Heidis Lehr und Wanderjahre - Blog.de
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<strong>Heidis</strong> <strong>Lehr</strong> <strong>und</strong> <strong>Wan<strong>de</strong>rjahre</strong> 1<br />
Bald erschien Sebastian, <strong>und</strong> wie er Heidi erblickte, rief er<br />
drängend: "Schnell! Schnell!"<br />
Heidi sprang eilig herein, <strong>und</strong> Sebastian schlug die Tür zu; <strong>de</strong>n<br />
Jungen, <strong>de</strong>r verblüfft draußen stand, hatte er gar nicht bemerkt.<br />
"Schnell, Mamsellchen", drängte Sebastian weiter, "gleich ins<br />
Esszimmer hinein, sie sitzen schon am Tisch. Fräulein Rottenmeier<br />
sieht aus wie eine gela<strong>de</strong>ne Kanone; was stellt aber auch die kleine<br />
Mamsell an, so fortzulaufen?"<br />
Heidi war ins Zimmer getreten. Fräulein Rottenmeier blickte nicht<br />
auf; Klara sagte auch nichts, es war eine etwas unheimliche Stille.<br />
Sebastian rückte Heidi <strong>de</strong>n Sessel zurecht. Jetzt, wie es auf<br />
seinem Stuhl saß, begann Fräulein Rottenmeier mit strengem Gesicht<br />
<strong>und</strong> einem ganz feierlich-ernsten Ton: "A<strong>de</strong>lheid, ich wer<strong>de</strong> nachher<br />
mit dir sprechen, jetzt nur so viel: Du hast dich sehr ungezogen,<br />
wirklich strafbar benommen, dass du das Haus verlässt, ohne zu<br />
fragen, ohne dass jemand ein Wort davon wusste, <strong>und</strong> herumstreichst<br />
bis zum späten Abend; es ist eine völlig beispiellose Aufführung."<br />
"Miau", tönte es wie als Antwort zurück.<br />
Aber jetzt stieg <strong>de</strong>r Zorn <strong>de</strong>r Dame. "Wie, A<strong>de</strong>lheid", rief sie in<br />
immer höheren Tönen, "du unterstehst dich noch, nach aller<br />
Ungezogenheit einen schlechten Spaß zu machen? Hüte dich wohl, sag<br />
ich dir!"<br />
"Ich mache", fing Heidi an--"Miau! Miau!"<br />
Sebastian warf fast seine Schüssel auf <strong>de</strong>n Tisch <strong>und</strong> stürzte hinaus.<br />
"Es ist genug", wollte Fräulein Rottenmeier rufen; aber vor<br />
Aufregung tönte ihre Stimme gar nicht mehr. "Steh auf <strong>und</strong> verlass<br />
das Zimmer."<br />
Heidi stand erschrocken von seinem Sessel auf <strong>und</strong> wollte noch<br />
einmal erklären: "Ich mache gewiss"--"Miau! Miau! Miau!"<br />
"Aber Heidi", sagte jetzt Klara, "wenn du doch siehst, dass du<br />
Fräulein Rottenmeier so böse machst, warum machst du immer wie<strong>de</strong>r<br />
'miau'?"<br />
"Ich mache nicht, die Kätzlein machen", konnte Heidi endlich<br />
ungestört hervorbringen.<br />
"Wie? Was? Katzen? junge Katzen?", schrie Fräulein Rottenmeier<br />
auf. "Sebastian! Tinette! Sucht die greulichen Tiere! Schafft<br />
sie fort!" Damit stürzte die Dame ins Studierzimmer hinein <strong>und</strong><br />
riegelte die Türen zu, um sicherer zu sein, <strong>de</strong>nn junge Katzen waren<br />
für Fräulein Rottenmeier das Schrecklichste in <strong>de</strong>r Schöpfung.<br />
Sebastian stand draußen vor <strong>de</strong>r Tür <strong>und</strong> musste erst fertig lachen,<br />
eh er wie<strong>de</strong>r eintreten konnte. Er hatte, als er Heidi bediente,<br />
einen kleinen Katzenkopf aus <strong>de</strong>ssen Tasche herausgucken gesehen <strong>und</strong><br />
sah <strong>de</strong>m Spektakel entgegen, <strong>und</strong> wie er nun ausbrach, konnte er sich<br />
nicht mehr halten, kaum noch seine Schüssel auf <strong>de</strong>n Tisch setzen.<br />
Endlich trat er <strong>de</strong>nn wie<strong>de</strong>r gefasst ins Zimmer herein, nach<strong>de</strong>m die<br />
Hilferufe <strong>de</strong>r geängsteten Dame schon längere Zeit verklungen waren.<br />
Jetzt sah es ganz still <strong>und</strong> friedlich aus drinnen; Klara hielt die<br />
Kätzchen auf ihrem Schoß, Heidi kniete neben ihr <strong>und</strong> bei<strong>de</strong> spielten<br />
mit großer Wonne mit <strong>de</strong>n zwei winzigen, graziösen Tierchen.<br />
"Sebastian", sagte Klara zu <strong>de</strong>m Eintreten<strong>de</strong>n, "Sie müssen uns<br />
helfen; Sie müssen ein Nest fin<strong>de</strong>n für die Kätzchen, wo Fräulein<br />
Rottenmeier sie nicht sieht, <strong>de</strong>nn sie fürchtet sich vor ihnen <strong>und</strong><br />
will sie forthaben; aber wir wollen die niedlichen Tierchen<br />
behalten <strong>und</strong> sie immer hervorholen, sobald wir allein sind. Wo<br />
kann man sie hintun?"<br />
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