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Steinkohlentag 2007<br />

604<br />

Glückauf 143 (2007) Nr. 12<br />

Rede des Präsidenten des<br />

Gesamtverbands Steinkohle<br />

Dr. Werner Müller, Vorsitzender des Vorstands der Evonik Industries AG und der RAG Aktiengesellschaft<br />

sowie Vorsitzender des Vorstands des Gesamtverbands Steinkohle (<strong>GVSt</strong>), Essen<br />

Es hat, sehr verehrte Frau Bundeskanzlerin,<br />

schon einige Grußworte gegeben und in<br />

keinem der Grußworte blieb unerwähnt,<br />

dass es sich heute um einen ganz besonderen<br />

Steinkohlentag handelt und auch das wäre mein<br />

erstes Stichwort.<br />

Für mich ist es auch deswegen ein besonderer<br />

Steinkohlentag – der Große findet alle zwei Jahre<br />

statt –, weil nach vielen Teilnahmen vormaliger<br />

Bundeskanzler erstmals eine Bundeskanzlerin zu<br />

uns sprechen wird. Deswegen darf ich Sie sehr,<br />

sehr herzlich begrüßen und bin glücklich und<br />

dankbar, dass Sie trotz einer – wie man ja auch im<br />

Fernsehen verfolgen kann – außerordentlichen Inanspruchnahme,<br />

zeitlich und durch Reisetätigkeit,<br />

in kurzer Zeit zum zweiten Mal in unserer Heimat<br />

sind. Herzlich willkommen!<br />

Es ist dieser Steinkohlentag ein besonderer, da<br />

wir erstmals auch die Stilllegung des deutschen<br />

Steinkohlenbergbaus bis zum Jahr 2018 grundsätzlich<br />

einzuplanen haben und auch einplanen<br />

werden. Über eine Revision soll im Jahr 2012 der<br />

Bundestag befinden. Aber wie gesagt – auch der<br />

Ausstieg aus der deutschen Steinkohle bis zum<br />

Jahr 2018 wird nun eingeplant und die Planung<br />

hat seit einiger Zeit begonnen. Ich will dann ganz<br />

persönlich noch hinzufügen, dass es auch für mich<br />

ein besonderer Steinkohlentag ist, denn es ist mein


letzter. Im Zuge der Trennung der schwarzen von<br />

der weißen Seite der RAG Aktiengesellschaft (RAG),<br />

Essen, lege ich zum Ende des parlamentarischen<br />

Verfahrens – wir haben ja gehört, der Bundesrat<br />

beschäftigt sich am 30. November mit dem Steinkohlefinanzierungsgesetz<br />

– dann das Amt des<br />

Vorsitzenden des Gesamtverbands nieder.<br />

Politisch abgesicherte Zukunft<br />

Dass wir heute feststellen können, dass die weiße,<br />

wie die schwarze Seite der RAG einer politisch<br />

abgesicherten planbaren Zukunft entgegensehen,<br />

ohne Existenzsorgen für unsere Mitarbeiter, das<br />

verdanken wir dem konstruktiven Miteinander<br />

vieler Kräfte. Wie man so sagt, dieser Erfolg hat<br />

viele Väter. Ich habe mir gestern einen Satz aufgeschrieben.<br />

Als ich den heute gelesen habe, habe<br />

ich nicht gewusst, ob ich den überhaupt noch mal<br />

sagen darf. Ich wollte eigentlich sagen: Der Erfolg<br />

hat aber nur eine Mutter. Also, lassen wir mal<br />

diesen etwas unsauberen Satz halbwegs ungesagt,<br />

aber eines kann ich aus wirklicher Überzeugung<br />

und Beobachtung sagen. Ohne die Fern- und<br />

ohne die Nahsteuerung der Frau Bundeskanzlerin<br />

gäbe es das erreichte Resultat heute nicht, und es<br />

ist mir ein großes Anliegen, Ihnen, sehr geehrte<br />

Frau Dr. Merkel, namens des Bergbaus herzlich zu<br />

danken. Dass ich Ihnen auch ganz persönlich Dank<br />

schulde, will ich hinzufügen.<br />

Drei Punkte waren insbesondere politisch etwas<br />

heftiger diskutiert worden, die für unsere Mitarbeiter<br />

von großer Wichtigkeit sind. Nämlich erstens<br />

das Thema nach der Trennung von Schwarz und<br />

Weiß soll die weiße Seite zerschlagen werden. Da<br />

waren viele in Berlin und Düsseldorf unterwegs. Im<br />

Saarland nicht so, weil Herr Ministerpräsident Müller<br />

von Anfang an ja seine Meinung immer klar gesagt<br />

hat. Und was für mich besonders interessant zu beobachten<br />

ist, all jene Institutionen, Beraterfirmen,<br />

