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Heidis Lehr und Wanderjahre - Blog.de

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<strong>Heidis</strong> <strong>Lehr</strong> <strong>und</strong> <strong>Wan<strong>de</strong>rjahre</strong> 1<br />

zusammentraf, überaus fre<strong>und</strong>lich, lief dann aber sehr schnell auf<br />

eine an<strong>de</strong>re Seite, um nicht in ein Gespräch mit ihm verwickelt zu<br />

wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nn seine Ausdrucksweise war ihr ein wenig beschwerlich.<br />

Heidi erschien im Zimmer <strong>de</strong>r Großmama <strong>und</strong> machte die Augen weit auf,<br />

als es die prächtigen bunten Bil<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n großen Büchern sah,<br />

welche die Großmama mitgebracht hatte. Auf einmal schrie Heidi<br />

laut auf, als die Großmama wie<strong>de</strong>r ein Blatt umgewandt hatte; mit<br />

glühen<strong>de</strong>m Blick schaute es auf die Figuren, dann stürzten ihm<br />

plötzlich die hellen Tränen aus <strong>de</strong>n Augen, <strong>und</strong> es fing gewaltig zu<br />

schluchzen an. Die Großmama schaute das Bild an. Es war eine<br />

schöne, grüne Wei<strong>de</strong>, wo allerlei Tierlein herumwei<strong>de</strong>ten <strong>und</strong> an <strong>de</strong>n<br />

grünen Gebüschen nagten. In <strong>de</strong>r Mitte stand <strong>de</strong>r Hirt, auf einen<br />

langen Stab gestützt, <strong>de</strong>r schaute <strong>de</strong>n fröhlichen Tierchen zu.<br />

Alles war wie in Goldschimmer gemalt, <strong>de</strong>nn hinten am Horizont war<br />

eben die Sonne im Untergehen.<br />

Die Großmama nahm Heidi bei <strong>de</strong>r Hand. "Komm, komm, Kind", sagte<br />

sie in fre<strong>und</strong>lichster Weise, "nicht weinen, nicht weinen. Das hat<br />

dich wohl an etwas erinnert; aber sieh, da ist auch eine schöne<br />

Geschichte dazu, die erzähl ich heut Abend. Und da sind noch so<br />

viele schöne Geschichten in <strong>de</strong>m Buch, die kann man alle lesen <strong>und</strong><br />

wie<strong>de</strong>r erzählen. Komm, nun müssen wir etwas besprechen zusammen,<br />

trockne schön <strong>de</strong>ine Tränen, so, <strong>und</strong> nun stell dich hier vor mich<br />

hin, dass ich dich recht ansehen kann; so ist's recht, nun sind wir<br />

wie<strong>de</strong>r fröhlich."<br />

Aber noch verging einige Zeit, bevor Heidi zu schluchzen aufhören<br />

konnte. Die Großmama ließ ihm auch eine gute Weile zur Erholung,<br />

nur sagte sie von Zeit zu Zeit ermunternd: "So, nun ist's gut, nun<br />

sind wir wie<strong>de</strong>r froh zusammen."<br />

Als sie endlich das Kind beruhigt sah, sagte sie: "Nun musst du mir<br />

was erzählen, Kind! Wie geht es <strong>de</strong>nn beim Herrn Kandidaten in <strong>de</strong>n<br />

Unterrichtsst<strong>und</strong>en, lernst du auch gut <strong>und</strong> kannst du was?"<br />

"O nein", antwortete Heidi seufzend; "aber ich wusste schon, dass<br />

man es nicht lernen kann."<br />

"Was kann man <strong>de</strong>nn nicht lernen, Heidi, was meinst du?"<br />

"Lesen kann man nicht lernen, es ist zu schwer."<br />

"Das wäre! Und woher weißt du <strong>de</strong>nn diese Neuigkeit?"<br />

"Der Peter hat es mir gesagt <strong>und</strong> er weiß es schon, <strong>de</strong>r muss immer<br />

wie<strong>de</strong>r probieren, aber er kann es nie lernen, es ist zu schwer."<br />

"So, das ist mir ein eigener Peter, <strong>de</strong>r! Aber sieh, Heidi, man<br />

muss nicht alles nur so hinnehmen, was einem ein Peter sagt, man<br />

muss selbst probieren. Gewiss hast du nicht recht mit all <strong>de</strong>inen<br />

Gedanken <strong>de</strong>m Herrn Kandidaten zugehört <strong>und</strong> seine Buchstaben<br />

angesehen."<br />

"Es nützt nichts", versicherte Heidi mit <strong>de</strong>m Ton <strong>de</strong>r vollen<br />

Ergebung in das Unabän<strong>de</strong>rliche.<br />

"Heidi", sagte nun die Großmama, "jetzt will ich dir etwas sagen:<br />

Du hast noch nie lesen gelernt, weil du <strong>de</strong>inem Peter geglaubt hast;<br />

nun aber sollst du mir glauben, <strong>und</strong> ich sage dir fest <strong>und</strong> sicher,<br />

dass du in kurzer Zeit lesen lernen kannst, wie eine große Menge<br />

von Kin<strong>de</strong>rn, die geartet sind wie du <strong>und</strong> nicht wie <strong>de</strong>r Peter. Und<br />

nun musst du wissen, was nachher kommt, wenn du dann lesen kannst-du<br />

hast <strong>de</strong>n Hirten gesehen auf <strong>de</strong>r schönen, grünen Wei<strong>de</strong>--; sobald<br />

du nun lesen kannst, bekommst du das Buch, da kannst du seine ganze<br />

Geschichte vernehmen, ganz so, als ob sie dir jemand erzählte,<br />

alles, was er macht mit seinen Schafen <strong>und</strong> Ziegen <strong>und</strong> was ihm für<br />

merkwürdige Dinge begegnen. Das möchtest du schon wissen, Heidi,<br />

Seite 59

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