Beton- und Stahlbetonbau 3 - CITec Concrete Improvement ...
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3<br />
104. Jahrgang<br />
März 2009<br />
Heft 3, S. 145-153<br />
ISSN 0005-9900<br />
Sonderdruck<br />
A 1740<br />
Dr.-Ing. Ulrich Schneck<br />
<strong>Beton</strong>- <strong>und</strong><br />
<strong>Stahlbetonbau</strong><br />
Zerstörungsfreier elektrochemischer<br />
Chloridentzug an der Donaubrücke<br />
Pfaffenstein: Langzeiterfahrungen über<br />
eine bauwerksschonende <strong>und</strong> verkehrserhaltende<br />
Technologie
Ulrich Schneck<br />
Zwischen 2003 <strong>und</strong> 2007 wurden in der Donaubrücke Pfaffenstein,<br />
die im Zuge der BAB A93 in Regensburg Donau <strong>und</strong> Donaukanal<br />
überspannt, insgesamt 200 m 2 Hohlkastenbodenflächen in Teilabschnitten<br />
mit zerstörungsfreiem, elektrochemischem Chloridentzug<br />
instandgesetzt. Diese Bereiche waren durch Defekte im Entwässerungssystem<br />
der Fahrbahntafel teils erheblich chloridbelastet (bis<br />
4%, bezogen auf die Zementmasse), so dass die Bewehrung aktiv<br />
korrodierte, aber noch keine kritischen Querschnittsverluste entstanden<br />
oder Schäden am <strong>Beton</strong> eingetreten waren.<br />
Nach Abschluss des Chloridentzugs wurden die <strong>Beton</strong>flächen,<br />
aus denen ca. 28 kg Chlorid entfernt worden sind, mehrfach<br />
– in einem Abstand von bis zu drei Jahren – mit Potentialmessungen<br />
nachuntersucht. Dabei konnte nachgewiesen werden, dass<br />
die chloridinduzierte Korrosionsaktivität – auch bei vereinzelt vorhandenem<br />
Restchloridgehalt – zuverlässig beseitigt wurde. Weder<br />
die Autobahn noch die im Arbeitsbereich unter der Brücke<br />
führende B<strong>und</strong>esstraße waren von den Arbeiten betroffen. In diesem<br />
Beitrag sollen Wirkprinzip, Randbedingungen <strong>und</strong> die seit<br />
2001 vom Autor gesammelten Erfahrungen mit dieser Instandsetzungsmethode<br />
besprochen werden.<br />
Non-Destructive Electrochemical Chloride Extraction<br />
on the Danube Bridge Pfaffenstein: Long-Term Experiences<br />
about a Structure- and Traffic-keeping Technology<br />
Between 2003 and 2007 in total 200 m 2 of corrosion active hollow<br />
box girder floor slabs were rehabilitated by a non-destructive,<br />
electrochemical chloride extraction (ECE) within the Danube<br />
bridge Pfaffenstein that is situated in Regensburg along the highway<br />
A93. These concrete areas were chloride contaminated by a<br />
leaking drainage system from the carriageway above – up to 4%<br />
by cement mass. Hence, the reinforcement was corrosion active,<br />
but did not show considerable loss of cross-section or concrete<br />
deterioration.<br />
After completing the ECE, where more than 28 kg of chloride<br />
could be removed, multiple potential surveys have been made<br />
about a time span of up to three years. These measurements<br />
have shown that chloride induced corrosion activity could be<br />
eliminated safely, also with some residual chloride. Both highway<br />
and a heavy traffic bearing main street, which crosses <strong>und</strong>er the<br />
bridge, haven’t been affected by the repair. The principle of ECE,<br />
its side effects and the experiences collected by the author since<br />
2001 shall be discussed here.<br />
1 Das Verfahren<br />
Ziel des elektrochemischen Chloridentzugs ist es, den im<br />
Stahlbeton vorhandenen Chloridgehalt zerstörungsfrei<br />
auf ein korrosionsunschädliches Niveau abzusenken. Binnen<br />
weniger Wochen können korrosionsgefährdete Stahl<strong>und</strong><br />
sogar Spannbetonbauteile (mit nachträglichem Verb<strong>und</strong>)<br />
instandgesetzt werden, <strong>und</strong> die Korrosionsschutzfunktion<br />
des <strong>Beton</strong>s für den Stahl wird wiederhergestellt.<br />
Gegebenenfalls müssen im Anschluss Maßnahmen zum<br />
Schutz vor erneuter Chlorideindringung getroffen werden.<br />
Damit unterscheidet sich das Instandsetzungsziel von<br />
dem des kathodischen Korrosionsschutzes, wo mit einer<br />
permanenten Installation Korrosionsaktivität an der Bewehrung<br />
dauerhaft unterdrückt wird – nahezu unabhängig<br />
von den Umgebungsbedingungen.<br />
1.1 Allgemeine Gr<strong>und</strong>sätze<br />
Fachthemen<br />
Zerstörungsfreier elektrochemischer Chloridentzug<br />
an der Donaubrücke Pfaffenstein: Langzeiterfahrungen<br />
über eine bauwerksschonende <strong>und</strong> verkehrserhaltende<br />
Technologie<br />
Die Chloridmigration wird durch ein elektrisches Feld bewirkt,<br />
welches durch eine zwischen der Bewehrung <strong>und</strong><br />
einer externen, temporär montierten Elektrode angelegte<br />
Gleichspannung aufgebaut wird. In der Regel werden 40 V<br />
gewählt, um einen zügigen Entsalzungsfortschritt bei sicheren<br />
Arbeitsbedingungen zu erreichen. Wie in Bild 1 zu<br />
sehen ist, werden die im Porenraum des <strong>Beton</strong>s gelösten<br />
Ionen durch Einfluss des elektrischen Felds bewegt – die<br />
Anionen zur Anode <strong>und</strong> die Kationen zur Kathode. Dafür<br />
wird ein möglichst feuchter <strong>Beton</strong> benötigt. Das elektri-<br />
Prinzip des elektrochemischen Chloridentzuges (CE)<br />
Betriebsspannung zwischen Anode <strong>und</strong> Kathode: ca. 30-40 V<br />
Stromdichte bezogen auf die <strong>Beton</strong>oberfläche: ca.1-5 A/m 2<br />
Anwendungsdauer: ca. 4-8 Wochen<br />
