ZDB direkt Zuse 2005.pdf - Zentralverband Deutsches Baugewerbe
ZDB direkt Zuse 2005.pdf - Zentralverband Deutsches Baugewerbe
ZDB direkt Zuse 2005.pdf - Zentralverband Deutsches Baugewerbe
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Direkt<br />
Aktuelles vom Deutschen <strong>Baugewerbe</strong>.<br />
2005<br />
Sonderausgabe<br />
Ein Bau-Produktmodell als Schlüssel<br />
zur Software-Integration<br />
Seite 6 – 8<br />
Konrad <strong>Zuse</strong>s<br />
wissenschaftliches Werk<br />
Seite 11 – 14<br />
Konrad-<strong>Zuse</strong>-Medaille<br />
des <strong>Zentralverband</strong>es<br />
des Deutschen<br />
<strong>Baugewerbe</strong>s<br />
Laudatio für den Preisträger 2005<br />
Seite 3 – 5<br />
Mein Weg zu den<br />
Bau-Produktmodellen<br />
Seite 9 – 10<br />
2005
2<br />
<br />
Impressum:<br />
V.i.S.d.P.:<br />
Dr. Ilona K. Klein<br />
Redaktion:<br />
Carin Hollube<br />
Fotos: Flughafen München<br />
GmbH, <strong>ZDB</strong>.<br />
<strong>Zentralverband</strong> des<br />
Deutschen <strong>Baugewerbe</strong>s,<br />
Kronenstraße 55-58,<br />
10117 Berlin-Mitte,<br />
Telefon 030 / 20314-408,<br />
Fax 030 / 20314-420,<br />
eMail: presse@zdb.de<br />
Zur Bedeutung der Konrad-<strong>Zuse</strong>-<br />
Medaille für die Bauwirtschaft<br />
Sehr geehrte Damen und Herren,<br />
liebe Leserinnen und Leser,<br />
diese Sonderausgabe unserer Zeitschrift <strong>ZDB</strong>-Direkt ist der Verleihung<br />
der Konrad-<strong>Zuse</strong>-Medaille 2005 in Berlin gewidmet.<br />
In zweierlei Hinsicht war dies eine Premiere. Nach langer Zeit wurde die<br />
Konrad-<strong>Zuse</strong>-Medaille des <strong>ZDB</strong> wieder im Rahmen des Deutschen <strong>Baugewerbe</strong>tages<br />
verliehen und zum ersten Mal in Berlin.<br />
Berlin ist eng mit Konrad <strong>Zuse</strong> verbunden. Hier studierte er von 1928 bis<br />
1934 an der Technischen Hochschule Charlottenburg und legte 1935<br />
sein Diplom – Hauptexamen zum Bauingenieur ab.<br />
<strong>Zuse</strong> wird auf der ganzen Welt als Schöpfer des ersten programmgesteu-<br />
erten und frei programmierbaren Rechners anerkannt. Diese Maschine<br />
– Z3 genannt – vollendete er 1941 in seiner Werkstatt in Kreuzberg.<br />
Mit der Verleihung der Konrad-<strong>Zuse</strong>-Medaille auf dem Deutschen <strong>Baugewerbe</strong>tag<br />
2005 spiegelt sich auch die Wertschätzung des Verbandes<br />
für die Leistungen von Konrad <strong>Zuse</strong> wider. Diese Wertschätzung ist<br />
angesichts der Potenziale, die die von Konrad <strong>Zuse</strong> angestoßene elektronische<br />
Datenverarbeitung für die Bauwirtschaft hat, keine gepflegte<br />
Nostalgie sondern hochaktuell.<br />
Konrad <strong>Zuse</strong> ist gerade in dieser Zeit ein Vorbild. Er hat gegen vielerlei<br />
Widerstände zielstrebig an der Umsetzung seiner Ideen bis zu deren<br />
praktikabler Anwendung gearbeitet.<br />
Bundespräsident Roman Herzog formulierte es bei der Vergabe des<br />
Großen Verdienstkreuzes des Verdienstordens der Bundesrepublik mit<br />
Stern und Schulterband 1995 an Konrad <strong>Zuse</strong> so:<br />
„Trotz widriger Umstände – da war der Krieg, der Sie behinderte, da<br />
war das Patentamt, das Ihre Erfindung nicht anerkannte – haben Sie<br />
Ihre Ziele weiter verfolgt .... Hochachtung schließlich dafür, dass Sie<br />
drei Dinge zusammengeführt haben: erstens die Idee, nämlich die des<br />
programmierten Rechenautomaten, zweitens die Entwicklung zu einer<br />
praktikablen Umsetzung, drittens die unternehmerische Nutzung.“<br />
Der <strong>ZDB</strong> beabsichtigt, künftig regelmäßig die Konrad-<strong>Zuse</strong>-Medaille im<br />
Rahmen des Deutschen <strong>Baugewerbe</strong>tages zu verleihen. Dies ist ein würdiger<br />
Rahmen, Persönlichkeiten zu ehren, die sich auf dem Gebiet der<br />
Informatik im Bauwesen in hervorragender Weise ausgewiesen haben.<br />
Ihr
Konrad-<strong>Zuse</strong>-Medaille 2005<br />
Mit der Verleihung<br />
der Konrad <strong>Zuse</strong><br />
Medaille ehrt der<br />
<strong>Zentralverband</strong> des<br />
Deutschen <strong>Baugewerbe</strong>s<br />
Persönlichkeiten<br />
für herausragende<br />
und zukunftsträchtige<br />
Leistungen in der Informatik<br />
im Bauwesen.<br />
Damit halten wir auch<br />
das Wissen um die<br />
Verdienste von Konrad<br />
<strong>Zuse</strong> wach, der seinen<br />
Weg gerade hier in Berlin<br />
begonnen hat.<br />
Konrad <strong>Zuse</strong> studierte<br />
von 1928 bis 1934 an<br />
der Technischen Hochschule<br />
Charlottenburg<br />
und legte 1935 sein<br />
Diplom – Hauptexamen<br />
zum Bauingenieur ab.<br />
Er wird auf der ganzen<br />
Welt als Schöpfer des<br />
ersten programmgesteuerten<br />
und frei programmierbarenRechners<br />
anerkannt. Diese<br />
Maschine – Z3 genannt<br />
– vollendete er 1941 in<br />
seiner kleinen Werkstatt<br />
in Kreuzberg.<br />
Im Deutschen Technikmuseum<br />
hier in Berlin<br />
ist die Entwicklung des<br />
Z3 sehr schön dokumentiert.<br />
Prof. <strong>Zuse</strong> war denn<br />
auch der erste Träger<br />
der nach ihm benannten<br />
Medaille.<br />
Preisträger 2005<br />
Prof. Richard Junge<br />
Wir wollen auf Beschluss<br />
der Kuratoriums<br />
heute Prof. Richard<br />
Junge aus München<br />
mit der Konrad-<strong>Zuse</strong>-<br />
Medaille auszeichnen.<br />
Laudatio von Dieter Horchler<br />
<br />
<br />
Prof. Junge hat mit<br />
seiner Entwicklung<br />
der Bau-Produktmodelltechnologie<br />
eine<br />
wesentliche Voraussetzung<br />
dafür geschaffen,<br />
dass weitere Rationalisierungspotenziale<br />
im<br />
Bauprozess erschlossen<br />
werden können.<br />
Sie werden sich sicherlich<br />
fragen, was es<br />
damit auf sich hat. Ich<br />
werde versuchen, Ihnen<br />
dieses an Hand eines<br />
kurzen Beispiels zu erläutern.<br />
Stellen Sie sich vor, auf<br />
einem Konferenztisch<br />
liegt ein Bauplan. Um<br />
den Tisch herum sit-<br />
.zen die am geplanten<br />
Bauwerk beteiligten<br />
Partner: der Bauherr,<br />
der Architekt, der Bauingenieur,<br />
der Baustofflieferant,<br />
der Bauunternehmer<br />
und der Polier.<br />
Alle sehen den selben<br />
Plan, aber keiner sieht<br />
das Gleiche.<br />
Schlussendlich sehen<br />
alle die schwarzen Striche<br />
einer Zeichnung,<br />
ob durch CAD oder von<br />
Hand sei dahin gestellt.<br />
Der Bauherr stellt sich<br />
seinen Einzug vor, der<br />
Bauingenieur sieht<br />
die statischen Berechnungen,<br />
der Baustofflieferant<br />
kalkuliert die<br />
notwendigen Baustoffe<br />
und der Bauunternehmer<br />
plant den Bauablauf.<br />
Jeder hat seinen<br />
Teilbereich des Bauprozesses<br />
vor Augen, der<br />
eine die Funktion, der<br />
andere das Material, jeder<br />
etwas anderes.<br />
Wie kann es also gelingen,<br />
sämtliche Informationen,<br />
die jeder der am<br />
Bau beteiligten Partner<br />
mit dem Plan verbindet,<br />
verbindlich zu definieren<br />
und den Daten beizufügen?<br />
Denn der Schlüssel<br />
zum effizienten und<br />
erfolgreichen Bauen<br />
liegt genau in der Gestaltung<br />
dieses Informationsverarbeitungs-,<br />
bzw. Kommunikationsprozesses;<br />
dass nämlich<br />
der Bauunternehmer<br />
das baut, was sich der<br />
Bauherr vorgestellt<br />
und der Architekt auf<br />
Papier niedergelegt hat,<br />
und dieses möglichst<br />
qualitativ hochwertig,<br />
kostengünstig und in<br />
kurzer Zeit.<br />
Dazu bedarf es eines effizienten<br />
Managements<br />
des Kommunikationsprozesses<br />
„Bauen“ – in<br />
der realen wie in der<br />
