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Der Konflikt Aserbaidschan und Armenien

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<strong>Der</strong> <strong>Konflikt</strong> <strong>Aserbaidschan</strong> <strong>und</strong> <strong>Armenien</strong><br />

Asker KARTARI<br />

I. Einleitung<br />

Um den <strong>Konflikt</strong> zwischen <strong>Armenien</strong> <strong>und</strong> <strong>Aserbaidschan</strong> über die Herrschaft des<br />

aserbaidschanischen autonomen Gebiets Berg-Karabakhbesser zu verstehen, muss<br />

man erst die Faktoren des Einflusses über diesen Krieg herausarbeiten. <strong>Der</strong> Aufbau<br />

dieser Arbeit basiert auf diesen Faktoren: die geschichtlichen Hintergründe, die<br />

innenpolitische Situation beider Länder <strong>und</strong> die Rolle anderer Länder, die direkt oder<br />

indirekt in diesem <strong>Konflikt</strong> beteiligt sind.<br />

<strong>Aserbaidschan</strong> <strong>und</strong> <strong>Armenien</strong> liegen im einem der strategisch, wirtschaftlich <strong>und</strong><br />

politisch wichtigsten Teile von Eurasien. Transkaukasien besteht aus georgischen,<br />

armenischen <strong>und</strong> aserbaidschanischen Territorien. <strong>Aserbaidschan</strong> hat 86.000 qkm<br />

Territorium <strong>und</strong> seine Bevölkerungszahl beträgt nach der Volkszählung der<br />

ehemaligen UdSSR im Jahre 1989 7,2 Mio. <strong>Armenien</strong> hat 29.800 qkm Landfläche<br />

eine <strong>und</strong> Bevölkerungszahl von 3,4 Mio. Personen (Roland Götz/Uwe Halbach:<br />

Daten zu Geographie, Bevölkerung, Politik <strong>und</strong> Wirtschaft der Staaten der GUS,<br />

S.1-15).<br />

Das <strong>Konflikt</strong>spektrum im Raum <strong>Armenien</strong>-<strong>Aserbaidschan</strong> ist mehrdimensional;<br />

Ausgangpunkt des <strong>Konflikt</strong>es war der Versuch, die mehrheitlich von Armeniern<br />

bewohnte Enklave Berg-Karabakhaus der Republik <strong>Aserbaidschan</strong> herauszulösen <strong>und</strong><br />

in die Republik <strong>Armenien</strong> einzugliedern. Kennzeichneten Streiks,<br />

Massendemonstrationen, Blockaden, gegenseitige Übergriffe, wechselseitige<br />

Fluchtbewegungen sowie massive Sicherungseinsätze von Militär <strong>und</strong><br />

Sondereinheiten des Innenministeriums das <strong>Konflikt</strong>bild der Jahre 1988/1989, so<br />

eskalierte der <strong>Konflikt</strong> zu Jahresbeginn 1990 zum regelrechten "Bürgerkrieg" (Archiv<br />

der Gegenwart vom 29.1.1990, S. 34180).<br />

II. <strong>Der</strong> geschichtliche Zusammenhang<br />

Das Wort "Karabach" ist aserbaidschanisch-türkisch <strong>und</strong> heiβt "schwarzer Obstgarten".<br />

Das Gebiet war zuerst ein Teil von Klein-Media, unter dem Stadthalter von Alexander<br />

d.Gr. Atropat. Das war im 4. Jahrh<strong>und</strong>ert v.Ch. Nach seinem Tode (323 v.Ch.) hat<br />

Atropat Klein-Media zu einem selbständigen Land gemacht. Nach Meinung der<br />

Historiker stammt der Name <strong>Aserbaidschan</strong> von dessen Namen. Nachfolgend war es<br />

Kaukasisch-Albania, was nichts mit dem heutigen Albanien zu tun hat. Herodot,<br />

Strabon, Plinius <strong>und</strong> Ptolemaeus erwähnten Kaukasisch-Albanien als einen Teil des<br />

heutigen <strong>Aserbaidschan</strong>s; eines Teils Südaserbaidschans, welches das Gebiet bis<br />

nordkaukasischen Ebene umfaβt. Das Gebiet war ein eigenständiges Staatsgebiet, das<br />

weder mit dem heutigen,noch mit dem antiken <strong>Armenien</strong> im Zusammenhang steht. Die<br />

Bevölkerungsstruktur von Albanien war sehr unterschiedlich. Den gröβten<br />

Volksstamm bildeten die Albanier. Sie beherrschten sogar die Fluβmündung ins<br />

Kaspische Meer. Antike Historiker zählten in Kaukasisch-Albanien 26 Volksstämme.<br />

A.Kartarı<br />

1<br />

1


Seit der Antike ist die Geschichte <strong>Aserbaidschan</strong>s bzw. Karabachs fest mit der<br />

Südaserbaidschans verb<strong>und</strong>en.<br />

Seltschuken kamen Anfang des 11. Jahrh<strong>und</strong>erts nach Azerbaidschan (vgl.Bohdan<br />

Nahaylo/Victor Swoboda: Soviet Disunion, S.11-12). Ein Teil zog dann in das heutige<br />

Anatolien, ein anderer Teil hat sich im 12. Jahrh<strong>und</strong>ert im heutigen Nachitschewan<br />

nidergelassen <strong>und</strong> hat das Ildenisenreich gegründet, welches das jetzige<br />

Südaserbaidschan <strong>und</strong> das heutige <strong>Aserbaidschan</strong> umfasst. Die Hauptstadt war Täbris,<br />

die heute noch das politische <strong>und</strong> kulturelle Zentrum von Persisch-<strong>Aserbaidschan</strong> ist.<br />

Dann kamen die Mongolen <strong>und</strong> danach wurde das Land von den Timuren besetzt. Als<br />

dieses Reich zerfiel, kamen zunächst die Akkojunlu-, später die Karakojunlu<br />

Dynastien an die Macht.<br />

Micheal M. Gunter schreibt, dass nach dem Jahr 900 verschiedene armenische<br />

Königreiche für kurze Zeit autonom existiren konnten, die in der Mitte des 11.<br />

Jahrh<strong>und</strong>erts allerdings ins Byzantinische Imperium eingegliedert wurden (Micheal<br />

M. Gunter: Transnational <strong>Armenien</strong> Activism, S.2). Das hieβe, dass<br />

Berg-Karabakhseit dieser Zeit niemals Teil eines armenischen Staates war <strong>und</strong> die<br />

Aseris das Gebiet weder von den Armeniern noch von einem armenischen Staat erobert<br />

hatten. Deshalb wäre es unrecht, die "Wiedervereinigung Berg-Karabachs" zu fordern.<br />

Im 15. Jahrh<strong>und</strong>ert übernahmen die Safewiden die Staatsgewalt. Schach Ismail war<br />

ein groβer Dichter <strong>und</strong> schrieb unter dem Pseudonym Chatai in aserbaidschanischer<br />

Sprache.<br />

Es folgte die Kadschar Dynastie, die die Safewiden stürzte <strong>und</strong> ungefähr 300 Jahre lang<br />

Persien <strong>und</strong> <strong>Aserbaidschan</strong> beherrschte. Mitte des 18. Jahrh<strong>und</strong>erts war das persische<br />

Reich sehr geschwächt. Die einheimischen Fürsten zogen daraus Nutzen, sagten sich<br />

in den fünfziger Jahren des 18. Jahrh<strong>und</strong>erts von Persien los <strong>und</strong> gründeten neun<br />

Chanate (Fürstentümer). Von diesen 9 Chanaten war eines Karabach, ein anderes<br />

"Irewan" (bis Ende des 2. Weltkrieges hieβ die heutige Hauptstadt Jerewan "Irewan").<br />

Schuscha war die Hauptstadt von Karabach. "Als sich die armenische Kirche in<br />

Persien immer stärker für die Selbstständigkeit der Armenier einzusetzen begann,<br />

verschärfte Persien den Druck auf die gregorianischen Cristen. Auswanderung war<br />

die Folge" (Eva-Maria Auch: "Ewiges Feuer" in <strong>Aserbaidschan</strong>..., S.13).<br />

Russland versuchte teils durch provizierte Zwistigkeiten, teils durch Intrigen, diese<br />

Chanate auf seine Seite zu ziehen. Zarenvertreter versprachen den Fürsten Privilegien,<br />

wie die russische Staatsbürgerschaft <strong>und</strong> Unterstützung gegen Persien <strong>und</strong> die<br />

Osmanen. Durch List <strong>und</strong> Bedrohung gewann die zaristische Regierung einen Fürsten<br />

nach dem anderen für sich, nur die Fürsten von Karabakh<strong>und</strong> von Gence waren<br />

entschlossen, Widerstand zu leisten <strong>und</strong> zu kämpfen. Ende des 18. Jahrh<strong>und</strong>erts griff<br />

der persische Schach A a Muhammed Kadschar das Gebiet Karabakhan. <strong>Der</strong> Chan<br />

von Karabach, Ibrahim Chalil Chan, wurde ermordet, etwas später auch A a<br />

Muhammed Schach. Russische Armeeeinheiten überschritten den Fluβ Arax <strong>und</strong><br />

besiegten die Perser. Infolge dieses Krieges eroberte Russland weite Gebiete im<br />

Transkaukasus, darunter Karabakhim Jahre 1805. "Eine neue Einwanderungswelle von<br />

Armeniern nach Karabakhsetzte 1809 ein" (Auch: ibid, S.14).<br />

2<br />

A.Kartarı<br />

2


1813 wurde der Vertrag von Gülistan vom Iran akzeptiert; damit wurden Daghestan,<br />

das nördliche <strong>Aserbaidschan</strong> <strong>und</strong> andere Gebiete von Russland anektiert (Bohdan<br />

Nahaylo/Victor Swoboda, ibid.S.11-12; Tadeuzs Swietochowski: Russian Azerbaijan<br />

1905 - 1920..., S.23-24).<br />

Die Armenier des heutigen Karabachs wurden seit Anfang des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts durch<br />

Begünstigung des zaristischen Russlands aus Iran <strong>und</strong> der Türkei dorthin umgesiedelt.<br />

Im zweiten Krieg gegen Persien fielen auch Irewan <strong>und</strong> Nachitschewan an Russland.<br />

Die in dem Türkmentschei-Abkommen 1828 festgelegte Grenze entlang des Araxes<br />

teilte das Siedlungsgebiet der Aseri in einen Nord- <strong>und</strong> einen persischen Südteil.<br />

Zugleich erhielten die Armenier Persiens die Möglichkeit, in den russisch<br />

beherrschten Norden umzusiedeln (Eva-Maria Auch: <strong>Aserbaidschan</strong> -<br />

Wirtschaftsprobleme, soziale Verwerfungen, politischer Nationalismus..., S.259; Uwe<br />

Halbach: Die Armenier in der Sowjetunion..., S.518).<br />

Nach der vorhandenen Literatur verteilte sich der Anteil armenischer <strong>und</strong><br />

aserbaidschanischer Bevölkerung dieser Gebiete wie folgt:<br />

Zeitraum Region Aseri % Armenier %<br />

------------------------------------------------------------------------------------------------------<br />

--<br />

1823 - 1827 Karabakh 91 8,4<br />

Nachitschewan 86,5 13,5<br />

Irewan 76 24<br />

1830 - 1834 Karabakh 64,8 34,8<br />

Nachitschewan 50,6 49,4<br />

Irewan 46,2 53,8<br />

------------------------------------------------------------------------------------------------------<br />

--<br />

Quelle:Süleyman Alijarow: Açıg Mektub, In: Azerbaycan, Nr.8, 1988. S.180-185.<br />

Eva-Maria Auch merkt zur armenischen Bevölkerungsentwicklung an: "Lebten 1846<br />

Transkaukasien ca. 200.000 Armenier, so waren es 1915 bereits 1,68 Mio, die in 12<br />

der 13 kaukasischen Verwaltungseinheiten als Minderheit siedelten" (Auch: ibid,<br />

S.259).<br />

Anfang des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts wurde durch die revolutionäre Bewegung einerseits <strong>und</strong><br />

andereseits durch die Niederlage im Krieg mit Japan die Position Russlands im<br />

