strong>der</strong> aber als durch<br />
jüngst vorhergehende Vorgänge, von denen gar nichts bekannt ist, ja die<br />
nicht einmal irgendwie wahrscheinlich sind, herbeigeführt erklären? Daß<br />
in diesem letzten Falle des halben insularen Rügens <strong>der</strong> Urkunde von<br />
1178 nicht gedacht wird, erklart sich hinreichend ans den unantastbaren<br />
Rechts- und Machtverhältnissen Dänemarks und Noestildes.<br />
So scheint mir also, selbst wenn die Aleran<strong>der</strong>bnllc gefälscht sein<br />
sollte, aus den chronistischen Angaben, wie aus den unangefochtenen<br />
Urkunden hinreichend erwiesen zu sein, daß Heinrich <strong>der</strong> ^öwe sein<br />
Herzogtum lxzw. seine Oberhcrrlichkcit im letzten Jahrzehnt seiner Blüte<br />
über einen großen Teil Vorpommerns ausgedehnt hat.')<br />
III. Der Sturz Heinrichs des LAwen in seiner<br />
Bedeutung für Vommern.<br />
Für Heinrich den Löwen war seit Ende des Jahres 1178, wo<br />
alle seine bisherigen Gegner sich gegen ihn zusammenschlössen, und <strong>der</strong><br />
nicht min<strong>der</strong> verletzte Kaiser ihnen endlich Gehör gegeben hatte, ein<br />
Kampf um die Existenz ausgebrochen<br />
In diesem Kampfe fand er nur eiuen Helfer, Kasimir von Demmin:<br />
es zeugt von dem gewaltigen Eindrucke, welchen Heinrichs Persönlichkeit<br />
auf diesen Pommernfürsten gemacht haben muß, daß Kasimir in dem<br />
Vertrauen auf den endlichen Sieg des außerordentlichen Mannes die<br />
eigenen Mittel nicht bloß für ihn in die Wagschale warf, son<strong>der</strong>n sogar<br />
seine ganze Stellung aufs Spiel setzte. Was früher Heinrich selbst an<br />
Kasimir bekämpft hatte, die unbändige Kraft und Wildheit, die ungezügelte<br />
Freude an Kampf und Raub, das wurde jetzt für ihn entfesselt, losgelassen<br />
gegen deutsche Fürsten, mit welchen Kasimir vorher niemals in<br />
Streit zu kommen Gelegenheit gehabt hatte; l l?9 wurde von ihm das<br />
Gebiet des Erzbischofs von Magdeburg, 1180 das des Markgrafen von<br />
Meißen furchtbar verheert.<br />
Dabei tonnte es nicht ausbleiben, daß auch brandenburgische Landschaften<br />
durchzogen wurden und die wilden Krieger werden auch hier um<br />
') Es ist mir nicht son<strong>der</strong>lich erfreulich gewesen, einen großen Teil meiner<br />
kleinen Abhandlung mit einer Auseinan<strong>der</strong>setzung mit <strong>der</strong> Auifassung meines mir<br />
sehr lieben jüngeren Freundes und ehelnaligen Sämlers ausfüllen zu müssen, dem ich<br />
übrigens die bessere Kenntnis auf diplomatischem Gebiete willig zugestehe. Ich<br />
hoffe aber, daß ich ihn zu überzeugen im stände gewesen bin
in den Inhren NN0 bis l2t4<br />
so weniger an sich gehalten haben, als die Familie <strong>der</strong> Askanier seit<br />
dem Frühjahr 117') ossen zu den Feinden Heinrichs des Löwen über-<br />
getreten war. Im Jahre 1177 hatte Markgraf Otto, einer Anfor<strong>der</strong>ung<br />
Heinrichs folgend, an dessen ergebnislosem Feldzuge gegen Kasimir und<br />
seine Hauptscste Dem min teilgenommen. Vielleicht war noch von jener<br />
Zeit her eine beson<strong>der</strong>e Feindseligkeit zwischen beiden Fürsten zurück-<br />
geblieben. In dem neu zwischeu ihueu ausbrechenden offenen Kampfe<br />
ist Kasimir nach anfanglichem Siege geschlagen und erschlagen worden<br />
(Spätherbst 1180).<br />
Dieser Sieg, welcher von <strong>der</strong> zeitgenössischen Chronistik in <strong>der</strong> Neihe<br />
<strong>der</strong> grohen Erfolge <strong>der</strong> Deutschen über die Wenden gesetzt wird, eröffnete<br />
dem Markgrafen die Aussicht, sich iu deu Besitz <strong>der</strong> vän<strong>der</strong> des gefällten<br />
Gegners zu setzen, auf welche er ja an stch schon Lehnsanipruchc hatte,<br />
o<strong>der</strong> doch den an sein eigenes Gebiet angrenzenden Teil desselben zu<br />
gewinnen; dementsprechend brachte das Ereignis den Herzog Nogislaw,<br />
<strong>der</strong> meines Trachtens an <strong>der</strong> Unternehmung seines Bru<strong>der</strong>s völlig<br />
unbeteiligt gewesen war, in die Gefahr, daß er und sein Haus einen Teil<br />
seillcs Landes uud zwar den besseren, verlor, womöglich aber selbst in deu<br />
Fall <strong>der</strong> Demmiuer Herrschaft mit hineingezogen wurde. Dem Markgrafen<br />
und seinen Freunden zu wi<strong>der</strong>stehen reichten seine eigenen Kräfte nicht<br />
aus, zumal ja <strong>der</strong> Druck aus ihn we<strong>der</strong> von dänischer noch voll polnischer<br />
Seite m diesen Zeiten verringert worden sein dürfte. So setzte er sich<br />
mit Kaiser Friedrich in Verbindung, sei es, daß ihn dieser zuerst anging,<br />
wie erzählt wird, sei es, daß er seinerseits die erfteu Schritte tat; und<br />
als <strong>der</strong> Kaiser nun mit einem Heere vor Lübeck erschien (Frühjahr 1181),<br />
begab auch er sich, angeblich au <strong>der</strong> Spitze von Hülfstruppcu, dorthin,<br />
leistete ihm das komillium, den Eid <strong>der</strong> Mannschaft nnd versprach<br />
Tribut zu zahlen. Dafür wurde er dann vou dem Kaiser als Dux<br />
81n.via6 anerkannt, also auch des bisher seinen! Bru<strong>der</strong> gehörigen Anteiles,<br />
soweit dieses nicht, wie ich annehmen möchte, an Brandenburg tam. Hatte<br />
Markgraf Otto, was wir nicht beurteilen können, den Anspruch auf das<br />
Heimfallsrecht an das Gebiet Kasimirs o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Ansprüche größeren<br />
Umfanges erhoben, so sind sie aller Wahrscheinlichkeit nach nicht erfüllt<br />
worden, an<strong>der</strong>erseits dürften aber anch die althergebrachten verherrlichen<br />
Rechte sowohl des Herzogs von Lachsen, wie die des Markgrafen selbst<br />
durch die Lübecker Vorgänge eine H'ln<strong>der</strong>uug nicht erfahren haben.<br />
So wurde also Pommern äußerlich durch den Sturz Heinrichs,<br />
wie mir scheint, nicht so arg berührt; wohl verlor es, wahrscheiulich,<br />
eiu Stück Landes im Südwesten an Brandenburg, an<strong>der</strong>erseits wurdcu<br />
seine Gebiete jetzt wie<strong>der</strong> in einer Hand zusammengefaßt. Daß es in<br />
Heinrich einen starten Beschützer gegen die Allsprüche des Dänenkönigs
254 Die staatsrechtlichen Verbältnisse Pommerns<br />
verloren hatte, ohne dafür eine starke Stütze am Reiche zn gewinnen,<br />
das sah man damals wohl noch nicht, und so mochte sich Bogislaw des<br />
Ausgangs freuen, <strong>der</strong> ihm eine Anerkennung seines Titels liux 8Ikviae<br />
von seiteu <strong>der</strong> ersten weltlichen Gewalt <strong>der</strong> Christenheit eingetragen hatte.<br />
Ich habe im vorstehenden in Kürze dargelegt, wie ich mir den<br />
Verlanf <strong>der</strong> Dinge in den beiden Jahren Sommer 1179 bis dahin<br />
1181 vorstelle. Der kundige Leser wird gesehen haben, wie start meine<br />
Auffassung von <strong>der</strong> herkömmlichen abweicht. So wollen wir mm im<br />
folgenden die Vorgänge an <strong>der</strong> Hand <strong>der</strong> Quellen des näheren untersuchen.<br />
Fünf Punkte beson<strong>der</strong>s werden dessen bedürfen, 1. die Stellung<br />
Bogislaws zu seinem Bru<strong>der</strong>, 2. die Kriegsfahrten Kasimirs, 3. Zeit<br />
und Umstände seines Todes, 4. die Haltung Friedrichs gegenüber<br />
Bogislaw, b. endlich die Eroberungen Brandenburgs iu Pommern.<br />
1. Über das Verhältnis zwischen Vogislaw und Kasimir<br />
können wir eine sichere Vorstellung wohl kaum gewinnen. Aber wir<br />
wollen ans einzelnes hinweisen, a) Es ist uns keine einzige Urkunde<br />
erhalten, welche von den Brü<strong>der</strong>n gemeinsam ansgestellt ist. Freilich<br />
hatten sie je<strong>der</strong> ihren eigenen Herrschaftsbereich, immerhin besaßen sie<br />
doch in Kolberg ein gemeinsames Gebiet, und ebenso hätte sie das<br />
gleichartige Verhältnis zu Kamin gelegentlich zusammenführen müssen,<br />
k) In zwei Urkunden Dritter werden sie nebeneinan<strong>der</strong> als Zeugen<br />
usw. genannt; aber beiden Urkunden muß mau mit starkem Mißtrauen<br />
begegnen. An <strong>der</strong> erstens ist schon das Jahr unsicher; Klempin will<br />
sie, obwohl <strong>der</strong> Text das Jahr littst nennt, weil dazu die Indiktion<br />
stimmen würde, zu 1178 ansetzen. Die Handlung ist erfolgt angeblich<br />
auf eiuem Landtage an <strong>der</strong> Ückcrmündung (Ückermünde); unter den<br />
weltlichen Zeugen stehen voran 1. l!0mn,u8 llacxo, ^. llom.<br />
A. dom. Laximer. Ist es möglich, daß ein ganz unbekannter<br />
,In.oxo in Ückermünde in einer echten Urkunde für Grobe vor den beiden<br />
Vandesherzögen als Zeuge unterzeichnet? Im Register wird er, ohne<br />
irgend eine Aufklärung o<strong>der</strong> daran geknüpfte Erörterung, als Weudenfürst<br />
bezeichnet. Die zweite Urkunde ^) nennt Bogislaw < tts>ckxlkuii8> in <strong>der</strong><br />
Reihe <strong>der</strong> Zeugen einer von Kasimir in Trevtow ausgestellten Urkunde.<br />
Die Zeugeu <strong>der</strong> schon im „Original" stark interpolierten Urkunde sind<br />
nicht von <strong>der</strong> gleichen Hand eingetragen und geben auch sonst in<br />
mehrfacher Hinsicht wie anch <strong>der</strong> Inhalt zu Bedenken Anlaß. Erwägen<br />
wir nun, daß auch diese Urkunde für Grobe ausgefertigt ist, so wird<br />
') Ooä. Nr 26 P. U.-B. Bd. I. 4g.<br />
') Ooll. Nr. 37. P. U.-B. Bd. 1, 41.
in den Jahren 1180 bis 1214<br />
man mir gestatten müssen, diese beiden Urkunden, was ihre Zengen bezw.<br />
die Nennnng <strong>der</strong> fürstlichen Antcilmhmcr anbetrifft für gänzlich unzuverlässig<br />
anzusehen und mich ani dell Standpunkt zn stellen, dai; die gemeinsame<br />
Tätigkeit <strong>der</strong> beiden Bru<strong>der</strong> durch sie uicht erwiesen wird, c) Äogijlaw<br />
hat nach dem Tode Kasimirs einige von dessen 3tiftnngen als nuu-<br />
mehriger Laudeshcrr <strong>der</strong> betrcffeudeu Klöster bestätigt; w 4 Urtuudeu<br />
dieser Art nennt er ihn nur kurz trat^r meu8 o<strong>der</strong> er sctzt hiuzu lx>i'o<br />
memorie/) dagegen spricht er von dem Lwantiboriden Wartnlaw, seinem<br />
Vetter, <strong>der</strong> noch lebt, als (nrizzimus c(i^ll
256 . Die staatsrechtlichen Verhältnisse Pommerns<br />
aber, soweit die Pommern dabei in Frage kommen, an den Jahren N79<br />
nnd NW festhallen zu sollen.<br />
Hören wir die Quellen. Die Pegauer Annalen^) erzählen uns zum<br />
Jahre 1!W von einem Vcrwüstinlg^znge <strong>der</strong> sciavi, I^'^tici et.<br />
in die sausitz, auf Antrieb des Herzogs Heinrich; das (^romcon<br />
8ereiu (^autcrberger Chronik) berichtet zum Jahre 1179 einen Einfall <strong>der</strong><br />
Zelavi, I^itlieivici St f'lnlielani in das Magdebnrgische vocHtione ^ueig<br />
Iteìni-ioi, bei dem Iüterbook und Zinna in Flammen aufgehen, und unter<br />
einer Reihe an<strong>der</strong>er Angaben zum Jahre 1180 ganz am Schluß einen<br />
Einfall, den inäuctu eins (Heinrichs) 8c!avi in das Gebiet des Marsgrafen<br />
Dietrich machen, bis nach I^udin (Gubcn?), bei welchem ein<br />
6o rioierLtorz» ooci8U8 XIII. Xli.1. Octokrig 8ereno in Ivlonte<br />
sät. Der Markgraf ist über diese „Wunde" so von Schmerz erfüllt,<br />
daß er den Herzog, tam^nam 8Ì contra imperatorem coniurasZet, corg.m<br />
imperatore aä äuellum 8aer>iu« provocab^t. ^) Arnold voll Lübeck<br />
berichtet, Friedrich habe dem Herzoge einen Hoftag nach Magdeburg<br />
angesetzt, ans diesem habe dann Dietrich von Vandsberg ihn zum Zweikampf<br />
gefor<strong>der</strong>t ssluellum collti-g. eum expetiit), ihm Verrätern gegen<br />
den Kaiser verwerfend; venu^ tamen ici f^ctum e88e crectitur, ^mu.<br />
c^^^vi «x
in den Jahren 1180 bis 1214. 257<br />
daß er dieser Quelle belangreiche Fehler in den Tatsachen für diese<br />
Jahre nicht nachweisen kann; sie erzählt ja auch gleichzeitige Ereignisse,<br />
im Präsens redend: Heinrich wüstet in Thüringen, die Slawen clt>ps>pu-<br />
länwr jenseits <strong>der</strong> Elbe; die Annahme sowohl von Klempin als anch<br />
von Himmelstern, daß <strong>der</strong> von ihr erwähnte Einbruch in die Mansch in<br />
das Jahr N79 zü verlegen sei, hat denn auch keine Anerkennung<br />
gefunden.<br />
Etwas unsicher ist die Datierung <strong>der</strong> betreffenden Angabe in <strong>der</strong><br />
Lanterberger Chronik. Die Nachricht steht da in <strong>der</strong> Reihe von Ereig-<br />
nissen, die sich NW zugetragen haben, aber freilich in einer Form, die<br />
es an sich möglich macht anzunehmen, daß sich das Ereignis schon<br />
früher zugetragen hat; aber doch nur eben möglich; was die Quelle<br />
über den Tod (o<strong>der</strong> das Begräbnis?) des Ritters von Bciersdorff<br />
beibringt, dessen Tag hier genau angegeben wird, 19. September, macht<br />
es sehr unwahrscheinlich, daß <strong>der</strong> Schreiber nicht anch das Jahr dieses<br />
Vorfalls genau gewußt haben sollte, zumal jener Beiersdorff eben im<br />
Kloster Lauterberg begraben worden war, o<strong>der</strong> daß er uicht bemerkt<br />
haben sollte, daß das am Kopfe des Abschnittes angegebene Iahrcsdatum<br />
damit nicht übereinstimme. Zugegeben muß freilich werden, daß ihm<br />
das Tagesdatum aus einer Memorienftiftnng bekannt, das Jahr gleich-<br />
wohl unbekannt gewesen sein kann.<br />
Die Sächsische Weltchronik nennt kein Jahr; sie stellt, wie schon<br />
gesagt, das Ereignis an den Anfang ihrer Mitteilungen über die<br />
Vorgänge beim Sturze Heinrichs, im übrigen aber fast ohne Zusammen-<br />
hang mit dem folgenden.<br />
Es würde nun also kein ernstliches Bedenken vorliegen, gegen die<br />
Annahme, daß <strong>der</strong> Einfall, wie <strong>der</strong> Pegauer Mönch will, zu 1180<br />
angesetzt wird, wenn nicht drei Quellen infolge dieses Einfalls eine<br />
Herausfor<strong>der</strong>ung des Herzogs Heinrich durch den geschädigten Markgrafen<br />
Dietrich erfolgen ließen, und wenn nicht diese Fordcruug nach Angabe<br />
Arnolds auf dem Hoftage zu Magdeburg, <strong>der</strong> erst am 5^4. Iuui 1179<br />
stattfand, erfolgt wäre. Ist Arnolds Angabe richtig, dann muß <strong>der</strong>jenige<br />
Einfall, <strong>der</strong> die For<strong>der</strong>ung Dietrichs veranlaßt hat. vor diesem Tage<br />
stattgefunden haben; da ferner die Jahreszeit, <strong>der</strong> September (Tod<br />
Neiersdorffs!) feststeht, müßte er schon 1175 erfolgt sem. Daß eine<br />
Herausfor<strong>der</strong>ung stattgefunden hat, darf wohl nicht bezweifelt werden,<br />
etwas an<strong>der</strong>s steht es aber mit <strong>der</strong> Frage, ob sie wirtlich wegen jenes<br />
Einfalls stattgefunden hat; uamentlich die Behauptung <strong>der</strong> Rauterbergs<br />
Chronik, jener Einfall sei von Dietrich als Hochverrat angesehen o<strong>der</strong><br />
doch bezeichnet worden, ist wohl nicht recht glaublich. Aber ein Gerücht<br />
<strong>der</strong>art muß bestanden haben, da auch Arnold davon spricht. Diesem
Die staatsrechtlichen Verhältnisse Pommerns<br />
ist ferner auch wohl darin Glauben zu schenken, daß Dietrich auf dem<br />
Hoftage von Magdeburg dem Herzoge sciuc For<strong>der</strong>ung übersaudt und<br />
sie nnt dessen Hochverrat begründet habe, nnr darin glande ich Arnold<br />
nicht folgen zn sollen, das; er das Gerücht von diesem Anlasse für<br />
Dietrich als wenig glaubwürdig hinstellt, und an seine Stelle die Annahme<br />
seht, es sei geschehen ans Zorn über die Verwüstuug seiues ?audes.<br />
Die ?anterlic!ger Chromk berichtet, Dietrich habe den Herzog<br />
mehrfach for<strong>der</strong>n lassen; legt man dem Gewicht bei, dann kann man<br />
gern annehmen, die erste For<strong>der</strong>ung, die in Magdebnrg 1179, sei infolge<br />
an<strong>der</strong>er Unbilden, an denen es ja nicht fehlte, unter dcm Vorgeben <strong>der</strong><br />
Sühne des Hochverrats erfolgt, eine spätere infolge des inzwischen<br />
vorgefallenen Plün<strong>der</strong>ungsznges <strong>der</strong> Pommern im Herbst NttO.<br />
Dieser letztere könnte seine Erklärnng anch wohl finden ans <strong>der</strong>,<br />
wenn auch wohl nugeuauen, aber doch etwas wahres enthaltenden<br />
Angabe <strong>der</strong> Weltchronik, daß Friedrich den Markgrafen mit <strong>der</strong> Vollstreckung<br />
<strong>der</strong> Acht belrant habe. Da dies sich doch frühestens im<br />
Frühjahr NW zugetragcu haben kann, würde die Loslassnng <strong>der</strong><br />
Pommern gegen Dietrich im Sommer 11 NO begreiflich sein. Ans<br />
dasselbe Ergebnis führt anch die Angabe, daß <strong>der</strong> Kaiser mit Heinrich<br />
nach dem Pommerneinfall und <strong>der</strong> Klage Dietrichs nicht mehr zusammengetroffen<br />
sei. Die beiden Herren sind einan<strong>der</strong> begegnet noch nach dem<br />
24. Juni l179 in Haldensleben (genaueres wissen wir über den Tag<br />
nicht). Somit kann <strong>der</strong> Einfall vor dem Magdeburger Hoftage nicht<br />
gut erfolgt sein.<br />
So ergeben meines Erachtens die Angaben <strong>der</strong> Quellen keine<br />
Notwendigkeit zu <strong>der</strong> Aunahme, daß ein Einfall <strong>der</strong> Pommern in die<br />
^ansitz schon vor dem Sommer 1179 stattgesunden habe, selbst wenn<br />
wir Arnolds Angabe, daß eben m Magdeburg die Klage Dietrichs<br />
erfolgt sei, Glanbcn schenken, was ja allgemein geschieht. Die Ereignisse<br />
verliefen dann also folgen<strong>der</strong>maßen: Inni 1179 Klage Dietrichs gegen<br />
Heinrich wegen Hochverrat nnd Herausfor<strong>der</strong>ung; Spätherbst 1179<br />
Zug Heinrichs nach Thüringen, <strong>der</strong> Pommern nach Iüterbog-Zinna;<br />
Ende 1179, Anfang 11W <strong>der</strong> Prozeß Heinrichs, die Nevollmächtignng<br />
Dietrichs mit <strong>der</strong> Vollstreckung; September UNO Pommerneinfall in<br />
die Lausitz, daraus neue For<strong>der</strong>ung Heinrichs durch Dietrich, diesmal<br />
wirklich als Folge des Plün<strong>der</strong>ungsznges.<br />
Die Mehrzahl <strong>der</strong> Forscher steht auf einem an<strong>der</strong>en Standpunkte,<br />
sie nimmt an, daß Dietrichs Klage und For<strong>der</strong>ung veranlaßt seien dnrch<br />
einen Einfall <strong>der</strong> Pommern im Jahre 1178. Ein solcher findet sich,<br />
zu diesem Jahre, nirgends erwälmt. Man müßte also entwe<strong>der</strong> den
in den Jahren 1180 bis 1214. 259<br />
Feldzug des Jahres 1180 nach 1178 umdatieren, was die Mehrzahl<br />
doch, wie wir sahen, mit Recht für unzulässig hält, o<strong>der</strong> aber noch einen<br />
dritten Feldzug in diesem Jahre (1178) annehmen, eben den von <strong>der</strong><br />
Lauterberger Chronik erwähnten, weshalb anch <strong>der</strong> Herausgeber dieser<br />
Chronik in den Monumenten den Tod des Beiersdorsf in einer Rand-<br />
bemerkung kurzer Haud zu 1178 setzt. Wer diese Ansicht teilt, ist<br />
meines Erachtens genötigt den Vlick auf die Frage zu lenken, wer in<br />
diesem Falle die Wenden gewesen sein könnten, die da zu Felde zogen.<br />
Daß <strong>der</strong> Zug des Jahres 1180 hauptsächlich durch die Pommern,<br />
also dnrch Kasimir unternommen worden ist, kann wohl keinem Zweifel<br />
unterliegen, da die Pcgauer Annalen als Angreifer Slaven, Vlntlzcn nnd<br />
Pommern nennen; dasselbe gilt anch wohl vom Jahre 117!>, freilich<br />
nicht deshalb, wcil es so im (Alnmicon monlig K6l-t?m steht (dieses<br />
hat ja seine drei Wcndennamen: sciavi, I,itllo^ici et. poluornni aus<br />
<strong>der</strong>selbe» Quelle übernommen, aus <strong>der</strong> oie Pegaucr Annalen zum Jahre<br />
1180 richtig Slaven, vinilici et I^olnrlnin keunen gelernt haben)<br />
son<strong>der</strong>n weil nach dem Tode des Pribislaw von Mecklenburg (f 1178)<br />
wohl uur Kasimir iu Frage kommen kann. An<strong>der</strong>s liegt das aber zum<br />
Jahre 1178. Die Angaben, die allenfalls auf dieses Jahr gedeutet<br />
werden könnten, nennen kurzweg Slaven, von Pommern o<strong>der</strong> ^iutizen<br />
steht im (Hromooil mmlt.i8 Zl'l-em (beim Jahre 1180) und bei Arnold<br />
nichts; dabei kennt aber Arnold unsern Kasimir sehr wohl als prinoeps<br />
^«lllsrimorum. Es würde also die Wahrscheinlichkeit näher liegen, daß<br />
man da an Pribislaw zu denken hat. Im Jahre 1178 hatte ja auch<br />
Pommern wie<strong>der</strong> einer dänischen Invasion zu begegnen. Aber abgesehen<br />
davon wüßte ich nicht zu erkläre«, wie es gekommen sein könnte, daß<br />
schon im Jahre 1178 aus Kasimir, dem Feinde des Jahres 1177,<br />
ein eifriger För<strong>der</strong>er des Sachsenherzogtz geworden sein sollte. Falls<br />
man doch an einen von Kasimir in diesem Jahre gegen die Lausitz<br />
unternommenen Zug glaubeu soll, müßte mau zum mindesten nut<br />
Salis bezweifeln, daß Kasimir dann auf Wunsch Heinrichs und in<br />
seinem Dienste gehandelt hat; aber damit würde an<strong>der</strong>erseits auch die<br />
gauze Kombination bezüglich <strong>der</strong> Klage Dietrichs hinfällig werden. Es<br />
wird schon so sein, daß die Slaveneinfälle <strong>der</strong> Jahre 1179 und 1180<br />
durch Heinrich veranlaßt sind, und daß es <strong>der</strong> amx:i«8imu8 des Herzogs<br />
(uach Arnold) gewesen ist, dem sie zur Vast fallen. Aber um zu<br />
erklären, daß Kasimir dieser eifrige Freund geworden ist, wird man<br />
wohl annehmen müssen, daß er vorher dnrch eine hohe Belohnung<br />
gewonnen worden ist. Dies könnte ja nun, so vermute ich, zu Anfang<br />
des Jahres 1179 geschehen sein, indem Heinrich dem von ihm geschätzten<br />
bisherigen Gegner bezw. unsicheren Gefolgsmanne einen Teil von <strong>der</strong>
Die staatsrechtlichen Verhältnisse Pommerns<br />
Hinterlassenschaft des zu Vnde 1178 in Lüneburg gestorbenen Pribislaw<br />
von Mecklenburg übergab, Zirzipauieu meine ich, dessen weitere Geschichte<br />
(s. u. zu dem Jahre Islü) seine Zugehörigkeit zu Pommern in dem<br />
Jahre 1180, d. h. ehe es Markgraf Otto I. eroberte, sehr wahrscheinlich<br />
macht, ohne daß wir doch einen früheren Zeilpunkt <strong>der</strong> Erwerbung<br />
nachweisen könuteu/) Wohl war Heinrich Vurwy, Pribislaws Sohn,<br />
<strong>der</strong> Schwiegersohu Heiurichs, aber dieser mußte ihm wohl nicht recht<br />
getraut o<strong>der</strong> sich von ihm nichts versprochen haben, denn in <strong>der</strong> Zahl<br />
<strong>der</strong> Fürsten, die Heinrich im Sommer 1179 gegen die nie<strong>der</strong>sächsischen<br />
Gegner losläßt, fehlt gerade er. An<strong>der</strong>erseits machen im Dezember<br />
dieses Jahres, wenige Wochen nach <strong>der</strong> Zeit, wo wir den slavischen<br />
Plün<strong>der</strong>ern im Magdeburgischeu begegnen, wendisäie Scharen, Zirzipanen<br />
und an<strong>der</strong>e ^iutizeu, einen furchtbaren Einfall in das Fürst Niclot<br />
gehörige Küstengebiet, wobei Doberan zerstört wurde. Die Tat ist<br />
Zeitgenossen nnd späteren als Zeichen heidnischer Reaktion erschienen;<br />
gewiß nicht ganz mit Unrecht, aber ebenso wahrscheinlich hängt sie auch<br />
zusammen mit einem Kampfe um die Erbschaftsfolge in Mecklenburg.<br />
In ihr einen bloßen Ausbruch des jungen Freiheitstaumels zu sehen,<br />
<strong>der</strong> Teile des Slavenlandes beim Sturze Heiurichs erfaßte, und <strong>der</strong> in<br />
gleicher Weise auch die Züge Kasimirs nach Süden erkläre« soll, wie<br />
Saiis mochte, das geht doch wohl nicht an. Ich bin also <strong>der</strong> Meinung,<br />
daß Kasimir an einem Feldzuge im Jahre 1178, wenn ein solcher<br />
überhaupt stattgefunden hat, unbeteiligt gewesen ist, daß er sich aber im<br />
Jahre 1179 durch Herzog Heiurich um hohen Preis hat gewinnen<br />
lassen und dann in diesem nnd dem nächsten Jahre die Raub- und<br />
Verwüstuugszüge unternommeu hat.<br />
3. Die Schlacht zwischen Markgraf Otto I. und den<br />
Pommern. Unsere Kenntnis dieses Vorganges ist im allgemeinen<br />
alt, sie beruht auf eiuer kurzen Notiz <strong>der</strong> sächsischen Weltchruuik.") tti<br />
lio3 8l?Ivon KeiZor VredorillEs 1^?u äti-idds c)s marc^^vy Otto van<br />
Lrauä^nkurcli wil^r lieren UuoZinlawsn vm» l>imiu unäy vvoräen<br />
cio ^Vsneäs 8eßyl03. ^ar vvnrä ßSälaFSu llsrs Xaxemar uncie kers<br />
Nl's)K unl55 l^l- ^Vent^e vile. Mit dieser Nachricht verband man wohl<br />
eine an<strong>der</strong>e, mehrfach erwähnte vom Tode Kasimirs, in den Pegauer<br />
Anualen: lva^kmarus prmcnjlg 8elg.vorum (st diu pr^.eäo ckriztikuorum)<br />
r6p6l»tl!lu. IU0N6 ttdiit; fast genau so, nur ohue die ( ), schreibt die<br />
Lauterberger Chronik, gewiß wie<strong>der</strong> unter indirekter Entlehnung. Nei<br />
beiden steht die Angabe bei dem Jahre 1180, und zwar an letzter Stelle,<br />
') S. dazu auch ol»cn bei S. 238, 243 und 247.<br />
2) Weiland, M. G., Deutsche Ehromlen, Bd. II, 234.
in den Jahren 1180 bis 1214. 2ttl<br />
so daß man daraus geschlossen hat, <strong>der</strong> Tod des Fürsten sei Ende NN0<br />
erfolgt l) was an<strong>der</strong>e a<strong>der</strong> nicht gelten lasseu wollen (Hofmeister).<br />
Arnold von Lübeck sagt nur: Oilc.n ilws 6i?8 mol'wu8 e8t ^l
Die staatsrechtlichen Verhältnisse Pommerns<br />
ich nach allem oben Gesagten für unglaubwürdig halte, wärmn hat es<br />
dann <strong>der</strong> Chronist nicht gesagt? Nnr ein Führer wird genannt; <strong>der</strong><br />
fernstehende Berichterstatter konnte leicht gehört haben, daß es ein Fürst<br />
von Dcmmin war, <strong>der</strong> hier zu Felde lag, und dak er seinen ihm klang«<br />
fremden Namen verwechselt haben könnte, ist leichter zu glauben, als<br />
daß er den Ort, nachdem er sich nannte, verwechselt hat. Bon dem<br />
^ande Pommern weih er auch garuichts, spricht von Wenden schlechthin,<br />
ist also nur über dies Ereignis, nicht über die Verhältnisse unterrichtet.<br />
Dasjenige Ereignis dieser Wochen, welches die Aufmerksamkeit weiter<br />
Kreise erregt hat, ist <strong>der</strong> Tod des Landverwüsters Kasimir; und da sollte<br />
die Nachricht <strong>der</strong> Weltchronit über den Tod eines clnminiiF Oaxemarus,<br />
<strong>der</strong> in <strong>der</strong> verlustreicheu Schlacht <strong>der</strong> Pommern gegen die Marker fällt,<br />
eiueu an<strong>der</strong>en Kasimir betreffen? Der Kriegszug Ottos I. erscheint in<br />
<strong>der</strong> Darstellung <strong>der</strong> Chronik als Angriffskrieg seinerseits; nehmen wir<br />
das als richtig an, dann kann er doch ebenso gut als Rachezug wegeu <strong>der</strong><br />
Plün<strong>der</strong>ungen vom Herbst 1179 und l 180 gelten, wie auch als spoutaner<br />
Angriff gegen den Helfer Heinrichs des ^öweu, uud gerade in diesem<br />
Zusammenhange ist ja Kasimirs Tod von den gleichzeitigen Quellen<br />
bemerkt und verzeichnet worden;^) Kasimir war <strong>der</strong> sächsischen Mitwelt<br />
lediglich in seiner Eigenschaft als Verbündeter Heinrichs bekannt, und<br />
so auch sein Tod in <strong>der</strong> Feldschlacht. Es ist mir daher unbegreiflich,<br />
wie Cohn und sein Anhang behaupten kann, die Quellen sprächen für<br />
einen Strohtod Kasimirs; kann einer an<strong>der</strong>swo mehr repentina morte<br />
sterben, als iu <strong>der</strong> Schlacht? So möchte ich in <strong>der</strong> Tat glauben, daß<br />
Kasimir I. <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Schlacht gefallene äommu3 (^emai-us ist. ^)<br />
Eine Schlußerwägung wird uns zum nächsten Punkte hinüberleiten:<br />
Wenn auch Bogislaw als Führer au <strong>der</strong> Schlacht beteiligt geweseu wäre,<br />
wäre es dann aunehmbar, daß Kaiser Friedrich, <strong>der</strong> sich augeblich schou<br />
vorher um die Oewiummg <strong>der</strong> Pommeru bemüht hatte, ihm gegenüber<br />
wenige Wochen später so verfahre« wäre, wie er es tat? ^ieh sjH<br />
Bogislaw dann noch als Sün<strong>der</strong>, <strong>der</strong> Buße tut, behaudelu? Konnten<br />
sich die Fürsten, zumal die Askanier, das gefallen lassen? Die folgende<br />
Elltwickeluug erklärt sich nur, aber dann auch leicht, wenn mau annimmt,<br />
daß Bogislaw mit den ganzeu Raubzügen seines Bru<strong>der</strong>s einschließlich<br />
r, Ler ^urz HemMs ö. 6, Asch. f ^-Forsch. M. /77,<br />
dem Tode Kasimirs einen wichtigen Platz an unter den Ursachen des Sturzes<br />
Heinrichs; Hampe, Hift Z l09 will das doch nicht gelten lassen.<br />
2) boff mei ster bringt in <strong>der</strong> li.'chrfach allgefiihrien Arbeit S Sü aus <strong>der</strong><br />
neu von ihm aufgefundene!! Handschrift <strong>der</strong> Weltchronif noch einige merkwürdige<br />
Einzelangaben über die Schlacht bei; für die Entscheidung unserer Hauptfrage sind<br />
diese aber belanglos.
in den Jahren 1180 bis 1214.<br />
dieses letzten Kampfes nichts zu schaffen hatte; <strong>der</strong> Tod des<br />
OllriZtikniwtig, des amio»83imu8 (immm Nenrici hat ihm die Bahn<br />
zur Verständigung mit Friedrich und den deutschen Fürsten frei gemacht.<br />
4. Was ist nun vor Lübeck iu bezug auf die Stellung Pommerns<br />
geschehen? Nach <strong>der</strong> Annahme <strong>der</strong> meiste» Forscher ist Vogislaw I. von<br />
Kaiser Friedrich feierlich mit Pommern belehnt und zum Ncichsfürsteu<br />
(im jüngeren Sinne) gemacht woroeu, nur Ficker steht auf dem Standpunkte,<br />
er sei von dem Kaiser lediglich als Dux 8laviue bezeichnet worden.<br />
Unsere Kenntnis dieser Dinge beruht auf Aruold uud auf Saxo;<br />
<strong>der</strong> erstere sagt lediglich, nach dem Tode Kasimirs seien die Slaven<br />
(Pommern) von Herzog Heimich abgefallen, yma si-uter eiu8 LuAsse^Inug,<br />
imperatori colllunctu«) lwminium et. tridui«, ei per8nlvit (S. 5^).<br />
Daraus kann man nun sicherlich nicht eutnchmeu, daß Vogislaw in den<br />
Neichsfiirstenstand crhobeu sei. l^l>minium kann die ^chuspssicht bedeuten;<br />
würde es das auch hier besagen, dauu freilich wäre Aogislaw wohl fortan<br />
als Neichsfürst zu betrachte» gewesen; aber damit verträgt es sich doch<br />
ganz und gar nicht, daß Arnold die Zahlung <strong>der</strong> tributa im gleichen<br />
Atem nennt. Ein zu Recht belehnter Lehnsmann zahlt dem Lehnsherrn<br />
doch keinen Tribut. Hommium ist hier also gewiß im engeren Sinne,<br />
als Dienstpflicht, Mannschaft, aufzufassen.!) Somit liegt in den Angaben<br />
Arnolds kein Anlaß, an eine Erhebung Nogislaws in den Neichsfürstenstand<br />
zu denken; da Arnold in Lübeck zu Hause war und manche<br />
von den Einzelheiten jener Tage kennt, müßte es uns sehr Wun<strong>der</strong><br />
nehmen, wenn er einen Vorgang so kurz abgetan haben sollte, <strong>der</strong> doch<br />
das allgemeine Interesse in den Bewohnern dieser Oegend erregt haben<br />
müßte. Der Fürst eines wendischen Landes, <strong>der</strong> sicherlich kaum ein<br />
Wort Deutsch kann, <strong>der</strong> ein Land beherrscht, in dem sich bis jetzt, abgesehen<br />
von Mönchen und Geistlichen, höchstens ein paar Dutzend Deutsche<br />
aufhalten, wird Neichsfürst! Glaub's wer kauu; Arnold hat jedeufalls<br />
uichts davon gewußt.<br />
Was sagt nun <strong>der</strong> Wahldäne über den Vorgang? Friedrich hat<br />
den (beiden) Pommernfürsten bei Beginn <strong>der</strong> Belagerung Lübecks durch<br />
eine feierliche Gesandtschaft versprechen lassen: uti-ique 86 potentias st<br />
oluritatis incrementa äaturum, . . . provincie,
264 Die staatsrechtlichen Verhältnisse Pommerns<br />
Prüfen wir diese Angaben auf ihre innere« Glaubwürdigkeit, so<br />
ergiebt sich ihre völlige Unmöglichkeit. Der Begriff siUrap». heißt bei<br />
Saxo soviel wie Herzog. Also schon vorher soll Friedrich den beiden<br />
Pommernherzogen den Herzogstitel versprochen haben. In bezug auf<br />
Kasimir würde das also in eine Zeit fallen, wo er <strong>der</strong> wildeste Bctämpfer<br />
des deutschen Volkes war nnd nichts verschonte. Abcr konnte Friedrich<br />
<strong>der</strong>artiges überhaupt versprechen? Er muß doch wohl dell zum Hoftage<br />
versammelten Fürftenrat darnach befragen, ehe er <strong>der</strong>artiges tut, wie<br />
nicht min<strong>der</strong> die beteiligten Fürsten. Er hat vor dem A3. April<br />
1179 die Zustimmung des Herzogs Bernhard I. eingeholt, ehe er<br />
Philipp von Heinsberg das Herzogtum in Westfalen überließ, und sollte<br />
in unserem Falle eigenmächtig gehandelt haben? Mit <strong>der</strong> Erhebung<br />
dieser fremden, wilden Gesellen zu ihrem o<strong>der</strong> einem ihnen noch übergeordneten<br />
Range im Reiche hätte er die gesamten sächsischen Fürsten<br />
gegen sich aufgebracht und womöglich auf die Seite Heinrichs zurückgetrieben,<br />
<strong>der</strong> jenen Leuten stets den deutschen Fuß auf den Nacken<br />
gesetzt hatte. Und dann die Erzählung einer feierlichen Belehnung <strong>der</strong><br />
zwei ausdrücklich genannten Fürsten. Ob Kasimir noch gelebt hat o<strong>der</strong><br />
ob er tot war, diese Tatsache wiegt hier nicht, o<strong>der</strong> es ist vielmehr in<br />
beiden Fällen gleich ausgeschlossen, was Saxo erzählt, denn daß Kasimir<br />
hier in Lübeck erschienen, hier belehnt sein soll, ist unverträglich mu <strong>der</strong><br />
von ihm bewiesenen Gesinnung, ganz abgesehen von Arnolds Zeugnis<br />
dagegen. IVaäitig ätiuiiig! Die Fürsten hätten also je<strong>der</strong> einen o<strong>der</strong><br />
beide gemeinsam zwei Adler für zwei Herzogtümer zur gesamten Hand<br />
erhalten! Formen einer etwas späteren Zeit, die hier zum ersten Male<br />
Anwendung gefunden haben sollen, bei den Wendenknäsen! Und ttymii8?<br />
Adler soll <strong>der</strong> Kaiser ihnen übergeben haben? Was ist denn <strong>der</strong> Adler?<br />
Es kann damit doch nur das Zeichen des Reiches gemeint sein, uud <strong>der</strong><br />
Adler müßte dann in <strong>der</strong> Fahne abgebildet gewesen sein. Kann man<br />
rein sprachlich für eine Fahne mit einem Adler darin das Wort Adler<br />
gebrauchen? W.Giesebrecht tut es hier;^) er folgt darin vielleicht clu Oangs,<br />
<strong>der</strong> aber bemerlenswerterweise an dieser Stelle keine Belegstelle beibringt;<br />
W. v. Sommerfeld fühlt das Unzuträgliche daran, er spricht daher von<br />
einer „adlerge krönt en(!) Fahne".<br />
Was für eine Fahne erhält denn <strong>der</strong> zu Belehnende, die des<br />
Lehnsherrn? Ich meine die eigene, die er bei <strong>der</strong> Neubelehnung mit zur<br />
Stelle zu bringen hat, um sie aus <strong>der</strong> Hand des Herren neu zu<br />
empfangen. Ob Pommern damals den Greifen schon im Mappen trug<br />
o<strong>der</strong> nicht, einen Adler hat es sicher nicht getragen. Also auch hier in<br />
<strong>der</strong> bloßen Erzählung des angeblichen Vorganges ganz unglaubhafte<br />
') Kaiserzeit, Vd. V. 939 und Simfon-G-, Bd. IV, 577.