virtuellen Welt.<br />
Hier beginnt der neue<br />
Ansatz von Prof. Junge.<br />
Er hat als erster den<br />
Bauprozess als Kommunikationsprozessdefiniert.<br />
1990 prägte er<br />
den Begriff „Integration<br />
durch Kommunikation“.<br />
Bis dahin ging es nämlich<br />
immer um Daten,<br />
den Datenaustausch<br />
und die Datenintegration.<br />
3
4<br />
Doch Prof. Junge ging<br />
es nicht einfach darum,<br />
nur den Austausch<br />
von Daten zu organisieren.<br />
Sein Ziel war<br />
es, Schnittstellen zu<br />
entwickeln, die nicht<br />
nur die Daten von einer<br />
Software zur anderen<br />
transportieren, sondern<br />
deren Bedeutung im jeweiligen<br />
Kontext gleich<br />
mitliefern. Denn die<br />
nackten Daten erhalten<br />
ihre Bedeutung immer<br />
erst durch die Interpretation<br />
des Fachmanns.<br />
Und genau in dieser<br />
Interpretation liegen<br />
mögliche Fehlerquellen,<br />
und damit Kostenfaktoren,<br />
im Bauprozess.<br />
Der Bauplan ist eine<br />
klassische Zeichnung,<br />
schwarze Linien auf<br />
weißem Papier. Nichts<br />
anderes enthält auch<br />
ein CAD-Datensatz im<br />
Computer.<br />
Die Bedeutung fügt erst<br />
der Betrachter hinzu,<br />
sprich der Bauunternehmer,<br />
der Baustofflieferant<br />
etc. hinzu.<br />
So wie in einer Baubesprechung<br />
die Betei-<br />
<br />
<br />
ligten Informationen<br />
austauschen, so sollen<br />
diese Informationen zusätzlich<br />
den CAD-Zeichnungen<br />
beigegeben<br />
werden.<br />
Sämtliche am Bauprozess<br />
Beteiligten sollen<br />
diese Informationen<br />
verstehen und identisch<br />
interpretieren. Mit der<br />
Produktmodellierung<br />
im Bauwesen hat Prof.<br />
Junge die Basis geschaffen,<br />
dass die Softwaresysteme<br />
der am Bauprozess<br />
Beteiligten eine<br />
Verständigung finden.<br />
Damit Daten im Bauprozess<br />
durchlaufen<br />
können – und nicht von<br />
jedem Beteiligten in<br />
dem von ihm verantworteten<br />
Teilprozess<br />
neu eingegeben werden<br />
müssen – muss die<br />
Bedeutung der Daten<br />
für die Beteiligten jeweils<br />
interpretierbar<br />
sein.<br />
Soll eine Kommunikation<br />
zwischen unterschiedlichenSoftwaresystemen<br />
ermöglicht<br />
werden, genauso wie<br />
es zwischen Bauherr,<br />
Architekt, Bauingenieur,<br />
Baustofflieferant<br />
und Bauunternehmer<br />
funktioniert, dann muss<br />
man einen Weg finden,<br />
diese fachlichen Modelle<br />
abzubilden und auf<br />
die Computerwelt zu<br />
übertragen.<br />
Die Entwicklung eines<br />
solchen Modells – eines<br />
Bau-Produktmodells als<br />
Schlüssel zur Software-<br />
Integration – ist das Verdienst<br />
von Prof. Junge.<br />
Wenn es heute angesichts<br />
der modernen<br />
Informationstechnologien<br />
zurecht um die<br />
Erschließung von Effizienzpotentialen<br />
durch<br />
gemeinsam genutzte<br />
Datenpools geht, ist die<br />
normierte Produktmodellierung<br />
eine wesentliche<br />
Voraussetzung.<br />
Sie ist gleichermaßen<br />
die Bedingung zur<br />
Vermeidung von überflüssige<br />
und doppelten<br />
Informationen im Informationsverarbeitungsprozess<br />
„Bauen“.<br />
Auf seinem Weg zu<br />
diesem Produktmodell<br />
hat Prof. Junge frühzeitig<br />
die Bedeutung<br />
des Computereinsatzes<br />
im Architekturbüro<br />
erkannt. Er war einer<br />
der ersten, der CAD in<br />
seinem Büro eingesetzt<br />
hat. Das Thema ließ ihn<br />
nicht mehr los.<br />
Er beteiligte sich daher<br />
an der Normungsarbeit<br />
im DIN und der ISO sowie<br />
an verschiedenen<br />
Forschungsprojekten.<br />
Dabei reizte ihn besonders<br />
das Thema<br />
Gebäudeproduktmodell,<br />
dessen heutige<br />
Definition durch die IFC,<br />
die Industry Foundation<br />
Classes, er maßgeblich<br />
beeinflusst hat. Damit<br />
erwarb er sich sehr<br />
schnell internationale<br />
Anerkennung.
So war es nur folgerichtig,<br />
dass er an der Gründung<br />
des deutschen<br />
Ablegers dieses Konsortiums<br />
auch maßgeblich<br />
beteiligt war. Er hatte<br />
klare Vorstellungen<br />
davon, wie ein Produktmodell<br />
zu modellieren<br />
und wie es gemeinsam<br />
zu nutzen sein könnte.<br />
Und ihm gelang es,<br />
dieses zu etablieren. Es<br />
glückte ihm auch, diese<br />
Definitionen international<br />
gegen Teils sehr<br />
heftige Widerstände,<br />
besonders in den USA,<br />
durchzusetzen.<br />
Immer wenn es nicht<br />
weiterzugehen scheint,<br />
wird es für Prof. Junge<br />
erst richtig spannend.<br />
Mit wenigen, allgemein<br />
verständlichen Worten<br />
schlägt er seine meist<br />
praktikablen, mehrheitsfähigen<br />
Lösungen<br />
vor und hat so oft die<br />
Weichen für weit in<br />
die Zukunft gerichtete<br />
Projekte gestellt. Sein<br />
Motto ist: „Geht nicht,<br />
gibt‘s nicht!“ Das war<br />
schon in der Architektenpartnerschaft<br />
so,<br />
wo er stets gut war für<br />
die großen, neuen und<br />
schwierigen Aufträge.<br />
Es gilt auch für seine<br />
Arbeit an der Uni.<br />
Prof. Junge ist in allen<br />
Feldern der Coach, dem<br />
es gelingt, durch Motivation<br />
seine Mitstreiter,<br />
Mitarbeiter oder Studenten<br />
zur Höchstform<br />
auflaufen zu lassen.<br />
<br />
Dabei hilft im seine<br />
sympathische Charaktereigenschaft,<br />
sein<br />
Humor, den er auch in<br />
angespannten Situationen<br />
nicht verliert.<br />
Sehr geehrter Herr Prof.<br />
Junge, das Kuratorium<br />
hat sich dafür entschieden,<br />
Ihnen im Rahmen<br />
unseres Deutschen<br />
<strong>Baugewerbe</strong>tages die<br />
Konrad-<strong>Zuse</strong>-Medaille<br />
zur überreichen. Diese<br />
öffentliche Anerkennung<br />
Ihres Wirkens haben<br />
Sie verdient, auch<br />
wenn Sie sich gerne bescheiden<br />
und geduldig<br />
im Hintergrund halten<br />
und das Rampenlicht<br />
anderen überlassen.<br />
Heute ist der Tag, Ihnen<br />
unsere Anerkennung<br />
für Ihre Leistungen für<br />
die Bauwirtschaft auszusprechen.<br />
Sie sind ein<br />
würdiger Träger dieser<br />
besonderen Auszeich-<br />
nung. Nur wer auf dem<br />
Gebiet der Informatik<br />
im Bauwesen hervorragendes<br />
leistet, erhält<br />
die große Auszeichnung<br />
mit der Konrad-<strong>Zuse</strong>-<br />
Medaille.<br />
Auf diese Weise wird<br />
die Erinnerung an Konrad<br />
<strong>Zuse</strong> auf das Beste<br />
gewahrt. Das deutsche<br />
<strong>Baugewerbe</strong> beglückwünscht<br />
Sie dazu.<br />
5
6<br />
Ein Bau-Produktmodell als Schlüssel<br />
zur Software-Integration<br />
Universitätsprofessor Dipl. Ing. Architekt Richard Junge<br />
Fachgebiet CAAD, Fakultät für Architektur der TU München<br />
<br />
<br />
Wenn man in einer<br />
<br />
Baufirma aufgewachsen<br />
ist, von<br />
<br />
Kindesbeinen<br />
an das Büro, den<br />
Bauhof, die Baustellen<br />
kennt und dann den<br />
Beruf des Architekten<br />
ergreift, dann kann es<br />
einem nur ums Bauen<br />
gehen. Der architektonische<br />
Entwurf ist dazu<br />
der erste Schritt.<br />
Bauen ist ein vielschichtiger<br />
Prozess, mit vielen<br />
Beteiligten. Die HOAI<br />
weist dem Architekten<br />
bereits in der Phase des<br />
Entwurfes das „Integrieren<br />
der Leistungen<br />
anderer an der Planung<br />
fachlich Beteiligter“<br />
zu. Bei der Ausführungsplanung<br />
heißt<br />
es: „Erarbeiten der<br />
Grundlagen für die<br />
anderen an der Planung<br />
fachlich Beteiligten<br />
und Integrierung<br />
ihrer Beiträge<br />
bis zur ausführungsreifen<br />
Lösung“. Das<br />
stellt nicht nur einen<br />
hohen Anspruch an<br />