Kaukasus, insbesondere in der Industriestadt Baku (in der sich 75% der Ölproduktion<br />

konzentrierte), sehr geschwächt. Russland suchte Wege <strong>und</strong> Mittel, um seine Macht<br />

wieder zu stärken <strong>und</strong> verwendete dabei die Methode "Spalte <strong>und</strong> regiere", - oder<br />

"teile <strong>und</strong> herrsche" -. Dazu wurden von Russland in <strong>Aserbaidschan</strong>, speziell in den<br />

gröβen Städten, nationale Massaker zwischen <strong>Aserbaidschan</strong>ern <strong>und</strong> Armeniern<br />

angezettelt. Erst nach groβen Menschen- <strong>und</strong> Materialopfern konnte mit Hilfe der<br />

3<br />

A.Kartarı<br />

3


Intelligenzia auf der einen wie der anderen Seite das gegenseitige Töten beendet <strong>und</strong><br />

die <strong>Konflikt</strong>e abgeschwächt werden (Swietochowski: ibid, S.73-74; Hüseyin<br />

Baykara: Azerbaycan ⁄stiklal Mücadelesi Tarihi, S.107-112).<br />

Ein aserbaidschanischer Dramatiker, Cefer Cabbarly, schrieb über dieses Thema ein<br />

Bühnenstück mit dem Titel "Im Jahre 1905". Es wurde bis in die jüngste Zeit auch auf<br />

armenischen Bühnen gezeig ("Cabbarlı, Cefer", In: Azerbaycan Sovet<br />

Ensiklopedijası, Band X., S. 387). Aus der neueren Geschichte des<br />

armenische-aserbaidschanischen <strong>Konflikt</strong> sind im Zusammenhang mit dieser Arbeit<br />

besonders folgende Daten relevant.<br />

Lenin setzte nach der Oktoberrevolution Stepan Schaumian, -ein aktiver, armenischer<br />

Bolschewik-, für den Kaukasus als auβerordentlichen Kommissar ein <strong>und</strong> übertrug ihm<br />

alle Macht. 1918 riss der Internationalist Stepan Schaumian mit einer handvoll<br />

Revolutionären in Baku die Macht an sich <strong>und</strong> proklamierte den sogenannten<br />

"Bakunischen Rat der Sowjets".<br />

Die Regierung Schaumians bestand einschlieβlich Schaumians aus 26 Kommisaren,<br />

deshalb ist seine Zeit auch als die "der 26 Kommisare" in die aserbaidschanische<br />

Geschichte eingegangen. Alle national denkenden Politiker lehnten Schaumians<br />

Regierung ab <strong>und</strong> verweigerten ihre Mitarbeit. Von den 26 Kommissaren waren nur<br />

zwei bedeutungslose Aserbeidschaner (Swietochowski: ibid, S.144-149). Ein Mann<br />

namens Ezizbejow war auf dem Papier Schaumians Stellvertreter.<br />

In dieser Zeit gab es ständig Aufruhr <strong>und</strong> Schieβereien. Die Verhältnisse waren<br />

chaotisch, denn Schaumian saβ nicht fest im Sattel <strong>und</strong> seine Lage war sehr ernst. So<br />

beschloβ er genauso zu handeln, wie die zaristische Regierung im Jahre 1905.<br />

Mit Hilfe seiner Anhängern provozierte er wieder ein aserbaidschanisch - armenisches<br />

Massaker. In diesem Völkermord spielten die Armenier aus Karabakhdie Hauptrolle<br />

(Mecid Musazade: Einige Auszüge aus der reichen Geschichte von Qaraba , S.6;<br />

Halbach: ibid, S.519).<br />

Nach den in der Literatur vorhandenen Informationen wurden im Jahre 1918 allein im<br />

Gebiet von Karabakh25.000 unschuldige Menschen, d.h. 20% der Gesamteinwohner<br />

von Karabach, hingemordet. Ein groβer Teil dieser Opfer waren <strong>Aserbaidschan</strong>er.<br />

Schuscha <strong>und</strong> 45 Dörfer wurden zerstört, niedergebrannt <strong>und</strong> Tausende flüchten. Nach<br />

Angaben der aserbaidschanischen Zeitungen waren in Baku <strong>und</strong> Schamachy etwa<br />

25-30.000 Opferzu beklagen (Musazade: ibid, S.7). Nach sowjetischen<br />

Presseberichten forderte dieser Bürgerkrieg beide Völker 70-80.000 Menschenleben<br />

<strong>und</strong> wurde am 31. März 1918 beendet. Die sowjetischen Propagandisten versuchten,<br />

die Schuld an dem von Schaumians Clique inszenierten Völkermord auf die Engländer<br />

zu schieben. Das war bislang unbekannt. Man nimmt an, dass auch Stalin mitgemischt<br />

haben könnte. Er war in dieser Zeit Nationalitäten-Kommissar (Musazade: ibid, S.6-7;<br />

Baykara: ibid, S.131-132).<br />

Am 28. Mai 1918 erklärten <strong>Aserbaidschan</strong>, Georgian <strong>und</strong> <strong>Armenien</strong> ihre<br />

Selbständigkeit. Weil Baku von Schaumians Clique besetzt war, wurde<br />

4<br />

A.Kartarı<br />

4


dieUnabhängigkeitserklärung in Gendsche proklamiert (Baykara: ibid. S.259). In<br />

dieser Zeit marschierte eine deutsche Einheit durch die Türkei in Georgien ein. Das<br />

beunruhigte die Engländer, die in Persien stationiert waren. Deshalb drangen englische<br />

Einheiten in das Freie <strong>Aserbaidschan</strong> ein <strong>und</strong> besetzten die Hauptstadt Baku. Die<br />

englischen Truppen blieben nur kurze Zeit dort. Auf ihrem Rückzug führten sie<br />

Schaumian <strong>und</strong> seine Leute mit <strong>und</strong> erschossen sie in Karakorum. Die<br />

aserbaidschanische Regierung kam erst im Sommer 1918 nach Baku.<br />

Während der Unabhähgigkeit waren nicht nur Berg-Karabach, sondern auch Sengesur<br />

(heute eine Region in <strong>Armenien</strong>) Bestandteile des aserbaidschanischen Territorium.<br />

Die aserbaidschanische Republik bestand nur 23 Monate. Sie wurde von der Roten<br />

Armee am 27. April 1920 besetzt <strong>und</strong> am 28. April 1920 wurde Aserbaischan<br />

SSR gegründet (Nahaylo/Swoboda, ibid, S.45; Swietochowski, ibid, S.242-243).<br />

Schaumians sogenannte "heroischen" Verdienste wurden auf Anweisung des Obersten<br />

Sowjet in <strong>Aserbaidschan</strong> durch Errichtung von Denkmälern geehrt <strong>und</strong> die Haupstadt<br />

von Karabach, Chankendi, auf seinen Namen in Stepanakert (Dorf von Stepan)<br />

umbenannt ("Stepenakert", In: Azerbaycan Sovet Ensiklopedijası, Band IX, S.34).<br />

In November 1920 wurde <strong>Armenien</strong> von der Roten Armee besetzt. Am 29. November<br />

1920 wurde in <strong>Armenien</strong> die Sowjetrepublik <strong>Armenien</strong> ausgerufen .<br />

Die Region Sengesur mit einer Fläche von 9.000 qkm wurde von <strong>Aserbaidschan</strong><br />

abgetrennt <strong>und</strong> die Schenkung an <strong>Armenien</strong> als ein Akt internationaler Groβzügigkeit<br />

bezeichnet (Sülejman Alijarow, ibid, S.184). Dadurch wurde <strong>Aserbaidschan</strong>s<br />

Territorium auf 86.000 qkm verkleinert. In dem Territorium Sengesur, -zwischen<br />

Nachitschewan <strong>und</strong> dem übrigen <strong>Aserbaidschan</strong> gelegen-, lebten mehrere<br />

h<strong>und</strong>erttausend <strong>Aserbaidschan</strong>er. Viele von ihnen wanderten später nach<br />

<strong>Aserbaidschan</strong> ab. Am 21. März 1921 einigten sich die Türkei <strong>und</strong> Russland SFR auf<br />

den Status von Nachitschewan (Sinan O an: Azerbaycan..., S.3; vgl. Auch:"Ewiges<br />

Feuer" in <strong>Aserbaidschan</strong>..., S.19; Halbach: ibid, S.521).<br />

Um die territoriale Frage endgültig zu klären, kam schlieβlich am 4. Juli 1921 das<br />

Plenum des Kaukasischen Büros zusammen. Nach zweitägigen Konsultationen kam<br />

das Plenum am 5. Juli 1921 zu dem Ergebnis, dass Berg-Karabakhmit dem neuen<br />

Status "Autonome Region Berg-Karabach" weiterhin bei Aserbeidschan verbleiben<br />

soll. Zuerst wurde im Jahre1923 derName Karabakhbei der Autonomisierung in<br />

Da lyg-Karabakh(Nagornyj-Karabach) umbenannt ("Da lıg-Garaba ", In:<br />

Azerbaycan Sovet Ensiklopedijası, Band.III, S.3O8-309; Uwe Halbach: ibid, S.513).<br />

Zu Beginn des 2. Weltkrieges wurden mehr als 10.000 Aseri aus <strong>Armenien</strong> nach<br />

<strong>Aserbaidschan</strong> in den Raum Gendsche zwangsumgesiedelt. Sie wurden in die Häuser<br />

der deutschen Kolonie Hellendorf <strong>und</strong> Agstafa einquartiert, deren Bewohner im<br />

Sommer1941 nach Mittelasien deportiert <strong>und</strong> verbannt worden waren. Nach <strong>und</strong><br />

während des 2.Weltkrieges, insbesondere 1948, lebten in den zwangsweise an<br />

<strong>Armenien</strong> angegliederten Gebieten ungefähr 250.000 <strong>Aserbaidschan</strong>er, der gröβte Teil<br />

von ihnen wurde mit einem Federstrich Stalins nach <strong>Aserbaidschan</strong> abgeschoben, aber<br />

kein Armenier zwangsweise nach <strong>Armenien</strong> geschickt (Musazaade: ibid, S.9).<br />

5<br />

A.Kartarı<br />

5


IV. Die Argumentation beider Seiten<br />

1. Armenische Argumentation<br />

Uwe Halbach fasste die armenische Argumentation in seiner Studie "Ethno-territoriale<br />

<strong>Konflikt</strong>e in der GUS" folgendermaβen zusammen:<br />

"Armenische Argumentation bezieht sich auf die demographische Situation in<br />

Berg-Karabach, wo 1989 eine armenische Bevölkerungsmehrheit von 75% bei einer<br />

Gesamtbevölkerung von 188.000 (4.400) qkm lebte, <strong>und</strong> auf die nationalen<br />

Existenzrechte dieser Bevölkerung. Die Armenier behaupten, dass Baku in Karabakh<br />

eine Politik der gezielten "Entarmenisierung" betrieben habe <strong>und</strong> verweisen auf das<br />

Beispiel Nachitschevans, aus dem armenische Bevölkerung ebenfalls systematisch<br />

verdrängt wurde. Die Armenier in Karabakhbeklagen sich über gezielte<br />

sozialökonomische, kulturelle <strong>und</strong> infrastrukturelle Vernachlässigung <strong>und</strong><br />

Unterentwicklung <strong>und</strong> Behinderung ihrer nationalen Rechte. Als Anfang 1988 die<br />

ersten Massendemonstrationen für die Vereinigung in Eriwan <strong>und</strong> in Stepanakert<br />

aufgenommen wurden, waren keine armenische Kirche <strong>und</strong> keine armenische Schule<br />

in Berg-Karabakhmehr geöffnet. Die armenische Regierung lieβ im Verlauf des<br />

<strong>Konflikt</strong>s erkennen, dass es ihr mehr als um Angliederung des Gebietes an <strong>Armenien</strong><br />

um seine administrative Ausgliederung aus <strong>Aserbaidschan</strong> gehe. Von entscheidender<br />

