Heidis Lehr und Wanderjahre - Blog.de
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<strong>Heidis</strong> <strong>Lehr</strong> <strong>und</strong> <strong>Wan<strong>de</strong>rjahre</strong> 1<br />
Darf ich erwarten<br />
Im himmlischen Garten,<br />
Dahin sind meine Gedanken gericht'."<br />
Die Großmutter saß still da mit gefalteten Hän<strong>de</strong>n, <strong>und</strong> ein Ausdruck<br />
unbeschreiblicher Freu<strong>de</strong>, so wie ihn Heidi nie an ihr gesehen hatte,<br />
lag auf ihrem Gesicht, obschon ihr die Tränen die Wangen<br />
herabliefen. Als Heidi schwieg, bat sie mit Verlangen: "Oh, noch<br />
einmal, Heidi, lass es mich noch einmal hören:<br />
'Kreuz <strong>und</strong> Elen<strong>de</strong><br />
Das nimmt ein En<strong>de</strong>'--"<br />
Und das Kind fing noch einmal an <strong>und</strong> las in eigener Freu<strong>de</strong> <strong>und</strong><br />
Verlangen:<br />
"Kreuz <strong>und</strong> Elen<strong>de</strong>--<br />
Das nimmt ein En<strong>de</strong>,<br />
Nach Meeresbrausen<br />
Und Win<strong>de</strong>ssausen<br />
Leuchtet <strong>de</strong>r Sonne erwünschtes Gesicht.<br />
Freu<strong>de</strong> die Fülle<br />
Und selige Stille<br />
Darf ich erwarten<br />
Im himmlischen Garten,<br />
Dahin sind meine Gedanken gericht'."<br />
"O Heidi, das macht hell! Das macht so hell im Herzen! Oh, wie<br />
hast du mir wohl gemacht, Heidi!"<br />
Ein Mal ums an<strong>de</strong>re sagte die Großmutter die Worte <strong>de</strong>r Freu<strong>de</strong>, <strong>und</strong><br />
Heidi strahlte vor Glück <strong>und</strong> musste sie nur immer ansehen, <strong>de</strong>nn so<br />
hatte es die Großmutter nie gesehen. Sie hatte gar nicht mehr das<br />
alte trübselige Gesicht, son<strong>de</strong>rn schaute so freudig <strong>und</strong> dankend auf,<br />
als sähe sie schon mit neuen, hellen Augen in <strong>de</strong>n schönen<br />
himmlischen Garten hinein.<br />
Jetzt klopfte es am Fenster, <strong>und</strong> Heidi sah <strong>de</strong>n Großvater draußen,<br />
<strong>de</strong>r ihm winkte, mit heimzukommen. Es folgte schnell, aber nicht<br />
ohne die Großmutter zu versichern, morgen komme es wie<strong>de</strong>r, <strong>und</strong> auch<br />
wenn es mit Peter auf die Wei<strong>de</strong> gehe, so komme es doch im halben<br />
Tag zurück; <strong>de</strong>nn dass es <strong>de</strong>r Großmutter wie<strong>de</strong>r hell machen konnte<br />
<strong>und</strong> sie wie<strong>de</strong>r fröhlich wur<strong>de</strong>, das war nun für Heidi das<br />
allergrößte Glück, das es kannte, noch viel größer, als auf <strong>de</strong>r<br />
sonnigen Wei<strong>de</strong> <strong>und</strong> bei <strong>de</strong>n Blumen <strong>und</strong> Geißen zu sein. Die Brigitte<br />
lief <strong>de</strong>m Heidi unter die Tür nach mit Rock <strong>und</strong> Hut, dass es seine<br />
Habe mitnehme. Den Rock nahm es auf <strong>de</strong>n Arm, <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Großvater<br />
kenne es jetzt schon, dachte es bei sich; aber <strong>de</strong>n Hut wies es<br />
hartnäckig zurück, die Brigitte sollte ihn nur behalten, es setze<br />
ihn nie, nie mehr auf <strong>de</strong>n Kopf. Heidi war so erfüllt von seinen<br />
Erlebnissen, dass es gleich <strong>de</strong>m Großvater alles erzählen musste,<br />
was ihm das Herz erfreute, dass man die weißen Brötchen auch unten<br />
im Dörfli für die Großmutter holen könne, wenn man nur Geld habe,<br />
<strong>und</strong> dass es <strong>de</strong>r Großmutter auf einmal so hell <strong>und</strong> wohl gewor<strong>de</strong>n war,<br />
<strong>und</strong> wie Heidi das alles zu En<strong>de</strong> geschil<strong>de</strong>rt hatte, kehrte es<br />
wie<strong>de</strong>r zum Ersten zurück <strong>und</strong> sagte ganz zuversichtlich: "Gelt,<br />
Großvater, wenn die Großmuttter schon nicht will, so gibst du mir<br />
doch alles Geld in <strong>de</strong>r Rolle, dass ich <strong>de</strong>m Peter je<strong>de</strong>n Tag ein<br />
Stück geben kann zu einem Brötchen <strong>und</strong> am Sonntag zwei?"<br />
"Aber das Bett, Heidi?", sagte <strong>de</strong>r Großvater; "ein rechtes Bett für<br />
dich wäre gut, <strong>und</strong> nachher bleibt schon noch für manches Brötchen."<br />
Aber Heidi ließ <strong>de</strong>m Großvater keine Ruhe <strong>und</strong> bewies ihm, dass es<br />
auf seinem Heubett viel besser schlafe, als es jemals in seinem<br />
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