PDF, 25 K - Diözese Rottenburg-Stuttgart
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Eine Frauenkommission stellt sich vor<br />
Der Wandel im Selbstverständnis von Frauen ist nicht mehr rückgängig zu machen, und er<br />
macht auch nicht an den Kirchentüren halt.<br />
Durch die Frauenbewegung aufmerksam geworden auf ihre allgegenwärtige Diskriminierung,<br />
haben immer mehr Frauen begonnen, auch die Kirche mit kritischen Augen zu betrachten<br />
und sich als „Frauen in einer Männerkirche“ wahrzunehmen.<br />
Angesichts einer veränderten gesellschaftlichen Stellung der Frauen und zunehmender E-<br />
migration aus der Kirche wächst die Überzeugung, dass hier einschneidende Bewusstseins-<br />
veränderungen notwendig sind, und immer mehr Frauen wie auch Männer fordern entspre-<br />
chende Konsequenzen für kirchliche Praxis und theologisches Selbstverständnis.<br />
Die vorliegende Dokumentation über die Frauenkommission der <strong>Diözese</strong> <strong>Rottenburg</strong>-<br />
<strong>Stuttgart</strong> liefert ein Beispiel für das Bemühen um konkrete Schritte auf dem Weg zur Verwirk-<br />
lichung einer geschwisterlichen Kirche.<br />
Die Frauenkommission – in ihrer Art die erste in Deutschland – wurde Anfang 1992 auf An-<br />
regung des diözesanen Jugendforums von Bischof Walter Kasper als Beratungsgremium<br />
eingesetzt, das gezielte Vorschläge und Maßnahmen zur Frauenförderung in der <strong>Diözese</strong><br />
erarbeiten soll. Das 17köpfige Gremium, das sich unter dem Vorsitz von Ordinariatsrätin<br />
Therese Wieland aus Vertreterinnen von Diözesanstellen, katholischen (Frauen-)<br />
Verbänden, Pastoral- und Gemeindereferentinnen sowie zwei Mitgliedern des Domkapitels<br />
und dem Leiter der Diözesan-Akademien zusammensetzt, ist sich in einem Punkt einig: Es<br />
will keine Alibifunktion übernehmen und sich nicht mit der Wiederholung bereits vorliegender<br />
„Frauenpapier“ oder Theorien begnügen, die aufgrund fehlender Umsetzung in die Praxis<br />
keine Verbesserung der Situation von Frauen bewirken.<br />
Defizite aufzuzeigen, auf Benachteiligungen von Frauen hinzuweisen und auf verschiedenen<br />
Ebenen Aufklärungsarbeit zu leisten, ist eine der Aufgaben, die sich die Frauenkommission<br />
zum Ziel gesetzt hat. Darüber hinaus will sie jedoch vor allem auch Anliegen von Frauen<br />
aufgreifen und zur Sprache bringen, auf fundiertem Hintergrund frauenrelevante Forderun-<br />
gen stellen und sich für konkrete Veränderungen einsetzen. Dabei geht es über die Forde-<br />
rung nach „Gleichstellung“ der Frauen innerhalb gegebener Verhältnisse hinaus um die Su-<br />
che nach denkbaren und möglichen Alternativen zu bestehenden, männlich geprägten Struk-<br />
turen, Beziehungs- und Einstellungsmustern, die es schöpferisch zu überschreiten gilt.<br />
So ist die Frauenkommission der <strong>Diözese</strong> <strong>Rottenburg</strong>-<strong>Stuttgart</strong> bemüht, Impulse und Wege<br />
aufzuzeigen, wie auch in der Kirche auf unterschiedlicher Ebene geschlechtsspezifische Rol-<br />
lenfixierung, Ausgrenzung und Diskriminierung überwunden werden können und wie ein<br />
neues Zusammenleben und –arbeiten von Frauen und Männern aussehen könnte.<br />
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Da hier vielschichtige Problemstellungen nicht nur innerkirchlicher, sondern auch gesell-<br />
schaftspolitischer Art ins Blickfeld rücken und entsprechende Erkenntnisse unterschiedlicher<br />
wissenschaftlicher Fachbereiche, vor allem auch der wissenschaftlich(-theologisch)en Frau-<br />
enforschung zu berücksichtigen sind, zieht die Frauenkommission zu einzelnen Themenbe-<br />
reichen und Fragestellungen bei Bedarf weitere Fachleute, insbesondere Fachfrauen, zu<br />
Rate.<br />
So wurde im Rahmen eines ersten erfolgreichen, vom Bischof unterstützten Antrags der<br />
Frauenkommission Frau Prof. Dr. Bender, Universität Heidelberg, mit der Durchführung einer<br />
