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Heidis Lehr und Wanderjahre - Blog.de

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<strong>Heidis</strong> <strong>Lehr</strong> <strong>und</strong> <strong>Wan<strong>de</strong>rjahre</strong> 1<br />

Gesicht. Sebastian verschwand sogleich. "Dir, A<strong>de</strong>lheid, muss ich<br />

überall die ersten Begriffe beibringen, das sehe ich", fuhr<br />

Fräulein Rottenmeier mit tiefem Seufzer fort. "Vor allem will ich<br />

dir zeigen, wie man sich am Tische bedient", <strong>und</strong> nun machte die<br />

Dame <strong>de</strong>utlich <strong>und</strong> eingehend alles vor, was Heidi zu tun hatte.<br />

"Dann", fuhr sie weiter, "muss ich dir hauptsächlich bemerken, dass<br />

du am Tisch nicht mit Sebastian zu sprechen hast, auch sonst nur<br />

dann, wenn du einen Auftrag o<strong>de</strong>r eine notwendige Frage an ihn zu<br />

richten hast; dann aber nennst du ihn nie mehr an<strong>de</strong>rs als (Sie)<br />

o<strong>de</strong>r (Er), hörst du? Dass ich dich niemals mehr ihn an<strong>de</strong>rs nennen<br />

höre. Auch Tinette nennst du (Sie), Jungfer Tinette. Mich nennst<br />

du so, wie du mich von allen nennen hörst; wie du Klara nennen<br />

sollst, wird sie selbst bestimmen."<br />

"Natürlich Klara", sagte diese. Nun folgte aber noch eine Menge<br />

von Verhaltungsmaßregeln, über Aufstehen <strong>und</strong> Zubettegehen, über<br />

Hereintreten <strong>und</strong> Hinausgehen, über Ordnunghalten, Türenschließen,<br />

<strong>und</strong> über alle<strong>de</strong>m fielen <strong>de</strong>m Heidi die Augen zu, <strong>de</strong>nn es war heute<br />

vor fünf Uhr aufgestan<strong>de</strong>n <strong>und</strong> hatte eine lange Reise gemacht. Es<br />

lehnte sich an <strong>de</strong>n Sesselrücken <strong>und</strong> schlief ein. Als dann nach<br />

längerer Zeit Fräulein Rottenmeier zu En<strong>de</strong> gekommen war mit ihrer<br />

Unterweisung, sagte sie: "Nun <strong>de</strong>nke daran, A<strong>de</strong>lheid! Hast du alles<br />

recht begriffen?"<br />

"Heidi schläft schon lange", sagte Klara mit ganz belustigtem<br />

Gesicht, <strong>de</strong>nn das Aben<strong>de</strong>ssen war für sie seit langer Zeit nie so<br />

kurzweilig verflossen.<br />

"Es ist doch völlig unerhört, was man mit diesem Kind erlebt!",<br />

rief Fräulein Rottenmeier in großem Ärger <strong>und</strong> klingelte so heftig,<br />

dass Tinette <strong>und</strong> Sebastian miteinan<strong>de</strong>r herbeigestürzt kamen; aber<br />

trotz allen Lärms erwachte Heidi nicht, <strong>und</strong> man hatte die größte<br />

Mühe, es so weit zu erwecken, dass es nach seinem Schlafgemach<br />

gebracht wer<strong>de</strong>n konnte; erst durch das Studierzimmer, dann durch<br />

Klaras Schlafstube, dann durch die Stube von Fräulein Rottenmeier<br />

zu <strong>de</strong>m Eckzimmer, das nun für Heidi eingerichtet war.<br />

Fräulein Rottenmeier hat einen unruhigen Tag<br />

Als Heidi am ersten Morgen in Frankfurt seine Augen aufschlug,<br />

konnte es durchaus nicht begreifen, was es erblickte. Es rieb ganz<br />

gewaltig seine Augen, guckte dann wie<strong>de</strong>r auf <strong>und</strong> sah dasselbe. Es<br />

saß auf einem hohen, weißen Bett <strong>und</strong> vor sich sah es einen großen,<br />

weiten Raum, <strong>und</strong> wo die Helle herkam, hingen lange, lange weiße<br />

Vorhänge, <strong>und</strong> dabei stan<strong>de</strong>n zwei Sessel mit großen Blumen darauf,<br />

<strong>und</strong> dann kam ein Sofa an <strong>de</strong>r Wand mit <strong>de</strong>nselben Blumen <strong>und</strong> ein<br />

r<strong>und</strong>er Tisch davor, <strong>und</strong> in <strong>de</strong>r Ecke stand ein Waschtisch mit Sachen<br />

darauf, wie Heidi sie noch gar nie gesehen hatte. Aber nun kam ihm<br />

auf einmal in <strong>de</strong>n Sinn, dass es in Frankfurt sei, <strong>und</strong> <strong>de</strong>r ganze<br />

gestrige Tag kam ihm in Erinnerung <strong>und</strong> zuletzt noch ganz klar die<br />

Unterweisungen <strong>de</strong>r Dame, soweit es sie gehört hatte. Heidi sprang<br />

nun von seinem Bett herunter <strong>und</strong> machte sich fertig. Dann ging es<br />

an ein Fenster <strong>und</strong> dann an das an<strong>de</strong>re; es musste <strong>de</strong>n Himmel sehen<br />

<strong>und</strong> die Er<strong>de</strong> draußen, es fühlte sich wie im Käfig hinter <strong>de</strong>n großen<br />

Vorhängen. Es konnte diese nicht wegschieben; so kroch es dahinter,<br />

um an ein Fenster zu kommen. Aber dieses war so hoch, dass Heidi<br />

nur gera<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>m Kopf so weit hinaufreichte, dass es durchsehen<br />

konnte. Aber Heidi fand nicht, was es suchte. Es lief von einem<br />

Fenster zum an<strong>de</strong>ren <strong>und</strong> dann wie<strong>de</strong>r zum ersten zurück; aber immer<br />

war dasselbe vor seinen Augen, Mauern <strong>und</strong> Fenster <strong>und</strong> wie<strong>de</strong>r Mauern<br />

<strong>und</strong> dann wie<strong>de</strong>r Fenster. Es wur<strong>de</strong> Heidi ganz bange. Noch war es<br />

früh am Morgen, <strong>de</strong>nn Heidi war gewöhnt, früh aufzustehen auf <strong>de</strong>r<br />

Alm <strong>und</strong> dann sogleich hinauszulaufen vor die Tür <strong>und</strong> zu sehen,<br />

wie's draußen sei, ob <strong>de</strong>r Himmel blau <strong>und</strong> die Sonne schon droben<br />

sei, ob die Tannen rauschen <strong>und</strong> die kleinen Blumen schon die Augen<br />

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