Heidis Lehr und Wanderjahre - Blog.de
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<strong>Heidis</strong> <strong>Lehr</strong> <strong>und</strong> <strong>Wan<strong>de</strong>rjahre</strong> 1<br />
bevor ich unten bei <strong>de</strong>r Kirche liege. Oh, Ihr wisst nicht, was mir<br />
das Kind ist!", <strong>und</strong> sie hielt es fest an sich, <strong>de</strong>nn Heidi hatte<br />
sich schon an sie geschmiegt.<br />
"Keine Sorge, Großmutter", beruhigte <strong>de</strong>r Öhi; "damit will ich we<strong>de</strong>r<br />
Euch noch mich strafen. Jetzt bleiben wir alle beieinan<strong>de</strong>r <strong>und</strong>,<br />
will's Gott, noch lange so."<br />
Jetzt zog die Brigitte <strong>de</strong>n Öhi ein wenig geheimnisvoll in eine Ecke<br />
hinein <strong>und</strong> zeigte ihm das schöne Fe<strong>de</strong>rnhütchen <strong>und</strong> erzählte ihm,<br />
wie es sich damit verhalte, <strong>und</strong> dass sie ja natürlich so etwas<br />
einem Kin<strong>de</strong> nicht abnehme.<br />
Aber <strong>de</strong>r Großvater sah ganz wohlgefällig auf sein Heidi hin <strong>und</strong><br />
sagte: "Der Hut ist sein, <strong>und</strong> wenn es ihn nicht mehr auf <strong>de</strong>n Kopf<br />
tun will, so hat es Recht, <strong>und</strong> hat es ihn dir gegeben, so nimm ihn<br />
nur."<br />
Die Brigitte war höchlich erfreut über das unerwartete Urteil. "Er<br />
ist gewiss mehr als zehn Franken wert, seht nur!", <strong>und</strong> in ihrer<br />
Freu<strong>de</strong> streckte sie das Hütchen hoch auf. "Was aber auch dieses<br />
Heidi für einen Segen von Frankfurt mit heimgebracht hat! Ich habe<br />
schon manchmal <strong>de</strong>nken müssen, ob ich nicht <strong>de</strong>n Peterli auch ein<br />
wenig nach Frankfurt schicken solle; was meint Ihr, Öhi?"<br />
Dem Öhi schoss es ganz lustig aus <strong>de</strong>n Augen. Er meinte, es könnte<br />
<strong>de</strong>m Peterli nichts scha<strong>de</strong>n; aber er wür<strong>de</strong> doch eine gute<br />
Gelegenheit dazu abwarten.<br />
Jetzt fuhr <strong>de</strong>r Besprochene eben zur Tür herein, nach<strong>de</strong>m er zuerst<br />
mit <strong>de</strong>m Kopf so fest dagegen gerannt war, dass alles erklirrte<br />
davon; er musste pressiert sein. Atemlos <strong>und</strong> keuchend stand er nun<br />
mitten in <strong>de</strong>r Stube still <strong>und</strong> streckte einen Brief aus. Das war<br />
auch ein Ereignis, das noch nie vorgekommen war, ein Brief mit<br />
einer Aufschrift an das Heidi, <strong>de</strong>n man ihm auf <strong>de</strong>r Post im Dörfli<br />
übergeben hatte. Jetzt setzten sich alle voller Erwartung um <strong>de</strong>n<br />
Tisch herum, <strong>und</strong> Heidi machte seinen Brief auf <strong>und</strong> las ihn laut <strong>und</strong><br />
ohne Anstoß vor. Der Brief war von <strong>de</strong>r Klara Sesemann geschrieben.<br />
Sie erzählte Heidi, dass es seit seiner Abreise so langweilig<br />
gewor<strong>de</strong>n sei in ihrem Hause, sie es nicht lang hintereinan<strong>de</strong>r so<br />
aushalten könne <strong>und</strong> so lange <strong>de</strong>n Vater gebeten habe, bis er die<br />
Reise ins Bad Ragaz schon auf <strong>de</strong>n kommen<strong>de</strong>n Herbst festgestellt<br />
habe, <strong>und</strong> die Großmama wolle auch mitkommen, <strong>de</strong>nn sie wolle auch<br />
das Heidi <strong>und</strong> <strong>de</strong>n Großvater besuchen auf <strong>de</strong>r Alm. Und weiter ließ<br />
die Großmama noch <strong>de</strong>m Heidi sagen, es habe Recht getan, dass es <strong>de</strong>r<br />
alten Großmutter die Brötchen habe mitbringen wollen, <strong>und</strong> damit sie<br />
diese nicht trocken essen müsse, komme gleich <strong>de</strong>r Kaffee noch dazu,<br />
er sei schon auf <strong>de</strong>r Reise, <strong>und</strong> wenn sie selbst nach <strong>de</strong>r Alm komme,<br />
so müsse das Heidi sie auch zur Großmutter führen.<br />
Da gab es nun eine solche Freu<strong>de</strong> <strong>und</strong> Verw<strong>und</strong>erung über diese<br />
Nachrichten <strong>und</strong> so viel zu re<strong>de</strong>n <strong>und</strong> zu fragen, da die große<br />
Erwartung alle gleich betraf, dass selbst <strong>de</strong>r Großvater nicht<br />
bemerkte, wie spät es schon war, <strong>und</strong> so vergnügt <strong>und</strong> fröhlich waren<br />
sie alle in <strong>de</strong>r Aussicht auf die kommen<strong>de</strong>n Tage <strong>und</strong> fast noch mehr<br />
in <strong>de</strong>r Freu<strong>de</strong> über das Zusammensein an <strong>de</strong>m heutigen, dass die<br />
Großmutter zuletzt sagte: "Das Schönste ist doch, wenn so ein alter<br />
Fre<strong>und</strong> kommt <strong>und</strong> uns wie<strong>de</strong>r die Hand gibt, so wie vor langer Zeit;<br />
das gibt so ein tröstliches Gefühl ins Herz, dass wir einmal alles<br />
wie<strong>de</strong>r fin<strong>de</strong>n, was uns lieb ist. Ihr kommt doch bald wie<strong>de</strong>r, Öhi,<br />
<strong>und</strong> das Kind morgen schon?"<br />
Das wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Großmutter in die Hand hinein versprochen; nun aber<br />
war es Zeit zum Aufbruch, <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Großvater wan<strong>de</strong>rte mit Heidi die<br />
Alm hinan, <strong>und</strong> wie am Morgen die hellen Glocken von nah <strong>und</strong> fern<br />
sie heruntergerufen hatten, so begleitete nun aus <strong>de</strong>m Tale herauf<br />
das friedliche Geläut <strong>de</strong>r Abendglocken sie bis hinauf zur sonnigen<br />
Almhütte, die ganz sonntäglich im Abendschimmer ihnen<br />
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