Wissen und Können,<br />
sondern im Zeitalter<br />
der Software lässt<br />
es ganz mächtig den<br />
Wunsch, den Druck<br />
nach Software-Integration<br />
entstehen.<br />
Mein erster ernsthafter<br />
Anlass mich mit<br />
Computern zu befassen<br />
datiert von 1978.<br />
Seinerzeit sah ich mich<br />
in einem sehr großen,<br />
komplexen Auftrag<br />
gezwungen, Kostenplanung,<br />
–steuerung und<br />
–kontrolle auf der Basis<br />
von Kostenelementen<br />
durchzuführen. Der<br />
Gedankengang war<br />
folgender, einfacher:<br />
Plant man Kosten mit<br />
Kostenelementen und<br />
setzt dann CAD-Systeme<br />
ein, die wiederum<br />
mit Bauteilen arbeiten<br />
(und nicht mit purer<br />
Geometrie), dann müsste<br />
doch der Computer<br />
schon dieses und jenes<br />
Faktum kennen, das<br />
mit diesen Bauteilen<br />
verknüpft ist. Als Folge<br />
daraus wäre zu schließen,<br />
dass man diese<br />
Fakten nicht nochmals<br />
irgendwo anders wieder<br />
neu eingeben muss.<br />
Mengenermittlungen<br />
klappten schon sehr<br />
gut, die Zuweisung der<br />
Mengen zu Kostenelementen<br />
oder LV-<br />
Positionen auch. Kostenelemente<br />
bestehen<br />
letztlich aus LV-Positionen<br />
nach einer ganz<br />
bestimmten „Rezeptur“.<br />
Man kann also eine so<br />
aufgebaute Kostenberechnung<br />
umsortieren<br />
und erhält ein Roh-LV.<br />
Das funktionierte auch.<br />
Verzweiflung kam<br />
allerdings auf, als die<br />
ja gerade erst in Entwicklung<br />
befindliche<br />
Codierungsstruktur<br />
des Mutter –LV und<br />
des Kostenelemente<br />
-Kataloges verbessert<br />
werden mussten. Unmöglich<br />
war es, die im<br />
Raum- und Gebäudebuch<br />
festgelegten Qualitäten<br />
automatisiert,<br />
z.B. für die Kostenberechung,<br />
auszuwerten.<br />
Warum? Weil alles nur<br />
in Form von Daten vorlag,<br />
deren Bedeutung<br />
nicht mitabgespeichert<br />
wurde. Diese kam erst<br />
durch den mit den Programmen<br />
arbeitenden<br />
Menschen dazu. Das<br />
zeigte sich besonders,<br />
als es die ersten Versuche<br />
gab, mit Ingenieuren<br />
außerhalb des eigenen<br />
Büros zusammen<br />
zu arbeiten.<br />
Dieselben Probleme<br />
oder Grenzen gab es<br />
natürlich auch in dem<br />
Projekt ISYBAU – Integrierter<br />
System BAU<br />
– des Bundesbauministerium<br />
und der Landesbauverwaltungen<br />
Bayern, bei dem ich<br />
beratend tätig war.<br />
Wir machten halt alle<br />
denselben Fehler. Wir<br />
glaubten, dass eine solche<br />
Integration über Daten,<br />
die in Datenbanken<br />
gehalten werden, wenn<br />
man sie nur gescheit genug<br />
codiert, möglich sei.<br />
Zu einem neuen Gedankengang<br />
kam ich,<br />
als ich in einem Soziologiebuch<br />
die Definition<br />
von Kommunikation<br />
las. Daraufhin stellte<br />
ich einen Vortrag unter<br />
den Slogan „Integration<br />
durch Kommunikation“.<br />
Das Übertragen von<br />
Worten erfolgt über<br />
Schallwellen. Kommunikation<br />
kann aber<br />
erst stattfinden, wenn<br />
die Bedeutung dieser<br />
Worte im jeweiligen<br />
Zusammenhang richtig<br />
verstanden werden.<br />
Erst dann kann darauf<br />
sinnvoll geantwortet<br />
oder gefragt werden.<br />
Man kann das deutlich<br />
machen, wenn man<br />
sich die Runde eines<br />
Bau- Jour-Fixe vorstellt.<br />
Jeder in dieser Runde<br />
hat sein, von seiner<br />
Disziplin und Aufgabe<br />
geprägtes, fachliches<br />
Modell. Was er sieht,<br />
interpretiert er demgemäss.<br />
Dennoch aber<br />
können sich diese<br />
Fachleute in aller Regel<br />
gut untereinander verständigen.<br />
Sie kommunizieren.<br />
Zwischen diesen<br />
fachlichen Modellen<br />
existieren offensichtlich<br />
Verbindungen,<br />
ein Verständnis, auf<br />
dessen Grundlage<br />
man kommunizieren,
sinnvoll Fragen stellen<br />
und Antworten geben<br />
kann. Nur ein ganz einfaches<br />
Beispiel: Wenn<br />
ein Statiker mir als<br />
Architekten sagt, eine<br />
bestimmte Wand müsse<br />
eine aussteifende<br />
Funktion übernehmen,<br />
aus Beton bestimmter<br />
Qualität sein usw., dann<br />
braucht er mir keine<br />
grundlegenden Erläuterungen<br />
geben. Es wird<br />
sofort und unmittelbar<br />
verstanden. Seine Information<br />
wird bestimmte<br />
Konsequenzen im weiteren<br />
Planungs- und<br />
Bauprozess haben und<br />
es ist auch ziemlich klar<br />
welche. Es muss also<br />
heißen: Integration<br />
zwischen fachlichen<br />
Modellen läuft über<br />
Kommunikation.<br />
Jetzt kommt etwas<br />
Neues dazu: Jeder dieser<br />
Fachleute benutzt<br />
Computer für seine<br />
Tätigkeiten. Und hier<br />
scheitert die Kommunikation.<br />
Das, was diese<br />
Fachleute noch fertig<br />
bringen, nämlich zu<br />
kommunizieren, geht<br />
nun mit ihren Computern<br />
nicht mehr. Hier<br />
liegen nur noch Daten<br />
vor, die einer Interpretation<br />
durch den Fachmann<br />
bedürfen.<br />
Eine Zeichnung ist lediglich<br />
ein Stück Papier<br />
mit Strichen darauf.<br />
Wenn wir, Bauingenieure,<br />
Architekten darin<br />
lesen, dass beispielsweise<br />
aufgrund einer<br />
bestimmten Schraffur<br />
dieses Mauerwerk, jenes<br />
Beton ist, oder dass<br />
hier eine Treppe, dort<br />
ein Aufzugsschacht ist,<br />
können wir das Dank<br />
unseres fachlichen Mo-<br />
dells. Gegenprobe: Was<br />
sieht denn der Laie, der<br />
Nichtfachmann auf diesem<br />
Blatt?<br />
Der Sprung von dieser<br />
Papierzeichnung hin<br />
zu einem computergestützten<br />
Design ist<br />
gleich null. Auch wenn<br />
ein CAD-System benutzt<br />
wird, das nur auf<br />
Geometrien basiert,<br />
ist das Ergebnis nur<br />
ein Datensatz, der nur<br />
Geometrie enthält. Die<br />
Bedeutung entsteht<br />
erst im Kopf des Betrachters.<br />
Es ist kein Unterschied<br />
zur händisch<br />
erstellten Zeichnung<br />
vorhanden.<br />
Soll eine Kommunikation<br />
zwischen den<br />
Software-Systemen<br />
ermöglicht werden, genauso<br />
wie es zwischen<br />
Personen geschieht,<br />
dann muss man einen<br />
Weg finden, diese fachlichen<br />
Modelle abzubilden<br />
und auf die Computerwelt<br />
zu übertragen.<br />
Und das ist möglich!<br />
Aber auch hier ging es<br />
zunächst mit untauglichen<br />
Mitteln weiter, bis<br />
ich die im STEP Umfeld<br />
entwickelte Technik<br />
der Produktmodelle<br />
anwandte. Über mehrere<br />
Schritte kam ich zu<br />
einer Modelarchitektur,<br />
die es erlaubt, Bauprodukt-Modelle<br />
zu bauen,<br />
ohne vorab die Größe<br />
oder Entwicklungsrichtung<br />
des Modells zu<br />
kennen. So konnte man<br />
also mit dieser ungeheuren<br />
Aufgabe eines<br />
Bauprodukt- Modells<br />
beginnen und auch<br />
nach kurzer Zeit schon<br />
Ergebnisse nutzen.<br />
Im folgenden soll nun<br />
gezeigt werden, dass<br />
die Arbeit an diesen<br />
Konzepten den Forschungsbereichverlassen<br />
hat und in die<br />
industrielle Umsetzung<br />
gegangen ist.<br />
Internationale Standardisierung<br />
– IFC<br />
Man kann sich vorstellen,<br />
dass man auf<br />
dieser Basis intelligentere<br />
Software schaffen<br />
kann. Um zu breiten<br />
Anwendungen zu kommen,<br />
muss noch ein<br />
sinnvoller Standard gefunden<br />
werden. Ohne<br />
diesen würde statt einer<br />
gemeinsamen Sprache,<br />
ein babylonisches<br />
Gewirr entstehen.<br />
Diesen Standard zu<br />
schaffen, bemüht sich<br />
ein Industriekonsortium<br />
unter dem Namen<br />
„International Aliance<br />
for Interability“ – IAI.<br />
Ich war einer der Initiatoren<br />
dieser Vereinigung<br />