Stahlbetonoberfläche (z.B. Parkdeck, Brückenpfeiler)<br />
Externe Anode<br />
Elektrolytspeicher <strong>und</strong> Chloridadsorber<br />
DOI: 10.1002/best.200900661<br />
Spannungsquelle<br />
Bewehrung (Katode) Elektrische Verbindung zur Bewehrung<br />
Bild 1. Prinzip des elektrochemischen Chloridentzugs aus<br />
Stahlbeton<br />
Fig. 1. Principle of the electrochemical chloride extraction<br />
from reinforced concrete<br />
© 2009 Ernst & Sohn Verlag für Architektur <strong>und</strong> technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · <strong>Beton</strong>- <strong>und</strong> <strong>Stahlbetonbau</strong> 104 (2009), Heft 3<br />
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U. Schneck · Zerstörungsfreier elektrochemischer Chloridentzug an der Donaubrücke Pfaffenstein: Langzeiterfahrungen über eine bauwerksschonende <strong>und</strong> verkehrserhaltende Technologie<br />
sche Feld wirkt hier unterstützend: Da die Anzahl der an<br />
Kationen angelagerten Wassermoleküle (Solvathülle)<br />
durchschnittlich größer ist als die bei Anionen, wird mehr<br />
Wasser zur Kathode transportiert als zur Anode, <strong>und</strong> der<br />
<strong>Beton</strong> nimmt das an der externen Anode aufgegebene<br />
Wasser schnell auf.<br />
Der durch das elektrische Feld bewirkte Ionentransport<br />
ist ein physikalischer Prozess; tatsächlich ist die Migration<br />
nur in den Kapillar- <strong>und</strong> Schrumpfporen möglich,<br />
die häufig anders ausgerichtet sind als die Feldlinien. Entsprechend<br />
ihrer Größe, der spezifischen Beweglichkeit [1]<br />
<strong>und</strong> Konzentration haben die gelösten Ionen einen veränderlichen<br />
Anteil am Gesamttransport. Der Chloridanteil<br />
an der Anionenmigration ist zu Beginn der Chloridextraktion<br />
am größten <strong>und</strong> verringert sich stetig, während der<br />
Anteil an Hydroxylionen zunimmt.<br />
Auf der Bewehrungsoberfläche kommt es zu elektrochemischen<br />
Reaktionen: der Reduktion von Oxiden, Sauerstoff<br />
<strong>und</strong> Wasser. Diese Reaktionen stehen in Bezug zum<br />
Strom, der während des Chloridentzugs fließt, <strong>und</strong> zur damit<br />
verb<strong>und</strong>enen eingetragenen Ladungsmenge. Die auf<br />
die Bewehrung bezogenen Stromdichten bewegen sich üblich<br />
zwischen 0,5 <strong>und</strong> 2 A/m 2 , können aber während der<br />
ersten St<strong>und</strong>en/Tage der Behandlung wesentlich höher<br />
sein. Die hauptsächliche Reaktion ist die Sauerstoffreduktion<br />
Gl. (1a), bei der Hydroxylionen gebildet <strong>und</strong> die Alkalität<br />
des <strong>Beton</strong>s um die Bewehrung erhöht wird.<br />
1<br />
O2+H 2O<br />
+2e → 2OH<br />
2<br />
z. B. Fe2 O 3 + 3H2O+ 2e → 2Fe(OH) 2 + 2OH<br />
2H O + 2e → H + 2OH<br />
2<br />
–<br />
– –<br />
2<br />
–<br />
Gleichung 1. Mögliche Reaktionen auf der Stahloberfläche<br />
beim Chloridentzug<br />
Equation 1. Possible reduction reactions on the reinforcement<br />
surface forced by ECE<br />
(1a)<br />
(1b)<br />
(1c)<br />
Beide Prozesse – Chloridmigration <strong>und</strong> Reduktion von<br />
Oxiden, Sauerstoff <strong>und</strong> Wasser – laufen gleichzeitig ab,<br />
stehen aber in keinem direkten, mathematisch auswertbaren<br />
Zusammenhang. Während die Chloridmigration von<br />
der Höhe der angelegten Spannung (vom elektrischen<br />
Feld), der <strong>Beton</strong>überdeckung, der Permeabilität des <strong>Beton</strong>s<br />
<strong>und</strong> vom Wassergehalt abhängen, werden der Stromfluß<br />
<strong>und</strong> die eingetragene Ladungsmenge von Spannung,<br />
Temperatur, <strong>Beton</strong>widerstand <strong>und</strong> den Übergangswiderständen<br />
auf Bewehrung <strong>und</strong> Anode bestimmt. Diese Betrachtung<br />
stimmt mit anderen Veröffentlichungen, die den<br />
Chloridentzug in direkter Abhängigkeit von Strom <strong>und</strong><br />
Ladungsmenge sehen [2], nicht überein, basiert aber auf<br />
langjähriger praktischer Erfahrung. Ein sehr effektiver<br />
Chloridentzug kann sowohl bei niedrigen Ladungsmengen<br />
erreicht werden, andererseits kann der Chloridentzug<br />
selbst bei hohen Ladungsmengen wenig effektiv sein.<br />
Beim elektrochemischen Chloridentzug wird also<br />
nicht nur Chlorid aus dem <strong>Beton</strong> entfernt, sondern auch<br />
die Alkalität der <strong>Beton</strong>umgebung in Bewehrungsnähe<br />
durch Bildung von Hydroxylionen erhöht. Das verbessert<br />
den Korrosionsschutz zusätzlich, denn der korrosionsaus-<br />
4<br />
Sonderdruck aus: <strong>Beton</strong>- <strong>und</strong> <strong>Stahlbetonbau</strong> 104 (2009), Heft 3<br />
–<br />
–<br />
lösende Chloridgehalt ist abhängig von der Alkalität des<br />
<strong>Beton</strong>s, <strong>und</strong> ein gewisser Restchloridgehalt kann i. d. R.<br />
gefahrlos toleriert werden. Die Bildung von Hydroxylionen<br />
durch Sauerstoffreduktion ist wesentlich intensiver<br />
als der durch das elektrische Feld bewirkte „Abtransport“<br />
zur Anode.<br />
An den Zementstein (C 3A) chemisch geb<strong>und</strong>enes<br />
Chlorid wird durch den Chloridentzug teilweise gelöst, da<br />
das Verhältnis freies/geb<strong>und</strong>enes Chlorid dynamisch ist.<br />
Allerdings liegt die chemische Chloridbindefähigkeit des<br />
Zementsteins nach eigenen Erfahrungen bei max. 0,5%<br />
(bezogen auf den Zementgehalt), so dass keine bedeutenden<br />
Mengen in Lösung gehen können.<br />