Bedeutung bei der armenischen Wahrnehmung des <strong>Konflikt</strong>s ist seine historische<br />

Einordnung in die Geschichte türkischer Gewalt an Armeniern <strong>und</strong> insbesondere die<br />

Erinnerung an den bis heute in der Türkei offiziell geleugneten Genozid von 1915"<br />

(Uwe Halbach: Ethno-territoriale <strong>Konflikt</strong>e in der GUS, BIOS, 31/1992, S.19; vgl.<br />

Halbach: Die Armenier in der Sowjetunion, S.520).<br />

2. Die <strong>Aserbaidschan</strong>ische Argumentation<br />

<strong>Aserbaidschan</strong> betrachtet Berg-Karabakh als "integralen Bestandteil seiner Territorial<strong>und</strong><br />

Kulturgeschichte" (Halbach, ibid, S.19). Was die historischen Argumente der<br />

Armenier betrifft, so besteht kein Zweifel, dass das Gebiet Berg-Karabakh zu keinem<br />

Zeitpunkt Bestandteil eines Armenischen Staates gewesen sei (Ahmed Omid Yazdani:<br />

Geteiltes <strong>Aserbaidschan</strong>, S.83).<br />

Von 1747 bis 1822 existierte in dieser Region das Chanat Karabakh, ein<br />

aserbaidschanischer Feudalstaat, der aufgr<strong>und</strong> der bilateralen Übereinkunft vom 14.<br />

Mai 1805 zwischen Ibrahim Chalil Chan <strong>und</strong> dem Kommandeur des russischen Heeres,<br />

D. Siotianov, an Russland angegliedert wurde. Die von der russischen Regierung<br />

eingesetzte Verwaltungsadministration für diese Region hatte keinerlei Bindung an<br />

<strong>Armenien</strong>. Später, bis 1920, gehörte Karabakh zum Gouvernement Jelizavetpol<br />

(Gendsche), einer der beiden wichtigsten Verwaltungseinheiten Nord-<strong>Aserbaidschan</strong>s.<br />

Schlieβlich wurde Karabakh1918 Bestandteil der <strong>Aserbaidschan</strong>ischen<br />

Demokratischen Republik, danach Aserbaischanische SSR. Es war also ganz<br />

offensichtlich, dass Berg Karabakh in seiner Geschichte niemals ein Bestandteil<br />

<strong>Armenien</strong>s gewesen sei (Yazdani, ibid, S.84).<br />

Nach Sülejman Alijarow schrieb der Armenier Anastas Mikojan, damaliger Erster<br />

6<br />

A.Kartarı<br />

6


Sekretär des Revolutionskomitees von Baku, in einem Brief vom 22. Mai 1920 an<br />

Lenin <strong>und</strong> das Zentralkomitee der bolschewistischen Partei: "Die Daschnaken streben<br />

nach der Vereinigung von Berg-Karabakh mit <strong>Armenien</strong>. Aber sollte dieser Wunsch<br />

tatsächlich in die Wirklichkeit umgesetzt werden können, würde die Bevölkerung von<br />

Karabakh, die zu keiner Zeit eine Verbindung zu Eriwan gehabt hatte, von ihrer<br />

Lebensquelle Baku abgeschnitten werden. Die Vertreter der Armenier haben deshalb<br />

auf dem fünften Kongress der Partei die Vereinigung von Berg Karabakh mit<br />

<strong>Aserbaidschan</strong> akzeptiert" (Alijarow, ibid, S.185).<br />

"Die armenischen Vorwürfe, die Autonomie der Karabakh-Armenier sei eingeschränkt,<br />

werden mit dem Fehlen solcher Autonomierechte für über 245.000 Aseris in<br />

<strong>Armenien</strong> abgewiesen" (Auch: <strong>Aserbaidschan</strong>..., S.261).<br />

3. Die Hauptgründe des <strong>Konflikt</strong>s<br />

Wie andere national-territoriale <strong>Konflikt</strong>e, wird auch der Karabakh-<strong>Konflikt</strong> durch<br />

bestimmte Faktoren beeinflusst. Armenier wie auch Aseris erheben Ansprüche auf<br />

Karabakh. Beide Nationen behaupten, dass sie früher als andere in diesem Gebiet<br />

lebten <strong>und</strong> deshalb müsse dieses Gebiet unter ihrer Macht verbleiben (David<br />

Hamburg: Ethnische <strong>Konflikt</strong>e..., S.116).<br />

Sie verweisen nahezu auf dieselben schriftlichen <strong>und</strong> archäologischen Quellen als<br />

Beweismaterial für ihre Behauptungen. Aber sie vergessen, dass Transkaukasien in<br />

der Geschichte immer ein zentrales Durchzugsgebiet zwischen dem Nahen Osten,<br />

Mittelasien, Russland, Persien <strong>und</strong> Anatolien war. In diesem Gebiet trafen sich viele<br />

verschiedene Ethnien wie Araber, Perser, Ibero-Kaukasier <strong>und</strong> die Türkvölker. Auch<br />

verschiedene Religionen entwickelten in diesem Gebiet ihre Glaubensgemeinschaften,<br />

nämlich Christentum, Judentum <strong>und</strong> Islam. Ein Gr<strong>und</strong> des Karabakh-<strong>Konflikt</strong>s besteht<br />

meiner Meinung nach in den Grenzziehungen <strong>und</strong> der Umsiedlungspolitik von<br />

Russland <strong>und</strong> der ehemaligen UdSSR. Nachitschevan, Zengesur <strong>und</strong> Karabakh waren<br />

zwischen 1918 <strong>und</strong> 1920 die integralen Bestandteile der <strong>Aserbaidschan</strong>ischen<br />

Republik, die mit <strong>Armenien</strong> <strong>und</strong> Georgien verbündet war.1920 wurden zunächst<br />

Nachitschevan <strong>und</strong> Zengesur an <strong>Armenien</strong> angegliedert. Karabakh war noch<br />

aserbaidschanisches Territorium (Uwe Halbach: Die Armenier in der Sowjetunion...,<br />

S.519). Im selben Jahr wurde dann Zengesur an <strong>Armenien</strong> angeschlossen. 1921 wurde<br />

Nachitschevan mit dem Status einer Autonomen Republik an <strong>Aserbaidschan</strong><br />

angegliedert. Ein Teil Karabakhs mit dem Namen Berg-Karabacher hielt im Jahre 1923<br />

den Status eines autonomen Gebietes. Die Bevölkerung der Gebiete von<br />

Nachitschevan bis Berg-Karabakh wurde nach 20-jährigem Kriegszustand noch 3<br />

Jahre lang in Angst <strong>und</strong> Schrecken gehalten, indem die Feindschaft zwischen beiden<br />

Völkern verschärft wurde.<br />

Während der sowjetischen Herrschaft wurde die Bevölkerung nur mit den Mitteln der<br />

Bestrafung, Umsiedlung <strong>und</strong> Verbannung unterdrückt.<br />

In der kaukasischen Geschichte fällt auf, dass kaum ein <strong>Konflikt</strong> zwischen den<br />

vielfältigen Völkern politisch gelöst wird. Die alltäglichsten <strong>Konflikt</strong>e verwandelten<br />

sich ganz leicht in blutige Kämpfe. In diesem <strong>Konflikt</strong> dachten Armenier <strong>und</strong> Aseris<br />

nicht daran, dass "es zwischen totaler Unterwerfung einerseits <strong>und</strong> totaler<br />

Unabhängigkeit andererseits verschiedene Zwischenstadien gibt (zum Beispiel<br />

7<br />

A.Kartarı<br />

7


Autonomie <strong>und</strong> b<strong>und</strong>esstaatliche <strong>und</strong> föderale Vereinbarungen)" (Elizabeth Fuller:<br />

<strong>Konflikt</strong>e im Transkaukasus: Wer könnte vermitteln?, S.193-194).<br />

Ein anderer Gr<strong>und</strong> für die Eskalation des <strong>Konflikt</strong>s ist in der "Untätigkeit" der<br />

herrschenden Organe zu suchen. Wenn zum Beispiel die Regierung der UdSSR im<br />

Jahre 1987 <strong>und</strong> später die Regierung <strong>Aserbaidschan</strong>s im richtigen Zeitpunk richtige<br />

Entscheidungen über Karabakh getroffen hätte, wäre der <strong>Konflikt</strong> nicht eskaliert.<br />

Zu Beginn des Jahres 1988, "zögerte Führung der Sowjetunion hinsichtlich<br />

Berg-Karabakh irgendwelche Zugeständnisse an <strong>Armenien</strong> zu machen, aus Angst,<br />

damit die Büchse der Pandora vergleichbare territorialen Ansprüche zu öffnen. Als<br />

andere Völker dennoch dem Beispiel der Armenier folgten, indem sie<br />

Grenzberichtigungen oder Autonomie forderten, reagierte Moskau, indem es<br />

ihnen kurzfristige <strong>und</strong> weitgehend ineffektive politische Lösungen aufzwang. Als<br />

diese versagten, zog sich das Regime auf brutale Gewalt zurück (wie etwa bei der<br />

blutigen Intervention sowjetischer Truppen in Tiflis im Jahr 1989 <strong>und</strong> Baku 1990). In<br />

der Folge hat über mehrere Jahre hinweg die Spirale der Gewalt <strong>und</strong> Gegengewalt<br />

den gegenseitigen Hass <strong>und</strong> das Misstrauen geschürt, bis zu einem Punkt, an dem es<br />

nahezu unmöglich geworden war, ein vernünftiges Gespräch zustande zu bringen,<br />

ohne dass es stecken geblieben wäre bei gegenseitigen Vorwürfe <strong>und</strong> dem<br />

besessenen Bedürfnis, Schuld zuzuweisen.<br />

So hat der Vorsitzende des abchasischen Parlaments, Wladislaw Ardsinba,<br />

kürzlich bemerkt: 'Es wird schwierig, in gutem Glauben mit einem gegenüber zu<br />

verhandeln, der seine Absicht, dich als Nation zu stören, erklärt <strong>und</strong> gezeigt hat'<br />

(UNPO Okt.-Nov.1992). Die Aufteilung der Hinterlassenschaften der früheren<br />

Sowjetarmee, in deren Folge <strong>Armenien</strong>, <strong>Aserbaidschan</strong> <strong>und</strong> Georgien erhebliche<br />

Mengen an hoch entwickelten Waffen <strong>und</strong> Rüstungsgütern erhielten, hat ebenso<br />

zur Eskalation der Feindseligkeiten beigetragen" (Füller, ibid, S.194; vgl. Gerhard<br />

Simon: Die Nationalbewegungen <strong>und</strong> das Ende des Sowjetsystems, S.775-776,<br />

785-786).<br />

Infolge des Misstrauen gegenüber Moskau waren die an dem <strong>Konflikt</strong> beteiligten<br />

Seiten nicht bereit, Moskaus Lösungsvorschläge ernst zu nehmen. Jede Seite<br />

fürchtete, dass der Lösungsvorschlag Russlands die andere Seite bevorzugen würde.<br />

Hinzu kommt, dass die internationalen Organisationen sich zu spät an den<br />

KonΞiktlösungsstrebungen beteiligten.<br />

V. Zur Innenpolitik beider Seiten<br />

1. Das Verhältnis zwischen armenischer Regierung <strong>und</strong> Opposition.<br />

<strong>Armenien</strong> betrachtet man die als politisch-stabilste Republik des Kaukasus. Aber die<br />

regierende armenische pannationale Bewegung, die im Sommer 1990 an Macht<br />

gekommen ist, wird von der Opposition zunehmend kritisiert. Die Opposition<br />

behauptet, dass die Regierung sich an die ehemalige kommunistische Nomenklatur<br />

anschlieβe, gegen wirtschaftlichen Zusammenbruch machtlos sei <strong>und</strong> durch<br />

Abschwörung der Forderungen der "vorigen armenischen Länder", einschlieβlich<br />

Berg-Karabachs verratete (Elizabeth Fuller, Transcaucasia: Ethnic Strife Threatens<br />

8<br />

A.Kartarı<br />

8


Democratization, S.17). "Die Wähler, die für die AAB-Liste (Armenische Allnationale<br />