und nach diversen<br />
technischen, und später<br />
organisatorisch politischen<br />
Aufgaben, bin<br />
ich heute Ehrenvorstand.<br />
Der dort geschaffene<br />
Standard nennt<br />
sich „Industrie-Foundation-Classes“<br />
– IFC.<br />
Das Konsortium hat elf<br />
Chapter – in Deutschland,<br />
Skandinavien,<br />
Großbritannien, Frankreich,<br />
Italien, Spanien,<br />
USA, Australien, Singapore,<br />
Korea und Japan.<br />
Das deutsche Chapter<br />
hat ca. 60 Mitglieder,<br />
international sind es ca.<br />
650. Sie kommen aus<br />
Ingenieur- oder Baufirmen,<br />
aus Softwarehäusern<br />
oder auch Verbänden.<br />
Mit den Beiträgen<br />
der Mitglieder wird die<br />
Standardisierung finanziert.<br />
Gerade in diesem<br />
Jahr ist ein deutlicher<br />
Zuwachs des Interesses<br />
an IFC zu verzeichnen.<br />
Es beginnt sich am<br />
Markt durchzusetzen<br />
als ein Format, das den<br />
Vorgängern deutlich<br />
überlegen ist.<br />
Baugenehmigung<br />
per Internet<br />
Eine revolutionäre Weiterung<br />
dieses Ansatzes<br />
für integrierende Systeme<br />
ist das sogenannte<br />
Corenet-Plan-Checking-<br />
System. Es geht dabei<br />
darum, Bauanträge<br />
über das Internet einzureichen<br />
und von einem<br />
Computer automatisch<br />
zu prüfen und zu genehmigen.<br />
Ein solches<br />
Projekt betreibt die Regierung<br />
von Singapore.<br />
Als ich 1995 zu diesem<br />
Projekt um Rat gefragt<br />
wurde, glaubte man,<br />
dass sich die grafischen<br />
Elemente der CAD-Datensätze<br />
so interpretieren<br />
lassen würden, dass<br />
man darauf die Prüfung<br />
der Regelkonformität<br />
aufbauen könnte. Man<br />
war ziemlich entsetzt,<br />
als ich sagte, das würde<br />
nicht gehen. Ich schlug<br />
einen anderen Weg vor.<br />
Man hat dann zwar den<br />
Prototypen nach dem<br />
alten Projektplan fertig<br />
gestellt, aber doch<br />
langsam begonnen, den<br />
neuen Weg parallel zu<br />
verfolgen, weil der alte<br />
Prototyp nicht hielt,<br />
was er sollte.<br />
Man kann sich, denke<br />
ich, vorstellen, dass<br />
wenn man eine Baueingabe<br />
als einen Datensatz<br />
bekommt, der<br />
nicht nur Geometrien<br />
7
8<br />
enthält sondern auch<br />
deren Bedeutung, eine<br />
Prüfung und Genehmigung<br />
durch den Computer<br />
möglich wird.<br />
Heute steht dieses<br />
Projekt in der Erprobungsphase.<br />
Wie aber<br />
funktioniert das in der<br />
Praxis? – Wird im Plan<br />
ein Mangel festgestellt,<br />
erscheint ein Kommentarfenster<br />
mit dem<br />
Hinweis, um welche<br />
Nichtübereinstimmung<br />
mit einem bestimmten<br />
Paragraphen der<br />
Bauordnung es sich<br />
handelt. Dies geschieht<br />
nicht erst, wenn die<br />
Baupläne zur formalen<br />
Prüfung eingereicht<br />
werden, sondern bei<br />
einer Vorprüfung. Das<br />
Internet erlaubt es, zusätzlich<br />
nachzufassen,<br />
Das Ziel war hier nicht,<br />
den Beamtenapparat<br />
zu verringern. Man ist<br />
vielmehr zu der Ansicht<br />
gekommen, dass man<br />
diese Beamten viel besser<br />
einsetzen kann als<br />
für Routineprüfungen.<br />
Der Experte soll Zeit<br />
dafür bekommen, Dinge<br />
mit den Bauwilligen<br />
zu klären. Das ist der<br />
Beweggrund der technischen<br />
Entwicklung.<br />
Kommunikationsplattform<br />
für den Bau<br />
Ein drittes Projekt ist<br />
die Kommunikationsplattform<br />
zur Abbildung<br />
und Abwicklung<br />
des gesamten Bauprozesses.<br />
Diese beruht<br />
auf einem EU-Projekt,<br />
das vor zwei Jahren<br />
abgeschlossen wurde.<br />
Es nannte sich VEGA.<br />
Dort ging es um eine<br />
<br />
<br />
<br />
wie weit die Bearbeitung<br />
gediehen ist.<br />
Es geht hier nicht um<br />
die politische Prüfung,<br />
ob der Bau an dieser<br />
Stelle etwa aus Sicht<br />
der Ortsentwicklung<br />
richtig ist. Es geht allein<br />
um die baurechtliche<br />
Seite, also die Fragen:<br />
sind Brandschutz, sind<br />
Abstandsregeln usw.<br />
eingehalten.<br />
Software, die – so das<br />
Schlagwort – „Virtual-<br />
Enterprises“ ermöglicht,<br />
also Netzwerke von virtuellen<br />
Unternehmen.<br />
Das ist genau die Situation,<br />
die wir im Bereich<br />
des Bauwesens haben.<br />
Deswegen wurde auch<br />
das Bauwesen als Modellfall<br />
genommen.<br />
Wir haben jeweils projektbezogen<br />
eine ganz<br />
unterschiedliche Zu-<br />
sammensetzung vieler<br />
mitwirkender Firmen.<br />
Ich will jetzt nicht<br />
darauf eingehen, wie<br />
das im einzelnen funktioniert.<br />
Basis ist eine<br />
Datenbank, die unter<br />
anderem projektbezogene<br />
fachliche Modelle<br />
enthält und einen<br />
Kommunikationsbus,<br />
der die einzelnen Applikationen<br />
miteinander<br />
verbindet. Das ganze<br />
nennt sich eine Middleware,<br />
in diesem Falle<br />
eine Kommunikationsplattform,<br />
auf die die<br />
unterschiedliche Bau-<br />
Software aufgesetzt<br />
werden kann. Als industrielleWeiterentwicklung<br />
der Nemetschek<br />
AG nennt sich diese<br />
Plattform O.P.E.N. für<br />
Open Produkt-Model<br />
Engineering Network.<br />
Damit ist dann auf die<br />
Computerwelt übertragen,<br />
was meine Ausführungen<br />
zu Kommunikation<br />
gemeint haben.<br />
Integrierte Anwendung<br />
im Fertigteilwerk<br />
Konkret geht es hier<br />
um Gasbetonbauteile,<br />
also großformatige<br />
Blöcke für Decken und<br />
Wände. In der gängigen<br />
Praxis muss der<br />
Entwurf eingelesen,<br />
oder im schlimmsten<br />
Fall nochmals eingeben<br />
werden. Schließlich<br />
geht das Ganze an das<br />
Fertigungsplanungssystem.<br />
Dann ist noch<br />
die Logistik integriert,<br />
diese liefert nicht nur<br />
Parameter für den Fertigungsablauf,<br />
sondern<br />
es werden im Rhythmus<br />
der Baustelle auch die<br />
einzelnen Lieferungen<br />
inkl. aller Klein- und<br />
Verbindungsteile zusammengestellt<br />
und<br />
letzten Endes die Lastwagen<br />
zur Baustelle in<br />
Gang gesetzt.<br />
Hier sind unterschiedlicheSoftware-Komponenten<br />
miteinander zu<br />
verbinden. Hier leistet<br />
O.P.E.N. diese spezielle<br />
Integration oder Kommunikation.<br />
Ziel war es,<br />
die technische Produktionsplanung<br />
bzw. Produktionssteuerung<br />
mit<br />
dem kaufmännischen<br />
System von SAP zu verbinden,<br />
das vorhandene<br />
CAD-System und die<br />
statische Berechnung<br />
mit einzubinden.<br />
Ich war lange Jahre in<br />
der ISO Vorsitzender<br />
eines Normungsgremiums,<br />
das solche Produktmodelle<br />
zur Datenintegration<br />
baut. Dort<br />
sind im wesentlichen<br />
andere Industrien, namentlich<br />
die Automobilindustrie<br />
und Flugzeugindustrie,<br />
führend.<br />
Als ich von unseren Entwicklungen<br />
einem der<br />
ehemaligen Kollegen<br />
aus der Automobilindustrie<br />
berichtet habe,<br />
meinte der: „Ihr seid ja<br />
zum Teil weiter als wir!“<br />
Das zeigt: Wenn man<br />
diese Themen anpackt,<br />
kann man auch in der<br />
Bauwirtschaft eine<br />
ganze Menge erreichen.<br />
Was wir dazu brauchen,<br />
sind die Grenzgänger.<br />
Also nicht die<br />
Spezialisten, die nur<br />
ihr Fachgebiet kennen,<br />
sondern die, die zwischen<br />
solchen Fachwelten<br />
wandern, Brücken<br />
bauen können. Der Informatiker<br />
allein kann<br />
das ebenso wenig wie<br />
der Bauingenieur oder<br />
der Architekt, wenn sie<br />
nur ihre ursprüngliche<br />
Ausbildung haben.<br />
Für den Fortschritt im<br />
Bauwesen bleibt daher<br />
als Kernfrage: Wie kommen<br />
wir zu mehr solchen<br />
Grenzgängern.