An der externen Anode laufen Reaktionen ab, die zu<br />
sehr sauren Bedingungen führen: die Oxidation von Wasser,<br />
Hydroxylionen <strong>und</strong> Chlorid, wie auch die Entwicklung<br />
von Chlorgas. Nach [3] kann auch die Reaktion von<br />
Wasser <strong>und</strong> Chlorgas zu einem sauren Milieu führen.<br />
1.2 Komponenten für den Chloridentzug<br />
Gr<strong>und</strong>sätzlich werden für den elektrochemischen Chloridentzug<br />
folgende Komponenten benötigt:<br />
– eine dimensionsstabile, d. h. beständige Anode – normalerweise<br />
ein Netz aus aktiviertem Titan<br />
– ein Elektrolytreservoir, das die Anode einbettet <strong>und</strong> für<br />
einen elektrolytisch leitenden Kontakt zur <strong>Beton</strong>oberfläche<br />
sorgt<br />
– eine Hochstrom-Spannungsversorgung zur Erzeugung<br />
des elektrischen Felds zwischen Anode <strong>und</strong> Bewehrung<br />
– Mess- <strong>und</strong> Steuereinheiten zur Aufzeichnung bzw.<br />
Steuerung von Spannung <strong>und</strong> Strom <strong>und</strong> – soweit vorhanden<br />
– der Signale an den Referenzelektroden<br />
Als Elektrolyt kann Leitungswasser verwendet werden.<br />
Um eine Ansäuerung der <strong>Beton</strong>oberfläche durch elektrochemische<br />
Reaktionen an der Anode zu verhindern, wird<br />
auch eine alkalische, puffernde Lösung mit Ca(OH) 2 oder<br />
NaOH verwendet. Zur Kompensation von negativen Effekten<br />
in Zusammenhang mit AKR wurde in [4] eine<br />
Empfehlung des SHRP [5] zur Anwendung von Lithiumborat-Lösung<br />
erwähnt.<br />
1.3 Beeinflussende Faktoren <strong>und</strong> Randbedingungen<br />
für den Einsatz<br />
Der elektrochemische Chloridentzug wird von vielen, im<br />
praktischen Einsatz nur schwer zu bestimmenden <strong>und</strong><br />
auch auf kleineren <strong>Beton</strong>flächen variierenden Faktoren<br />
beeinflusst. Der Chloridentzug selbst beeinflusst das behandelte<br />
Bauteil nicht nur durch eine Absenkung des<br />
Chloridgehalts <strong>und</strong> der Alkalisierung des <strong>Beton</strong>s um die<br />
Bewehrung, sondern auch mit unerwünschten Nebenwirkungen,<br />
wenn das Bauwerk zuvor nicht entsprechend<br />
untersucht <strong>und</strong> der Chloridentzug nicht entsprechend<br />
projektiert wurde.<br />
Bewehrungsführung: Die Bewehrung bildet die Kathode<br />
für den Chloridentzug; Stababstand <strong>und</strong> <strong>Beton</strong>überdeckung<br />
haben großen Einfluss auf den Behandlungserfolg.<br />
Der Hauptanteil des Verfahrens läuft zwischen <strong>Beton</strong>oberfläche<br />
<strong>und</strong> oberer Bewehrungslage ab; wenn die Be-
U. Schneck · Zerstörungsfreier elektrochemischer Chloridentzug an der Donaubrücke Pfaffenstein: Langzeiterfahrungen über eine bauwerksschonende <strong>und</strong> verkehrserhaltende Technologie<br />
tonüberdeckung < 20 mm ist, wird dieser Bereich nahezu<br />
vollständig von Chlorid befreit, aber nur wenig Chlorid<br />
kann aus tieferliegenden Zonen entfernt werden. Kurzschlüsse<br />
zwischen Anode <strong>und</strong> Bewehrung müssen vermieden<br />
werden. Bei großen Stababständen kann der Entsalzungseffekt<br />
ungleichmäßig werden. Bei sehr dicht liegender<br />
Bewehrung können tieferliegende Bewehrungslagen<br />
von der Mitwirkung am Chloridentzug abgeschirmt werden.<br />
Weiterhin muss sichergestellt sein, dass die Bewehrung<br />
in den behandelten Flächen metallleitend verb<strong>und</strong>en<br />
ist <strong>und</strong> dass alle metallischen Einbauteile als Kathode geschaltet<br />
sind; sonst bilden sich auf den unverb<strong>und</strong>enen<br />
Metallflächen bipolare Elektroden, die zu einer raschen<br />
Metallauflösung führen können.<br />
<strong>Beton</strong>zusammensetzung <strong>und</strong> <strong>Beton</strong>schäden: Auch <strong>Beton</strong>zusammensetzung<br />
<strong>und</strong> -struktur haben großen Einfluss auf<br />
die Dauer <strong>und</strong> Effizienz des Chloridentzugs – ein sehr dichter<br />
<strong>Beton</strong> kann die Anwendungszeit verlängern; bereits reprofilierte<br />
Bereiche können im Verhalten erheblich vom<br />
Originalbeton abweichen. Obwohl <strong>Beton</strong>schäden vor Beginn<br />
eines Chloridentzugs gr<strong>und</strong>sätzlich unter Verwendung<br />
von unmodifiziertem Normalbeton beseitigt werden<br />
sollten, kann das Verfahren nach vorliegenden Erfahrungen<br />
erfolgreich an Hohlstellen <strong>und</strong> in Rissbereichen angewendet<br />
werden; das ist jedoch eine Einzelfallentscheidung.<br />
Korrosionszustand am Beginn der Behandlung: Wenn die<br />
Bewehrung vollständig mit Korrosionsprodukten bedeckt<br />
ist, wird u. U. ein erheblicher Teil der Ladungsmenge für deren<br />
Reduktion benötigt, ohne dass dabei Hydroxylionen gebildet<br />
werden. In [6] wurden erste Hinweise auf die Oxidreduktion<br />
beschrieben, <strong>und</strong> theoretisch können bis 500 A/m 2<br />
benötigt werden, ehe die Sauerstoffreduktion <strong>und</strong> damit die<br />
Bildung von Hydroxylionen als hauptsächliche kathodische<br />
Reaktion stattfinden. Bei der Definition der Anwendungsziele<br />
muss dieser Umstand berücksichtigt werden.<br />
Alkali-Kieselsäure-Reaktion: Alkalireaktive Zuschlagstoffe<br />
werden in hoch alkalischer <strong>und</strong> feuchter Umgebung zu<br />
expansiven Reaktionen angeregt. Der Zusammenhang<br />
zwischen Chloridentzug <strong>und</strong> AKR wurde mehrfach untersucht<br />
