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Brief von Prof. Dr. Edda Müller, Vorstand des ... - vzbv

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<strong>Brief</strong> <strong>von</strong> <strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Edda</strong> <strong>Müller</strong>, <strong>Vorstand</strong> <strong>des</strong> Verbraucherzentrale<br />

Bun<strong>des</strong>verban<strong>des</strong> e.V.(<strong>vzbv</strong>)<br />

an den Bun<strong>des</strong>minister für Wirtschaft und Arbeit, Wolfgang<br />

Clement<br />

Sehr geehrter Herr Bun<strong>des</strong>minister,<br />

ich wende mich an Sie mit Blick auf die anstehenden Änderungen der<br />

europäischen Richtlinien zur Liberalisierung <strong>des</strong> Strom- und Gasmarktes.<br />

9. Dezember 2002<br />

Ich bitte Sie, zu berücksichtigen, dass die Liberalisierung der Energiemärkte die<br />

Verbraucherinteressen erheblich berührt. Die Erfahrungen auf dem deutschen<br />

Strommarkt haben gezeigt, dass die Liberalisierung der Märkte allein nicht<br />

ausreicht, Wettbewerb langfristig sicherzustellen. Nach über 4 Jahren der<br />

Liberalisierung kann aus Verbrauchersicht nur ein Fazit gezogen werden: Der <strong>von</strong><br />

Deutschland verfolgte Sonderweg, einen Wettbewerb über<br />

Verbändevereinbarungen auf den Energiemärkten zu etablieren und hierbei auf das<br />

Konzept <strong>des</strong> verhandelten Netzzugangs zu vertrauen, ist gescheitert.<br />

Das in Deutschland eingeführte Regelungsmodell <strong>des</strong> verhandelten Netzzugangs<br />

hat zur Folge, dass die großen Stromversorgungsunternehmen die Kontrolle über<br />

die Stromnetze behielten. Den Versorgungsunternehmen kommt als Netzbetreiber<br />

eine erhebliche wirtschaftliche Schlüsselstellung zu. Durch überhöhte<br />

Netznutzungsentgelte werden die Strompreise der Mitbewerber wesentlich<br />

beeinflusst. Nach den uns vorliegenden Zahlen machen die Netznutzungsentgelte<br />

bis zu 70% <strong>des</strong> <strong>von</strong> den privaten Haushalten zu zahlenden Strompreises aus.<br />

Gleichzeitig verwenden die Versorgungsunternehmen die Einnahmen aus den<br />

überhöhten Netznutzungsentgelten zur Quersubventionierung ihres eigenen<br />

Stroms.<br />

Der Wettbewerb auf dem Strommarkt kommt gegenwärtig zum Nachteil<br />

insbesondere der privaten Haushaltskunden zum Erliegen. Inzwischen sind viele<br />

neue Stromanbieter in Konkurs gegangen oder haben sich aus wirtschaftlichen<br />

Erwägungen vom Markt zurückgezogen. Die Energiepreise der Haushaltskunden<br />

steigen wieder – die Gewinne der Versorgungsunternehmen ebenso. Auf dem<br />

Gasmarkt hat sich erst gar kein Wettbewerb entwickelt. Über 43 Prozent der<br />

Haushaltskunden heizen mit Erdgas, haben aber trotz der Liberalisierung <strong>des</strong><br />

Gasmarktes keine Möglichkeit, ihren Gasanbieter zu wechseln.


Wir begrüßen die Verstärkung <strong>von</strong> Wettbewerb auf den Energiemärkten, der<br />

letztlich zu mehr Preiswettbewerb zugunsten der Verbraucher führen muss. Um<br />

dieses Ziel zu erreichen, bedarf es jedoch einer echten Entflechtung der<br />

Energieanbieter <strong>von</strong> den Netzbetreibern. Die volle Unabhängigkeit der<br />

Netzbetreiber muss das Ziel sein, da hierdurch ein diskriminierungsfreier<br />

Netzzugang für alle Anbieter sichergestellt wird.<br />

Falls die volle Unabhängigkeit der Netzbetreiber nicht zu erreichen ist, ist eine<br />

strenge ex ante Regulierung durch eine unabhängige Regulierungsbehörde<br />

dringend notwendig. Die Regulierungsbehörde muss den Preis und die Konditionen<br />

für den Netzzugang überprüfen, bevor der Netzbetreiber auf dem Markt tätig wird.<br />

Dieses System entspricht dem in Deutschland bereits bekannten<br />

Regulierungssystem auf dem Telekommunikationsmarkt. Die Regulierungsbehörde<br />

muss die Möglichkeit haben sicherzustellen, dass die Vorzüge eines steigenden<br />

Wettbewerbs allen Verbrauchern zugute kommen. Insbesondere die vorgeschaltete<br />

Kostenprüfung durch die Regulierungsbehörde mit anschließender Genehmigung<br />

der Tarife sichert einerseits die Berücksichtigung der tatsächlichen wirtschaftlichen<br />

Parameter bei der Festlegung der Netznutungsentgelte. Andererseits wird ein<br />

diskriminierungsfreier Netzzugang aller Anbieter durch die unabhängige und<br />

allgemeingültige Ermittlung der Netznutzungsentgelte gewährt. Die positiven<br />

Erfahrungen u. a. in Norwegen und Österreich aber auch in Großbritannien belegen<br />

die effiziente und erfolgreiche Arbeit <strong>von</strong> Regulierungsbehörden im Energiebereich.<br />

Die Vorprüfung ist auch erforderlich, denn eine ex post Regulierung stellt den<br />

diskriminierungsfreien Netzzugang nicht in gleicher Weise sicher. Wird die<br />

Regulierungsbehörde nur ermächtigt auf Missstände zu reagieren, wären<br />

diskriminierende Handlungen grundsätzlich zu befürchten, die ggf. erst nach einem<br />

langwierigen Verfahren beseitigt werden können. Diese Diskriminierung kann<br />

bereits Auswirkungen auf den Wettbewerb haben, wenn sie zu einem Verlust <strong>von</strong><br />

Wettbewerbern führen, sei es durch Konkurs oder sei es durch Rückzug vom<br />

Markt.<br />

Schließlich haben Verbraucher auch ein Recht auf Information über das Produkt<br />

und die Leistung, die sie bezahlen. Die Energiepreise müssen einfach, transparent<br />

und vergleichbar sein. Eine verbindliche Stromkennzeichnung ist erforderlich,<br />

die den Verbraucher über den eingekauften Strommix und die Umweltindikatoren<br />

aufklärt. Die Verbraucher müssen den Anteil der einzelnen Primärenergieträger, die<br />

damit verbundenen Umweltbelastungen, wie den CO2-Ausstoß sowie Stromimporte<br />

aus nicht EU-Ländern erkennen können. Nur wenn der Verbraucher hierüber<br />

aufgeklärt ist, kann er eine sachgerechte Marktentscheidung im freien<br />

Leistungswettbewerb treffen und dabei Nachhaltigkeitsgesichtspunkte seines<br />

Konsums berücksichtigen.<br />

Wir bitten Sie, diese Positionen im weiteren Verfahren zu beachten.<br />

Mit freundlichen Grüßen<br />

<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Edda</strong> <strong>Müller</strong>

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