ln den Jahren N90 bis 1214. 265<br />
Wi<strong>der</strong>sprüche und Unmöglichkeiten. Saxo hat offenbar die Vorgänge<br />
nicht mit angesehen, er hat sie nicht einmal von einem Augenzeugen,<br />
o<strong>der</strong> — er sagt in bewußter Weise gröblich die Unwahrheit; ich meine<br />
aber, er ist schlecht unterrichtet und er lügt. Denn den starken Ausdruck<br />
muß man hier wirklich anwenden. Ich muß es mir hicr versagen, das<br />
im einzelnen nachzuweisen, aber wel seinen Bericht über das Auftreten<br />
seines Königs gegenüber dem Kaiser und über dessen Verhalten vor und<br />
nachher liest, dem kann es nicht zweifelhaft sein, daß hier jedes Wort<br />
<strong>der</strong> Ausfluß absichtlicher Verdrehung ist. Alles, aber auch alles, was<br />
die Deutschen und ihr Kaiser tun, ist kümmerlich, hinterhaltig, eines<br />
Mannes unwürdig; wie groß steht dagegen Waldemar da, wie offen und<br />
edel! Und das reicht bis zur Demütigung <strong>der</strong> von Friedrich ausgezeichneten<br />
Pommern, bis zu ihrer Unterwerfung unter das dänische Szepter; diese<br />
Vorgäuge erst bringen die Begleichung <strong>der</strong> hier kontrahierten Rechnung.<br />
Man nimmt wohl an, schon 1161 in Is I^ön68 habe Friedrich<br />
dem ihm huldigenden Waldemar Versprechungen bezüglich <strong>der</strong> Belehnung<br />
mit Pommern gemacht; das trifft aber schwerlich zu, denn damals fing<br />
Dänemark mit den Fortschritten Heinrichs des Löwen erst eben an, sich<br />
<strong>der</strong> Pommern mit Erfolg zu erwehren und sie seinerseits anzugreifeu;<br />
daß Waldemar in Lübeck nach Heinrichs Sturz auf die Übergabe<br />
Pommerns gerechnet hat, daß das Fehlschlagen dieser Erwartung ihn<br />
heftig erbittert hat, ist wohl möglich. Die Art aber, wie sich dies<br />
zugetragen haben soll, ist von Saxo in haarsträuben<strong>der</strong> Weise zu einer<br />
Schändung <strong>der</strong> Ehre Friedrichs, zu einer Glorifizierung des Dänenkönigs<br />
gestaltet worden. Daß Friedrich diesen um seine Genehmigung <strong>der</strong><br />
Belehnung Bogislaws ersucht, daß Waldcmar erst ablehnt, und zur<br />
Zustimmung erst dadurch veranlaßt wird, daß ihm Friedrich verspricht,<br />
es soll dies nur solange gelten, bis Heinrich <strong>der</strong> Löwe endgültig bezwungen<br />
sei, hernach solle er, Waldemar, Pommern erhalten, diese Nie<strong>der</strong>tracht<br />
sollte allein ausreichen, um auch alles an<strong>der</strong>e, was <strong>der</strong> Mann auftischt,<br />
zu verwerfen, selbst wenn nicht schon Häufen an<strong>der</strong>weitiger Bedenken<br />
dagegen sprächen. Mau darf Saxo nicht einmal da unbedingt Glauben<br />
schenken, wo er rein geschichtlich referiert, es gibt für ihn eigentlich keinen<br />
Abschnitt, indem er nicht durch seine Tendeuziosität die Dinge für den<br />
Ruhm Absaloms o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Könige zurechtstutzt, namentlich wo es gegen<br />
Deutschland und Pommern geht.^) So erklärt denn auch mit Recht<br />
Giesebrecht-Simson,2) daß seine Angaben bezüglich <strong>der</strong> Vorgäuge bei<br />
Lübeck unglaubwürdig seien. Und doch folgen sämtliche Darsteller gegen<br />
Ficker diesen Angaben ohne sie zu prüfen, glauben an eine feierliche<br />
') Vgl. z. B. Fock. Rügensche Gesch., Bd. I, 142.<br />
«) Bd. VI, 077.<br />
»attische Studien N. F. XVII. Ig
266 Die staatsrechtlichen Verhältnisse Pommerns<br />
Belehnung mit <strong>der</strong> Fahne, an eine Erhebung Pommerns in den<br />
Reichsfürstenstand.l)<br />
Die Zeit von 1181 bis zur Unterwerfung Bogislaws unter Dänemark<br />
ist zu kurz gewesen, als daß man an den Vorgängen dieser 4 Jahre<br />
Material gewönne zur Beurteilung <strong>der</strong> Frage, ob Bogislaw in den<br />
nächsten Jahren reichsfürstliche Pflichten erfüllt habe; was Saxo in<br />
dieser Beziehung über die Entstehung <strong>der</strong> pommersch-dänischen Kämpfe<br />
von 1183/84 vorbringt, ist wie<strong>der</strong> eine gröbliche tendenziöse Erfindung.<br />
Wenn ferner Bogislaw die erste Urkunde, die er nach seiner Heimkehr<br />
ausfertigen läßt, auch nach Jahren Friedrichs datiert, *) so beweist das<br />
ganz und gar nichts, hat er doch alle an<strong>der</strong>en Urkunden <strong>der</strong> nächsten<br />
Jahre ohne diesen Zusatz ausstellen lassen; <strong>der</strong> imponierende Eindruck,<br />
welchen er gewißlich von Friedrich empfangen hat, genügt völlig zur<br />
Erklärung jenes einzelnen Vorkommnisses. An<strong>der</strong>erseits wird gleich nach<br />
seinem Tode seitens des Bischofs von Kamin unter Teilnahme <strong>der</strong><br />
vormundschaftlichen Negierung, <strong>der</strong> Polin Anastasia, des dänischen<br />
Schützlings Wartislaw, in <strong>der</strong> gleichen Form geurkundet und zwar<br />
obgleich damals die dänische Hoheit zurecht bestand.') Auch das muß<br />
mit v. Sommerfeld hervorgehoben werden, daß sich in den nächsten vier<br />
Jahren auch nicht die geringste Spur regerer Beziehungen zu Deutschland<br />
in Pommern zeigt.<br />
Ficker, <strong>der</strong> ja nur eine Verleihung des Herzogstitels an Bogissaw<br />
gelten lassen will, weist darauf hin, daß dieser in <strong>der</strong> Tat in den nächsten<br />
Jahren als 6ux erscheine, sich auch selbst so nenne; aber demgegenüber<br />
ist schon von an<strong>der</strong>er Seite geltend gemacht worden, daß sich Bogislaw<br />
in den letztverflossenen Jahren immer seltener priuceps, immer häufiger<br />
äux genannt hat; und auch das ist noch nicht genug gesagt, denn genau<br />
genommen hat er selbst sich, soviel ich sehe, immer sogenannt; ebenso<br />
wird ihm in einer polnischen Urkunde auch voll den Herrschern dieser<br />
Titel zugebilligt, und das ist um so bemerkenswerter, als dieselben<br />
Polenfürsten die ostpommerschen Knäse immer nur als ihre qua68
in den Jahren 1180 bis 1214. 26?<br />
Konrad vom Jahre 1175^) erscheint er als äominug, wodurch diese denn<br />
freilich hinsichtlich ihrer formalen Echtheit nur noch mehr verdächtigt<br />
wird. Daß sich Kasimir 1. häufiger prinospg als äux nennt, berührt<br />
unsere Frage gar nicht.<br />
Daß sich keine urkundliche Beglaubigung des angeblichen Erhebungsaktes<br />
erhalten hat, daß, soviel wir sehen, bei späteren Gelegenheiten, an<br />
denen es doch nicht mangelte, von pommerscher Seite auf den Vorgaug<br />
nie zurückgegriffen ist, namentlich nicht 123l, obwohl damals in Auastasia<br />
noch eine klassische Zeugiu am Vebeu war, mag beiläufig Erwähuung<br />
finden. Wir haben sodann auch schon gesehen, daß schwerwiegende Gründe<br />
das Fortbestehen des bisherigen Hoheitsrechtes des sächsischen Herzogs<br />
über das westliche Pommern bis weit in das 13. Jahrhun<strong>der</strong>t hinein<br />
sehr glaubwürdig, wenn nicht gesichert erscheinen lassen. Diejenigen,<br />
welche <strong>der</strong> Meinung sind, es sei dieses Rechtsverhältnis mit dem Sturze<br />
Heinrichs erloschen, hätten denn auch meines Erachtcns die Pflicht, das<br />
zu beweisen, sie deduzieren es aber lediglich aus <strong>der</strong> ihrerseits unbewiesenen<br />
Theorie über den pommcrschen Reichsfürstenstand. Nach oen von Salis<br />
und mir beigebrachten Angaben hat jene Auffassuug nicht einmal das<br />
krZumentuin e «il^utio für sich.<br />
Und wie sollte auch Kaiser Friedrich dazu gekommen sein, Sachsen,<br />
das er schon so stark verkürzt, dessen Gefährlichkeit er ausreichend gcbrocheu<br />
hatte, auch hier noch so zu schädigen. Im Frühjahr 1179 als er<br />
Bernhard von Askanien mit Sachsen belehnte, kann er doch unmöglich<br />
diese Absicht schon gehabt haben, dem wi<strong>der</strong>sprechen die damaligen Verhältnisse<br />
meines Erachtcns durchaus, später aber Hütte eine nachträgliche<br />
Auslösung Pommerns aus dem sächsischen Lehusverbande doch nicht ohne<br />
Zustimmuug des neuen Herzogs erfolgen können, o<strong>der</strong> aber es würde<br />
durch sie eine Verletzung <strong>der</strong> Freunde herbeigeführt worden sein. Diese<br />
aber ist nicht erfolgt, das zeigt die häufige Anwesenheit Markgraf Ottos<br />
im Hoflager des Kaisers während <strong>der</strong> nächsten Jahre. Blieb aber<br />
Pommern, wenn auch nur mit einem Teile seines Gebietes, in <strong>der</strong><br />
Vasallenschast eines an<strong>der</strong>en Reichsfürsten aus dem Laieustaude, dann<br />
konnte sein Fürst nicht selbst Reichsfürst sein.<br />
So habe ich also versucht darzutun, daß Bogislaw nicht in den<br />
deutschen Reichsfürstenstand (den jüngeren) erbobcn worden ist, daß er<br />
den Titel 6ux 8!avia6 vom Kaiser mcht erhalteu hat, son<strong>der</strong>n höchstens<br />
etwa von ihm als solcher anerkannt worden ist, und endlich daß in dem<br />
bisher besteheudeu ^chnsverhälmisse eiue Än<strong>der</strong>ung nicht eingetreten ist.<br />
Somit hätte denn also Vogislaw aus seiuer Anerkennung Friedrichs<br />
als seines Oberherrn und <strong>der</strong> Übernahme einer Tnbutpflicht gar keiueu<br />
') P. U.-B., Vd. 1. Nr. 74.<br />
18*
268 Die staatsrechtlichen Verhältnisse Pommerns<br />
Nutzen für sich heimgebracht? Ich meine doch. Bogislaw nennt sich<br />
in einer Urkunde des Jahres 1182, die ganz Pommern betrifft Kamera-<br />
N0I1IIN et) latinorum äux, und in einer an<strong>der</strong>en vom Jahre 1186,<br />
die sich auf ?ebbin im ehemaligen Nesilzanteil Kasimirs bezieht, I^uticis<br />
6ux.2) Das hat er früher nicht getan, er betrachtet sich also als<br />
berechtigten Herrscher auch in jenem früher zu Kasimirs Gebiet gehörigen<br />
ttandesteile. Daran nun, daß Bogislaw den Bru<strong>der</strong> beerbt hat, ist ja<br />
auch bisher nirgends gezweifelt worden. Aber es ist da doch einiges<br />
schärfer zu beachten. In einer Urkunde, welche Herzogin Nnastasia am<br />
Todestage Bogislaws 1187 ausstellt, steht als Zeuge unmittelbar hinter<br />
dem Swantiooriden Wartislaus, dem vic66ommu8 terrae, eiu OciolauZ<br />
äs Aiutici«., ülius X^imai-i. Diesen Odolaus erkennt, im Gegensatz<br />
gegen die Herausgeber des Codex, <strong>der</strong> Verfasser des Registers im<br />
Pommerschen Urlundenbuche als Sohn des Fürsten Kasimir I. au.") Daß<br />
er das in <strong>der</strong> Tat gewesen ist, ist doch höchst wahrscheinlich. War es<br />
aber so, dann war Odolaus, selbst in dem Falle, daß er ein unechter<br />
Sohn Kasimirs gewesen sein sollte, doch immer noch bis zu einem<br />
gewissen Grade erbberechtigt; das ist aber von Vogislaw nicht anerkannt<br />
worden, Odolaus erschiene sonst in <strong>der</strong> angeführten Urkunde als pnnoep8<br />
und vor Wartislaw. So ergiebt sich also die Tatsache, o<strong>der</strong> doch die<br />
Wahrscheinlichkeit, daß sich Bogislaw nach dem Tode seines Bru<strong>der</strong>s,<br />
obwohl dieser Erben hinterlassen hatte, nicht als Vormund, son<strong>der</strong>n aus<br />
eigenem Rechte in den Besitz seiner Hinterlassenschaft gesetzt hat; <strong>der</strong><br />
Sohn hat sich, herangewachsen, wohl o<strong>der</strong> übel, darin gefügt, vielleicht<br />
war er auch mit einem kleinen Teilbesitz in Äutizien abgefunden. In<br />
Dänemark, das ja Interesse an diesen Zuständen hatte, ist <strong>der</strong> Vorgang<br />
nicht unbemerkt geblieben, Saxo spricht von einer Beraubung <strong>der</strong> Erben<br />
Kasimirs durch den Bru<strong>der</strong>s)<br />
Ich meine nun, daß Vogislaw in jenem Zeitpunkte nach sage <strong>der</strong><br />
Verhältnisse eine solche Handlungsweise nun und nimmer ohne Zustimmung<br />
Friedrichs hätte wagen dürfen. Kasimirs ^and war durch sein Verhalten<br />
in <strong>der</strong> kritischen Zeit 66 iure und auch wohl tatsächlich den Deutschen<br />
anheimgefallen, ob ganz o<strong>der</strong> teilweise steht dahin; sie hätten es in Besitz<br />
nehmen können, ohne daß Bogislaw im stände gewesen wäre es zu hin<strong>der</strong>n.<br />
Darf man da nicht die ernste Vermutung aussprechen, Kaiser Friedrich<br />
') P. U.-V. Bd, I, Nr. 91 und 102.<br />
') Ooll. Nr. 75. P. U.-B. Bd. 1, Nr. 106 u. Register.<br />
2) S. 967: (öossisiaus), ynem uupsr li-atris äsceäeuti» orditag (d. h.<br />
Beraubung <strong>der</strong> Waisen) Ksr^sm söeosrat. Saxo trägt freilich auch hier hinein<br />
seine Herabsetzung <strong>der</strong> Deutschen.
in den Jahren 1180 bis 1214. 269<br />
habe den bösen Gegner Kasimir noch in seinem Erben getroffen, den folgsamen<br />
Bogislaw, <strong>der</strong> möglicher Weise gerade dies als Ziel im Auge gehabt<br />
hatte, mit dem Erbe des Gestorbenen bedacht? Die Gehässigkeit des<br />
Ausdrucks, den Saxo bei dieser Nachricht braucht, läßt vermuten, daß<br />
er die Beraubung <strong>der</strong> Erben weniger Nogislaw, als dem Kaiser zur<br />
Last legt.<br />
Nuter diesem Gesichtswinkel gewinnt auch Bogislaws relativ schnelle<br />
Unterwerfung unter Dänemark im Jahre 1185 eine neue Beleuchtung.<br />
Da man dort den Odolaus als berechtigten Erben Kasimirs ansah,<br />
mußte Nogislaw von dieser Seite eine Unterstützung des Neffen befürchten,<br />
gegen den Deutschenfreund Bogislaw konnte man dort dm Sohn des<br />
Deutscheuhassers ausspielen. Dem brach er die Spitze ab, wenn er sich<br />
unterwarf, und seinem Beispiele folgte gleich nach seinem Tode seine Witwe.<br />
5. Ob Brandenburg im 12. Jahrhun<strong>der</strong>t irgendwo und irgendwann<br />
einen wirklichen rechtlichen Einfluß auf Pommern<br />
ausgeübt hat, ist schwer zu sagen; was Rachfahl gegen Zickermann dafür<br />
ins Treffen führt, ist doch nicht von großem Belaug. Dem theoretischen<br />
Ansprüche, <strong>der</strong> sich aus dem Inhalte <strong>der</strong> markgräflichen Gewalt ergab,<br />
scheint doch ein realer Inhalt nicht verliehen zu sein. Jedenfalls sind<br />
aber in dieser Hinsicht zwei Vorgäuge aus <strong>der</strong> Zeit Heinrichs des ^öwen<br />
beachtenswert. Als dieser im Jahre 1164 seinen ersten Zug gegen<br />
Demmin unternahm, for<strong>der</strong>te er den Markgrafen, es war noch Albrecht<br />
<strong>der</strong> Bär, zur Hülfeleistung auf, und ebenso 1177; daß Albrecht dem<br />
Nufe gefolgt wäre, wird nicht berichtet, das zweite Mal soll aber<br />
Markgraf Otto wirklich gekommen sein. Sollte nun Heinrich beide Male<br />
dieses Ansinnen an die Markgrafen gerichtet haben, weil ihm allein die<br />
Pommern zu stark waren? Sollte Otto I. dem Ansuchen gefolgt sein,<br />
weil er es für dringend nötig erachtete, die pommerschen Fürsten zu<br />
bekämpfen, selbst auf die Gefahr hin, dadurch seinen schlimmsten deutschen<br />
Gegner zu för<strong>der</strong>n, ttag ^ ^ Jahre 1177 wirtlich so, daß die<br />
gemeinsame Gefahr hier für einen Augenblick alle Zwietracht <strong>der</strong> beiden<br />
Nebenbuhler vergessen machte (Salis S. 325)? Von einer pommerschen<br />
Gefahr für Deutschland ist vor dem Prozesse Heinrichs ganz und gar<br />
nichts bekannt. Und so kann meines Erachtens jenes zweimalige Ansuchen<br />
Heinrichs an die märkischen Fürsten und die Folgeleistung Ottos sich<br />
nur so erklären, daß diese hier äs iur« mitzusprechen hatten, daß Heinrich<br />
sie also nicht übergehen durfte. Die Schweriner Urkunden, ob gefälscht<br />
o<strong>der</strong> echt, lassen doch so viel erkennen, daß die sachsische Herzogsgewalt<br />
auf das rechte Ufer <strong>der</strong> unteren Peene garnicht o<strong>der</strong> nur wenig hinübergriff.<br />
Und fo ist es wohl denkbar, was ja auch vielfach angenommen
270 Die staatsrechtlichen Verhältnisse Pommerns<br />
wird, daß eine Obergewalt <strong>der</strong> Markgrafen über Pommern von <strong>der</strong> O<strong>der</strong><br />
bis zur Peene hin bestanden hat. War das aber N77 <strong>der</strong> Fall, dann<br />
besteht nicht die geringste Veranlassung zu <strong>der</strong> Annahme, daß dieser<br />
Zustand seit 1181 ei'le Än<strong>der</strong>ung erfahren habe, wofern bezw. da sich<br />
ja auch in dem Rechtsverhältnis des Herzogtums Sachsen zu Pommern<br />
nichts geän<strong>der</strong>t hat. Indem wir dies festhalten, fällt für uns die<br />
Schwierigkeit hinweg, welche in <strong>der</strong> Beletmung vom Ialire 1s31 bezw.<br />
ihrem Wortlaute zu liegen scheint, dieselbe Schwierigkeit, aus welcher<br />
die Idee einer Begründung einer märkischen Lehnsherrschaft über Pommern<br />
im Jahre NW ihre beste Nahrung geschöpft hat. l)<br />
An<strong>der</strong>erseits hat nun aber doch Markgraf Otto sicherlich nicht auf<br />
die sofortige Einbringung reichlicher Erfolge seines Sieges über Kasimir<br />
verzichtet, das lag doch jener Zeit völlig fern.^) Und mag auch Kaiser<br />
Friedrich hernach den wesentlichen Bestand des Vcsitzanteils des verstorbenen<br />
Kasimir dem überlebenden Bru<strong>der</strong> zuerkannt haben, dem befreundeten,<br />
hilfreichen deutschen Sieger seine Beute ganz zu entreißen zugunsten des<br />
ihm völlig fremden und gleichgültigen Slaven Bogislaw hatte er gar<br />
leinen Anlaß, auch nicht in seinem Verhältnisse zu Dänemark. Es ist<br />
ja nun sehr verlockend anzunehmen, daß Otto I. damals den ganzen<br />
Südwesten von Pommern, also die Landschaften um die obere Havel,<br />
Tollense, Peeue bis zur Nebel hin, mithin einschließlich Zirzipaniens,<br />
erhalten bezw. behauptet habe, manches spricht dafür, aber manches stellt<br />
dieser Annahme auch Schwierigkeiten entgegen, denen hier naher zu treten<br />
ich we<strong>der</strong> Zeit noch Raum finde; für ziemlich wahrscheinlich erachte ich<br />
es aber, daß damals einerseits das ^and Zirzipanien, von dem noch<br />
mehrfach zu sprechen sein wird, an<strong>der</strong>erseits das Gebiet Löwenberg,<br />
Zehdenick, Fürstenberg, Liebenwalde, Lychen märkisch geworden ist; die<br />
kirchlichen Verhältnisse dieser Gegenden, welche vielfach untersucht worden<br />
sind,s) lassen mit gutem Grunde vermuten, daß diese Gebiete noch im<br />
12. Jahrhun<strong>der</strong>t für das Bistum, und somit auch für das Territorium,<br />
Brandenburg zurückgewonnen und nickt wie<strong>der</strong> verloren gegangen sind.<br />
Bemerkenswert ist dann auch die Meinung v. Sommerfelds/) daß<br />
die Umgegend von Berlin um diele Zeit märkisch geworden sein dürfte;<br />
1) S. dazu auch W. v. Sommerfeld, Verf.-Gesch. S 106, Anm.<br />
') Auch Hahn, Bd. 1, 40, nimmt an, daß Otlo 1. nicht ohne Lohn geblieben<br />
ist.<br />
2) Vergl. dazu Voigt, Die alten und die neuen Lande <strong>der</strong> Mark im<br />
Jahre 12!V. Mark, forsch. IX, 93 ss. Sello, Dasselbe, Forsch, z br. pr. G.,<br />
Bd. V., 45 und b49 ff; bes. .:ber dic treffliche Arbeit von Curjchmann, Die<br />
Diözese Vrandenbma., Leipzig 1996. zumal im Exkurs I. Auck »eine Karle <strong>der</strong><br />
Vislumsgrenzen ist da von großem Werte.<br />
^ Vers-Gesch., S. 107. Anm.
in den Jahren 1180 bis 1214. 271<br />
er weis: darauf hin, daß um 1193/94 einige Ministerialen in märkischen<br />
Urkunden auftreten, <strong>der</strong>en Namen auf Dörfer bei Berlin hindeuten.<br />
Da aber diejenigen von den Herren, welche deutsche Namen tragen, diese<br />
doch schon vorher besessen haben müssen (Wedding, Stolzenhagen) und<br />
die an<strong>der</strong>en slavischen Namen (Karow, Stegelih) häufiger vorkommen,<br />
so ist mit <strong>der</strong> Nennung dieser Namen noch nicht mit Sicherheit erwiesen,<br />
daß ihre Träger zu <strong>der</strong> betreffenden Zeit schon in den gleichnamigen<br />
Dörfern ansässig gewesen sind. Daß das betreffende Gebiet, also Teile<br />
des Barnim eben jetzt märtisch geworden sein sollen, dagegen scheint<br />
mir auch zu sprechen, daß es vorher, nach allgemeiner Annahme, wohl<br />
nicht Kasimir son<strong>der</strong>n Bogislaw gehört hatte.<br />
IV. Die Zeil <strong>der</strong> danischen Vorherrschaft.<br />
Durch die Erwerbung des brü<strong>der</strong>lichen Besitzanteils war Bogislaws I.<br />
Macht erheblich gestiegen, aber vielleicht überschätzte er sie. Er ließ sich<br />
verleiten, in die Wirren einzugreifen, welche in den nächsten Jahren<br />
Mecklenburg erfüllten, indem er für Heinrich Burwy gegen dessen mit<br />
Brandenburg verbündeten Vetter Niclot von Rostock eintrat. Daß bei<br />
diesen Wirren die Abtretung einst mecklenburgischen Landes an Brandenburg<br />
(Zirzipanien) eine Nolle gespielt hat, daß Heinrich Burwy mit Bogislaws<br />
Hülfe versucht hat, hier ein 1179 an Kasimir verlorenes, 1181 meines<br />
Erachtens an Brandenburg gekommenes Gebiet dem Markgrafen wie<strong>der</strong><br />
abzunehmen, scheint mir nicht außerhalb <strong>der</strong> Möglichkeit zu liegen.<br />
Indem nun auch Fürst Iarimar von Rügen für Niclot Partei<br />
ergreift, <strong>der</strong> landvertrieben von seinem märkischen Nefugium in Havelberg<br />
aus in Vorpommern heert, endlich auch <strong>der</strong> Dänenkönig als Rügens<br />
Lehnsherr in die Sache hineingezogen wird, verwickelt sich Bogislaw in<br />
eine für ihn unhaltbare ^age; ein von ihm gegen Rügen unternommener<br />
Angriff zur See scheitert vollständig an den Flotten <strong>der</strong> vereinigten<br />
Gegner, und im nächsten Jahre schon landen von neuem dänische Schiffe<br />
an den Mündungsgebieten <strong>der</strong> O<strong>der</strong>.<br />
Ende 1185 war Bogislaws Wi<strong>der</strong>standstraft gebrochen. König<br />
Kanut I., <strong>der</strong> nach dem Tode seines Vaters 1182 den dänischen Thron<br />
bestiegen hatte, wurde diesmal wirklicher Herr in Pommern und um<br />
dieselbe Zeit auch in Mecklenburg. Der Kaiser, obwohl eben jetzt auf<br />
<strong>der</strong> Höhe <strong>der</strong> Macht stehend, hatte nichts für die soeben erst in nähere<br />
Beziehung zum Reiche getretenen Slavenlande getan, ja es ist nicht ganz<br />
ausgeschlossen, daß er im gewissen Sinne die Veranlassung zu dem Unheil<br />
gegeben hat, indem er Bogislaw bestimmt hat, gegen den neuen König,
272 Die staatsrechtlichen Verhältnisse Pommern«<br />
<strong>der</strong> ihm den Lehnseid verweigerte, zu Felde zu ziehend) Auch von selten<br />
Brandenburgs erfuhr Vogislaw keine Hülfe. So hat er sich denn dem<br />
Sieger in demütigen<strong>der</strong> Weise unterworfen. Dänemark heimste die Früchte<br />
des Sturzes des Sachsenherzogs ein.")<br />
Dazu kam nun für Bogislaw noch <strong>der</strong> Gebietsverlust in Vorpommern,<br />
wo Rügen eben jetzt Tribsees gewonnen haben dürfte/)<br />
Als Bogislaw 1187 starb, empfahl er seinen Erben, sich dem<br />
Könige Kanut völlig ergeben zu beweisen; und das geschah denn auch<br />
zunächst/) Welche Nebenbesorgnisse dabei möglicherweise mitgespielt haben<br />
(Odolaus von ^eutizien!), habe ich obenangedeutet. Der König bestellte<br />
dann einen Statthalter (vics ^omnmg) in <strong>der</strong> Person des Swantiboriden<br />
Wartislaus, welcher nach <strong>der</strong> dänischen Quelle <strong>der</strong> unmittelbare Inhaber<br />
von Stettin war, und sich bei dessen Belagerung durch Waldemar I.<br />
(1176?) von feiten des Feindes so hohes Lob wegen seiner Friedfertigkeit,<br />
im Gegensahe zu den streitlustigen Pommern, zugezogen hattet) Aber<br />
neben ihm blieb doch die Herzoginwitwe im Besitze eines starken Einflusses<br />
auf ihre Söhne Bogislaw und Kasimir. Durch sie war denn auch dafür<br />
gesorgt, daß man sich nicht willenlos in die Knechtschaft fügte. Schon<br />
nach wenigen Jahren war <strong>der</strong> Bruch da. Wenn wir hören, daß im<br />
Jahre 1189 ein neuer Zug Kanuts nach Stettin erfolgte") und dah<br />
'! Was Saxo S. 964 und die Knytlinga Saga, B. St. Vd I. 89 ff.,<br />
über Quertreibereien des Kaisers erzählen, braucht man wohl nicht zu glauben.<br />
Die von Saxo zum Jahre 1192 erzählte Vorbereitung Waidemars zu einem Zuge<br />
nach Pommern hängt wohl mit den Verwickelungen in Mecklenburg zusammen,<br />
über welche beson<strong>der</strong>s Arnold v. L., S. 76 ff, berichtet. Zu ihnen vergl. auch<br />
Nuoloff S. 74 und 79.<br />
') Vergl. Dahlmann, S. 820; Usinger, S. 53: Zickermann, S. 20;<br />
Webrmann, Bd. I, S. 90; v. Sommerfeld, S. 84.<br />
') Daß damals auch Wolgast an Dänemark abgetreten ist, möchte ich doch<br />
nicht glauben. Wir kommen darauf noch zurück. Doch vergl. Voll. Das Land<br />
Stargard, S. 30 und Reiche, Bausteine z. Gesch. o. Stadt Königsberg i. M, S 10.<br />
*) Ann. Walä. 68. XXIX, 178 und P U.-B., Bd. l. 107.<br />
') Vergl. dagegen Wehrmann, Bd I. 93. Über Wartislaws Stellung:<br />
Saxo, S. 8b 7 nennt ihn erst praetectu» urdis; dann beschließt <strong>der</strong> König: ut<br />
VVHl'ti»l2w3 urbsm ». 86 in bonttücium rvosptam tHinyuam rsssium munng<br />
0l)n»olt.io Ilavicaß 6omjn»t.juni5 6ripsr6t. Am 15. August 1176 nennt sich<br />
Wartillaw in einer Urkunde des Bischofs Conrad VV. 6s 5t.tit.in, P. U.«B., Bd. 1.<br />
42. Ob das nach o<strong>der</strong> vor jene Belagerung zu sehen ist, läßt sich nicht sicher<br />
entscheiden; die Datierung <strong>der</strong> Belagerung fehlt bei Saxo ganz, die Knytlinga,<br />
B. St., Bd. I, 73, setzt sie zu 117k', wie dann auch Velschow in seiner Saxoausgabe<br />
tut; wohl mit Recht, da auch die Ann. K?eu.868 8s. XVI, 403 zu diesem<br />
Iah! e eine Belagerung Stettins erwähnen. Ob sich seitdem an <strong>der</strong> auf diese<br />
Weise dem Beschützer <strong>der</strong> dänischen Mönche von Colbah in Stettin zugewiesenen<br />
Stellung etwas geän<strong>der</strong>t hatte, ist nicht nachzuweisen. Ick nehme es nicht an.<br />
Darüber noch weiter unten.<br />
°) Ann. K76U868, 88. XVI, 403. Ann. ^aiä, 88. XXIX, 178.
in den Jahren 1180 bis 1214. 273<br />
fortan Iarimar von Rügen zum Tutor <strong>der</strong> Söhne Nogislaws bestellt<br />
wurde, so wird es erlaubt sein, die Sachlage so aufzufassen, daß Wartislaw<br />
beseitigt wurde, nicht sowohl weil er selber sich gegen den Oberherren<br />
eigenmächtig aufgelehnt hatte, als vielmehr weil er sich gegen die National-<br />
partei unter Führung Anastasias gar zu nachgiebig gezeigt hatte. Nun-<br />
mehr seiner Stellung ganz sicher, tonnte Kamtt im nächsten Jahre die<br />
Burg von Stettin wie<strong>der</strong> aufbauen, die wohl 1176 zerstört worden war.^)<br />
Daß man diesmal eine dänische o<strong>der</strong> rügensche Besatzung in <strong>der</strong> Burg<br />
aufnehmen mußte, wird gewiß mit Recht«) vermutet.<br />
Wi<strong>der</strong>standslos hat sich Anastasia auch jetzt noch nicht in ihr<br />
Schicksal ergeben, sie hat es nicht verschmäht, personlich nach Wordingborg<br />
zu reisen und dort gegen die Übergriffe <strong>der</strong> Mgener, die immer neue<br />
Stücke von Borpommern an sich rissen, vorstellig zu werden, und hat<br />
wie es scheint auch einigen Erfolg gehabt.^)<br />
Wie weit in diesen Jahren die dänische Macht in Pommern räumlich<br />
gereicht hat, das ist schwer zu jagen; die Verhältnisse östlich <strong>der</strong> O<strong>der</strong><br />
dürften sich <strong>der</strong> Beeinflussung durch sie wohl fast ganz entzogen haben;<br />
in Vorpommern freilich, wo Iarimar mit kräftiger Hand gebot, war sie<br />
aller Wahrscheinlichkeit nach so stark, daß darüber das ^ehnrecht Sachsens<br />
wie auch Brandenburgs gänzlich außer Kraft gesetzt wurde. Da scheint<br />
nun ein Ereignis kurz vor Schluß des 13. Jahrhun<strong>der</strong>ts hierin einigen<br />
Wandel geschaffen zu haben.<br />
V. Die Mlktzüge ües Markgrafen Otto II.<br />
in dm Jahren lN9?,j NW unü II99.<br />
Im Jahre N97 o<strong>der</strong> vielleicht auch erst im Frühjahre 1198<br />
unterwarf Markgraf Otto II. einige slavische Landstriche, welche einem<br />
1) Ann. ^Valcl. 88. XXIX, 179. Vergl. die abweichende Ansicht Wehrmanns,<br />
Bd. I, 93, über den Vorgan« des Jahres 1189. Festzustehen scheint es mir<br />
freilich, das Wartislaw bezw. seine Familie ihres Besitzes in bezw. von Stettin<br />
beraubt wurde, auch wohl das Land räumen mußte. Wartislaws Sohn Vartholomeus<br />
erscheint zwei Jahre nach des Vaters Tode 1198 bei Fürst Grimislaw von Ponierellen,<br />
und nennt sich noch äs 8tet)'u. dann veUckwindel er auf lange Zeil, so dah<br />
Klempin auf den Gedanken kommt, er sei auf einer Pilgerfahrt in sarazenische Hände<br />
gefallen! Ob nicht viel mehr in dänische? Erst 1218 treten er und sein Sohn<br />
Wanislaw wie<strong>der</strong> nus. Darauf komme ich noch zurück.<br />
2) v. Sommerfeld. S. 95.<br />
2) P. U.-B. Bd. I, 95, Nr. 125 Die Datierunß zu 1194 ist unsicher;<br />
auch <strong>der</strong> Inhalt <strong>der</strong> von Ka nut getroffenen Entscheidung ist unklar; man sieht<br />
nicht, ob Wolgast als zu Pommern gehörig bezeichnet werden soll. Vergl. Ujinger,<br />
S. 279 Tie Entscheidung hierüber ist nicht ohne Wichtigkeil.
Die staatsrechtlichen Verhältnisse Pommerns<br />
Klienten des dänischen Königs gehörten, wahrscheinlich das mecklenburgische<br />
Grenzland südlich <strong>der</strong> Elde nnd Peene, auch wohl die Grafschaft<br />
Dannenberg; <strong>der</strong> Versuch eines dänischen Heeres, sie wie<strong>der</strong>zugewinnen,<br />
,'cheiterte 1198 völlig, 1199 hatte Otto II. weitere große Erfolge, beson<strong>der</strong>s<br />
gegen Iarimar von Nügen. Der Siegeszug des Däuenlönigs in<br />
Noroalbingien wurde dadurch nicht gehin<strong>der</strong>t, seine Stellung in Pommern<br />
nicht gebrochen-/) das aber ist immerhin möglich, daß wenigstens seitens<br />
<strong>der</strong> pommerschen Regierung die herkömmlichen Ansprüche auf eine<br />
Oberherrlichkeit Brandenburgs in Vorpommern südlich <strong>der</strong> Peene<br />
Anerkennung fanden.<br />
Arnold von Lübeck erzählt, Markgraf Otto II. (seit 1184) habe<br />
durch Unterwerfung von ^ui6ain 8cla.vi, quos rex 8U2.6 äioionig 6836<br />
ciicekkt, den König herausgefor<strong>der</strong>t, zum Kriege gereizt (1198). Welcher<br />
äußere Anlas; für Otto vorlag, entzieht sich unserer Kenntnis. *) Da<br />
dot nun Kanut Heer uud Flotte auf, blieb mit dem Gros bei Möen<br />
und schickte Peter von Roeskild nach dem Festlande, wo er Verstärkung<br />
durch Nügener, Obotriten und Polaben empfing. Von <strong>der</strong> Mündung<br />
<strong>der</strong> Warnow aus^) rückte dieser vor, wurde aber von Otto, <strong>der</strong> ihm<br />
mit seinem ritterlichen Aufgebote uud vielen Slaven entgegentrat,<br />
geschlagen und gefangen, 8icqu6 ea expeäicio Lolnta. ezt. *) Im nächsten<br />
Jahre bekam Otto Hülfe von Graf Adolf von Holstein, verwüstete ganz<br />
Slavien, schonte auch nicht Iarimars ^and Triebsees, uud wäre sogar<br />
nach Rügen hinüber gegangen, wenn nicht soeben das Eis des Sundes<br />
aufgetaut wäre.^)<br />
Die erste Frage, die uns nun entgegentritt, ist die: wer waren die<br />
unterworfenen ymäkin Kowvi? Solange man <strong>der</strong> Ansicht war, <strong>der</strong> dänische<br />
1) D. h. soweit sie damals noch in Kraft war- darüber s. den nächsten Abschnitt.<br />
') Usingers (S 11 und 87) Hinweis auf einen Vries vom Jahre 1211 paßt<br />
nicht hier<strong>der</strong>, son<strong>der</strong>n eher zu 1210.<br />
2) Verbesserte Lesart bei M e y . S. 23. W. Meyer, Gesch. d. trafen<br />
von Rahebura und Dannenberg (Meckl. Jahrb. Bd. 76. 56. Anm. 214) ist <strong>der</strong><br />
Meinung, die drei Völkerschaften seien dem Könige entgegen getreten; er polemisiert<br />
da nur gegen einen von den vielen, die an<strong>der</strong>er Ansicht sind, ohne sie zu nennen<br />
(und zu kennen?). Die Arbeit enthält lei<strong>der</strong> nichts ,ür unsere Fragen.<br />
") Die verstümmelte Angade <strong>der</strong> Ann. XValä. 88. XXIX, 178: mai-eliio<br />
lnssit, unmittelbar nach <strong>der</strong> Notiz von <strong>der</strong> Gefangennahme Peters ist unglaubwürdig.<br />
Die an<strong>der</strong>en Quellen schweigen sämtlich Was Huitseld, I)u.nm. rikes nibdorie,<br />
S. 163 sagt, le^nt Usinger S. 67 wohl mit Recht ab.<br />
b) Ta durch die Feststellung Meys, daß <strong>der</strong> Feldzug nicht von <strong>der</strong> O<strong>der</strong><br />
ausgezogen ist, wie man früher las, son<strong>der</strong>n von <strong>der</strong> Warnow, die allermeisten<br />
an diese Nachricht angeknüpften Erörterungen himällig o<strong>der</strong> doch in ihrer Sicherheit<br />
sehr erschüttert worden sind, bat es leinen Zweck, alle die verlchiedcnen Ansichten<br />
hier kritisch zu beleuchten. Einzelnes wird gelegentlich berührt werden
in den Jahren 1120 bis 1340. 275<br />
Feldzug sei von <strong>der</strong> O<strong>der</strong> aus gegen Otto II. gerichtet gewesen, konnte<br />
man noch mit einigem Rechte an den Hern Pommerns, also sagen wir<br />
die Gegend Stettins, denken, letzteres gelit nun bestimmt nicht mehr<br />
an; das verlorene Land wird da gelegen haben, wohin <strong>der</strong> Feldzug<br />
gerichtet wurde; ob dieser aber längs <strong>der</strong> Warnow geblieben ist, wissen<br />
wir nicht, <strong>der</strong> Ausdruck Arnolds „quo^m Zelava" läßt jedenfalls<br />
darauf schließen, daß es sich nicht um Pommern im eigentlichen Sinne<br />
handelt; Arnold, dem <strong>der</strong> Name Pommern wohl bekannt ist, hätte sich<br />
an<strong>der</strong>s und weniger geringschätzig ausgedrückt. Auf dasselbe Ergebnis<br />
führt die Tatsache, daß sich im Heere Peters Nügener, Obotriten, ja<br />
sogar Polabeu von Natzeburg her einfinden. Das deutet auf Mecklenburg<br />
als Kriegsschauplatz, ebenso die spätere Hülfslcistung des Holsteincrs;<br />
auf eine Beteiligung Pommerns als Staatsgebilde deutet dagegen nichts<br />
hin, 8clg.vi welche unterworfen werden konnten, wie diejenigen, welche<br />
sich im Heere Ottos befanden, sind auch außerhalb des eigentlichen<br />
Pommern reichlich vorhanden gewesen, letztere auch in <strong>der</strong> Mark,<br />
namentlich seit den Neuerwerbuugeu des Jahres 1181.^) Auch die<br />
Augabe, ganz Slavien sei im Jahre 1199 von Markgraf Otto verwüstet<br />
worden, gibt uns keinen Aufschluß. Wenn, wie es feststeht, Dargun,<br />
nahe bei Demmin in <strong>der</strong> Ostecke Hirzipaniens völlig zerstört wurde, so<br />
kann das so gut 1199, wie 1lW, kann so von den Dänen und ihren<br />
Freunden, wie von den Märkern, sogar ohne direkte feindselige Absicht<br />
geschehen sein.<br />
Für die Annahme, es sei ganz Pommern (staatlich gesprochen) von<br />
Otto unterworfen worden, spricht nickt das leiseste Moment; wenn auch<br />
die Bedrückungen durch Iarimar in <strong>der</strong> Tat unerträglich geworden sein<br />
mochten (mit Nachfahl gegen Zickermann). Gegen die Annahme, daß<br />
sich eine Anastasia freiwillig den Märkern in die Arme geworfen<br />
haben sollte, spricht (abgesehen von dem Ausdruck Arnolds 8ul)jci6,i8)<br />
nicht mehr wie alles, namentlich auch die Zustände Pommerns in den<br />
nächsten Jahren, die sogar einen Rückgang des dortigen Deutschtums<br />
wahrscheinlich machen,") und die Untätigkeit, welche oer Marlgraf<br />
1184M bewiesen hatte, als es den Kampf mit Dänemark galt. Dafür<br />
aber spricht rein nichts;«) für eine gewaltsame Unterwerfung ist noch<br />
weniger irgend ein Umstand anzuführen. Die damaligen unentwickelten<br />
') Vergl. dazu den Vrief Innnocenz' III. vom Jahre 1197 bei Iaffö, ress.<br />
p. l7508 und Riedel .4, VIll, 122: auch Sello, V, 545.<br />
') v. Sommerfeld S. A5.<br />
') Das einzige, w>s Klempin geltend zu machen versuchen konnte, die<br />
freiwillige Unterwerfung Camins unter Magdeburg, wird sich unten als Itrtum<br />
erweisen.
276 Die staatsrechtlichen Verhältnisse Pommerns<br />
Zustände <strong>der</strong> bisher slavischen Landesteile <strong>der</strong> Mark machen auch eine<br />
so nnsinnig expansive Politik des Markgrafen Otto sehr unwahrscheinlich. ^)<br />
Könnten es nun aber nicht Teile Pommerns sein, die damals<br />
unterworfen wurden, z. N. die Län<strong>der</strong> Stargard, Wustrow, Neseritz,<br />
welche sich die Markgrafen 1336 abtreten ließen, nachdem sie —<br />
möglicherweise — im Jahre 1211 o<strong>der</strong> 1214 wie<strong>der</strong> von ihnen verloren<br />
worden waren, und gegen <strong>der</strong>en Eroberung schon im Jahre 11W/81<br />
eine Urkunde für Broda vom Jahre 1182 spricht?') Auch das ist nicht<br />
wahrscheinlich, denn dann müßten wir ja im Heere Bischof Peters auch<br />
Pommern als Feinde Brandenburgs finden.<br />
So bleibt also nichts übrig, als die quiäam Lelavi Arnolds da<br />
zu suchen, wohin sich <strong>der</strong> Feldzug <strong>der</strong> Dänen, wie wir sahen, gerichtet<br />
haben dürfte, an <strong>der</strong> oberen Warnow. Dorthin weist die ganze<br />
Kombination <strong>der</strong> beteiligten Kämpfer, dorthin die Nachricht von <strong>der</strong><br />
Verwüstung <strong>der</strong> tote 8clavik, die dann auch, infolge <strong>der</strong> Parteinahme<br />
Iarimars, auf das festländische Rügen ausgedehnt wird; dafür scheint<br />
mir endlich und ganz beson<strong>der</strong>s zu sprechen, daß nicht lange nach diesen<br />
Borgängen allem Anscheine nach das märkische Stift Havelberg.auf die<br />
bisher vom Bistum Schwerin besessenen Landschaften Müritz und Warnow<br />
Ansprüche zu machen gewagt hat, was niemals hätte versucht werden<br />
können, wenn nicht diese Gebiete einige Zeit dem kandesherrn des<br />
Bistums gehört hätten. °)<br />
Genau läßt sich die Sachlage nicht ergründen, da die Havelberger<br />
Generalkonfirmationen aus dieser Zeit fehlen; aber die Tatsache, daß<br />
hernach das Land südlich <strong>der</strong> Elde dem Bistum Havelberg verblieben<br />
ist, also auch <strong>der</strong> südliche Teil des Landes Warnow, den, im Gegensatz<br />
gegen die Alexan<strong>der</strong>bulle von 117N, die zweifellos unechten Diplome<br />
aus dem Jahre 1226 Schwerin zuweisen, ist wohl von Wichtigkeit.<br />
Dasselbe Ergebnis liefern die Erwähnungen des Landes Müritz; die<br />
Urkunden Havelbergs von 946, 1150, 1179 sprechen es Havelberg zu,<br />
die mecklenburger dagegen Schwerin, aber nur in den unechten wird das<br />
beson<strong>der</strong>s hervorgehoben.<br />
Ein an<strong>der</strong>er Hinweis auf zeitweilige Eroberungen Brandenburgs<br />
im Eldegebiet liegt in dem Umstände, daß die Grafschaft Dannenberg<br />
und <strong>der</strong> Ort Grabow dort bald nachher einem Johannes Gans gehören,<br />
in dem man wohl mit Recht ein Mitglied <strong>der</strong> Familie von Putlitz<br />
') Veral. dagegen Rudloff, S. 96.<br />
') P. U.-V. Bd. l, 69, Nr. 90.<br />
2) Sa lis S. 277: Ohne die Hülfe <strong>der</strong> politischen Gewalt war je<strong>der</strong> Besitz»<br />
titel des Bistums unwirksam.