[7]; demnach gibt es keinen direkten Zusammenhang<br />
zwischen Ladungsmenge, Anwendungszeit <strong>und</strong><br />
AKR-Effekten. Bei Vorhandensein derartiger Zuschläge<br />
im <strong>Beton</strong> ist jedoch eine Prüfung der Anwendbarkeit des<br />
Chloridentzugs erforderlich.<br />
Chlorgasentwicklung <strong>und</strong> Ansäuerung der <strong>Beton</strong>oberfläche:<br />
Ohne entsprechende Vorsichtsmaßnahmen werden<br />
durch die anodischen Reaktionen u. U. große Mengen<br />
Chlorgas entwickelt <strong>und</strong> die <strong>Beton</strong>oberfläche angesäuert.<br />
Chlorgas ist nicht nur ges<strong>und</strong>heitsschädlich, sondern führt<br />
in feuchter Umgebung auch zu starken Korrosionsreaktionen<br />
an benachbarten metallischen Flächen. Zur Vermeidung<br />
dieser Effekte können Ionenaustauscher verwendet<br />
werden, die Chlorid binden sowie alkalisch puffernde<br />
Elektrolytlösungen.<br />
Haftverb<strong>und</strong> zwischen Stahl <strong>und</strong> <strong>Beton</strong>: Die mögliche Beeinträchtigung<br />
des Haftverb<strong>und</strong>s wurde vielfach <strong>und</strong> unter<br />
verschiedenen Testbedingungen untersucht. Negative<br />
Effekte – eine Verschlechterung des Haftverb<strong>und</strong>s um bis<br />
zu 50% – wurde besonders an glatten, korrodierten Stählen<br />
nach Eintrag sehr hoher Ladungsmengen gef<strong>und</strong>en,<br />
aber kein expliziter Zusammenhang zwischen den Parametern.<br />
In [8] wurden sogar eine Erhöhung des Haftverb<strong>und</strong>s<br />
<strong>und</strong> dessen Wiederanstieg nach Beendigung des<br />
Chloridentzugs festgestellt. Nach [9] ist unbedingt der<br />
„Vorspanneffekt“ an korrodierten Oberflächen zu berücksichtigen,<br />
der den Haftverb<strong>und</strong> über den projektierten<br />
Wert hinaus erhöht. Bei einer Reduktion der Oxide wird<br />
genau diese zusätzliche Verb<strong>und</strong>kraft abgebaut, ohne jedoch<br />
unter den Wert im Ausgangszustand des Bauwerks<br />
zu fallen.<br />
Anwendung des Verfahrens an Spannbetonkonstruktionen:<br />
Bei der dritten möglichen kathodischen Reaktion<br />
Gl. (1c), die bei Potentialen ≤ 770 mV gegen NHE (Normal-Wasserstoffelektrode)<br />
<strong>und</strong> pH = 13 auftritt, wird molekularer<br />
Wasserstoff gebildet, der in das Gefüge von<br />
Spannstählen eindringen <strong>und</strong> dort wasserstoffinduzierten<br />
Sprödbruch verursachen kann. Daher darf der Chloridentzug<br />
nicht an Spannbetonbauteilen mit sofortigem<br />
Verb<strong>und</strong> eingesetzt werden. Anders sieht es bei Spannbeton<br />
mit nachträglichem Verb<strong>und</strong> aus: dort bildet das<br />
Spanngliedhüllrohr einen Faradayschen Käfig <strong>und</strong> verhindert<br />
unzulässige Polarisation des innenliegenden Spannstahls.<br />
Dieser Schutz ist auch bei geringfügigen Defekten<br />
des Hüllrohrs noch voll wirksam [10].<br />
1.4 Kriterien für die Beendigung des Chloridentzugs<br />
<strong>und</strong> den Anwendungserfolg<br />
Für die sehr komplexen, dynamischen Vorgänge beim<br />
Chloridentzug können keine sinnvollen, einzelnen Parameter<br />
als Abschalt- <strong>und</strong> Erfolgskriterium festgelegt werden.<br />
Für die praktische Handhabung sind daher in den<br />
unter 4. genannten Richtlinien <strong>und</strong> Spezifikationen mehrere<br />
Kriterien genannt, die den lokalen Umständen entsprechend<br />
angewendet werden sollen:<br />
– Chloridgehalt: der durchschnittliche, aber auch der<br />
Chloridgehalt in Bewehrungsnähe sollte maximal 0,4%,<br />
bezogen auf die Zementmasse betragen. In Einzelfällen<br />
sind in Bewehrungsumgebung maximal 0,8% zulässig.<br />
– Ladungsmenge: in Abhängigkeit vom Korrosionszustand<br />
der Bewehrung sollte die Ladungsmenge bei<br />
wenig korrodierter Bewehrung ca. 400 Ah/m 2 , bei stärker<br />
korrodierter Bewehrung zwischen 1.000 <strong>und</strong><br />
2.000 Ah/m 2 , bezogen auf die Stahloberfläche, betragen.<br />
– Ruhepotentiale: nach Abbau der Restpolarisation <strong>und</strong><br />
des erhöhten Wassergehalts kann mit einer wiederholten<br />
Potentialmessung der Abbau der Makroelemente<br />
nachvollzogen werden – vormals sehr negative Potentiale<br />
müssen positiver (<strong>und</strong> umgekehrt) gemessen werden.<br />
Die angestrebte maximale Potentialdifferenz im behandelten<br />
Bereich sollte bei ca. 150 mV liegen. In der Regel<br />
kann diese Untersuchung erst 4–6 Monate nach Abschluss<br />
des Chloridentzugs sinnvolle Ergebnisse liefern.<br />
Die Ladungsmenge ist besonders für die Repassivierung<br />
der Stahloberfläche erforderlich, wenn bereits chloridinduzierter<br />
Lochfraß eingetreten war <strong>und</strong> bezieht sich auf<br />
Sonderdruck aus: <strong>Beton</strong>- <strong>und</strong> <strong>Stahlbetonbau</strong> 104 (2009), Heft 3<br />
5
U. Schneck · Zerstörungsfreier elektrochemischer Chloridentzug an der Donaubrücke Pfaffenstein: Langzeiterfahrungen über eine bauwerksschonende <strong>und</strong> verkehrserhaltende Technologie<br />
weltweit gesammelten Erfahrungswerte. Wenn der korrosionsauslösende<br />
Chloridgehalt in Bewehrungsnähe zu<br />
Anwendungsbeginn noch nicht überschritten war, ist das<br />
Kriterium Ladungsmenge weniger bedeutsam.<br />
Da es sich bei den Erfolgskriterien um indirekte Parameter<br />
handelt, ist eine kritische, objektbezogene Bewertung<br />