Bewegung) votiert <strong>und</strong> im Mai 1990 die kommunistische Herrschaft bei den<br />

Parlamentswahlen gestürzt haben, würden heute für die AAB - nach den jüngsten<br />

Meinungsumfragen lediglich 25 % der Stimmen abgeben" (Aschot Manutscharjan,<br />

Zur politischen Situation in <strong>Armenien</strong>, S.2) Manutscharjen schrieb, dass das<br />

innenpolitische Klima durch die kritischen Stellungnahme der<br />

wissenschaftlich-technischen <strong>und</strong> der geistwissenschaftlichen Intelligenzija<br />

gegenüber der regierenden Armenischen Allnationalen Bewegung <strong>und</strong> der Regierung<br />

aufgeladen würde.<br />

Die nicht an der Macht beteiligten Kreise dieser Intelligenzija warfen sowohl der<br />

Regierung als auch AAB "Neobolschewismus" vor. Manutscharjan betonte, dass oben<br />

genannte Intelligenzija einen groβen EinΞuβ auf die Bildung der öffentlichen Meinung<br />

habe. Diese Intelligenzija, die der AAB mit ihrem Einsatz für Berg-Karabakh zu<br />

ihren Wahlerfolgen verholfen habe, sammelte nunmehr gegnerische Kräfte <strong>und</strong><br />

beteiligte sich aktiv an der Arbeit der Opposition. Als Folge dieser oppositionellen<br />

Aktivitäten verlor die unter Präsident Ter-Petrosjan regierende "Armenische<br />

Nationale Bewegung" in der Bevölkerung beständig an Rückhalt (Archiv der<br />

Gegenwart vom 6. Juni 1993, S.37915; Manutschurjan, ibid, S.2). Sieben Parteien der<br />

armenischen Opposition hatten sich vor einem Jahr, nämlich Ende Juni 1992, zu einer<br />

Union, der Nationalen Allianz, zusammengeschlossen. Diese Union hat seit dieser Zeit<br />

die Mehrheit im armenischen Parlament inne. Ihre Hauptforderungen seien der<br />

Rücktritt Ter-Petrosjans, die Gründung einer nationalen Armee <strong>und</strong> die Anerkennung<br />

der Unabhängigkeit Barg-Karabachs. Innerhalb der Opposition im Parlament habe die<br />

Daschnak-Partei besonders Gewicht (siehe Michael M. Gunter: Transnational<br />

<strong>Armenien</strong> Activism, S.15-21).<br />

Vor allem die Fraktion des radikalen Daschnak-Verbandes im armenischen Parlament<br />

übte Druck auf den Präsidenten aus; dieser verurteilte die Haltung der Daschnak. Er<br />

sagte sie, betreibt Krieghetze ((Archiv der Gegenwart von dem 10. September 1992,<br />

S.37140)).<br />

Die Armenische Regierung behauptet, dass ihre Streitkräfte am Krieg in<br />

Berg-Karabakh nicht teilnehmen würden. Aber nach den militärischen Rückschlägen<br />

in Berg-Karabakh im Sommer 1992 kritisierte das armenische Parlament die<br />

Regierung sehr hart <strong>und</strong> es demonstrierten zwischen 14. <strong>und</strong> 17 August täglich<br />

zehntausend Menschen in Jerewan für den Rücktritt des als "Verräter" beschimpften<br />

Präsidenten Ter-Petrosjans <strong>und</strong> seiner Regierung. Demonstranten warfen den<br />

Regierenden vor, dass deren "katastrophale Politik" zu den letzten militärischen<br />

Rückschlagen geführt habe.<br />

Die Protestaktionen wurden von den nationalistischen Oppositionskräften im<br />

Parlament organisiert.<br />

Am 16. Oktober 1992 trat der Auβenminister <strong>Armenien</strong>s, Howanissjan zurück. <strong>Der</strong><br />

Gr<strong>und</strong> war seine harte Politik gegen die Türkei. Am 20. Oktober 1992 entlieβ<br />

Ter-Petrosjan den Verteidigungsminister Sarkissjan <strong>und</strong> ernannte stattdessen einen der<br />

Führer der Oppositionsparteien, Manukjan, zum neuen Verteidigungsminister. Die<br />

9<br />

A.Kartarı<br />

9


Berufung eines Verteidigungsministers aus der Opposition, der zudem ein Konzept<br />

für den Aufbau einer einheitlichen Nationalarmee besitzt <strong>und</strong> ein härteres Vorgehen an<br />

der Grenze zu <strong>Aserbaidschan</strong> befürwortet, wurde als Konzession des Präsidenten an<br />

die oppositionelle "Nationale Allianz (Union)" interpretiert (Archiv der Gegenwart<br />

vom 6. Juni 1993, S.37915).<br />

Am 2.Februar 1993 entlieβ Präsident Ter-Petrosjan Ministerpräsident Arutjunjan. Er<br />

war seit Juli 1992 im Amt gewesen. Meinungsverschiedenheiten seien über den neuen<br />

Wirtschaftsreformsplan entstanden. Arutunjans Nachfolger war Wirtschaftsminister.<br />

Die wirtschaftliche Lage <strong>Armenien</strong>s bewog die Regierung, harte Maβnahmen zu<br />

ergreifen. Die erhöhte Besteuerungen sowie zusätzliche Produktionssteuern führten zu<br />

steigenden Produktions-kosten, die viele der neuen Unternehmer zur Betriebsaufgabe<br />

zwingen (Manutschurjan, ibid, S.2).<br />

Die aserbaidschanische Blockade spielt auch eine wichtige Rolle bei den<br />

wirtschaftlichen Schwierigkeiten <strong>Armenien</strong>s.<br />

Die armenische Kirche unterstützt aber die Regierung <strong>Armenien</strong>s (Vigen Guroian:<br />

Faith, Church And Nationalism In Armenia, S.35-36).<br />

Trotz aller Diskussionen zwischen der armenischen Regierung <strong>und</strong> der oppositionellen<br />

Fraktion kann man feststellen, dass in <strong>Armenien</strong> über den <strong>Konflikt</strong> mit <strong>Aserbaidschan</strong><br />

ein Gr<strong>und</strong>konsens besteht.<br />

2. Die Innenpolitik <strong>Aserbaidschan</strong>s<br />

Die Innenpolitik <strong>Aserbaidschan</strong>s spielt meiner Meinung nach beim Karabakh-<strong>Konflikt</strong><br />

eine gröβere Rolle als die übrigen Faktoren. Jeder Machtwechsel in <strong>Aserbaidschan</strong><br />

hatte Auswirkung auf den Karabakh-<strong>Konflikt</strong> wie auch umgekehrt. Nach jeder<br />

Niederlage wurden in Baku die regierenden Personen gestürzt <strong>und</strong> als Folge des<br />

Machtwechsels eskalierte der <strong>Konflikt</strong>, wobei <strong>Aserbaidschan</strong> wiederum einen Teil<br />

seines Territoriums verlor.<br />

Nun möchte ich die innenpolitischen Ereignisse <strong>und</strong> ihre Folgen auf den<br />

Karabakh-<strong>Konflikt</strong> chronologisch darstellen.<br />

Nach den Massendemonstrationen in Berg-Karabakh <strong>und</strong> Jerewan ging erst im<br />

Sommer 1988 aus dem "Klub der Wissenschaftler der Stadt Baku" eine Initiativgruppe<br />

hervor. Von dieser Gruppe wurde die Volksfront <strong>Aserbaidschan</strong>s gegründet. Die<br />

Volksfront <strong>Aserbaidschan</strong>s konnte in kurzer Zeit landesweit eine Organisation<br />

aufbauen <strong>und</strong> die Massen "aus Anlass des Karabakh-<strong>Konflikt</strong>es für die Herstellung<br />

staatlicher Souveränität <strong>und</strong> die Sicherung der territorialen Integrität" mobilisieren<br />

(Auch: ibid, S. 262; Mark Saroyan: The "Karabakh Syndrome" and Azerbaijani<br />

Politiks“, S. 22).<br />

Am 23.9.1989 wurde das Gesetz "Über die Souveränität <strong>Aserbaidschan</strong>s"<br />

verabschiedet. Wegen Unzufriedenheit mit der Regierung zettelte die<br />

aserbaidschanische Opposition erfolgreiche Streikaktionen an. Zwischen 3. <strong>und</strong> 11.<br />

September 1989 fand in <strong>Aserbaidschan</strong> ein Generalstreik statt, durch den auf<br />

aserbaidschanischan Gebiet die Transportwege für die Lebensmittelsorgung<br />

10<br />

A.Kartarı<br />

10


Berg-Karabachs <strong>und</strong> <strong>Armenien</strong>s blockiert wurden.<br />

Wegen Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Volksfront führten ihre örtlichen<br />

Abteilungen eigenständige Aktionen durch: "die Machtergreifung in Lenkeran,<br />

Grenzdurchbrüche im Dezember/Januar 1990 in Nachitschevan, die Abspaltungen<br />

radikaler Gruppen unter N. Penachov <strong>und</strong> die anti-armenischen Pogrome am 13. bis<br />

16.1.1990, auf die hin die sowjetische Armee in Baku (19.-20. Januar 1990)<br />

intervenierte" (Auch; ibid, S. 263; vgl. Saroyan: ibid, S. 28).<br />

Als Gegenmaβnahmen auf die Aktionen der oppositionellen Volksfront löste die<br />

Kommunistische Partei Abdulrahman Wasirow ab <strong>und</strong> ersetzte ihn am 24.1.1990<br />

durch den linientreuen Ajaz Mutalibow. Dieser wurde am 27. Januar 1990 zum<br />

Regierungschef ernannt. Nach der Wahl wollte Mutalibow der Bevölkerung<br />

<strong>Aserbaidschan</strong>s zeigen, dass er den <strong>Konflikt</strong> in kurzer Zeit lösen könne (Arnold<br />

Hottingen: Zukunftsfragen für Zentralasien, S. 399).<br />

Ab April begannen die OMON-Truppen neue Angriffe gegen armenische Stützpunkte<br />

in Berg-Karabach. Auβerdem erließ Mutalibow für zwei Monate den<br />

Ausnahmezustand, wodurch die Lage in Baku stabilisiert <strong>und</strong> das<br />

Verteidigungspotential gegen die "armenische Aggression" mobilisiert werden sollte.<br />

Demonstrationen <strong>und</strong> Versammlungen wurden verboten, die Bewegungsfreiheit im<br />

Land wurde eingeschränkt. Im Sommer 1991 kämpften sowjetische Truppen, die in auf<br />

aserbaidschanischen Territorium stationiert waren, zusammen mit<br />

aserbaidschanischen Einheiten gegen armenische Verbände.<br />

Zur Zeit des Putschversuchs gegen Gorbatschow machte Mutalibow in Teheran einem<br />

Staatsbesuch <strong>und</strong> wies darauf hin, dass er die Putschisten unterstützen werde.<br />

Im August 1991 erklärte <strong>Aserbaidschan</strong> seine Unabhängigkeit. "In den<br />

Parlamentswahlen vom Sommer/Herbst 1990 trat die Volksfront innerhalb des Blocks<br />

'Demokratisches <strong>Aserbaidschan</strong>' zusammen mit über 40 Gruppierungen in 132 von<br />

349 Wahlbezirken an. Die gemeinsame Wahlplattform lautete: Politische <strong>und</strong><br />

ökonomische Souveränität <strong>Aserbaidschan</strong>s auβerhalb der Union, Sicherung der<br />

Menschenrechte, ökonomischer <strong>und</strong> politischer Pluralismus" (Auch: ibid, S. 263). Nur<br />

31 Kandidaten des Blocks wurden Abgeordnete, während 21 Parlamentssitze von<br />

offiziellen Vertretern der Nationalisten besetzt waren. Die neue Zusammensetzung<br />

des Parlaments mit insgesamt 166 Sitzen zeigte, dass die aserbaidschanischen<br />

Kommunisten ihre Mehrheit mit 104 Sitzen bewahren konnten. Nach den Wahlen<br />

wurde die alte KP <strong>Aserbaidschan</strong>s am 14. Oktober 1991 aufgelöst.<br />