in den Jahren U80 bis 1214. 277<br />
erblickt hat, und <strong>der</strong> schon durch die Kämpfe <strong>der</strong> Jahre 1300 bis 1203<br />
unter dänische Oberhoheit geriet.^)<br />
Die übrigen in Frage kommenden Gebiete in Mecklenburg bilden<br />
zum Teil den Gegenstand <strong>der</strong> Kämpfe des Jahres I2I5; daraus ergibt<br />
sich ebenfalls, daß sie schwerlich später als 1197 von den Markgrafen<br />
erobert sein können.<br />
Erwägt man endlich, daß Otto wohl kaum Pommern und Mecklenburg<br />
zugleich zwecks Lan<strong>der</strong>obernng angegriffen haben wird, daß diese beiden<br />
Län<strong>der</strong> auch nicht in freundschaftlicher Beziehung zu einan<strong>der</strong> standen,<br />
daß, wie oben gezeigt wurde, Pommern selbst für die Eroberung des<br />
Jahres 1197 schwerlich in Frage kommt, so bleibt eben nur Mecklenburg<br />
übrig, weil nur dieses damals unter <strong>der</strong> Botmäßigkeit des Dänenkönigs stand.<br />
König Kanut ist daun in den nächsten Jahren fortwährend auf<br />
dem westlichen Kriegsschauplatze tatig gewesen, er hat in den nordalbingischen<br />
Gegenden große Erfolge über die deutschen Herren davongetragen.<br />
Albert von Schauenburg, <strong>der</strong> Freund des Markgrafen, hat das<br />
Land Holstein verloren, ein an<strong>der</strong>er Albert sein Natzeburg, und daß auch<br />
Gans von Putlitz ein Vasall des Königs geworden ist, erwähnten wir<br />
soeben. Aber ein erneuter direkter Zusammenstoß zwischen ihm und dem<br />
Markgrafen scheint nicht erfolgt zu sein, dieser dürfte seine Eroberung<br />
in Mecklenburg <strong>der</strong> Hauptsache nach behalten haben.<br />
Aber auch für die weitere Gestaltung <strong>der</strong> Verhältnisse in Pommern<br />
muß <strong>der</strong>, wenn nicht auf pommerschem Boden, so doch unmittelbar an<br />
<strong>der</strong> Grenze, über den Dänenkönig und seine Gefolgsleute errungene<br />
Erfolg Bedeutung gewonnen haben.<br />
Eine Wirkung wird, ja muß darin bestanden haben, daß Iarimar<br />
seinen Einfluß auf die Vormundschastsregierung einbüßte. Das war<br />
immerhin als ein reeller Erfolg anzusehen; für im Bereich <strong>der</strong> Möglichkeit<br />
liegend, darf man es auch ansehen, daß die neue Regierung, um weitergehenden<br />
Bestrebungen ein für alle mal eiuen Riegel vorzuschieben, die<br />
im wesentlichen ja doch nur eine Förmlichkeit darstellenden oberherrlichen<br />
Ansprüche des märkischen Fürsten auf die Landschaften rechts <strong>der</strong> Peene,<br />
soweit sie ihm einst zugestanden haben mochten, von neuem anerkannte.<br />
Weiter aber glaube ich, wird man nicht gehen dürfen; an eine Lehnshoheit<br />
<strong>der</strong> Markgrafen über Pommern schlechthin darf mall für die<br />
nächsten Jahre gewiß nicht denken; das zeigt, von allem an<strong>der</strong>en abgesehen,<br />
die Entwicklung, welche dort, besou<strong>der</strong>s rechts <strong>der</strong> O<strong>der</strong>, um diese Zeit<br />
vor sich ging.")<br />
') Arnold S. 280 und Rudloff S. 102 unten.<br />
') An<strong>der</strong>er Ansicht ist Krablio, Regesten II, Nr. 50« (und Forsch, br. pr.<br />
G. Bd. XXIV, 356); er sagt kurz und bestimmt, «das Reich (d. h. König Philipp)
276 Die staatsrechtlichen Verhältnisse Pommerns<br />
Zustände <strong>der</strong> bisher slavischen Landesteile <strong>der</strong> Mark machen auch eine<br />
so unsinnig expansive Politik des Markgrafen Otto sehr unwahrscheinlich. ^)<br />
Könnten es nun aber nicht Teile Pommerns sein, die damals<br />
linterworfen wurden, z. B. die Lan<strong>der</strong> Stargard, Wustrow, Beseritz,<br />
welche sich die Markgrafen 1236 abtreten ließen, nachdem sie —<br />
möglicherweise — im Jahre 1311 o<strong>der</strong> 1214 wie<strong>der</strong> von ihnen verloren<br />
worden waren, und gegen <strong>der</strong>en Eroberung scholl im Jahre 1180/81<br />
eine Urkunde für Broda vom Jahre 1182 spricht?') Auch das ist nicht<br />
wahrscheinlich, denn dann müßten wir ja im Heere Bischof Peters auch<br />
Pommern als Feinde Brandenburgs finden.<br />
So bleibt also nichts übrig, als die qui6ain Zelavi Arnolds da<br />
zu suchen, wohin sich <strong>der</strong> Feldzug <strong>der</strong> Dänen, wie wir sahen, gerichtet<br />
haben dürfte, an <strong>der</strong> oberen Warnow. Dorthin weist die ganze<br />
Kombination <strong>der</strong> beteiligten Kämpfer, dorthin die Nachricht von <strong>der</strong><br />
Verwüstung <strong>der</strong> tote 8cla.vig., die dann auch, infolge <strong>der</strong> Parteinahme<br />
Iarimars, auf das festländische Rügen ausgedehnt wird; dafür scheint<br />
mir endlich und ganz beson<strong>der</strong>s zu sprechen, daß nicht lange nach diesen<br />
Vorgängen allem Anscheine nach das märkische Stift Havclberg.auf die<br />
bisher vom Bistum Schwerin besessenen Landschaften Müritz und Warnow<br />
Ansprüche zu machen gewagt hat, was niemals hätte versucht werden<br />
können, wenn nicht diese Gebiete einige Zeit dem Landesherrn des<br />
Bistums gehört hätten, s)<br />
Genau läßt sich die Sachlage nicht ergründen, da die Havelberger<br />
Generalkonfirmationen aus dieser Zeit fehlen; aber die Tatsache, daß<br />
hernach das Land südlich <strong>der</strong> Elde dem Bistum Havelberg verblieben<br />
ist, also auch <strong>der</strong> südliche Teil des Landes Warnow, den, im Gegensatz<br />
gegen die Alexan<strong>der</strong>bulle von 1178, die zweifellos unechten Diplome<br />
aus dem Jahre 1226 Schwerin zuweisen, ist wohl von Wichtigkeit.<br />
Dasselbe Ergebnis liefern die Erwähnungen des Landes Müritz; die<br />
Urkunden Havelbergs von 946, 1150, 1179 sprechen es Havelberg zu,<br />
die mecklenburger dagegen Schwerin, aber nur in den unechten wird das<br />
beson<strong>der</strong>s hervorgehoben.<br />
Ein an<strong>der</strong>er Hinweis auf zeitweilige Eroberungen Brandenburgs<br />
im Eldegebiet liegt in dem Umstände, daß die Grafschaft Dannenberg<br />
und <strong>der</strong> Ort Grabow dort bald nachher einem Johannes Gans gehören,<br />
in dem man wohl mit Recht ein Mitglied <strong>der</strong> Familie von Putlitz<br />
') Vernl. dagegen Rudloff, S. 9«.<br />
') P. U.-N. Bd. I, 69, Nr. 90.<br />
2) Salis S. 277: Ohne die Hülfe <strong>der</strong> politischen Gewalt war je<strong>der</strong> Vesih.<br />
titel des Bistums unwirksam.
in den Jahren N80 bis 1214. 27?<br />
erblickt hat, und <strong>der</strong> schon durch die Kämpfe <strong>der</strong> Jahre 1300 bis 1203<br />
unter danische Oberhoheit geriet.^)<br />
Die übrigen in Frage kommenden Gebiete in Mecklenburg bilden<br />
zum Teil den Gegenstand <strong>der</strong> Kämpfe des Jahres 1215; daraus ergibt<br />
sich ebenfalls, daß sie schwerlich später als 1197 von den Markgrafen<br />
erobert sein können.<br />
Erwägt man endlich, daß Otto wohl kaum Pommern und Mecklenburg<br />
zugleich zwecks Lan<strong>der</strong>oberung angegriffen haben wird, daß diese beiden<br />
Län<strong>der</strong> auch nicht in freundschaftlicher Beziehung zu einan<strong>der</strong> standen,<br />
daß, wie oben gezeigt wurde, Pommern selbst für die Eroberung des<br />
Jahres 1197 schwerlich in Frage kommt, so bleibt eben nur Mecklenburg<br />
übrig, weil nur dieses damals unter <strong>der</strong> Botmäßigkeit des Däneukönigs stand.<br />
König Kanut ist daun in den nächsten Iahreu fortwährend auf<br />
dem westlichen Kriegsschauplatze tätig gewesen, er hat in den nordalbingischen<br />
Gegenden große Erfolge über die deutschen Herren davongetragen.<br />
Albert von Schauenburg, <strong>der</strong> Freund des Markgrafen, hat das<br />
Land Holstem verloren, ein an<strong>der</strong>er Albert fein Natzeburg, und daß auch<br />
Gans von Putlitz ein Vasall des Königs geworden ist, erwähnten wir<br />
soeben. Aber ein erneuter direkter Zusammenstoß zwischen ihm und dem<br />
Markgrafen scheint nicht erfolgt zu sein, dieser dürfte seine Eroberung<br />
in Mecklenburg <strong>der</strong> Hauptsache nach behalten haben.<br />
Aber auch für die weitere Gestaltung <strong>der</strong> Verhältnisse in Pommern<br />
muß <strong>der</strong>, wenn nicht auf pommerschem Noden, so doch unmittelbar an<br />
<strong>der</strong> Grenze, über den Dänenkönig und seine Gefolgsleute errungene<br />
Erfolg Bedeutung gewonnen haben.<br />
Eine Wirkung wird, ja muß darin bestanden haben, daß Iarimar<br />
seinen Einfluß auf die Vormundschaftsregierung einbüßte. Das war<br />
immerhin als ein reeller Erfolg anzusehen; für im Bereich <strong>der</strong> Möglichkeit<br />
liegend, darf man es auch ansehen, daß die neue Regierung, um weitergehenden<br />
Bestrebungen ein für alle mal einen Riegel vorzuschieben, die<br />
im wesentlichen ja doch nur eine Förmlichkeit darstellenden oberherrlichen<br />
Ansprüche des märkischen Fürsten auf die Landschaften rechts <strong>der</strong> Peene,<br />
soweit sie ihm einst zugestanden haben mochten, von neuem anerkannte.<br />
Weiter aber glaube ich, wird man nicht gehen dürfen; an eine Lehnshoheit<br />
<strong>der</strong> Markgrafen über Pommern schlechthin darf man für die<br />
nächsten Jahre gewiß nicht denken; das zeigt, von allem an<strong>der</strong>en abgesehen,<br />
die Entwicklung, welche dort, beson<strong>der</strong>s rechts <strong>der</strong> O<strong>der</strong>, um diese Zeit<br />
vor sich ging.')<br />
') Arnold S. 290 und Rudloff S. 102 unten.<br />
') An<strong>der</strong>er Ansicht ist Krabbo, Regesten 11, Nr. 50s (und Forsch, br. pr.<br />
G. Nd. XXIV, 356); er sagt kurz und bestimmt, .das Reich (d. h. König Philipp)
Die staatsrechtlichen Verbaltnisse Pommerns<br />
Daß in den Jahren bis zur neuerlichen vollen Unterwerfung<br />
Vorpommerns unter Dänemark ein freundliches Verhältnis dieser Gegend<br />
und doch auch wohl <strong>der</strong> Fürsten zu Pommern stattgehabt hat, das fchcint<br />
sich nur zu ergeben aus dem Umstände, daß 1208 drei slaviiche Edle,<br />
die sich später als im Gebiete Kasimirs ansässig erweisen, bei einer<br />
kirchlichen Feier in Havelberg zugegen sind,^) und daß man es 12l)9<br />
unternimmt, das Kloster Darguu neu aufzubauen, was unter an<strong>der</strong>en<br />
Umständen wohl kaum geschehen wäre.<br />
VI. Polnischer Einfluß auf Kammern um die Wende<br />
des 18. und 13. Jahrhun<strong>der</strong>ts.<br />
Während sich das Dänentum an <strong>der</strong> Küste des Slavenlandes und<br />
ziemlich weit landeinwärts festsetzt, gewinnt im 5?sten Pommerns in den<br />
beiden letzten Jahrzehnten des 12. Jahrhun<strong>der</strong>ts das polnische Reich den<br />
fast verlorenen Einfluß in Staat und Kirche wie<strong>der</strong>; nm 12l)5 befindet<br />
sich Pommern östlich <strong>der</strong> O<strong>der</strong> aller Wahrscheinlichkeit nach in völliger<br />
Abhängigkeit von dem größeren slavischen Bru<strong>der</strong>, und wie <strong>der</strong> neue<br />
Dänenkönig den Versuch macht, die eingebüßte Herrschaft aufs neue zu<br />
erlangen, wird er von dem polnischen Herzoge zurückgeschlagen. Die hierdurch<br />
befestigte Stellung benutzt <strong>der</strong> Pole zur Aufrichtung einer Gewaltherrschaft,<br />
indem er zugleich größere Teile Pommerns von ihm abreißt;<br />
die pommersche Kirche wird durch ihn <strong>der</strong>artig bedrängt, daß sie, die<br />
ihre exemte Stellung mehrfach verbrieft erhalten hatte, sich jetzt freiwillig<br />
dem Erzbistum Magdeburg uuterstellte, um an ihm einen Rückhalt<br />
zu gewinnen. Indessen begann um dieselbe Zeit die schnelle,<br />
innere und äußere Zersetzung <strong>der</strong> Macht des Polenherzogs und so stand<br />
ein baldiges Ende seiner Herrschaft auch über Pommern zu erwarten.<br />
Um das Jahr 1200 war die Zahl <strong>der</strong> Deutschen in Pommern<br />
und ihr Einfluß auf die Geschicke des Landes noch sehr bescheiden, und<br />
auch im nächsten Jahrzehnt hat sich daran kaum etwas geän<strong>der</strong>t; freilich<br />
sind die Urkunden, unsere einzigen Quellen aus diesen Jahren, an Zahl<br />
sehr gering, aber irgendwo müßte doch einmal <strong>der</strong> Name eines Deutschen<br />
erkennt an, daß Pommern ein Lehen <strong>der</strong> Markgrafen von Brandenburg ist". Das<br />
war schon nach <strong>der</strong> alten Anschauung <strong>der</strong> Dinge ziemlich gewagt. Krabbo hat nach<br />
<strong>der</strong> Entdeckung Meys seine Ansicht über die Vorgänge schon msojeiu gemodelt,<br />
als er '^assows eigenartigen Ansichten über den Fmammenhang <strong>der</strong> Vorgänge <strong>der</strong><br />
Jahre 1197-1199 mit <strong>der</strong> Besiedlung des Barnim nicht mehr zustimmt (Forsch,<br />
br. pr. G. Bd. XXVI, 286); er wird es dabei wohl nicht bewenden lassen.<br />
') Riedel ^ Bd. 111. 89 und P. U..B. Bd. 1, 125. Vergl Pajsom,<br />
Forsch, br. pr. G. Bd. XIV, 35.
m den Jahren N80 bis 1214. 279<br />
genannt werden, wenn diese ein auch noch so geringes Kontingent in<br />
<strong>der</strong> Kultur ausgemacht hätten. Über em paar Dutzend Geschorene,<br />
einige Kaufleute und Handwerker in Stettin, einige Hun<strong>der</strong>t Bauern<br />
werden es wohl nicht gewesen sein, und <strong>der</strong> Adel fehlte ganz. Noch<br />
immer war das Land slavisch durch und durch. Und riugs umher war<br />
es ja fast durchweg noch nicht an<strong>der</strong>s. Langsam nur rückte von <strong>der</strong><br />
Mark her das deutsche Element vor. Wohl bestand durch die Träger<br />
<strong>der</strong> größeren Kirchenämter, durch die Kouveute einiger Klöster, durch<br />
die Beziehung zu Bamberg, eine Spur eines Zusammenhanges mit<br />
Deutschland, aber auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite machte das Verhältnis zu<br />
Dänemark in Staat und Kirche, wenigstens soweit die Klöster in Frage<br />
kommen, diesen Einfluß wie<strong>der</strong> wett. Die Masse <strong>der</strong> Kleriker, <strong>der</strong><br />
Weltgeistlicheil, sofern man von einer Masse reden kann, war gewiß fast<br />
ausnahmslos slavischer Herkunft.^)<br />
Letzteres war zum Teil wenigstens die Folge <strong>der</strong> Unabhängigkeit<br />
des Landes von einem deutschen Erzstifte. Das Bistum machte, wenn<br />
nicht von Ansaug an, so doch bald uachher, gewiß hierin dem Beispiele<br />
Bambergs folgend, auf eine cremte Stellung Anspruch. Von Deutschland<br />
her ist denn auch nur ganz vorübergehend, 1113, ein Versuch gemacht<br />
worden, dies zu än<strong>der</strong>n, das Stift dem Erzbistum Magdeburg<br />
zu unterwerfen. Gegen das Ende des 12. Jahrhun<strong>der</strong>ts ist hierin eitle<br />
Än<strong>der</strong>ung eingetreten; Kamin ist dem Erzstift Gnesen unterstellt worden.<br />
Etwa 1195 erfolgte in Nom eine<br />
Verhältnisse für die Zwecke des brieflichen Verkehrs <strong>der</strong> Kurie mit den<br />
einzelnen klerikalen Gewalten; es geschah das auf Grund <strong>der</strong>, so viel<br />
man in Nom wußte, tatsächlich uud rechtlich bestehenden Verhältnisse,<br />
und zwar von <strong>der</strong> Hand des Kardinaldiakons und Vorstehers <strong>der</strong> päpstlichen<br />
Kanzlei Cencius; es ist <strong>der</strong> nachmalige ausgezeichnete Papst<br />
Honorius Hl. Vollständigkeit und streng offiziellen Charakter macht er<br />
sich zur Aufgabe. Von dem, was er aufgezeichnet hat, dem sogenannten<br />
l) W. v. Sommerfeld, Germ. S. 100 ss. und S. 126 äußert sich hinsichtlich<br />
<strong>der</strong> bisherigen Erfolge <strong>der</strong> Germanisierung nicht eben optimistisch, und doch<br />
meine ich, überschätzt er sie wenigstens in einer Ansicht noch bedeutend', daß die<br />
Weltgeistlichen Deutsche gewesen lem sollen, ist in keiner Weise Ausnahmen<br />
zugegeben — erweislich, o<strong>der</strong> auch nur wahrscheinlich. Da sie bei <strong>der</strong> Konsekration<br />
ihren slavischen Namen — <strong>der</strong> Regel nach ablegen muhten, vielleicht auch<br />
übersehten, fchlt uns lede Handhabe. Hinsichtlich <strong>der</strong> hoher stehenden Geistlichen<br />
ist die Meinung von Hauck (Kuch. G. Bd. IV, 592) bemerkenswert und gewch<br />
richtig, dah sich im letzten Drittel, des 12. Jahrhun<strong>der</strong>ts auch unter ihnen <strong>der</strong><br />
Prozentsatz <strong>der</strong> Deutschen vermin<strong>der</strong>t zugunsten <strong>der</strong> einheimischen Slaven: sollte<br />
das nicht also noch viel mehr bei <strong>der</strong> nie<strong>der</strong>en Geistlichkeit, den Plebanen, <strong>der</strong> Fall<br />
gewesen sein. So wertvoll und för<strong>der</strong>sam das für die Durchführung des Christentums<br />
im Lande war, so nachteilig war es dem Vordringen des Deutschtums.
380 Die staatsrechtlichen Verhältnisse Pommerns<br />
Provinziale, ist kein Original erhalten, aber aus mehreren verschiedenen<br />
Abschriften ergiebt sich mit Gewißheit, wie <strong>der</strong> Text ursprünglich gelautet<br />
hat.l) So ist also fein Zweifel, daß da ursprünglich Kamin ohne<br />
jeden Vorbehalt als Suffragan von Gnesen verzeichnet gestanden hat.<br />
Das ist um so bemerkenswerter, als die Kaminer Generalkonfirmation<br />
von 1188 die Anerkennung ausspricht, daß die Kammer Kirche 80U<br />
luid liomano pontiiioiVs. prima Lui institutinns sudisela, eine Bestimmung,<br />
die man für echt halten muß, seitdem wir ihre Bestätigung<br />
vom Jahre 1217 kennen, ausgesprochen durch denselben Honorius II l.,<br />
welcher als Kauzler das Provinziale verfaßt hatte! ") So könnte man<br />
nun auf den Gedanken kommen, honorius habe einen einst begangenen<br />
Fehler än<strong>der</strong>nd die (später gemachten) Zusätze veranlaßt. Das ist aber<br />
dadurch ausgeschlossen, 1. daß dann in dem Original, aus welchem viel<br />
später die Abschriften gemacht worden sind, <strong>der</strong> Exemtionsvermerk nur<br />
iu einer Form, nicht in zwei verschiedenen stehen könnte, 2. dadurch,<br />
daß er in diesem Falle Kamin wohl sofort in das (von Cenni überlieferte)<br />
Verzeichnis <strong>der</strong> exemten Bistümer hätte aufnehmen lassen,<br />
3. weil sonst <strong>der</strong> Streit um die Unabhängigkeit Kamins von Gnesen<br />
im 14. Jahrhun<strong>der</strong>t unmöglich gewesen wäre. Die Eintragung <strong>der</strong><br />
Zusätze in das Original kann erst erfolgt sein, als im Jahre 1371<br />
Kamin obgesiegt hatte, seine Freiheit anerkannt worden war/) einige<br />
Jahre nachher sind dann diejenigen Abschriften gemacht, welche den<br />
Exemtionsvermerk enthalten (1380).<br />
Der Anerkennung Gnesens als Oberhirten von Kamin um 1200<br />
von feiten Noms entspricht es auch, daß im Jahre 1207 Innocenz Ili.<br />
dem in Rom anwesenden Gnesener Erzbischofe die entsprechende Zusicherung<br />
Wir besitzen jetzt vier verschiedene Ausgaben: Cenni, Ilonnm. äom.<br />
tis. Lom. Rom !7«1. Tl. I.; dürftig, ohne Kenntnis <strong>der</strong> Orte, aber mit<br />
Angabe <strong>der</strong> Varianten, gibt eine Atbeit wie<strong>der</strong>, welche von den an<strong>der</strong>en teilweise<br />
abweicht; für uns ist oarin von Interesse, daß Kamin im Texte nock ganz fehlt,<br />
in einer Variante ist ?0M6ranioli verzeichnet; unter Gnesen l S. XXVI. Dann<br />
Erler, I^idsr oauoeliarik apoätolieao vom Jahre 1380. Leipzig 1886. S. 26<br />
verzeichnet er unter Gnesen: ?0M6ranitiN86m alias l^amillenLkm, yui 68t<br />
ox6llUU3. Drittens Tangl, Die päpstlichen Kanzleiordnungen von 1200-1500.<br />
Innsbruck 1U94 ; mit gut unterrichten<strong>der</strong> Einleitung. S. 12 : unter Gnesen dasselbe<br />
wie bei Erler. Unter dem Text die Varianten, bezw. Zusätze exvmprum und yui<br />
Endlich Duonesue ed l'adi'e, 1^6 libre oeuguuw äy<br />
Romains. T. I. Paris 1905. tol. 151 unter Gnesen: In ep. ?0M6-<br />
Live Cammelli. Zu erwähnen ist endlich auch Weidenbach,<br />
Kalendarium.<br />
') 1168 P. U.-B. Bd. I, 65, Nr. 6«. Ooä. 111. 1217: Roden berg,<br />
Nou. ft. kpist. äa«c. XIII, T. I, S. 14.<br />
') Wehrmann, Kamin und Gnesen. Zeitschr. Posen XI, 139 ff.
in den Iahreu 1180 bis 1214. 281<br />
macht und in einem an den Bischof von Kamin gerichteten Schreiben<br />
die Nochachtung seines Gebotes verlangt/)<br />
Wir sehen also, daß in Rom und Gnesen trotz <strong>der</strong> Kaminer<br />
Generallonfirmation in diesem Simie damals Einigkeit geherrscht hat.<br />
Beachten wir null noch die bekannte Tatsache, daß Bischof Conrad von<br />
Kamin im Jahre l!W persönlich an einer Synode in Gnesen teilgenommen<br />
hat,2) so ist hier eine lückenlose Beweislette vorhanden sür<br />
die Tatsache, daß ohngeachtel aller Exemtion Kamin dem polnischen<br />
Erzstift Onesen unterworfen war und sich zwischen 1180 und 1207<br />
auch selbst dazu bekannt hat, daß es aber gegen das letztere Jahr hin<br />
versucht hat, sich dieser Pflicht zu entziehen.<br />
Dieser Zustand wird nun dadurch in ein beson<strong>der</strong>es Licht gerückt,<br />
daß um diese Zeit Kamin einige Zeillang den Primat von Magdeburg<br />
anerkannt hat, nur wenige Jahre seil vor 1210 bis vor 1216. Diese<br />
Tatsache ist ja nun bekanntlich verwertet worden als Stütze <strong>der</strong> Annahme,<br />
daß zwischen 1196 und 12ll Pommern in Lchnsabhängigkeit<br />
von Brandenburg getreten sei, man hat angenommen, daß die Markgrafen<br />
ihren Einfluß auf Pommern geltend gemacht hätten, um Magdeburg<br />
den begehrten Primat zu verschaffen. Es könnte meines Erachteus<br />
nicht schwer sein, die innere Unmöglichkeit dieser Ansicht, so viele<br />
Verteidiger und Anhanger sie auch gefunden hat, selbst unter <strong>der</strong> Voraussetzung<br />
darzntnn, daß Pommern damals wirtlich ein Vchen <strong>der</strong> Mark<br />
o<strong>der</strong> auch nur unter ihrem maßgebenden Einflüsse gewesen ist; mit<br />
dem oben erbrachten Beweise, daß dies zum mindesten höchst unwahrscheinlich<br />
ist, fällt auch jeue Erklärung für die zeitweilige Suprematie<br />
Magdeburgs über Kamin iu sich zusammen.')<br />
1) Potthasi, 163. pont. 2958. Ooä. clip, ülai ?c>l., Bd I, 55, Nr. 50.<br />
Die von Hauck (Kirch. Gesch Dtsckldtz. Bd. lV. 590 ff.) ausgesprochene Ansicht,<br />
daß man in 3iom sehr wohl gemichi habe, wie inkonsequent man verfuhr, indem<br />
man bald die Exemtion K.mins, bald seine Unterstellung untcr Magdeburg, dann<br />
wie<strong>der</strong> die unter Gnesen bestätigte, daß man „die Dinge gehen ließ", entsprechend<br />
dem von <strong>der</strong> Zeil <strong>der</strong> Gründung Kamins an befolgten Schaulclpiinzip, uni es<br />
mit keinem <strong>der</strong> drei Halloren zu ver<strong>der</strong>ben, ist, so viel Acl>lung man vor <strong>der</strong><br />
KenutMs Haucks haken mag, allein doch wohl nicht als ausreichende Erklärung<br />
dieses merkwürdigen Hin und Her zu betrachten. Vielleicht hat Hauck dem groben<br />
Einflüsse, den die weltlichen Gewallen aus duie Dinge halten, doch einen zu geringen<br />
Einfluß zugebilligt.<br />
2) (.'oä. S. N6. P. U.-V. Bd. I, 58, Nr. 83.<br />
') Ich muh es mir aus Mangel an 3ianm versagen, sslemvins Gründe für<br />
seine Ansicht zu kritisieren und verweise auf die Literatur: Klempln, P. U «V<br />
Bd 1, 100 f. v. Mü lversteht, Das Bistum K. im Suffragan-Vethältnis<br />
zu M. Klemvin. Die Exemlion des Bistums Camin. Rachfahl, S. 418.<br />
Wehrmann, Camin und Onesen. Krabbo, Die ostdeutschen Bistümer usw.<br />
Valttsche Studien N. F. XVII. 1y
Die staatsrechtlichen Verhältnisse Pommerns<br />
Aber wir müssen doch versuchen, eine Erllärung für jene merkwürdige,<br />
so paradoxe Erscheinung erbringen. Daß hier <strong>der</strong> Papst tätig<br />
eingegriffen haben könnte, <strong>der</strong>selbe Innocenz III., welcher 1207 Gnesen<br />
im Besitz des Primats anerkannte, ist doch völlig ausgeschlossen, mag<br />
auch immerhin zuzugeben sein, daß Erzbischof Albert von Kevernburg<br />
für ihn eine Persönlichkeit von allerhöchster Wertschätzung war; es könnte<br />
dies genügen zur Erklärung <strong>der</strong> Annahme, daß er ein „tolei-ari powFt."<br />
gesprochen habe, nimmermehr zu <strong>der</strong> eines ersten Schrittes seinerseits^)<br />
Ich habe nun schon in <strong>der</strong> Vorübersicht gezeigt, wie ich den Vorgang<br />
mir denke: Kamin hat sich freiwillig unter Magdeburg gestellt, um <strong>der</strong><br />
Bedrängung seitens <strong>der</strong> politischen und kirchlichen Gewalten Polens zu<br />
entgehen, einen starken Schutz in dem damals sehr mächtigen Magdeburger<br />
Kirchenfttrsten zu gewinnen. Wir werden also versuchen müssen,<br />
den Spuren des damaligen polnischen Einflusses in Pommern nachzugehen.<br />
1. Daß Polen seit den Tagen Boleslaws III. die Oberhoheit<br />
besaß und beanspruchte, daß dieser Anspruch fortbestand, das mußte<br />
Herzog Bogislaw 1. wissen, als er sich im Jahre 1177 auf einem<br />
conoilium des Seniors Mieczyslaw II. in Gnesen einfand, an ihm<br />
teilnahm; er erscheint hier als tätiges Mitglied in <strong>der</strong> Neihe <strong>der</strong> polnischen<br />
Herzöge, zwar als geringster, an letzter Stelle, aber doch als<br />
äux unter 6uco8, vor dem Gnesener Erzbischof.')<br />
2. Bald nachher heiratete Bogislaw die Tochter des Herzogs<br />
Mieczyslaw.<br />
3. Ein o<strong>der</strong> zwei Jahre später wurde eben dieser Mieczyslaw vom<br />
Thron verjagt. Alsbald erhoben sich die r>i-68ili68 von Hinterpommern,<br />
wurden aber durch den neuen Herrscher Kasimir sogleich mit neuen<br />
stärkeren Banden an Polen geknüpft. Bei dieser Gelegenheit verlautet<br />
in den sonst doch gut unterrichteten polnischen Chroniken nicht, daß<br />
Bogislaw sich ebenfalls erhoben hätte. Das kann darauf hindeuten, daß<br />
er nicht als polnischer Tributar galt, es kann aber auch so zu deuten<br />
sein, daß er Polen treu geblieben ist.<br />
4. Die Synode zu Gnesen, an welcher sich im Jahre 1180 Bischof<br />
Konrad von Kamin beteiligte, war weniger eine Veranstaltung des polnischen<br />
Klerus, als seines Beschützers und Beherrschers, des Großherzogs, <strong>der</strong><br />
durch ihn eine Besserung <strong>der</strong> verwahrlosten sittlichen Zustände des Landes<br />
Berlin 1806. Auch Rudloff, S. 97. Dagegen sind Zicker mann, S. 26.<br />
v. Niehen, Neumark, S. 42. v. Sommerf eld, Germ., S. 97, Anm. 3.<br />
Zweifelnd verhält sich Sello.<br />
') bei<strong>der</strong> kann ich dies hier alles nur skizzieren, <strong>der</strong> reichlich fliehende Stoff<br />
würde eine beson<strong>der</strong>e Abhandlung vonnöten machen.<br />
') P. U-N. Nd. I, 47.
in den Jahren 1l80 bis 1214. 283<br />
herbeizuführen beabsichtigte. So muß auch Konrads Beteiligung<br />
wenigstens zum Teil als politischer Alt betrachtet werden.<br />
5. Gelegentlich eines Kriegszuges, welchen die Dänen lurz vor<br />
dem Sturze Heinrichs des ^öwen nach dem O<strong>der</strong>delta unternahmen,<br />
erwähnt Sarò ein Gespräch eines <strong>der</strong> Herzöge mit einem däuischeu<br />
Führer; auf des Herzogs Äußerung, sie hätten genug Land im Innern<br />
zur Besiedlung, um die Verluste an <strong>der</strong> Küste zu verschmerzen, habe <strong>der</strong><br />
Däne lachend geantwortet: die Pommern sorgten 3iin8tr6 für ihr Vaterland,<br />
0UNI8 mskriorii D^mis, äuporilii-«. ?o!(inl8, ümtimorum mann kuc st<br />
illuo iactali, ceäsrv coßerLilwi- (S. 938). Diese Äußerung dürfte<br />
doch am Ende mehr Beachtung verdienen, als ich selbst ihr früher<br />
geschenkt habe, und dafür sprechen, daß nicht alle Landverluste Pommerns<br />
in <strong>der</strong> Neumark schon vou Voleslaws III. Zeiten her datierend)<br />
6. Bei Saxo (S. 865), dessen Interessenkreis doch diesen<br />
Verhältnissen an sich so fern liegt, findet sich noch eine zweite bemerkenswerte<br />
Stelle: ein gefangener vornehmer Wolliuer erklärt deu Dänen<br />
gegenüber, daß sich die Pommern auch nicht mit polnischer Hülfe<br />
<strong>der</strong> Dänen zu erwehren vermöchten. In <strong>der</strong> Form wird auch das<br />
Erfindung sein, es zeugt aber dafür, daß die Pommern von polnischer<br />
Seite Hülfe erwarteten.<br />
7. Im Jahre 1186 erscheint Wladyslaw, <strong>der</strong> Bru<strong>der</strong> <strong>der</strong> Herzogin<br />
Nuastasia, <strong>der</strong> spätere Großfürst, als Zeuge in einer pommel scheu Urkunde;<br />
das kann auf einen rein persönlichen Verwandtenbesuch deuten, ebenso<br />
gut aber auch ein politisches Ereignis darstellen.<br />
8. Bogislaw II. ist, wohl bald nach 1300,') mit Miroslawa, <strong>der</strong><br />
Tochter Mestwins von Pomerellen, verheiratet worden; Mestwin hat<br />
nach polnischen Quellen eine Tochter Mieskos II., also eine Schwester<br />
<strong>der</strong> Anastasia, zur Frau. Er ist jedenfalls ein williger Gefolgsmann<br />
Polens gewesen; auf das Gebot Miestos hat er sich 1195 zum Heereszug<br />
nach Kralau gestellt, n) Miroslawa war also durchaus Slavin.<br />
9. Einem gewissen Tirnek, besser wohl Tszirnet, ist, unbekannt wann,<br />
jedenfalls kurze Zeit vor 1230, von <strong>der</strong> Herzogiuwitwe Ingardis(!)<br />
auf Bitten des Herzogs Wladyslaw von Polen ein Dorf vereignet worden.<br />
Dieser Tszirnel, ist doch wohl, das zeigt <strong>der</strong> für Pommern ungebräuchliche<br />
Name, ein Pole; und dieser Pole ist nun gar Kastellan von Kolberg;<br />
') Es würde also Quandt, Das Land an <strong>der</strong> Netze. B. St. XV. mit<br />
seiner Ansicht gegen die meinige, Forsch, z. br. pr. G. Bd. II, S. 347, 349, 353<br />
und 376 recht behalten.<br />
') 1226 ist eine Tochter aus dieser Ehe schon verwitwet. P. U.-V. Bd. I,<br />
Nr. 233.<br />
2) Dlugoß, Alte Ausgabe, Vd. I. b71.<br />
19*
284 Die staatsrechtlichen Verhältnisse Pommerns<br />
es läßt sich auch nachweisen, daß er ein Dorf auf Usedom besessen hat,<br />
dem er den Namen Tsirneko vies, Tszirniksdorf, später Tsirkewist, beigelegt<br />
hat. Das kann alles wie<strong>der</strong> eine unpolitische Erklärung finden, das<br />
Gegenteil ist viel wahrscheinlicher. Auch daß in <strong>der</strong> uns über diesen<br />
Tszirnek belehrenden Urkunde des Jahres 1220') zwei polnische<br />
Zeugen auftreten, ist sehr bemerkenswert.<br />
10. Derselbe Wladyslaw, dem wir Nft6 und 1320 in pommerschen<br />
Urkunden begegnen und <strong>der</strong> zum Jahre 1205 eine bemerkenswerte<br />
Erwähnung finden wird, ist gleich nach seiner allgemeinen Anerkennung<br />
als Großfürst in einen heftigen, erbitterten Streit mit <strong>der</strong> Geistlichkeit<br />
geraten, <strong>der</strong>en Rechte und Mittel er rücksichtslos für sich in Anspruch<br />
nahm. Er hat dabei in dem Erzbischof von Gnesen einen ebenbürtigen<br />
Partner gefunden, <strong>der</strong> seiner Stellung nichts zu vergeben geneigt war<br />
und Ende 1206 persönlich in Rom erschien, wo er sich <strong>der</strong> ausgiebigen<br />
Hülfe des Papstes versicherte. *)<br />
11. Der Erzbisckof von Gnesen hat nachweislich im dritten Jahr-<br />
zehnt des i:;. Jahrhun<strong>der</strong>ts Versuche gemacht, die östlichsten Teile <strong>der</strong><br />
Kaminer Diözese unter seine unmittelbare Herrschaft zu bringen.")<br />
Unter den von mir angeführten Punkten, welche polnische Einflüsse<br />
in Pommern bekunden, ist kein einziger, <strong>der</strong> für sich betrachtet aus-<br />
reichte, um die Annahme zu begründen, daß Polen zu Ende des<br />
12. und zu Anfang des 13. Jahrhun<strong>der</strong>ts die Vorherrschaft im östlichen<br />
Pommern besessen hat, aber sie machen in ihrer Gesamtheit diese Annahme<br />
sehr wahrscheinlich. Und nun kommt zu allem dem die wichtigste Angabe,<br />
nämlich daß Nladislaw im Jahre 1205 dem Dänenkönige entgegen-<br />
getreten ist, wie dieser einen neuen Feldzug gegen Slavien unternahm.<br />
Im Jahre 1202 war König Kanut gestorbeu; sein bereits im hohen<br />
Maße als triegstüchtig bewährter Bru<strong>der</strong> und Nachfolger Waldemar<br />
hatte in den ersten Jahren seines Königtums in Nordalbingien, dann<br />
in Schweden und in Norwegen zu kämpfen; die Nachricht zum<br />
Jahre 1205: Nxpkäicio lact». 68t in klaviaiu, udi 6ux I^oäixiku«<br />
äomino re^i^) zeigt uns dann sein Vorgehen auch in unserem<br />
') P. U.-B. Bd. I, 142.<br />
') Roepell, Polen, Bd. I, 402. Abraham, l'iei'v^? »por ko^oielno»<br />
^ol8
in den Iabren NN0 bis 1214. 285<br />
Pommern; dieses ist also, was wir hieraus nunmehr erst mit Gewißheit<br />
feststellen können, vorher von Dänemark entwe<strong>der</strong> abgefallen, o<strong>der</strong> es ist<br />
losgerissen worden; letzteres ist meine Annahme; wann den Polen die<br />
Unterwerfung geglückt ist, lästt sich nickt genau feststellen, lange vorher<br />
kann es wohl kaum geschehen sein, wahrscheinlich erst nach dem Tode<br />
Miestos II., 1202. Wenn meine Kombination richtig ist, daß es die<br />
Sorge vor den steigenden Übergriffen <strong>der</strong> Polen gewesen ist, was die<br />
(freiwillige) Unterwerfuug Kamms unter Magdeburg veranlaßt hat, so<br />
kann die Herrschaft Nladhslaws in Pommern 1s05 noch nicht lange<br />
gewährt haben, denn erst nach 1205 hat Kamin jenen Schritt getan/)<br />
und es ist an<strong>der</strong>erseits sehr wahrscheinlich, daß erst infolge dieses Sieges<br />
<strong>der</strong> Polen über die Dänen die Stellung des polnischen Großherzogs m<br />
Pommern so erstarkte, daß sie für Kamin bedrohlich wnrde. Und<br />
umgekehrt ist die Tatsache, daß erst nach jenem kriegerischen Vorfalle <strong>der</strong><br />
schwere Entschluß in Kamin gefaßt worden ist, ein Beweis dafür, daß<br />
Waldemars Versuch, Pommern wie<strong>der</strong> zu gewinnen, wirklich gescheitert<br />
sein muß, was ja aus dem Wortlaute <strong>der</strong> dürftige» Quellenbemerkung<br />
nicht mit voller Gewißheit hervorgeht. Aber freilich muß jener Entschluß<br />
dann auch sofort gefaßt sein, da schon zu Anfang 1207 <strong>der</strong> Erzbischof<br />
von Gnesen über den Abfall Kamins Klage erhebt.<br />
Wenn nun über die Tatsache einer polnischen Herrschaft in Pom-<br />
mern kein Zweifel mehr sein kann, so ist doch die Frage, welchen Um-<br />
fang sie erreicht hat, extensiv und intensiv, kaum irgendwie befriedigend<br />
zu beantworten. Ist Stettin von den Dänen geräumt worden? Ich<br />
will nur auf die Tatsache hinweisen, daß wir auch aus diesen Jahren,<br />
in denen die Söhne Nogislaws I. großjährig geworden, zur eigenen<br />
Herrschaft gelangt sein müssen, sehr wenige Spuren von Negierungs-<br />
tätigkeit haben, jedenfalls aber gar leine, welche sich mit Stettin be-<br />
schäftigt. Der Name <strong>der</strong> Stadt wird nirgends in den spärlichen Ur-<br />
zu <strong>der</strong> märkisck-pommerschen Lehnsfrasse. Ackermann ist daher geneigt Ufinger<br />
beizustimmen, welcher den Feldzug gegen Pomcrellm gehen läßt, das doch niemals<br />
als Slaoien bezeicln et wird. Nur o Sommerfeld ellennt an, daß Wladyslaws<br />
Vorgehen sich mit <strong>der</strong> märkischen Theorie nicht verträgt, und ist geneigt, die Hoheit<br />
<strong>der</strong> Märker wenigstens für die Folgezeit zu leugnen. Ganz folgerichtig ist das wohl<br />
nicht, er müßte eben zugeben, daß sie auch schon vor 1205 nicht (mehr) bestanden<br />
haben kann. Übrigens ist Markgraf Otto II. <strong>der</strong> rechte Vetter <strong>der</strong> Anastasia und<br />
Wlaoyslaws gewesen. Man könnte darauf kommen (was aber meines Wissens<br />
nicht geschehen ist), daß <strong>der</strong> Pole den Tod Ottos II. im Sommer 1205 benutzt<br />
habe, sich seines Erbes in Pommern zu bemächtigen, o<strong>der</strong> daß er sich auf Bitten<br />
seiner Schwester Anaitasia herbeigelassen bade, an Stelle seines Vetters Otto dem<br />
Dänenlönige entgegen zu treten; die persönlichen Eigenschaften Wlaoyslaws schließen<br />
diese letztere Annahme aus; auch die erstere ist in sich unwahrscheinlich.<br />
') Erst 1205 lam <strong>der</strong> <strong>der</strong> neue Erzbischof Albrecht aus den Magdeburger Stuhl.
Die staatsrechtlichen Verhältnisse Pommerns<br />
funden, die oft nicht einmal den Ort <strong>der</strong> Ausstellung angeben, auch nnr<br />
erwähnt. Zwischen 1190 und 1314 erscheint ein einziges Mal, 1309.<br />
ein Kastellan von Stettin als Zeuge, was nicht mit Notwendigkeit<br />
darauf schließen läßt, daß er seinen Amtssitz auf <strong>der</strong> Burg selbst gehabt<br />
habe, da ein Kastellan ja doch nicht nnr Burgvogt, son<strong>der</strong>n auch Vezirksverwalter<br />
ist. Daß in dem von <strong>der</strong> See her mit einer Flotte<br />
leichter zu erreichenden Vorpommern, in dem anch <strong>der</strong> Fürst von Rügen<br />
als starker Wächter bereit stand, die dänische Herrschaft völlig beseitigt<br />
worden ist, möchte ich nicht glanben. Das aber scheint doch sehr wahrscheinlich,<br />
daß in diesen Jahrzehnten, vor und nach 1W0, die Negierungsmaschine<br />
in Pommern fast völlig zum Stillstauo gekommen,<br />
o<strong>der</strong> doch nicht von pommerschen Handen geleitet worden ist.<br />
An<strong>der</strong>erseits ist es nicht ganz unwahrscheinlich, daß von den Polen<br />
um diese Zeit nicht bloß, wie schon erwähnt, auf dem rechten Ufer <strong>der</strong><br />
O<strong>der</strong>, son<strong>der</strong>n auch auf dem linken mehr o<strong>der</strong> weniger große Gebiete<br />
in Besitz genommen worden sind. Ihre Stellung in dem Schlosse<br />
^ebus, nördlich von Frankfurt a. O., mnßte sie dazu ermntigen, ohne<br />
daß wir es wagen könnten, uus über das Nähere eine bestimmte Vorstellung<br />
zu machen.<br />
Die Machtstellung Wladyslaws iu Polen hat dann freilich nicht<br />
lange gedauert; im Iunern ist sie zuerst, wie erwähnt, durch die<br />
Kämpfe mit dem Episkopat erschüttert worden, schon um 1206 hat sich<br />
Kleinpolen mit Krakau von ihm wie<strong>der</strong> losgesagt, bald folgte dann auch<br />
die Erhebung seines Neffen Wladyslaw des Jüngeren, des Sohnes<br />
des Odo, <strong>der</strong> auch in Pomerellen Hülfe fand; an den südwestlichen<br />
Grenzen hat er noch vor Ablauf des crsteu Iahrzchutes harte Kämpfe<br />
mit Heinrich dem Bärtigen von Schlesien nnd den Markgrafen von<br />
Meißen bezw. Thüringen zu bestehen gehabt; auch <strong>der</strong> neue Markgraf,<br />
Albrecht II. von Brandenburg, wird nicht untätig gewesen sein.<br />
Unter diesen Umständen konnte auch seine Vorherrschaft in Pommern<br />
anf Festigkeit und Dauerhaftigkeit nicht rechnen.<br />
VU. Wie<strong>der</strong>herstellnnn <strong>der</strong> dänischen Herrschaft<br />
in ganz Dommern.<br />
Dänemark hatte i. I. 1198/99 in Vorpommern, schon vor 1305<br />
auch rechts <strong>der</strong> O<strong>der</strong> eine empfindliche Einbuße an seiner Macht<br />
erfahren. Aber Waloemar II., den die Geschichte den Sieger nennt,<br />
war nicht <strong>der</strong> Mann dazu, sich durch teilweise Mißerfolge schrecken zu<br />
lassen; er hat in den nächsten Jahren seine Machtstelluug an <strong>der</strong> unteren
tn den Jahren NNO bis 1214. 2st7<br />
Elbe des weiteren befestigt, er hat seine Hand nach dem Besitz Preußens,<br />
la Esthlands ausgestreckt, ist auch wohl in Hinterpommern des Fürsten<br />
Meftwin Herr geworden, des Klienten des polnischen Großherzogs.<br />
Und als dann im Reiche, wo seit 119ft <strong>der</strong> unselige Zwiespalt<br />
zwischen Stansen und Welsen wie<strong>der</strong> aufgelebt war, die Wage sich zu<br />
Gunsten <strong>der</strong> Staufen neigte, da hat <strong>der</strong> Dänenkönig, um beizeiten<br />
einer neuen imperialistischen Politik im Sinne Friedrichs I. zu begegnen,<br />
sich mit den Welfen ausgesöhnt, seine Tochter mit einem Sohne des<br />
Gegenkönigs vermählt. Aber bald nachher erlangte Otto IV., infolge<br />
<strong>der</strong> Ermordung des Staufers, die allgemeine Anerkennung im Reiche,<br />
auch die <strong>der</strong> beiden askanischeu Fürsten iu <strong>der</strong> Mark und in Sachsen,<br />
und wenig später wurde er auch Kaiser, und da konnte es, nach aller<br />
Voraussicht, nicht ausbleiben, daß <strong>der</strong> Kampf um das nordelbische Land<br />
im großen Stile wie<strong>der</strong> auflebte, denn Otto vereinigte nun die Ansprüche<br />
des Reiches und des alten Welfenherzogs in seiner Hand.<br />
In diesem Augenblicke war es, daß die Pommernherzöge, noch in<br />
gemeinsamem Nauch und Schmauch lebend, den Versuch machten, dem<br />
Fürsten von Nügeu, ihrem ehemaligen Vormunde und Bedränger, das<br />
einst an ihn verlorene vorpommersche Gebiet, namentlich auch wohl<br />
Triebsees, wie<strong>der</strong> abzunehmen; dabei durfteu sie sich, wie es scheint, <strong>der</strong><br />
Hülfe seitens Heinrich Nurwys von Mecklenburg erfreuen, und auch<br />
wenn nicht tätiger Hülfe, so doch des Wohlwolleus des Markgrafen<br />
Albrecht. Aber ihr Versuch mißglückte; König Naldemar kam seinem<br />
Getreusten schnell zu Hilfe und zwang die pommerschen Brü<strong>der</strong> nicht<br />
bloß zum Frieden, son<strong>der</strong>n auch zur erneuten völligen Unterwerfung<br />
unter seine Botmäßigkeit; er besetzte dauernd ein nicht sicher festzustellendes<br />
Gebietsstilck Bogislaws, suchte dann aber auch den jungen<br />
Kasimir II. völlig an sich zu fesseln, indem er ihm die Feste Demmin<br />
neu aufbaute, und ihn mit Ingardis, einer Tochter des Fürsten von<br />
Rügen, einer Enkelin seines Vorgängers Kanut, vermählte. Mecklenburg<br />
wurde bestraft, Markgraf Albrecht hatte zum mindesten von<br />
neuem den Verlust <strong>der</strong> ^ehuherrschaft über das Land zwischen Peene<br />
und O<strong>der</strong> zu beklagen.<br />
Gleichzeitig erfolgt eine Teilung Pommerns unter die beiden<br />
Brü<strong>der</strong>, in <strong>der</strong> Hauptsache wohl gemäß dem Zustande, welcher vor 1180<br />
bestanden hatte.<br />
Meine Auffassung von den Vorgängen des Jahres 1211 beruht<br />
im wesentlichen auf Kantzow.^) Er erzählt: Fürst Iarimar erbaut<br />
1209 im Vande Barth, das die pommerschen Fürsten als ihr Eigentum<br />
Letzte Bearbeitung; herausgeg. von Gaebel, Bd. 1, 142.