i. d. R. sinnvoll. Zwei der drei genannten Kriterien<br />
sollen bei einer erfolgreichen Anwendung jedoch mindestens<br />
erfüllt sein.<br />
1.5 Besonderheiten des in der Donaubrücke Pfaffenstein<br />
angewendeten Verfahrens zum Chloridentzug<br />
Im Rahmen eines vom BMWi geförderten FUTOUR-Projekts<br />
wurde eine neue Verfahrensvariante zum elektrochemischen<br />
Chloridentzug entwickelt, die besonders auf eine<br />
punktgenaue, detaillierte <strong>und</strong> ausführlich dokumentierte<br />
Anwendung des Chloridentzugs auf kleineren <strong>Beton</strong>flächen<br />
gerichtet ist. Das Konfigurationsschema ist in Bild 2<br />
zu sehen; die neuen Eigenschaften sind:<br />
– mit einer qualifizierten Korrosionsuntersuchung werden<br />
die korrosionsaktiven Bereiche zunächst genau identifiziert<br />
– üblich sind Teilflächen zwischen 5 <strong>und</strong> 80 m 2<br />
– die vorgefertigten <strong>und</strong> wiederverwendbaren Elektroden<br />
sind 60 × 60 cm groß <strong>und</strong> beinhalten neben der Anode<br />
einen Ionenaustauscher zur Chloridbindung <strong>und</strong> für die<br />
alkalische Pufferung der anodischen Reaktionen<br />
– entsprechend der Konfigurationsparameter (Bewehrungsabstand,<br />
<strong>Beton</strong>überdeckung, Chloridgehalt, <strong>Beton</strong>zusammensetzung)<br />
werden einzelne Elektroden zu<br />
Gruppen zusammengefasst (maximal 10 m 2 )<br />
– ein Chloridmeßmodul signalisiert die Sättigung des Ionenaustauschers<br />
<strong>und</strong> führt dann zur automatischen Abschaltung<br />
der betreffenden Gruppe<br />
– der Chloridentzug wird mit einer konstanten Spannung<br />
von 40 V gesteuert, die mittels Pulsweitenmodulation<br />
(PWM) die Elektrodengruppen in Intervallen an- <strong>und</strong><br />
abschaltet. Werden begrenzende Parameter überschritten,<br />
führt das zu einer Begrenzung der Anschaltzeit. Dadurch<br />
wird auch mehr Chlorid entfernt als bei ununterbrochener<br />
Spannungsaufschaltung [11].<br />
– chloridgesättigte Elektroden werden in einer alkalischen<br />
Lösung bei pH = 14 regeneriert, wobei Chloridionen<br />
vom Ionenaustauscher „heruntergewaschen“ <strong>und</strong> wie-<br />
6<br />
Sonderdruck aus: <strong>Beton</strong>- <strong>und</strong> <strong>Stahlbetonbau</strong> 104 (2009), Heft 3<br />
der durch Hydroxylionen ersetzt werden. Der in der verbrauchten<br />
Lösung enthaltene Chloridgehalt stellt die<br />
dem <strong>Beton</strong> insgesamt entzogene Chloridmenge dar.<br />
Nach Neutralisierung kann die Regenerierlösung umweltgerecht<br />
entsorgt werden, so dass praktisch kein Abfall<br />
entsteht.<br />
2 Chloridentzug in der Donaubrücke Pfaffenstein<br />
Aufgabenstellung<br />
In Vorbereitung einer großen Instandsetzung des Bauwerks<br />
(Bilder 3, 4) sollten u. a. Schadbereiche untersucht<br />
werden, die um Entwässerungsdurchführungen an Stellen<br />
entstanden waren, wo die Fahrbahntafel weit über den<br />
Hohlkasten auskragt. Derartige, fast horizontal ausgebildete<br />
Durchführungen (Bild 5) befanden sich im Bereich<br />
der Rampen, die die Autobahn-Anschlussstelle Regensburg-Pfaffenstein<br />
bilden.<br />
Die Schadstellen waren provisorisch instandgesetzt,<br />
jedoch kam es zu teils erheblichem Chlorideintrag in die<br />
Bodenplatten der Hohlkästen (bis ca. 4%, auch in Bewehrungsnähe,<br />
bezogen auf den Zementgehalt). Eine konventionelle<br />
Instandsetzung/Reprofilierung wäre in diesen Bereichen<br />
praktisch nur mit Austausch des gesamten Querschnitts<br />
erfolgreich gewesen <strong>und</strong> hätte neben dem hohen<br />
Bauaufwand auch zu erheblichen Eingriffen in den Verkehr<br />
auf der Autobahn <strong>und</strong> der die Brücke unterquerenden<br />
B<strong>und</strong>esstraße B8 geführt.<br />
Mit einer Bauwerksuntersuchung sollten zunächst<br />
Umfang <strong>und</strong> Auswirkung der Chlorideindringung erk<strong>und</strong>et<br />
<strong>und</strong> anschließend ein Konzept für die zerstörungsfreie<br />
Entfernung der Chloride aus dem <strong>Beton</strong> erarbeitet werden.<br />
Um für die gesamte instandzusetzende Fläche ein geeignetes<br />
Betriebskonzept zu ermitteln, wurde zunächst ein<br />
Referenz-Chloridentzug im Hohlkastenabschnitt O6.06<br />
durchgeführt. Mit den dabei gesammelten Erfahrungen<br />
wurde der Chloridentzug auf den übrigen Flächen konfiguriert<br />
<strong>und</strong> ausgeführt.<br />
Bauwerksuntersuchung<br />
In der qualifizierten Korrosionsuntersuchung, deren Herangehensweise<br />
<strong>und</strong> Ergebnisse für das Objekt beispielhaft<br />
in [12] beschrieben sind, wurden in vier Hohlkastenabschnitten<br />
Teilflächen zwischen 5 <strong>und</strong> 60 m 2 identifiziert,<br />
Bild 2. Schaltschema des zellenbasierten<br />
<strong>CITec</strong>-Verfahrens zum Chloridentzug<br />
Fig. 2. Schematic layout of the grid cell<br />
based ECE system by <strong>CITec</strong>
U. Schneck · Zerstörungsfreier elektrochemischer Chloridentzug an der Donaubrücke Pfaffenstein: Langzeiterfahrungen über eine bauwerksschonende <strong>und</strong> verkehrserhaltende Technologie<br />
Bild 3. Ansicht der Hohlkastenbereiche von außen<br />
Fig. 3. Outside view on the hollow box girder areas<br />
Bild 4. Innenansicht Hohlkasten 6.06 mit alter Entwässerungsleitung<br />
Fig. 4. View into box girder section 6.06 with old drainage<br />
system<br />
Bild 5. Detail Steg <strong>und</strong> schadhafte, provisorisch instandgesetzter<br />
