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Heidis Lehr und Wanderjahre - Blog.de

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<strong>Heidis</strong> <strong>Lehr</strong> <strong>und</strong> <strong>Wan<strong>de</strong>rjahre</strong> 1<br />

Heidi sie etwas zweifelhaft ansah; sie gab ihm aber einen so<br />

abschließen<strong>de</strong>n Blick zurück, dass Heidi sich keine Erklärung mehr<br />

erbat, obschon es <strong>de</strong>n Titel nicht verstan<strong>de</strong>n hatte.<br />

Eine Großmama<br />

Am folgen<strong>de</strong>n Abend waren große Erwartungen <strong>und</strong> lebhafte<br />

Vorbereitungen im Hause Sesemann sichtbar, man konnte <strong>de</strong>utlich<br />

bemerken, dass die erwartete Dame ein be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>s Wort im Hause<br />

mitzusprechen hatte <strong>und</strong> dass je<strong>de</strong>rmann großen Respekt vor ihr<br />

empfand. Tinette hatte ein ganz neues, weißes Deckelchen auf <strong>de</strong>n<br />

Kopf gesetzt, <strong>und</strong> Sebastian raffte eine Menge von Schemeln zusammen<br />

<strong>und</strong> stellte sie an alle passen<strong>de</strong>n Stellen hin, damit die Dame<br />

gleich einen Schemel unter <strong>de</strong>n Füßen fin<strong>de</strong>, wohin sie sich auch<br />

setzen möge. Fräulein Rottenmeier ging zur Musterung <strong>de</strong>r Dinge<br />

sehr aufrecht durch die Zimmer, so wie um anzu<strong>de</strong>uten, dass, wenn<br />

auch eine zweite Herrschermacht herannahe, die ihrige <strong>de</strong>nnoch nicht<br />

am Erlöschen sei.<br />

Jetzt rollte <strong>de</strong>r Wagen vor das Haus, <strong>und</strong> Sebastian <strong>und</strong> Tinette<br />

stürzten die Treppe hinunter; langsam <strong>und</strong> wür<strong>de</strong>voll folgte Fräulein<br />

Rottenmeier nach, <strong>de</strong>nn sie wusste, dass auch sie zum Empfang <strong>de</strong>r<br />

Frau Sesemann zu erscheinen hatte. Heidi war beor<strong>de</strong>rt wor<strong>de</strong>n, sich<br />

in sein Zimmer zurückzuziehen <strong>und</strong> da zu warten, bis es gerufen<br />

wür<strong>de</strong>, <strong>de</strong>nn die Großmutter wür<strong>de</strong> zuerst bei Klara eintreten <strong>und</strong><br />

diese wohl allein sehen wollen. Heidi setzte sich in einen Winkel<br />

<strong>und</strong> repetierte seine Anre<strong>de</strong>. Es währte gar nicht lange, so steckte<br />

die Tinette <strong>de</strong>n Kopf ein klein wenig unter <strong>Heidis</strong> Zimmertür <strong>und</strong><br />

sagte kurz angeb<strong>und</strong>en wie immer: "Hinübergehen ins Studierzimmer!"<br />

Heidi hatte Fräulein Rottenmeier nicht fragen dürfen, wie es mit<br />

<strong>de</strong>r Anre<strong>de</strong> sei, aber es dachte, die Dame habe sich nur versprochen,<br />

<strong>de</strong>nn es hatte bis jetzt immer erst <strong>de</strong>n Titel nennen gehört <strong>und</strong><br />

nachher <strong>de</strong>n Namen; so hatte es sich nun die Sache zurechtgelegt.<br />

Wie es die Tür zum Studierzimmer aufmachte, rief ihm die Großmutter<br />

mit fre<strong>und</strong>licher Stimme entgegen: "Ah, da kommt ja das Kind! Komm<br />

mal her zu mir <strong>und</strong> lass dich recht ansehen."<br />

Heidi trat heran, <strong>und</strong> mit seiner klaren Stimme sagte es sehr<br />

<strong>de</strong>utlich: "Guten Tag, Frau Gnädige."<br />

"Warum nicht gar!", lachte die Großmama. "Sagt man so bei euch?<br />

Hast du das daheim auf <strong>de</strong>r Alp gehört?"<br />

"Nein, bei uns heißt niemand so", erklärte Heidi ernsthaft.<br />

"So, bei uns auch nicht", lachte die Großmama wie<strong>de</strong>r <strong>und</strong> klopfte<br />

Heidi fre<strong>und</strong>lich auf die Wange. "Das ist nichts! In <strong>de</strong>r<br />

Kin<strong>de</strong>rstube bin ich die Großmama; so sollst du mich nennen, das<br />

kannst du wohl behalten, wie?"<br />

"Ja, das kann ich gut", versicherte Heidi, "vorher hab ich schon<br />

immer so gesagt."<br />

"So, so, verstehe schon!", sagte die Großmama <strong>und</strong> nickte ganz<br />

lustig mit <strong>de</strong>m Kopfe. Dann schaute sie Heidi genau an <strong>und</strong> nickte<br />

von Zeit zu Zeit wie<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>m Kopf, <strong>und</strong> Heidi guckte ihr auch<br />

ganz ernsthaft in die Augen, <strong>de</strong>nn da kam etwas so Herzliches heraus,<br />

dass es <strong>de</strong>m Heidi ganz wohl machte, <strong>und</strong> die ganze Großmama gefiel<br />

<strong>de</strong>m Heidi so, dass es sie unverwandt anschauen musste. Sie hatte<br />

so schöne weiße Haare, <strong>und</strong> um <strong>de</strong>n Kopf ging eine schöne<br />

Spitzenkrause, <strong>und</strong> zwei breite Bän<strong>de</strong>r flatterten von <strong>de</strong>r Haube weg<br />

<strong>und</strong> bewegten sich immer irgendwie, so als ob stets ein leichter<br />

Wind um die Großmama wehe, was das Heidi ganz beson<strong>de</strong>rs anmutete.<br />

Seite 57

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