Zur Person<br />
Prof. Richard Junge: Mein Weg zu den<br />
Bau-Produkt-Modellen<br />
Das Bauen ist mir wohl<br />
schon in die Wiege<br />
gelegt worden. Meine<br />
Familie mütterlicherseits<br />
ist seit ca. 1750 als<br />
Maurermeister oder als<br />
Baumeister urkundlich.<br />
Aufgewachsen bin ich<br />
also auf dem Bauhof<br />
– oder dicht dabei- einer<br />
typisch kleinstädtischen<br />
Baufirma an der<br />
holsteinischen Ostseeküste.<br />
Meine Begeisterung<br />
zum Bauen entdeckte<br />
ich erst später. Zunächst<br />
war ich eher<br />
flugbegeistert. An<br />
meinem 14 Geburtstag<br />
hatte ich meinen A-<br />
(Flug)Schein. Das ging<br />
damals. Die Zeit in der<br />
ich nicht auf dem Flugplatz<br />
war, verbrachte<br />
ich mit Flugmodellbau,<br />
wurde sogar Landesjugendmeister.<br />
Zum Modellbau<br />
muss man ein<br />
wenig Wissen über die<br />
Gesetze der Aerodynamik<br />
haben, zuvorderst<br />
aber muss man sich<br />
technisches Zeichnen<br />
beibringen. Für die<br />
Schule bleibt da natürlich<br />
keine Zeit übrig!<br />
Aber irgendein Schutzengel<br />
hat mir doch<br />
zum Abitur verholfen.<br />
Klar, dass ich immer<br />
Flugzeugbau studieren<br />
wollte – meine konstruktive<br />
Seite. Ganz<br />
kurz vorm Abi setzten<br />
sich dann aber doch<br />
meine Gene durch. Ich<br />
studierte Architektur in<br />
München.<br />
Architekturentwurf war<br />
und ist für mich immer<br />
ein ersten Schritt zum<br />
Bauen, so bin ich im<br />
klassischen Sinne Baumeister<br />
geblieben. Zwei<br />
Dinge begeistern mich<br />
dabei immer wieder:<br />
–Jeder Strich eines<br />
Entwurfes hat eine<br />
Konsequenz in der<br />
Ausführung.<br />
–Ich bin immer ein<br />
Mitglied des Teams<br />
von Ingenieuren und<br />
Ausführenden.<br />
Und dennoch kann man<br />
„Wettbewerbsarchitekt“<br />
sein. Also einer,<br />
der seine Aufträge über<br />
Wettbewerbe holt und<br />
so seine berufliche Karriere<br />
aufbaut.<br />
Flughafen München<br />
Einer dieser Wettbewerbe<br />
war das „Betriebsgelände<br />
Nord“<br />
auf dem neuen Münchner<br />
Flughafen, einem<br />
ca. 2 Km langen Band<br />
mit all den Gebäuden,<br />
die von Energieversorgung,<br />
über Catering<br />
und Polizei<strong>direkt</strong>ion<br />
bis zu Werkstätten und<br />
Unterstellhallen für die<br />
Geräte der Flughafengesellschaft<br />
reichen.<br />
Übrigens war dies ein<br />
Auftrag als Generalplaner,<br />
d.h. alle Fachplaner,<br />
bis hin zu den Algenplanern<br />
waren meine<br />
Subplaner.<br />
Mit diesem Auftrag<br />
begann 1978 für mich<br />
das Computerzeitalter.<br />
Der Bauherr verlangte<br />
Kostenplanung mit<br />
Kostenelementen, also<br />
Bauteile die mit Qualitäten<br />
und dazugehörigen<br />
Kosten verbunden<br />
sind. Das geht nur mit<br />
Computer.<br />
1981 wurde auf dem<br />
Klagewege ein Baustop<br />
für den Flughafen<br />
erreicht. Für uns eine<br />
ganz schwierige Zeit.<br />
Die Erlösung kam mit<br />
dem Beschluss der Partner<br />
unseres Büros, ins<br />
CAD einzusteigen. Da<br />
ich bereits mit Computern<br />
zu tun hatte, wurde<br />
mir das übertragen.<br />
So wurde, nach kurzem<br />
experimentieren mit<br />
einem 2D-CAD, 1983/84<br />
die Einführung des bauteilorientierten<br />
3D-CAD<br />
„RIBCON“ durchgeführt.<br />
Meine Vision war, dass<br />
über die Bauteile, wie<br />
sie mir bereits aus der<br />
Kostenplanung und<br />
AVA bekannt waren, eine<br />
Integration der einzelnen<br />
EDV- gestützten<br />
Arbeiten im Büro möglich<br />
sein müsste. (Inzwischen<br />
ist das auch so.<br />
Nur nicht so kurzfristig<br />
wie damals gedacht).<br />
Der Einstieg in CAD war<br />
wie ein Sprung ins Wasser,<br />
ohne zu wissen, ob<br />
man schwimmen kann.<br />
Es war durchaus nicht<br />
klar, ob CAD im Architekturbüro<br />
Sinn macht.<br />
CAD erforderte enorme<br />
Investitionen. Der erste<br />
<br />
<br />
Arbeitsplatz: Rechner,<br />
Plotter, ein<br />
<br />
Industrie-<br />
Magnetbandspeicher,<br />
kostete 250 TDM.<br />
Der PC war gerade<br />
erfunden und noch in<br />
keiner Weise für CAD<br />
9
10<br />
geeignet. Glücklicherweise<br />
kamen 1983<br />
gerade die Unix- Workstations<br />
von Apollo auf<br />
den Markt. So musste<br />
man nicht schon beim<br />
ersten Arbeitsplatz entscheiden,<br />
welche Zahl<br />
von Arbeitsplätzen man<br />
im Endausbau haben<br />
werde. Man konnte<br />
mit einer Workstation<br />
beginnen und über<br />
ein Netzwerk, damals<br />
revolutionär neu, beliebig<br />
viele weitere dazu<br />
schließen.<br />
Wir gewannen aus den<br />
um München angesiedeltenHigh-Tech-Branchen<br />
viele Bauherren,<br />
die in uns ebenbürtige<br />
Partner sahen- vom<br />
gleichen Geist getriebene.<br />
Berufspolitisches<br />
Engagement<br />
Mein berufspolitisches<br />
Engagement brachte<br />
mich in diverse Arbeitsgruppen<br />
der Architektenkammer<br />
auf Landes-<br />
und Bundesebene, in das<br />
DIN und ab 1989 auch in<br />
die ISO.<br />
Dieses Engagement<br />
führte Ende 1985 zu<br />
einer an Konsequenzen<br />
reichen Nebentätigkeit,<br />
der Gründung der CAB<br />
(Computer Anwendung<br />
im Bauwesen Beratung<br />
GmbH) und des EDV-Labor<br />
Bayern.<br />
Das Bundesforschungsministerium<br />
hatte über<br />
viele Jahre die Software-<br />
Entwicklung im<br />
Bauwesen gefördert,<br />
dann aber doch festgestellt,<br />
dass die in den<br />
Anträgen beschriebenen<br />
Erfolge, vor allem<br />
in der Durchdringung<br />
des Marktes, nahezu<br />
völlig ausblieben. Das<br />
Programm wurde abgesetzt.<br />
Nur eine letzte<br />
Maßnahme wurde<br />
noch durchgeführt: ein<br />
Know-how-Transfer-<br />
Projekt namens EDV-<br />
Labor. Das Ziel bestand<br />
darin, dass diejenigen,<br />
die Computer in der<br />
Praxis einsetzten, ihr<br />
Know-how ihren Kollegen<br />
in Seminaren und<br />
Schulungen vermitteln<br />
sollten.<br />
Das gab mir Mittel an<br />
die Hand, mit denen ich<br />
die ersten eigenen Forschungen<br />
betrieb.<br />
Ab 1990 war ich Vertreter<br />
des Bundesministeriums<br />
Bau bei<br />
UN-EDIFACT (United<br />
Nations Directories for<br />
Electronic Data Interchange<br />
for Administration,<br />
Commerce and<br />
Transport). Von 1991-<br />
95 war ich Vorsitzender<br />
der AEC Gruppe in ISO-<br />
STEP (Standard for the<br />
Exchange of Product<br />
Model Data). In dieser<br />
Zeit wuchs die Gruppe<br />
von ca.12-16 Mitgliedern<br />
auf über 100 an.<br />
Dies machte 1995 die<br />
Aufspaltung in die Ar-<br />
beitsgruppen Schiffbau,<br />
Offshore- und petrochemische<br />
Anlagen<br />
und Bauwesen sinnvoll<br />
und möglich. Hier lernte<br />
ich die Technik der<br />
Produktmodellierung<br />
verstehen.<br />
Integration durch<br />
Kommunikation<br />
1990 prägte ich als Titel<br />
eines Vortrages an der<br />
University of Wisconsin<br />
das Schlagwort „Integration<br />
durch Kommunikation“.<br />
Bis dahin ging<br />
es immer um Daten,<br />
Datenaustausch und<br />
Datenintegration, wie in<br />