288 Die staatsrechtlichen Verhältnisse Pommerns<br />
ansehen, die Stadt Stralsnnd; die Fürsten besorgen, wenn sie das ge-<br />
schehen lassen, ihr Land nnwi<strong>der</strong>bringlich zu verlieren; sie beschließen<br />
daher, die jnnge Anlage vor ihrer völligen Fertigstellung zn zerstören.<br />
Sie rüsten ein Heer. Aber schließlich entfällt ihnen <strong>der</strong> Mut, sie machen<br />
sich daher zuerst an Grimmen. Darüber kommt Waldemar seinem<br />
Klienten zn Hülfe, verjagt die Herzöge, gewinnt Loitz und Demmin,<br />
befestigt letzteres von neuem und betraut Iarimar mit dem Schntze <strong>der</strong><br />
Orte. Darauf vertragen sich die Herzöge mit dem Könige, und<br />
Kasimir heiratet Iarimars Tochter Ingardis.<br />
Diese Nachricht Kanhows haben die älteren Geschichtsschreiber in<br />
ein o<strong>der</strong> <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Form, meist aber in <strong>der</strong> mit allerhand Einzel-<br />
heiten, beson<strong>der</strong>s hinsichtlich <strong>der</strong> tapferen Verteidigung Stralsunds,<br />
aufgeputzten Fassung, welche Clempzens Pommerania^) darbietet, als<br />
Tatsache übernommen, anch <strong>der</strong> besonnene Fock. Usinger^) schilt sie<br />
deswegen, spricht von wilden Ausschmückungen. Diesem Urteile haben<br />
sich denn auch die neueren vollinhaltlich angeschlossen, so daß Klempin,<br />
Zickermann, Rachfahl, Nudloff, v. Sommerfeld, Wehrmann des Kantzow<br />
als Quelle für dieses Jahr überhaupt nicht gedenken. Haben sie ein<br />
Recht dazu?<br />
Die Nachricht von <strong>der</strong> Gründung Stralsunds im Jahre 1209 ist<br />
als unrichtig mehrfach ^) nachgewiesen worden. Aber das sagt ja<br />
Kantzow auch selbst in einer Randnote, und so treffen Unngers Vor-<br />
würfe garnicht ihn, son<strong>der</strong>n nur das Werk Clempzeus, dessen ver<strong>der</strong>b-<br />
licher Einfluß auf Kantzows guten Nnf hiermit wie<strong>der</strong> grell hervortritt.<br />
In Kanvows Bericht spielt somit die Angabe bezüglich Stralsuuds als<br />
des Ausgangspunktes <strong>der</strong> Wirren gar keine Rolle mehr, sie kann einfach<br />
altsgeschaltet werden. Was dann noch übrig bleibt, ist in je<strong>der</strong> Hin-<br />
sicht einwandsfrei, durchans wahrscheinlich. Es verträgt sich sehr gut<br />
sowohl mit dem wenigen, was wir aus den Urkunden herauslesen<br />
können/) als auch mit den allerdings sehr dürftigen Angaben <strong>der</strong><br />
an<strong>der</strong>en Scriptoren. Die wichtigste dänische Quelle sagt kurz: (^8wuin<br />
O^nnn l-eeäiüeawm sst 2 Og.m8, und so auch die Wendenchronik;<br />
die erstere setzt dann noch hinzu: et ^jpukui-ßll llestructum et I^cllwn«<br />
Kkß6n,b) eine Angabe, durch welche die Beurteilung <strong>der</strong> Vorgänge noch<br />
mehr erschwert wird. Lagen diese beiden Orte, wle man vermutet hat,<br />
') Gaebel, Vd. I, 193.<br />
') S 291 Anm. 4 und 285 Anm. 4.<br />
') Kratz-Klempin, Die Städte Ps. S. 435: Ehr. Reuter, Hans.<br />
(Äelch. Bl. 18W, S. 33.<br />
*) Vera! P. U.-A. Nr. 187 und 188.<br />
') Ann. ^Valä. und Vitt3C0len86« bl. (?. «n. XXlX, l79. Wendenchronik;<br />
D. d. Städtechronilen, Lübeck, 8 158, S. 54.
in den Jahren 1180 bis 1214. 289<br />
bezw. nachweisen zn können glaubt, in Mecklenburg, das seit dem Tode<br />
Niclots im Jahre 12M ganz unter Heinrich Burwy stand, dann war es<br />
d^ev, kev dmch ^re Hnsiornng ge^äMgl wurde, nud das wm doch auch<br />
<strong>der</strong> Zweck. Es ist also nichts an<strong>der</strong>es möglich, als daß auch er sich an<br />
dem Vorgehen gegen Iarimar, <strong>der</strong> wohl gar zu sehr auf Dänemarks<br />
Schutz ftochte, beteiligt hat; sein Vorgehe« war ja darum nicht eigentlich<br />
gegen den König gerichtet; so mochte er deuu auch hinterdrein mit <strong>der</strong><br />
Zerstörung einiger Burgen davou kommen. ^) Während nun dieser<br />
Anteil Meckleuburgs an den Vorgängen einzig von Nudloff gemerkt<br />
worden ist, sind (außer Usiuger und Zickermann) alle übrigen Darsteller<br />
überzeugt von einer tätigen Äuteiluahme Brandenburgs; es erklärt sich<br />
das ja auch hinreichend aus ihrer Vorstellung von einem seit N97/9K<br />
bestehenden Hoheitsrechte Brandenburgs über Pommern; Klempin<br />
registriert (P. U.-B. Bd. I, 11«) die Angabe <strong>der</strong> Chronisten sogar kurz<br />
unter dem Regest: Pommern kehrt unter dänische Hoheit zurück, das<br />
heißt: aus <strong>der</strong> märkischen. Daß Brandenburg an den Vorgängen im<br />
höchsten Maße interessiert gewesen ist, auch ohne die weitgehende Annahme<br />
Kleinpins hinsichtlich <strong>der</strong> seit l 1i^7/98 bestehenden Verhältnisse, ist sicher,<br />
es ergiebt sich das aus <strong>der</strong> hernach zu erörternden Urkunde von 1212<br />
zur (NenNge, auch daß es durch den Verlauf <strong>der</strong> Dinge erheblich<br />
geschädigt worden ist. Wie ich mir das vorstelle, habe ich oben gesagt.<br />
Aber an eine kriegerische Betätigung Albrechts vermag ich nicht zu<br />
glauben; daß wir ihn in diesem Jahre nur eiumal urkundlich erwähnt<br />
finden, 2) kaun ebensowohl auf Verhin<strong>der</strong>ung durch Neichsangelegenhciten,<br />
als auf Krankheit zurückgeführt werden. Daß ein Mann seines<br />
Schlages seine Rechte gegenüber dem fremden Könige ein Jahr später<br />
durch Vermittlung des Kaisers zu erreichen sucht, ist meines Erachteus<br />
uur dann zu verstehen, wenn er selbst sie mit dem Schwerte durchzusetzen<br />
uicht versucht hat; hat er aber müßig dem neuen Fortschritte Waldemars<br />
zugesehen, so erklärt sich das ja auch wohl hiureicheud aus dem Verhältnis<br />
bei<strong>der</strong> Fürsten zu Kaiser Otto, nur daß dem Markgrasen die Hände<br />
ungleich mehr gebunden waren, als dem Däneuköuige, denu die Lage<br />
Ottos I V. war um diese Zeit bereits durch den Papst arg bedroht, er<br />
war im Baune, schon begann <strong>der</strong> Abfall <strong>der</strong> Fürsten von ihm, seine<br />
Stellung kounte leicht ganz unhaltbar werden, weun er in einen Streit<br />
mit Dänemark verwickelt wurde; das aber konnte Albrecht nicht wünschen.<br />
So unterließ er einstweilen ein kriegerisches Vorgehen.<br />
') Rudlosf, S. 106. Voll, Gesch. d. 3. Stargard. beachtet die Nachricht<br />
nickt. Stolle, Demmin S. 580 sucht Nienbmg bczw. Nucenburg, wie die<br />
Ann. A^6Hä08 (8». XVl, 405) lesen, bei Delunun, ohne Angabe von Gründen.<br />
2) 16. August bei Burg. Kravbo, Regesten 11, Nr. b43.
290 Die staatsrechtlichen Verhältnisse Pommerns<br />
Und wenn ihm mm damals, wie ich glauben möchte, sein Hoheits-<br />
recht über einen kleinen Teil Pommerns verloren ging, so war dieser<br />
Verlust mehr von idealer als von praktischer Bedeutung. Der Neuaufbau<br />
von Demmin konnte eine unliebsame Wichtigkeit für ihn erlangen; daß<br />
er für jetzt mehr bedenket hätte als die Schaffung einer angemessenen<br />
Nesidenz für den Gatten <strong>der</strong> Ingardis, möchte ich nicht glauben.<br />
Die Angabe Kantzows betreffs <strong>der</strong> Herkunft dieser Ingardis (Tochter<br />
Iarimars, Enkelin Kanuts) ist seitens <strong>der</strong> Darsteller mit seinen übrigen<br />
Nachrichten gleichwertig behandelt, das heißt ignoriert werden. Habe<br />
ich vielleicht eine Erörterung übersehen, in <strong>der</strong> sie als falsch nach-<br />
gewiesen wird-")<br />
In welcher Weise damals hier an<strong>der</strong>weitige territoriale Verän<strong>der</strong>ungen<br />
vor sich gegangen sind, läßt sich schwer entscheiden, die Frage bedarf<br />
aber <strong>der</strong> Erörterung. Aus dem Jahre 1^16 ist bekannt, daß Herzog<br />
Kasimir im ^ande Zirzipanien als Landesherr schaltet. Für diejenigen,<br />
welche annehmen, daß dieses Gebiet schon 1164 o<strong>der</strong> doch wenig später<br />
uuveräu<strong>der</strong>t zu Pommern gehört hat, ist das wenig von Belang; wer mit<br />
mir geneigt ist, anzuuehmeu, daß es seit HttO märtisch gewesen war,<br />
dem eröffnet sich die Möglichkeit, daß es eben jetzt (nicht erst 1214)<br />
von Waldemar dem Markgrafen entrissen und Kasimir zugelegt ist, es<br />
würde aber eine solche Annahme doch wie<strong>der</strong> nicht gut ohne die weitere eines<br />
Krieges mit <strong>der</strong> Mark zulässig sein, den wir ja nickt annahmen. Über-<br />
dies hatte Waldemar im Jahre l211 noch keine son<strong>der</strong>liche Veranlassung,<br />
Kasimir gar so sehr zu begünstigen. Dagegen halte ich es für möglich,<br />
daß bei dieser Gelegenheit Ianmar ein wenig in seine Schranken<br />
verwiesen und von Waldemar genötigt wurde, einige Stücke des vou ihm<br />
eroberten pommerschen Landes wie<strong>der</strong> zurückzugeben, die Gegend von<br />
Eldena ttud auch Gutzkow. Als Besitzer dieses Ländchens finden wir<br />
wenig später den Enkel des Grün<strong>der</strong>s von Kolbatz, den Sohn jenes<br />
Vartholomeus, <strong>der</strong> sich ä^ 8tor^n nannte, denselben Wartislaw, <strong>der</strong><br />
sich später mit Bogislaws Tochter Dobroslawa vermählte, die er dann<br />
schon vor 12^6 als Witwe zurückließt) An<strong>der</strong>erseits aber führen die<br />
Urkunden des Klosters Eldena aus den nächsten Jahren auf die Ver-<br />
') Nach Reiche, Bausteine, S. N ist I eine Tochter Waldemarb; woher<br />
bat er das? Übrigens vergl. man die interessante Ansicht u. Sommerfelds,<br />
S. 1
in den Jahren N80 bis 1214 291<br />
mntung, daß hier eine Art von Kondominat, für Rügen und Pommern<br />
gemeinsam, hergerichtet worden ist.^)<br />
Würden diese Maßregeln ein Entgegenkommen des siegreichen Königs<br />
darstellen, ein Zeichen, daß er Versöhnung schaffen wollte, so fehlt es<br />
doch anch nicht an einer Nachricht, daß er für sich und seine Zwecke<br />
sorgte: die Chronik sagt, Waldemar habe damals viel pommersches ^and<br />
in Besitz genommen; 2) aber sie bringt diese Nachricht in einer Form,<br />
die Schwierigkeiten enthält, das Land soll dem o<strong>der</strong> nach <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />
Lesart den (beiden) Herzogen von Stettin genommen worden sein.<br />
Dabei ist mm zunächst recht sorgfältig zn beachten, daß es um<br />
diese Zeit einen Herzog von Stettin überhaupt nicht gibt; eine solche<br />
Bezeichnung kommt erst viel spater vor; sie trifft nicht zu für beide<br />
Herzöge als gleichwenig mit „Herzog von Pommern", aber ebensowenig<br />
für einen von ihnen, <strong>der</strong> also nnr Aogislaw sein könnte, weil dieser,<br />
wie ich schon mehrfach berührte, im Besitze <strong>der</strong> Stadt Stettin wohl<br />
überhaupt nicht gewesen ist. Sie ist aber auch deshalb nicht auf ihn<br />
allein anwendbar, weil damals die Teilung des Landes augenscheinlich<br />
noch nicht erfolgt war, er also noch keinen eigenen Oebietsanteil beherrschte,<br />
<strong>der</strong> ihm hätte gekürzt werden können. Die Nachricht hat also nur Sinn,<br />
wenn wir sie in dem oben zuerst angeführten allgemeinen Sinne begreifen,<br />
pommersches ^and wnrdc von Dänemark in Besitz genommen. Was<br />
könnte das nun aber gewesen sein? Daß es ein für Dänemarks Zwecke<br />
beson<strong>der</strong>s wertvolles Gebiet gewesen sein mnß, leuchtet ein, es muß nahe<br />
<strong>der</strong> Küste, also doch auch um die gute Häfen darbietende O<strong>der</strong>mündung<br />
gelegen haben. Daß es sich dabei um Stettin selbst handelt, würde ich<br />
für möglich halten, wenn nicht nach meiner Überzeugung Stettin schon<br />
seit 11W in dauerndem Besitze <strong>der</strong> Dänen gewesen wäre. Doch betraf<br />
das bisher wohl nur die Burg, es könnte jetzt <strong>der</strong> dänische Besitz weiter<br />
ausgedehnt worden sein. Indessen glaube ich das nicht, Stettin lag<br />
immer noch etwas weit landeinwärts, an <strong>der</strong> Umgebung hätte Dänemark<br />
nicht gar so viel gewonnen, es wird sich also um ein noch günstiger<br />
gelegenes Gebiet gehandelt haben, um Wolgast. Schon 1164 waren<br />
Burg und ^and Wolgast für die Dänen ein Gegenstand größter<br />
Aufmerksamkeit gewesen, sie hatten es damals, um es zn beherrschen,<br />
gedrittelt; ohne rechten Erfolg. In den nächsten Jahren war immer<br />
wie<strong>der</strong> um Wolgast gekämpft worden. Iu <strong>der</strong> Zeit <strong>der</strong> rügenschen<br />
Gewaltherrschaft war auch um Wolgast Streit gewesen; die auf Ausuchen<br />
l) P. U B Bo. I, Nr. 587. 1N5 in Verbindung mit Nr. 207. u. Sommerfeld<br />
schätzt S. 110 und Anm. 1 meines (^achtens die Zugeständnisse des Rügeners<br />
zu hoch eill.<br />
') Chron. d. D Städte Vd. 29, 54 und 289.
292 Die staatsrechtlichen Verhältnisse Pommerns<br />
<strong>der</strong> Anastasia von König Kannt getroffene Entscheidung läßt^) für uns,<br />
so klar sie auch damals für je<strong>der</strong>mann gewesen sein mag, im Zweifel,<br />
wer nach ihr das Anrecht auf Volgasi haben sollte. Seit jener Zeit<br />
(um 1194) ist we<strong>der</strong> des Ortes noch des Gebietes gedacht. Sofort<br />
nach dem Sturze des Königs Waldemar, im Jahre l3W, wird Wolgast<br />
wie<strong>der</strong> genannt, es erscheint dort wie<strong>der</strong> ein pommerscher Kastellan.<br />
Wohl ist rechtlicher Eigentümer des Landes damals noch immer <strong>der</strong><br />
dänische König, <strong>der</strong> jedoch einsieht, daß er sich trotz eines kriegerischen<br />
Erfolges nickt recht zu behaupten vermag, und bald nachher die eine<br />
Hälfte des Landes einem Markgrafen als Ehegut, die an<strong>der</strong>e an Wizlaw<br />
von Rügen übergibt; aber die weiteren Vorgänge, <strong>der</strong> darüber ausgebrochene<br />
Streit, über den uns die Perträge von Cremmen 1236<br />
und Landin 1250 unterrichten, zeigt, daß man ponnnerscherseits auf<br />
dieses seit langem verlorene ?and nun wie<strong>der</strong> Anspruch erhoben hat.<br />
Der Verlust von Wolgast an Dänemark kann aber meines Erachtens<br />
nur Isll vor sich gegangen sein, denn nur damals haben sich beide<br />
Herzöge von Pommern gegen Waldemar erhoben; 1214 ist Kasimir,<br />
dessen Sohn doch 1228 Wolgast als sein Eigentum anspricht, jedenfalls<br />
nicht von Waldemar abgefallen. *) Da aber die ^andesteilung erst nach<br />
<strong>der</strong> dänischen Besitzergreifung erfolgt sein kann, ist die Frage ohne großen<br />
Wert. Man hat bisher stets angenommen, daß <strong>der</strong> gleichnamige Sohn<br />
des Markgrafen Johann von Brandenburg sich um o<strong>der</strong> schon vor 1230<br />
mit Waldemars Tochter Sosia wenn nicht verheiratet, so doch verlobt<br />
hat; 2) er hat nachweislich Anspruch auf Wolgast (die Hälfte) miterheiratet,<br />
gewiß nicht (Niedel-Voigt) durch die Ehe mit einer pommerschen<br />
Gemahlin Hedwig, son<strong>der</strong>n durch eben jene dänische Heirat; da nun die<br />
Festsetzung <strong>der</strong> Mitgift bei <strong>der</strong> Eheberedung, nicht bei <strong>der</strong> Hochzeit<br />
stattfindet, muh Waldemar das ttand Wolgast dem jungen Johann schon<br />
vor 1232, dem Jahre, in dem er selbst es noch einmal in seinen<br />
wirklichen Besitz gebracht hat, zugesichert haben. Ich meine, daß es sich<br />
bei Waldemars Verhalten in bczng auf Wolgast gewissermaßen um eine<br />
Art ^iqnidation handelte. Das hin<strong>der</strong>te ihn nicht, den Knaben Wartislaw<br />
für leinen Abfall zu züchtigen; daß er aber auch da nach anfänglichem<br />
') S. oben S. 273.<br />
') Die Bcsihverhältnisse in Wolgast vor I2ll, soweit das Anrecht <strong>der</strong> beiden<br />
Brü<strong>der</strong> in Frage kommt, lassen sich mcht aufklären. Klempins Ansichten darüber<br />
stützen sich auf die Urkunden <strong>der</strong> Jahre 1298 bls 30, beweisen also nichts iür die<br />
Zeit vor <strong>der</strong> damals weit zurückliegenden Eroberung. Auch Quandt, Landesteiluna,<br />
B. St. Bd. XI, 120 befriedigt nicht.<br />
2) Vergl. Voigt, Über das Alter <strong>der</strong> M. Johann I. und Otto III. M. F.<br />
Bd. IX, N4 ff. Bauch, die M. Johann I. und Otto Ili. S. 20. Sello.<br />
Altm. Miszellen, Forsch, br. pr. G. Bo. V, 297.
in den Jahren 1180 bis 1214. 293<br />
Erfolge das schon eroberte Demmin infolge des Dazwischentretens von<br />
Lübeck wie<strong>der</strong> verlor, mußte ihm die Nutzlosigkeit erneuter Versuche zeigen.<br />
Noch hielt er Stettin fest im Besitz, aber als dann ein Versuch Lübeck<br />
für seine Einmischung zu bestrafen im Jahre 1234 ebenfalls gründlich<br />
gescheitert war, da ergab sich <strong>der</strong> ehemalige „Sieger" endgültig in sein<br />
Loos, er gab nun auch die zweite Hälfte von Wolgast aus <strong>der</strong> Hand,<br />
an Wizlaw von Nügen, dessen Land allein noch in dänischer Vasalleuschaft<br />
verblieb. Übrigens handelt es sich beide Male nicht um A, son<strong>der</strong>n<br />
nur um l/g vou Wolgast; <strong>der</strong> insulare Teil ist swohl schon seit 1164?)<br />
allmählich ganz abgezweigt worden, wie <strong>der</strong> 1316 bei dem Kloster Grobe<br />
(P. U.-Ä. Ad. 1, 129), also innerhalb dieses Drittels, abgehaltene<br />
pommersche Landtag zeigt. Daß die Hälfte von Wolgast im Jahre 12.^0<br />
o<strong>der</strong> den nächstfolgenden nicht wirklich in den unmittelbaren Besitz des<br />
Markgrafen Johann übergegangen ist, daß sie vielmehr an einen <strong>der</strong><br />
pommerschen Fürsten gelangt ist, wohl an Barnim, erweist sich ja aus<br />
dem Vertrage von Landin zur Genüge; welche Vorgänge da stattgefunden<br />
haben, vermag und brauche ich im Nahmen dieser kurzen Abhandlung<br />
nicht zu untersuchen, für unseren Zweck genügt die Feststellung, daß bis<br />
1228 kein pommerscher Fürst Negieruugshandlungen in Wolgast vornimmt,<br />
daß gleich nach Waldemars Nie<strong>der</strong>lage bei Borntiöved ein Herzog von<br />
Pommern im Lande schaltet, daß aber Dänemark darauf nicht verzichtet,<br />
bevor neue Nie<strong>der</strong>lagen seine Behauptung unmöglich machen.<br />
Dadurch ist freilich noch nicht bewiesen, daß seine Besitzergreifung<br />
durch Dänemark erst 12! 1 erfolgt ist, in Rücksicht aber auf den<br />
Umstand, daß ein an<strong>der</strong>es pommerschcs Land, das 1211 von Waldemar<br />
okkupiert sein könnte, nicht nachweisbar ist, möchte ich doch glauben,<br />
daß es sich um Wolgast gehandelt hat.<br />
Es erübrigt nun noch <strong>der</strong> schon mehrfach berührten Erbteiluug <strong>der</strong><br />
herzoglichen Brü<strong>der</strong> näher zu treten. Es wird meistens angenommen,<br />
daß sie eben jetzt, 121 l, wohl auch unter dem Einflüsse Waldemars<br />
erfolgt sei, an<strong>der</strong>erseits ist hingewiesen worden auf die eben erwähnte<br />
Urkunde aus dem Jahre 1216 über eine Tagung in Grobe, bei welcher<br />
beide Fürsten sich gemeinsam betätigt haben, so daß man vermittelnd<br />
vorgeschlagen hat, die vorläufige Teilung ins Jahr 1211, die endgültige<br />
in das Jahr 1216 zu setzen, und sie eben auf diesem Landtage erfolgen<br />
laht.^) — Die gemeinsame Abhaltung von Landtagen hat auch später, als<br />
die Teilung Pommerns im übrigen eine vollkommene war, stets statt-<br />
gefunden; daß <strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong> Gcsamthaud, wie ihn das deutsche Lehn-<br />
recht ausgebildet hat, um diese Zeit äußerlich betrachtet, hier damals<br />
') Veral. Quandt, Landesteilung, B. St. Bd. XI, 122. Wehrmann,<br />
Vd. I, 05.
294 Die staatsrechtlichen Verhältnisse Pommerns<br />
noch nicht bekannt gewesen ist, mag richtig sein, <strong>der</strong> Sache nach wurzelt<br />
er im Volksbewnßtsein. So kann jener Vorgang von l216 nichts<br />
gegen eine frühere Teilung aussage«. Dasselbe gilt von <strong>der</strong> Urkunde,<br />
welche die Herzöge 1214 gemeinsam für das schlesische Kloster Trebnitz<br />
ausstellen, denn diese bezieht sich auf das von ihnen auch späterhin<br />
gemeinsam besessene Land Kolberg. Im übrigen haben die Fürsten<br />
zwischen 1211 uud 1216 je<strong>der</strong> für sich drei Urkuudeu ausgestellt. So<br />
lassen meines Trachtens die Urkunden über eine Teilung vor 1216<br />
leinen Zweifel. Und dafür spricht doch auch die gauze bisherige Ent-<br />
wicklung, wie ich sie aufgefaßt uud geschil<strong>der</strong>t habe; daß die gemeinsame<br />
Herrschaft möglichst früh beseitigt werden musile, war durch die<br />
Verhältnisse geboten, sie war aber doch auch gauz <strong>der</strong> Zeit <strong>der</strong> Väter<br />
entsprechend; entwe<strong>der</strong> herrscht einer allein, o<strong>der</strong> es wird geteilt. Uud<br />
wenn dann die Teilung erfolgt ist, dann geht je<strong>der</strong> seinen Weg. Schon<br />
bei <strong>der</strong> Darstellung <strong>der</strong> letzten Regierungsjahre <strong>der</strong> Söhne Wartislaws 1.<br />
glaubte ich nachdrücklich auf diese Tatsache hiuweiseu zu sollen, es wird<br />
nötig sein, es an dieser Stelle noch einmal zu tun.<br />
Und nun noch ein Wort über die politische Haltung bei<strong>der</strong> Fürsten nach<br />
1211. Ich bin nicht <strong>der</strong> Ansicht, daß Kasimir II. infolge seiner neu<br />
entstandenen Verwandtschaft fortan ein Feind <strong>der</strong> Deutschen geworden sei,<br />
mag er auch seine Sympathie für jetzt nicht haben zeigen dürfend) Noch<br />
viel weniger aber glaube ich, daß <strong>der</strong> Einfluß <strong>der</strong> Gattin und <strong>der</strong> Mutter<br />
den Herzog Bogislaw ernstlich beim Slaveutum festgehalten, o<strong>der</strong> daß <strong>der</strong><br />
starte Wille des Dänenkönigs ihn zum willfährigen Werkzeuge dänischer<br />
Politik gemacht babe; <strong>der</strong> Manu, <strong>der</strong> sich, als er im frühereu Mannes-<br />
alter starb, die Iakodikirche, die Kirche <strong>der</strong> Deutschen, zur letzten Ruhestatt<br />
ersah uud sie noch anf dem Totenbette beschenkte, <strong>der</strong> war auch innerlich<br />
für das Deutschtum gewonnen. Ich habe oben meine Auffassung von<br />
den Umställdeu <strong>der</strong> Selbstuuterwerfuug Kamins unter Magdeburg<br />
dargelegt; wenn sie richtig ist, dann taun sich <strong>der</strong> Vorgaug doch<br />
nimmermehr vollzogen haben ohne Zustimmung des Laudeshrrrn. Daß<br />
Auastasia, weun sie damals noch am Regiment war, jenem Schritte mit<br />
aller Macht entgegen gearbeitet haben wird, das darf mall ohne weiteres<br />
annehmen; und um so höher steigt dadurch <strong>der</strong> Einfluß, den wir<br />
Vogislaw, dem älteren, früher zur Reife und Anteil an <strong>der</strong> Negierung<br />
gelangten <strong>der</strong> beiden Brü<strong>der</strong>, auch in dieser Sache beiznmesseu haben<br />
werdeu. Die Rücksichtslosigkeit des polnischen Herrschers, nicht min<strong>der</strong><br />
aber auch die des Dünen, <strong>der</strong> ihm, abgesehen von allem an<strong>der</strong>en, die<br />
natürliche Hauptstadt seines Territoriums vorenthielt, müssen abschreckend<br />
') Der nächste Abschnitt enthält einige Hinwelse auf seine Haltung. S.<br />
S. 300, 306 und 307.
in den Jahren 1190 bis 1214.<br />
auf ihn gewirkt haben, die Persönlichkeit des großen Erzbischofs<br />
von Magdeburg, ebenso aber auch die des rastlos tätigen Markgrafen,<br />
<strong>der</strong> beiden Albrechte, mögen, müssen ihn angezogen habend)<br />
VIII. Das Ergebnis des Jahres<br />
Im Jahre 13! 3 begann <strong>der</strong> junge Friedrich Roger von Sizilien<br />
in Deutschland Bodeu zu gewinnen, und alsbald erfuhr <strong>der</strong> Throu<br />
Kaiser Ottos, des von <strong>der</strong> Kirche Ausgestoßeueu uud heftig Bekämpfte»,<br />
eine schwere Erschütterung. Die Fürsten, uamentlich die des Südens<br />
und Westens wandten sich von ihm ab. Die Astanier waren an sich<br />
durchaus staufisch gesiunt; sie hatten gegen Heiurich deu ^öweu zu<br />
Friedrich I. gestanden, später in <strong>der</strong> Zeit des Zwiespaltes zu Philipp.<br />
Erst nach dessen Tode hatten sie sich dem Welsen angeschlossen, uud<br />
jetzt hielten sie bei ihm aus. Daß dies lediglich aus Oesiunuugstreue<br />
o<strong>der</strong> höherem Gefühl für Deutschlauds Ehre und Würde geschehen wäre,<br />
wird man nicht behaupten dürfen. Mitbestimmend wird dabei auch ihr<br />
Verhältnis zu Magdeburg, mehr noch das zu Dänemark gewesen sein.<br />
Im Sommer 1312 schloß Markgraf Albrecht mit dem Kaiser einen<br />
Vertrag, durch den sie sich gegenseitige Hülfe gelobten, <strong>der</strong> Kaiser<br />
beson<strong>der</strong>s in dezug auf Albrechts Ansprüche gegen Dänemark im<br />
Slavenlande, in erster Linie also in Pommern. Als <strong>der</strong> Kaiser in<br />
diesem und dem nächsten Jahre bei König Waldemar, <strong>der</strong> seine schwierige<br />
Stellung genau kannte, mit Güte nichts auszurichten vermochte, uud<br />
an<strong>der</strong>erseits seine Lage immer bedrängter, <strong>der</strong> Abfall <strong>der</strong> Fürsten immer<br />
allgemeiner wurde, da ließ, so meine ich, Markgraf Albrecht seine Aurechte<br />
auf das Slavenland von ihm in bündiger Weise anerkennen, und<br />
als dann im Sommer des Jahres 1214 bekannt wurde, daß <strong>der</strong> juuge<br />
König auf dem Hoftage zu Eger, o<strong>der</strong> bald nachher dem Dänenkönige,<br />
um ihn für sich gegen Otto IV. zu gewinnen, das Slavenland nördlich<br />
<strong>der</strong> Elbe und Elde, und was sonst König Kanut dort gewonnen, von<br />
Reiches wegen zuerkannt hatte, da setzte sich Albrecht mit Herzog<br />
Vogislaw II. in Verbindung, <strong>der</strong> damals, aller Wahrscheinlichkeit nach,<br />
seineu Aulpruch auf die ^ehnshoheit über seine Gebietshälfte anerkauute,<br />
sowie mit Graf Gunzel von Schwerin, <strong>der</strong> den Vortampf gegen Heinrich<br />
Burwy von Mecklenburg übernahm. Sodann entriß er <strong>der</strong> überraschten<br />
') In einer seiner letzten, wenn nicht <strong>der</strong> allerletzten Urkunde erscheint, von<br />
ihm als Zeuge zugezogen, ein tt6n,ieu8 laieus, ohne Zusatz, ohne Amt und<br />
Würden -, es mag erlaubt sein, in ihm den eisten deutschen ^aien, <strong>der</strong> am Hofe<br />
eines Pommernfürsten Geltung gehabt hat. zu erblicken. P. U -V. Bd. I, 141,<br />
Nr. 195.
29s) Die staatsrechtlichen Verhältnisse Pommerns<br />
und von den Pommern im Stich gelassenen schwalben dänischen Besatzung<br />
Stettin und besetzte Pasewalk, sowie Teile <strong>der</strong> Landschaft Varnim in<br />
<strong>der</strong> Richtung auf die O<strong>der</strong>, wo er an wichtiger Übergangsstätte die<br />
Feste O<strong>der</strong>bcrg anlegte.<br />
Aber <strong>der</strong> rasche Erfolg war nicht von Dauer; in denselben Tagen,<br />
wo er mutmaßlich errungen wurde, erlag Kaiser Otto, <strong>der</strong> sich, Deutsch-<br />
land den Rücken kehrend, trotz seiner Not in ein arges Abenteuer<br />
gestürzt hatte, als Verbündeter seines englischen Oheims in <strong>der</strong> Schlacht<br />
von Bouvines den Franzosen; ohne Heer kehrte er heim, des Reiches<br />
Sturmfahne blieb in <strong>der</strong> Hand des Feindes.<br />
Nuumehr ohne Rückhalt am Reiche, auf sich selbst angewiesen,<br />
büßten Albrecht und sein Verbündeter alle Eroberuugen wie<strong>der</strong> ein;<br />
<strong>der</strong> immer gebieten<strong>der</strong> auftretende nordische König zwang den Schweriner<br />
Grafen unter seine Botmäßigkeit und uahm dem Markgrafeu nun<br />
wahrscheinlich auch die meinen Gebietsstücke ab, welche er in den<br />
Jahren 1180 und 1197 gewonnen hatte. Dänemark triumphierte über<br />
Deutschland in <strong>der</strong> baltischenSlavenwelt, Vogislaw wurde sein Vasall.<br />
Daß bei <strong>der</strong> Haltung Albrechts gegenüber dem Kaiser sein eigenes<br />
Verhältnis zu Magdeburg mitbestimmend gewirkt haben muß, das werden<br />
wir etwas weiter unten sehen; in enger Verbindung finden wir Albrecht mit<br />
Otto, nach dessen Rückkehr aus Italien, zuerst 121s. Sie belagerten<br />
damals die dem thüringischen Landgrafen gehörige Burg Weißensee; im<br />
Lager vor <strong>der</strong> Burg kam <strong>der</strong> gegenseitige Hülfsvertrag zustande. Gegen<br />
Zusage ausgiebiger Unterstützung gegen alle seine Feinde versprach Otto<br />
dem Markgrafen: 86 lusaiawrom . . . inter i-e^in Okoio 6t ipzuni<br />
Uarcluonftm 6t ßlauos sx^wi^; falls ihm das nicht in befriedigen<strong>der</strong><br />
Weise gelingen würde, verpflichtete er sich re^i Dacis 8ui8yu6 t'autoridug<br />
äeckoer6.l) Der Wortlaut dieser Urkunde spricht von Streit, welcher<br />
besteht zwischen dem Könige einer- und dem Markgrafen bezw. den<br />
Slaven an<strong>der</strong>erseits. Nur so steht es da. Ich glaube, wenn man<br />
diese Tatsache schärfer ins Auge fast, so genügt sie schon allein, um zu<br />
zeigen, daß Albrecht hier als <strong>der</strong> Anwalt einer von den<br />
Dänen zu Brandenburgs und Deutschlands Nachteile<br />
unterjochten Slaven welt auftritt, daß die Wenden nicht, wie<br />
Klempin sagt (S. 9^0), Verbündete des Dänenkönigs, son<strong>der</strong>n viel eher<br />
des Markgrafen gewesen sind.^)<br />
') M. U.-V Bd I, Nr. 212. P. U.-B. Bd. I, Nr. 158.<br />
') Vergi Rachfahl S. 65 und 64 unten. NudlosfS!06. Zickermann<br />
S. 27, Wehrmann S. 94, v. Sommerfeld S. 108, Krabbo. Regest<br />
Nr. litt und Forsch, z. br. pr. Bd. XXIV, 363 äußern sich nicht über diese hoch«<br />
wichtige Frage; für sie alle ist es ausgemacht, daß die Slaven, beson<strong>der</strong>s die
in den Jahren 1180 bis 1214. 997<br />
Darauf, daß die Absichten Albrechts nicht bloß anf Pommern<br />
gerichtet waren, deutet <strong>der</strong> Umstand hin, daß in dem Vertrage unter<br />
den Eideshelfern Albrechts in erster Linie Graf Günzel von Schwerin<br />
genannt ist, daß sich später die Kämpfe zum Teil in Mecklenburg abspielen<br />
und daß die Grafschaft Schwerin hernach den größten Nachteil<br />
von dem Ausgange hatte. Der Stellung Heinrich Burwys als eines<br />
Gegners des Markgrafen nnd dänischen Gefolgsmannes ist oben mehrfach<br />
gedacht worden. Von ihm wird man nach ^age <strong>der</strong> Dinge annehmen<br />
dürfen, daß er sein Heil einzig von seinem Beharren auf <strong>der</strong> Seite<br />
seines Lehnsherren gegen Brandenburg und Schwerin erwartete. Es sind<br />
ja denn auch für ihn einige Erfolge abgefallen.<br />
Davon, daß <strong>der</strong> Kaiser wirklich bei Waldemar für des Reiches und<br />
des Markgrafen Ansprüche eingetreten wäre, verlautet nichts; noch weniger<br />
aber von etwaigen kriegerischen Hülfsleistungen seinerseits. Aber so<br />
wertvoll solche <strong>der</strong>malen für Albrecht gewesen wären, für die Zukunft<br />
mußte es ihm viel wichtiger sein, daß Otto von Reiches wegen seine<br />
Ansprüche auf das Slavenland, beson<strong>der</strong>s auf Pommern, anerkannte,<br />
wobei es sich auch jetzt noch immer nur um das Land diesseits <strong>der</strong><br />
O<strong>der</strong> gehandelt haben dürfte. Daß diese Anerkennung in dem Wortlaute<br />
des Vertrages von Weißensee nicht ausgesprochen ist,<br />
betont Zickermann (2. 38) ebenso scharf wie unnötig, aber es will mir<br />
doch selbstverständlich erscheinen, daß <strong>der</strong> Kaiser, bevor er die Zusicherung<br />
des Eintretens für die märkischen Ansprüche aussprach, sich mit Albrecht<br />
über <strong>der</strong>en Umfang ins Einvernehmen gesetzt hat. Und wenn er hernach<br />
bei seinen Vermittlungsversuchen mit Güte nichts erreicht hat und auch<br />
nicht in Wirklichkeit sogleich für Albrecht ins Feld gerückt ist, so, dünkt<br />
mich, ist es nur ein Streit um Worte bezw. um den Zeitpunkt, ob und<br />
wann Otto das Recht des Markgrafen auf die Hoheitsrechte über Pommern<br />
anerkannt hat. Ein beson<strong>der</strong>es Diplom darüber ist wohl nicht<br />
ausgefertigt worden. Der Gültigkeit einer etwaigen Zusage tut das<br />
keinen Abbruch, denn die Geltung einer vom Kaiser-König in Zeugeugegenwart<br />
vorgenommenen Negierungshandlung ist damals an und für<br />
sich unabhängig von ihrer schriftlichen Aufzeichnung; daß aber mündlich<br />
diese Zusicherung erfolgt ist, diese Überzeugung teile ich mit mehreren<br />
unserer Forschers)<br />
Pommern, seit 1211 vollständig und willig unter dänischem Joche stehen; nur<br />
Reiche (Vausteine, S. 11) ist an<strong>der</strong>en Sinnes, glaubt an ein Bündnis zwischen<br />
Albrecht und Pommern, an dem aber auch Kasimir teilgenommen haben soll, was<br />
doch ganz ausgeschlossen ist.<br />
^ Rachf ahl, S. 42S und 43l und W. o. Sommerfeld, S. 103.
