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Heidis Lehr und Wanderjahre - Blog.de

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<strong>Heidis</strong> <strong>Lehr</strong> <strong>und</strong> <strong>Wan<strong>de</strong>rjahre</strong> 1<br />

er mir nicht nachtragen wolle, wenn ich wi<strong>de</strong>rspenstig war gegen<br />

seinen wohlmeinen<strong>de</strong>n Rat. Der Herr Pfarrer hat ja in allem Recht<br />

gehabt <strong>und</strong> ich war im Unrecht, aber ich will jetzt seinem Rate<br />

folgen <strong>und</strong> auf <strong>de</strong>n Winter wie<strong>de</strong>r ein Quartier im Dörfli beziehen,<br />

<strong>de</strong>nn die harte Jahreszeit ist nichts für das Kind dort oben, es ist<br />

zu zart, <strong>und</strong> wenn auch dann die Leute hier unten mich von <strong>de</strong>r Seite<br />

ansehen, so wie einen, <strong>de</strong>m nicht zu trauen ist, so habe ich es<br />

nicht besser verdient, <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Herr Pfarrer wird es ja nicht tun."<br />

Die fre<strong>und</strong>lichen Augen <strong>de</strong>s Pfarrers glänzten vor Freu<strong>de</strong>. Er nahm<br />

noch einmal <strong>de</strong>s Alten Hand <strong>und</strong> drückte sie in <strong>de</strong>r seinen <strong>und</strong> sagte<br />

mit Rührung: "Nachbar, Ihr seid in <strong>de</strong>r rechten Kirche gewesen, noch<br />

eh Ihr in die meinige herunterkamt; <strong>de</strong>s freu ich mich, <strong>und</strong> dass Ihr<br />

wie<strong>de</strong>r zu uns kommen <strong>und</strong> mit uns leben wollt, soll Euch nicht<br />

gereuen, bei mir sollt Ihr als ein lieber Fre<strong>und</strong> <strong>und</strong> Nachbar alle<br />

Zeit willkommen sein, <strong>und</strong> ich ge<strong>de</strong>nke manches Winterabendstündchen<br />

fröhlich mit Euch zu verbringen, <strong>de</strong>nn Eure Gesellschaft ist mir<br />

lieb <strong>und</strong> wert, <strong>und</strong> für das Kleine wollen wir auch gute Fre<strong>und</strong>e<br />

fin<strong>de</strong>n." Und <strong>de</strong>r Herr Pfarrer legte sehr fre<strong>und</strong>lich seine Hand auf<br />

<strong>Heidis</strong> Krauskopf <strong>und</strong> nahm es bei <strong>de</strong>r Hand <strong>und</strong> führte es hinaus,<br />

in<strong>de</strong>m er <strong>de</strong>n Großvater fortbegleitete, <strong>und</strong> erst draußen vor <strong>de</strong>r<br />

Haustür nahm er Abschied, <strong>und</strong> nun konnten alle die herumstehen<strong>de</strong>n<br />

Leute sehen, wie <strong>de</strong>r Herr Pfarrer <strong>de</strong>m Alm-Öhi die Hand immer noch<br />

einmal schüttelte, gera<strong>de</strong> als wäre das sein bester Fre<strong>und</strong>, von <strong>de</strong>m<br />

er sich fast nicht trennen könnte. Kaum hatte dann auch die Tür<br />

sich hinter <strong>de</strong>m Herrn Pfarrer geschlossen, so drängte die ganze<br />

Versammlung <strong>de</strong>m Alm-Öhi entgegen, <strong>und</strong> je<strong>de</strong>r wollte <strong>de</strong>r Erste sein,<br />

<strong>und</strong> so viele Hän<strong>de</strong> wur<strong>de</strong>n miteinan<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Herankommen<strong>de</strong>n<br />

entgegengestreckt, dass er gar nicht wusste, welche zuerst<br />

ergreifen, <strong>und</strong> einer rief ihm zu: "Das freut mich! Das freut mich,<br />