Entwässerungsdurchführung Typ B<br />
Fig. 5. Side wall of the box girder with the damaged, temporarily<br />
fixed drainage inlet type „B“<br />
wo die Bewehrung zwar korrodiert, korrosionsaktiv, aber<br />
noch nicht nennenswert im Querschnitt geschwächt war.<br />
Am <strong>Beton</strong> waren kaum Schäden festzustellen; Ausbrüche,<br />
Hohlstellen <strong>und</strong> Risse gab es bis auf Ausnahmen noch<br />
nicht.<br />
Das Chlorid hatte sich an der <strong>Beton</strong>oberfläche auf<br />
insgesamt ca. 200 m 2 ausgebreitet <strong>und</strong> war in ca. 100 m 2<br />
bereits bis weit hinter die Bewehrung vorgedrungen. Da<br />
die Schadensursache (defekte Entwässerung) zunächst<br />
beseitigt <strong>und</strong> <strong>Beton</strong>schäden noch nicht eingetreten waren,<br />
lag ein günstiger Zeitpunkt für die zerstörungsfreie Instandsetzung<br />
mit elektrochemischem Chloridentzug vor.<br />
Konfiguration<br />
Bild 6 zeigt eine Übersicht der mit der Korrosionsuntersuchung<br />
ermittelten instandzusetzenden Teilflächen. Entsprechend<br />
<strong>Beton</strong>überdeckung, Oberfläche der Bewehrung<br />
<strong>und</strong> Chloridbelastung des <strong>Beton</strong>s wurden die Elektroden<br />
zu Gruppen bzw. Teilflächen zwischen 2 <strong>und</strong> 10 m 2 zusammengefasst;<br />
jeweils eine Elektrode pro Gruppe war<br />
mit Aktoren <strong>und</strong> Sensoren zur Steuerung bestückt <strong>und</strong><br />
schaltete die sie umgebenden Elektroden.<br />
Wegen der teils hohen Eindringtiefen des Chlorids in<br />
den <strong>Beton</strong> wurde eine zweistufige Anwendung gewählt;<br />
gr<strong>und</strong>sätzlich wurde auf allen Teilflächen sechs Wochen<br />
Erstbehandlung <strong>und</strong> nach mindestens sechs Wochen<br />
Pause eine sechswöchige Folgebehandlung durchgeführt.<br />
Bild 7 zeigt die auf dem Hohlkastenboden ausgelegten<br />
Elektroden.<br />
Ergebnisse des Chloridentzugs<br />
Eine Aufzeichnung der Stromdichten ist in Bild 8 zu sehen<br />
<strong>und</strong> zeigt beispielhaft, wie in den besonders chlorid- <strong>und</strong><br />
korrosionsbelasteten Teilflächen anfangs sehr hohe Ströme<br />
fließen (umgerechnet bis 10 A/m 2 ), während sich in<br />
weniger belasteten Bereichen bei jeweils 40 V Betriebsspannung<br />
von Beginn an nur Stromdichten von ca.<br />
0,5 A/m 2 einstellen. Nach wenigen Tagen wird die Stromdichte<br />
auch in den anfangs hoch belasteten Flächen geringer<br />
<strong>und</strong> erreicht Werte zwischen 0,5 <strong>und</strong> 1 A/m 2 . Das<br />
deckt sich mit Erfahrungswerten aus zahlreichen anderen<br />
Projekten <strong>und</strong> kann v. a. der anfänglich intensiven Oxidreduktion<br />
auf korrodierten Stahlflächen zugeordnet<br />
werden. Weiterhin ist zu sehen, wie die Elektrodengruppen<br />
mit Pulsweitenmodulation an- <strong>und</strong> ausgeschaltet werden.<br />
In der zweistufigen Anwendung des Chloridentzugs<br />
hatten sich die in Bild 9 beispielhaft dargestellten Chloridprofile<br />
entwickelt: an fünf besonders belasteten Prüfstellen<br />
wurden die Chloridgehalte in vier Schichten zu je<br />
2 cm Dicke überwacht. Die roten Balken stellen die Chloridgehalte<br />
im Bereich der oberen Bewehrungslage dar. In<br />
Bild 6. Übersicht der mit Chloridentzug<br />
behandelten Teilflächen auf den Hohlkastenböden<br />
Fig. 6. Overview about the areas treated<br />
with ECE across the hollow box<br />
girder floor slabs<br />
Sonderdruck aus: <strong>Beton</strong>- <strong>und</strong> <strong>Stahlbetonbau</strong> 104 (2009), Heft 3<br />
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U. Schneck · Zerstörungsfreier elektrochemischer Chloridentzug an der Donaubrücke Pfaffenstein: Langzeiterfahrungen über eine bauwerksschonende <strong>und</strong> verkehrserhaltende Technologie<br />
Bild 7. Ausgelegte Elektroden im Hohlkastenabschnitt<br />
O6.06<br />
Fig. 7. Electrode layout in box girder section O6.06<br />
8<br />
Sonderdruck aus: <strong>Beton</strong>- <strong>und</strong> <strong>Stahlbetonbau</strong> 104 (2009), Heft 3<br />
der hinteren Reihe ist der Ausgangszustand zu sehen; die<br />
Gehalte in der Reihe vom 03. 12. 03 wurden nach Ende<br />
der Erstanwendung gemessen <strong>und</strong> zeigen bereits eine<br />
deutliche Absenkung der Chloridgehalte. Vor Anschalten<br />
der Folgeanwendung am 24. 04. 04 wurde festgestellt, dass<br />
die Chloridgehalte im überwachten Tiefenbereich, vor allem<br />
in den äußeren Schichten, wieder angestiegen waren;<br />
diese konnten mit der Folgeanwendung auf ein unkritisches<br />
Maß abgebaut werden.<br />
Die Entwicklung der Chloridprofile kann als typisch<br />
für die Behandlung von <strong>Beton</strong>bauteilen angesehen werden,<br />
bei denen Chlorid bis weit hinter die erste/obere Bewehrungslage<br />
eingedrungen ist: Zunächst wird Chlorid<br />
aus den oberflächennahen Zonen entfernt; weiteres Chlorid<br />
wird aus tieferliegenden Schichten nachgeliefert. In<br />
der Anwendungspause kommt es – unterstützt durch „umgekehrten“<br />
Kapillarsog bei der Austrocknung des stark angefeuchteten<br />
<strong>Beton</strong>s (bis ca. 8%) – zu einer weiteren Verschiebung<br />
von Chlorid aus tieferen Bereichen an die<br />
Oberfläche, wo der Chloridentzug in einer zweiten Anwendung<br />
auch das nachgelieferte Chlorid aus dem <strong>Beton</strong><br />
entfernt (Bild 10). Diese modellhafte Vorstellung wurde in<br />