Mutalibow erzielte eine Vereinbarung über den Waffenstillstand zwischen Armeniern<br />

<strong>und</strong> Aseris in <strong>und</strong> um Berg-Karabakh (23. Oktober1991 in Schelesnowodsk) <strong>und</strong> die<br />

Aufhebung des autonomen Status Berg-Karabakhs. Durch diese Maβnahmen erhielt er<br />

Bestätigung durch die Bevölkerung <strong>Aserbaidschan</strong>s. Daraufhin reagierte<br />

Berg-Karabakh mit der Erklärung seiner Unabhängigkeit. Das aserbaidschanische<br />

Parlament hob den autonomen Status Berg-Karabakhs auf (Archiv der Gegenwart vom<br />

25.11.1991, S.36356). Im Dezember 1991 nahm Mutalibow an der Alma-Ata<br />

Konferenz teil <strong>und</strong> <strong>Aserbaidschan</strong> wurde Mitglied der GUS, aber bis heute wurde diese<br />

11<br />

A.Kartarı<br />

11


Entscheidung noch nicht durch das aserbaidschanische Parlament bestätigt. Die<br />

aserbaidschanische Opposition akzeptierte auch den Eintritt in die GUS nicht.<br />

Nachdem Jelzin den russischen Streitkräften den Rückzug aus dem Gebiet<br />

Berg-Karabakhs befohlen hatte <strong>und</strong> nach Absturz eines aserbaidschanischen<br />

Hubschraubers, begann eine neue Gewaltspirale. Nach Angaben der<br />

aserbaidschanischen Presse wurde der Hubschrauber, in dem sich bekannte<br />

aserbaidschanische Militär-Kommandeure <strong>und</strong> andere Politiker befanden, von<br />

Regierungstruppen abgeschossen. Präsident Mutalibow stellte Berg-Karabakh unter<br />

direkte Verwaltung durch Baku.<br />

Am 19. Januar erklärte Berg-Karabakh erneut seine Unabhängigkeit von<br />

<strong>Aserbaidschan</strong>.<br />

Am 26. Februar besetzten die armenischen Truppen die Stadt Chodschalı. Nach<br />

Angaben auch der westlichen Presse gab es hierauf ein blutiges Massaker. Die<br />

armenischen Truppen töteten in einigen St<strong>und</strong>en mehr als 1.000 Aseris. Andere<br />

Einwohner der Stadt konnten fliehen. Innenpolitisch gesehen, war die Besetzung<br />

Chodscalıs sehr wichtig. Die Opposition machte der Präsidenten <strong>und</strong> seine Regierung<br />

dafür verantwortlich <strong>und</strong> forderte ihren Rücktritt. Die Volksfront <strong>Aserbaidschan</strong>s<br />

organisierte Massendemonstrationen in Baku.<br />

Am 6. März 1992 wurde Mutallibow durch das Parlament zum Rücktritt gezwungen.<br />

<strong>Der</strong> Dekan des medizinischen Instituts Bakus, Jakub Mamedow, wurde zum amtierten<br />

Präsidenten gewählt (Fuller, Azerbaijan After the Presidential Elections, S. 2). Die<br />

Volksfront akzeptierte keine Beteiligung an de Koalition.<br />

Am 7. Juni sollten Präsidentschaftswahlen stattfinden. Am 8. Mai einigten sich<br />

<strong>Aserbaidschan</strong> <strong>und</strong> <strong>Armenien</strong> unter der Vermittlung Irans auf eine Waffenruhe, aber<br />

am 9. Mai griffen die armenischen Einheiten die Stadt Schuscha an <strong>und</strong> besetzten sie.<br />

Das war das Ende Mamedows. Die Anhänger des ehemaligen Präsidenten Mutalibows<br />

begannen in der Hauptstadt Baku zu demonstrieren <strong>und</strong> belagerten am 12. Mai das<br />

Parlamentsgebäude. Die Abgeordneten wurden gezwungen, innerhalb weniger Tage<br />

die Chodschalı-Tragedie erneut zu behandeln. Für den 14. Mai war dies das erste<br />

Thema der Debatte <strong>und</strong> das Parlament beschloss, Mutalibow dazu einzuladen, um<br />

seine Erklärungen zu hören. Mutalibow kam <strong>und</strong> sprach. Die Mehrheit der 240<br />

Abgeordneten befürworteten eine Resolution zur Annullierung des Rücktritts<br />

Mutalibows. Mutalibow wurde wieder zum Präsidenten gewählt. Am Tag nach der<br />

Wiedereinsetzung Mutalibows demonstrierten in Baku Zehntausende von Anhängern<br />

der Volksfront <strong>und</strong> anderer Regierungskritiker <strong>und</strong> forderten Demokratie, Freiheit <strong>und</strong><br />

die Durchführung der vorgesehenen Präsidentschaftswahlen. Mit Hilfe der Armee<br />

<strong>Aserbaidschan</strong>s stürmten sie den Präsidentenpalast sowie das Parlament <strong>und</strong> besetzten<br />

weitere zentrale Gebäude der Stadt, darunter den R<strong>und</strong>funk- <strong>und</strong> Fernsehsender. Die<br />

Volksfront forderte den Rücktritt Mutalibows, der hielt sich seit Beginn der Proteste<br />

versteckt hielt. Am16. Mai fanden Verhandlungen im Nationalrat statt, wobei sich die<br />

Ex-Kommunisten <strong>und</strong> die Volksfrontangehörigen auf die Bildung einer<br />

Koalitionsregierung einigten.<br />

Die Maβnahmen <strong>und</strong> Beschlüsse Mutalibows wurden für ungültig erklärt. Zu den<br />

12<br />

A.Kartarı<br />

12


Forderungen der Volksfront gegenüber der Regierung zählte auch die Intensivierung<br />

des Kampfes gegen <strong>Armenien</strong>. Am 18. Mai bestimmte das Parlament einen der<br />

Mitbegründer der Volksfront zum neuen Interimpräsidenten, Isa Gamberow. Die<br />

Präsidentschaftswahlen sollten wie geplant am 7. Juni stattfinden. Die<br />

nationalistisch-muslimische Volksfront hatte in den Auseinandersetzungen mit<br />

<strong>Armenien</strong> immer wieder für ein hartes Vorgehen plädiert <strong>und</strong> Mutalibows Haltung als<br />

zu zurückhaltend kritisiert. Sie hatte Mutalibow im März vorgeworfen, die Aseri in<br />

Berg-Karabakh nicht mit allen militärischen Mitteln gegen armenische Angriffe zu<br />

schützen. Nach dem Sturz Mutalibows wurde deutlich, dass es innerhalb der<br />

Volksfront einander widersprechende Gruppierungen gibt; während manche für die<br />

Errichtung eines demokratischen, weltlichen Staates eintraten, kämpfen andere für<br />

eine islamische Republik <strong>Aserbaidschan</strong>. Am selben Tag wurde Latschın von<br />

armenischen Einheiten besetzt <strong>und</strong> den Armeniern gelang es, einen Korridor zwischen<br />

Berg-Karabakh <strong>und</strong> dem Armenischen Staatsgebiet herzustellen. Die Anhänger<br />

Mutalibows <strong>und</strong> die Ex-Kommunisten machten dafür die Volksfront verantwortlich.<br />

Aber sie konnten die Regierung nicht stürzen.<br />

Am 1. Juni sagte <strong>Aserbaidschan</strong>s neuer Interimpräsident Gamber: "Es wird von<br />

<strong>Armenien</strong> abhängen, ob (Anm: die Lösung des <strong>Konflikt</strong>s) dies auf friedlichem Weg<br />

oder durch einen bewaffneten Kampf erfolgen werde. Die Republik hält nach wie vor<br />

an einer friedlichen Lösung des Problems fest" (Archiv der Gegenwart vom 23. Juni<br />

1993).<br />

Bei den ersten freien Wahlen in <strong>Aserbaidschan</strong> am 7. Juni 1992 errang der " für seine<br />

pantürkische Visionen bekannte" intellektuelle Ebulfes Eltschibej mit 60 Prozent der<br />

Stimmen einem klaren Sieg (Neue Zürcher Zeitung, 7. Juli 1993). Nach der Wahl<br />

begann die aserbaidschanische Armee eine neue Groβoffensive gegen armenische<br />

Einheiten in Berg-Karabakh <strong>und</strong> brachte in den folgenden Tagen weite Gebiete im<br />

Nordosten unter ihre Kontrolle, darunter die Stadt Ağdere (Mardakert) <strong>und</strong> die Stadt<br />

Görenboj (Schaumjan). An diesen Kämpfen nahm auch Süret Hüssejnow als<br />

Kommandeur seiner eigenen Streitskräfte teil <strong>und</strong> er wurde von Präsident Eltschibej<br />

zum Volkshelden erhoben. Er war der Vertreter Eltschibej im Kampfgebiet. Als die<br />

Armenier Anfang Februar 1993 eine neue Groβoffensive starteten, verlor die<br />

aserbaidschanische Armee Ağdere <strong>und</strong> Görenboj wieder an den gegnerischen Truppen.<br />

Für diese Niederlage machte Präsident Eltschibej seinen Helden Hüssejnow<br />

verantwortlich <strong>und</strong> entlieβ ihn. Er zog seine Einheiten, die von ihm persönlich<br />

finanziert <strong>und</strong> bewaffnet worden waren, in die Stadt Gendsche zurück. Die<br />

armenischen Verbände konnten mit Hilfe ihrer modernen Waffen die<br />

aserbaidschanischen Widerstände brechen <strong>und</strong> am 3. April 1993 ging die Stadt<br />

Kelbedscher in die Hände der Armenier über. R<strong>und</strong> 40.000 Aseri wurden von den<br />

armenischen Streitkräften eingeschlossen. Die aserbaidschanische Opposition griff die<br />

Regierung mit heftigen Vorwürfen an <strong>und</strong> forderte deren Rücktritt. <strong>Der</strong> Chef der<br />

oppositionellen Partei Istiglal (Unabhängigkeit), E'tibar Mamedow teilte mit, dass sie<br />

am 31. Mai in Baku eine Massendemonstration gegen die Regierung geplant hätten.<br />

Die Regierung erklärte daraufhin den Ausnahmezustand <strong>und</strong> schickte Armeeeinheiten<br />

aus Berg-Karabakh nach Baku.<br />

Auch Suret Hüssejnow kritisierte die Regierung <strong>und</strong> kündigte an, dass er die<br />

13<br />

A.Kartarı<br />

13


Verwaltungsbeamten der Stadt Gendsche entlassen werde. In Gendsche waren bei<br />

dem Versuch, die Truppen des aufständischen Suret Hüssejnow zu entwaffnen, 70<br />

Personen getötet <strong>und</strong> über 200 verletzt worden. Hüssejnow machte für die blutigen<br />

Ereignisse Präsident Eltschibej verantwortlich <strong>und</strong> bestand auf dessen Rücktritt. Er<br />

brachte mit seinen Truppen einen groβen Teil <strong>Aserbaidschan</strong>s unter seine Kontrolle.<br />

Eltschibej rief zur Vermittlung den Parlamentschef Nachitschevans, Hajdar Alijew,<br />

nach Baku, der dann zum Parlamentschef <strong>Aserbaidschan</strong>s gewählt wurde.<br />

Am 18. Juni verlieβ Präsident Eltschibej die Stadt Baku <strong>und</strong> floh nach Nachitschevan.<br />

Er erklärte, dass die Armee nicht in der Lage wäre, ihn zu verteidigen <strong>und</strong> er sich<br />

deshalb nach Nachitschevan begeben würde, um das Blutvergießen zu vermeiden.<br />

Die Bevölkerung <strong>Aserbaidschan</strong>s unternahm nichts, um den frei gewählten<br />

Präsidenten zu verteidigen. Nach Meinung westlicher Politiker könne man die<br />

Bevölkerung verstehen, weil Eltschibej <strong>und</strong> seine Regierung es nicht geschafft hatten,<br />

die schweren Wirtschaftsprobleme des Landes zu bewältigen. Die Einführung einer<br />

eigenen Währung, des Manats, geriet zu einer ökonomisch äuβerst schädlicher<br />