teils auch Bankhäuser, die vehement auch in Ihrem<br />

Amt, Frau Dr. Merkel, ein- und ausgingen und die<br />

Zerschlagung wegen des Mehrwerts propagierten,<br />

bewerben sich heute bei uns, weil sie jetzt Makler<br />

sein wollen für die Vermarktung des Ganzen. Und<br />

das macht einem irgendwo Spaß zu beobachten.<br />

Also, wichtig ist jedenfalls, dass die weiße Seite in<br />

der Gänze erhalten bleibt. Und es ist das große<br />

Ziel und auch mein persönlicher Ehrgeiz, dass wir<br />

bei der Vermarktung der Evonik als Ganzes mehr<br />

und auch weit mehr erlösen, als den gutachterlich<br />

festgestellten Börsenwert von 5,1 Mrd. EUR.<br />

Ich finde, wir sind das auch all den Politikern<br />

schuldig, die sich für den Erhalt des Ganzen<br />

eingesetzt haben und von Anfang an unserer<br />

Überzeugung gefolgt sind, dass das Ganze mehr<br />

wert ist als der eine oder andere vermutet hat.<br />

Da will ich ausdrücklich den Bundesfinanzminister<br />

nennen. Ich bin ganz zuversichtlich – der Vermarktungsprozess<br />

durch die Stiftung beginnt in diesen<br />

Wochen – dass wir, wenn wir dann im ersten Halbjahr<br />

nächsten Jahrs an den Kapitalmarkt gehen,<br />

alle positiv überrascht sein werden. Insbesondere<br />

natürlich die Stiftung, denn die braucht Geld, damit<br />

der theoretische Haftungsfall Theorie bleibt.<br />

Zweitens war politisch etwas intensiver diskutiert<br />

worden: Wann soll das Auslaufdatum<br />

Müller: Rede des Präsidenten des Gesamtverbands Steinkohle<br />

des Bergbaus sein? Dahinter steht die Frage:<br />

Mit oder ohne betriebsbedingte Kündigungen?<br />

Erörtert wurden die Jahre 2012, 2014, 2016,<br />

2018. Und wir können nur dankbar feststellen,<br />

dass sich zum Schluss die kohlepolitische Linie<br />

der letzten Jahrzehnte wieder durchgesetzt hat,<br />

nämlich die Kohlepolitik wird sozialverträglich in<br />

die Zukunft geführt. Bei dieser kohlepolitischen<br />

Linie – die übrigens in einer großen Koalition im<br />

Jahr 1967/1968 festgelegt wurde, als seinerzeit<br />

die damalige Ruhrkohle gegründet wurde und<br />

insofern ist interessant, dass wieder eine große<br />

Koalition die weitere Zukunft entschieden hat – bei<br />

dieser kohlepolitischen Linie verdanken wir sehr<br />

viel auch den kohlepolitischen Entscheidungen<br />

des Bundeskanzlers Helmut Kohl. Ich erwähne<br />

dies deswegen, weil im Jahr 1995 die Regelung<br />

des Kohlepfennigs höchst richterlich untersagt<br />

wurde und deshalb die Kohlepolitik neuerlich zu<br />

formulieren war. Wir wollten bei dem großen Steinkohlentag<br />

vor zwei Jahren – denn da endete die<br />

kohlepolitische Planung Kohls zwischen den Jahren<br />

1997 und 2005 – dem früheren Bundeskanzler hier<br />

persönlich unseren Dank abstatten. Das war dann,<br />

ich glaube, aus gesundheitlichen Gründen, nicht<br />

möglich. Stattdessen kam dann Herr Pofalla. Ich<br />

darf noch mal daran erinnern: Es ist erst zwei Jahre<br />

her, dass wir den letzten Steinkohlentag in einer<br />

politischen Übergangszeit hatten. Als Herr Schröder<br />

meinte, es sollten Neuwahlen sein, hat er sich<br />

mit dem Steinkohlenbergbau nicht abgesprochen<br />

und infolgedessen fiel der letzte Steinkohlentag<br />

genau in die letzten Amtswochen des alten und,<br />

wie soll ich mal sagen, der schon feststehenden<br />

Wahl der neuen Bundeskanzlerin. Und ich erwähne<br />

das deswegen, weil es bemerkenswert war, dass<br />

Herr Pofalla hier sprach als Generalsekretär der<br />

CDU Deutschlands, aber auch schon damals klar<br />

gesagt hat: Einen ewigen Bergbau, darüber muss<br />

die Politik entscheiden. Aber die CDU wird dafür<br />

einstehen, dass die Zukunft sozialverträglich ist.<br />

Das war in dieser Übergangszeit eine wichtige<br />

Aussage und noch einmal ein herzliches Danke,<br />

