Heidis Lehr und Wanderjahre - Blog.de
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<strong>Heidis</strong> <strong>Lehr</strong> <strong>und</strong> <strong>Wan<strong>de</strong>rjahre</strong> 1<br />
war. Als es nun aus allen Türen <strong>und</strong> Fenstern tönte: "Wo ist das<br />
Kind? Dete, wo hast du das Kind gelassen?", rief sie immer<br />
unwilliger zurück: "Droben beim Alm-Öhi! Nun, beim Alm-Öhi, ihr<br />
hört's ja!"<br />
Sie wur<strong>de</strong> aber so maßleidig, weil die Frauen von allen Seiten ihr<br />
zuriefen: "Wie kannst du so etwas tun!", <strong>und</strong>: "Das arme Tröpfli!",<br />
<strong>und</strong>: "So ein kleines Hilfloses da droben lassen!", <strong>und</strong> dann wie<strong>de</strong>r<br />
<strong>und</strong> wie<strong>de</strong>r: "Das arme Tröpfli!" Die Dete lief, so schnell sie<br />
konnte, weiter <strong>und</strong> war froh, als sie nichts mehr hörte, <strong>de</strong>nn es war<br />
ihr nicht wohl bei <strong>de</strong>r Sache; ihre Mutter hatte ihr beim Sterben<br />
das Kind noch übergeben. Aber sie sagte sich zur Beruhigung, sie<br />
könne dann ja eher wie<strong>de</strong>r etwas für das Kind tun, wenn sie nun viel<br />
Geld verdiene, <strong>und</strong> so war sie sehr froh, dass sie bald weit von<br />
allen Leuten, die ihr dreinre<strong>de</strong>ten, weg- <strong>und</strong> zu einem schönen<br />
Verdienst kommen konnte.<br />
Beim Großvater<br />
Nach<strong>de</strong>m die Dete verschw<strong>und</strong>en war, hatte <strong>de</strong>r Öhi sich wie<strong>de</strong>r auf<br />
die Bank hingesetzt <strong>und</strong> blies nun große Wolken aus seiner Pfeife;<br />
dabei starrte er auf <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n <strong>und</strong> sagte kein Wort. Derweilen<br />
schaute das Heidi vergnüglich um sich, ent<strong>de</strong>ckte <strong>de</strong>n Geißenstall,<br />
<strong>de</strong>r an die Hütte angebaut war, <strong>und</strong> guckte hinein. Es war nichts<br />
drin. Das Kind setzte seine Untersuchungen fort <strong>und</strong> kam hinter die<br />
Hütte zu <strong>de</strong>n alten Tannen. Da blies <strong>de</strong>r Wind durch die Äste so<br />
stark, dass es sauste <strong>und</strong> brauste oben in <strong>de</strong>n Wipfeln. Heidi blieb<br />
stehen <strong>und</strong> hörte zu. Als es ein wenig stiller wur<strong>de</strong>, ging das Kind<br />
um die kommen<strong>de</strong> Ecke <strong>de</strong>r Hütte herum <strong>und</strong> kam vorn wie<strong>de</strong>r zum<br />
Großvater zurück. Als es diesen noch in <strong>de</strong>rselben Stellung<br />
erblickte, wie es ihn verlassen hatte, stellte es sich vor ihn hin,<br />
legte die Hän<strong>de</strong> auf <strong>de</strong>n Rücken <strong>und</strong> betrachtete ihn. Der Großvater<br />
schaute auf. "Was willst du jetzt tun?", fragte er, als das Kind<br />
immer noch unbeweglich vor ihm stand.<br />
"Ich will sehen, was du drinnen hast, in <strong>de</strong>r Hütte", sagte Heidi.<br />
"So komm!", <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Großvater stand auf <strong>und</strong> ging voran in die Hütte<br />
hinein.<br />
"Nimm dort <strong>de</strong>in Bün<strong>de</strong>l Klei<strong>de</strong>r noch mit", befahl er im Hereintreten.<br />
"Das brauch ich nicht mehr", erklärte Heidi.<br />
Der Alte kehrte sich um <strong>und</strong> schaute durchdringend auf das Kind,<br />
<strong>de</strong>ssen schwarze Augen glühten in Erwartung <strong>de</strong>r Dinge, die da<br />
drinnen sein konnten. "Es kann ihm nicht an Verstand fehlen",<br />
sagte er halblaut. "Warum brauchst du's nicht mehr?", setzte er<br />
laut hinzu.<br />
"Ich will am liebsten gehen wie die Geißen, die haben ganz leichte<br />
Beinchen."<br />
"So, das kannst du, aber hol das Zeug", befahl <strong>de</strong>r Großvater, "es<br />
kommt in <strong>de</strong>n Kasten." Heidi gehorchte. Jetzt machte <strong>de</strong>r Alte die<br />
Tür auf <strong>und</strong> Heidi trat hinter ihm her in einen ziemlich großen Raum<br />
ein, es war <strong>de</strong>r Umfang <strong>de</strong>r ganzen Hütte. Da stand ein Tisch <strong>und</strong><br />
ein Stuhl daran; in einer Ecke war <strong>de</strong>s Großvaters Schlaflager, in<br />
einer an<strong>de</strong>ren hing <strong>de</strong>r große Kessel über <strong>de</strong>m Herd; auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren<br />
Seite war eine große Tür in <strong>de</strong>r Wand, die machte <strong>de</strong>r Großvater auf,<br />
es war <strong>de</strong>r Schrank. Da hingen seine Klei<strong>de</strong>r drin <strong>und</strong> auf einem<br />
Gestell lagen ein paar Hem<strong>de</strong>n, Strümpfe <strong>und</strong> Tücher <strong>und</strong> auf einem<br />
an<strong>de</strong>ren einige Teller <strong>und</strong> Tassen <strong>und</strong> Gläser <strong>und</strong> auf <strong>de</strong>m obersten<br />
ein r<strong>und</strong>es Brot <strong>und</strong> geräuchertes Fleisch <strong>und</strong> Käse, <strong>de</strong>nn in <strong>de</strong>m<br />
Kasten war alles enthalten, was <strong>de</strong>r Alm-Öhi besaß <strong>und</strong> zu seinem<br />
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