Hängepartie. Inflation <strong>und</strong> Rubel-Knappheit brachten Industrie <strong>und</strong> Landwirtschaft an<br />

den Rand der Katastrophe. Eltschibej unternahm auch keinerlei Initiative, um<br />

Wirtschaftspläne zu entwickeln. Die wichtigen Wirtschaftsbeziehungen zu Russland<br />

wurden abgeschnitten. Eltschibej sagte nach der Entmachtung des Parlaments, es sei<br />

sein Ziel, eigentlich <strong>Aserbaidschan</strong> schneller als die beiden Nachbarrepubliken<br />

<strong>Armenien</strong> <strong>und</strong> Georgien aus der Wirtschaftskrise zu führen. Er konnte dies aber nicht<br />

schaffen. Eltschibej konnte weder den <strong>Konflikt</strong> mit <strong>Armenien</strong> lösen, noch die von<br />

armenischen Einheiten besetzten Territorien zurückgewinnen; ganz im Gegenteil:<br />

während seiner Herrschaft verlor <strong>Aserbaidschan</strong> wichtige Landteile, wie Kelbedcher.<br />

Die Korruptions-Vorwürfe gegenüber seinen Amtskollegen füllten immer noch die<br />

Zeitungsseiten.<br />

Am 20. Juni stoppten die Aufständischen ihren Marsch nach Baku 16 Kilometer vor<br />

der Hauptstadt, wo inzwischen Parlamentschef Hajdar Alijew praktisch die<br />

Amtgeschäfte des Präsidenten führte. Alijew erklärte, dass Eltschibej nach wie vor der<br />

demokratisch gewählte Präsident <strong>Aserbaidschan</strong> sei. Eltschibej erklärte, dass er der<br />

legale Präsident <strong>Aserbaidschan</strong>s sei <strong>und</strong> die neuen Machthaber nicht anerkennen werde.<br />

Er betrachtete seine Entmachtung durch das Parlament als verfassungswidrig. <strong>Der</strong><br />

Präsident werde in <strong>Aserbaidschan</strong> schlieβlich nicht vom Parlament, sondern vom<br />

Volk gewählt. Sein Sturz sei die "Rache des sowjetischen Reiches". <strong>Aserbaidschan</strong><br />

habe nämlich versucht, schneller als die anderen kaukasischen oder zentralasiatischen<br />

Republiken dem EinΞuβ Moskaus zu entkommen.<br />

Nach den Gesprächen zwischen Alijew <strong>und</strong> Hüssejnow ernannte das aserbaischanische<br />

Parlament Hüssejnow zum Premier <strong>Aserbaidschan</strong>s. Dieser übernahm auch die Ämter<br />

der Verteidigungs-, Innen- <strong>und</strong> Sicherheitsministerien <strong>und</strong> nach einigen Tagen rückte<br />

er mit seinen Truppen ins Kampfgebiet Karabakh. Er forderte, die ehemaligen<br />

Regierungsmitglieder oder die Offiziere, die für Ereignisse verantwortlich zu sein<br />

schienen, zu finden <strong>und</strong> zu bestrafen. In kurzer Zeit klärte das Untersuchungskommitee<br />

die Schuldfrage, demzufolge der ehemalige Parlamentschef Issa Gamber, der<br />

Verteidigungsminister <strong>und</strong> der Innenminister verhaftet wurden. In dieser Zeit<br />

protestierten die Anhänger der Volksfront gegen die Regierung, aber sie konnten keine<br />

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A.Kartarı<br />

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groβe Resonanz finden. Die Polizei intervenierte <strong>und</strong> verhaftete die Demonstranten.<br />

Die Regierung zensierte die aserbaidschanische Presse <strong>und</strong> die Zeitung der<br />

Oppositionspartei "Istiglal" wurde mit unbedruckten Seiten publiziert.<br />

Die Anhänger der Volksfront wurden aus ihrem staatlichen Ämternentlassen <strong>und</strong> die<br />

neue Regierung begann mit der Verfolgung früherer Staatsbediensteter.<br />

Nach dem Verlust Ağdams am 23. Juli 1993 erklärte Eltschibej als Begründung für die<br />

Niederlage, dass die regierenden Kräfte die National-Armeeeinheiten als<br />

"Volksfrontsmänner" bezeichnet <strong>und</strong> sie entwaffnet hätten. Diese falsche Behauptung<br />

ist auch ein Gr<strong>und</strong> dafür, dass sich <strong>Aserbaidschan</strong> wegen innerpolitischer<br />

Ungereimtheiten nicht auf den <strong>Konflikt</strong> <strong>und</strong> den Krieg mit <strong>Armenien</strong> konzentrieren<br />

kann.<br />

VI. Die Haltung anderer Länder<br />

1. Die wichtigen Beteiligten am <strong>Konflikt</strong><br />

a. Russland<br />

"Die Russen waren bei <strong>Konflikt</strong>en mit den muslimischen Völkern im Kaukasus <strong>und</strong> in<br />

der Türkei traditionell die B<strong>und</strong>esgenossen der ebenfalls christlichen Armenier"<br />

schrieb Thomas Urban (Süddeutsche Zeitung, 12. Januar 1993). Bei dieser weit<br />

verbreiteten Meinung in der Weltöffentlichkeit, folgerte die Presse, dass auch in Baku,<br />

Jerewan oder Chankendi (Stepanakert) die eigentlich Schuldigen für die eigene<br />

Niederlage sofort gef<strong>und</strong>en seien: die Russen (vgl. Burkhard Bischof,<br />

Selbstbestimmungsrecht kontra territoriale Integrität, Die Presse, 16. April 1993).<br />

Auch nach der jüngsten Niederlage behauptete Baku, russische Armeeeinheiten hätten<br />

sich am armenischen Vormarsch beteiligt. Nach Bischofs Meinung, glaubten die<br />

westlichen Beobachter nicht, dass es eine eindeutige Parteinahme Russlands <strong>und</strong><br />

einen Einsatzbefehl Moskaus für die regulären Truppen gebe, auf armenischer Seite<br />

zu kämpfen. Unbestritten aber sei, dass russische Söldner auf beiden Seiten kämpfen,<br />

mehr auf der Seite der Armenier, weil diese durch Diaspora-Hilfe mehr Devisen in<br />

ihrer Kriegkasse hätten. Unwidersprochen sei ferner, dass die ehemaligen<br />

sowjetischen Streitkräfte Unmengen von Waffen an Armenier <strong>und</strong> Aseris lieferten.<br />

Sicher ist, dass die Sympathie der Russen in diesem <strong>Konflikt</strong> eher den christlichen<br />

Armeniern als den muslimischen Aseris gehört.<br />

Das hat historische, aber auch aktuelle politisch-strategische Gründe. Die durch die<br />

Staatsgrenzen der Türkei, <strong>Aserbaidschan</strong>s, Irans <strong>und</strong> Georgiens <strong>und</strong> Blockaden der<br />

Türkei <strong>und</strong> <strong>Aserbaidschan</strong>s isolierte Republik <strong>Armenien</strong> ist ein aktives Mitglied der<br />

GUS, während das aserbaidschanische Parlament bisher die Mitgliedschaft der GUS<br />

nicht bestätigte. <strong>Armenien</strong> ist auch in den Augen Moskaus ein strategischer<br />

"Sperr-Riegel" gegen "groβtürkische" Bestrebungen, einen Korridor zum Kaspischen<br />

Meer <strong>und</strong> von dort nach Zentralasien zu öffnen. Aber der armenische Abgeordnete<br />

Aschot Nawasardjan sieht das anders: Moskaus eigentliche Absicht sei es, sich den<br />

gesamten Kaukasus wieder einzuverleiben. Er glaube daran, dass Moskau Jerewan<br />

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eine Gendarmenrolle zugewiesen habe, damit es seine Nachbarn Georgien <strong>und</strong><br />

<strong>Aserbaidschan</strong> in das russische Imperium zurücktreibt. Russlands Beziehungen zu<br />

<strong>Aserbaidschan</strong> wurden nach dem Zerfall der ehemaligen Sowjetunion durch die<br />

Erklärungen der aserbaidschanischen leitenden Politiker bestimmt. Erst waren die so<br />

genannten Exkommunisten an der Macht, nämlich Wesirow <strong>und</strong> Mutalibow, die immer<br />

ihre Loyalität gegenüber Russland äuβerten.<br />

Nach dem zweiten Machtwechsel in Baku beschuldigte de Interimspräsident<br />

<strong>Aserbaidschan</strong>s, Jagub Mamedow, den russischen Präsidenten Jelzin, einseitig für<br />

<strong>Armenien</strong> Partei zu ergreifen. Nach der Präsidentschaftswahl am 7. Juni 1992<br />

verkündete der neu gewählte Präsident <strong>Aserbaidschan</strong>s seine Ansicht über die<br />

Nachbarstaaten. Ebülfes Eltschibej, "der sich nicht als Anhänger eines<br />

f<strong>und</strong>amentalistischen Islam sieht, hatte zuvor geäuβert, er wolle keinen streng<br />

islamischen Staat schaffen, sondern einen demokratischen, der sich zur Türkei, aber<br />

auch zu Iran <strong>und</strong> Russland orientiere" (Archiv der Gegenwart vom 23 Juni 1992,<br />

S.36897).<br />

Nach den Berichten der Associated Press Agentur am 24. Juni sagte Tamara Dragadze<br />

aus Slovanic and East European Studies School at the University of London: "There<br />

are very active forces in Russia who want to keep Azerbaijan within their sphere of<br />

influence, because (they) are vengeful about the collapse of the former Soviet Union".<br />

Trotz dieser Äuβerungen "grenzte (Präsident Eltschibej) gleich nach dem Wahlsieg<br />

<strong>Aserbaidschan</strong> von seinen Nachbarstaaten Russland<br />

<strong>und</strong> Iran ab, wies (...) die Mitgliedschafts-Baku in der GUS zurück <strong>und</strong> machte sein<br />

Schicksal vom Wohlwollen der Regierung in Ankara anhängig" (Neue Zürcher<br />

Zeitung, 7. Juli 1992).<br />

Die westliche Presse veröffentlichte Berichte über die Gefechte am 30. April 1991,<br />

dass <strong>Aserbaidschan</strong>s OMON Truppen <strong>und</strong> die sowjetischen Armeeeinheiten mit<br />

Panzern <strong>und</strong> Radfahrzeugen armenische Siedlungen entlang der armenisch<br />

aserbaidschanischen Grenze angegriffen hätten. Dies war der Gr<strong>und</strong> für die Eskalation<br />

des <strong>Konflikt</strong>s durch eben die Beteiligung der Sowjetischen Truppen. (Elizabeth Fuller:<br />

What Lies Behind the Current Armenian-Azerbaijani Tensions?, S.1).<br />

In der jüngsten Zeit warfen die europäischen Zeitungen Russland vor, dass "der<br />

aserbaidschanische Rebellenführer Husseinow von den russischen Einheiten mit<br />

schweren Waffen ausgerüstet worden" sei (Handelsblatt, 23. Juni 1993). Tatsächlich<br />

teilten Hüssejnows eigene Truppen in Gendsche die Armeebasis mit der russischen<br />

709. Division. Diese Division sollte bis zum Ende1994 <strong>Aserbaidschan</strong> verlassen, aber<br />

tatsächlich verlieβen sie die Stadt bereits Anfang Mai 1993 <strong>und</strong> hinterlieβen ihre<br />

schwere Waffen nicht der Nationalen Armee <strong>Aserbaidschan</strong>s, sondern Hüssejnows<br />

Truppen; im Wissen, dass er vom Präsidenten entlassen worden war. Nach Angaben<br />

militärischer Informanten in <strong>Aserbaidschan</strong>, kaufte Hüssejnow russische Waffen, als<br />

er in Berg-Karabakh Kommandeur war.<br />

Marcus Warren schrieb: "In both Transcaucasian conflicts, Muslims (Aseris and<br />

Abkhazians) are fighting Christians (Georgians and Armenians), but the roots of the<br />

trouble lie in territory and the old 'divide and rule' tactics of the Bolshevics" (The Daily<br />

