Heidis Lehr und Wanderjahre - Blog.de
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<strong>Heidis</strong> <strong>Lehr</strong> <strong>und</strong> <strong>Wan<strong>de</strong>rjahre</strong> 1<br />
sagte begütigend: "So, nun ist alles in Ordnung, nun sag mir auch<br />
noch, wo wolltest du <strong>de</strong>nn hin?"<br />
"Ich wollte gewiss nirgends hin", versicherte Heidi; "ich bin auch<br />
gar nicht selbst hinuntergegangen, ich war nur auf einmal da."<br />
"So, so, <strong>und</strong> hast du etwa geträumt in <strong>de</strong>r Nacht, weißt du, so, dass<br />
du <strong>de</strong>utlich etwas sahst <strong>und</strong> hörtest?"<br />
"Ja, je<strong>de</strong> Nacht träumt es mir <strong>und</strong> immer gleich. Dann mein ich, ich<br />
sei beim Großvater, <strong>und</strong> draußen hör ich's in <strong>de</strong>n Tannen sausen <strong>und</strong><br />
<strong>de</strong>nke: Jetzt glitzern so schön die Sterne am Himmel, <strong>und</strong> ich laufe<br />
geschwind <strong>und</strong> mache die Tür auf an <strong>de</strong>r Hütte <strong>und</strong> da ist's so schön!<br />
Aber wenn ich erwache, bin ich immer noch in Frankfurt." Heidi<br />
fing schon an zu kämpfen <strong>und</strong> zu schlucken an <strong>de</strong>m Gewicht, das <strong>de</strong>n<br />
Hals hinaufstieg.<br />
"Hm, <strong>und</strong> tut dir <strong>de</strong>nn auch nichts weh, nirgends? Nicht im Kopf<br />
o<strong>de</strong>r im Rücken?"<br />
"O nein, nur hier drückt es so wie ein großer Stein immerfort."<br />
"Hm, etwa so, wie wenn man etwas gegessen hat <strong>und</strong> wollte es nachher<br />
lieber wie<strong>de</strong>r zurückgeben?"<br />
"Nein, so nicht, aber so schwer, wie wenn man stark weinen sollte."<br />
"So, so, <strong>und</strong> weinst du <strong>de</strong>nn so recht heraus?"<br />
"O nein, das darf man nicht, Fräulein Rottenmeier hat es verboten."<br />
"Dann schluckst du's herunter zum an<strong>de</strong>rn, nicht wahr, so? Richtig!<br />
Nun, du bist doch recht gern in Frankfurt, nicht?"<br />
"O ja", war die leise Antwort; sie klang aber so, als be<strong>de</strong>ute sie<br />
eher das Gegenteil.<br />
"Hm, <strong>und</strong> wo hast du mit <strong>de</strong>inem Großvater gelebt?"<br />
"Immer auf <strong>de</strong>r Alm."<br />
"So, da ist's doch nicht so beson<strong>de</strong>rs kurzweilig, eher ein wenig<br />
langweilig, nicht?"<br />
"O nein, da ist's so schön, so schön!" Heidi konnte nicht weiter;<br />
die Erinnerung, die eben durchgemachte Aufregung, das lang<br />
verhaltene Weinen überwältigten die Kräfte <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s; gewaltsam<br />
stürzten ihm die Tränen aus <strong>de</strong>n Augen <strong>und</strong> es brach in ein lautes,<br />
heftiges Schluchzen aus.<br />
Der Doktor stand auf; er legte fre<strong>und</strong>lich <strong>Heidis</strong> Kopf auf das<br />
Kissen nie<strong>de</strong>r <strong>und</strong> sagte: "So, noch ein klein wenig weinen, das kann<br />
nichts scha<strong>de</strong>n, <strong>und</strong> dann schlafen, ganz fröhlich einschlafen;<br />
morgen wird alles gut." Dann verließ er das Zimmer.<br />
Wie<strong>de</strong>r unten in die Wachtstube eingetreten, ließ er sich <strong>de</strong>m<br />
harren<strong>de</strong>n Fre<strong>und</strong>e gegenüber in <strong>de</strong>n Lehnstuhl nie<strong>de</strong>r <strong>und</strong> erklärte<br />
<strong>de</strong>m mit gespannter Erwartung Lauschen<strong>de</strong>n: "Sesemann, <strong>de</strong>in kleiner<br />
Schützling ist erstens mondsüchtig; völlig unbewusst hat er dir<br />
allnächtlich als Gespenst die Haustür aufgemacht <strong>und</strong> <strong>de</strong>iner ganzen<br />
Mannschaft die Fieber <strong>de</strong>s Schreckens ins Gebein gejagt. Zweitens<br />
wird das Kind vom Heimweh verzehrt, so dass es schon jetzt fast zum<br />
Geripplein abgemagert ist <strong>und</strong> es noch völlig wer<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>; also<br />
schnelle Hilfe! Für das erste Übel <strong>und</strong> die in hohem Gra<strong>de</strong><br />
stattfin<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Nervenaufregung gibt es nur ein Heilmittel, nämlich,<br />
dass du sofort das Kind in die heimatliche Bergluft<br />
zurückversetzest; für das zweite gibt's ebenfalls nur (eine)<br />
Medizin, nämlich ganz dieselbe. Demnach reist das Kind morgen ab,<br />
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