Heidis Lehr und Wanderjahre - Blog.de
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<strong>Heidis</strong> <strong>Lehr</strong> <strong>und</strong> <strong>Wan<strong>de</strong>rjahre</strong> 1<br />
ich in die an<strong>de</strong>re Straße hinein <strong>und</strong> dort nahm ich Wasser, <strong>und</strong> <strong>de</strong>r<br />
Herr mit <strong>de</strong>n weißen Haaren lässt Herrn Sesemann fre<strong>und</strong>lich grüßen."<br />
"Na, die Expedition ist gut", lachte Herr Sesemann, "<strong>und</strong> wer ist<br />
<strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Herr?"<br />
"Er kam beim Brunnen vorbei <strong>und</strong> dann stand er still <strong>und</strong> sagte:<br />
'Weil du doch ein Glas hast, so gib mir auch einmal zu<br />
trinken; wem bringst du <strong>de</strong>in Glas Wasser?' Und ich sagte:<br />
'Herrn Sesemann.' Da lachte er sehr stark, <strong>und</strong> dann<br />
sagte er <strong>de</strong>n Gruß <strong>und</strong> auch noch, Herr Sesemann solle sich's<br />
schmecken lassen."<br />
"So, <strong>und</strong> wer lässt mir <strong>de</strong>nn wohl <strong>de</strong>n guten Wunsch sagen? Wie sah<br />
<strong>de</strong>r Herr <strong>de</strong>nn weiter aus?", fragte Herr Sesemann.<br />
"Er lacht fre<strong>und</strong>lich <strong>und</strong> hat eine dicke gol<strong>de</strong>ne Kette <strong>und</strong> ein<br />
gol<strong>de</strong>nes Ding hängt daran mit einem großen roten Stein <strong>und</strong> auf<br />
seinem Stock ist ein Rosskopf."<br />
"Das ist <strong>de</strong>r Herr Doktor"--"Das ist mein alter Doktor", sagten<br />
Klara <strong>und</strong> ihr Vater wie aus einem M<strong>und</strong>e, <strong>und</strong> Herr Sesemann lachte<br />
noch ein wenig in sich hinein im Gedanken an seinen Fre<strong>und</strong> <strong>und</strong><br />
<strong>de</strong>ssen Betrachtungen über diese neue Weise, seinen Wasserbedarf<br />
sich zuführen zu lassen.<br />
Noch an <strong>de</strong>mselben Abend erklärte Herr Sesemann, als er allein mit<br />
Fräulein Rottenmeier im Esszimmer saß, um allerlei häusliche<br />
Angelegenheiten mit ihr zu besprechen, die Gespielin seiner Tochter<br />
wer<strong>de</strong> im Hause bleiben; er fin<strong>de</strong>, das Kind sei in einem normalen<br />
Zustand, <strong>und</strong> seine Gesellschaft sei seiner Tochter sehr lieb <strong>und</strong><br />
angenehmer als je<strong>de</strong> an<strong>de</strong>re. "Ich wünsche daher", setzte Herr<br />
Sesemann sehr bestimmt hinzu, "dass dieses Kind je<strong>de</strong>rzeit durchaus<br />
fre<strong>und</strong>lich behan<strong>de</strong>lt <strong>und</strong> seine Eigentümlichkeiten nicht als<br />
Vergehen betrachtet wer<strong>de</strong>n. Sollten Sie übrigens mit <strong>de</strong>m Kin<strong>de</strong><br />
nicht allein fertig wer<strong>de</strong>n, Fräulein Rottenmeier, so ist ja eine<br />
gute Hilfe für Sie in Aussicht, da in nächster Zeit meine Mutter zu<br />
ihrem längeren Aufenthalt in mein Haus kommt, <strong>und</strong> meine Mutter wird<br />
mit je<strong>de</strong>m Menschen fertig, wie er sich auch anstelle, das wissen<br />
Sie ja wohl, Fräulein Rottenmeier?"<br />
"Jawohl, das weiß ich, Herr Sesemann", entgegnete die Dame, aber<br />
nicht mit <strong>de</strong>m Ausdruck <strong>de</strong>r Erleichterung im Hinblick auf die<br />
angezeigte Hilfe.--<br />
Herr Sesemann hatte diesmal nur eine kurze Zeit Ruhe zu Hause,<br />
schon nach vierzehn Tagen riefen ihn seine Geschäfte wie<strong>de</strong>r nach<br />
Paris, <strong>und</strong> er tröstete sein Töchterchen, das mit <strong>de</strong>r nahen Abreise<br />
nicht einverstan<strong>de</strong>n war, mit <strong>de</strong>r Aussicht auf die baldige Ankunft<br />
<strong>de</strong>r Großmama, die schon nach einigen Tagen erwartet wer<strong>de</strong>n konnte.<br />
Kaum war auch Herr Sesemann abgereist, als schon <strong>de</strong>r Brief anlangte,<br />
<strong>de</strong>r die Abreise <strong>de</strong>r Frau Sesemann aus Holstein, wo sie auf einem<br />
alten Gute wohnte, anzeigte <strong>und</strong> die bestimmte Zeit ihrer Ankunft<br />
auf <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n Tag mel<strong>de</strong>te, damit <strong>de</strong>r Wagen nach <strong>de</strong>m Bahnhof<br />
geschickt wür<strong>de</strong>, um sie abzuholen.<br />
Klara war voller Freu<strong>de</strong> über die Nachricht <strong>und</strong> erzählte noch an<br />
<strong>de</strong>mselben Abend <strong>de</strong>m Heidi so viel <strong>und</strong> so lange von <strong>de</strong>r Großmama,<br />
dass Heidi auch anfing, von <strong>de</strong>r 'Großmama' zu re<strong>de</strong>n,<br />
worauf Fräulein Rottenmeier Heidi mit Missbilligung anblickte, was<br />
aber das Kind auf nichts Beson<strong>de</strong>res bezog, <strong>de</strong>nn es fühlte sich<br />
unter fortdauern<strong>de</strong>r Missbilligung <strong>de</strong>r Dame. Als es sich dann<br />
später entfernte, um in sein Schlafzimmer zu gehen, berief Fräulein<br />
Rottenmeier es erst in das ihrige herein <strong>und</strong> erklärte ihm hier, es<br />
habe niemals <strong>de</strong>n Namen 'Großmama' anzuwen<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn<br />
wenn Frau Sesemann nun da sei, habe es sie stets 'gnädige<br />
Frau' anzure<strong>de</strong>n. "Verstehst du das?", fragte die Dame, als<br />
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