Telegraph, 6. Juli 1993).<br />

<strong>Der</strong> von Russland indirekt unterstützte Rebellenaufstand durch Suret Hüssejnow hatte<br />

zwei wichtige Folgen: Erstens wurde der nationalistisch-orientierte Präsident<br />

16<br />

A.Kartarı<br />

16


Eltschibej entmachtet, zweitens wurde der Ex-KP-Chef <strong>Aserbaidschan</strong>s, Hajdar<br />

Alijew, zumindest vorläufig an die Macht gebracht. Nach dem Machtwechsel sagte<br />

Alijew: "Wir wollen gute Beziehungen mit allen Ländern in der Region haben, <strong>und</strong><br />

Russland muss eines von ihnen sein" (Türkiye, 24. Juni 1993).<br />

Während <strong>und</strong> nach dem Putsch schwieg Russland. Laut der britischen Zeitung "The<br />

S<strong>und</strong>ay Times" vom 28. Juni 1993 gab ein russischer Sicherheitsoffizier zu, Moskau<br />

habe den Regierungswechsel in <strong>Aserbaidschan</strong> "durch Nicken <strong>und</strong> mit dem Wink"<br />

gefördert.<br />

Am Ende Juli 1993 berichtete die Presse, dass ein russischer Vertreter mit einer<br />

Friedensmisson nach Baku <strong>und</strong> Jerewan ging. Nach dessen Reise verlor <strong>Aserbaidschan</strong><br />

die Stadt A dam. Deshalb hat die aserbaidschanische Bevölkerung kein Vertrauen zu<br />

Russland mehr.<br />

Auch in <strong>Armenien</strong> genieβt Russland weniger Vertrauen. "Die armenische Regierung<br />

erhob den Vorwurf (im Jahre 1992), dass die abziehenden Soldaten der ehemaligen<br />

Sowjetarmee den weitaus gröβten Teil ihrer Waffen <strong>Aserbaidschan</strong> übergeben,<br />

dagegen die Abgabe an <strong>Armenien</strong> aber immer wieder verzögert hätten. Auf diese<br />

Weise heize Russland den <strong>Konflikt</strong> zusätzlich an. Zahlreiche Offiziere der frühere<br />

Sowjetarmee seien als Söldner in die aserbaidschanischen Streitkräfte eingetreten"<br />

(Archiv der Gegenwart vom 10. September 1992, S.27142).<br />

Russland genieβt weder in <strong>Aserbaidschan</strong> noch in <strong>Armenien</strong> Vertrauen, aber beide<br />

Republiken sind, zumindest ökonomisch <strong>und</strong> militärisch, vom Russland anhängig.<br />

Man kann sie vorstellen, dass Russland, - wie schon in Georgien <strong>und</strong> Tadschikistan<br />

-, versucht, Moskaufre<strong>und</strong>liche Führungen in den unabhängig gewordenen<br />

Nachbarrepubliken zu installieren. Die Russen gaben bisher nicht auf, diese<br />

Republiken in ihrer Einflusssphäre zu belassen. Z.B. warnte<br />

der Verteidigungsminister Russlands, Pawel Gratscov, die Türkei, so berichteten die<br />

türkischen Zeitungen, vor allzu groβem Engagement in Baku (Milliyet vom 18. Mai<br />

1993). Er sagte bei einem Besuch in Ankara im Mai: "Lassen Sie die Hände von<br />

unserem <strong>Aserbaidschan</strong>".<br />

b. Iran<br />

Iran hat direkten Zugang zu <strong>Armenien</strong> über die neue Brücke von Meghri, die<br />

Hauptstadt Baku ist auf Wegen entlang der kaspischen Küste erreichbar. In Iran leben<br />

ca. 250.000 Armenier, während ein Fünftel der iranischen Bevölkerung aus Aseris<br />

bestehen.<br />

Die Wiederannäherung zwischen Iran <strong>und</strong> <strong>Aserbaidschan</strong> fand nach dem Tod<br />

Ajatollah Chomeini im Juni 1989 statt, als der Präsident Irans, Ali Akbar Haschemi<br />

Rafsandschani, Moskau <strong>und</strong> Baku besuchte. Trotz der iranischen Besorgnis wegen des<br />

Wiedererstehens eines aserbaidschanischen Nationalismus, der auch Nationalgefühle<br />

bei den Aseris wecken könnte, besuchten eine Reihe von Regierungsvertretern Baku<br />

<strong>und</strong> beschlossen verschiedene Abkommen über Handel, Reiseverkehr <strong>und</strong> kulturelle<br />

Zusammenarbeit. Iran zögerte aber, <strong>Aserbaidschan</strong>s Unabhängigkeit anzuerkennen,<br />

bis die Sowjetunion zerfallen war (Elizabeth Fuller: Nagorno-Karabakh: Internal<br />

Conflict Becomes International, S.1).<br />

A.Kartarı<br />

17<br />

17


In Iran pochte man nachdrücklich auf die Gleichwertigkeit derNachbarn <strong>Aserbaidschan</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Armenien</strong>. Mit beiden Ländern strebt Iran demnach gleiche Beziehungen an. Kommt die Rede auf<br />

Hilfeleistungen, so zitiert man Präsident Rafsandschanis Ausspruch: <strong>Aserbaidschan</strong> müsse so viel<br />

unterstützt werden wie <strong>Armenien</strong> <strong>und</strong> umgekehrt. <strong>Der</strong> aserbaidschanische Präsident Eltschibej<br />

<strong>und</strong> auch die iranischen Aseris behaupteten, dass Iran <strong>Armenien</strong> durch Waffen- <strong>und</strong><br />

Energielieferungen unterstütze. Laut "Neue Zürcher Zeitung" sagten die iranischen Armenier<br />

in Täbris überschwänglich, <strong>Armenien</strong>s militärische Hauptversorgungsroute führe durch Täbris<br />

(Neue Zürcher Zeitung 2.Juli 1993).<br />

<strong>Der</strong> neugewählte Präsident <strong>Aserbaidschan</strong>s, Eltschibej, sprach im Juni 1992 von der<br />

Wiedervereinigung des geteiltes <strong>Aserbaidschan</strong>s <strong>und</strong> beunruhigte den Iran. Nach Berichten<br />

aserbaidschanischer Zeitungen sandte Iran tausende "Mullas" nach <strong>Aserbaidschan</strong>, um die<br />

schiitisch-muslimische Bevölkerung "aufzuwecken". Die Mullahs fanden in <strong>Aserbaidschan</strong><br />

einige Anhänger für die Gründung eines Religionsstaates.<br />

<strong>Der</strong> Iran will offensichtlich in seiner Nordflanke keinen demokratischen Staat nach dem Vorbild<br />

der Türkei. Im Iran befürchtet man, dass eventuell die iranischen Aseris auch ihre Souveränität<br />

fordern könnten. Solange der Kampf zwischen <strong>Armenien</strong> <strong>und</strong> <strong>Aserbaidschan</strong> anhält, verschärft<br />

der Iran auch die Spannung zwischen Jerewan <strong>und</strong> Ankara. Da die iranischen Aseris sehr passiv<br />

<strong>und</strong> die iranische Armenier sehr aktiv in Wirtschaft <strong>und</strong> Politik Irans vertreten sind, ist die<br />

iranische Haltung gegenüber diesen Republiken von inneren Rücksichten <strong>und</strong> staatlichen<br />

Interessen geprägt.<br />

Man betrachtet den Iran als den regionalen Gegner der Türkei, weil Irans regionaler EinΞuβ auf<br />

Kosten der Türkei wächst.<br />

Irans Vermittlerrolle beim Karabakh-<strong>Konflikt</strong> führte zu territorialen Gewinnen der Armenier.<br />

Deshalb traut der gröβte Teil der aserbaidschanischen Bevölkerung dem Iran nicht mehr. Am<br />

16. Februar erklärte der damalige<br />

Präsident Mutalibow, dass er eine Vermittlertätigkeit des Irans begrüβe. Am 25.<br />

Februar 1992 meldete Radio Teheran, dass sich <strong>Aserbaidschan</strong> <strong>und</strong> <strong>Armenien</strong> auf<br />

eine weitere 72-stündige Feuerpause geeinigt hätten, um den Weg für Verhandlungen<br />

unter der Vermittlung der iranischen Regierung zu ebnen. Am 26. Februar1992<br />

besetzten armenische Einheiten die Stadt Chodschaly. Die Armenier hätten<br />

Greueltaten an der Bevölkerung begangen.<br />

c. Türkei<br />

Die Türkei hat lange Grenzen mit Georgien <strong>und</strong> <strong>Armenien</strong>. Sie hat mit der Autonomen<br />

Republik <strong>Aserbaidschan</strong>s, Nachitschevan, nur sechs Kilometer gemeinsame Grenze,<br />

<strong>und</strong> von dort führt wegen des Krieges um Berg-Karabakhk ein Landweg in die<br />

Mutterrepublik <strong>Aserbaidschan</strong>. Die Türken stehen den Aseris in jeder Hinsicht sehr<br />

nahe. Ankara hat deshalb im Herbst 1991 als erster Staat die Unabhängigkeit<br />

<strong>Aserbaidschan</strong>s, sowie die der anderen unabhängig gewordenen ehemaligen<br />

Sowjetrepubliken anerkannt <strong>und</strong> engagiert sich seitdem politisch, wirtschaftlich <strong>und</strong><br />

18<br />

A.Kartarı<br />

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kulturell in Baku.<br />

Das Verhältnis Ankaras zu <strong>Armenien</strong> ist andererseits historisch schwer belastet.<br />

Bisher versuchte die Türkei den <strong>Konflikt</strong> zwischen <strong>Aserbaidschan</strong> <strong>und</strong> <strong>Armenien</strong><br />

friedlich zu lösen. Die Lösungen müssten nach Meinung der Türkei auf internationale<br />

Ebene gef<strong>und</strong>en werden. Deshalb unterstütze sie immer die Bemühungen der KSZE<br />

<strong>und</strong> der UNO. "Die Türkei setzt - trotz gelegentlicher harscher Worte des verstorbenen<br />

Präsidenten - immer wieder auf Gespräch <strong>und</strong> Vermittlung, sei es bilateral, sei es im<br />

Zusammenhang mit der KSZE" (Günter Lerch: Wirren in der "Stadt der Winde",<br />

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22. Juni 1993).<br />

Die Auffassung des türkischen Präsidenten wird vorwiegend von der Opposition <strong>und</strong><br />

der öffentlichen Meinung unterstützt, während die türkische Regierung einen sehr<br />

vorsichtigen Kurs einschlägt, um den aserbaidschanisch-armenischen <strong>Konflikt</strong><br />

friedlich zu lösen. "Nicht zuletzt der armenische Präsident Ter-Petrosjan hatte dies<br />

honoriert, als er zur Trauerfeier für Özal Mitte April 1993 in Istanbul erschien<br />

"(Günter Lerch: Wirren in der "Stadt der Winde", Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.<br />

June 1993).<br />

Im April 1993 arbeitete die Türkei mit den Vereinigten Staaten <strong>und</strong> Russland<br />

zusammen, um einen Friedensplan zur Lösung des Karabakh-<strong>Konflikt</strong>s zu erstellen.<br />

Ihr Plan wurde erst von <strong>Aserbaidschan</strong> <strong>und</strong> <strong>Armenien</strong> akzeptiert, aber nicht von den<br />

Armeniern Berg-Karabachs. Sie protestierten gegen die Beteiligung der Türkei an den<br />

Friedensbemühungen <strong>und</strong> gegen die verringerten Sicherheitsmaβnahmen nach dem<br />

Rückzug der armenischen Armeeeinheiten aus dem von ihnen besetzten Territorium.<br />

Die zweite Version des tripartiten Friedensplans wurde auch von den Armeniern<br />

Berg-Karabachs nicht akzeptiert, trotz der Befürwortung des Vertreters der KSZE,<br />

Mario Rafaelli.<br />

Nach der Besetzung Kelbedscher durch armenische Einheiten wurde die türkische<br />