Öhi, dass Ihr auch wie<strong>de</strong>r einmal zu uns kommt!", <strong>und</strong> ein an<strong>de</strong>rer:<br />

"Ich hätte auch schon lang gern wie<strong>de</strong>r einmal ein Wort mit Euch<br />

gere<strong>de</strong>t, Öhi!" Und so tönte <strong>und</strong> drängte es von allen Seiten, <strong>und</strong><br />

wie nun <strong>de</strong>r Öhi auf alle die fre<strong>und</strong>lichen Begrüßungen erwi<strong>de</strong>rte, er<br />

ge<strong>de</strong>nke, sein altes Quartier im Dörfli wie<strong>de</strong>r zu beziehen <strong>und</strong> <strong>de</strong>n<br />

Winter mit <strong>de</strong>n alten Bekannten zu verleben, da gab es erst einen<br />

rechten Lärm, <strong>und</strong> es war gera<strong>de</strong> so, wie wenn <strong>de</strong>r Alm-Öhi die<br />

beliebteste Persönlichkeit im ganzen Dörfli wäre, die je<strong>de</strong>r mit<br />

Nachteil entbehrt hatte. Noch weit an die Alm hinauf wur<strong>de</strong>n<br />

Großvater <strong>und</strong> Kind von <strong>de</strong>n meisten begleitet, <strong>und</strong> beim Abschied<br />

wollte je<strong>de</strong>r die Versicherung haben, dass <strong>de</strong>r Alm-Öhi bald einmal<br />

bei ihm vorspreche, wenn er wie<strong>de</strong>r herunterkomme; <strong>und</strong> wie nun die<br />

Leute <strong>de</strong>n Berg hinab zurückkehrten, blieb <strong>de</strong>r Alte stehen <strong>und</strong><br />

schaute ihnen lange nach, <strong>und</strong> auf seinem Gesichte lag ein so warmes<br />

Licht, als schiene bei ihm die Sonne von innen heraus. Heidi<br />

schaute unverwandt zu ihm auf <strong>und</strong> sagte ganz erfreut: "Großvater,<br />

heut wirst du immer schöner, so warst du noch gar nie."<br />

"Meinst du?", lächelte <strong>de</strong>r Großvater. "Ja, <strong>und</strong> siehst du, Heidi,<br />

mir geht's auch heut über Verstehen <strong>und</strong> Verdienen gut, <strong>und</strong> mit Gott<br />

<strong>und</strong> Menschen im Frie<strong>de</strong>n stehen, das macht einem so wohl! Der liebe<br />

Gott hat's gut mit mir gemeint, dass er dich auf die Alm schickte."<br />

Bei <strong>de</strong>r Geißenpeter-Hütte angekommen, machte <strong>de</strong>r Großvater gleich<br />

die Tür auf <strong>und</strong> trat ein. "Grüß Gott, Großmutter", rief er hinein;<br />

"ich <strong>de</strong>nke, wir müssen einmal wie<strong>de</strong>r ans Flicken gehen, bevor <strong>de</strong>r<br />

Herbstwind kommt."<br />

"Du mein Gott, das ist <strong>de</strong>r Öhi!", rief die Großmutter voll<br />

freudiger Überraschung aus. "Dass ich das noch erlebe! Dass ich<br />

Euch noch einmal danken kann für alles, das Ihr für uns getan habt,<br />

Öhi! Vergelt's Gott! Vergelt's Gott!"<br />

Und mit zittern<strong>de</strong>r Freu<strong>de</strong> streckte die alte Großmutter ihre Hand<br />

aus, <strong>und</strong> als <strong>de</strong>r Angere<strong>de</strong>te sie herzlich schüttelte, fuhr sie fort,<br />

in<strong>de</strong>m sie die seinige fest hielt: "Und eine Bitte hab ich auch noch<br />

auf <strong>de</strong>m Herzen, Öhi: Wenn ich Euch je etwas zuleid getan habe, so<br />

straft mich nicht damit, dass Ihr noch einmal das Heidi fortlasst,<br />

Seite 88

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