allen anderen Vorhaben<br />
dieser Zeit auch. Mein<br />
Schlagwort meinte, es<br />
geht nicht nur um die<br />
Daten sondern auch<br />
oder gerade um deren<br />
Bedeutung im jeweiligen<br />
Kontext.<br />
Daten erhalten ihre<br />
Bedeutung immer erst<br />
durch die Interpretation<br />
durch den Fachmann.<br />
Der Datensatz der<br />
klassischen Papierzeichnung<br />
besteht aus<br />
schwarzen Linien auf<br />
weißem Papier. Nichts<br />
anderes enthält der<br />
CAD-Datensatz. Bedeutung<br />
tut der Betrachter<br />
hinzu. Niemals kann so<br />
Integration entstehen.<br />
Integration kann erst<br />
entstehen, wenn die<br />
beteiligte Software<br />
„versteht“ was sie empfängt,<br />
und darauf sinnvoll<br />
reagieren kann.<br />
So wie in meiner<br />
Karikatur einer Planungsbesprechung<br />
die<br />
Architekten und Ingenieure<br />
kommunizieren, so<br />
sollte auch die Software<br />
kommunizieren können.<br />
Soweit die Idee. Aber, es<br />
braucht seine Zeit, ehe<br />
der radikalere Durchbruch<br />
gelingt.<br />
Der Weg dahin führte<br />
über die EU- Projekte<br />
COMBI und VEGA, sowie<br />
Entwicklungen für die<br />
Industrie.<br />
Das Produktmodellbasierte<br />
Projekt IFC des<br />
internationalen Konsortiums<br />
IAI (International<br />
Alliance for Interoprability)<br />
verwendet die von<br />
mir 1996- 97 vorgestellte<br />
Modellarchitektur,<br />
wie sie in VEGA, OPEN<br />
und NextCAAD bereits<br />
verwendet wurde. Nach<br />
langem Anlauf ist IFC<br />
auf gutem Wege sich<br />
durchzusetzen.<br />
Das Projekt zur automatischen<br />
Prüfung von<br />
Baueingabeplänen des<br />
Staates Singapore wurde<br />
von mir erfolgreich<br />
umgesetzt.<br />
Man braucht Ausdauer!
Professor Roland Vollmar, Universität Karlsruhe (TH)<br />
Konrad <strong>Zuse</strong>s technische Erfindungen<br />
Vorsitzender der Konrad-<strong>Zuse</strong>-Gesellschaft<br />
Während Konrad <strong>Zuse</strong><br />
als Pionier auf dem<br />
Gebiet vollautomatischer<br />
Rechenanlagen<br />
auch den gebildeten<br />
Nichtfachleuten heute<br />
zumindest dem Namen<br />
nach bekannt sein<br />
dürfte, ist das Wissen<br />
um den Umfang seines<br />
erfinderischen Werkes<br />
noch nicht durchgedrungen.<br />
Über die Ausführungen<br />
zu Konrad <strong>Zuse</strong>s Werk<br />
stelle ich eine Aussage<br />
von E. A.<br />
<br />
Poe:<br />
„Die Geistesgaben,<br />
die als die analytischen<br />
bezeichnet werden,<br />
sind für sich selbst der<br />
Analyse wenig zugänglich.<br />
Wir betrachten sie<br />
lediglich ihren Wirkungen<br />
nach.“<br />
Da mir diese Auffassung<br />
erst recht für<br />
die Erfindungsgabe<br />
angemessen erscheint,<br />
beschränke ich mich<br />
im folgenden auf die<br />
Darstellung der wichtigsten<br />
technischen Erfindungen<br />
von Konrad<br />
<strong>Zuse</strong> und ihre Rezeptions-<br />
und Wirkungsgeschichte.<br />
Mein Thema erlaubt<br />
es mir nicht, auf die<br />
Person Konrad <strong>Zuse</strong>s<br />
einzugehen, den ich als<br />
zunächst eher spröden<br />
und reservierten, bald<br />
aber überaus warmherzigen,<br />
humorvollen<br />
und gelegentlich sanft<br />
ironischen Menschen<br />
kennen lernen und verehren<br />
durfte. Ihm wäre<br />
es sicherlich unangenehm<br />
gewesen, wenn<br />
im weiteren im wesentlichen<br />
nur sein Name<br />
genannt wird, hat er<br />
doch immer daraufhingewiesen,<br />
wie vielen<br />
Menschen er für ihre<br />
Unterstützung Dank<br />
schuldete, wobei insbesondere<br />
seine Eltern<br />
und seine Schwester<br />
und seine Frau Gisela<br />
<strong>Zuse</strong>, geb. Brandes, im<br />
Mittelpunkt standen,<br />
aber auch zahlreiche<br />
Freunde und Mitarbeiter.<br />
Viele von ihnen hat<br />
er in seiner Autobiographie<br />
<br />
) gewürdigt, <br />
deren Lektüre allen, die<br />
ihn und sein Werk näher<br />
kennen lernen wollen,<br />
ans Herz gelegt sei.<br />
Ebenso nachdrücklich<br />
sei auf die von seinem<br />
ältesten Sohn Horst<br />
zusammengestellte<br />
Multimedia-CD <br />
) hingewiesen,<br />
auf der wertvolle und<br />
weiterreichende Informationen<br />
über das<br />
Leben und das Werk<br />
Konrad <strong>Zuse</strong>s sowie<br />
Videosequenzen und<br />
zahlreiche Abbildungen<br />
seiner Karikaturen und<br />
Bilder zu finden sind.<br />
<br />
Auch eine noch so kurze<br />
Betrachtung über<br />
Computer und ihre<br />
Entwicklung sollte nicht<br />
ohne die Nennung<br />
von Charles Babbage<br />
(1791-1871) erfolgen<br />
– und dies nicht zuletzt<br />
deshalb, weil Konrad<br />
<strong>Zuse</strong> ihn als seinen<br />
kongenialen Vorläufer<br />
anerkannte, wenn er<br />
auch zu Beginn seiner<br />
Beschäftigung mit<br />
Rechnern nichts von<br />
ihm wusste.<br />
In den dreißiger Jahren<br />
des 19. Jahrhunderts,<br />
noch während der<br />
Bemühungen um den<br />
Bau eines Prototyps<br />
seiner Difference Engine<br />
begann Babbage<br />
die Konzeption seiner<br />
Analytical Machine,<br />
in der sich bereits alle<br />
Ingredienzien einer<br />
vollautomatischen<br />
Rechenanlage fanden.<br />
Herstellungsprobleme<br />
und vor allem Geldmangel,<br />
teilweise durch<br />
das nicht immer diplomatische<br />
Vorgehen von<br />
Babbage verursacht,<br />
verhinderten zu seinen<br />
Lebzeiten eine Realisierung<br />
der Analytical<br />
Machine, während er<br />
eine auf seinen Ideen<br />
beruhende von dem<br />
schwedischen Drucker<br />
George Scheutz und<br />
dessen Sohn Edward<br />
gebaute Differenzmaschine<br />
1855 in Funktion<br />
sehen konnte.<br />
Im letzten Abschnitt<br />
seiner Biographie von<br />
Charles Babbage drückt<br />
seine<br />
Bewunderung für ihn<br />
<br />
Hyman<br />
mit folgenden Worten<br />
aus:<br />
...war Babbage, abgesehen<br />
von der Unterstützung<br />
durch seine<br />
Gehilfen und gelegentlicher<br />
Hilfe von Seiten<br />
seiner Söhne, in seiner<br />
Arbeit auf sich gestellt<br />
und dem zeitgenössischen<br />
Bewusstsein<br />
weit voraus. Er musste<br />
nicht nur die Entwürfe<br />
ausarbeiten, sondern<br />
auch die Konzepte für<br />
die Ausführung, ja,<br />
sogar das Instrumentarium<br />
zur Fertigung<br />
der Teile entwickeln. Er<br />
musste die Mathematik<br />
entwickeln, seine technische<br />
Schreibweise in<br />
ihren verschiedenen<br />
Stadien, die Anfänge<br />
des Mikroprogrammierens<br />
und Kodierens,<br />
– sogar erst einmal<br />
überhaupt auf die Idee<br />
kommen. Charles Babbage<br />
steht in einsamer<br />
Größe da: als Urvater<br />
des Computers.“<br />
Diese Situationsbeschreibung<br />
trifft leicht<br />
modifiziert auch auf<br />
Konrad <strong>Zuse</strong> zu, wie im<br />
folgenden skizziert sei.<br />
Während Babbage am<br />
Beginn der Industriellen<br />
Revolution nahezu<br />
selbstverständlich in<br />
der Tradition der mechanischen<br />
Rechner<br />
bleibt, wie sie von<br />
Schickard, Pascal und<br />
Leibniz entwickelt<br />
wurden und auf handwerkliches<br />
Können<br />
angewiesen war, gilt<br />