29« Die staatsrechtlichen Verhältnisse Pommerns<br />
Ob nun schon 1313 ein Schritt Albrechts gegen Waldemar erfolgt<br />
ist, erscheint sehr zweifelhaft. Der anfängliche schnelle Erfolg des<br />
Jahres 1214 erklärt sich nur aus <strong>der</strong> Überraschung <strong>der</strong> Dänen. An<br />
sich betrachtet stände, nach dem Wortlaute <strong>der</strong> kurzen Quellenbemerkungen,<br />
welche nur von <strong>der</strong> W i e d e r eroberung Stettins durch Waldemar berichten,<br />
nichts im Wege, die Eroberung durch Albrecht schon zu 12l3 anzusetzen;<br />
es ist uns über eine Tätigkeit Albrechts in diesem Jahre keine einzige<br />
Nachricht erhalten; das deutet auf Krieg. Aber <strong>der</strong> könnte auch gegen<br />
einen an<strong>der</strong>en Gegner gerichtet gewesen sein. Kaiser Otto stritt 12l3<br />
wi<strong>der</strong> Magdeburg, nach dem Bündnisverträge war Albrecht verpflichtet<br />
ihm beizustehen; sollte er sich dem entzogen haben, wo es einem eigenen<br />
alten Feinde galt? Man hat gemeint, vor dem Jahre 1217 sei kein<br />
feindliches Vorgehen Albrechts gegen Magdeburg erfolgt. Es ist aber<br />
doch sehr wahrscheinlich, daß die beiden Territorien nicht in freundlichem<br />
Verhältnis zu einan<strong>der</strong> standen. 1208 hat Albrecht Wolmirnädt als<br />
Trntzfeste gegen Magdeburg erbaut;^) es ist also damals schon, wenn nicht<br />
offene Feindschaft, so doch die Befürchtung einer solchen auf feiten<br />
Albrechts von Brandenburg vorhanden gewesen; es könnte auch sehr<br />
wohl sein, daß auch die Zerstörung <strong>der</strong> Osterburg in dem gleichen Jahre<br />
damit in Zusammenhang gestanden hat. Im Jahre 1211 hat ein<br />
plaoiwm zwischen den beiden Fürsten stattgefunden; das deutet anf<br />
bestehende Streitigkeiten, die jetzt noch nicht zum hellen Ausbruch kamen,<br />
weil Albrecht 11. im Interesse des Kaisers durch ein solches Porgehen<br />
den Erzbischof in seilten Abfallsgelttsten bestärkt haben würde; <strong>der</strong><br />
Bischof ist nur deshalb, so nimmt sein Biograph an, noch nicht öffentlich<br />
auf die Seite des Papstes getreten, weil er die offene Feindschaft seiner<br />
Nachbarn, beson<strong>der</strong>s <strong>der</strong> Askanier, befürchten mußte.') Daß etwas<br />
später (121b) die beiden Albrechte, trotz ihrer verschiedenen politischen<br />
Stellung als Zeugen einer Urkunde des Bischofs von Brandenburg<br />
aufgeführt werden, darf nicht als Beweis dafür angesehen werden, daß<br />
sie beide bei <strong>der</strong> Ausstellung friedlich zugegen gewesen wären. Der<br />
Inhalt dieser Urkunde hat es erfor<strong>der</strong>t, daß ihr Aussteller die Genehmigung<br />
<strong>der</strong> beiden wichtigsten Persönlichkeiten in ihr wenigstens in <strong>der</strong> Form <strong>der</strong><br />
Zeugenjchaft verzeichnet zu sehen wünschte; die aber kann er so gut<br />
vorher wie nachher eingeholt haben. So ist es ja auch in <strong>der</strong> gleich zu<br />
erwähnenden Bulle von Metz vom Jahre 1214 <strong>der</strong> Fall gewesen. Daß<br />
') Riedel, V, Bd. IV, S. 299 z. I. 1443. Krabbo, Regest 538.<br />
2) Silbeiborth, Erzb. Albrecht 11. von M. Magd. G.-Vl. Vd. 45 (1910)<br />
144. Dagegen Krabbo, Reg. Nr. 548. Die betreffende Urk. s. Riedel, ^, Bd. X,<br />
30. Zum Gebrauch des Ausdrucks piacitare vergl. den Vortrag von Landm,<br />
in den Jahren 1180 bis 12N. 399<br />
die beiden Herren o<strong>der</strong> einer von ihnen persönlich zugegen gewesen<br />
wären, steht in dem Diplom nicht darin; dagegen ergibt die genaue<br />
Betrachtung <strong>der</strong> Zeugen und ein Vergleich mit zwei an<strong>der</strong>en, von dem<br />
Bischöfe zwei Tage vorher und nachher ausgestellten Urkunden, daß die<br />
unsrige in Ziesar wahrscheinlich nur ausgefertigt worden ist, und<br />
zwar nach Einholung <strong>der</strong> Zustimmung all <strong>der</strong> hochgestellten, aber nicht<br />
anwesenden Zeugen.')<br />
Ist somit ein friedliches Verhältnis zwischen den beiden Albrecht<br />
für diese Zeit nicht bezeugt, das Gegenteil wahrscheinlich, so müssen wir<br />
annehmen, daß <strong>der</strong> Markgraf, wenn auch die Quellen davon nichts<br />
erwähnen, dem Kaiser bei seinem Berwüstungszuge gegen Magdeburg<br />
beigestanden hat. Und somit würde es ziemlich ausgeschlossen seiu, daß<br />
er noch in demselben Jahre den Zug nach Stettin unternommen hat.<br />
Die dänische Quelle weiß zu sagen, daß im Jahre 1213 die Heerfahrt<br />
in Dänemark geruht habe; hätte sie dabei von einem Verluste Stettins<br />
Kenntnis gehabt, so würde sie sich wohl an<strong>der</strong>s ausgedrückt haben. Auch<br />
<strong>der</strong> Umstand, daß die französische Unternehmung Ottos seinem Getreue»<br />
während seiner Abwesenheit freie Hand gab, macht es wahrscheinlich,<br />
daß Albrechts kecker Zug erst 1214 erfolgt ist.<br />
Dasjenige Ereignis, welches vom reichsgeschichtlichen Standpunkte<br />
aus das wichtigste dieses Jahres 1214 ist, das Edikt von Metz, durch<br />
welches, wie ich in <strong>der</strong> Vorübersicht schon sagte, die Slavenlande jenseits<br />
<strong>der</strong> Elbe und was König Kanut früher erobert hatte, gänzlich an<br />
Dänemark überlassen wurden, datiert dem Wortlaute nach vom Dezember.<br />
Wäre damals die Angelegenheit wirtlich erst beschlossen worden, dann<br />
müßte mau die Rückeroberung Stettins und <strong>der</strong> übrigen Gebiete durch<br />
Waldemar als vorher erfolgt, das Edikt selbst am Ende gar in<br />
gewissem Sinne als eine Folge des märkischen Vorgehens ansehen, wie<br />
es von einigen auch geschehen ist; aber die Sache dürfte gerade umgekehrt<br />
liegen; was in <strong>der</strong> Metzer Urkunde steht, war schon im Sommer, ja<br />
wahrscheinlich schon im Mai in Eger, von Friedrich mit seinem Fürsteu-<br />
treise vereinbart worden; <strong>der</strong> zweite Teil des Jahres verging mit<br />
Einholung von Zustimmungserklärungen noch an<strong>der</strong>er Fürsten; einstweilen<br />
erfolgte die Übergabe des Instruments also noch nicht. Daß aber<br />
Albrecht anf diese Weise von dem für ihn höchst bedeutungsvollen Plane<br />
Kunde erhalten hat, kann keinem Zweifel unterliegen. Das mußte also<br />
sein Handeln bestimmen; wurde die in <strong>der</strong> Urkunde ausgesprochene<br />
Absicht erst einmal voll und ganz zur Tat, lebte es sich auch im Volts-<br />
bewußtsein ein, daß die Slavenlande aufgehört hatten, ein Teil des<br />
') Riedel, ä, Nd. Vili. 130. Krabbo, Reg. 555.<br />
20"
Die staaiSrechtlichen Verhältnisse Pommerns<br />
Reiches zu sein, dann mochte es für ihre Rückgewinnung M split sein.<br />
Noch war es überdies vielleicht anch möglich, durch eine glückliche<br />
Unternehmung hier im Norden die in ihren Grundfesten erschütterte<br />
Stellung des Kaisers Otto aufs neue zu träftigcu. Und weuu es<br />
gelang, das, was jene Vereinbarung wollte, allem Volke sichtbar als<br />
Unrecht, als Unwahrheit darzustelleu, war es vielleicht auch noch zu<br />
hin<strong>der</strong>n, daß sie in feierlicher Weise nrkundlich ansgedrückt wurde. So<br />
schritt Albrecht zur Tat. ^)<br />
Im Sommer 1214 besetzte er Pasewalk, das dem Gebiete Kasimirs<br />
nahe lag, und Stettin; ob es dabei zu schärferen Kämpfen gekommen<br />
ist, wie sich die ^eute Vogislaws dazu gestellt habeu, wie lauge die<br />
Besetzung gedauert hat, was die Marter getau habeu, um ihre Stellung<br />
behaupten zu können, alles das entzieht sich uusercr Kenntnis völlig.'»<br />
Man hat nun allgemein beson<strong>der</strong>es Gewicht auf die Augabe <strong>der</strong><br />
einzigen und so dürftigen brandenburgischen Quelle gelegt^) daft Mark-<br />
graf Albrecht tapfere Kriege gegell die Slaveufürsten Kasimir und<br />
Bogislaw ausgefochten habe; wäre diese Notiz wirklich im Recht, dann<br />
ließe sich uusere Annahme eines Bündnisses des Markgrafen mit<br />
Nogislaw nicht aufrecht erhalten, da wir von Kriegen Albrechts gegell<br />
Pommern aus einer an<strong>der</strong>en Zeit seiner kurzen Regieruug nichts wissen,<br />
auch gar keine an<strong>der</strong>e Zeit nachweisbar o<strong>der</strong> denkbar ist, m die sie verlegt<br />
werden könnten; aber die Nachricht ist unwahrscheiulich, uud zwar ichou<br />
deshalb, weil von einem Vorgehen Albrechts gegen den einen <strong>der</strong> Herzöge,<br />
Kasimir, sich nirgends auch nur eiue Spur findet (da Pasewalk und<br />
Stettin im Bereiche Bogislaws liegen), wohl aber nachweisbar ist, daß<br />
Kasimir noch vor Beendigung des Krieges märkischen Untertanen<br />
Freundlichkeiten erwiesen hat, was kanm hätte geschehen können, wenn<br />
ihm die Märkern im Jahre 1214 und 1215 feiudlich gegenüber gestanden<br />
hätten/) Der Verfasser <strong>der</strong> Chronik, <strong>der</strong> zeitlich und räumlich den<br />
Dingen nicht eben nahe stand, konnte den richtigen Hergang und<br />
') Böhmer-Ficker, i-ox. imp. S. 187 und 194 zeigt aus <strong>der</strong> Urkunde<br />
selbst, beson<strong>der</strong>s aus den Zeugen, das; sie nicht erst im Dezember verhandelt ist;<br />
ihm ist auch Z! ckermann, S 26, gefolgt, auch Rudlo f f, S. 108 Vergl.<br />
auch v. Sommerfeld, S. 103 und Wehrmann, S. 94.<br />
') Die belden fast gleichlautenden dänischen Quellen. Ann. K?6N868, kl. 6.<br />
8». XVI, 406 und Ann. liauornm, 8». r. Dan. ll, 172 sind als ein und dieselbe<br />
Quelle zu betrachten; sie erwähnen nur die W i e d e r besetzung <strong>der</strong> beiden Festen<br />
durch die Dänen. Ann. VValäsm. öl. 6. 8». XXIX, 180 fügen nur noch hinzu:<br />
gaas marcliio oeeupavftikt.<br />
3) Nil ou. pl-mo. 8ax. U. 5. IX, 22 und U. tt. 8«. XXV, 478 bezw. die<br />
Okron. inai-ek. Lr. eä. Sello. Forsch, br. pr. G. Nd. I, 12l.<br />
l) P. U.-B Vd. l, 165. 166, l67. vom Juni 1215.
in den Jahren U60 bls !214. 301<br />
Zusammenhang wohl kaum durchschauen, für ihn mußte notwendig ein<br />
Feldzug nach Pommern auch ein solcher gegen Pommern sein. Aber<br />
seine Allsicht ist doch die allgemeine geworden.^<br />
Zwei kleine Notizen pommerscher Urkunden haben dazu beigetragen,<br />
den Glauben an einen Krieg Albrechts auch gegen Pommern noch zu<br />
verstärken: Im Jahre 1L!9 wird in einer Urkunde Vogislaws II.<br />
eines seiner Kriegsleute gedacht, <strong>der</strong> au <strong>der</strong> O<strong>der</strong> im herzoglichen Dienste<br />
getötet worden war.*) Wann <strong>der</strong> Mann getötet ist, ob es in einem<br />
Kriege geschehen ist, o<strong>der</strong> ob er etwa vou Näubcrn erschlagen ist, steht<br />
nicht da; aber auch in dem Falle, daß er wirklich im Kampfe umgekommen,<br />
kann er ebensogut gegen wie für Dänemark gefochten haben.<br />
Der zweite Hinweis wird in einer Urkunde vom Jahre 1323 gefunden'/)<br />
Herzog Barnim I. gibt damals dem Kloster Kolbah ein Dorf zurück,<br />
das dieses seinem Vater, Bogislaw II., überlassen hatte zu <strong>der</strong> Zeit, als<br />
Stettill von den Deutschen invs.83. ed z)083e«8H luit. Weshalb sich<br />
Bogijlaw seiner Zeit das Dorf hatte abtreten lassen, ist nicht gesagt; die<br />
Annahme, er habe es getan, um, von den Deutschell aus Stettin vertriebe»,<br />
dort seinen Wohnsitz aufzuschlagen (Usiuger), darf man, ohne<br />
Beweis wie sie ist, nicht gelten lassen. In so dürftiger 5!age wird <strong>der</strong><br />
Herzog auch wohl nicht gewesen sein, daß er das nötig gehabt hätte;<br />
ebensogut könnte man die Vermutung aufstellen, daß es hier in den<br />
Kolbatzer Dörfern schon viele deutsche Bauern gegeben hat, und daß er<br />
sich eiu Dorf in ihrer Mltte zum Wohusihe ausgesucht hat. Jedenfalls<br />
gibt die Urkunde keiuen Beweis dafür, daß die Deutschen, die Stettin<br />
besetzt hatten, die Feinde Bogislaws geweien seien, um so weniger, als<br />
ja die Ausstellung <strong>der</strong> Urkunde in Gegenwart dänischer Kömgsboten<br />
erfolgt ist. Jener Hinweis auf die deutsche Invasion stellt wahrscheinlich<br />
eine reine Zeitangabe dar; wenn aber doch irgend em ursächlicher<br />
Zusammenhang zwischen beiden Tatsachen besteht, so war es jedenfalls<br />
nicht <strong>der</strong>, den Usiuger annimmt; die Deutschen können den Herzog ja<br />
auch um so weniger aus Stettin verscheucht haben, als diesem Stettin<br />
damals wohl garuicht gehört hat. Ich habe schon mehrfach auf diese<br />
meine Ansicht hingewiesen; hier sei noch folgendes dafür beigebracht:<br />
Während Herzog Kasimir, <strong>der</strong> sich iu <strong>der</strong> letzten <strong>der</strong> von ihm<br />
allein ausgestellten sechs Urkunden auch äux vimi,»?llg,'8 nennt, seine<br />
Urkunden in <strong>der</strong> Hälfte <strong>der</strong> Fälle in Demmin selbst ausstellt, die an<strong>der</strong>e<br />
'j Vergl.v. Sommerfeld, S. 108. Wehrmann, Bd. I, 94. Krabvo,<br />
Forsch br. pr. G. Bd. XXIV, 42. Dagegen Reiche. Bausteine, S. 11.<br />
') P U.'B. Bd. 1,14 l in nostro seiuitw mtki-koti. Doch siehe Bart hold<br />
Bd. II, 337, welchem Klempm und an<strong>der</strong>e folgen.<br />
') P. U.-B. Bd. 1, Nr. 213.
302 Die staatsrechtlichen Verhältnisse Pommerns<br />
Hälfte, nach Inhalt und Zeugen zu schließen, doch nahe dabei, hat<br />
Bogislaw sich niemals als Herzog von Stettin bezeichnet, er hat ferner<br />
von den sechs von ihm herrührenden Diplomen vier datierte nicht in<br />
Stettm, son<strong>der</strong>n in Kamin, Eldeua, Usedom, eine an<strong>der</strong>e ohne Ortsangabe<br />
augenscheinlich in Gutzkow ausgestellt, nur bei <strong>der</strong> sechsten kaun<br />
man im Zweifel sein, ab sie aus Stettin o<strong>der</strong> aus Kamin flammt,<br />
letzteres will mich wahrscheinlicher bedüukeu. Sollte das, so muß man<br />
doch fragen, zufällig seiu, sollten alle in Stettin ausgefertigten Urkunden<br />
verloren, die au<strong>der</strong>cu erhalten sein? Aber die voll seiner Mutter<br />
Auastasia, jetzt eiuer Privatpersou, kurz nach ihres Sohnes Tode,<br />
Februar 1220, ausgefertigte Äewidmuug <strong>der</strong> Iakobikirche stammt offenbar<br />
aus Stettiu. — Der Schluß, daß Bogislaw überhaupt nicht in Stettin<br />
residiert hat, liegt meines Eracktens nicht fern. Ein Fürst <strong>der</strong> damaligen<br />
Zeit ist doch nicht mehr so ambulant, daß er in <strong>der</strong> wichtigsten Statte<br />
seines Landes niemals nachweisbar sein sollte, wenn sie ihm wirklich<br />
gehört hat! Daß in dieser Zeit mit ziemlicher Häufigkeit ein Knstellau<br />
von Stettin genannt wird, Nozwar,') ist für den Besitz des Burgplatzes<br />
nickt beweisend, <strong>der</strong> Bezirk o<strong>der</strong> Burgward von Stettin konnte<br />
seinen Namen beibehalten, auch wenn die Burg selbst einem fremden<br />
Herrscher unterstand. Es soll ja auch garnicht behauptet werden, daß<br />
alle pommerschen Amtleute aus dem Orte Stettin verwiesen worden<br />
sind, nur die Burg selbst war ihnen meines Erachtens verschlossen.")<br />
Und was hier von Bogislaws Zeit gesagt ist, das gilt auch voll<br />
<strong>der</strong>jenigen seines Sohnes Barnim. Seine erste in Stettin ausgestellte<br />
Urkunde stammt vom Jahre 1235. Ich habe schon oben, wo wir die<br />
Wolgaster Verhältnisse erörterten, gezeigt, daß man ihnen nachgehend<br />
auf den Gedanken kommen muß, erst 1235 habe König Waldemar endgültig<br />
auf seiue Stellung in Pommern verzichtet; auf das gleiche Ergebnis<br />
führt uns die Betrachtung <strong>der</strong> fernereu Zustände in Stettin.<br />
') Es sei auch darauf hingewiesen, daß dieser Rozwar im Jahre 1327, wo<br />
die dänische Macht entgüllig zusammenbrach, zum letzten Male genannt wird, daß<br />
schon 1226 <strong>der</strong> Enkel Wartislaws 11. und Sohn des Bantiolomeus, die sich von<br />
Stettin benannt hallen und dmch König Kanut daraus vertrieben worden niaren,<br />
wie<strong>der</strong> als Kastellan erscheint. Darf man das vielleicht als Anzeichen ähnlicher<br />
Vorgänge, wie nnr sie in Wolaast fanden, auffassen? War Rozwar vielleicht von<br />
den Dänen bestellt worden?<br />
2) Bemerkenswert erscheint noch, daß gerade aus dem Jahre <strong>der</strong> „Invasion"<br />
aus dem eigentlichen Sommer, <strong>der</strong> Zeit <strong>der</strong> Feldzüge, leine Urkunde von Vogislaw<br />
vorhanden ist, und daß die beiden in diesem Iahle von ihm ausgefertigten (vom<br />
29 September und 23. Oktober) aus Kamin datieren, ohne doch etwa das Bistum<br />
daselbst zu betreffen In jene Zeit, während <strong>der</strong> er, wie ich glauben möchte,<br />
ununterbrochen in Kamin residiert hat, muß doch, spätestens, die Rückeroberung<br />
Stettins durch die Dänen gesetzt werden.
in ben Jahren 1180 bi? 1214.<br />
Erst im 15. Jahre seiner Negierung ist Barnim I. in Stettin<br />
nachweisbar, etwa 10 Jahre, nachdem er die Regierung selbst über-<br />
nommen hat; von da ab ist er dann aber Jahr für Jahr in <strong>der</strong><br />
Stadt, o<strong>der</strong> vielmehr, er nimmt hier seinen Wohnsitz, schon 1237 über-<br />
trägt er das Gericht von den Wenden an die Dentjchen, nm nach<br />
lveiteren sechs Jahren den Ort zu einer deutschen Stadt zu machen.<br />
Aber schon vorher hat er sich und sein Land dem Deutschtum<br />
erschlossen, 1234 hat er die Stadt Bahn, 1235 Prenzlau mit deutschem<br />
Rechte bewidmet, d. h. nach meiner Ansicht, unmittelbar nachdem ihm<br />
das dänische Joch vom Nacken genommen ist, und Waldemar endgültig<br />
den Boden Pommerns geräumt hat.^) Da erst zieht Barnim auch in<br />
Stettin ein.<br />
Ist nun aber diese von mir aufgestellte Ansicht bezüglich <strong>der</strong> Besitz-<br />
Verhaltnisse Stettins richtig, dann dürfen wir mit Gewißheit annehmen,<br />
daß die Besetzung Stettius durch die Dänen seit <strong>der</strong> Zeit, da König Kanut<br />
die Burg von neuem aufbaute (1190), abgerechnet die Polenzeit, fort-<br />
bestanden hat; uild daraus folgt dann wie<strong>der</strong> mit ziemlicher Sicherheit,'<br />
daß Bogislaw 11. im Jahre 1214 nicht auf <strong>der</strong> Seite <strong>der</strong> Dänen<br />
gegen die Marker, son<strong>der</strong>n mit diesen gegen jene gefochten o<strong>der</strong> zum<br />
mindeste« mit ihnen in Einvernehmen gestanden hat (vergl. S. 194/95).<br />
Endlich sei nun noch einer Nachricht gedacht, die wir ebenfalls in<br />
<strong>der</strong> oben angeführten Stelle <strong>der</strong> brandenburgijchen Fürstenckronit finden,<br />
nämlich, daß Albrecht II. damals O<strong>der</strong>berg erbaut habe.*) Diese<br />
') Einige Bestimmungen des zwischen Wartislaw und den beiden Markgrafen<br />
1236 geschlossenen Verlages bedürfen <strong>der</strong> Aufklärung, ein Hin<strong>der</strong>nis gegen meine<br />
Aufiassung bilden sie nicht. O o ä. Nr. 241. Zickermann, S.43 Wehrmann,<br />
S. 100.<br />
') Datz dietz 1215 geschehen, wie eine Redaktion saat, o<strong>der</strong> oontra 8v!kvo8,<br />
das sind nach Sello, Forsch, br pr. G Bd. V, 239 spätere Zusätze. Er datiert<br />
zu 1214, indem er freilich für dieses Iabr einen Feldzug Albrechts gegen<br />
Pommnn annimmt. Was S. Pasjow. Die Okkupation und Kolonisation des<br />
Barnim, Forsch br. pr G. Bd. XIV, 143 zum Mten !eil auf Grund dieser<br />
Nachrichten uns vorlegt, habe ich schon Pomm. Monulsblä'lter 1902,<br />
S. 24 als meines Erachtens ganz unhaltbar bezeichnet; seit unserer besseren<br />
Untenicktung über den Feldzug des Jahres U98 ist es wohl endgüllia abgetan,<br />
was auch Kraubo in seiner Anzeige von Mcns Anwldausgabe zugesteht. Eine<br />
Klärung gerade für unseren Zweck drmgen seine Ideen nicht Daß dicht bei<br />
Odcrbera, in Barsdin, schon uor 12l4 ein Hospital gestanden hat, welkes nur van<br />
dem pommerschen Kloster Glamzow aus angelegt sein tomUe, darf man mit Abb.<br />
Chorin, Diss. Berlm 191 i annehmen; es würde dadurch zweierlei wahrscheinlich<br />
gemacht werden. 1. daß die Gegend damals zu Pommern gebort hat. 2 daß eine<br />
wichtige Handelsstraße, welche hier später tu <strong>der</strong> Richtung auf Zcbden nachweisbar<br />
ist, schon damals bestanden hat. Mit dieser Annahme begegnen wir auch den<br />
selbständigen Anschauungen von Reiche. Bausteine, S. 11, welcher die Besetzung<br />
<strong>der</strong> Gegend von O<strong>der</strong>berg durch Albrecht erfolgen läht auf Grund eines Abkommens
304 Die staatsrechtlichen Verhältnisse Pommerns<br />
Bemerkung setzt voraus, daß Albrecht vorher den südlichen Teil das<br />
Barnim in Besitz genommen hatte, ein Gebiet, das wahrscheinlich zu<br />
Pommern gerechnet worden ist. Ob er die Gegend gewaltsam erobert<br />
hat, ob er sie mit Zustimmung Vogislaws okkupiert hat, das entzieht<br />
sich unserer Kenntnis; ich möchte <strong>der</strong> Meinung Reiches, <strong>der</strong> das letztere<br />
annimmt, beipflichten.<br />
Wie man aber auch über die Entstehung O<strong>der</strong>bergs denken mag,<br />
so viel glaube ich doch gezeigt zu haben, daß sich Markgraf Albrecht im<br />
Jahre 1214 mit Herzog Bogislaw im Einverständnis befand. Ob für<br />
diesen neben den rem politischeu (Gründen seiner Haltung noch solche<br />
persönlicher Natur in Frage gekommen sind, ist schwer zu sagen; ich kaun<br />
mir aber sehr wohl vorstellen, daß in dem jungen Herzoge die slavischen<br />
Neigungen seines Hofes und <strong>der</strong> Einfluß seiner Mutter Anastasia,<br />
welche das Regiment so viele Jahre in <strong>der</strong> Hand gehabt hatte, eine<br />
nicht min<strong>der</strong> starke Reaktion hervorgerufen haben werden, als die<br />
dänische Knechtschaft.<br />
Mit den vorstehenden Ausführungen glaube ich auch meine Annahme<br />
einigermaßen begründet zu haben, daß in diesem Jahre von<br />
Bogislaw <strong>der</strong> Anspruch Albrechts auf die Lehnshoheit <strong>der</strong> Mark über<br />
Pommern für seinen Gebietsteil anerkannt worden ist; eine Annahme<br />
freilich wird das wohl bleiben müssen, beweisen läßt sich hier nichts.<br />
Der von Markgraf Albrecht erzielte Erfolg ist also zunächst sehr<br />
bedeutend. Doch da tritt die Schlacht bei Bouvines dazwischen. Sie<br />
muß auf uusere Verhältnisse katastrophisch gewirkt haben. Den Kaiser,<br />
<strong>der</strong> nun um seine Existenz zu kämpfen haben wird, braucht Waldemar<br />
nicht mehr zu scheuen, und Albrecht hat von ihm nichts mehr zu hoffen,<br />
ja, er muß befürchten, daß er in seinen Sturz mit hineingezogen wird.<br />
Noch vor Ablauf des Jahres hatte er Stettin und Pasewalk, die er<br />
uun persönlich zu entsetzen nicht vermochte, und wo gewiß die größere<br />
Masse <strong>der</strong> eingeborenen Kriegsleute gleichgültig den Ereignissen zusah,<br />
an Waldemar verloreu. Für die Pommern erneuerte sich <strong>der</strong> schmähliche<br />
Zustand des Jahres 1205, daß sich zwei fremde Machthaber um<br />
die Herrschaft über sie stritten, ohne daß sie selbst etwas dagegen zu tun<br />
vermochten; für Bogislaw aber mußte die Nie<strong>der</strong>lage geradezu bedrohlich<br />
mit Pommern; nur daß Albrecht die neue Burg auch nach seiner völligen Nie<strong>der</strong>»<br />
lage 121b behalten haben soll, kann ich ihm nicht zugeben. Vergl auch Breilenbach,<br />
Lebus unter den Piasten, S. 37. Mit <strong>der</strong> Frage nack Zeit und Umständen <strong>der</strong><br />
Emstebung von O<strong>der</strong>berg hängt auch die an<strong>der</strong>e nach <strong>der</strong> Zeit <strong>der</strong> ersten Okkupierung<br />
des Barnim durch die Brandenburger eng zusammen; sie ist noch immer ungeklärt,<br />
trotz <strong>der</strong> vielen Arbeit, welche darauf verwendet ist; die beiden Fragen weisen aber<br />
über den engen Rahmen, den ich mir sacklich gesteckt habe, hinaus.
in den Jahren 1l80 bis 1214 305)<br />
werden; für ihn war es ein kaum zu verwinden<strong>der</strong> Schlag, daß<br />
diejenigen, welchen er sich in die Arme geworfen hatte, gerade so<br />
schmählich versagten, wie im Jahre NA4/65, er mußte das Vertrauen<br />
seiner Umgebung, seiner Getreuen, seines Bolles verlieren, selbst wenn<br />
ihn „<strong>der</strong> Sieger" nicht völlig seiner Herrsc<strong>der</strong>fteNung beraubte; fortan<br />
war er nur noch ein Schleppenträger des nordischen Königs, gerade wie<br />
sein Bru<strong>der</strong> und <strong>der</strong> Fürst von Rügen. Vollends aussichtslos aber<br />
gestaltete sich fortan die ^age ^ Deutschtums im pommerschen Lande;<br />
alg zwei Jahrzehnte hmaus erfolgte so gut wie gar kein neuer Zuzug<br />
vom Mntterlaude her, und was bereits vou Deutschen ansäisig geworden<br />
war, vegetierte unter dem doppelten Drucke dänischer Herrschaft und<br />
slavischen Neides kümmerlich weiter.^)<br />
Und auch die Hoffnung auf eine Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Verhältnisse in den<br />
nächsten Jahren wnrde durch den weiteren Verlauf des Krieges zu nichte<br />
gemacht; denn auch im offenen Felde vermochte Albrecht <strong>der</strong> überlegenen<br />
Macht des Königs nicht stand zu halten; Waldemar ist in das braudenburgische<br />
Gebiet eingedrungen und hat dort eine uns unbekannte, aber<br />
doch wohl namhafte Feste eingenommen, womit doch auch die Eroberung<br />
dls durch sie geschützten Gebietes verbunden war. ^) Die Einnahme<br />
einer sicherlich in Mecklenburg gelegeneu zweiten Burg, Primberge, durch<br />
den Markgrafen, wie an<strong>der</strong>e ihm zugeschriebene Erfolge ebeudort müssen<br />
starken Zweifeln begegnend)<br />
l) Verssl. das Kapitel 8 bei v. Sommerfeld, Germ. S. 117, wo<br />
abgesehen von dem Auftreten eines Münzmm'ters, <strong>der</strong> auck sehr wohl cm Däne<br />
gewesen sein könnte, nichts beigebracht wnd, was von einev Mehrung dee Deutschtunis<br />
zeugen könnte.<br />
') Mucow nennt sie die beste zeitgenössische Quelle, die Ann. >Va!ä. öl. O.<br />
88. 176. Ruolo ss hat den Ort in Mecklenburg gesucht, hinler Muchom bei<br />
Parchim, uud unmöglich wäre das nickt, da ja uach unserer Annahme jene Gegend<br />
südlich <strong>der</strong> Elde seit 11V7 zn <strong>der</strong> Mark gehörte, und die weiteren Kämpfe, vou<br />
deneu uns erzählt wird, häuptsächlich in jener Gegend unterhalb <strong>der</strong> Eldemünduug<br />
ausgefochten wurden. Ob freilich die Namensform Muchow mit Mucow lautlich<br />
hinlänglich zusammenzubringen ist, scheint mir fraglich, doch ist vielleicht Mukow<br />
zu sprechen. Passow a. a. O. S. 37 (<strong>der</strong> übrigens die einzelnen Quellenangaben<br />
so vollständig verzeichnet, dah ich auf sie verweisen kann) sucht den Ort, seiner<br />
Theorie gemäß, im Barnim. Ich habe au Mutz (Groß Mutz, in <strong>der</strong> Nähe von<br />
Zehdeuick und Löwenberg gedacht, dessen Name (möu heißt Kraft, Stärke) auf<br />
eine Feste deuten tonnte, und das an einer wichtigen Durchgaugsstelle liegt, aber<br />
von irgend welchen 'slühhistorilchen Befestigungsanlagen ist doU, wie mir Herr<br />
Pastor Much in Lö'wenberg freundlichst mitgeteilt hat, nichts zu finden.<br />
') Die Ann. 3dllä. öl. 6. 8s. XVl, 85b sagen: kex DiMol-um ^Votmnnäs<br />
od«eäit et oepit er marcino ?l imkere. Primberge in sehr wahrscheinlich<br />
sRudloff, S 107 und Anm. 18 S. !73) an <strong>der</strong> Elbe bei Pölz in <strong>der</strong> Graf'<br />
sckaft Dannenberg zu suchen. Wotmund lag gar nicht wen nord-westlich davon
306 Die staatsrechtlichen Verhältnisse Pommerns<br />
Wenn sich somit eine klare Vorstellung über den weiteren Verlauf<br />
<strong>der</strong> Kämpfe dieses Jahres nicht gewinnen läßt, so steht doch eine Tatsache<br />
fest, nämlich daß <strong>der</strong> Graf von Schwerin, <strong>der</strong> Verbündete des Markgrafen,<br />
<strong>der</strong> einzige Herr innerhalb des slavenlandes und Nordalbinqiens, <strong>der</strong><br />
sich bisher unabhängig zn halten vermocht hatte, sich eben jetzt zur<br />
Anerkennung des dänischen Königs als seines Oberlctmsherrn gezwungen<br />
sah. Daraus ergibt sich aber mit Sicherheit, daß auch <strong>der</strong> Markgraf<br />
leistungsnufähig gemacht worden ist. Und daran haben auch die Kämpfe<br />
des nächsten Jahres, in denen er uns au <strong>der</strong> Seite des Kaisers nach<br />
einmal in Nordalbingien begegnet, erfolglos, verlustreich wie sie waren,<br />
nichts geän<strong>der</strong>t.<br />
So kann man denn aber auch nicht umhin, an größere kandverluste<br />
Brandenburgs als Folge dieser verunglückten Unternehmung einerseits<br />
und <strong>der</strong> Vorgänge im Reiche an<strong>der</strong>erseits zu glauben. Welchen Umfang<br />
sie gewonnen haben, wird man nicht nachweisen können; meine Vermutung<br />
erstreckt sich auf 1. Zirzipanien und seine Umgebung, 3. Stargard, Wustrow,<br />
Veseritz, aber 3. auch auf die im Barnim vor kurzem besetzten Gebiete.<br />
Noch im Jahre 1215 übereignet Herzog Kasimir ein Dorf Wargutin,<br />
das in Zirzipauieu liegt, dem Kloster Arendsee in <strong>der</strong> Mark, das einst<br />
Albrechts Vater beson<strong>der</strong>s begünstigt hatte, einer seiner Edlen verzichtet<br />
auf seine Anrechte, ein Priester aus Jericho (Altmart) ist dabei zugegen;<br />
im nächsten Jahre verfügt Kasimir zugunsten von Darguu ebenfaNs<br />
über Güter in Zirzipanieu und <strong>der</strong> Kannner Bischof geriert sich daselbst<br />
als Landesbischof. Alles das im ^aufe von gut einem Jahre, nachdem<br />
innerhalb <strong>der</strong> letzten 15 Jahre keine Spur irgend eiuer Negierungs-<br />
nahe <strong>der</strong> Elbe; an sich würde beides sehr wohl in den Zusammenhang passen,<br />
denn die Grafschaft Dannenberg war schon früher viel umstritten gewesen (s. oden<br />
S. 276-77) und die Schweriner Grasen, des Markgrafen einz'ge Helfer, sind<br />
hier <strong>der</strong> Mark unmittelbar benachbart. Mir will aber nicht reckt in den Sinn,<br />
daß hier von zwei einan<strong>der</strong> so nahe liegenden festen Plätzen <strong>der</strong> eine von dem<br />
kmen Gegner, <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e von dem an<strong>der</strong>en erobert worden sein soll; ich halte es<br />
für nickt unwahrscheinlich, daß beide Festen von <strong>der</strong> väniscken Partei genommen<br />
worden sind, nnd zwar Primberge nicht von mai'ouio LiberiU3, son<strong>der</strong>n von<br />
dem com 68 ^idenuL. nämlich den Grafen von Orlamünde und Holstein, <strong>der</strong><br />
gleich nachher von <strong>der</strong>selben Quclle erwähnt wird; des Markgrafen geschieht<br />
hernach auch (noch einmal) in bestimmter Form Erwähnung, aber ohne Namens?<br />
Nennung, nur als marcino. Übrigens gibt es auch I'rjmLr (Wald und Burg)<br />
nahe bei Gmtrow, einer Gegend, die sehr wohl auch in ^nige lommen kann.<br />
Kradbo, Bd. XX!V, 36b erwähnt noch, daß die Orte Röbel und Malchow,<br />
beide in südlicher Richtung von Güstrow gelegen, bei Ernst von Kirchberg<br />
(W e st u ha len. mon. ineä. Bd. IV, 825) als emst von den Markgrafen zerslön<br />
bezeichnet werden und hält es für nicht nnwahrscheinllch. daß dies 1214 geschehen ist;<br />
indessen geschient diese Ermahnung in einem solchen Zusammenhange (bei ihrem<br />
Aufbau durch Nicloi II, ^ 127?) dah Krabbos Schlußfolgerung doch gewagt erscheint.
in den Jahren 1130 bis 1214 307<br />
tätigfeit staatlicher o<strong>der</strong> kirchlicher Art hier im Lande bestanden hat.<br />
Kein Zweifel, Kasimir hat das ^and eben erst erhalten; und <strong>der</strong> es<br />
verloren hat. kann nur <strong>der</strong> Markgraf gewesen sein; Waldemar hat es<br />
ihm abgenommen und demjenigen gegeben, <strong>der</strong> es einst (vor 1180),<br />
wenn auch nur kurze Zeit, besessen hatte. Und Kasimir hat es, ebenso<br />
wie die an<strong>der</strong>en von <strong>der</strong> Marl verlorenen Gebiete Stargard, Wnstrow,<br />
Neseritz, angenommen, und, da es einst pommerscher Boden gewesen war,<br />
anch mit gutem Rechte; er mochte es doch aber auch nicht mit Albrecht<br />
ver<strong>der</strong>ben, gegen den zwar seine Mannschaften, von dem dänischen Oberherrn<br />
beor<strong>der</strong>t, vielleicht noch (Sommer 1215!) im Felde stehen, dem er aber,<br />
samt seinem Bru<strong>der</strong>, innerlich keineswegs Feind ist-/) das ist es, was<br />
er durch die Schenkung an Arendsee zeigen will. — Bezüglich <strong>der</strong> drei<br />
an<strong>der</strong>en Ländchen liegt <strong>der</strong> einzige Hinweis in <strong>der</strong> Tatsache, das; sie<br />
1236 von Kasimirs Sohn an die Markgrafen abgetreten werden<br />
müssen, obwohl damals we<strong>der</strong> ein Krieg noch eine an<strong>der</strong>e Veranlassung<br />
für solch einen Schritt vorgelegen hat. Daß auch die eroberten Teile<br />
des Barnim zurückgegeben worden sind, samt O<strong>der</strong>berg, halte ich für<br />
selbstverständlich.^) Müritz und Parchim bekam Heinrich Nurgwy zurück.<br />
Damit stehen wir am Ende unserer Erörterung. Was wir dabei<br />
als wahrscheinliches Ergebnis gewonnen haben, sei hier noch einmal<br />
in Kürze zusammengefaßt.<br />
Bei Beginn unseres Zeitabschnittes befindet sich ganz Pommern in<br />
Abhängigkeit vom Auslande. Das ^and nördlich <strong>der</strong> Peene (vielleicht<br />
auch noch nach Süden übergreifend) untersteht dem Sachsenherzoge<br />
(Heinrich dem Löwen), südlich <strong>der</strong> Peene bis zur O<strong>der</strong> wird das ^and<br />
noch immer als ein Teil <strong>der</strong> alten Nordmart, jetzt Brandenburg,<br />
betrachtet; östlich <strong>der</strong> O<strong>der</strong> macht sich gerade jetzt <strong>der</strong> polnische Einfluß<br />
durch alte Oberherrlichkeitsansprüche von neuem geltend, die O<strong>der</strong>-<br />
mündung endlich ist in Händen <strong>der</strong> Dänen, welche Stettin einem<br />
Fürsten des Greifenhauses als ihrem Tributar übergeben haben.<br />
Der Sturz Heinrichs des Löwen 11^0/81 än<strong>der</strong>t an dieser Sach-<br />
lage nur insofern etwas, als er den unmittelbaren Emfluß des Sachsen-<br />
Herzogs auf das Land vermin<strong>der</strong>t, denjenigen Brandenburgs zugleich mit<br />
') Die Urkunden s. P U.-B. Bd. I, 125 ff Dazu vergl. Reiche, Bau«<br />
steine, S. 12. Rudlo fj. S. 171 ?lnm. 41. Was Wie < ener, Christ!. Knche<br />
i. P. S. b52 gegen Meckl. U.-B. S 332 vorbringt, berührt unsere Frage nicht.<br />
') Gegen Reich e, S. 11, welcher ihre Behauptung als zweifellos annimmt<br />
und weiter <strong>der</strong> Ansicht ist, dan <strong>der</strong> Krieg für Markgraf Albrecht dock verhältnismäßig<br />
günstig geendet hat.
Die staatsrechtlichen Verhältnisse Pommerns<br />
Gebietsabtretungen an Pommerns Grenze verstärkt und Herzog Bogiflaw,<br />
den nunmehrigen Beherrscher des ganzen Pommern-Slavien, in nähere<br />
Berührung mit dem Reiche bringt, ohne daß er doch ein Reichsfürst, im<br />
eigentlichen Sinne, o<strong>der</strong> das Land als solches dadurch ein Teil des<br />
Reiches geworden wäre.<br />
Aber schon 1185 tritt eine neue Umwälzung ein, das O<strong>der</strong>land<br />
und ganz Vorpommern kommen unter dänische O<strong>der</strong>hoheit, unter Ausschaltung<br />
jedweden Einflusses und aller altcu Rechte von deutscher Seite.<br />
Ein erster Versuch, sich dieser ^age zu eutzieheu, führt IIN9 zu eiuer<br />
Beseitigung des pommerschen Vormundes, seiue Ersetzuug durch den eifrigen<br />
Dänenfreund Iarimar von Rügen und zur Besetzung <strong>der</strong> neuerbameu<br />
Burg Stettin dnrch dänisch-rüglsche Kriegsleute (1190). Eine erste<br />
Erschütterung erfährt die Vormachlstelluug Dänemarks iufolge eiues<br />
siegreichen Kampfes des Markgrafen Otto gegen den König und seiue<br />
Klienten in Vorpommern, Mecklenburg und Rügen, <strong>der</strong> Pommern als<br />
Staatsgebilde zunächst nicht angeht, aber doch zu eiuer Neubegründuug<br />
und vielleicht auch Auerkennnug <strong>der</strong> alten märklscheu Ansprüche geführt<br />
haben wird, abgesehen voll <strong>der</strong> (sehr wahrscheinlichen) Abtretung eines<br />
beträchtlichen (vorpommerscheu) ^andesteiles (1198/99). Zugleich aber<br />
kommt östlich <strong>der</strong> O<strong>der</strong> die polnische Macht wie<strong>der</strong> start in die Höhe,<br />
sie bedroht die Stellung Dänemarks sogar in Stettin; ein dänischer<br />
Versuch, sie neu zu festigen, eudet 1W5 mit einer Nie<strong>der</strong>lage. Infolgedessen<br />
wird uuu aber die polnische O<strong>der</strong>herrschaft im Lande sehr drückend,<br />
in Staat uud Kirche, so daß sich <strong>der</strong> Bischof von Kamin in den Schutz<br />
Magdeburgs begicbt; <strong>der</strong> junge Herzog Bogislaw II., durch seine Familienverhältnisse<br />
gebunden, verbleibt trotz beginnen<strong>der</strong> deutscher Nelgung unter<br />
<strong>der</strong> Zwingherrschaft des poluischeu Oheims, <strong>der</strong> ihn obeuein ausgedehnter<br />
Gebietsstücke besou<strong>der</strong>s östlich <strong>der</strong> O<strong>der</strong> (Neumark) beraubt, bald aber<br />
in seinem eigenen Lande den größereu Teil seiues Ansehens und seiuer<br />
Macht verliert, so daß um 1210 auch die Sohlte Bogislaws I. sich seiuer<br />
Tributpflicht eutzogeu haben dürften. Ihr Versuch, im Jahre 12!!<br />
auch das an Rügeu verlorene ^alid zurückzugewinnen, mißglückt uud<br />
führt zu einer völlige« Wie<strong>der</strong>helstelluug <strong>der</strong> danischeu Oberherrschaft-,<br />
zugleich erfolgt dauu die Teilung des ^audes unter die beiden Brü<strong>der</strong>.<br />
Eiue kluge Heiratspolitik, sowie die Neubesetzuug Stettins uud nun auch<br />
des Bezirks Wolgast gebeu <strong>der</strong> Stelluug Dänemarks im ttande eine<br />
starke Grundlage. Der Rechtsauspruch Sachsens und Brandenburgs<br />
und damit des Reiches, jedoch auch Poleus ist völlig bei Seite geschoben.<br />
Aber dagegen geht Brandenburg im Buude mit <strong>der</strong> kaiserlichwelfiscken,<br />
allerdings ichon erschütterten, Macht vor; es erhebt seine,<br />
jetzt wohl ausgedehnteren Ansprüche von neuem und erreicht ihre
in den Jahren lilM bis 1214 W9<br />
Anerkennung sowohl von leiten des Reiches wie auch des Herzogs<br />
Vogislaw II. (1213/14). Daß <strong>der</strong> im Reiche nnn aufkommende Gegentöuig<br />
die (später anch ausgeführte) Absicht bekundet, das Wendenland,<br />
soweit es eillst von Dänemart beietzt worden war, diesem ^aude dauernd<br />
allch 6e iur^ zu unterwerfen, unter Voslösuug von je<strong>der</strong> Beziehung znm<br />
bleiche, führt zn einer Invasion des Äi^artgrafen Albrecht in Pommern<br />
im Einverständnis mit dem älteren Herzoge (1214). Anfangs von<br />
großem Erfolge, endet dieses Unternehmen, zumeist iufolge <strong>der</strong> nachteiligen<br />
Borgänge im Reiche, mit einer völligen Nie<strong>der</strong>lage des Markgrafen und<br />
dem Verluste fast aller Ilttl, ll;»7, 1214 eroberten pommersckeu<br />
Landschaften. Die Herrschaft Dänemarks von <strong>der</strong> Ei<strong>der</strong> bis nach <strong>der</strong><br />
Veba und noch darüber hinaus ist damit fest und, wie es schien,<br />
uner'chntterlich sicher gestellt.<br />
Wie sie dann später zu Fall kam, wie sich Pommern nach <strong>der</strong><br />
Schlacht bei Vornhöved ihr entzog (122tt) und nach einem kurzen<br />
Neuanlauf des rastlosen Heldcnkönigs von ihm im Jahre 1235 endgültig<br />
aufgegeben wurde ibis auf Rüge«), das ist im Vaufe <strong>der</strong> Darstellung<br />
gelegentlich geschil<strong>der</strong>t, bezw. in dieser Form als wahrscheinlich bezeichnet<br />
worden; daß dieser Verzicht Dänemarks keineswegs ein Zeitalter völliger<br />
Unabhängigkeit für Pommein mit sich brachte, daß das ^and vielmehr<br />
die dämsche Botmäßigkeit m
<strong>der</strong><br />
Gesellschaft für pommersche Geschickte und Altertumskunde<br />
l. April 1912 — 38. April 1913.<br />
(Vorgetragen in <strong>der</strong> Hauptversammlung am 3i>. Mai 1913.)<br />
Der Bericht erstreckt sich diesmal über 13 Monate; dies schien<br />
geboten, weil gerade in den April 1913 wichtige Entjcheidungen fielen,<br />
über die erst nach Ablauf eines Jahres zu berichten um so weniger<br />
angebracht wäre, als die Anfänge bis in den Februar und März<br />
zurückreichen.<br />
Am 24. März nämlich ging bei dem Vorstände ein von 20 ordentlichen<br />
Mitglie<strong>der</strong>n unterzeichneter, vom 17. Februar datierter Antrag<br />
ein auf Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> §85, 13 und 16 <strong>der</strong> in den Hauptversammlungen<br />
<strong>der</strong> Jahre 1910 und 19l1 in <strong>der</strong> Schlußabstimmung einstimmig<br />
beschlossenen und unter dem 37. Juni 1911 obrigkeitlich bestätigten<br />
Satzungen. Ein solcher Antrag muß nach tz 30 <strong>der</strong> Satzungen von<br />
dem Vorstande begutachtet werden und ist dann einer Hauptversammlung<br />
zur Beschlußfassung vorzulegen. Der Vorstand war <strong>der</strong> Ansicht, daß<br />
sein Gutachten ablehnend sein müsse, hielt es aber für geboten, bei <strong>der</strong><br />
Wichtigkeit <strong>der</strong> Jache gemäß § 14 auch den Beirat zuzuziehen. Die<br />
am 2. April abgehaltene gemeinschaftliche Sitzuug bei<strong>der</strong> Körperschaften<br />
beschloß, die Unterzeichner des Antrages zu einer Besprechung einzuladen<br />
in <strong>der</strong> Hoffnung, durch eine Aufklärung über die tatsächlichen Verhältnisse<br />
und durch eine Aussprache die Antragsteller zu einer an<strong>der</strong>en<br />
Auffassung bewegen zu können. Von den 20 Unterzeichnern folgten nur<br />
acht <strong>der</strong> Einladung. Nach eingehen<strong>der</strong> Verhandlung erklärten sie, sich<br />
ihre Entscheidung vorbehalten zu müssen.<br />
Vorstand und Beirat hatten gemeint, es fei das beste, die Sache<br />
durch möglichstes Entgegenkommen zu erledigen und erboten sich, in bezug
A l 2 ssimfundsiebziaster Jahresbericht<br />
auf die 88 lZ nnd Iss <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung, soweit es sich ohne Än<strong>der</strong>ung<br />
<strong>der</strong> Satzungen machen läßt, in <strong>der</strong> Geschäftsführung zu entsprechen,<br />
einer Herabsetzung des Jahresbeitrages aber tonnten sie, nachdem endlich<br />
die für den Einzelnen doch nicht erhebliche Erhöhuug erreicht war, mit<br />
Rücksicht auf viele uuabweisbar notwendige, aber aus Mangel an ausreichenden<br />
Mitteln seit langer Zeit oft zu großem Schaden nicht erledigte<br />
o<strong>der</strong> zurückgestellte Aufgabeu, zumal bei den m dem letzten Jahrzehnt<br />
um reichlich 5>0"/^ gesteigerten Kosten <strong>der</strong> Publikationen, sich unter<br />
leinen Umständen verstehen. Denu es galt nicht unr das mehrjährige<br />
Defizit zu beseitigen, son<strong>der</strong>n auch den seit Jahren völlig aufgebrauchten<br />
Reservefonds für größere Anschaffungen wie<strong>der</strong> zn schaffen und die<br />
klaffenden Lücken in dem wissenschaftlichen Apparate, beson<strong>der</strong>s anf dem<br />
Gebiete <strong>der</strong> Vorgeschichte auszufüllen, endlich, was sehr erhebliche Kosten<br />
verur'acht, das bisher so schmerzlich vermißte Register zu den Baltischen<br />
Studien zu drucken und weiterzuführen. Für die Sammluug pommerschcr<br />
Münzen tonnte seit Jahren überhaupt uichts mehr aufgewendet werden.<br />
Die durch die Übernahme des Konservators auf dcu Etat <strong>der</strong> Stadt<br />
Stettiu erreichte Ersparuis reichte bei weitem nicht aus, die Mittel für<br />
diese Aufgaben bereitzustellen.<br />
Die von den Antragstellern in <strong>der</strong> Begründung ihres Antrages auf<br />
Herabsehuug des Beitrages ausgesprochene Befürchtung, daß die Erhöhung<br />
eine unheilvolle Wirkung auf die Mitglie<strong>der</strong>zahl ausüben werde, hat sich,<br />
wie <strong>der</strong> Erfolg zeigt, nicht erfüllt, denn diese Zahl ist seitdem keineswegs<br />
zurückgegaugeu, hat sich vielmehr trotz uugewöhnlich zahlreicher<br />
Todesfälle noch erhöht uud die Werbung neuer Mitglie<strong>der</strong> hat keineswegs<br />
größere Schwierigkeiten gemacht als in früheren Iahreu. Das<br />
Album <strong>der</strong> Gesellschaft weist 1911 an neuen Eintraguugen 48, 1912<br />
<strong>der</strong>en 50, und in 1913 bis 30. Mai bereits 34 auf/)<br />
Die Antragsteller hielten jedoch auch nach <strong>der</strong> erwähnten Besprechung<br />
an ihren Anschauungen fest. In einem Schreiben vom 1.1. Apnl<br />
zogen sie zwar den ersten Punkt ihres Antrages auf zwei Jahre zurück,<br />
tuüpfteu aber dieses Zugestäudnis an Bedingungen, die den ausdrücklichen<br />
Bestimmungen <strong>der</strong> HZ 12 und 14 <strong>der</strong> Sahungen zuwi<strong>der</strong>laufen.<br />
Somit mußte <strong>der</strong> Autrag einer auf den 21. April einberufenen Außerordentlichen<br />
Hauptversammlung zur Beschlußfassung vorgelegt werden.<br />
Nach eiugehc.l0.'r, zum Teil erregter Verhandlung, lehnte die von<br />
90 Mitglie<strong>der</strong>n besuchte Versammlung den Antrag ab; er erhielt statt<br />
<strong>der</strong> nach § 30 erfor<strong>der</strong>lichen Zweidrittelmajorität nur 32 Stimmen;<br />
bei <strong>der</strong> von den Antragstellern gefor<strong>der</strong>ten Gegenprobe stimmten 68 dagegen.<br />
') Seitdem bis Ende 1913 noch weitere 23.