Politik gegenüber <strong>Armenien</strong> schärfer. Sie forderte den Rückzug der armenischen<br />

Armeeeinheiten <strong>und</strong> Verbände aus dem aserbaidschanischen Territorium. Sie erklärte<br />

die Beteiligung der armenischen Armee auf aserbaidschanischen Territorium für<br />

unakzeptabel <strong>und</strong> rief die internationalen Organisationen zur Intervention auf.<br />

<strong>Der</strong> Machtwechsel in <strong>Aserbaidschan</strong> hatte in Ankara bittere Folgen, weil die Türkei<br />

vor der Gefahr stand, ihren Einfluss auf <strong>Aserbaidschan</strong> <strong>und</strong> die mittelasiatischen<br />

Republiken zu verlieren. Doch der neue Präsident Hajdar Alijew sagte, dass die<br />

türkischen Interessen in <strong>Aserbaidschan</strong> während seiner Amtzeit gewahrt werden<br />

würden.<br />

d. USA<br />

In den ersten Jahren der Unabhängigkeit <strong>Aserbaidschan</strong>s berücksichtigte die USA<br />

dieses Land fast gar nicht. Nach den türkischen Bemühungen um Einflussnahme im<br />

mittelasiatischen Raum, begann auch die USA sich mehr für dieses Gebiet zu<br />

interessieren. Sobald es um Fragen der Erdölförderung ging, tauchten amerikanische<br />

Erdölfirmen auf <strong>und</strong> schlossen mit türkischen <strong>und</strong> britischen Firmen<br />

Kooperationsverträge. <strong>Der</strong> Hauptanteil der Förderung fiel an die Amerikaner. Trotz<br />

aktiver Handelsabkommen zwischen aserbaidschanischen <strong>und</strong> amerikanischen<br />

19<br />

A.Kartarı<br />

19


Firmen, half die Regierung der Vereinigten Staaten immer nur <strong>Armenien</strong> unter dem<br />

Namen "Humanitäre Hilfe". Man weiß heute, dass in der ehemaligen Sowjetunion<br />

auch das Mehl als Waffe benutzt werden kann. Wenn man Mehl zu Geld macht, kann<br />

man mit den erhaltenen Geldern alle Art von Waffen auf dem "Schwarzen Basar"<br />

kaufen. Am diesen Gr<strong>und</strong> hatte die Türkei nach der Besetzung der<br />

aserbaidschanischen Stadt Kelbedscher durch die Armenier die Hilfsmittellieferung<br />

durch ihr Gebiet gestoppt.<br />

Die Vereinigten Staaten verurteilten die Besetzung der Stadt A dam durch<br />

armenische Einheiten <strong>und</strong> erklärten, dieser Akt könne nicht als Selbstverteidigung<br />

bewertet werden.<br />

In jüngster Zeit erklärte die USA, dass Eltschibej der gesetzliche Präsident<br />

<strong>Aserbaidschan</strong> sei. Seiner Vertreter sprach aber mit dem neuen Machthaber Alijew in<br />

Baku.<br />

Die USA nahm auch mit der Türkei <strong>und</strong> Russland an der Friedensbemühungen teil,<br />

hatte aber kein Erfolg.<br />

2. Internationale Organisationen<br />

Bei jeder Eskalation des <strong>Konflikt</strong>es zwischen <strong>Aserbaidschan</strong> <strong>und</strong> <strong>Armenien</strong><br />

appellierten beide Seiten an die UN. Beide Republiken klagten über die Angriffe des<br />

Gegners. <strong>Aserbaidschan</strong> wollte den <strong>Konflikt</strong> nicht auf die internationale Ebene<br />

bringen. Aber <strong>Armenien</strong> bemühte sich immer, dies zu erreichen. Doch die UN<br />

reagierte sehr langsam.<br />

Die KSZE bemühte sich um Frieden in Berg-Karabakh seit dessen Gründung Anfang<br />

1992. Am 12. Februar 1992 reiste eine KSZE-Beobachtermission nach <strong>Armenien</strong>,<br />

<strong>Aserbaidschan</strong> <strong>und</strong> Berg-Karabach, um dort mit örtlichen Vertretern über die<br />

Beendigung der nationalen <strong>Konflikt</strong>e zu verhandeln. <strong>Der</strong> Leiter war der<br />

tschechoslowakische Chef der Präsidialkanzlei, Karl von Schwarzenberg. Am 15.<br />

Februar 1992 führten der aserbaidschanische <strong>und</strong> armenische Auβenminister in<br />

Moskau ein kurzes Gespräch. Beide Seiten bekräftigten ihr Festhalten an der KSZE.<br />

Sie einigten sich auf sofortige Einstellung der Kämpfe in Berg-Karabakh <strong>und</strong> die<br />

Aufhebung der Blockade der Straβen, Verkehrwege <strong>und</strong> die Verhinderung der<br />

Lieferung humanitärer Hilfe.<br />

Am 26. Februar 1992 besetzten Armenier die Stadt Chodschalı. Am 4. März schrieb<br />

der aserbaidschanische Auβenminister Hüssejnağa Sadıchow an UN-Generalsekretär<br />

Butros-Ghali <strong>und</strong> teilte ihm die Situation in Chodschaly mit. Das Ziel der KSZE ist es,<br />

eventuell eine Konferenz über<br />

das Thema ‚<strong>Aserbaidschan</strong>-<strong>Armenien</strong> <strong>Konflikt</strong>’ in Minsk abzuhalten.<br />

Ende August 1992 traf sich der KSZE-Unterhändler Rafaeli mit den Präsidenten<br />

<strong>Aserbaidschan</strong>s <strong>und</strong> <strong>Armenien</strong>s <strong>und</strong> erklärte, dass die Friedensbemühungen in eine<br />

Sackgasse geraten seien. Er hatte Ter-Petrosjan einen Vorschlag für eine Feuerpause<br />

20<br />

A.Kartarı<br />

20


als Voraussetzung für weitere Friedensverhandlungen unterbreitet; doch der<br />

armenische Präsident hatte Vorbehalte geäuβert <strong>und</strong> vertrat die Ansicht, ein<br />

Abkommen müsse zwischen <strong>Aserbaidschan</strong> <strong>und</strong> Berg-Karabakhdirekt geschlossen<br />

werden; <strong>Armenien</strong> könne nicht für Berg-Karabakh mitstimmen, sondern nur für sich<br />

selbst (Archiv der Gegenwart vom 12. September 1992, S.37142-37143).<br />

Eine weitere R<strong>und</strong>e der KSZE-Gespräche in Rom vom 7. bis zum 10. September<br />

endete, ohne dass ein Termin für die Fortsetzung der Vorverhandlungen festgelegt<br />

werden konnte. Nach der Besetzung der Stadt Kelbedscher forderte der<br />

UN-Sicherheitsrat am 30. April mit der Resolution 822, "fremde<br />

<strong>und</strong> örtliche" bzw. "reguläre <strong>und</strong> unreguläre" armenische Kräfte sollten sich aus dem<br />

besetzten aserbaidschanischen Territorium zurückziehen, die Feindlichkeiten in <strong>und</strong><br />

um Berg-Karabakhstoppen, <strong>und</strong> sie sollten die Wiederaufnahme des Friedenprozesses<br />

<strong>und</strong> der humanitären Hilfelieferungen nicht verhindern.<br />

Am 25.Juni 1993 akzeptierte <strong>Armenien</strong> diese UN-Resolution. <strong>Der</strong> so genannte<br />

"tripartite" Friedensplan wurde am 3. Mai 1993 verabschiedet. <strong>Aserbaidschan</strong><br />

akzeptierte ihn am 6.Mai 1993. Berg-Karabakh lehnte ihn ab, weil er keine<br />

Möglichkeit enthielte, aserbaidschanische Angriffe zu verhindern. Die zweite Version<br />

des Plans wurde zwischen dem 14. <strong>und</strong> 15. Mai vorbereitet <strong>und</strong> am 18. Mai<br />

verabschiedet. Diese neue Version forderte, alle armenischen Truppen innerhalb des<br />

Zeitraums 29. Mai - 3. Juni aus dem aserbaidschanischen Territorium<br />

zurückzuziehen <strong>und</strong> am 1.Juni Waffenruhe zu schaffen. Dennoch verschärften die<br />

armenischen Einheiten ihre Angriffe gegen aserbaidschanische Siedlungen <strong>und</strong><br />

besetzten die Stadt A dam.<br />

Wenige Tage später einigten sich die Militärs <strong>Aserbaidschan</strong>s <strong>und</strong> Berg-Karabachs auf<br />

eine Feuerpause, doch liegt nach Angaben der Medien die Stadt Fisuli noch unter dem<br />

Feuer der Armenier.<br />

VII. Zusammenfassung<br />

Die Innenpolitik <strong>Aserbaidschan</strong>s <strong>und</strong> <strong>Armenien</strong>s spielen beim Karabakh-<strong>Konflikt</strong> eine<br />

bedeutende Rolle. Beide Länder haben radikal national-denkende politische Gruppen,<br />

nämlich die Daschnaken in <strong>Armenien</strong> <strong>und</strong> "rechtsradikalen" in <strong>Aserbaidschan</strong>. Diese<br />

Gruppen haben einen groβen Einfluss auf die Politik der Regierungen.<br />

Jedem Machtwechsel in <strong>Aserbaidschan</strong> folgt stets eine Eskalation des<br />

Karabakh-<strong>Konflikt</strong>s, wie jede Niederlage einen Machtwechsel in Baku zur Folge hat.<br />

Die demokratischen Kräfte konnten in <strong>Aserbaidschan</strong> als auch in <strong>Armenien</strong> die<br />

ehemalige Nomenklatur nicht beseitigen. Ehemalige Parteifunktionäre, wie Alijew,<br />

haben gute Beziehungen zu Moskau, <strong>und</strong> wie wir in der jüngsten Zeit in<br />

<strong>Aserbaidschan</strong> gesehen haben, versucht Moskau immer, die alten Kommunisten in<br />

diesen Ländern an die Macht zu bringen. Moskau unterstützt diese Bemühungen sehr.<br />

Die anderen Länder, wie die Vereinigten Staaten <strong>und</strong> die EG Länder, wollen durch<br />

humanitäre Hilfe den Menschen in der bedrohten Region helfen. Doch erreicht die<br />

humanitäre Hilfe nur wenige Menschen, weil die Transkaukasier auf den gut<br />

funktionierenden "schwarzen Bazars" Hilfsgüter gegen Waffen eintauschen <strong>und</strong> mit<br />

diesen weiterkämpfen.<br />

<strong>Der</strong> Iran will den <strong>Konflikt</strong> ebenfalls nicht lösen, weil er erstens einen gröβeren<br />

21<br />

A.Kartarı<br />

21


Machteinfluss der Türkei befürchtet, zweitens sich ein freies <strong>Aserbaidschan</strong> zu einem<br />

reichen <strong>und</strong> demokratischen Staat entwickeln könnte <strong>und</strong> drittens sich die iranischen<br />

Aseris dann auch für eine Selbständigkeit zu Wort melden würden.<br />

Die Türkei kann keine Vermittler-Rolle übernehmen, da die Armenier Berg-Karabachs<br />

<strong>und</strong> die Daschnaken von <strong>Armenien</strong> die Einmischung der Türkei nicht akzeptieren.<br />

Die internationalen Organisationen versuchen den <strong>Konflikt</strong> friedlich zu lösen. Aber die<br />

Armenier nutzen die Bemühungen dieser Organisationen aus <strong>und</strong> nach jeder<br />

Feuerpause besetzen sie ein weiteres Stück des aserbaidschanischen Territoriums.<br />

<strong>Aserbaidschan</strong> hat keine Kontrolle über seine Verbände, weil sie untereinander nicht<br />

koordiniert sind.<br />

Auch wenn die Schluβbemerkung nicht befriedigen kann, muss leider festgestellt<br />

werden, dass die seienden diffusen <strong>und</strong> unstabilen politischen wie militärischen<br />

Verhältnisse auch in mittlerer Sicht keine dauerhaftige Lösung des Gesamtkonflikts<br />

erwarten lassen.<br />

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