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Sand im Getriebe Nr. 88 02/2011 - Attac Berlin

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„Auf, Kinder des Vaterlands! Der Tag des<br />

Ruhms ist da!“ An diesem 14.Juli werden<br />

die Bewohner per Radio mit der „Marseillaise“<br />

geweckt. Die Menschen strömen<br />

auf die Straßen und rufen: „Es lebe die<br />

Republik!“, „Tod dem König“. Sie wissen<br />

noch nicht, dass der Monarch und ein Teil<br />

seiner Familie exekutiert worden sind.<br />

Am Abend liest der große Dichter Abdel<br />

Wahhab Bayati vor der amerikanischen<br />

Botschaft ein Gedicht vor:<br />

„Fanfare für die Helden“:<br />

„In meiner He<strong>im</strong>at erhebt sich die Sonne<br />

Und die Fanfaren ertönen für die Helden,<br />

Oh, viel Geliebte, erwachet,<br />

Denn wir sind frei wie das Feuer,<br />

Frei wie der Vogel und wie der Tag.“<br />

Bagdad 1958. Die Armee hat soeben die<br />

Macht ergriffen, aber es handelt sich bei<br />

weitem nicht um einen traditionellen<br />

Staatsstreich. Die Menschenmassen, die<br />

auf die Straßen strömen, unterstützen das<br />

neue Reg<strong>im</strong>e vehement. Sie begrüßen die<br />

Isolierung der pro-westlichen Monarchie,<br />

die nach dem ersten Weltkrieg mit den<br />

Bajonetten Britanniens eingesetzt worden<br />

war. Zu dieser Zeit hatten sich Großbritannien<br />

und Frankreich den Nahen Osten<br />

aufgeteilt und dazu willkürliche Grenzen<br />

gezogen. Paris erhält ein Mandat für das,<br />

was dann Libanon und Syrien wird. Lon-<br />

Alain Gresh, Le Monde Diplomatique<br />

Die dritte Welle<br />

innerhalb der arabischen Welt<br />

don kontrolliert Palästina, Transjordanien<br />

und Irak.<br />

In den dreißiger Jahren und erneut nach<br />

dem zweiten Weltkrieg organisieren sich<br />

in diesen Ländern mächtige nationalistische<br />

Bewegungen gegen die Kolonialherrschaft.<br />

Die irakische Revolution von<br />

1958 bildet den Höhepunkt dieser Welle,<br />

die den ganzen Nahen Osten und den<br />

Maghreb erschüttert. Sie fällt aber mit der<br />

arabischen Niederlage durch Israel in sich<br />

zusammen.<br />

Die zweite Welle ist gekennzeichnet vor<br />

allem durch militärische Staatsstreiche<br />

und durch den Beginn einer Periode der<br />

tiefen Stagnation der arabischen Welt.<br />

Diese Periode wird nun zu Anfang des<br />

Jahres <strong>2011</strong> durch die von den Tunesiern<br />

eingeleitete Bewegung erschüttert.<br />

Die erste Welle<br />

Mehrere Ereignisse kennzeichnen diese<br />

Welle. Die „Freien Offiziere“ unter Leitung<br />

von Gamal Abdel Nasser erobern am<br />

23.6.1952 die Macht in Kairo. Die algerische<br />

Revolution beginnt am 1.11.1954.<br />

Marokko und Tunesien werden unabhängig.<br />

In Jordanien gibt es riesige Demonstrationen<br />

gegen das Reg<strong>im</strong>e vom König<br />

Hussein. In Saudi-Arabien gibt es soziale<br />

Bewegungen und Putschversuche. Von<br />

Kairo aus ermuntert der Radiosender „Die<br />

Arabische St<strong>im</strong>me“ diese Bewegungen,<br />

die 1958 zur Bildung der „Vereinigten<br />

Arabischen Republik“ (VAR) führten.<br />

Am 14. Juli dieses Jahres stürzen Offiziere<br />

die irakische Monarchie. 1962 findet in<br />

Jemen das gleiche Szenario wie <strong>im</strong> Irak<br />

statt, während sich der Kampf gegen die<br />

Briten intensiviert, und zwar um Aden<br />

herum und um das, was später Jemen<br />

wird.<br />

Diese Welle ist auch durch den Willen<br />

gekennzeichnet, die Kontrollen über die<br />

vom Ausland beherrschten nationalen<br />

Reichtümer wiederzuerlangen. Nasser<br />

verstaatlicht die Suez-Kanal-Gesellschaft<br />

<strong>im</strong> Juni 1956. Der Versuch der iranischen<br />

Mossadegh-Regierung, das Erdöl dieses<br />

Landes zu kontrollieren, scheiterte nach<br />

dem Umsturz, den Washington und London<br />

1953 inszenierten. Trotzdem verbreitet<br />

und verstärkt sich der Ruf nach der<br />

Kontrolle über das schwarze Gold.<br />

Diese nationalistische Welle wird nicht<br />

nur von den traditionellen Kolonialmächten<br />

abgelehnt, sondern auch von den<br />

USA. Diese sind zwar nicht unzufrieden<br />

über die britischen und französischen<br />

Schwierigkeiten, aber sie akzeptieren den<br />

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