dies erstaunlicherweise<br />
auch für Konrad <strong>Zuse</strong>s<br />
erste Maschine, die<br />
Z1. Der entscheidende<br />
Unterschied zu Bab-<br />
11
12<br />
bages Konzeption liegt<br />
in der Verwendung des<br />
Dualsystems. Heute<br />
mag dies geradezu<br />
trivial erscheinen, aber<br />
damals arbeiteten<br />
zumindest alle kommerziell<br />
verfügbaren<br />
mechanischen und<br />
elektromechanischen<br />
Rechner im Dezimalsystem.<br />
Mit dieser Entscheidung<br />
war Konrad<br />
<strong>Zuse</strong> nicht mehr auf<br />
Zahnräder, Staffelwalzen<br />
oder Sprossenräder<br />
angewiesen, deren<br />
Fertigung – zumindest<br />
in genügender Zahl und<br />
mit hinreichender Präzision<br />
– nicht im Wohn-<br />
zimmer seiner Eltern<br />
möglich gewesen<br />
<br />
wäre,<br />
im Unterschied zu den<br />
gelochten Blechen, mit<br />
denen er (weitgehend)<br />
auskam.<br />
<br />
Ab 1934 machte er sich<br />
Gedanken über die Mechanisierung<br />
des Rechnens.<br />
Ausgangspunkt<br />
waren Formulare, in<br />
die Zahlen einzutragen<br />
waren und Grundrechenarten<br />
darauf<br />
anzuwenden waren<br />
). Zunächst<br />
wollte er diesen<br />
Prozess automatisieren,<br />
ging dann aber neue<br />
Wege, indem er ähnlich<br />
wie etwa zur gleichen<br />
Zeit Turing feststellte,<br />
dass die zweidimensionale<br />
Anordnung in<br />
eine lineare übertragen<br />
werden kann. Mit mechanischen<br />
Rechnern<br />
hatte er sich wohl nicht<br />
eingehender beschäftigt,<br />
sondern wurde<br />
von Dr. Pannke, dem<br />
Inhaber einer Rechenmaschinenfabrik<br />
darauf<br />
hingewiesen, dass es<br />
auf diesem Gebiet ohnehin<br />
nichts mehr zu<br />
erfinden gebe. Unter<br />
Mithilfe seines Vaters<br />
und von Freunden wurden<br />
Metallplättchen<br />
zurechtgeschnitten, aus<br />
denen er 1936 einen<br />
mechanischen Speicher<br />
vollendete, der eine<br />
Kapazität von 64 Wörtern<br />
hatte. In Abbildung<br />
2 ist ein Baustein zur<br />
Speicherung eines Bits<br />
dargestellt. Besondere<br />
Beachtung verdient die<br />
Tatsache, dass die Bleche,<br />
die untereinander<br />
durch Stifte und Hebeln<br />
verbunden sind, nur in<br />
zwei zueinander senkrechten<br />
Richtungen<br />
bewegt werden.<br />
Mich beeindruckt diese<br />
erfinderische Leistung<br />
in höchstem Maße,<br />
insbesondere wenn<br />
man sich bewusst<br />
macht, dass Binärdarstellungen<br />
keineswegs<br />
üblich waren. Sie war<br />
wohl nur möglich, weil<br />
Konrad <strong>Zuse</strong> ein hervorragendes<br />
räumliches<br />
Vorstellungsvermögen<br />
hatte und durch seine<br />
frühe Beschäftigung<br />
mit mechanischen<br />
Baukästen und sein<br />
Studium entsprechend<br />
geschult war. Nach<br />
den gleichen Prinzipien<br />
wurden auch eine<br />
arithmetische Einheit<br />
und eine Steuereinheit<br />
gebaut; ihre (logische)<br />
Trennung vom Speicher<br />
war dabei nicht selbstverständlich<br />
(aber auch<br />
schon von Babbage<br />
geplant). Bei der ersteren<br />
kamen die Vorteile<br />
eines binären Systems<br />
bei der Realisierung der<br />
Multiplikation zum Tragen:<br />
Der bei (elektro-)<br />
mechanischen Rechnern<br />
häufig verwandte<br />
Einmaleins-Körper hat<br />
im Dualsystem eine<br />
sehr einfache Struktur.<br />
Die Maschine arbeitete<br />
mit Gleitkommazahlen.<br />
Eine Besonderheit war<br />
des weiteren der von<br />
Konrad <strong>Zuse</strong> realisierte<br />
einschrittige Übertrag.<br />
1938 funktionierte<br />
Konrad <strong>Zuse</strong>s erste<br />
Maschine, die Z1, – allerdings<br />
mehr schlecht<br />
als recht: Während die<br />
Informationsübertra-<br />
gung auf elektrischem<br />
Wege nahezu trivial realisierbar<br />
ist, sieht dies<br />
bei Verwendung mechanischer<br />
Teile anders<br />
aus; es müssen Stangen<br />
bewegt werden, und<br />
Änderungen der Bewegungsrichtung<br />
und Synchronisationsnotwendigkeiten<br />
führen leicht<br />
zu Verklemmungen.<br />
Die Z1 erfüllte aber insofern<br />
ihren Zweck, als<br />
sich an ihr zeigte, dass<br />
das Konzept richtig<br />
war. Als Ingenieur war<br />
Konrad <strong>Zuse</strong> jedoch<br />
an einem zuverlässig<br />
arbeitenden Gerät interessiert;<br />
folgerichtig<br />
entwickelte er eine weitere<br />
Maschine, die Z2,<br />
in der das Rechenwerk<br />
aus Relais aufgebaut<br />
war, die aber weiterhin<br />
einen mechanischen<br />
Speicher besaß. Bei dieser<br />
“Umsetzung” zeigte<br />
sich die Weitsicht und<br />
die Professionalität, mit<br />
der Konrad <strong>Zuse</strong> auch<br />
das Erfinden in Angriff<br />
nahm: Er hatte bereits<br />
während der Überlegungen<br />
zur Z1 eine sog.<br />
“abstrakte Schaltgliedtechnik”<br />
entwickelt<br />
– im wesentlichen Teile<br />
der Aussagenlogik<br />
–, so dass die in dieser<br />
Art dargestellten Basisschaltungen<br />
leicht<br />
sowohl mechanisch als<br />
auch elektromagnetisch<br />
realisierbar waren.<br />
Wichtig für die weitere<br />
Arbeit von Konrad <strong>Zuse</strong><br />
war die Z2 auch dahingehend,<br />
dass er sie<br />
Prof. Teichmann von der<br />
Deutschen Versuchsanstalt<br />
für Luftfahrt 1940<br />
erfolgreich vorführen<br />
konnte und danach von<br />
dieser Institution die
Nachfolgemaschine Z3<br />
teilfinanziert erhielt.<br />
Die Z3 nimmt eine<br />
besondere Stellung als<br />
„erste vollautomatische,programmgesteuerte<br />
und frei programmierbare,<br />
in binärer<br />
Gleitpunktrechnung<br />
arbeitende Rechenanlage“<br />
im Werk von<br />
Konrad <strong>Zuse</strong> ein. Um<br />
nicht den Eindruck aufkommen<br />
zu lassen, dies<br />
sei eine rein deutsche<br />
Einschätzung noch ein<br />
Zitat aus einem Standardbuch<br />
zur Computergeschichte<br />
<br />
: „The Z1 and<br />
Z2 count as working<br />
versions of an automatic<br />
controlled calculating<br />
machine, but the<br />
Z3 was the first machine<br />
in the world that<br />
<br />
<br />
could be said to be a<br />
fully working calculator<br />
with automatic control<br />
of its operations. There<br />
was, of course, no internally<br />
stored program<br />
and no way to easily<br />
implement conditional<br />
branch instructions, but<br />
both of these were se-<br />
veral years away from<br />
being developed anywhere<br />
in the world.“<br />
Es sei noch angemerkt,<br />
dass R. Rojas <br />
<br />
nachwies, dass<br />
man mit ihr trotz des<br />
Fehlens einer bedingten<br />
Sprunganweisung sehr<br />
<br />
wohl entsprechende<br />
<br />
Programmkonstruktionen<br />
hätte realisieren<br />
können.<br />
Von noch größerer<br />
Wichtigkeit für Konrad<br />
<strong>Zuse</strong> selbst war die<br />
nächste fertiggestell-<br />
te Maschine, die Z4,<br />
die er in den letzten<br />
Kriegswochen aus Berlin<br />
ins Allgäu bringen<br />
konnte und die später<br />
(in leicht modifizierter<br />
Form) an die ETH Zürich<br />
vermietet wurde.<br />
Trotz der inzwischen<br />
umfangreichen Erfahrungen<br />
mit<br />
Relaistechnik<br />
