Heidis Lehr und Wanderjahre - Blog.de
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<strong>Heidis</strong> <strong>Lehr</strong> <strong>und</strong> <strong>Wan<strong>de</strong>rjahre</strong> 1<br />
Augenblick aus <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n lassen, seine kostbaren Brötchen für die<br />
Großmutter waren ja darin, die musste es sorgfältig hüten <strong>und</strong> von<br />
Zeit zu Zeit einmal wie<strong>de</strong>r ansehen <strong>und</strong> sich freuen darüber. Heidi<br />
saß mäuschenstille während mehrerer St<strong>und</strong>en, <strong>de</strong>nn erst jetzt kam es<br />
recht zum Bewusstsein, dass es auf <strong>de</strong>m Wege sei heim zum Großvater,<br />
auf die Alm, zur Großmutter, zum Geißenpeter, <strong>und</strong> nun kam ihm alles<br />
vor Augen, eins nach <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>ren, was es wie<strong>de</strong>r sehen wer<strong>de</strong> <strong>und</strong> wie<br />
alles aussehen wer<strong>de</strong> daheim, <strong>und</strong> dabei stiegen ihm wie<strong>de</strong>r neue<br />
Gedanken auf, <strong>und</strong> auf einmal sagte es ängstlich: "Sebastian, ist<br />
auch sicher die Großmutter auf <strong>de</strong>r Alm nicht gestorben?"<br />
"Nein, nein", beruhigte dieser, "wollen's nicht hoffen, wird schon<br />
noch am Leben sein."<br />
Dann fiel Heidi wie<strong>de</strong>r in sein Sinnen zurück; nur hier <strong>und</strong> da<br />
guckte es einmal in seinen Korb hinein, <strong>de</strong>nn alle die Brötchen <strong>de</strong>r<br />
Großmutter auf <strong>de</strong>n Tisch legen war sein Hauptgedanke. Nach<br />
längerer Zeit sagte es wie<strong>de</strong>r: "Sebastian, wenn man nur auch ganz<br />
sicher wissen könnte, dass die Großmutter noch am Leben ist."<br />
"Jawohl! Jawohl!", entgegnete <strong>de</strong>r Begleiter halb schlafend; "Wird<br />
schon noch leben, wüsste auch gar nicht, warum nicht."<br />
Nach einiger Zeit drückte <strong>de</strong>r Schlaf auch <strong>Heidis</strong> Augen zu, <strong>und</strong> nach<br />
<strong>de</strong>r vergangenen unruhigen Nacht <strong>und</strong> <strong>de</strong>m frühen Aufstehen war es so<br />
schlafbedürftig, dass es erst wie<strong>de</strong>r erwachte, als Sebastian es<br />
tüchtig am Arm schüttelte <strong>und</strong> ihm zurief: "Erwachen! Erwachen!<br />
Gleich aussteigen, in Basel angekommen!"<br />
Am folgen<strong>de</strong>n Morgen ging's weiter, viele St<strong>und</strong>en lang. Heidi saß<br />
wie<strong>de</strong>r mit seinem Korb auf <strong>de</strong>m Schoß, <strong>de</strong>n es um keinen Preis <strong>de</strong>m<br />
Sebastian übergeben wollte; aber heute sagte es gar nichts mehr,<br />
<strong>de</strong>nn nun wur<strong>de</strong> mit je<strong>de</strong>r St<strong>und</strong>e die Erwartung gespannter. Dann auf<br />
einmal, als Heidi gar nicht daran dachte, ertönte laut <strong>de</strong>r Ruf:<br />
"Maienfeld!" Es sprang von seinem Sitz auf, <strong>und</strong> dasselbe tat<br />
Sebastian, <strong>de</strong>r auch überrascht wor<strong>de</strong>n war. Jetzt stan<strong>de</strong>n sie<br />
draußen, <strong>de</strong>r Koffer mit ihnen, <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Bahnzug pfiff weiter ins Tal<br />
hinein. Sebastian sah ihm wehmütig nach, <strong>de</strong>nn er wäre viel lieber<br />
so sicher <strong>und</strong> ohne Mühe weitergereist, als dass er nun eine<br />
Fußpartie unternehmen sollte, die dazu noch mit einer<br />
Bergbesteigung en<strong>de</strong>n musste, die sehr beschwerlich <strong>und</strong> dazu<br />
gefahrvoll sein konnte in diesem Lan<strong>de</strong>, wo doch alles noch halb<br />
wild war, wie Sebastian annahm. Er schaute daher sehr vorsichtig<br />
um sich, wen er etwa beraten könnte über <strong>de</strong>n sichersten Weg nach<br />
<strong>de</strong>m 'Dörfli'. Unweit <strong>de</strong>s kleinen Stationsgebäu<strong>de</strong>s<br />
stand ein kleiner Leiterwagen mit einem mageren Rösslein davor; auf<br />
diesen wur<strong>de</strong>n von einem breitschultrigen Manne ein paar große Säcke<br />
aufgela<strong>de</strong>n, die mit <strong>de</strong>r Bahn hergebracht wor<strong>de</strong>n waren. Sebastian<br />
trat zu ihm heran <strong>und</strong> brachte seine Frage nach <strong>de</strong>m sichersten Weg<br />
zum Dörfli vor.<br />
"Hier sind alle Wege sicher", war die kurze Antwort.<br />
Jetzt fragte Sebastian nach <strong>de</strong>m besten Wege, auf <strong>de</strong>m man gehen<br />
könne, ohne in die Abgrün<strong>de</strong> zu stürzen, <strong>und</strong> auch wie man einen<br />
Koffer nach <strong>de</strong>m betreffen<strong>de</strong>n Dörfli beför<strong>de</strong>rn könnte. Der Mann<br />
schaute nach <strong>de</strong>m Koffer hin <strong>und</strong> maß ihn ein wenig mit <strong>de</strong>n Augen;<br />
dann erklärte er, wenn das Ding nicht zu schwer sei, so wolle er es<br />
auf seinen Wagen nehmen, da er selbst nach <strong>de</strong>m Dörfli fahre, <strong>und</strong> so<br />
gab noch ein Wort das an<strong>de</strong>re, <strong>und</strong> endlich kamen die bei<strong>de</strong>n überein,<br />
<strong>de</strong>r Mann solle Kind <strong>und</strong> Koffer mit auf seinen Wagen nehmen, <strong>und</strong><br />
nachher vom Dörfli aus könne das Kind am Abend mit irgendjemand auf<br />
die Alm geschickt wer<strong>de</strong>n.<br />
"Ich kann allein gehen, ich weiß schon <strong>de</strong>n Weg vom Dörfli auf die<br />
Alm", sagte hier Heidi, das mit Aufmerksamkeit <strong>de</strong>r Verhandlung<br />
zugehört hatte. Dem Sebastian fiel eine schwere Last vom Herzen,<br />
als er sich so auf einmal seiner Aussicht auf das Bergklettern<br />
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