Bild 8. Aufzeichnung der Stromdichten<br />
während des Chloridentzugs<br />
Fig. 8. Recording of current densities<br />
during the ECE application<br />
Bild 9. Chloridprofile an fünf Prüfstellen<br />
vor, während <strong>und</strong> nach dem<br />
Chloridentzug<br />
Fig. 9. Chloride profiles at five surveillance<br />
locations before, during and after<br />
ECE
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Auswertung fast aller bisherigen Projekte zum Chloridentzug<br />
entwickelt, bei denen stets ähnliche Messergebnisse<br />
beobachtet wurden [13], [14].<br />
Aus dem Ionenaustauscher der Elektroden wurden<br />
insgesamt 28 kg Chlorid gewaschen, was einer Menge von<br />
43 kg NaCl entspricht, die in den <strong>Beton</strong> eingedrungen<br />
war. Bild 11 zeigt Behälter, in die die Elektroden in eine<br />
NaOH-Lösung bei pH = 14 zum Regenerieren gelagert<br />
wurden. Innerhalb der Teilflächen gab es große Unterschiede<br />
bei der Menge des entzogenen Chlorids; abhängig<br />
von Belastung <strong>und</strong> Bauteildicke wurden zwischen 55 <strong>und</strong><br />
227 g/m 2 Cl – entfernt.<br />
Die eingetragenen Ladungsmengen erreichten auf<br />
den Teilflächen zwischen 674 <strong>und</strong> 2.165 Ah/m 2 <strong>und</strong> führten,<br />
ggf. nach Reduktion der Oxide, zu der unter 1.1 beschriebenen<br />
Alkalisierung der <strong>Beton</strong>umgebung um die Bewehrung.<br />
Das verbesserte – neben der Chloridentfernung<br />
– den Korrosionsschutz für das behandelte Bauteil zusätzlich.<br />
Ergebnisse der Nachuntersuchungen<br />
Einen schlüssigen Beleg über die erreichte Beseitigung<br />
der Korrosionsaktivität erhält man aus einer wiederholten<br />
Potentialmessung, die im Vergleich zum Zustand vor<br />
dem Chloridentzug – wie unter 1.4 beschrieben – eine<br />
Auflösung der Makroelemente zeigen sollte. In Bild 12 ist<br />
für den Hohlkastenabschnitt O6.06 zu sehen, wie die<br />
Potentialverteilung im Ausgangszustand, nach der Erstanwendung,<br />
nach der Folgeanwendung <strong>und</strong> als Differenzgrafik<br />
Folgeanwendung – Ausgangszustand aussieht<br />
(Grafiken von oben nach unten). Dabei wird deutlich,<br />
dass erst nach der Folgeanwendung ein ausgeglichenes<br />
Potentialbild entstanden ist; Messpunkte mit ehemals<br />
sehr negativen Potentialen lagen nun um bis 400 mV<br />
positiver. Dabei können auch Restchloridgehalte sicher<br />
toleriert werden.<br />
Die Teilflächen wurden in der Folgezeit weiter beobachtet;<br />
in Abschnitt O6.11 waren auch nach dem zweiten<br />
Behandlungsabschnitt des Chloridentzugs teilweise hohe<br />
Chloridgehalte festgestellt worden. Eine Probenahme<br />
zeigte ca. ein Jahr nach dem Chloridentzug, dass offenbar<br />
Bild 10. Veranschaulichung der Dynamik<br />
des Chloridentzugs bei hohen Eindringtiefen<br />
Fig. 10. Dynamic behaviour of chloride<br />
profiles during ECE at high ingress<br />
depths<br />
Bild 11. Behälter mit alkalischer Lösung zur Regenerierung<br />
der Elektroden<br />
Fig. 11. Regeneration of the electrodes in alkaline solution<br />
noch weitere Mengen Chlorid aus tieferliegenden Bereichen<br />
an die Oberfläche gekommen waren, <strong>und</strong> dass die<br />
chloridinduzierte Korrosionsaktivität dort noch nicht beseitigt<br />
war. Daher wurde in diesem Teilbereich eine zweite<br />
Folgeanwendung durchgeführt, bei der nochmals ca. 2 kg<br />
Chlorid aus 35 m 2 <strong>Beton</strong>fläche entfernt wurden. Damit<br />
konnte schließlich ein knapp 40 cm dicker Querschnitt<br />
durch Chloridentzug zerstörungsfrei von Korrosionsaktivität<br />
befreit werden.<br />
Bild 13 zeigt die Entwicklung der am meisten negativen<br />
Einzelmesswerte <strong>und</strong> der durchschnittlichen Ruhepotentiale<br />
über mehrere Jahre. Die rote untere Kurve<br />
stellt dabei die am meisten negativen Potentiale in O6.11<br />
dar, die nach einer anfänglichen Verschiebung in positive<br />
Richtung wieder negativer werden; nach der zweiten<br />
Chloridentzug-Folgeanwendung kann auch dort<br />
der Anwendungserfolg ausgewiesen werden. EM bedeutet<br />
hierbei Erstmonitoring; WM Wiederholungsmonitoring.<br />
Sonderdruck aus: <strong>Beton</strong>- <strong>und</strong> <strong>Stahlbetonbau</strong> 104 (2009), Heft 3<br />
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U. Schneck · Zerstörungsfreier elektrochemischer Chloridentzug an der Donaubrücke Pfaffenstein: Langzeiterfahrungen über eine bauwerksschonende <strong>und</strong> verkehrserhaltende Technologie<br />
3 Schlussfolgerungen<br />
Mit der Anwendung des elektrochemischen Chloridentzugs<br />
in der Donaubrücke Pfaffenstein konnte gezeigt werden,<br />
dass dieses Verfahren in der Lage ist, auch bei hohen<br />
Chloridgehalten <strong>und</strong> Eindringtiefen bis weit hinter die<br />
obere Bewehrungslage Korrosionsaktivität sicher zu beseitigen<br />
<strong>und</strong> den Korrosionsschutz des <strong>Beton</strong>s für den<br />
Stahl dauerhaft wiederherzustellen – selbst in chloridbelasteten<br />
<strong>Beton</strong>querschnitten bis 40 cm Dicke.<br />
Dabei wurden Eingriffe in den Verkehr sowohl auf<br />
der Autobahn als auch auf der unterquerenden B<strong>und</strong>esstraße<br />
vollständig vermieden; die langen Anwendungszeiträume<br />
(insgesamt knapp zwei Jahre) waren daher unproblematisch.<br />
Das Verfahren stellt somit eine interessante Ergänzung<br />