Fünfundsiebzissster Iakresberickt. ^13<br />
Im übrigen hat sich die Gesellschaft ihren Aufgaben ohne Störung<br />
widmen könuen. In <strong>der</strong> Hauptversammlung vom 13. Mai 1913 wurde <strong>der</strong><br />
in den Baltischen Studien inzwischen abgedruckte 74. Jahresbericht<br />
erstattet; auch er konnte feststellen, daß die von manchen an die Erhöhnng<br />
des Jahresbeitrages geknüpfte Befürchtung eines erheblichen Rückganges<br />
<strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>zahl durch Austrittserklärungeu sich als unbegründet<br />
erwiesen hatte.<br />
bei<strong>der</strong> aber haben wir diesmal die nngewöhnlich große Anzahl von<br />
19 Mitglie<strong>der</strong>n durch deu Tod verloren. Es starben von den Lebenslänglichen<br />
Mitglie<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Kaufmann August Ahrens in Stettin, von<br />
den Korrespondierenden <strong>der</strong> Archivdirektor Geheime Archivrat Dr. Winter<br />
in Magdeburg, um Pommerns Geschichte wohlverdient und bekannt<br />
durch seine Bearbeitung des IV. Bandes des Pommerschen Urkundenbuches,<br />
vou den Ordentlichen in Stettin die Kaufleute Emil Richter,<br />
Scherpe und Zepperuick, <strong>der</strong> Stadtrat Behm, Professor<br />
Dr. Hanow, Amtsgerichtsrat Milentz, Pastor v. tksol. Müller,<br />
von Auswärtigen Regierungspräsident a. D. Wirklicher Geheimer Oberregierungsrat<br />
von Sommerfeld in Alankenbnrg, Pastor Redlin<br />
ill Slargard, Professor Vetge in Nenstcttin, ^andgerichtsrat<br />
Hempten macher in Stolp, Rittergutsbesitzer von St o jen tin in<br />
Schoriu, Buchdruckcreibcsilzer Wal dow in Schivelbeiu, Oberlehrer<br />
Sonn en burg in Drambnrg, Rittergutsbesitzer Kolbe in Blesewitz<br />
uud <strong>der</strong> Geueral <strong>der</strong> Infanterie voll ^ettow-Vorbeck in Gr. Neetz.<br />
Ehre sei ihrem Andenken!<br />
Als langjährige Pfleger haben sich von diesen beson<strong>der</strong>e Verdienste<br />
um unsere Gesellschaft erworben die Herren Betge und Hanow, als<br />
eifrige Forscher in <strong>der</strong> Geschichte <strong>der</strong> Stargar<strong>der</strong> Kirchen Nedlin, fast<br />
ein halbes Jahrhun<strong>der</strong>t haben <strong>der</strong> Gesellschaft als treue Freunde angehört<br />
Kolbe und von Lettow-Borbeck. Dank sei ihnen dafür auch an dieser<br />
Stelle ausgesprochen!<br />
Ausgeschieden siud außerdem 27, so daß die Gesellschaft im<br />
gauzen 46 Mitglie<strong>der</strong> verloren hat. Dagegeu sind beigetreten 60,<br />
nämlich aus Stettin Sanitätsrat Dr. Gaye, Stadtschulrat Dr. Hahne.<br />
Pastor Brüsch, Konservator Stu beur auch, Oberlehrer Schlorff<br />
und Dr. Kreusch, Kaufmann Lu<strong>der</strong>s, Oberlandesgerichtsrat<br />
1>r. Doehl, l)l'. mocl. Borck, Baukdirektor Lilly, Rechtsanwalt<br />
Dr. von Hillebrand, Direktor Heyer, Direktor Har land,<br />
Kaufmann und Ree<strong>der</strong> Ippen, Direktor des Königlichen Staatsarchivs<br />
Archivrat Di-. Hoogeweg, Photograph von Tee lig, Pastor l). td^ol.<br />
Müller, Pastor l^io. tkeol. Jüngst, Kaufmann Paul Schlegel,<br />
Pastor Meister, Taubstummenlehrer Kohl mann, Pastor<br />
Valtlscht Studien N. F. XVll. 2
314 Fimfundsiebzigster Jahresbericht<br />
Wendt, Dr. mscl. Scheid e mann, Proknrift Ero ne, Kaufleute<br />
Bruno Zeppernick Mu. und Friedrich Nichter, und außerhalb<br />
Stettins die Kreisausschüsse <strong>der</strong> Kreise Bublib, Vntow und Kammin,<br />
Pastor Hübner in Heinrichsdorf, (Gutsbesitzer Pölkskow in<br />
Ziobrischkeu, Majoratsbesitzer von Koller in Ohlau. Postassinent Klein<br />
in Usedom, Buchdruckereibesitzer Courtois iu Kolberg und Karl<br />
Waldow in Schivelbeiu, Lehrer Erdmann in Steinmocker, l)r. pki^.<br />
Vütow und Frau ^andgericktsrat Hemptenmacher in Stolp, die<br />
Vandwirtschaftsschule in Eldeua, Kunstmaler Nüttgens in<br />
Berlin, Landw. Eiu- und Verkaufs gesell schaft in Auklam, Königl.<br />
Seminare in Köslin uud Bütow, Professor Lorbeer in Kolberg,<br />
^andrat von Hagen iu Belgard, Direktor Dalluler, Kaufmann<br />
Alexan<strong>der</strong> ^emte und Apotheker Schmiedehausen in Berlin,<br />
Geheimer Sanitätsrat Dr. Lteiubrück iu Aolliuken, Amtsgerichtsrat<br />
Hanow in Spandau, Lehrer Böttcher in Bartelshagen, Schuldirektor<br />
Weichert iu Wiborg, Rittergutsbesitzer Harnack in Neu-Dargsow,<br />
Amtsvorsteher Äff mann nnd Pastor Lckwe<strong>der</strong> in Züllchow,<br />
Superiutendent Kalmus iu Dramburg, Ordeutl. Professor l)r. Bethe<br />
iu Kiel, Oberlehrer Schreiuer in Pasewalk, Professor Fabricius<br />
iu Greifenberg und Major von Braun schweig iu Klaptau.<br />
Die Gesellschaft zählt jetzt<br />
Ehrenmitglie<strong>der</strong> . . . . 9<br />
Konespondierendc . . . . 23<br />
lebenslängliche 8<br />
Ordentliche . . . . . . 707<br />
zus. 740 Mitglie<strong>der</strong>.<br />
Zu den Kreisausschussen, von denen die Gesellschaft durch eiueu<br />
erhöhten Jahresbeitrag unterstützt wird, sind hinzugekommen die <strong>der</strong> Kreise<br />
Bublltz, Bütow, Kammin; einen einmaligen Beitrag für !9l3 von<br />
100 Mk. zahlte <strong>der</strong> Kreis Randow.<br />
Die Altertumssammlung ist nunmehr in das Städtische<br />
Mufeumsgebäude auf <strong>der</strong> Hakeuterrasse übergeführt nnd mit vieler Mühe<br />
znm größeren Teile anch soweit geordnet uud aufgestellt, daß die im<br />
Erdgeschosse untergebrachten Teile am 23. Juni dem Publikum zugänglich<br />
gemacht werden konnten, bei<strong>der</strong> reichen die überwiesenen Nünme noch<br />
lange nicht aus, die Sammlung in dem wünschenswerten Umfange<br />
zur Anschauung zu briugen und in <strong>der</strong> Aufstellung überall den wissen<br />
schaftlichen Zusammenhang nnd die genane geschichtliche Reihenfolge zu<br />
bewahren; dennoch hat <strong>der</strong> Konservator Stubenrauch die ihm gestellte<br />
schwierige und überaus mühevolle Aufgabe mit großem Geschicke gelöst
FünfundNebnaster Iabresberich!. 315»<br />
und die Gegenstände machen in den schönen, hellen Räumen, sowie in<br />
den vortrefflichen, von <strong>der</strong> Provinz bewilligten prunllosen, aber höchst<br />
zweckmäßigen Masschräuken einen über alles Erwarten befriedigenden<br />
Eindruck, namentlich die vorgeschichtlichen Funde, die sonst nur dem<br />
Kenner ihren Wert in seiner ganzen Bedeutung vor Augen stellten und<br />
doch den bei weitem wertvollsten Teil des Ganzen ausmachten, können<br />
jetzt auch von den Laien gebührend gewürdigt werden. Freilich nur<br />
dann, wenn <strong>der</strong> Besuch nicht groß ist, denn die Schränke muhten viel<br />
zu dicht zusammengedrängt werden. Über die Besuchszeiten wird nähere<br />
Bestimmung noch erfolgen. Die Sammlung wird in ihrer jetzigen<br />
Aufmachung ihre alte Auziehungstraft jedenfalls noch in vermehrtem<br />
Matze ausüben.<br />
Über die Erwerbungen ist in den Monatsblattern berichtet. Auch<br />
die Münzsammlung ist einer Neuordnung unterzogen durch den<br />
Dr. hoffmann und hat Ausstelluugstilche nach dem Muster des Berliner<br />
Numismatischen Kabinets erhalten, in denen sie durch Wechseltafeln in<br />
ihrem ganzen Umfange vorgeführt werden kann.<br />
In <strong>der</strong> Hauptversammlung vom 13. Mai 1913 wurde <strong>der</strong><br />
alte Vorstand durch Zuruf wie<strong>der</strong>gewählt; nämlich die Herren:<br />
Geh. Negieruugsrat Prof. Dr. ttemcke, Vorsitzen<strong>der</strong>,<br />
Prof. l)r. Walter, stellvertr. Vorsitzen<strong>der</strong>,<br />
Konsul W. Ahrens, Schatzmeister,<br />
Geh. Iusti^rat Mag un na, erster Schriftführer,<br />
Geh. Vaurat Hintze, zweiter Schriftführer,<br />
Geh. Archivrat 0. vr. Friedensburg und<br />
Gymnasialdirektor Prof. Ur. Wehr mann, Beisitzer.<br />
Herr Direktor Dr. Wehrmann, hat, nachdem ihm die Leitung<br />
des Kgl. Gymnasiums in Greifenberg übertragen war, weil ihm das<br />
neue Amt die Teilnahme an den Arbeiten des Vorstandes nicht gestattete,<br />
sein Amt in diesem am 28. März 1913 nie<strong>der</strong>gelegt und da auch Herr<br />
Geheimrat Friedensburg aus Anlaß <strong>der</strong> Versetzung nach Magdeburg<br />
ausscheiden mußte, ergänzte sich <strong>der</strong> Vorstand nach 8 12 durch Zuwahl<br />
<strong>der</strong> Herren Oberpräsidialrat Bartels und Oberlehrer Dr. Altenburg.<br />
In den Beirat wurden am 13. Mai 19! 2 gewählt die Herren:<br />
Geh. Kommerzienrat Abel,<br />
Stadtrat Nehm,<br />
Konsul Karow,<br />
Professor !>r. Mein hold,<br />
Oberlehrer Dr. Altenburg,<br />
Professor I)r. Haas.<br />
Konsul Kisker,<br />
Bürgermeister Nr. Thode.
Z1 ft ssünflmdfiebzissster Jahresbericht.<br />
Herrn Stadtrat Nehm haben wir lei<strong>der</strong>, wie oben schon gemeldet,<br />
durch den Tod verloren.<br />
Der in <strong>der</strong> Hauptversammlung vorgetragene 74. Jahresbericht<br />
ist abgedruckt in den Baltischen Studien N. ss. XVI, S. 18l ff., <strong>der</strong><br />
Bericht des Prof. l)r. Walter über ..Altertümer und Ausgrabungen<br />
in Pommern im Jahre 1911" ebendort S. 190 ff.<br />
Herrn Pros. I)r. Wehr mann wurde bei seinem Scheiden von Stettin<br />
eine Ehrung durch ein Abendessen bereitet. Nach <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>legung ihrer<br />
Ämter im Vorstände wurden ihm, wie dem Herrn Geh. Archivrate<br />
l). Dr. Friedensburg für ihre Mitarbeit beson<strong>der</strong>e Dankschreiben<br />
überreicht; Prof. Dr. Wehr mann hat seinem unentwegten Forschungseifer<br />
und seiner unermüdlichen Arbeitskraft und Arbeitslust für die<br />
Pommersche Geschickte in seinen zahlreichen Veröffentlichungen ein Denkmal<br />
gesetzt, das ihm Dank und Anerkennung anch über den Kreis unserer<br />
Gesellschaft hinaus für alle Zeit sichert.<br />
Im Winter 1912/13 fanden 6 Versammlungen statt, darunter<br />
eine Außerordentliche Hauptversammlung. Vorträge wurden gehalten von:<br />
Geheimrat l>r. ^emcke über Mordlreuze uud Mordwangen in Pommern;<br />
von demselben: Über die Peter- uud Paulskirche in Stettin, Gymnasialdirektor<br />
Dr. Lehmann sprach über Vodenbewegungen und Erdbeben in<br />
Pommern, Geheimer Archivrat l). Dr. Friedens burg über: Martin<br />
Luther und seiu Werk im richte <strong>der</strong> neueren Forschung, Archivar<br />
Dr. Grotefeud über: Die Burg zu Saahig.<br />
Der Sommerausflug richtete sich diesmal nach Plathe, wo am<br />
18. August nach einem Spaziergange, <strong>der</strong> über den mittelalterlichen<br />
Burgwall an dem bewaldeten Ufer <strong>der</strong> Nega zur Stadt führt und<br />
wie<strong>der</strong>holt schöne Ausblicke auf diese und ihre alten Schloßbauten<br />
gewährt, zuerst die malerische und kunstgeschichtlich hochinteressante<br />
Ruine des Blücherschlosses besichtigt wurde. Der Schloßherr<br />
Graf Bismarck-Osten hatte in dankenswerter Weise die Führung<br />
hierbei übernommen und setzte sie auch bei den weiteren Besichtigungen<br />
fort, die sich auf die neue Kirche, das alte O sten schloß in dem<br />
reizvollen Schloßparke und das eben erst fertiggestellte Neue Schloß<br />
erstreckten, das mit feiner jetzt mustergültig eingerichteten, altberühmten<br />
Bibliothek und seinen Kunstschätzen aus alter und neuer Zeit<br />
ungeteilte Bewun<strong>der</strong>ung erregte. Den Beschluß machte eine von dem<br />
Schlohherrn und <strong>der</strong> Schloßherrin liebenswürdig dargebotene Erfrischnng<br />
auf <strong>der</strong> Terrasse des Neueu Schlosses. Der Ausflug hatte eine zahlreichere<br />
Beteiligung gefunden als je vorher und hinterließ allen Teilnehmern<br />
hohe Befriediguug. Ein durch Lichtbil<strong>der</strong> erläuterter Vortrag des Vorsitzenden<br />
hatte in <strong>der</strong> Hauptversammlung des 13. Mai auf die Sehens-
Filnfundsiebzigster Jahresbericht. 31 ?<br />
würdigfeiten von Plathe vorbereitet; in dem inzwischen erschienenen<br />
Inventare <strong>der</strong> Vau- und Kuustdenkmäler des Kreises Negenwalde sind<br />
sie ausführlich beschrieben und in großer Zahl auch abgebildet.<br />
Jallresrechnuna für 19 l 2.<br />
Die im Auftrage des Beirats geprüfte und von ihm entlastete<br />
Rechnung schließt nach langer Zeit mit einem, wenn auch kleinen<br />
Überschusse ab iu Höhe vou 238,50 Mk., <strong>der</strong> für 1913 in Einnahme<br />
vorzutrageu ist. Das Nähere ergiebt sich aus dem nachstehenden Auszuge.<br />
Auszug aus <strong>der</strong> Iahresrechuung 1912.<br />
Einnahme. Ausgabe.<br />
Aus Vorjahren.<br />
Fehlbetrag aus 1911 2028,83 M.<br />
Aus dem laufenden Jahre.<br />
Verwaltung.<br />
Rückerstattung . . 0,36 M. Persönliche Kosten . 710,00 M.<br />
Sachliche Kosten . 677.13 „<br />
Aus<br />
Vou<br />
Vom<br />
Von<br />
Vou<br />
Von<br />
Vou<br />
Stettin. .<br />
Auswärtigen<br />
Staate<br />
<strong>der</strong> Provinz<br />
Städten .<br />
Kreisen<br />
Vereinen .<br />
Durch Buchhandel<br />
Jahresbeiträge.<br />
. 1984,00 M.<br />
. 3311,65<br />
52515,65<br />
. 600.00<br />
. 3500,00<br />
. 1372,20<br />
. 1255,20<br />
. 78.05<br />
l! 805,45<br />
Unterstützungen.<br />
M. Au Vereine . .<br />
,,l) Ausgrabungen pp.<br />
Verlag.<br />
. 805,00 M. Balt. Stud. Druck<br />
Honorare . .<br />
Verseudungskosten<br />
Mouatsblätter .<br />
1387,13<br />
.') 609,00<br />
27.60<br />
,46 M. 10478,63 M.<br />
') Einschließlich 500 M. für die Ortsgruppe des Heimatschutzes in Rügen.<br />
„
318 Fünfundsiebziafter Jahresbericht<br />
Einnahme. Ausgabe.<br />
Übertrag 13906,46 M. Übertrag 10478,63 M.<br />
Kapitalkonto.<br />
Zinsen . . . . 525,00 M. Reservefonds . . 1000,00 M.<br />
Museum.<br />
Rückerstattung . . 200,00 M. Ankäufe . . . . 797,30 M.<br />
Materialien . . 210,00 „<br />
Sachl. Kosten . . 149,40 „<br />
Feuer-Versicherung «2,40 „<br />
Bibliothek.<br />
Bibliothekar .<br />
Anschaffungen .<br />
Sachl. Kostell .<br />
1239,95 „<br />
. 300,00 M.<br />
. 216,30 .,<br />
. 155.00 „<br />
674,30 ..<br />
13631,46 M. 13392,58 M.<br />
Bestand 238,58 „<br />
Inventarisierungskonto.<br />
Einnahme. Ausgabe.<br />
Bestand aus 1911 . 3061,58 M. Inventarisierungen . 5565,00 M.<br />
Provinzialbeitrag . 6000,00 „<br />
9061,58 M. Bestand 3496,58 M.<br />
Von <strong>der</strong> Zeitschrift „Baltische Studien" ist <strong>der</strong> XVI. Band<br />
<strong>der</strong> Neuen Folge erschienen, von den Monatsblättern <strong>der</strong> 26. Jahrgang.<br />
Das von dem Geheimrat Magunna bearbeitete Register zu<br />
den Baltischen Studien <strong>der</strong> Alten Folge ist in den Druck<br />
gegeben und bereits bis zum 25. Bogen fertiggestellt. Wir hoffen in<br />
dem nächsten Jahresberichte von dem Abschlüsse dieser überaus mühsame»<br />
Arbeit berichten zu können, durch die endlich für die Ergebnisse einer<br />
Forschung von 64 Jahren die unerläßliche Bequemlichkeit <strong>der</strong> Benutzung<br />
gesichert wird. Der Verfasser, dem <strong>der</strong> Dank weitester Kreise gebührt,<br />
hat mit <strong>der</strong> Ausarbeitung eines gleichen Registers für die Neue Folge<br />
bereits den Anfang gemacht.<br />
Die stetig sich mehrende Zahl <strong>der</strong> auf Pommern und seine Geschichte<br />
bezüglichen Veröffentlichungen erhellt aus den Besprechungen in<br />
unsern Monatsblättern; ein bibliographisch genaues und erschöpfendes
Hünfunbsirbzigster Jahresbericht. 3l9<br />
Verzeichnis liefern alljährlich die von dem Rngifch-Pommerschen Geschichtsverein<br />
in <strong>Greifswald</strong> herausgegebeneu Pommerschen Jahrbücher. Voll<br />
dem Inventare <strong>der</strong> Bau- und KunN.denkmäler des Negieruugsbezirks<br />
Ltettin ist das 10. Heft, Kr. Megenwalde, erschienen, das<br />
11., Kr. Greifenberg wird ihm in Bälde folgen. Einen zusammenfassenden<br />
Überblick über die landesgeschichtliche Forschung in Pommern<br />
seit 1900 mit gleichzeitiger Beurteilung gibt Martin Wehrmann in<br />
den Deutschen Geschichtsblättern, herausgegeben von A. Tille, Bd. VIII,<br />
S. 285—399. Als eine neueste Veröffentlichung ist iu diesen Tageu<br />
erschienen: Waterstraat H., Geschichte <strong>der</strong> Fleischeriunung Stettins<br />
(Knocheuhauer, Garbräter, Küter) 1309-1913.<br />
Über die Altertumskunde und Ausgrabuugeu des letzten<br />
Jahres folgt ein zusammeufasseu<strong>der</strong> Bericht von Herrn Professor<br />
Dr. Walter.<br />
5er Korstand<br />
<strong>der</strong> Gesellschaft fiir pommersche Heschichte und Altertumskunde.
Anlage.<br />
Historische Mommisston<br />
für die Krovinz Pommern.<br />
Anwesend waren 18 Mitglie<strong>der</strong>.<br />
Stettin, den 17. April 1913.<br />
Der Vorsitzende erstattete den Jahresbericht, welcher im Umdruck<br />
verteilt wird und legte die mit einer Einnahme von 2664,35 Mk., einer<br />
Ausgabe von 638,05 Mt. und einem <strong>Bestände</strong> von 3026,30 Mk.<br />
abschließende Rechnung für den 1. April 1912/l3 vor. Seit diesem<br />
Tage ist die Beihülfe <strong>der</strong> Provinz für das Haushaltsjahr 1913 mit<br />
1000 Mk. eingegangen.<br />
Die Rechnung wnrde zwei <strong>der</strong> erschienenen Herren zur Vorprüfung<br />
übergeben und auf <strong>der</strong>en Bericht entlastet.<br />
Der Archivdirektor D. Dr. Friedensburg hat angezeigt, daß er mit<br />
dem 1. April nach Magdeburg versetzt und damit ans <strong>der</strong> Pommerscheu<br />
Historischen Kommission ausgeschieden sei. Der Vorsitzende hat ihm den<br />
Dank <strong>der</strong> Kommission für seine uns geleistete Hülfe ausgesprochen.<br />
Der mit <strong>der</strong> Verwaltung des Stettiner Staatsarchivs betraute<br />
Archivrat Dr. Hoogeweg war <strong>der</strong> an ihn ergangenen Einladung gefolgt<br />
und nahm an <strong>der</strong> Verhandlung teil. Der Vorsitzende begrüßte ihn als<br />
nach <strong>der</strong> Satzung zum Eintritt berufenes Mitglied <strong>der</strong> Kommission.<br />
Die im Jahresberichte unter den Nummern 1, 2 und 5». bis
Historische Kommission für die Provinz Pommern. 32!<br />
Neue Anträge von Mitglie<strong>der</strong>n waren eingegangen von:<br />
1. Geheimrat Dr. Fabricius ein Antrag ans Druck des von Professor<br />
Ebeling bearbeiteten Stralsun<strong>der</strong> Bürgerbuches aus den Jahren<br />
1319 bis 1343,<br />
2. von demselben ein Antrag, die Bearbeitung <strong>der</strong> Stralsun<strong>der</strong><br />
Armenstiftungen betreffend,<br />
3. von den Professoren Dr. Semrau und Dr. Curschmann ein Antrag<br />
auf Herausgabe eines Werkes über die Nikolaikirche iu Stralsund,<br />
4. von Professor Dr. Curschmann ein Antrag, die von dem Privatdozemen<br />
Dr. Nergsträßer in Angriff gettonimene Sammlung <strong>der</strong><br />
Korrespondenz Pommerscher Abgeordneter zu den parlamentarischen<br />
Versammlungen <strong>der</strong> Jahre 1847 bis 185)0 betreffend.<br />
Nach eingehen<strong>der</strong> Besprechung <strong>der</strong> Vorlagen wurden folgende<br />
Beschlüsse gefaßt:<br />
1. Die Aufsuchung und Aufzeichnung <strong>der</strong> Nrchivalien durch Archivar<br />
Dr. Grotefend soll in diesem Jahre im Kreise Pyritz erfolgen.<br />
2. Für die nächsten Jahre werden für die gleiche Arbeit die Kreise<br />
Demmin, Antlam, Negeuwalde, Greifenberg in Aussicht genommen.<br />
3. Die Arbeit Dr. Grotcfends über die Archivalien des Kreises<br />
Saatzig soll in den Veröffentlichungen <strong>der</strong> Kommission gedruckt<br />
werden. Die Handschrift wurde zu diesem Zwecke Dr. Grotefend<br />
übergeben.<br />
4. Die Veröffentlichungen <strong>der</strong> Kommission sollen in Bände eingeteilt<br />
werden, zu denen die einzelnen Hefte vereinigt werden.<br />
Das jetzt gedruckt vorliegende Heft I — die Motztischen<br />
Regesten enthaltend — soll Heft I des ersten Bandes bilden.<br />
Der zweite Band soll das Verzeichnis <strong>der</strong> Archivaren im<br />
Regierungsbezirke Stettin enthalten, für den <strong>der</strong> jetzt zu druckende<br />
Bericht über den Kreis Saatzig das erste Heft bilden wird, <strong>der</strong><br />
dritte Band das gleiche Verzeichnis für den Regierungsbezirk<br />
Stralsund, <strong>der</strong> vierte für den Negierungsbezirk Köslin. Der als<br />
Son<strong>der</strong>abdruck aus den Pommerschen Jahrbüchern gedruckte Bericht<br />
über den Kreis <strong>Greifswald</strong> bildet das erste Heft des dritten<br />
Bandes.<br />
5. Für das erste Heft des ersten Bandes wird dem Bearbeiter<br />
Dr. Mohti in Braunsberg ein Ehreusold von 200 Mk. bewilligt.<br />
6. Gedruckt ist Heft I des ersten Bandes in 300 Exemplaren. Von<br />
diesem werden dem Bearbeiter ^0 Freiexemplare überwiesen, jedem
322 Historische Kommission für die Provinz Pommern.<br />
Mitgliede <strong>der</strong> Kommission ein Exemplar zuerteilt und ein solches<br />
dem Pastor Strecker für die Bibliothek des Camminer Domes<br />
übergeben.<br />
200 Exemplare sollen in den Buchhandel gegeben werden.<br />
Dr. Grotefend übernimmt die Perhandlung hierüber mit <strong>der</strong><br />
Saunierschen Buchhandlung.<br />
Die übrigen Exemplare bleiben zunächst zur Verfügung des<br />
Vorsitzenden, welcher ermächtigt wird, aus diesem <strong>Bestände</strong> die<br />
üblichen Freiexemplare an die Königliche Bibliothek usw. zu versenden.<br />
7. Der Druck des Stralsun<strong>der</strong> Bürgelbuches 13! 9—1348 und die<br />
Gewährung eines Ehrensoldes, wie zu 5, an den Bearbeiter wird<br />
in Aussicht genommen, jedoch unter Beteiligung <strong>der</strong> Stadt Stralsuuo<br />
an' den Kosten, etwa zur Hälfte. Mit den Verhandlungen hierüber<br />
wird <strong>der</strong> Vorstand beauftragt.<br />
8. Die Bearbeitung<br />
a) <strong>der</strong> Stralsun<strong>der</strong> Testamente und Stiftungen, welche Geheimer<br />
Rat Di-. Fabricius,<br />
d) eiues Werkes über die Stralsun<strong>der</strong> Nikolaikirche, ähnlich dem<br />
über den Magdeburger Dom erschienenen, welche die Professoren<br />
l)r. Semrau und Dr. Curschmann,<br />
o) des Stettiner Stadtbuches aus den Jahren 1305 bis 1350,<br />
welche Direktor Dr. Wehrmann angeregt und teilweise in Angriff<br />
genommen haben,<br />
erkennt die Kommission als wünschenswert und innerhalb ihrer<br />
Aufgaben liegend an und ist bereit, diese Arbeiten nach dem Maße<br />
<strong>der</strong> ihr zur Verfügung stehenden Mittel zu unterstützen. Das<br />
Nähere hierüber muß <strong>der</strong> Zukunft vorbehalten bleiben.<br />
9. Auch die von Dr. Bergsträßer in Angriff genommene Sammlung<br />
<strong>der</strong> Korrespondenzen Pommerscher Abgeordneter aus <strong>der</strong> Mitte<br />
des vorigen Jahrhun<strong>der</strong>ts ist die Kommission zu unterstützen bereit.<br />
Sie gestattet dem Dr. Bergsträßer sich bei <strong>der</strong> Sammlung dieses<br />
Materials darauf zu berufen, daß sein Vorgehen von <strong>der</strong> Kommission<br />
gebilligt werde und ermächtigt den Archivrat Dr. v. Petersdorff,<br />
an Dr. Bergsträßer für Abschreibekosten eine Beihülfe bis zum<br />
Betrage von 150 Mk. zu gewähren.<br />
10. Die Arbeit des Pastors Strecker über die Pfarrarchive <strong>der</strong><br />
Camminer Synode soll später mit <strong>der</strong> Arbeit über den Kreis<br />
Cammin gedruckt werden. Das Erbieten des Pastors Strecker,<br />
die gleiche Arbeit auch für Nachbarsynoden auszuführen, nimmt<br />
die Kommisston dankbar an und stellt ihm Ermächtigungsschreiben<br />
und Kostenersatz in Aussicht.
Historische Kommission für die Provinz Pommern. 323<br />
Durch diese Beschlüsse würden die Mittel <strong>der</strong> Kommission etwa wie<br />
folgt in Anspruch genommen werden:<br />
Druck von Heft I 440,65 Ml.<br />
Ehrensold für l)r. Mohli 200,00 „<br />
Drucktosten für den Bericht über Saatzig etwa . . . 600.00 „<br />
Reisekosten für Pyritz etwa 600,00 „<br />
Druckkosten und lihrensold für das Stralsun<strong>der</strong> Bürgerbuch,<br />
zur Hälfte, etwa 600,00 „<br />
Schreibhülfe für Dr. Bergsträßer 150,00 „<br />
25W,ttd Mk.<br />
Da am 1. April 1913 etwa 2000 Mk. vorhanden waren, seitdem<br />
von <strong>der</strong> Provinz 1000 Ml. für 1913 eingegangen sind, und ein Beitrag<br />
des Generaldirektors <strong>der</strong> Staatsarchive zu deu Iuventaraufnahmetosttu in<br />
Höhe von 500 Mt. wie im Vorjahre in Aussicht steht, sind die Mittel<br />
für diese Ausgaben vorhanden.<br />
Da Weiteres nicht zu verhandeln war, wurde die Sitzung von dem<br />
Vorsitzenden mit einem Dank an alle Mitarbeiter und besten Wünschen<br />
für die weitere Arbeit <strong>der</strong> Kommission geschlossen.<br />
g. w. o.<br />
v. Maltzahn. von Koller.
Beilage.<br />
Aber<br />
ltertiimer unö Ausgrabungen in Pommern<br />
im Fahre 1912.<br />
Von Professor Dr. E. Walter.<br />
Die im Jahre 1834 angelegte Sammlung <strong>der</strong> „Gesellschaft für<br />
Pommersche Geschichte und Altertumskunde" hat fast ein Jahrhun<strong>der</strong>t<br />
auf eine würdige und endgültige Aufstellung warten müssen, denn haben<br />
ihr auch von Anfang an stets Ränme im Kgl. Schlosse zu Stettin zur<br />
Verfügung gestanden, so stellte doch ihr ununterbrochener Zuwachs<br />
wie<strong>der</strong>holt die Notwendigkeit eines Umzuges in größere und zahlreichere<br />
Zimmer heraus, so daß sie viermal umsiedeln mußte, bis ihr 1879 <strong>der</strong><br />
große Nemter im dritten Stock des Südflügels zugewiesen wurde. Dort<br />
kennen viele Besucher aus Stadt und ^fand und die namhaftesten Forscher<br />
die Sammlung, die sich stattlich und doch zuletzt selbst in diesem<br />
gewaltigen Raume wie<strong>der</strong> allzu gedrängt präsentierte und in ihrer<br />
bunten Zusammensetzung aus tultur- uud vorgeschichtlichen Gegenständen<br />
an Übersichtlichkeit leiden Müßtet) Im abgelaufenen Jahre ist mm<br />
endlich die langersehnte Wendung eingetreten, die allen Übelständen in<br />
ihrer Aufstellung und Benutzung und aller Unsicherheit hoffentlich für<br />
immer ein Ende gemacht hat. Die Sammlung ist in das Neue „Museum<br />
<strong>der</strong> Stadt Stettin" an <strong>der</strong> Hakenterrasse glücklich übergeführt, während<br />
des letzten Winters zweckmäßig aufgestellt, und am 23. Juni 191A<br />
') Ncch bei <strong>der</strong> Feier des 75 jährigen Bestehens <strong>der</strong> Gesellschaft am 27. Mai 1899<br />
muhte ich die Naumsrage für die Aufstellung unserer Sammlung als ungelöst<br />
bezeichnen und in einem Vortrage über die Entwicklung <strong>der</strong>selben nach all den<br />
Umzügen die Unterbringung in einem zu erbauenden Museum als dringend<br />
wünschenswert erhoffen, vergl. Monalsbliitter 1tW, Nr. 7, S. 104.
Walter. Nbcr Altertümer und Ausgrabungen in Pommern AA5,<br />
durch feierliche Eröffnung dem Publikum und <strong>der</strong> Forschung in aus-<br />
giebiger Weise zugänglich gemacht.<br />
Mit hoher Genngtnung und aufrichtiger Freude darf diese Tat-<br />
sache begrttßt werde«, es mag aber auch <strong>der</strong> schou an an<strong>der</strong>er Stelle<br />
ausgesprochene Wunsch l) bei dieser Gelegenheit nochmals zum Ausdruck<br />
kommen, daß neben <strong>der</strong> weiter bestehenden Mitarbeit unserer Gesellschaft<br />
auch „das Kuratorium des Gesamtmuseums gerade die vorgeschichtliche<br />
Abteilung in ihrer Wichtigkeit für ganz Pommern anerkennen uud mit<br />
unvermin<strong>der</strong>ter Nebe pflegen werde". Inson<strong>der</strong>heit mag auch die<br />
driugende Bitte an alle Besucher vou nah und fern erneuert werden,<br />
etwaige Fuudstücke nicht in Vergessenheit o<strong>der</strong> Vernachlässignng geraten<br />
zu lassen, son<strong>der</strong>n sie selbstlos nnscrer großen Sammlung zur Ver-<br />
vollständigung zu überweisen, in <strong>der</strong> sie sachlicher verwendet uud zweck-<br />
mäßiger aufbewahrt werdeu, als es in Privat- o<strong>der</strong> kleineren Stadt-<br />
sammlnngen möglich ist. Mögen auch kulturgeschichtliche Altertümer den<br />
hier und da entstehenden Sammlungen des Hennatschnhes zugeführt<br />
werden, einzelne vorgeschichtliche Fundstücke werden nach wie vor nur in<br />
<strong>der</strong> großen Provinzialsamlnlnng das nötige Vergleichsmaterial und die<br />
richtige Würdigung findeil können.<br />
Was die nnnmehrige Aufstellung betrifft, so ist ein möglichst ein-<br />
heitlicher Eindruck angestrebt, so daß — wie auch <strong>der</strong> „Vorläufige<br />
Führer" angibt — die kirchlichen Altertümer jetzt im Treppennmgang<br />
des Mittelbaues Aufstellung gefunden haben, daneben im Nordflügel<br />
des Erdgeschosses zunächst die kulturgeschichtliche Abteilung und die<br />
Voltstrachten; vom dritten Raum an gelangt man in die vorgeschicht-<br />
liche Sammlung, und zwar enthalten zuuächst zwölf Pulte und zwei<br />
Negale die Geräte und Gefäße <strong>der</strong> Steinzeit, dann folgen vier Schränke<br />
mit Bronzedepotfnnden. Ist schou hier Selteues reich vertreten uud<br />
gut aufgestellt, so bietet <strong>der</strong> helle Ecksaal Nr. 4 des Erdgeschosses reiche<br />
Schätze in besserer Beleuchtung, nämlich Itt Glasschränke <strong>der</strong> Bronze-<br />
uud ersten Eiseuzeit, nach Kreisen geordnet nnd jeden Besucher sofort<br />
über die Funde seiner engeren Heimat aufklärend, darauf die charakte-<br />
ristischen Gruppen <strong>der</strong> Gesichts- und Hansnrnen, sowie ansehnliche<br />
Stücke aus <strong>der</strong> römischen Eisenzeit, endlich enthält anch das Kellergeschoß<br />
noch die wendischen Funde, das Wikingerschiff, die Hacksilberfunde uud<br />
die beträchtliche Urnensammlung. Auch Ansätze von Vergleichssammlungen<br />
aus außerpommerschen Gebieten fehlen nicht, und ansehnlich ist die<br />
Münzsammlung.<br />
') Die Entwicklung des Stetüner Museums in den letzten zehn Jahren:<br />
Manmls Ili, Ibb.
Walter, Über Altertümer und Ausgrabungen in Pommern.<br />
. So wird ein Besuch <strong>der</strong> Sammlung in dieser neuen Aufstellung<br />
sicherlich für je<strong>der</strong>mann lehrreich sein, erscheint doch dem langjährigen<br />
Kellner nun manche Einzelheit in neuer Beleuchtung. Die Steinzeit<br />
zunächst bietet gerade für die Geräte, die allgemein als die ältesten<br />
angesehen werden, gleich beim Eintritt in den erwähnten dritten Museums'<br />
räum ein neues Bild. Es wird erinnerlich sein, daß die Nügenschen<br />
Küstenfunde in <strong>der</strong> alten Aufstellung einen ungeordneten und unklaren<br />
Eindruck machen mußten, dem erst die Untersuchungen von Bracht<br />
ein Ende machten. Nunmehr konnten aber die besten Stücke aus dem<br />
überreichen Material ausgeson<strong>der</strong>t und, nach den ermittelten Typenreihen<br />
geordnet, zur Ausstellung gebracht werden. Die vorläufigen Angaben<br />
<strong>der</strong> beiden letzten Jahresberichte finden nun ihre volle Bestätigung in<br />
dem jetzt vorliegenden Bericht über die paläolithische Konferenz in<br />
Tübingen voll 1911, in welcher <strong>der</strong> erwähnte Forscher unter Be^uguahme<br />
auf unsere Sammlung „die ältesten Spuren des Neolithikums auf<br />
Rügen" ausführlich besprochen und die deutlich zu unterscheidenden<br />
Typen abgebildet hat.^) Danach konnten auch bei uns Spalter <strong>der</strong><br />
atypischen Stufe ausgelegt werden, die ihrer jetzige« Lagerung nach vor<br />
einer erheblichen Bodensenkung entstanden sein müssen; zahlreicher aber<br />
sind die Beispiele <strong>der</strong> über ihr, immerhin aber noch in o<strong>der</strong> unter <strong>der</strong><br />
Wasserlinie gelagerten Früh-Schmalbeilstufe, <strong>der</strong>en Geräte vom Nohesten<br />
an bis zur Erzeuguug von solchen mit rhombischem und linsenförmigem<br />
Querschnitt fortschreiten. Zwar wird mit Recht über die allzu freigebige<br />
Benennung vorgeschichtlicher Gruppen nach einzelnen beson<strong>der</strong>s wichtigen<br />
Fundstellen geklagt, aber man wird füglich diese ganze, in ^ietzow zuerst<br />
beobachtete und ungewöhnlich reich vertretene wohl mit Bracht als die<br />
Äetzower Stufe bezeichnen können, und damit hat das Stettiner Museum<br />
einen weiteren Vorrang vor an<strong>der</strong>en Sammlungen gewonnen. Es<br />
destärkt mich darin die Wichtigkeit, die auch von an<strong>der</strong>er Seite den<br />
Lietzower Stücken zugesprochen wird. Das Kölner Prähistorische Museum,<br />
dem für steinzeitliche Anschaffungen reiche Mittel zuflosseu, hat auch<br />
Originale von Lietzow zu erwerben gewußt und nun durch Vergleichung<br />
mit seinen Originalen aus Belgien merkwürdige Übereinstimmungen<br />
ermittelt. Dabei werden in ausgezeichneten Lichtdrucken nicht weniger<br />
wie 19 Stücke von lietzow, nämlich Faustkeile, Kratzer, Handhacken<br />
bezw. Spalter, Pickel und Dolche zur Darstellung gebracht, die sämtlich<br />
Parallelen in unserer Sammlung finden. Nademacher') stellt sie<br />
') In dem Beiheft zum Korrespondenzblatt d. Deutsch. Gesellschaft f.<br />
Anthropologie 1912, Son<strong>der</strong>abdruck S. 7.<br />
2) E. Rademach er, Frühneolichikum und belg. Odoüösu, Prähist.<br />
Zeitschr., Vd. IV, 235. Die Lietzower Stücke finden sich nuf den Tafeln 16-21.
Walter, Über Altertümer und Ausgrabungen in Pommern.<br />
unbedenklich den von Rütot als 8tr^p^iftn und.(^Nöen bezeichneten<br />
Stufen zur Seite uud möchte — dies würde auch für uusere Küsteu-<br />
fuude von Gedeutung seiu — die Fuudumstäude ill Belgieu und bei<br />
uns auch geologisch gleichsetzen. Iu beiden Küsteuläu<strong>der</strong>n finden sich<br />
diese Steinsachen in Verbindung mit einer gewaltigen Bodeusenkuug,<br />
die hier als ^itoriuazeit bekannt ist, uud die allmähliche Entwicklung<br />
erfolgte vom Schluß <strong>der</strong> Eiszeit bis etwa zum Eude <strong>der</strong> Aucyluszeit,<br />
und zwar erscheinen iu Belgien zuerst die Faustkeile, ehe sich die Spalter<br />
zu einem ausgeprägten Typ formen, daun eutwickelt sich aus jenen<br />
auch das Gratbeil.l) Die Ähnlichkeit <strong>der</strong> Aufstellungen Brachts springt<br />
in die Augeu, auch wird <strong>der</strong> Wechsel <strong>der</strong> Geräte uud Waffen erklärlich,<br />
da die nacheiszeitlichen Siedeluugeu bei uus neue Formen for<strong>der</strong>te« als<br />
die Höhlemvohuungen <strong>der</strong> belgisch-französischen Eiszeit, so daß also eine<br />
spätere Zuwan<strong>der</strong>uug in uusere Gegeudeu aus Westen wahrscheinlich,<br />
eiu direkter Zusammenhang mit den Formen <strong>der</strong> frühereu paläolithischen<br />
Stufeu Westeuropas aber we<strong>der</strong> nötig uoch möglich ist. Somit werden<br />
uusere Küstenfuude auch aus diesen Erwägungen nach dem Abschluß <strong>der</strong><br />
Eiszeit als die ältesteu Stufeu einer iu ueuen Wohusitzeu gleichsam<br />
uoch einmal von vorn aufangeuden Steiubearbeitung gelten müsse»,<br />
aus denen sich dann die tuustreichen Typen des reinen Neolithikums<br />
entwickelten, wie sie früher beim Sammeln fast ausschließlich beachtet<br />
wurden und iu deu uächsteu Pulten desselben Raumes auch bei uns in<br />
vortrefflichen Neiheu bewuu<strong>der</strong>t werden können. Man werfe ferner cium<br />
Blick auf die zuletzt erworbeue Kuhsesche Sammlung Rügenscher Alter-<br />
tümer,^) und sofort wird mau erkennen, wie <strong>der</strong> Besitzer beson<strong>der</strong>s auf<br />
schöue Formeu achtete und dadurch 34 gemmchelte, 46 polierte Beile,<br />
61 Meißel bekam, außerdem gelegentlich Fragmente solcher Wertzeuge<br />
Mltuahm, niemals jedoch Exemplare <strong>der</strong> jetzt erst als fertige Thpeu emer<br />
früheren Zeit erkannten sietzower Stufe. Bei Durchmusteruug außer-<br />
pommerscher Museen findet mau wohl ohue Ausnahme Fcuevsteingeräte<br />
aus Rügen, wie ich sie mir u. a. in Halle uud Dresdeu notiert habe,<br />
doch ebenfalls uur iu spätneolithischen Formen; um so mehr fielen mir<br />
gewisse abweichende Exemplare im Aerliuer Museum für Völkerkunde<br />
auf, und als ich einmal darauf zu achten gelernt hatte, fand ich in <strong>der</strong><br />
Tat 13 Stück mit <strong>der</strong> Bezeichnung „ttietzow", sonst^unter den zahl-<br />
l) Rademacker, 24», A 2 hält mit Kupka an dieser Bezeichnung fest,<br />
während Bracht S. 5. öl. 1 dafür «Schmalbeil" einsetzt und sich gegen die<br />
Benennung «Gradbeil" ausspricht; dagegen nennt Almus wie<strong>der</strong> das von Beltz<br />
als Gradbell angeführte Instrument Gratbeil", Mannus lll, 185, A: alle meinen<br />
indes denselben früheren Typ <strong>der</strong> älteren Mmchelhaujen o<strong>der</strong> des älteren Campignyien.<br />
') St üben rauch in den Balt. Stud. Vd. XVI, 16U: Die Kuhsesche<br />
Sammlung mit 3 Tafeln.
