Heidis Lehr und Wanderjahre - Blog.de
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<strong>Heidis</strong> <strong>Lehr</strong> <strong>und</strong> <strong>Wan<strong>de</strong>rjahre</strong> 1<br />
auch schon die Dunkelheit hereingebrochen, <strong>und</strong> kaum war er<br />
heruntergestiegen <strong>und</strong> hatte seinen Schlitten hinter <strong>de</strong>m Geißenstall<br />
hervorgezogen, als auch schon Heidi aus <strong>de</strong>r Tür trat <strong>und</strong> vom<br />
Großvater wie gestern verpackt auf <strong>de</strong>n Arm genommen <strong>und</strong> <strong>de</strong>r<br />
Schlitten nachgezogen wur<strong>de</strong>, <strong>de</strong>nn allein da drauf sitzend, wäre die<br />
ganze Umhüllung vom Heidi abgefallen, <strong>und</strong> es wäre fast o<strong>de</strong>r ganz<br />
erfroren. Das wusste <strong>de</strong>r Großvater wohl <strong>und</strong> hielt das Kind ganz<br />
warm in seinem Arm.<br />
So ging <strong>de</strong>r Winter dahin. In das freudlose Leben <strong>de</strong>r blin<strong>de</strong>n<br />
Großmutter war nach langen Jahren eine Freu<strong>de</strong> gefallen <strong>und</strong> ihre<br />
Tage waren nicht mehr lang <strong>und</strong> dunkel, einer wie <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re, <strong>de</strong>nn<br />
nun hatte sie immer etwas in Aussicht, nach <strong>de</strong>m sie verlangen<br />
konnte. Vom frühen Morgen an lauschte sie auch schon auf <strong>de</strong>n<br />
trippeln<strong>de</strong>n Schritt, <strong>und</strong> ging dann die Tür auf <strong>und</strong> das Kind kam<br />
wirklich dahergesprungen, dann rief sie je<strong>de</strong>s Mal in lauter Freu<strong>de</strong>:<br />
"Gottlob! Da kommt's wie<strong>de</strong>r!" Und Heidi setzte sich zu ihr <strong>und</strong><br />
plau<strong>de</strong>rte <strong>und</strong> erzählte so lustig von allem, was es wusste, dass es<br />
<strong>de</strong>r Großmutter ganz wohl machte <strong>und</strong> ihr die St<strong>und</strong>en dahingingen,<br />
sie merkte es nicht, <strong>und</strong> kein einziges Mal fragte sie mehr so wie<br />
früher: "Brigitte, ist <strong>de</strong>r Tag noch nicht um?", son<strong>de</strong>rn je<strong>de</strong>s Mal,<br />
wenn Heidi die Tür hinter sich schloss, sagte sie: "Wie war doch<br />
<strong>de</strong>r Nachmittag so kurz; ist es nicht wahr, Brigitte?" Und diese<br />
sagte: "Doch sicher, es ist mir, wir haben erst die Teller vom<br />
Essen weggestellt." Und die Großmutter sagte wie<strong>de</strong>r: "Wenn mir nur<br />
<strong>de</strong>r Herrgott das Kind erhält <strong>und</strong> <strong>de</strong>m Alm-Öhi <strong>de</strong>n guten Willen!<br />
Sieht es auch ges<strong>und</strong> aus, Brigitte?" Und je<strong>de</strong>s Mal erwi<strong>de</strong>rte diese:<br />
"Es sieht aus wie ein Erdbeerapfel."<br />
Heidi hatte auch eine große Anhänglichkeit an die alte Großmutter,<br />
<strong>und</strong> wenn es ihm wie<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n Sinn kam, dass ihr gar niemand, auch<br />
<strong>de</strong>r Großvater nicht mehr hell machen konnte, überkam es immer<br />
wie<strong>de</strong>r eine große Betrübnis; aber die Großmutter sagte ihm immer<br />
wie<strong>de</strong>r, dass sie am wenigsten davon lei<strong>de</strong>, wenn es bei ihr sei, <strong>und</strong><br />
Heidi kam auch an je<strong>de</strong>m schönen Wintertag heruntergefahren auf<br />
seinem Schlitten. Der Großvater hatte, ohne weitere Worte, so<br />
fortgefahren, hatte je<strong>de</strong>s Mal <strong>de</strong>n Hammer <strong>und</strong> allerlei an<strong>de</strong>re Sachen<br />
mit aufgela<strong>de</strong>n <strong>und</strong> manchen Nachmittag durch an <strong>de</strong>m Geißenpeter-<br />
Häuschen herumgeklopft. Das hatte aber auch seine gute Wirkung; es<br />
krachte <strong>und</strong> klapperte nicht mehr die ganzen Nächte durch, <strong>und</strong> die<br />
Großmutter sagte, so habe sie manchen Winter lang nicht mehr<br />
schlafen können, das wolle sie auch <strong>de</strong>m Öhi nie vergessen.<br />
Es kommt ein Besuch <strong>und</strong> dann noch einer, <strong>de</strong>r mehr Folgen hat<br />
Schnell war <strong>de</strong>r Winter <strong>und</strong> noch schneller <strong>de</strong>r fröhliche Sommer<br />
darauf vergangen, <strong>und</strong> ein neuer Winter neigte sich schon wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m<br />
En<strong>de</strong> zu. Heidi war glücklich <strong>und</strong> froh wie die Vöglein <strong>de</strong>s Himmels<br />
<strong>und</strong> freute sich je<strong>de</strong>n Tag mehr auf die herannahen<strong>de</strong>n Frühlingstage,<br />
da <strong>de</strong>r warme Föhn durch die Tannen brausen <strong>und</strong> <strong>de</strong>n Schnee wegfegen<br />
wür<strong>de</strong> <strong>und</strong> dann die helle Sonne die blauen <strong>und</strong> gelben Blümlein<br />
hervorlocken <strong>und</strong> die Tage <strong>de</strong>r Wei<strong>de</strong> kommen wür<strong>de</strong>n, die für Heidi<br />
das Schönste mit sich brachten, was es auf Er<strong>de</strong>n geben konnte.<br />
Heidi stand nun in seinem achten Jahre; es hatte vom Großvater<br />
allerlei Kunstgriffe erlernt: Mit <strong>de</strong>n Geißen wusste es so gut<br />
umzugehen als nur einer, <strong>und</strong> Schwänli <strong>und</strong> Bärli liefen ihm nach wie<br />
treue Hündlein <strong>und</strong> meckerten gleich laut vor Freu<strong>de</strong>, wenn sie nur<br />
seine Stimme hörten. In diesem Winter hatte Peter schon zweimal<br />
vom Schullehrer im Dörfli <strong>de</strong>n Bericht gebracht, <strong>de</strong>r Alm-Öhi solle<br />
das Kind, das bei ihm sei, nun in die Schule schicken, es habe<br />
schon mehr als das Alter <strong>und</strong> hätte schon im letzten Winter kommen<br />
sollen. Der Öhi hatte bei<strong>de</strong> Male <strong>de</strong>m Schullehrer sagen lassen,<br />
wenn er etwas mit ihm wolle, so sei er daheim, das Kind schicke er<br />
nicht in die Schule. Diesen Bericht hatte <strong>de</strong>r Peter richtig<br />
überbracht.<br />
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