„Professionssoziologischen Studie“ über die Beschäftigungsverhältnisse der Frauen bei der<br />
<strong>Diözese</strong> <strong>Rottenburg</strong>-<strong>Stuttgart</strong> als Arbeitgeberin betraut.<br />
Von dieser in der deutschen Katholischen Kirche bislang beispiellosen Studie verspricht sich<br />
die Frauenkommission detaillierte Erkenntnisse über Frauen benachteiligende Defizite in der<br />
diözesanen Berufswelt und deren Ursachen. Dabei werden auch konkrete Impulse erwartet,<br />
wie geschlechtsspezifische Ungleichheiten abgebaut werden können, was auch die künftige<br />
Gestaltung einer für Frauen günstigeren kirchlichen Personalpolitik einschließt sowie die<br />
Konzeption eines diözesanen Frauenförderplans, für dessen Durchsetzung die Einrichtung<br />
der Stelle einer Frauenbeauftragten zur Diskussion steht.<br />
Was im Bereich der Frauenforschung längst erkannt und bearbeitet wird, nämlich die frauen-<br />
diskriminierende Sprache, gewinnt im kirchlichen Raum noch mehr Brisanz. Nicht etwa bei-<br />
läufig hat sich die Frauenkommission in einem weiteren Schwerpunkt ihrer bisherigen Arbeit<br />
mit dem androzentrischen Sprachgebrauch beschäftigt, der sich im Bereich von Kirchenlie-<br />
dern und Liturgiesprache weit über die biblische Tradition hinaus bis hin zur sprachlichen<br />
Fassung des Gottesbegriffs verfestigt hat.<br />
Dies wurde zum Anlass für eine neue Initiative der Frauenkommission in Form eines weite-<br />
ren Antrags zur Durchsetzung einer „inklusiven“, d. h. Frauen und Männer gleichermaßen<br />
berücksichtigenden und ansprechenden Sprache in Liturgie und Verkündung, nicht nur in der<br />
eigenen <strong>Diözese</strong>, sondern in der ganzen Katholischen Kirche.<br />
In einem dritten Antrag, den der Bischof von <strong>Rottenburg</strong>-<strong>Stuttgart</strong> ausdrücklich an die Deut-<br />
sche Bischofskonferenz und nach Rom übermitteln und für dessen Verwirklichung er sich<br />
einsetzen soll, fordert die Frauenkommission die Zulassung von Frauen zur Ausbildung und<br />
Weihe zu Diakoninnen. Zugrunde liegt die Einsicht, dass der Ausschluss von Frauen von der<br />
Weihe theologisch und pastoral nicht zu rechtfertigen und heutigen Menschen weder vom<br />
Glauben noch von allgemein vernünftigen Überlegungen her plausibel zu machen ist. Dabei<br />
unterstreicht die Kommission in ihrem Antrag zugleich, dass die Entscheidung, Frauen zum<br />
Diakonat zuzulassen, weder „eine Vorwegnahme der Entscheidung über die Zulassung von<br />
Frauen zum Priesteramt“ bedeute, noch von der Frage nach der Zulassung von Frauen zur<br />
vollen Ordination enthebe.<br />
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Mit den drei Anträgen als Ergebnis ihrer bisherigen Arbeit hat die Frauenkommission der<br />
<strong>Diözese</strong> <strong>Rottenburg</strong>-<strong>Stuttgart</strong> bereits unter Beweis gestellt, dass sie willens und fähig ist, ein<br />
breites Spektrum von Fragen, Themen und Problemstellungen in den Blick zu nehmen, den<br />
Anliegen von Frauen durch kompetentes Argumentieren bei der Kirchenleitung Gehör zu<br />
verschaffen und sich – wo nötig – auch auf kirchenpolitisch schwieriges Parkett zu begeben.<br />
Das Ziel, das sich die Frauenkommission gesetzt hat, kann nicht von heute auf morgen er-<br />
reicht werden. Um Schritte anzustoßen auf dem Weg zur Erneuerung der Kirche, die ohne<br />
ein neues Verhältnis und Umgehen von Frauen und Männern nicht denkbar ist, bedarf es viel<br />
Geduld und Solidarität unter all den Menschen, Frauen wie Männern, die bemüht sind, ge-<br />
meinsam den Boden für eine geschwisterliche Kirche zu bereiten.<br />
Dr. Erika Straubinger-Keuser<br />
Tübingen, den 01. Juni 1994<br />
Abgedruckt in: <strong>Diözese</strong> <strong>Rottenburg</strong>-<strong>Stuttgart</strong>, Frauen beraten den Bischof.<br />
Eine Frauenkommission stellt sich vor, <strong>Stuttgart</strong> 1994, 3 – 8<br />
(Vorwort)<br />
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