Walter, Über Altertümer und Ausgrabungen in Pommern.<br />
reichen ausgearbeitet neolithischen Steinsachen aus Rügen kein einziges<br />
von dieser Fundstelle. Die betreffenden Lietzower Geräte sind im<br />
Schrank Nügen unter <strong>der</strong> Bezeichnung „Stufe <strong>der</strong> Kjökkenmöddinger"<br />
verstrent angebracht und bestehen aus drei Schmalbeilen I 6 2508,<br />
2552 b, 260! 3, sieben angefangenen Schabern 1303, 2489 a, 2525,<br />
2571 ade, 2579 d, zwei Spänen 2588 s, 2669 und einem dolchartigen<br />
Gerät 2532.<br />
Diese älteste Stufe <strong>der</strong> pommerschen Steinzeit ist also außer <strong>der</strong><br />
reichlichen Vertretung im Stettiner Museum iu gleicher Bewertung in<br />
Berlin und Köln zur Anschauung gebracht, erschöpft ist aber darum <strong>der</strong><br />
Reichtum an gleichen Funden aus Nügen uoch keiueswegs, ganz abgesehen<br />
von <strong>der</strong> lei<strong>der</strong> wenig übersichtlichen Fülle in <strong>der</strong> Stralsuu<strong>der</strong> Sammluug.<br />
Neuerdings hat Haas') Küstenfunde ganz gleicher Art anch auf<br />
Mönchgnt zu beidcu Seiten <strong>der</strong> Having, von beiden Ufern <strong>der</strong> Hagem'chen<br />
Wiel und am Anßen- und Binnenstrande von Thießow nachweisen können,<br />
also eigentlich, wenn die schon früher beobachteten Stellen hinzugerechnet<br />
werdeu, rings um Rügen herum und vielfach unter heutigem Wasserstand.<br />
Auf diese ^agerungsverhältnisse weist anch Deecke in seiner Landeskunde*)<br />
wie in seinen früheren ausführlicheren Werken nochmals kurz hiu, indem<br />
er die ersten Besiedler u. a. von Westen her nach <strong>der</strong> Eiszeit in Pommern<br />
einwan<strong>der</strong>n und etwa zur Ancyluszeit in einzelnen Iägerhorden mit<br />
Knochengeräten sich dehelfen lästt, bis in <strong>der</strong> Morinaperiode die Bearbeitung<br />
des Feuersteins mit roher Technik einsetzt und infolge <strong>der</strong> Senkuug<br />
manche <strong>der</strong> älteren o<strong>der</strong> gleichzeitigen Siedelungen begraben wurden, da<br />
inzwischen eine dichtere Bevölkerung erwachsen war. Deeckc seht das<br />
französisch-belgische Paläolithikum wie die schon erwähnten Forscher<br />
wesentlich älter an als unsere baltischen Funde, unterscheidet auch eine<br />
Übergangsstufe zum eigentlichen Neolithikum, führt aber Kietzow noch<br />
unter den allgemeinen Schlagwerkstätten <strong>der</strong> Steinzeit an. Herr<br />
von Di est dagegen glaubt bei Daber, Kreis Naugard, Fuude <strong>der</strong><br />
Lietzower Stufe nachweisen zn können, Balt. Stud. Bd. XVI, 180.<br />
Nun wird sich nicht bei jedem Knochengerät jene eben berührte ältere<br />
Stufe <strong>der</strong> Iägcrzeit nachweisen lassen, sonst müßten die beiden schönen<br />
Stücke <strong>der</strong> Kllhseschen Sammlnng Taf. 1, Nr. 6355 und 6356, eine<br />
zierlich gearbeitete Knochennadel und ein verzierter Pfriemen, ebenfalls<br />
aus Knochen, wohl dahin gerechnet werden, zumal sie einzeln in Mooren<br />
auf Rügen gefunden sind uud nach Technik und Fundumständen jenen<br />
primitiven Verhältnissen entsprechen würden. Auch im Kreise Saatzig<br />
') Manmls, Bd. V. 246.<br />
') Deecke, Landeskunde von Pommern, 1912, S. 59; vergl. die treffliche<br />
Besprechung Monatsblätter 19!2. 8. 124.
Walter, Über Altertümer und Allsgrabungen in Pommern. 329<br />
fand sich bei Temnick in einer Mergelgrube ein Hirschhornhammer<br />
(Inv.-Nr. 7287), dessen schneide angeschärft und dessen Sprossen-<br />
abschnitt für einen Stiel durchbohrt war: ein vielleicht ebenfalls dieser<br />
Zeit zuzuweisendes Stück.<br />
Wenn Deecke S. 6s> die alte Behauptung wie<strong>der</strong>holt, die großen<br />
Grabbanten <strong>der</strong> Steinzeit kämen östlich <strong>der</strong> Dievenow nicht vor, so sind<br />
scholl wie<strong>der</strong>holt Anspiele <strong>der</strong>selben ans Hinterpommern angeführt worden,<br />
nnd auch diesmal kann anf das Borhandensein eines steinzeitlichen<br />
Kistengrabes mit fünf Äften aus Feuerstein hingewiesen werden/) das<br />
in Stargordt, Kreis Negenwalde, geöffnet und ausgebeutet wurde. Diese<br />
Nachricht kommt zwar schon aus einer Reisebeschreibung von 1714, aber<br />
eine von den erwähnten Äxten ist noch heute als untrügliches Beweisstück<br />
vorhanden, überhaupt darf man ans dem heutigen Fehlen megalithischer<br />
Grabbauten in diesen Gegenden eben nicht auf frühere Zustände schließen,<br />
son<strong>der</strong>n wo das ^and uns nichts mehr bietet, füllen mitunter Nachrichten<br />
in Chroniken uud Akten die auffälligen Lücken ans; so konnte ich aus<br />
Äeckmann's Chronik von 1751 schon früher große Steiugräber mit<br />
Abbildungen aus <strong>der</strong> Nähe von Labes anführen, sowie zahlreiche<br />
Darstellungen größter Gräber ans <strong>der</strong> Pyritzer Gegend, die heute spurlos<br />
verschwunden sind, in genauen Karten aus unseren Akten aufzählen. ^)<br />
War die Zusammensetzung <strong>der</strong> Knhseschen Sammlung als lehrreich<br />
für die frühere einseitige Art des Sammelns zu bezeichnen, so muß<br />
an<strong>der</strong>erseits bei einem <strong>Bestände</strong> von fast 600 Gegenständen das Über-<br />
wiegen <strong>der</strong> steinzeitlichen Fundstücke aus <strong>der</strong> Nügenichen Herkunft erklärt<br />
werdeil, und obwohl lei<strong>der</strong> Grabfunde darunter fehlen, vervollständigen<br />
doch Schleifsteine, dnrchbohrte Anhänger nnd Spinnwirtel das reiche<br />
Knlturbild jener Zeit, die wir aber nun uicht mehr allein nach den<br />
Prachtstücken von Äxten und Dolchen feinster Arbeit benrteilen. Immerhin<br />
mag anf die Typen <strong>der</strong> gestielten, geflügelten und gelerbten Pfeilspitzen<br />
beson<strong>der</strong>s hingewiesen werden, die in 53 Exemplaren vorliegen nnd in<br />
Auswahl auf Tafel I <strong>der</strong> erwähnten Beschreibung dargestellt sind; ganz<br />
eigenartig und gewiß selten sind neben prismatischen Spänen die fein<br />
gemuschelten Messer mit krummer Schneide Nr. 6874/5, die darum<br />
auch mit Recht dort abgebildet sind. Über <strong>der</strong>en Bedeutung hat jüngst<br />
Porsild von neuem gehandelt und geraten, alle solche Geräte nicht<br />
nach gelehrten Abstraktionen zu bestimmen, son<strong>der</strong>n ihren Gebrauch bei<br />
den Eskimo zu lernen, beson<strong>der</strong>s aber erst die uns fehlenden Beili- o<strong>der</strong><br />
') Lemcke, Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Regenwalde, S. 410.<br />
2) Prähist. Funde zwischen O<strong>der</strong> und Nega, Nr. 10 und 186 ff., Monatsblätter,<br />
1910, 1, 28 und beson<strong>der</strong>s Baltische Studien Bd. XIV, 176.<br />
Valtische Studien 3t. F. XVII. 22
330 Walter, Über Altertümer und Ausgrabungen in Pommern<br />
Holzschäfte hinzuzudenken; selbst die kleinsten Steinsplitter brauchen dann<br />
nicht mehr primitiv zu sein, son<strong>der</strong>n nur Details von höchst komplizierten<br />
Geräten. ^)<br />
Zum Vergleich verweise ich ans die in den letzten Jahren angelegte<br />
Sammlung Knack in Iakobshagen, Kreis Saahig, für die 35 Spinnwirte!<br />
zusammengebracht wurden, außerdem aber neben wenigen Metallsachen<br />
immer noch mehr Steinzeitliches auch im Binnenlande, wobei allerdings<br />
unter den 11 Geräten <strong>der</strong> Feuerstein zurücksteht.') Umgelehrt siud in<br />
jener Nügeuschen Sammlung Stücke aus an<strong>der</strong>eu Gesteinsarten wie<strong>der</strong><br />
seltener und werden darum a. a. O. auf Tafel 11 abgebildet. Bei<br />
einem kleineren ist die Schneide stumpf, bei allen an<strong>der</strong>en dagegen scharf<br />
uud liegt vom Bohrloch aus weiter nach vorn als das runde Bahnende;<br />
eins geHort zu <strong>der</strong> auch im benachbarten Mecklenburg nicht seltenen Art<br />
<strong>der</strong> Hxte mit Schaftabsah, die bisher nur einzeln gefunden und als<br />
Ackergeräte angesprochen sind. Endlich liegt ein unerklärtes kahnförmiges<br />
Gerat mit Rillen und eine flache Hacke vor, <strong>der</strong>en kleines Loch nur zum<br />
Durchziehen eines Fadens auszureichen, <strong>der</strong>en Größe aber <strong>der</strong> Verwendung<br />
als Anhänger zu wi<strong>der</strong>sprechen scheint, sodaß es sich wie bei gewissen<br />
Miniaturbeileu nicht um prattische Verwendung, son<strong>der</strong>n um symbolischen<br />
Gebrauch Handel« dürfte.<br />
Auf religiös-abergläubische Anschauungen sind dann anch die Fälle<br />
zurückzuführen, bei denen mehrere Steinwaffen znsammen an sicherer<br />
Stelle nie<strong>der</strong>gelegt worden sind. Auch diesmal ist wie<strong>der</strong> ein Beispiel von<br />
Tutow bekannt geworden, wo füufFeuerstembeile sorgfältig zusammengepackt<br />
unter einem großen Steine verwahrt waren. Da ähnliche Fuude auch<br />
in Gewässern beobachtet sind, die später vermoorten, was für die seit<br />
<strong>der</strong> Steinzeit verflossenen Iahrtauseude spricht, so hat sie Neltz für<br />
Mecklenburg im allgemeinen als Moorfuude bezeichnet. ^) Bei ihnen<br />
liegen die Stücke entwe<strong>der</strong> mit den Flachseiten ans einan<strong>der</strong> geschichtet<br />
o<strong>der</strong> kreisförmig um ein zentral nie<strong>der</strong>gelegtes o<strong>der</strong> in den Boden<br />
gestecktes Exemplar herum, wahrend das Wasser o<strong>der</strong> <strong>der</strong> große Block<br />
die kostbaren Stücke möglichst schützen sollte. Es ist darum nicht zu<br />
verwuu<strong>der</strong>n, daß von vielen solchen Blöcken malte Sagen gehen, und<br />
in <strong>der</strong> von Haas verfaßten Zusammenstellung <strong>der</strong> großen Findlinge in<br />
Pommern^) wird man außer unbezweifelt knltlich verwendeten Näpfchen-<br />
steinen ungemein viel Beispiele von Sagen-, Hünen-, Teufels-, Riesen-<br />
steinen finden, die vielfach mit uralten Gebräuchen <strong>der</strong> erwähnten Art<br />
__<br />
') Zeilschrift für Ethnologie 1912, 600.<br />
') Knack. Die Burg Saatzig, l9i2, l04.<br />
') Meckl. Jahrb. Bd. 1.XI1I, 74, Bd. 1.X1V, 144.<br />
Walter, Über Altertümer und Ausgrabungen in Pommern 331<br />
zusammenhängen, und jede Lokalforschnng bestätigt dies für beschränkte<br />
Gebiete immer von neuem. So liegen in <strong>der</strong> Flur von Steinmocker,<br />
Kreis Anklam, zwei lagenberühmte Niesen- und ein Näpschenftem. ^)<br />
ebenso ist dei Kashagen, Kreis Saatzig, ein sagenhafter Hünenftein<br />
besannt geworden.*)<br />
Im übrigen hat die lange Dauer <strong>der</strong> steinzeitlichen Kultur natürlich<br />
alles son<strong>der</strong>bar verstreut, sodaß ein Stück <strong>der</strong>selben mitten in heutigen<br />
Ortschaften, das an<strong>der</strong>e in <strong>der</strong> Einöde, eins unter Steinanhaufungcn,<br />
die meisten jedoch in schon lange beackertem Boden getroffen weiden.<br />
Aus dem Kreise Franzbnrg konnten so erworben werdell ein geschwungenes<br />
Feuersteingriffmesser ans losem Acker bei Bartelshagen, ein Feuerstein-<br />
meihel aus <strong>der</strong> Ziegelerde bei Saal, ein Beil und eine Speerspitze von<br />
Aeyershageu, letztere in <strong>der</strong> Nähe des sagenumwobenen „Mäuschensteins"<br />
gefunden; 2) Nartelshagen hat dann noch von verschiedenen Ackerstellen<br />
drei Meißel geliefert, und ^ü<strong>der</strong>shagen ein geschliffenes Feuersteinbeil<br />
(Inv.-Nr. 6924—28 und 7272—75). Bei Völschendorf kamen zwei<br />
Feuersteinbeile beim Steincsprengen zum Vorschein, Inu.-Nr. 7870—7!,<br />
und endlich trat ein stark gebrauchtes und beschädigtes poliertes Beil<br />
noch in <strong>der</strong> Nähe des bekannten Gräberfeldes <strong>der</strong> ausgehende» Steinzeit<br />
bei Buchholz, Kr. Greifenhagen, zutage, Inv.-Nr. 72t>6.<br />
Damit sind die Beobachtungen über Steinzeitliches erschöpft, die<br />
im Berichtsjahre doch wie<strong>der</strong> mancherlei Oemerleuswertes erbracht haben,<br />
sodaß nun die Arsttzezeit vel'hältllismäßig schwächer venrelell erscheint.<br />
Aus ihr ist zunächst ein Äegräbllisplatz bei Pulbus auf Rügen untersucht;<br />
ein Grab war in einem westlich gelegenen Hügel <strong>der</strong>art angelegt, daß<br />
in <strong>der</strong> Mitte etwa 2 Meter unter <strong>der</strong> Oberfläche ein mit Vchm gedichteter<br />
Steindamm ein kleines nnverziertes Gefäß in Napfform enthielt, um<br />
welches Steinpacknngen eine Art Kiste bildeten, über <strong>der</strong> wie<strong>der</strong> ein<br />
Steindamm folgte und eine glockenförmige Sandauffüllung. Neben <strong>der</strong><br />
Urne wurden Neste vom ^eichenbrand, aber keine Beigaben gesunden.<br />
Um dies Zentralgrab sind am Abhang wie<strong>der</strong>holt Beisetzungen bloßgelegt<br />
in Scherbenhaufen und einzelnen Gefäßen in Steinpackung, von denen<br />
eine schlichte Tasse und eine Schale erhalten sind. Die Anlage wird<br />
wohl richtig <strong>der</strong> jüngeren Bronzezeit zugewiesen. ^) Zwei GeMreste von<br />
etwa gleichzeitigen Gräbern aus Patzig auf Rügen enthielt auch die<br />
Sammlung Kuhse.<br />
') Erdmann, ebenda, Nr. 9<br />
') Knack, Beiträge z Landeskunde a. d. Kreise Saahig, Bd. I, 63<br />
') Monalsblätter l912, Nr 12, S. 166 und l87.<br />
«) Haas in den Monatsblätlern 1912, Nr. 9. S 129 mit fünf Abbildungen.
332 Walter, Über Altertümer und Ausgrabungen in Pommern.<br />
Tonst sind nur Bronzegegenstände zn verzeichnen, und zwar bietet<br />
dieselbe Sammlung den beschädigten Oriff eines Dolches aus einem<br />
Grabe bei Voldevitz, Nr. 690^ auf Tafel III. und Neste eines Hohlceltes<br />
und Armringes aus einem Grabe bei (Hnietz, die an<strong>der</strong>en vier Hohlcclte<br />
sind Einzelfunde von Rügen, eine Schwertklinge stammt von Hiddensöe.<br />
Besser erhalten ist ein Flachcelt mit breiter Schneide, dessen Schaftriuue<br />
in einen spitzen Winkel anslänft, Nr. 6903 ans Tafel IIl; von diesem<br />
Typ besaß Pommern bisher nur drei Exemplare, eins davon merkwürdiger-<br />
weise gleichfalls von Rügen. Das nen hinzugekommene fand sich bei<br />
Hille anf Rügen im gepflügten Acker und gehört zu den sogenannten<br />
„böhmischen Absatzäxten" <strong>der</strong> Typenkarten, die in Böhmen und Mittel-<br />
deutschlaud am zahlreichsten vertreten sind, nach Norden aber seltener<br />
werden, sodaß unser Stück, neben zwei in Schleswig-Holstein gefundenen,<br />
die nördlichste Stelle <strong>der</strong> Verbreitung dieser Art überhaupt bildet.^)<br />
Dergleichen für die Allgemeinheit wichtige Ergebnisse dün'ten sich aber<br />
schwerlich ermitteln lassen, wenn das Stück wle so manche an<strong>der</strong>e in<br />
einer kleinen Privatsammlnng versteckt und ohne sachkundige Vcrglciltmng<br />
mit dem sonstigen Material geblieben wäre.<br />
Weiter sind von drei zusammengefundenen Schwertern von Pölschen-<br />
dorf zwei ans Privatbesitz in das Mmenm gekommen, Inv.-Nr. 7^2—63,<br />
ferner ein Dolchblatt des älteren Typs mtt zwei Nieten und Mittel-<br />
rippe bei Nipperwiese ausgebaggert, Inv.-Nr. 72l57. Dagegen stieß<br />
man auf zwei Handbergen bei Daber, Kreis Randow, als im Elsbruch<br />
Stubben gerodet wurden, Inv.-Nr. 72W. Herrn von Di est gelang<br />
es, einen Depotfund bei Kr. Benz, Kreis Naugard, zu ermitteln und<br />
durch sorgsame nachträgliche Untersuchung anf 20 Gegenstände zu ver-<br />
vollständigen. Auch hier lagen die Wertstücke, wie wir schon an Bei-<br />
spielen aus <strong>der</strong> Steinzeit gesehen haben, hart nördlich neben einem<br />
großen Steine, von dem ans ein an<strong>der</strong>er die Nordrichtuug augab, also<br />
wohl als Merkmal o<strong>der</strong> in Einhaltung einer bestimmten Himmels-<br />
richtung abergläubische» Zwecken dienend. In einem Tongefäß waren<br />
außer einer Lungenspitze noch fünf sichelartige (Aerate und zwel Hohlcelte<br />
vereinigt, sonst aber nur Schmncksachen, und zwar ein gegitterter und<br />
ein halbmondförmiger Halsschmuck, zwei Plattellfibeln, zwei Nierenringe<br />
und fünf offene Ringe. Durch Vergleichung mit benachbarten Depot-<br />
funden von ähnlicher Zusammensetzung nnd Art <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>legung ist<br />
für diesen Fnnd die ausgehende Bronzezeit ermittelt, nnd die dankens-<br />
werte Publikation durch Beigabe von Abbildungen unterstützt.") Daß<br />
') Zeitschrift für Ethnologie 1905. S. 801 und 840.<br />
2) H. von Die st, Der Bionzrdepotsund von Gr. Benz, Balt. Stud.<br />
Bd. XVI, 175 mit Tafel.
Walter, Über Altertümer und Ausgrabungen in Pommern.<br />
diese Depotfunde <strong>der</strong> Bronzezeit in Pommern ungemein reich vertreten<br />
nnd von unserer Gesellichast mit bestem Erfolge gesammelt sind, dürfte<br />
sich nach <strong>der</strong> Neuaufstellung im 3. Museumsraum jedem Besucher nun<br />
noch mehr als bisher unmittelbar aufdrängen.<br />
Eine nickt min<strong>der</strong> auffallende Gruppe haben von jeher die<br />
Gesichts urnen gebildet, <strong>der</strong>en Kulturhimerlassenschast im Ecksaal<br />
geschlossen zur Aufstellung gebracht ist. Die in dell letzten Jahren<br />
hinzngekommenen Hausurnen sind bei Untersnchnngen über das germa-<br />
nische Haus in vorgeschichtlicher Zeit lmmer mehr von Wichtigkeit<br />
geworden und bezeugen, daß in <strong>der</strong> beginnenden Eisenzeit in Ostdeutsch-<br />
land .Häuser bekannt waren mit Firstdach und Fühchen, die dem<br />
nordischen Speicherdau gleichen und einen neuen Beweis für Übersiedelung<br />
skandinavischer Scharen nach Ostdeutschland bietend) Weniger sichere<br />
Schlüsse über die Form nnd Bestimmung ihrer Bauten lassen sich<br />
dagegen aus den Pfosteulöchcrn auf dem Stadtberge bei Schöningen<br />
und ans dem Pfahlbau bei Butzke zieheu. Die weit stattlichere Reihe<br />
<strong>der</strong> Gesichtsurnen ili nun durch Hinzukommen des Gefäßes von Ossecken,<br />
Kreis ^anenbnrg, vergrößert, das in den mehrfach durchlöcherten Ohren<br />
Bronzeschlnuck, am Halse dagegeu den Halsschmuck nnr plastisch' in Ton<br />
ausgeführt zeigt.")<br />
Die römische Oisenzett ist weniger durch neue Funde als<br />
durch wissenschaftliche Untersuchungen geför<strong>der</strong>t worden. Herr Baron<br />
von Seckendorf anf Tenzerow im Kreise Demmin hatte mitgeteilt, daß<br />
bei Benutzung nener tiefgreifen<strong>der</strong> Maschinen auf seinem ^ande viele<br />
Urnenreste an die Oberfläche gekommen seien, und da von dieser Feld-<br />
mark überhaupt noch keine Funde bekannt waren und die Jahreszeit<br />
noch eine Besichtignng znlicß, begab sich Herr Geheimrat knicke mit<br />
mir am
334 Walter, Über Altertümer und Ausgrabungen in Pommern.<br />
ermittelt, das nach Technik und Fundstelle sich trefflich in sein System<br />
einglie<strong>der</strong>t.^)<br />
Das mit Spannung erwartete Werk Blum es „Über die germa-<br />
nischen Stämme und die Kulturen zwischen O<strong>der</strong> und Passarge zur<br />
römischen Kaiserzeit" liegt nun vor,") wenn auch durch seinen tragischen<br />
Tod die ausführliche Fundzusammenstellung unterblieben ist. In <strong>der</strong><br />
Einleitung wird von Betrachtung <strong>der</strong> letzten Latönezeit ausgegangen nnd<br />
<strong>der</strong> dann eintretende Äestattullgswcchsel mit Völkcrverschiebungen erklärt<br />
nach dem Porgange Kossinnas/) <strong>der</strong> gewisse drei- und zweiteilige<br />
Gürtelhaken Hinterpommerns schon den Wandiliern zugeschrieben und<br />
diele ebendaselbst durch die Burgun<strong>der</strong> mit ihren Nranogruben hatte<br />
verdrängen lassen, endlich die bis Nügen verbreitete Skelettbestattung ans<br />
die Gothen zurückführen wollte. Die weiteren Verhältnisse <strong>der</strong> römischen<br />
Kaiserzeit in Hinterpommern sind aus Mangel an umfassenden Grabungen<br />
aber auch jetzt noch unklar, doch hebt sich ein geschlossenes Gebiet in<br />
Pomerellen bis zur Weichselmündung immertnn ab, das Blume,<br />
abgesehen von noch nicht ganz beseitigten geologischen Bedenken den<br />
Ulmerugiern zuteilen möchte, a. a. O. S. 153—156. Diese Annahme<br />
würde mit den Nachrichten bei Ioroanes und Tacitus wohl zu vereinen<br />
sein, aber die nnr bei letzterem genannten Lemovier sind archäologisch<br />
noch nicht nachzuweisen, wiewohl ihre Sitze doch wohl in Pommern zu<br />
suchen sind; auch <strong>der</strong> kleine Stamm mit Skelettgräbern an <strong>der</strong> O<strong>der</strong>-<br />
mündung, <strong>der</strong> von Osten bis dahin vorgedrungen war, bliebe noch zu<br />
ermitteln. Sonst aber ist das Material aus <strong>der</strong> römischen Kaiserzeit<br />
entschieden genauer geglie<strong>der</strong>t als noch bei Tischler, und selbst in den<br />
Fibeln ist ein Fortschritt über Alm grens grundlegende Arbeit gemacht,<br />
sooaß die Entwicklung und Chronologie <strong>der</strong> einzelnen Schmuckstücke aus<br />
Frauengräbern und <strong>der</strong> Schnallen und Riemenzungen aus Männer-<br />
gräbern bei dem Fehlen von Waffen in dieser Zeit in <strong>der</strong> Weise<br />
gesichert ist, dak jedesmal Zusammengehöriges in deutlichen Gruppen<br />
auf sechs Tafeln vereint ist, die für unser Gebiet ebenfalls den Wert<br />
von Typenkarten besitzen.<br />
Es ist interessant, daß wir sofort eine Probe auf das Exempel<br />
machen tonnen, wenn wir aus <strong>der</strong> Kuhseschen Sammlung die Stücke<br />
6911—IL auf Tafel III betrachten, die im Acker bei Carow gefunden<br />
sind und wahrscheinlich einem Grabe zugeschrieben wurden. Nun ergiebt<br />
sich sofort, daß das erste Stück, umgekehrt abgebildet, eine Riemenzunge<br />
l) Zeitschrist für Ethnol. 190), S. 393. Mannus-Nibliotbek Vd. IX, b8.<br />
') Mammy.Bibliothek M. VIII. Vergl. meine ausjührliche Besprechung<br />
im Zentralblatt für Anthropologie 19l2. Bd. XVII, 394.<br />
') Zeitschrift für Ethnologie 1905, S. L90.
Waller, Über Altertümer und Ausgrabungen in Pommern 335<br />
mit profiliertem Kopf aus <strong>der</strong> mittleren Fundftufe ist, die auf Blu mes<br />
Tafel II in ihren Typen dargestellt ist und richtig auch das an<strong>der</strong>e<br />
Stück, die kräftig profilierte Fibel, als gleichzeitig aufführt. So<br />
bringen unsere Funde <strong>der</strong> wissenschaftlichen Untersuchung neues Material<br />
zu und schöpfen zugleich aus ihr die richtige Bewertung.<br />
Es ist zu bedauern, daß Blume bei Aufzählung <strong>der</strong> römischen<br />
Importgefätze aus Metall und Glas die ausgezeichneten Funde von<br />
Lübww, Kreis Grcifenberg, nicht mehr einreihen tonnte. Dafür sind<br />
diese, die nach ihrer Entdeckung und vorläufigen Erwähnung schon das<br />
größte Aufsehen erregen mußten/) nunmehr von berufenster Seite<br />
untersucht und in würdiger Weise publiziert worden') und dürften eine<br />
Hauptsehenswürdigleit in dem mehrfach erwähnten Ecksaale des Neuen<br />
Museums bilden, da sie auch nach maßgebendem Urteil an Kostbarkeit<br />
und künstlerischem Wert zu den ersten dieser Art in Norddeutschlaud zu<br />
rechnen sind uud dem Hildesheimer Silberfund zur Seite gestellt werdeu<br />
können. In einer Steiukammer mit Ninne im gepflasterten Boden<br />
standen neben einer Urne mit Asche übereinan<strong>der</strong>gepackt eine stäche<br />
Bronzeschüssel mit schlangenköpfigeu Henkeln, wie sie aus Pompeji uud<br />
Voscoreale bekannt find, darin zwei silberne Becher bester römischer<br />
Arbeit aus neronischer Zeit, durch die neues Licht auf die Hildesheimer<br />
Gefäße fällt, ferner zwei Kasserollen, ein Eimer aus einer kapuamschen<br />
Fabrik, eine Weiukauue mit Mecblattmündung, eine weißmetallene<br />
Spiegelplatte mit gezacktem Rand und zwei Gläser. Aus Nesten konnten<br />
noch zwei Trinthörner mit Silberbeschlag wie<strong>der</strong>hergestellt worden,<br />
schließlich fand sich noch eine Schere, eine kostbare Fibel aus Silber und<br />
Gold, vier einfachere Fibeln uud zwei silberne Nadeln. Einiges zur<br />
Chronologie uud Wertung des bedeutsamen Fundes, zu dem auch<br />
Begleitstücke in unsere Sammlung gekommen sind, ist schon berührt;<br />
ein zweiter Artikel des Verfassers soll die allgemeine Bedeutung uud die<br />
nicht importierten Stücke behandeln. Die Zeitbestimmung wird sich<br />
kaum noch än<strong>der</strong>n, zu den nicht weiter besprochenen Fibeln finden sich<br />
die Parallelen in Alm grens Gruppe IV, z. B. Nr. 72, auch<br />
Filigrantechnik in Nr. 88 aus <strong>der</strong> älteren römischen Periode, und auch<br />
bei Blume dürfte <strong>der</strong> Formtreis <strong>der</strong> Tafel II entsprechen.<br />
Die spätere römische Kaiserzeit leitet iu ostgermanischen Gebieten<br />
von selbst zur Mendenzeit hinüber. Blume hat zum Schluß seines<br />
Werkes von S. 211 au die Frage des Aufkommens <strong>der</strong> Slaven auch<br />
noch behandelt und aus dem ganz allmählichen Abnehmen des germanischen<br />
') Monatsblätter 1909. S. 28. Balt. Stud. Nd. XIII, 212, Bd. XV, 207.<br />
') Pernice, Der Grabfund von Wbsow, Prahlst. Zeitschrift Bd. IV,<br />
126 mit b Tafeln.
336 Waller, Über Altertümer und Ausgrabungen in Pommern.<br />
Fundmaterials auf ein ebenso langsames Einschieben <strong>der</strong> nirgends als<br />
Eroberer auftretenden neuen Besiedler geschlossen, zumal keine Erzähluug<br />
eines germanischen Stammes von Bedrängnis durch diese spricht, viel-<br />
mehr die Ostgermauen freiwillig uä melioryz wrrkg zogen. Eine<br />
Mischkultur ist nicht entstanden, wohl aber haben die Slaven einzelne<br />
Formen germanischer Vorbil<strong>der</strong> einfach übernommen.<br />
Eine merkwürdige Beobachtung konnte ich in Tenzerow machen.<br />
Das oben erwähnte ausgedehnte Graberfeld westgermanischer Hinter-<br />
lassenschaft füllt zu einem tief eingeschnittenen, offenbar uralten Wege<br />
ab, von dem sich rechts ein an<strong>der</strong>er Höhcuzug erhebt. Hier nun liegen<br />
ebenfalls Reihen von Grabftellen im Acker, die aber sämtlich unverkennbar<br />
slavische Scherben enthielten; augenscheinlich haben also Slaven sich in<br />
unmittelbarer Nähe einer starken germanischen Nie<strong>der</strong>lassung o<strong>der</strong> ihres<br />
Friedhofes zahlreich nie<strong>der</strong>gelassen, es dürfte also die erstere damals<br />
noch bekannt o<strong>der</strong> erkennbar gewesen sein.<br />
In Stargard hat am 31. März <strong>der</strong> Heiniatbnnd eine Nach-<br />
grabung vorgenommen, aber nur einige Steinpackungen unter Boden?<br />
niveau mit Kohle und Scherben zutage geför<strong>der</strong>t. Als ich hinzukam,<br />
konnten in dem Winkel <strong>der</strong> Ihna und des Eisenbahndammes nur noch<br />
wenige Gefäßscherben aufgelesen werden, die slavisch zu sein scheinen,<br />
im übrigen aber war <strong>der</strong> Acker hier schon viel zu lauge intensiv bebaut<br />
gewesen, um noch bemerkenswerte Ergebnisse zu bergen.<br />
Ein Tongefaß <strong>der</strong> Kuhseschen Sammlung, von dem lei<strong>der</strong> nichts<br />
Näheres bekannt ist, gibt sich durch seine henkellose Form und Niefeluug<br />
als wendisch zu erkennen und vergrößert wenigstens die noch nicht<br />
allzu große Zahl <strong>der</strong> Gefäße dieser Periode.<br />
Schließlich ist noch eine Reihe von Burgwallen in den Kreisen<br />
Saatzig und Negenwalde festgestellt worden. In Plathe wurde die völlig<br />
überwachsene Stelle <strong>der</strong> ältesten Ansiedlung beim Ausflug <strong>der</strong> Gesellschaft<br />
besichtigt; in Stargordt liegt <strong>der</strong> alte Burgwall 1 Kin vom Dorfe an<br />
<strong>der</strong> Rega, seine Umwallung ist noch zu erkennen und durch charakteristische<br />
Scherben bestimmbar. In Stramehl ist <strong>der</strong> Burgwall nur urkundlich<br />
nachzuweisen, jetzt aber ebenso wie in Wangerin durch spätere Gutsbauten<br />
an <strong>der</strong>selben Stelle in seiner ursprünglichen Gestalt nicht mehr zu<br />
erkennen.') In <strong>der</strong> Umgegend von Iakobstmgen ist eine hübsche Anlage<br />
mit Doppelwall und Porwerk bei Tornow beschrieben und abgebildet<br />
von Knack, ein Wendenwall liegt ferner am Saatziger See, mehrere<br />
Burgwälle werden am Wokuhl- und Nethftubbensee, eine Waldburg mit<br />
') Lemcke, Die Baudenkmäler des Kreises Regenwalde, S. 423, 428, 492.
Malier, Über Altettiimer und Ausssrabnnssen in Pommern.<br />
steil abfallendem Wall am Wochenitzsee in sagenumwobener Einsamkeit<br />
beschrieben, endlich unfern davon ein kleiner Vurgwall.^)<br />
Über die schon oft behandelte Frage <strong>der</strong> slavischen Ortsnamen in<br />
Pommern ist auch im letzten Jahre wie<strong>der</strong> von Schlemmer gehandelt,<br />
gegen dessen weitgehende Delltllugell mit Nccht Bedenken erhoben filld.^)<br />
Borsichtiger läßt Deecke manche unerklärt und beschränkt sich auf eine<br />
kleine Zahl mit wahrscheinlicher Ableitung.")<br />
Die vorgeschichtliche Forschung hat also cmch im letzten Jahre<br />
nicht geruht; möchte nuumehr die neue Aufstellung <strong>der</strong> Altertümer<br />
vermehrten Besuch sowie zunehmendes Verständnis und allseitige<br />
Bereicheruug <strong>der</strong> Sammlung nach sich ziehen!<br />
') Knack, Vurg Saahig, S. 8 mit Abb. 20, 231, 2V und 247.<br />
') Programm Treptow 1912, besprochen von Ai. Wehr m ann , Monatsblätter<br />
1912, S. 107.<br />
') Landeskunde von Pommern, S. 67.
über die<br />
Tatisskeit <strong>der</strong> Kommisston zur Erforschung und Erhaltung<br />
<strong>der</strong> Denkmäler in 5er Drovinz Hommern<br />
in <strong>der</strong> geit<br />
vsm 1. Ottober 1912 bi» 30. September IN».<br />
l. Zusammensetzung <strong>der</strong> Kommission.<br />
Am Schlüsse des Berichtsjahres gehörten <strong>der</strong> Kommission an als<br />
Mitglie<strong>der</strong>:<br />
1. <strong>der</strong> Landeshauptmann <strong>der</strong> Provinz Pommern von Eisenhart-<br />
Nöthe in Stettin, Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong> Kommission,<br />
3. <strong>der</strong> Oberbürgermeister I)r. Ackermann in Stettin, stellvertreten<strong>der</strong><br />
Vorsitzen<strong>der</strong>,<br />
3. <strong>der</strong> Geheime Iustizrat Dr. Langemat in Stralsnnd,<br />
4. <strong>der</strong> Kaiserliche Wirkliche Geheime Nat Dr. Freiherr<br />
von Maltzahn-Gültz in Gnltz,<br />
5. <strong>der</strong> Pastor Pfaff in Selchow,<br />
6. <strong>der</strong> Kammerherr Graf von Zitzewitz in Zezenow,<br />
als Stellvertreter:<br />
1. <strong>der</strong> Superintendent Gercke in Gingst,<br />
2. <strong>der</strong> Rittergutsbesitzer von Kamele in Cratzig,<br />
3. <strong>der</strong> Fidcikommihbesitzer Graf von <strong>der</strong> Groeben in Divitz,<br />
4. <strong>der</strong> Oberbürgermeister Kolde in Stargard, Pommern,<br />
5. <strong>der</strong> Iustizrat Sachse in Köslin.<br />
Provinzial-Konservator war <strong>der</strong> Geheime Negiernngsrat Professor<br />
Di-, semcke in Stettin.
li. Kitzllng <strong>der</strong> Aommtssson.<br />
Die Sitzung <strong>der</strong> Kommission fand statt unter dem Vorsitze des<br />
Landeshauptmanns von Eisenhart-Rothe am 10. Dezember 1.912;<br />
anwesend waren außer dem Vorsitzenden <strong>der</strong> Oberbürgermeister<br />
I)i. Ackermann, <strong>der</strong> Vorsitzende des Provinzial-Ansschusses ^andrat<br />
Graf Behr-Behrenhoff, <strong>der</strong> Oberbürgermeister Kolbe, <strong>der</strong> Pastor<br />
Pfaff, <strong>der</strong> Iustizrat Sachse, <strong>der</strong> Prooinzial-Kom'ervator Lemcke.<br />
Ausgelegt waren die seit <strong>der</strong> letzten Sitzung eingegangenen Veröffentlichungen<br />
<strong>der</strong> Kommissionen an<strong>der</strong>er Provinzen und Regierungsbezirke:<br />
1. aus Schleswig-Holstein des Direktors des Thaulow-Museums,<br />
des Landcsbibliothekars, <strong>der</strong> ProvinMl-Kommission für Kunst, Wissenschaft<br />
und Denkmalpflege und des Provinzial-Konservators für 1911;<br />
2. aus Ostpreußen des Konservators <strong>der</strong> Kunstdcnkmäler über<br />
seine Tätigkeit im Jahre 1911 und das Werk Dethlefsen, Bauernhäuser<br />
und Holzkirchen in Ostpreußen;<br />
3. aus Westpreußen <strong>der</strong> Provinzial-Kommission zur Verwaltuug<br />
<strong>der</strong> Museen über ihre Tätigkeit und die Verwendung <strong>der</strong> ihr zur<br />
Verfügung gestellten Mittel im Jahre 1911;<br />
4. aus Brandenburg die Kunstdenkmüler <strong>der</strong> Provinz Brandenburg<br />
Teil II, Äaud VI, Kreis Frankfurt a. O. und Teil III, Vaud II,<br />
Kreis Brandenburg;<br />
5. aus Hannover Heft 11 <strong>der</strong> Kunstdenkmäler, Stadt Hildesheim,<br />
kirchliche Bauten;<br />
6. aus Westfalen Bericht des Landeshauptmanns über die<br />
Tätigkeit <strong>der</strong> Provinzial-Kommiision zum Schutze uud zur Erhaltung<br />
<strong>der</strong> Denkmäler in <strong>der</strong> Zeit vom 1. Januar 1910 bis zum 31. Dezember<br />
1911;<br />
7. aus dem Regierungsbezirke Wiesbaden Jahresbericht <strong>der</strong><br />
Bezirkskommission zur Erforschung und Erhaltung <strong>der</strong> Denkmäler für<br />
das Jahr 1911.<br />
Vorgetragen wurde <strong>der</strong> von dem Provinzial-Konservator verfaßte<br />
Entwurf des XVIII. Jahresberichts, in dem die Denkmalpflege Pommerns<br />
in <strong>der</strong> Zeit vom 1. Oktober 1911 bis 30. September 1912<br />
behandelt ist; <strong>der</strong> Bericht fand die Znstimmnng <strong>der</strong> Kommission uud ist<br />
in <strong>der</strong>selbeu Weise wie früher veröffentlicht uud verbreitet worden. Er<br />
ist in den „Baltischen Studien" <strong>der</strong> Gesellschaft für Pommersche<br />
Geschichte und Altertumskunde N. F. Band XVI abgedruckt, in Son<strong>der</strong>drucken<br />
sämtlichen Pfarrämtern im Wege des Umlaufes zugegangen und<br />
wird auf ausgesprochenen Wunsch allen, die sich für die Denkmalpflege<br />
Pommerns interessieren, von dem Konservator unentgeltlich zugesandt.
