Heidis Lehr und Wanderjahre - Blog.de
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<strong>Heidis</strong> <strong>Lehr</strong> <strong>und</strong> <strong>Wan<strong>de</strong>rjahre</strong> 1<br />
Sie hatte nämlich vor einiger Zeit Herrn Sesemann nach Paris<br />
geschrieben, wo er eben verweilte, seine Tochter habe längst<br />
gewünscht, es möchte eine Gespielin für sie ins Haus aufgenommen<br />
wer<strong>de</strong>n, <strong>und</strong> auch sie selbst glaube, dass eine solche in <strong>de</strong>n<br />
Unterrichtsst<strong>und</strong>en ein Sporn, in <strong>de</strong>r übrigen Zeit eine anregen<strong>de</strong><br />
Gesellschaft für Klara sein wür<strong>de</strong>. Eigentlich war die Sache für<br />
Fräulein Rottenmeier selbst sehr wünschbar, <strong>de</strong>nn sie wollte gern,<br />
dass jemand da sei, <strong>de</strong>r ihr die Unterhaltung <strong>de</strong>r kranken Klara<br />
abnehme, wenn es ihr zu viel war, was öfters geschah. Herr<br />
Sesemann hatte geantwortet, er erfülle gern <strong>de</strong>n Wunsch seiner<br />
Tochter, doch mit <strong>de</strong>r Bedingung, dass eine solche Gespielin in<br />
allem ganz gehalten wer<strong>de</strong> wie jene, er wolle keine Kin<strong>de</strong>rquälerei<br />
in seinem Hause--"was freilich eine sehr unnütze Bemerkung von <strong>de</strong>m<br />
Herrn war", setzte Fräulein Rottenmeier hinzu, "<strong>de</strong>nn wer wollte<br />
Kin<strong>de</strong>r quälen!" Nun aber erzählte sie weiter, wie ganz<br />
erschrecklich sie hineingefallen sei mit <strong>de</strong>m Kin<strong>de</strong>, <strong>und</strong> führte alle<br />
Beispiele von seinem völlig begriffslosen Dasein an, die es bis<br />
jetzt geliefert hatte, dass nicht nur <strong>de</strong>r Unterricht <strong>de</strong>s Herrn<br />
Kandidaten buchstäblich beim Abc anfangen müsse, son<strong>de</strong>rn dass auch<br />
sie auf je<strong>de</strong>m Punkte <strong>de</strong>r menschlichen Erziehung mit <strong>de</strong>m Uranfang zu<br />
beginnen hätte. Aus dieser unheilvollen Lage sehe sie nur ein<br />
Rettungsmittel: Wenn <strong>de</strong>r Herr Kandidat erklären wer<strong>de</strong>, zwei so<br />
verschie<strong>de</strong>ne Wesen könnten nicht miteinan<strong>de</strong>r unterrichtet wer<strong>de</strong>n<br />
ohne großen Scha<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s vorgerückteren Teiles; das wäre für Herrn<br />
Sesemann ein triftiger Gr<strong>und</strong>, die Sache rückgängig zu machen, <strong>und</strong><br />
so wür<strong>de</strong> er zugeben, dass das Kind gleich wie<strong>de</strong>r dahin<br />
zurückgeschickt wür<strong>de</strong>, woher es gekommen war; ohne seine Zustimmung<br />
aber dürfte sie das nicht unternehmen, nun <strong>de</strong>r Hausherr wisse, dass<br />
das Kind angekommen sei. Aber <strong>de</strong>r Herr Kandidat war behutsam <strong>und</strong><br />
niemals einseitig im Urteilen. Er tröstete Fräulein Rottenmeier<br />
mit vielen Worten <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Ansicht, wenn die junge Tochter auf <strong>de</strong>r<br />
einen Seite so zurück sei, so möchte sie auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren umso<br />
geför<strong>de</strong>rter sein, was bei einem geregelten Unterricht bald ins<br />
Gleichgewicht kommen wer<strong>de</strong>. Als Fräulein Rottenmeier sah, dass <strong>de</strong>r<br />
Herr Kandidat sie nicht unterstützen, son<strong>de</strong>rn seinen Abc-Unterricht<br />
übernehmen wollte, machte sie ihm die Tür zum Studierzimmer auf,<br />
<strong>und</strong> nach<strong>de</strong>m er hereingetreten war, schloss sie schnell hinter ihm<br />
zu <strong>und</strong> blieb auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite, <strong>de</strong>nn vor <strong>de</strong>m Abc hatte sie<br />
einen Schrecken. Sie ging jetzt mit großen Schritten im Zimmer auf<br />
<strong>und</strong> nie<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>nn sie hatte zu überlegen, wie die Dienstboten<br />
A<strong>de</strong>lheid zu benennen hätten. Herr Sesemann hatte ja geschrieben,<br />
sie müsste wie seine Tochter gehalten wer<strong>de</strong>n, <strong>und</strong> dieses Wort<br />
musste sich hauptsächlich auf das Verhältnis zu <strong>de</strong>n Dienstboten<br />
beziehen, dachte Fräulein Rottenmeier. Sie konnte aber nicht lange<br />
ungestört überlegen, <strong>de</strong>nn auf einmal ertönte drinnen im<br />
Studierzimmer ein erschreckliches Gekrache fallen<strong>de</strong>r Gegenstän<strong>de</strong><br />
<strong>und</strong> dann ein Hilferuf nach Sebastian. Sie stürzte hinein. Da lag<br />
auf <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n alles übereinan<strong>de</strong>r, die sämtlichen Studien-<br />
Hilfsmittel, Bücher, Hefte, Tintenfass <strong>und</strong> obendrauf <strong>de</strong>r<br />
Tischteppich, unter <strong>de</strong>m ein schwarzes Tintenbächlein hervorfloss,<br />
die ganze Stube entlang. Heidi war verschw<strong>und</strong>en.<br />
"Da haben wir's", rief Fräulein Rottenmeier hän<strong>de</strong>ringend aus.<br />
"Teppich, Bücher, Arbeitskorb, alles in <strong>de</strong>r Tinte! Das ist noch<br />
nie geschehen! Das ist das Unglückswesen, da ist kein Zweifel!"<br />
Der Herr Kandidat stand sehr erschrocken da <strong>und</strong> schaute auf die<br />
Verwüstung, die allerdings nur (eine) Seite hatte <strong>und</strong> eine recht<br />
bestürzen<strong>de</strong>. Klara dagegen verfolgte mit vergnügtem Gesicht die<br />
ungewöhnlichen Ereignisse <strong>und</strong> <strong>de</strong>ren Wirkungen <strong>und</strong> sagte nun<br />
erklärend: "Ja, Heidi hat's gemacht, aber nicht mit Absicht, es<br />
muss gewiss nicht gestraft wer<strong>de</strong>n, es war nur so schrecklich eilig,<br />
fortzukommen, <strong>und</strong> riss <strong>de</strong>n Teppich mit, <strong>und</strong> so fiel alles<br />
hintereinan<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n. Es fuhren viele Wagen hintereinan<strong>de</strong>r<br />
vorbei, darum ist es so fortgeschossen; es hat vielleicht noch nie<br />
eine Kutsche gesehen."<br />
"Da, ist's nicht, wie ich sagte, Herr Kandidat? Nicht (einen)<br />
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