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Heidis Lehr und Wanderjahre - Blog.de

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<strong>Heidis</strong> <strong>Lehr</strong> <strong>und</strong> <strong>Wan<strong>de</strong>rjahre</strong> 1<br />

"Lass mich nur sitzen, du gutes Kind; es bleibt doch dunkel bei mir,<br />

auch im Schnee <strong>und</strong> in <strong>de</strong>r Helle, sie dringt nicht mehr in meine<br />

Augen."<br />

"Aber dann doch im Sommer, Großmutter", sagte Heidi, immer<br />

ängstlicher nach einem guten Ausweg suchend; "weißt, wenn dann<br />

wie<strong>de</strong>r die Sonne ganz heiß herunterbrennt <strong>und</strong> dann 'gute<br />

Nacht' sagt <strong>und</strong> die Berge alle feuerrot schimmern <strong>und</strong> alle<br />

gelben Blümlein glitzern, dann wird es dir wie<strong>de</strong>r schön hell?"<br />

"Ach, Kind, ich kann sie nie mehr sehen, die feurigen Berge <strong>und</strong> die<br />

gol<strong>de</strong>nen Blümlein droben, es wird mir nie mehr hell auf Er<strong>de</strong>n, nie<br />

mehr."<br />

Jetzt brach Heidi in lautes Weinen aus. Voller Jammer schluchzte<br />

es fortwährend: "Wer kann dir <strong>de</strong>nn wie<strong>de</strong>r hell machen? Kann es<br />

niemand? Kann es gar niemand?"<br />

Die Großmutter suchte nun das Kind zu trösten, aber es gelang ihr<br />

nicht so bald. Heidi weinte fast nie; wenn es aber einmal anfing,<br />

dann konnte es auch fast nicht mehr aus <strong>de</strong>r Betrübnis herauskommen.<br />

Die Großmutter hatte schon allerhand probiert, um das Kind zu<br />

beschwichtigen, <strong>de</strong>nn es ging ihr zu Herzen, dass es so jämmerlich<br />

schluchzen musste. Jetzt sagte sie: "Komm, du gutes Heidi, komm<br />

hier heran, ich will dir etwas sagen. Siehst du, wenn man nichts<br />

sehen kann, dann hört man so gern ein fre<strong>und</strong>liches Wort, <strong>und</strong> ich<br />

höre es gern, wenn du re<strong>de</strong>st; komm, setz dich da nahe zu mir <strong>und</strong><br />

erzähl mir etwas, was du machst da droben <strong>und</strong> was <strong>de</strong>r Großvater<br />

macht, ich habe ihn früher gut gekannt; aber jetzt hab ich seit<br />

manchem Jahr nichts mehr gehört von ihm als durch <strong>de</strong>n Peter, aber<br />

<strong>de</strong>r sagt nicht viel."<br />

Jetzt kam <strong>de</strong>m Heidi ein neuer Gedanke; es wischte rasch seine<br />

Tränen weg <strong>und</strong> sagte tröstlich: "Wart nur, Großmutter, ich will<br />

alles <strong>de</strong>m Großvater sagen, er macht dir schon wie<strong>de</strong>r hell <strong>und</strong> macht,<br />

dass die Hütte nicht zusammenfällt, er kann alles wie<strong>de</strong>r in<br />

Ordnung machen."<br />

Die Großmutter schwieg stille, <strong>und</strong> nun fing Heidi an, ihr mit<br />

großer Lebendigkeit zu erzählen von seinem Leben mit <strong>de</strong>m Großvater<br />

<strong>und</strong> von <strong>de</strong>n Tagen auf <strong>de</strong>r Wei<strong>de</strong> <strong>und</strong> von <strong>de</strong>m jetzigen Winterleben<br />

mit <strong>de</strong>m Großvater, was er alles aus Holz machen könne, Bänke <strong>und</strong><br />

Stühle <strong>und</strong> schöne Krippen, wo man für das Schwänli <strong>und</strong> Bärli das<br />

Heu hineinlegen könnte, <strong>und</strong> einen neuen großen Wassertrog zum Ba<strong>de</strong>n<br />

im Sommer, <strong>und</strong> ein neues Milchschüsselchen <strong>und</strong> Löffel, <strong>und</strong> Heidi<br />

wur<strong>de</strong> immer eifriger im Beschreiben all <strong>de</strong>r schönen Sachen, die so<br />

auf einmal aus einem Stück Holz herauskommen, <strong>und</strong> wie es dann neben<br />

<strong>de</strong>m Großvater stehe <strong>und</strong> ihm zuschaue <strong>und</strong> wie es das alles auch<br />

einmal machen wolle. Die Großmutter hörte mit großer<br />

Aufmerksamkeit zu, <strong>und</strong> von Zeit zu Zeit sagte sie dazwischen:<br />

"Hörst du's auch, Brigitte? Hörst du, was es vom Öhi sagt?"<br />

Mit einem Mal wur<strong>de</strong> die Erzählung unterbrochen durch ein großes<br />

Gepolter an <strong>de</strong>r Tür, <strong>und</strong> herein stampfte <strong>de</strong>r Peter, blieb aber<br />

sogleich stille stehen <strong>und</strong> sperrte seine r<strong>und</strong>en Augen ganz<br />

erstaunlich weit auf, als er das Heidi erblickte, <strong>und</strong> schnitt die<br />

allerfre<strong>und</strong>lichste Grimasse, als es ihm sogleich zurief: "Guten<br />

Abend, Peter!"<br />

"Ist <strong>de</strong>nn das möglich, dass <strong>de</strong>r schon aus <strong>de</strong>r Schule kommt", rief<br />

die Großmutter ganz verw<strong>und</strong>ert aus. "So geschwind ist mir seit<br />

manchem Jahr kein Nachmittag vergangen! Guten Abend, Peterli, wie<br />

geht es mit <strong>de</strong>m Lesen?"<br />

"Gleich", gab <strong>de</strong>r Peter zur Antwort.<br />

"So, so", sagte die Großmutter ein wenig seufzend, "ich habe<br />

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