- Ili -<br />
m. ßryattunss Nttd Mtekerberlkellnng von Denkmälern.<br />
Arbeiten größeren Umfangs und iu Städtcn.<br />
Die umfassende Wie<strong>der</strong>herstellung des Innern und des Äusieru ist<br />
an <strong>der</strong> Marienkirche in Äelgard zu Ende geführt, au <strong>der</strong> Marienkirche<br />
in Dramburg ist sie noch im Werke, steht aber nahe vor dem<br />
Abschlüsse. Die Bclgar<strong>der</strong> Kirche (Vöttger, Die Ban- und Knnstdenkmäler<br />
des Kreises Belgard, S. «-—^), nach Knglers Urteil unter<br />
den basilikalen Anlagen Hinterpommerns die edelste, hat in ihrer änhereu<br />
Erscheinung keine Verän<strong>der</strong>ung erfahren, selbst die sehr unschönen Flachdächer<br />
<strong>der</strong> Seitenschiffe, sind lei<strong>der</strong>, da für eine an<strong>der</strong>e Dachkonstruktiou die<br />
Mittel fehlten, ans Rücksicht ans die Belichtung des Mittelschiffes geblieben,<br />
wie sie znleht waren. Im Innern dagegen treten die edlen Formen<br />
<strong>der</strong> Architektur, gehoben und nnterstützt dnrch eine sachgemäße künstlerische<br />
Vemalnng. in allen Teilen so lebendig uud wirksam hervor, daß auch<br />
die beibehaltenen Emporeneiubauten die Harmonie des Ganzen kaum<br />
noch zu störeu vermögen. Das Mittelschiff hat seiue ehemaligen Sterw<br />
gewölbe wie<strong>der</strong>erhalten, <strong>der</strong> prächtige 10 in hohe Altaraussatz des<br />
frühen Barocks, <strong>der</strong> weiß überstricheu war, strahlt in alter Farbenpracht,<br />
die Neste einer ihm gleichzeitigen ehemaligen Kanzel haben für<br />
einen neuen Aufbau die Grundform hergegeben; von <strong>der</strong> an<strong>der</strong>n Seite<br />
her fesselt <strong>der</strong> vornehm gefärbte Orgelprospekt den Blick; farbig gemalte<br />
Fenster und an<strong>der</strong>er Schmuck, gestiftet vom Kaiser und <strong>der</strong> Kaiserin,<br />
vom Statthalter Pommerns, dem Prinzen Eitel Friedrich, von <strong>der</strong><br />
Stadtgemeinde, dem Kreistage und alteingesessenen Geschlechtern des<br />
Kreises sowie aus den Einzelgaben ergiebiger Sammlungen vermehren<br />
den Schmuck und suchen gut zu machen, was namentlich das l^. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />
an <strong>der</strong> Kirche gesündigt hatte. Am 10. Juni konnte das<br />
(Gotteshaus dem kirchlichen Gebrauche zurückgegeben werden.<br />
Wie in Dramburg, so sind auch an <strong>der</strong> Peterskirche in Garz auf<br />
Rügen die Arbeiten noch nicht abgeschlossen; an beiden Orten gilt es,<br />
Schäden gut zu machen, die durch üble Vehandlnng o<strong>der</strong> lange Vernachlässigung<br />
eutftanden sind. In Kammin wurde die Heißluftheizung<br />
des Doms nach dem System Wellen fertiggestellt; dabei war es nicht<br />
zu umgehen, daß im Hohen Chor auch (Grabgewölbe angeschnitten<br />
wurden, die nach dem Formate <strong>der</strong> Ziegel zu urteilen, mit deuen die<br />
einzelnen Grüfte sargähnlich aufgemauert und durch Wölbung geschlossen<br />
waren, den ältesten Bauteilen des Domes fast gleichzeitig warm; es<br />
waren ihrer hier im ganzen füuf uud emc uuter ihuen so geringer<br />
Abmessungen, daß sie nur den Leichnam eines Kindes aufzuuehmen<br />
geeignet war. Dies legt die Vermutung nahe, daß es sich überhaupt
— lV -<br />
um Laiengräber handelt, die an einer so bevorzugten Stelle nur die<br />
von Mitglie<strong>der</strong>n <strong>der</strong> landesherrlichen Familie sein können, wahrscheinlich<br />
also Kasimirs I., des Stifters des Domes, und seiner Angehörigen,<br />
von denen einige im Kindesalter starben; von ihm steht es urkundlich<br />
fest, daß er in <strong>der</strong> durch ihn begründeten Kirche die letzte Ruhe fand.<br />
Die Tumben machten bis auf eine den Eindruck, daß sie we<strong>der</strong><br />
geöffnet, noch sonst zerstört waren, aber es fand sich nichts in ihnen,<br />
das über ihre Inhaber hätte Aufschluß geben können; außer Knochenteilen<br />
und unbestimmbaren Geweberesten fanden sich nnr morsche Holzteile<br />
von sargen und, an einer Stelle beson<strong>der</strong>s zahlreich, starke<br />
Sargnägel. Die Überwölbnngen waren noch so fest, daß sie <strong>der</strong> Spitzhacke<br />
längeren Wi<strong>der</strong>stand leisteten. Näheres wird darüber in dem<br />
Inventare <strong>der</strong> Baudenkmäler des Kreises Kammin gegeben werden. Für<br />
die Kapelle in Pö'.itz sind die lange vergeblich angestrebten Erhaltungsarbeiten<br />
soweit vorbereitet, daß mit Sicherheit auf ihre Erledigung<br />
gehofft werden kann. In Stargard ist die Wie<strong>der</strong>herstellung des<br />
Altarschreins <strong>der</strong> Iohannistirche, <strong>der</strong> neben dem Hauptaltare des<br />
Kamminer Domes und einigen Altären in Kolberg in ganz Hinterpommern<br />
das einzige größere Werk dieser Art ist, noch in <strong>der</strong> Schwebe,<br />
nachdem <strong>der</strong> Pastor Redlin das Zeitliche gesegnet; für die Denkmalpflege<br />
ist <strong>der</strong> Tod eines so eifrigen und einsichtigen Vertreters auch über den<br />
Kreis seines amtlichen Wirkens hinaus ein schwerer Verlust. In<br />
Stolp ist die an eine an<strong>der</strong>e Stelle versetzte Georgskapelle zwar<br />
genau in <strong>der</strong> alten Form ausgebaut, aber wegen Mangels an Mitteln<br />
noch unfertig geblieben; die Sicherung und dauernde Erhaltung des<br />
wertvollen Polygonballes, dem Pommern nur wenige an die Seite zu<br />
setzeu hat, ist dringend geboten. In Stralsund ist <strong>der</strong> Ausbau <strong>der</strong><br />
Iohannisklosterkirche jetzt nahezu abgeschlossen, über die Verwendung <strong>der</strong><br />
Katharinenkirche aber noch nicht entschieden. Für die Marienkirche in<br />
Regenwalde ist eine Ausmalung in Aussicht genommen, für die Peter-<br />
Paul-Kirche in Stettin darf <strong>der</strong> Beginn des inneren Ausbaues für<br />
1914 als sicher erwartet werden. In Wolgast hat die Gemeinde die<br />
Erneuerung <strong>der</strong> alten Totentanzgemälde nach Holbein nnd ihre Zurückversetzung<br />
an ihre ursprüngliche Stelle in <strong>der</strong> Gertrudkapelle, trotz in<br />
Aussicht gestellter Unterstntzuug, abgelehnt. In Wollin sind in <strong>der</strong><br />
Nikolaikirche Gemälde <strong>der</strong> Barockzeit an <strong>der</strong> inneren Ausstattung aufgedeckt<br />
und nach Entfernung des toten Überstrichs wie<strong>der</strong> farbig hergestellt.<br />
Von städtischen Profanbauten hat das Steintor in Tribsees seine<br />
Erneuerung beendigt, während die Tore und Türme <strong>der</strong> Stadtwehren<br />
in Pasewalk, Nügenwalde und Schlawe, wo sie vorbereitet ist,<br />
ihrer noch harren, für Nügenwalde ist auch <strong>der</strong> Ausbau des ehemaligen
- V -<br />
Herzogsschlosses in Aussicht genommen. Im Interesse <strong>der</strong> Erhaltung<br />
ist in Greifs wald das Haus Markt 10 von <strong>der</strong> Kreisverwaltung,<br />
in Stargard das Hans Mühlenstraße 9 von <strong>der</strong> Stadtgemeinde<br />
erworben und auch <strong>der</strong> Ausbau des ehemaligen Zeughauses angebahnt.<br />
In Ttralsund sind die dem Stadtkrankenhause benachbarten Wehrbauten<br />
durch die beabsichtigte Erweiterung dieses Hanses bedroht. Einer<br />
Verlegung <strong>der</strong> Treppe in dem Nathans? daselbst und den dadurch<br />
bedingten Verän<strong>der</strong>ungen konnte zugestimmt werden. Iu Stettin ist<br />
die arge Beschädigung <strong>der</strong> herzoglichen Reitbahn iu <strong>der</strong> Rittcrstraße die<br />
Veranlassung gewesen, daß in dem neuen Stadtmuseum eine genaue<br />
Nachbildung des reizvollen Rcuaissauceportals aufgestellt ist. Der Einrichtung<br />
von Konfirmandensälen in dem Prioratshause <strong>der</strong> Iakobikirche,<br />
dem ältesten Wohnhause in Stettin, wurde zugestimmt uuter <strong>der</strong><br />
Bedingung, daß die drei vom Platze aus sichtbaren Außenwände erhalten<br />
bleiben; im Innern war das Haus schon lange verbaut.<br />
Ausbau und Wie<strong>der</strong>herstellungen in ?andkircheu.<br />
Abgeschlossen ist <strong>der</strong> Ausbau mit neuer Turmlösung in Altefähr,<br />
ohne diese mit Erneuerung <strong>der</strong> Ausmalung in Kemnih, Stoven<br />
(Randow), Dargih, Naulin, ausgebessert die Kirchenruiue in Kolzow,<br />
die Erneuerung vorbereitet iu Caseburg, Iajsow, putzig, Nessin,<br />
Namiu, Röhenhagen, Stolzenberg, nahe vor dem Abschlüsse m<br />
Pumptow, vertagt in Grambow, Kirchbaggendorf, Kloster<br />
(Rügen), Nehriugen, Roman, Persanzig, Steinhagen, umfassende<br />
Erneuerung ist im Werke iu Gützlaffshage n und Zedlin. Einzelne<br />
Teile des Gebäudes o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Ausstattung sind erneuert in Altenschlage,<br />
Boblin, Messentin, Wusterhausen, in Middelhagen (Rügcu)<br />
<strong>der</strong> Katharinenaltar, während in Patzig (Rügen), die Gemeinde <strong>der</strong><br />
Wie<strong>der</strong>herstellung des Margarethenaltars wi<strong>der</strong>strebt, in Prerow die<br />
Freilegung des völlig verdeckten, sehr schönen Tauftabernakels abgelehnt<br />
hat. Eine Gewähr für erschöpfende Vollständigkeit dieser Angaben über<br />
Landtirchen kann lei<strong>der</strong> nicht übernommen werden, da die vorgeschriebenen<br />
Anzeigen über den Beginn und die Beendigung <strong>der</strong> Arbeiten meist nur<br />
von den Königlichen Bauämtern einzugehen pflegen und, wenn solche an<br />
den Bauten nicht beteiligt sind, oft ausbleiben. Dies gilt namentlich<br />
für die Anlage von Heizungseinrichtungen. Gutachten über solche<br />
sind in dem Berichtsjahr von dem Konservator eingefor<strong>der</strong>t für die<br />
Kirchen in Gutzkow, Gützlaffshagen, Iasenitz, Kammin (Dom),<br />
Koserow, Köslin (Gertrudkapelle), Messenthin, Gr. Mölln,<br />
Nehringen, Treptow Toll., Velgast, Vorland, Wieck Kreis<br />
<strong>Greifswald</strong>, Wiet a. Rügen, Woltersdorf Kr. Randow, Zedlin,
Zingst. Die Zahl <strong>der</strong> eingerichteten Heizungen ist aber nach den<br />
Erfahrungen früherer Jahre sicher erheblich größer. Es ist wie<strong>der</strong><br />
darüber Klage zu führen, daß die bezüglichen Anträge bei dem Konservator<br />
viel zu spät im Jahre einlaufen, oft erst im November, statt im Frühjahre,<br />
und es dadurch erschwert, ja unmöglich gemacht wird, daß <strong>der</strong><br />
Konservator diese Anträge in Verbindung mit seinen Sommerreisen, die<br />
ihn durch die ganze Provinz führen, erledigen kann; man überläßt sich<br />
lieber einem Handwerker, <strong>der</strong> nicht einmal imstande ist, einen sachgemäßen<br />
Kostenanschlag aufzustellen und eine brauchbare Zeichnung zu entwerfen,<br />
als daß mall den Konservator hört, <strong>der</strong> seinen Rat doch unentgeltlich<br />
erteilt nnd einen Überblick hat über die nützlichen o<strong>der</strong> schädlichen<br />
Einwirkuugen <strong>der</strong> verschiedenen Heizungsanlagen. Übereilung ist hier<br />
um so nachteiliger, als die elektrischen Überlandzentralen angefangen<br />
haben, ihre Leitungen über das ganze Land auszubreiten und die<br />
Möglichkeit geboten ist, elektrische Heizuugen eiuzubaueu, die in <strong>der</strong> ersten<br />
Anlage vielleicht etwas teuerer als an<strong>der</strong>e sind, aber keiner Bedienung<br />
bedürfen, die bei je<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Heizung auf die Dauer unbegrenzt hohe<br />
Summen for<strong>der</strong>t. Nicht min<strong>der</strong> empfiehlt es sich für die Allsmalung<br />
<strong>der</strong> Kirchen den Rat und Beistand des Konservators beizeiten einzuholen.<br />
Es ist unglaublich, was namentlich im ^aufe des vergangenen Jahr?<br />
Hun<strong>der</strong>ts in dieser Beziehung voll Stubenmalern und Anstreichern in<br />
unseren Kirchen gesündigt ist und jetzt mit großen Kosten, wenn überhaupt<br />
uoch möglich, wie<strong>der</strong> gutgemacht werden muß.<br />
IV. Schutz <strong>der</strong> Denkmäler.<br />
In Pyritz, wo man stolz sein sollte auf die in seltenster<br />
Vollständigkeit erhaltene und unvergleichlich schöne mittelalterliche Stadtwehr,<br />
hat man sie am Stettiner Tor nicht nur in rücksichtslosester<br />
Weise durch ttmbauung bedrängt, son<strong>der</strong>n war auch willens jetzt den<br />
ehemaligen Wallgraben in <strong>der</strong> Nähe dieses Tors zu verschütten. In<br />
^auenburg drohte dem mit vielen Kosten erst vor einigen Jahren<br />
wie<strong>der</strong>hergestellten Efeuturme <strong>der</strong> Stadtbefestignng das Schicksal durch<br />
einen Schuppenbau auf dem Hofe einer benachbarten Fabrik zu einem<br />
großen Teile den Blicken entzogen zu werden. In Dramburg wurde<br />
die Beseitigung eines verfallenen Stückes <strong>der</strong> Stadtmauer genehmigt,<br />
nachdem die Stadtgemeinde sich zu <strong>der</strong> dauernden Unterhaltung <strong>der</strong><br />
übrigen Neste ausdrücklich verpflichtet hatte.<br />
Die Sicherungsbauten an dem Bergfried <strong>der</strong> ehemaligen Burg in<br />
Löckniy (vergl. XVIII. Jahresbericht S. VII und Abb. 3 und 3),<br />
sind im Vaufe des Sommers begonnen, mußten aber, weil bei <strong>der</strong>
- VII -<br />
Ausführung eigenmächtige Abweichungen von dem vorgeschriebenen<br />
Baupläne vorfielen, eine Zeitlang unterbrochen werden.<br />
Daß auch die oft so malerischen alten Kirchhofsmauern, die<br />
nach Art <strong>der</strong> sogenannten Zyklopenmauern errichtet sind, von Zerstörung<br />
bedroht sind uud des Denkmalschutzes bedürfen, hat sich in letzter Zeit<br />
mehrfach und hänfiger als früher bemerkbar gemacht. Sehr dankenswert<br />
ist es, dan die Bemühnngeu des Konservators zum Schutze dieser<br />
Denkmäler, die oft weit älter sind als die Kirchen, die von ihueu<br />
umgeben sind, nachdrückliche Unterstützung gefunden haben durch den<br />
Evangelischen Preßverband <strong>der</strong> Provinz Pommern. Diele Mauern sind<br />
kein freies Eigentum <strong>der</strong> Gemeinden und es bedarf zu ihrer Veräußerung<br />
und Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Genehmigung <strong>der</strong> Aufsichtsbehörde. Im Ortsbilde<br />
machen sie einen wesentlichen Bestandteil aus und tragen zu dessen<br />
eigentümlichem Charakter bei. Viele weisen in ihren Portalen höchst<br />
beachtenswerte Formen auf. Aus Granitfiudlingen, also aus echt bodenständigem<br />
Material errichtet, erinnern sie daran, daß die Dorfkirchen in<br />
alter Zeit oft auch als Wehrballten dienen mußten.<br />
Ein Deutmal, wenn auch kaum 100 Iabre alt, und doch des<br />
Schutzes und <strong>der</strong> Erhaltuug wert ist das zur Eriunerung an die Zeit <strong>der</strong><br />
Freiheitskriege ans dem Vollen berg e bei Kösliu errichtete schlichte<br />
Eisenkreuz. Das Kreuz selbst ist ja vor kurzem von <strong>der</strong> Stadtgemeinde<br />
Kösliu iu Stand gesetzt worden, aber die Umgebung befindet sich nicht<br />
bloß infolge mangeln<strong>der</strong> Pflege in einem Zustaude, <strong>der</strong> eines solchen<br />
Denkmals nicht würdig ist. Über das Eigentumsrecht au ihm uud die<br />
Pflicht zu seiner Unterhaltung sollen Feststellungen erfolgen.<br />
Eine Verschaudelung des Ortsbildes von Taßnitz, wo die an<br />
<strong>der</strong> Berglehne vor dem Waldessaume höchst malerisch gelegene Kirche in<br />
Gefahr war, durch ein vorgebautes Warenhaus völlig verdeckt zu werdeu,<br />
ist dadurch verhütet wordcu, daß die Dorfgemeinde sich entschloß, das<br />
betreffende Baugelände anzukaufen uud von <strong>der</strong> Bebauung für immer<br />
auszuschließen. Daß man in <strong>Greifswald</strong> kein Bedenken getragen<br />
hat, den Schweinemarkt, wenn auch nicht für immer, in die unmittelbare<br />
Nähe <strong>der</strong> Domkirche zu verlegeu, soll nicht unerwähnt bleiben.<br />
Der diesjährige Tag für Denkmalpflege wurde vom L4. bis<br />
28. September in Dresden in Verbindung mit dem Tage für<br />
Heimat schütz abgehalteu; die preußischen Konservatoren traten schon<br />
am 32. unter dem Vorsitze des Konservators <strong>der</strong> Kunstdenkmäler<br />
Geheimen Ober-Regierungsrats Lutsch zu einer beson<strong>der</strong>en Versammlung<br />
zusammen, an <strong>der</strong> sich auch die Vertreter Württembergs und Brauuschweigs<br />
als Gäste beteiligte«, und besprachen teils die in <strong>der</strong> amtlichen<br />
Tätigkeit in <strong>der</strong> letzten Zeit gemachten Erfahrungen, teils allgemeine<br />
«attische Studien N. F. X VU 23
- VN7 —<br />
Grundsätze und Gesichtspunkte für die bevorstehenden Aufgaben. Am<br />
23. wurde die von dem Geheimen Baurate Professor F. Wol ff besorgte<br />
und eingehend erläuterte Dcnkmalarchiv-Ausstellung besichtigt und<br />
studiert, woran sich unter sachkuudiger Führung im engeren Kreise die<br />
Besichtigung <strong>der</strong> Baudenkmäler und Kuustschäke <strong>der</strong> daran überreichen<br />
Residenz anschloß. Einen vorläufigeu Bericht über die ganze Tagung<br />
bringt aus <strong>der</strong> Fe<strong>der</strong> des Geheimen Baurats von Vehr die Nr. 13<br />
<strong>der</strong> Zeitschrift „Die Denkmalpflege"; <strong>der</strong> stenographische Bericht wird<br />
demnächst ausgegeben werden.<br />
V. Vorgeschichtliche Denkmäler.<br />
Die Sammlung und Erhaltung <strong>der</strong> vorgeschichtlichen Denkmäler<br />
Pommerns ist in <strong>der</strong> bisherigen Weise fortgesetzt; die Stettiner<br />
Sammlnng hat ihre vielbewun<strong>der</strong>ten Schätze in das Städtische Museum<br />
an <strong>der</strong> Hakenterrasse übergeführt; die Hoffnuug aber, daß diese dort zur<br />
vollen Entfaltung hinreichenden Raum finden würden, und eine durchgehend<br />
systematische und chronologisch geordnete, wissenschaftliche Aufstellung<br />
erhalten könnten, hat sich nur zu einem Teile erfüllt. Immerhin<br />
macht die Sammluug in den ueuen Räumen eiuen weit vorteilhafteren<br />
Eindruck als früher und übt auf das Publikum eiue erfreuliche<br />
Auziehungskraft aus. Sie wurde vou dem Statthalter <strong>der</strong> Provinz,<br />
dem Prinzen Eitel Friedrich bei seiner letzten Anwesenheit in<br />
Stettin durch längere« Besuch ausgezeichnet. Die bemerkenswertesten<br />
unter den letzten Zugängen, drei Hausurnen aus dem Kreise<br />
Lauenburg, sind in <strong>der</strong> Anlage II von dem Konservator des Städtischen<br />
Museums im Zusammenhange besprochen und abgebildet; sie haben<br />
in den Fachkreisen berechtigtes Aussehen erregt, was auch dadurch bezeugt<br />
wird, daß bereits mehrere an<strong>der</strong>e Museen Nachbildungen bezogen haben.<br />
Über die Zugänge im einzelnen wird in den Monatsblätteru <strong>der</strong><br />
Gesellschaft für Pommersche Geschichte und Altertumskunde fortlaufeud,<br />
über das Iahresergebnis von Professor Ni'. Walter in den „Baltischen<br />
Studien" seit Iahreu im Zusammenhange berichtet. Die Bodenaltertümer<br />
Pommerns sind so zahlreich und haben sich als so bedeutsam erwiesen,<br />
daß gerade für sie <strong>der</strong> Erlaß eines allgemeinen Vodcnschutzgesetzes von<br />
Jahr zu Jahr dringen<strong>der</strong> nötig wird. Der Rechtsschutz <strong>der</strong> Bodenaltertümer<br />
ist gesetzlich geregelt bereits in 21 Staaten: Dänemark,<br />
Schweden, Finland, Norwegen, England, Britisch-Indien, Griechenland,<br />
Türkei, Aegypteu, Tuuis, Bulgarien, Rumänien, Frankreich, Italien,<br />
Spanien, Schweiz, Österreich, Hessen, Bayern, Oldenburg, Lübeck; in<br />
Preußen fehlt er noch immer.
- IX —<br />
VI. De««malforsch««s.<br />
Die Inventarisierung <strong>der</strong> Baudenkmäler ist von dem<br />
Provinzial-Konservator ununterbrochen fortgesetzt, das 10. Heft <strong>der</strong><br />
Denkmäler des Regierungsbezirks Stettin, den Kreis Negen wal de<br />
umfassend, ist erschienen, das 11., Kreis Greifenberg, druckfertig, das<br />
12., Kreis Kam min, so weit geför<strong>der</strong>t, daß es diesem unmittelbar folgen<br />
tann. Im Negicrnngsbezirke Köslin ist die Sammlung des Stoffes<br />
abgeschlossen, an den Ergänzungen für den Negierungsbezirl Stralsund<br />
lst dauernd weitergearbeitet. Das Ergänzuugsheft für deu<br />
Kreis Pyritz, dessen Volkstum zu bearbeiten <strong>der</strong> Gymnasialdirektor<br />
Dr. Holsten in Pyritz übernommen hat, wird im Laufe des Sommers<br />
erscheinen können. Eine weitere Probe <strong>der</strong> dazu gehörigen Abbildungen<br />
ist am Schlüsse dieses Berichts dargeboten.<br />
Das dem 17, Jahresberichte beigegebcne Bild eines Marmorreliefs<br />
des Jüngsten Gerichts aus einem Epitaphe in Kremzow veranlasse<br />
den Provmzial-Konservator von Westpreußen zn <strong>der</strong> Mitteilung, daß<br />
<strong>der</strong>selbe Gegenstand in genan entsprechen<strong>der</strong> Form auch als Altargcmäldc<br />
in ^ungenau, Kreis Noseuberg, Wcstpreußen, sich finde, sowie in <strong>der</strong><br />
Andreaskirche in Braunschweig, beide seien zurückzuführen auf eine<br />
gemeinsame Qnclle, die vorliege in einem Kupferstiche vou Johann<br />
Sadeler (1550—1610) nach einem Gemälde vou Christoph Schwarz<br />
(geb. 1550 bei Ingolstadt, gest. um 1597 in Müucheu), <strong>der</strong> iu Venedig<br />
studierte und sich an Tintoretto und Paolo Veronese anlehnte. Eine<br />
Anfrage in Braunschweig brachte nicht nur die Bestätigung, son<strong>der</strong>n<br />
auch noch an<strong>der</strong>e Nachweise, die nach Schleswig-Holstein führten; hier<br />
boten Flensburg uud Borby die gleiche Darstellung ebenfalls nach<br />
Schwarz, doch iu freierer Behandlung, da das liegende Oval dort als<br />
Hochbild umgestaltet werden mußte. Schließlich erwies sich, daß auch<br />
das große Jüngste Gericht <strong>der</strong> Jakobikuche in Stettin, ein rechteckiges<br />
Breitbild, nach dem gleichen Vorbilde gearbeitet ist. Die Vorlage ist<br />
sicher für alle <strong>der</strong> Sadelersche Stich gewesen. Schwarz hal auch u. a.<br />
eine Kreuzigung gemalt, die ebenfalls gestochen ist und iu Gemäldeu<br />
uud Reliefs etwa A0 mal in Deutschland festgestellt werden konnte.<br />
Er ist offenbar am Ende des 16. Jahrhun<strong>der</strong>ts beson<strong>der</strong>s beliebt<br />
gewesen. Wo die beiden von Schwarz für die Herzogin Nenata<br />
von Bayern gemalten Originale dieser Darstellungen geblieben sind,<br />
ist nicht bekannt. Das Interessanteste an <strong>der</strong> Sache ist, zu sehen,<br />
wie Maler und Bildhauer nach <strong>der</strong>selben Vorlage arbeiteten; sie plagten<br />
sich nicht mit <strong>der</strong> Erfindung, dafür gelang die Ausführung desto besser;<br />
heute ist es umgekehrt, aber keineswegs schöner. (Mitteilungen <strong>der</strong><br />
Provinzial-Konservatoren Schmid und Haupt und des Mnseumsdirektors
— X —<br />
Geh. Hofrats Meier in Brannschweig.) Zwei spätere Darstellungen<br />
des Jüngsten Gerichts, in <strong>der</strong> Kammincr Bergkirche und in Iassow,<br />
Kreis Kammin, sind in letzter Zeit aus den Kuchen entfernt, sehr im<br />
Wi<strong>der</strong>spruch zu den im 17. Jahresbericht abgedruckten Run<strong>der</strong>lassen des<br />
Ministers <strong>der</strong> geistlichen Angelegenheiten vom 2. Oktober 1844 und<br />
11. Dezember 1890. Lei<strong>der</strong> sind beide dabei zugleich so rücksichtslos<br />
behandelt, daß ihre Wie<strong>der</strong>herstellung nicht ohne Schwierigkeiten sein wird.<br />
Für die Bücherei des Provincia!-Konservators ist eingegangen<br />
als Geschenk:<br />
Lutsch, H. Merkbuch zur Erhaltung von Vandenkmälern.<br />
Berlin 1912. 12.<br />
Die Knnstdenkmäler <strong>der</strong> Provinz Hannover, Band II, Regierungsbezirk<br />
Hildesheim 4. Stadt Hildes he im. Bürgerliche Bauten,<br />
Heft 12 des Gesamtwerts, bearbeitet von Ad. Zeller. Hannover 1912. 4.<br />
Die Kunstdenkmäler <strong>der</strong> Provinz Brandenburg. Teil III,<br />
Band IV, Kreis Frankfurt a. O. und Teil III, Band II, Kreis<br />
Brandenburg. Verliu 1913. 4.<br />
Hol scher, U. Kloster Loccum. Bau- und Kunstgeschichte eines<br />
Cistercienserstiftes. Hannover und Leipzig 1913. «.<br />
VIl. Meiyiilfen <strong>der</strong> Provinz für die Denkmalpflege.<br />
Der Provinzial-Landtag bewilligte im Jahre 1913 als Beihülfen<br />
für Denkmalpflege in Pommern zur Wie<strong>der</strong>herstellung<br />
des Kösliner Tores in Schlawe zu den früher bewilligten<br />
500 M. als Zulage 250 Mk., zusammen . . . . 750 Mk.<br />
<strong>der</strong> Schloßruine in Löcknitz 1(X)0 .,<br />
<strong>der</strong> Kirche in Samtens auf Rügen 2500 .,<br />
Zusammen 45')0 Mk.<br />
Der Landeshauptmann. Der Provinzial-Konseronior.<br />
von Eisenhart-Rothe. Di. Lemcke.
— XI —<br />
Anlaae I.<br />
Der Z0endma5lskelch tn 3>egow, ^r. Kowerg-Körlin.<br />
Abb. 1 bis 4.<br />
Die Dorstirche in Degow bei Kolberg besitzt einen Abendmahlslelch<br />
von so seltener Schönheit, daß er verdient in weitesten Kreisen<br />
bekannt zn werden. Der Kelch ist zwar in den Vandenkmälern des<br />
Regierungsbezirks Köslin von ^. Nötiger in dem 1. Hefte beschrieben<br />
und in den Nachträgen zum 2. Hefte auch abgebildet, aber die Beschreibung<br />
ist ganz nnznreichend und die Zeichnung in vielen Stücken verfehlt und<br />
mangelhaft, beide vermögen in keiner Weise einen Begriff von dem<br />
Werte und <strong>der</strong> Schönheit des Stückes zu geben.<br />
Der Kelch zeigt in seiner Gesamterscheinung die gotische Grundform<br />
des späten Mittelalters auf <strong>der</strong> Höhe ihrer Eutwickelung und auch in<br />
den durchbrochenen Teilen seiner Ausschmückung gotisches Maßwerk. Die<br />
übrige Dekoration <strong>der</strong> Flächen weist dagegen schon auf die Renaissance<br />
hin und erzielt, indem sie neben <strong>der</strong> schönen Form auch <strong>der</strong> Farben-<br />
Wirkung huldigt, überraschende Erfolge. Dazu kommt eine Technik, die<br />
in Sorgfalt und Geschick dem hochlünstlerischen Entwürfe durchaus<br />
ebenbürtig ist. Je<strong>der</strong> <strong>der</strong> drei Hauptleile, Fuß, Knauf und Kuppakorb<br />
(Becherschale), ist mit reichem Filigranornament bedeckt in <strong>der</strong> Weise,<br />
daß mit jedem durch Email hervorgehobenen Felde ein matt vergoldetes<br />
abwechselt, dessen geometrisches Filigrau die Fläche fast ganz zudeckt,<br />
während aus den verschiedenfarbig emaillierten Fel<strong>der</strong>n überaus fein<br />
gezeichnete Ornamente stilisierter Blumen und Blätter sich abheben.<br />
Über die Zeit und den Ort <strong>der</strong> Entstehung steht aktenmäßig nicht<br />
das Geringste fest; eine recht roh in den glatten Ttehrand des Fußes<br />
punktierte, später hinzugefügte Inschrift belehrt uns nur über die Namen<br />
des Pastors und <strong>der</strong> Kirchenvorsteher, die im Jahre 1652 den Kelch,<br />
wie sie beson<strong>der</strong>s hervorheben „gekauft" haben. Die Inschrift lautet:<br />
«I's ?V QO1"s^8 5«N5 Q^XaVs-s * äUNO 1652 * «V,lO«5l> «5l05lVläUU »<br />
p^en pzpk * ,14608 wll.?k * ^oom^l Vlcxe *; ferner auf einem glatten<br />
Rundschilde des Fußes ein wenig geschickt ausgegründeter Wappenschild<br />
mit <strong>der</strong> Inschrift: MkNi-lU Sllnou p. r>. ä. i. ?«.utor l)6ß
— XII —<br />
die Zeit des Ankaufes entstanden sein kann, son<strong>der</strong>n sehr viel älter ist,<br />
erkennt man auf den ersten Blick. Stadtstempel und Meisterzeichen<br />
fehlen, sie kamen erst im 16. Jahrhun<strong>der</strong>t anf. Ihr Fehlen und die<br />
Ornamente <strong>der</strong> Frührenaissance weisen anf den Anfang dieses Zeitraums<br />
hin; die beträchtliche Größe, <strong>der</strong> Kelch ist 23 cm hoch, läßt ungefähr<br />
anf die gleiche Zeit schließen, denn so umfangreiche nnd Mgieich kostbare<br />
Gefäße fanden sich im Mittelalter nnr in Kollegiatkirchen nnd Klöstern,<br />
sie mehrten sich aber in schneller Folge erst, als auch den Laien <strong>der</strong><br />
Kelch gereicht wnrde.<br />
Der in unserer Gegend ganz nngewöhnliche Filigranschmuck legt es<br />
nahe, sich nach Vorbil<strong>der</strong>n und Vergleichsftücken im Auslande umzutuu;<br />
das nördliche Filigran ist technisch von ihm so verschieden, daß an einen<br />
Zusammenhang mit dem Norden nicht gedacht werden kann; dagegen zeigen<br />
sich zweifellose Anklänge an das ungarische Drahtemail, das in mehreren<br />
Arbeiten aus dem beginnenden 16. Jahrhun<strong>der</strong>t in Schlesien vertreten ist.<br />
Vgl. Erwin Hintze und Karl Masner, Goldschmiedcarbeiten<br />
Schlesiens, Breslau 1911, S. 4 und II, Tafel 15 uud 16. Hervorzuheben<br />
ist die ganz eigentümliche Bildung <strong>der</strong> Knöpfe des Knanfes,<br />
die als sich erweiternde Blumentelche au eiuem Kelche des Breslauer<br />
Domes von 1501 genau so wie an dem Degower sich vorfinden; a. a.<br />
O. S. 4 unter Nr. b, während die obere Bekränzung des Knppakorbes<br />
in Degow an die des Kelches Nr. 4 a. a. O. erinnert. Wir werden<br />
also nicht fehl gehen, wenn wir den Degower Kelch <strong>der</strong> Gruppe des<br />
uugarischeu Drahtemails znrechnen, mag er nun nach ungarischen<br />
Vorbil<strong>der</strong>n in Schlesien angefertigt o<strong>der</strong> ans Ungarn über Schlesien zu<br />
uns gekommen sein. Auch die Farben des Email, blan, grün, braunrot<br />
uud opakes Weiß, stimmen mit denen <strong>der</strong> Breslauer Arbeite« überein.<br />
Hinzuzufügen ist noch, daß die gekörnte Vor<strong>der</strong>seite <strong>der</strong> Knöpfe des<br />
Knanfs unvergoldet geblieben, also weißsilbern gehalten ist und dadurch<br />
neben <strong>der</strong> matten Vergoldung nnd dem Email noch ein erweiterter<br />
Farbengegensatz hervorgerufen wird, zugleich sind die Falten des Knanfes,<br />
aus denen diese Knöpfe vorspringen, von <strong>der</strong> Mattierung ausgeschlossen.<br />
Die etwas überhöht erscheineude Form <strong>der</strong> Kuppa ist wohl auf<br />
eine durch den Pastor Stockmann veranlaßte Vergrößerung zurückzuführen,<br />
die dieser durch die Hinzufügung seines Namens ohne weiteren Zusatz<br />
am Kupparande zu bezeugen für nötig gehalten haben mag.<br />
-
Anlage ll.<br />
??ommersche Hausnrnenfunde.<br />
Von A. Stubenrauch.<br />
Über den ersten in Pommern bei Tbliwih im Kreise Lauenbnrg<br />
gemachten Hansnrnenfund ist bereits 1905 im 14. Jahresberichte über<br />
die Denkmalpflege in Pommern berichtet ^) den zweiten Fund bei Woed tke<br />
in demselben Kreise hat <strong>der</strong> Provinzial-Konservator an gleicher Stelle im<br />
17. Jahresberichte') kurz besprochen; diese Besprechung konnte nnr eine<br />
vorläufige seiu, weil damals noch nicht alle Gegenstände des Grabinhalts,<br />
die zum größten Teil zertrümmert waren, sich hatten wie<strong>der</strong> herstellen<br />
o<strong>der</strong> zusammenfügen lassen. Nachdem dies jetzt geschehen ist. gebe ich<br />
die nachfolgende Erweiterung uud Ergänznng, <strong>der</strong> die Abbildungen<br />
sämtlicher ans beiden Fuudeu stammeudcu Stücke beigegeben sind.<br />
Als <strong>der</strong> Provinzial-Konservator sich im November NN! auf<br />
Einladung des Majoratsbesihers von Rexin Exzellenz nach Woedtte<br />
begab, fand er dort ein schon vor mehreren Tagen von unberufenen<br />
Händen geöffnetes Steinkisteugrab vor. Die Fundstelle lag etwa 1 km<br />
südsüdwestlich von Woedtke, nahe dem uach Saulin führenden Wege am<br />
Fuße einer stachen Bodenerhöhnng im beackerten Feldes) Ein grosser<br />
flacher und freiliegen<strong>der</strong>, über die Oberstäche kanm hervorragen<strong>der</strong><br />
Granitfindling war das einzige äußere Viertmal des Grabes gewesen;<br />
er hatte nebst einem etwas kleineren als Decke des Grabes gedient.<br />
Nach eiuer auf Veraulassung des Herrn von Ne^u aufgenommenen<br />
Photographie ist das geöffnete Grab in <strong>der</strong> Abb. 5 wie<strong>der</strong>gegeben.<br />
Ein Wie<strong>der</strong>anfban <strong>der</strong> Bestandteile im Museum zu Stettin war<br />
geplant, tonnte aber nicht ausgeführt werden, da die Steine, als die<br />
Vorbereituugeu zu ihrer Abholung getroffen waren, sich lei<strong>der</strong> nicht<br />
mehr au ihrer Stelle befaudeu. Auf <strong>der</strong> Abbllduug liegen die Decksteiue<br />
vor <strong>der</strong> entleerten Kiste, die kleinen vor ihnen liegenden rundlichen<br />
Steiue bildeten einen Teil <strong>der</strong> rechten Seitenwand, <strong>der</strong> übrige Bau<br />
war von <strong>der</strong> Zerstörung nicht berührt. Der Boden <strong>der</strong> 99 cm hohen<br />
Grube bildete eiu Rechteck von 130:66 cm.<br />
Der Gesamtinhalt des Grabes bestand aus <strong>der</strong> im 17. Iahresb.<br />
beschriebenen, bis anf eine abgebrochene kleine Dachecke heilen uud ganz<br />
unversehrten, anf sieben Füßen ruhenden kleinen, ferner aus den Bruchstücke»<br />
einer zweiten, weit größeren Hausurne und einer zertrümmerten Nuudurue.<br />
Alle drei Fundstücke werden hier um die Größenverhältnisse klar zu<br />
' Anhang zu den Vallischen Studien N. F. XII, S. XI V mit 4 AbbUdm,aen.<br />
') Ballige Studien N. H. XV, S. Xll mit 2 Abbildungen.<br />
') Kgl. Pl. Landesaufnahme, Mehlischblatt Nr. 220, Saulin.
- XlV —<br />
machen, sowohl von <strong>der</strong> Vor<strong>der</strong>seite, wie von <strong>der</strong> Rückseite nebeneinan<strong>der</strong><br />
dargestellt, ebenso die Obliwitzer Urne im Verein mit <strong>der</strong> kleinen<br />
von Wocdtke, diese hier von <strong>der</strong> Schmalseite. Auch die Beigaben <strong>der</strong><br />
Urne vou Obliwitz sind <strong>der</strong> Vollständigkeit halber wie<strong>der</strong>holt und zugleich<br />
die Mützenurne von Obliwitz nebst den Beigaben. Abb. 6—11.<br />
Es ist gelungen die beiden zertrümmerten Urnen aus<br />
Woedtke wie<strong>der</strong> aufzubauen und die fehlenden Teile mit<br />
Sicherheit zu ergänzen. An <strong>der</strong> Rnndurne erstreckt sich diese<br />
Ergänzung auf ganz unwesentliche Stücke des Bodens und eine kleinere<br />
Stelle am oberen Rande uud Halse, <strong>der</strong>en Formen sich unzweifelhaft<br />
ergaben. Von <strong>der</strong> großen Hausnrne konnten die Füße, <strong>der</strong> ganze<br />
Boden und etwa die Hälfte <strong>der</strong> Wände ununterbrochen aus dem<br />
erhaltenen Material zwanglos zusammengesetzt werden; anch die Wandecken<br />
sind alt, ebenso die Türemfassung bis auf die eine obere, <strong>der</strong><br />
großen Wandftäche sich anschließenden Ecke, in <strong>der</strong> auch das eingestochene<br />
Loch neu ist; die Köcher in den drei an<strong>der</strong>n Ecken <strong>der</strong> Türcinfassung<br />
sind alt; sie dienten wohl zum Durchziehen von Schnüren<br />
zur Befestigung einer Türplatte, wie sie von <strong>der</strong> kleinen Urne noch<br />
vorhanden ist, von <strong>der</strong> großen aber nicht erhalten blieb. Das Dach<br />
fehlte dieser fast ganz, es ist dnrch den Übereifer nnd die Neugier <strong>der</strong><br />
Fin<strong>der</strong> bei dem Versuche das noch feuchte Gefäß aus dem Grabe zn<br />
heben, sogleich beim ersten Anhub wegen <strong>der</strong> großen Schwere <strong>der</strong> nnteren<br />
Teile zerbrochen. Ein Glück war es, daß trotzdem die eine Schmalseite<br />
<strong>der</strong> Wand mit deutlich erkennbarer Giebelschräge erhalten ist, so daß<br />
<strong>der</strong> Neigungswinkel des ziemlich flachen Daches sicher zu bestimmen<br />
war; an <strong>der</strong> an<strong>der</strong>n Schmalseite fehlte <strong>der</strong> obere Teil <strong>der</strong> Wand ganz.<br />
Wie au <strong>der</strong> Mitte <strong>der</strong> Hinteren Langseite <strong>der</strong> kleinen Urne, so treten auch<br />
in <strong>der</strong> Mitte <strong>der</strong> beiden Oiebelwände <strong>der</strong> großen Urne senkrechte Rippen<br />
start vor, die nur in ihrem oberen Teile <strong>der</strong> Ergänzung bedurften.<br />
Gerettet ist vom Dache <strong>der</strong> Urne nur <strong>der</strong> etwas übergekragte, mit<br />
erhöhter Einfassung umzogene Ncmd, dem jedoch die Fnftenden fehlen;<br />
die Ergänzung dieser ist hier nach dem Vorbilde <strong>der</strong> kleinen Urne<br />
erfolgt, ebenso die Bildung <strong>der</strong> stark betonten First. Eine Beweiskraft<br />
dürfen allerdings diese letzten Ergänzungen für sich nicht beanspruchen.<br />
Geformt sind beide Urnen aus ziemlich fein geschlemmtem Ton, dem<br />
kleine Steinchen und Quarzkrümel beigemischt sind.<br />
Der Größenunterschied bei<strong>der</strong> Urnen ist erheblich; während <strong>der</strong><br />
Boden <strong>der</strong> kleinen bei 24 cm Höhe ein Rechteck von 32:24 cm äußerer<br />
Abmessuugen bildet, ist die unregelmäßiger gebildete große 42,5 cm hoch,<br />
51 cm lang, an <strong>der</strong> einen Schmalseite 36, au <strong>der</strong> an<strong>der</strong>n 38,5 cm<br />
breit. Ihre Ture ist noch mehr seitlich verschoben, als an <strong>der</strong> kleinen,
— XV —<br />
und bei einer Höhe <strong>der</strong> Öffnung von 15 om und Breite von 9,5 om<br />
von einem 2 bis 3 em breiten, in <strong>der</strong> Mitte vertieften Nahmen<br />
eingefaßt.<br />
Recht gefällige Form hat die in dem Grabe von Woedtte gefundene<br />
Mundurne; sie ist aus dunkelgrauem Ton geformt und hat im flachen,<br />
kreisförmigen Boden einen Durchmesser von 9 cm, eine höhe von<br />
22 ein; <strong>der</strong> merklich eingezogene Hals ist 9 om hoch und hat am etwas<br />
ausgebogenen Rande eine Weite von 13,5 enci Durchmesser; das weitbauchige<br />
Gefäß ist im unteren Teile gerauht, am Halse glatt und an<br />
<strong>der</strong> oberen Ausbauchung dreimal mit hochbogigem erhaben vortretenden<br />
Ornamentwnlste geschmückt, <strong>der</strong> an Hentelansätze erinnert, dazwischen<br />
mit Strich- und Tannenzweigornament in tiefer Emfurchung versehen.<br />
Bemerkenswert sind zwei kreisrunde Löcher von 5 mm Durchmesser, die<br />
erst nach dem Vrande durchgebohrt, von einan<strong>der</strong> in wagerechter<br />
Richtung einen Abstand von 2 nn haben und nur 2,5 em unterhalb<br />
des oberen Randes sich befinden. Bedeutung und Zweck dieser Öffnungen<br />
sind schwer zu erkläre«. Daß sie etwa Augen wie an einer Gesichtsurne<br />
andeuten sollen, ist abzulehnen, obschon die Urne ihrer Form nach und<br />
ebenso die Grabanlagc, in <strong>der</strong> sie gefunden wurde, zeitlich durchaus in<br />
die Periode <strong>der</strong> Gesichtsurnen gehört. Zur Befestiguug eines Deckels<br />
o<strong>der</strong> einer Schlinge zum Aufhängen des Gefäßes können sie auch nicht<br />
gedient haben; we<strong>der</strong> ein Deckel noch Bruchstücke eines solchen sind in<br />
dem Grabe gefunden, und beim Tragen o<strong>der</strong> Aufhängen an einer<br />
Schlinge wäre <strong>der</strong> Rand sicher ausgebrochen.<br />
Während die kleine Hausurne, wie die von dem Provinzial-<br />
Konservator im Gutshause von Woedtte vorgenommene Entleerung<br />
ergab, nichts weiter enthielt alb Knochensplitter, Kohlenstückchen, Asche<br />
und Sand, waren auf <strong>der</strong> Fundstelle aus den Trümmern <strong>der</strong> beiden<br />
an<strong>der</strong>n Urnen außer diesen Resten des tteichenbrandes auch solche von<br />
Bronze- uud Eisengeräten herausgelesen, die durch Feuer und Rost lei<strong>der</strong><br />
bis zur Unkenntlichkeit zerstört sind; einige Stücke mögen von einem<br />
Bronzearmband herrühren, alles übrige läßt einen Schluß auf die<br />
frühere Form nicht mehr zu. Ob die gesammelten Reste den ganzen<br />
Bestand des Urneninhalts umfassen, ist nicht mit Sicherheit festgestellt,<br />
da das Grab mehrere Tage offen und Jedem zugänglich gewesen war.<br />
Das Nebeneinan<strong>der</strong> von bronzenen und eisernen Beigaben, <strong>der</strong> Bau <strong>der</strong><br />
Steinkiste und die Form <strong>der</strong> Rundurne bieten gleichwohl genügende<br />
Momente für die zeitliche Bestimmung <strong>der</strong> Hausurnen von Woedtte;<br />
sie gehören, wie alle an<strong>der</strong>n in Deutschland gefundenen Hausurnen, <strong>der</strong><br />
Zeit des Überganges von <strong>der</strong> Bronze- zur Eisenzeit an und sind etwa<br />
in die Mitte des letzten Jahrtausends vor Christo zu setzen. Wenn in
— XVI —<br />
<strong>der</strong>° Urne von Obliwitz, das nur 10 Km von Woedtte entfernt ist/)<br />
nur Vronzebeigaben gefunden wurden, so kann das an dieser Zeitbestimmung<br />
nichts äu<strong>der</strong>n, die Ähnlichkeit <strong>der</strong> drei so nahe bei einan<strong>der</strong><br />
gefundenen Häuser ist so groß, daß man sogar annehmeu muß, sie seien<br />
alle drei von <strong>der</strong>selben Hand geformt. Ebenso groß aber ist auch die<br />
Verschiedenheit von allen an<strong>der</strong>n in Deutschlaud bisher gefundenen.*)<br />
Denn die pommerschen sind, was beson<strong>der</strong>s zu betonen ist, bisher die<br />
einzigen auf Füße gestellten, und dadurch Pfahlbauhäusern ähnlich.<br />
') Kgl. Prenh. Landesaufnahme, Meßtischblatt 219, Tauenzin.<br />
2) Literatur über Hausurnen in Zeitschrift für Ethnologie und Verhandlungen<br />
<strong>der</strong> Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Vand 12 -19.<br />
Druck
Mb. 1?l. Adcndümlilslclä) von Dcgoiu mit Drahtemail.
Abd, Id. Abclwmahlskclch von Degoiv mit Drahtemail.
2, Dcr . cv MeiidmMkelche5 in Dcgoiu.<br />
Abb. A. Der Knauf des Abendniahlkelches uon Degow.
Mb. 4. Der Flch des Abendmahllclches in Degow,
Abb. 5. Das Siemlistengrab uon Wocdlke.
O<br />
3 «<br />
Z
Abb. 7. Die Urnen des Steinkistengrabes von Woedtke in Rückansicht.
'Abb. 8. Die kleine Ha<br />
und die .NlNlsllriic von<br />
!j. Die kleine HlNl'onr<br />
und die HlNlslli'llc<br />
c von Woedtke uoil einer Schmalseite<br />
liil'itz von <strong>der</strong> Vor<strong>der</strong>seite ^cscbcn.<br />
Woedtke uon <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e<br />
von <strong>der</strong> Rückseite gesehen
Abb. 10. Mühenurne aus dem Graberfclde von Obliwitz.<br />
Abb. II. Beigaben aus dem Gröberfelde von Obliwih.
von ^bon Saunlers MuchNandlung in Stettin,<br />
Mönälenftr. 12—l4.<br />
>ie Belagerung von Otettm im Zähre M3<br />
von Oeorg Kaebel.<br />
Preis geheftet 2,00 Mt., gebunden 2,50 Vit.<br />
lm großen ßahr.<br />
Szenen aus Mettius Blockade<br />
von Mas Auck.<br />
Festspiel anläßlich <strong>der</strong> Kapitulation <strong>der</strong> französischen Besatzung am<br />
5. Dezember l«I3. Preis l,f>0 Mk.<br />
<strong>der</strong> Otadt Ktettin<br />
von ?ros. 0s. M. Mekrmann.<br />
Ein starker Band von 548 Seiten in Groß 8" Format, mit 64 Ab<br />
bildungen,?afeln und Plänen. Preis brojch. 1^M)Mk.,gcbnnden 14,0l)Mk.,<br />
numerierte Liebhaberausgabe in Oanz-Pergament gebundeu WM> Mk.<br />
<strong>der</strong> Gesellschaft für Pommersche Heschtchte und Altertumskunde<br />
zum 5. Dezember 19l3.<br />
Mtettin im eisernen ßalzr.<br />
Zeitgenössische Berichte<br />
von Professor vl. Htto Altenburg.<br />
Als Son<strong>der</strong>abdruck aus den Baltischen Studien N. F. XVII,<br />
geheftet Preis 2,00 Mt.<br />
ZU beziehen durch alle Vuchyandlungen.
Aon <strong>der</strong> Oefessschaft für AommersHe H5schtchte und Altertums»<br />
Kunde sind herausgegeben im Kommissionsverlag von Leon Sanniers<br />
Buchhandlung in Stettin: . .^ . ^^^^^«^^.—