zu den anderen Instandsetzungstechnologien dar, besonders<br />
wenn „Einmalschäden“ zu beseitigen sind, sich die<br />
korrosionsaktiven Bereiche auf kleinere Flächen konzentrieren,<br />
der <strong>Beton</strong> noch keine größeren Strukturschäden<br />
10<br />
Sonderdruck aus: <strong>Beton</strong>- <strong>und</strong> <strong>Stahlbetonbau</strong> 104 (2009), Heft 3<br />
aufweist <strong>und</strong> wenn Eingriffe in den Verkehr oder in das<br />
Bauwerk selbst an den betreffenden Stellen ungünstig sind.<br />
4 Normative Situation<br />
Bild 12. Nachuntersuchung mit Nachweis<br />
der Beseitigung der Korrosionsaktivität<br />
Fig. 12. Repeated condition survey<br />
showing an evident removal of corrosion<br />
activity<br />
Bild 13. Entwicklung der am meisten<br />
negativen <strong>und</strong> der durchschnittlichen<br />
Potentiale in Teilflächen<br />
Fig. 13. Development of most negative<br />
and average potentials within the sub<br />
areas<br />
2007 wurde von der NACE Taskgroup 054 eine Empfehlung<br />
unter dem Titel „NACE Standard Practice SP0107-<br />
2007 Electrochemical Realkalization and Chloride Extraction<br />
for Reinforced <strong>Concrete</strong>“ veröffentlicht. Gegenwärtig<br />
ist im CEN Technical Committee 219 eine Technische<br />
Spezifikation prCEN TS 14038-2 „Electrochemical<br />
re-alkalisation and chloride extraction treatments for reinforced<br />
concrete – Part 2: chloride extraction“ in Arbeit.<br />
Beide Dokumente sind in gr<strong>und</strong>legenden Inhalten <strong>und</strong><br />
auch bei den anzustrebenden Erfolgskriterien abgestimmt.<br />
Bislang sind Anwendungen des elektrochemischen<br />
Chloridentzugs in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland als Instandsetzungen<br />
mit Abstimmung <strong>und</strong> Genehmigung im<br />
Einzelfall durchgeführt worden.
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Dank<br />
Der Autor möchte an dieser Stelle der Autobahndirektion<br />
Südbayern <strong>und</strong> besonders der Abteilung Brücken, Ingenieurbau<br />
der Dienststelle Regensburg herzlich danken für<br />
das entgegengebrachte Vertrauen bei der Anwendung des<br />
hier beschriebenen innovativen Instandsetzungsverfahrens<br />
<strong>und</strong> für die sehr angenehme Zusammenarbeit.<br />
Literatur<br />
[1] Elsener, B.: Ionenmigration <strong>und</strong> elektrische Leitfähigkeit im<br />
<strong>Beton</strong>. SIA Dokumentation D065: Korrosion <strong>und</strong> Korrosionsschutz,<br />
Teil 5, 1990.<br />
[2] Polder, R. and Walker, R.: Chloride Removal from a Reinforced<br />
<strong>Concrete</strong> Quay Wall – Laboratory Tests. TNO Report<br />
93-BT-R1114, Delft, 1993.<br />
[3] Elsener, B., Molina, M. and Böhni, H.: Electrochemical Removal<br />
of Chlorides from reinforced <strong>Concrete</strong> Structures.<br />
Werkstoffwissenschaften <strong>und</strong> Bausanierung Band 420 Teil 1<br />
– Expert Verlag,<br />
1993.<br />
[4] Mietz, J.: Electrochemical Rehabilitation Methods for Reinforced<br />
<strong>Concrete</strong> Structures – A State of the Art Report. European<br />
Federation of Corrosion Reports 24, Institute of Materials,<br />
1998.<br />
[5] Bennett, J. and Schue, T.: Chloride Removal Implementation<br />
Guide. SHRP-S-347, National Research Council, Washington<br />
DC., 1993.<br />
[6] Schneck, U.: Zu Mechanismen der Stahlkorrosion in <strong>Beton</strong><br />
bei der elektrochemischen Entsalzung. Dissertation, TU<br />
Dresden, 1994.<br />
[7] Page, C. L. and Yu, S.: Potential Effects of Electrochemical<br />
Desalination of <strong>Concrete</strong> on Alkali Silica Reaction. Magazine<br />
for <strong>Concrete</strong> Research 47, 1995.<br />
[8] Vennesland, Ø., Humstad, E., Gautefall, O. and Nustad, G.:<br />
Electrochemical Removal of Chlorides from <strong>Concrete</strong> – Ef-<br />
fect on Bond Strenght and Removal Efficiency. Corrosion of<br />
Reinforcement in <strong>Concrete</strong> Construction, Royal Society of<br />
Chemistry, Cambridge, 1996.<br />
[9] Broomfield, J.: Corrosion of Steel in <strong>Concrete</strong> – Understanding,<br />
Investigation and Repair. Taylor and Francis, 2007.<br />
[10] Grünzig, H.: Orientierende Versuche zur abschirmenden<br />
Wirkung eines Spannstahlhüllrohres im elektrischen Feld.<br />
<strong>CITec</strong> GmbH, 2002 (unveröffentlicht).<br />
[11] Schneck, U., Mucke, S. and Gruenzig, H.: Pulse Width<br />
Modulation (PWR) – Investigations for raising the efficiency<br />
of an electrochemical chloride extraction from reinforced<br />
concrete. Proc. EUROCORR 2001, Riva del Garda, 2001.<br />
[12] Schneck, U.: Qualifizierte Korrosionsuntersuchungen an<br />
<strong>Stahlbetonbau</strong>werken: Bautechnik 82 (2005), Heft 7, S. 443–<br />
448.<br />
[13] Schneck, U., Grünzig, H., Winkler, T. <strong>und</strong> Mucke, S.: Raising<br />
the efficiency of the electrochemical chloride extraction<br />
from reinforced concrete: results and benefits of a practical<br />
application: Proc. 15th International Corrosion Congress,<br />
Granada, 2002.<br />
[14] Schneck, U.: Einflussfaktoren auf die Effizienz des elektrochemischen<br />
Chloridentzugs unter praktischen Bedingungen<br />
– ein Anwendungsbericht: Proc. 6 th International Conference<br />
on Materials Science and Restoration, MSR-VI, Aedificatio<br />
Publishers, Freiburg, 2003.<br />
Dr.-Ing. Ulrich Schneck<br />
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