Bewährte wege - Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien
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Erbe ist viel wert, weil die vielen Gesichter wiens dafür sorgen, dass auch die stadt als Ganzes ihr Gesicht<br />
wahrt, ein prägnantes, ausdrucksstarkes Gesicht. stadt von welt? immer schon gewesen. weltstadt? wa-<br />
rum auch nicht. Großstadt? nein, danke. diese identität wienerischer Machart ist gleichzeitig ein erstaunlich<br />
widerstandsfähiges selbstverständnis, schlüssig, weil fortwährend in frage gestellt, von hoher akzeptanz,<br />
weil heftig umstritten, harmonisch, weil wohlgeübt im umgang mit unterschieden und widersprüchen.<br />
ambivalenz als kreatives spannungsfeld und träges Beharrungsvermögen als wirksames regulativ für allzu<br />
sprunghafte Entwicklungen bewahren wien einerseits davor, den internationalen raster großstädtischer<br />
nutzanwendung unreflektiert hinzunehmen und schaffen andererseits ein Klima, das allen perspektiven<br />
raum gibt, wenn auch nicht um jeden preis. Viele städte funktionieren hauptsächlich und leben so nebenbei<br />
noch ein wenig. wien lebt vor allem und funktioniert so nebenbei gar nicht schlecht. Es gibt allerdings<br />
keine Garantie dafür, dass es dabei bleibt. die global genormte und daher austauschbare Konsum-Erlebniswelt<br />
der fußgängerzonen und Einkaufszentren schiebt sich auch in wien in den Vordergrund. Vieles von<br />
dem, was diese stadt wirklich ausmacht, gibt es nur als trotzige antithese. wirtshäuser oder Kaffeehäuser,<br />
die sich treu bleiben, weil ihre Eigentümer begnadete sturschädel sind, Geschäfte, die offenhalten, auch<br />
ohne große Geschäfte zu machen. ich habe angst, dass dieses Biotop austrocknen könnte, ersetzt durch<br />
inszenierte Vielfalt, dass handwerksbetriebe, Geschäfte, Lokale zwar vertraute namen tragen werden, die<br />
aber nichts mehr zu bedeuten haben, dass über nähe und Miteinander die choreografie urbaner imagepflege<br />
gebietet. ich hoffe, dass sich die wienerinnen und wiener das nicht gefallen lassen. Es häufen sich<br />
ja die anzeichen dafür, dass frische ideen, munterer Eigensinn, fantasie und Kreativität durchaus erfolgreich<br />
bestehen können, sei es in der wirtschaft oder in der Kultur. Es kann allerdings nur gemeinsam gelingen, mit<br />
dem schulterschluss jener, die einander nahe sind, räumlich oder in ihrem wesen, mit regionaler Kraft, stark<br />
genug für den Erfolg auch in größeren netzwerken.<br />
ich frage mich, wie die städtische zukunft in meinem Grätzel aussehen könnte. schön wär‘s, wenn dann<br />
noch freiräume da sein werden, für Menschen, die in sie hineinwachsen, Lücken, die sich mit ideen füllen<br />
lassen, windstille Ecken für Träume, spiele und fröhliche unvernunft. Es wird schon gehen: Gegeneinander,<br />
durcheinander, miteinander. wie das eben so ist in wien.<br />
alfred Komarek<br />
der Einordnung in Kategorien versteht sich der österreichische autor immer wieder zu entziehen: Glossen,<br />
reportagen, hörspiele, Essays, feuilletons, Erzählungen und TV-drehbücher. sein erster Kriminalroman<br />
„polt muß weinen“ wurde mit dem „Glauser“ als bester deutschsprachiger Krimi des Jahres 1998 ausgezeichnet.<br />
Vier polt-romane wurden bisher von orf und arTE für das fernsehen verfilmt. Gemeinsam mit<br />
Julian pölsler erhielt alfred Komarek 2002 die „romy“ für das beste drehbuch. sein Leben zwischen stadt Von<br />
und Land beschreibt er für die Bank in der region in zwei Essays.<br />
<strong>Wien</strong> nach <strong>Wien</strong><br />
Essay<br />
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