besaß die Z4<br />
wieder einen<br />
mechanischen<br />
Speicher, weil<br />
dieser sich<br />
als zuverlässig<br />
erwiesen<br />
hatte und<br />
Konrad <strong>Zuse</strong><br />
einen entsprechenden<br />
Relaisspeicher<br />
hinsichtlich<br />
Größe und<br />
Gewicht als<br />
inadäquat betrachtete.<br />
Die aus der<br />
Vermietung<br />
resultierenden<br />
Einnahmen<br />
erlaubten 1949 die<br />
Gründung der ZUSE<br />
KG. Hier soll nicht<br />
näher auf deren Entwicklung<br />
eingegangen<br />
werden, sondern es<br />
sollen lediglich zwei<br />
Geräte erwähnt werden,<br />
die Z22 und der<br />
Graphomat Z64.<br />
Mitte der fünfziger<br />
Jahre hatte sich in der<br />
Computerindustrie<br />
auch in Deutschland<br />
die Elektronik durchgesetzt,<br />
so dass auch<br />
die ZUSE KG von<br />
Relaiscomputern zu<br />
Elektronenrechnern,<br />
zunächst zu Röhrenrechnern,<br />
wechseln<br />
musste. Die von T.<br />
Fromme konzipierte Z22<br />
hatte eine sehr einfache<br />
Grundstruktur, dem sog.<br />
“Minima”-Prinzip folgend,<br />
wie von W.L. van<br />
der Poel in den Niederlanden<br />
verwandt. Durch<br />
F.R. Güntsch wurde es<br />
im Hinblick auf Adressenumrechnungenetwas<br />
modifiziert. Ihre hohe<br />
Flexibilität verdankte<br />
sie dem analytischen<br />
Befehlscode, der über<br />
10000 Befehlsarten ermöglichte.<br />
Der Speicher<br />
bestand aus 15 bzw. 31<br />
Kernspeicherzellen und<br />
8 K Wörtern à 38 Bits<br />
auf einer Magnettrommel<br />
mit einer mittleren<br />
Zugriffszeit von 5 msec.<br />
Um einen Vergleich mit<br />
heutigen Rechnern zu<br />
ermöglichen, seien Ausführungszeiten<br />
(in msec)<br />
einiger arithmetischer<br />
Befehle genannt: Addition<br />
und Subtraktion<br />
50-70, Multiplikation<br />
50, Division 80, Quadratwurzelziehen<br />
220.<br />
Diese relativ langen<br />
Zeiten sind auch durch<br />
die sequentielle Arbeitsweise<br />
der Z22 bedingt.<br />
Ein Achtel der Trommel<br />
war mit arithmetischen<br />
Grundprogrammen und<br />
Schreib-/Lese-Programmen<br />
belegt. Der “leeren”<br />
Maschine wurden über<br />
Tasten des Bedienpultes<br />
ein “Urprogramm” eingegeben,<br />
das das (sehr<br />
kleine) Betriebssystem<br />
über einen Lochstreifenleser<br />
einlas. Die Resultate<br />
wurden über einen<br />
Fernschreiber mit angeschlossenemLochstreifenstanzer<br />
ausgegeben.<br />
Das “Minima”-Prinzip<br />
war durch die Situation<br />
Europas nach dem Zweiten<br />
Weltkrieg geprägt: Es<br />
13
14<br />
herrschte ein allgemeiner<br />
Mangel, die Industrie<br />
befand sich in einer<br />
Wiederaufbauphase<br />
und für Deutschland<br />
galten noch zusätzliche,<br />
von den Alliierten<br />
auferlegte Beschränkungen.<br />
Auch dank der Unterstützung<br />
der DeutschenForschungsgemeinschaft<br />
konnten<br />
in Deutschland 50<br />
Maschinen dieses Typs<br />
ausgeliefert werden<br />
(fünf weitere gingen ins<br />
Ausland), wodurch die<br />
Z22 für die ZUSE KG ein<br />
wirtschaftlicher Erfolg<br />
war.<br />
Katasterämter waren<br />
für Aufgaben der Flurbereinigung<br />
nicht nur<br />
an Rechnern sondern<br />
auch an automatischen<br />
Zeichenmaschinen<br />
interessiert, ein Grund<br />
für Konrad <strong>Zuse</strong> sich intensiver<br />
mit einer Konstruktion<br />
zu befassen<br />
– übrigens die letzte in<br />
der Rechenmaschinenlinie.<br />
Sein wesentlicher<br />
Beitrag hierzu ist im<br />
Entwurf eines Planetengetriebes<br />
bzw. eines<br />
“Binärstufengetriebes”,<br />
wie er es selbst nennt,<br />
zu sehen. Mit ihm<br />
waren 15 Geschwindigkeitsstufen<br />
des Zeichenkopfes<br />
erreichbar.<br />
Gesteuert wurde das<br />
transistorisierte Gerät<br />
über Lochstreifen oder<br />
-karten oder in <strong>direkt</strong>er<br />
Verbindung mit Rechnern.<br />
Ab 1961 wurden<br />
Graphomaten in zweierlei<br />
Größen recht erfolgreich<br />
verkauft.<br />
Damit sind nur die herausragendenErfindungen<br />
und Entwicklungen<br />
Konrad <strong>Zuse</strong>s skizziert.<br />
Er befasste sich in den<br />
Kriegsjahren auch mit<br />
Geräten, die heute als<br />
Spezialprozeßrechner<br />
bezeichnet würden<br />
und mit Analog-Digital-<br />
Wandlern.<br />
Auch das Pipeline-Prinzip<br />
hat er bereits etwa<br />
1950 vorweggenommen.<br />
<strong>Zuse</strong>: „Wir entwickelten<br />
eine Konstruktion<br />
mit einer Serie von<br />
hintereinander geschalteten<br />
Addierwerken,<br />
durch die die einer<br />
Lochkarte zugeordneten<br />
Operationen hintereinander<br />
weg hindurch<br />
liefen. Dabei wurde die<br />
Serie der Rechenwerke<br />
simultan durch die Operationen<br />
für mehrere<br />
Lochkarten belegt. Dieses<br />
Verfahren entsprach<br />
genau dem heutigen<br />
Pipelining.“<br />
Bemerkenswert an Konrad<br />
<strong>Zuse</strong>s Leben als Erfinder<br />
ist das Schließen<br />
eines Kreises: Der von<br />
ihm gegen Ende seines<br />
Lebens konzipierte<br />
sog. “Helixturm” ist als<br />
Modell aus Blechen<br />
zusammengesetzt, von<br />
denen man sich ihrer<br />
Ähnlichkeit mit den<br />
Schalt- und Speicherelementen<br />
der Z1 wegen<br />
vorstellen kann, dass<br />
er auch sie ausgesägt<br />
hätte. Bei einer Realisierung<br />
sollen allerdings<br />
in einem integrierten<br />
Reservoir wesentlich<br />
größere, gleichartige<br />
Stahlelemente verfügbar<br />
sein, die dort<br />
(durch Motorenkraft)<br />
herausgenommen bzw.<br />
wieder eingefügt werden.<br />
Dadurch wird es<br />
möglich die Höhe des<br />
Turmes zu variieren, z.B.<br />
in Abhängigkeit von<br />
der Windlast. Ebenso<br />
wie die frühen mechanischen<br />
Geräte ist<br />
auch das Modell dieses<br />
Turmes ästhetisch überaus<br />
ansprechend, so<br />
dass es sich hinter den<br />
anderen künstlerischen<br />
Werken von Konrad <strong>Zuse</strong><br />
nicht zu verstecken<br />
brauchte.<br />
Dieser Artikel erschien in leicht veränderter<br />
Form zuerst in dem von der Ernst-Freiberger-<br />
Stiftung herausgegebenen Buch<br />
W. Mons, H. <strong>Zuse</strong>, R. Vollmar “Konrad <strong>Zuse</strong>”,<br />
Berlin, 2005.<br />
Dort finden sich auch eine ausführliche<br />
Darstellung der theoretischen Arbeiten<br />
Konrad <strong>Zuse</strong>s sowie genaue Quellenangaben<br />
und weiterführende Literatur.
Die Träger der Konrad-<strong>Zuse</strong>-Medaille des <strong>ZDB</strong><br />
1981<br />
1983<br />
1985<br />
1987<br />
1989<br />
1991<br />
1993<br />
1995<br />
1997<br />
2000<br />
2002<br />
2005<br />
Konrad <strong>Zuse</strong><br />
Fridolin Hallauer<br />
Heinz Nixdorf<br />
Volker Hahn<br />
Hermann Fleßner<br />
Johannes Jänike<br />
Leonhard Obermeyer<br />
Kurt W. Pauli<br />
Georg Nemetschek<br />
Ernst Riffel<br />
Klaus Schiller<br />
Richard Junge<br />
15
Sportarena?<br />
Brücke?<br />
Messegelände?<br />
Geniale Ideen werden meist erst mal verworfen. Wenn sie wirklich genial sind, lassen sie uns aber nicht mehr los.<br />
So lange, bis wir sie verwirklichen: www.go-evolution.com<br />
freelance marketing