dass es so gekommen ist und dass wir also die<br />

Förderbeihilfen bis zum Jahr 2018 erhalten. Was<br />

für den Bundesfinanzminister noch die Bereitschaft<br />

erforderte, die Landeshilfen ab dem Jahr 2015 zu<br />

übernehmen.<br />

aktuelles hoch<br />

bei den kohlenpreisen<br />

So, und das Dritte, was erörtert wurde, war das<br />

Thema Revisionsklausel. Sprich, es wird grundsätzlich<br />

das Ende bis zum Jahr 2018 eingeplant,<br />

aber ob es energiepolitisch vernünftig ist, wird der<br />

Deutsche Bundestag im Jahr 2012 erneut erörtern.<br />

Bei dieser Erörterung steht nur die Energiepolitik im<br />

Vordergrund – denn die sozialverträgliche Zukunft<br />

ist ja geregelt. Keiner weiß heute, wie es ausgeht –<br />

außer Ihnen, Herr Ministerpräsident Müller.<br />

Aber, es kann durchaus sein, dass der Bundestag<br />

hier eine hoch interessante Entscheidungsmaterie<br />

vorgelegt bekommt, weil viele, die nicht täglich<br />

das Klein-Notierte im Wirtschaftsteil lesen, werden<br />

überrascht sein, dass sie für unter 120 US-$/t<br />

heute Kraftwerkskohle nicht kaufen können und<br />

Glückauf 143 (2007) Nr. 12<br />

Steinkohlentag 2007<br />

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Steinkohlentag 2007<br />

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Müller: Rede des Präsidenten des Gesamtverbands Steinkohle<br />

Glückauf 143 (2007) Nr. 12<br />

die Transportkosten derzeit bis zu 50 US-$/t erreichen.<br />

Das gilt für heute. Das ist ein Hoch. Das kann<br />

runter gehen, das kann sich verstärken. Kokskohle<br />

und Koks auf dem Weltmarkt kosten heute mehr<br />

als es kosten würde, wenn wir auf grüner Wiese<br />

neu starten.<br />

Das sind also die Rahmendaten. In der Tat,<br />

keiner kennt die Zukunft, so wie niemand vorhergesagt<br />

hätte, dass wir Ölpreise – vielleicht<br />

nur vorübergehend – von annähernd 100 US-$/t<br />

haben. Wichtig ist, dass wir die Revisionsklausel<br />

haben. Wichtig ist, dass der Bundestag einzig<br />

und allein es energiepolitisch zu bewerten hat.<br />

Alle anderen Rahmendaten sind geklärt. Alles<br />

in allem: Keine Zerschlagung der weißen Seite.<br />

Der Auslaufprozess ist sozialverträglich und die<br />

energiepolitische Sinnhaftigkeit wird im Jahr 2012<br />

noch einmal überprüft. Das alles ist zu einem<br />

überparteilichen Konsens gekommen. Es ist ein<br />

Stück wirklich gelungener Reformpolitik unter<br />

Ihrer Kanzlerschaft.<br />

Ich will aber auch sehr herzlich Ihnen, lieber<br />

Herr Schmoldt, danken. Uns verbindet ja nun schon<br />

viele Jahre energiepolitisch, glaube ich, eine sehr<br />

gemeinsame Denke – nicht nur in Sachen Kohle.<br />

Und so bin ich mit Ihnen etwas in Sorge, ob wir das<br />

40-%-Reduktionsziel beim Kohlendioxid erreichen<br />

können, wenn wir jenen Vertrag exekutieren, den<br />

ich seinerzeit mit unterschrieben habe. Wir haben<br />

die Kernenergiezukunft ein Stück weit formalisiert,<br />

gekoppelt an ein CO 2 -Minderungsziel von 25 %.<br />

Ich denke, es ist wohl notwendig, sich auch über<br />

ehrgeizigere Ziele Gedanken und Vorgaben zu machen,<br />

weil sich einiges in der Erkenntnis geändert<br />

hat. Und diesen Erkenntnissen muss man folgen.<br />

Aber neue Erkenntnisse müssen eben allseits gewürdigt<br />

werden. Und ich erinnere daran, dass wir<br />

lange Jahre in der Republik einen überparteilichen<br />

Konsens zur Kohle- und Kernenergie hatten. Das<br />

bezog sich ein Stück weit auf die deutsche Kohle,<br />

aber solch einen Konsens müssen wir wieder beleben.<br />

Denn ich bin der festen Überzeugung, dass<br />

wir das CO 2 -Reduktionsziel von –40 % bei Erhalt<br />

der Industriekraft unseres Landes, gekoppelt mit<br />

dem Kernenergieausstieg, zusammen nicht werden<br />

schaffen können.<br />

Ich freue mich, lieber Herr Großmann, dass Sie<br />

kurz aus dem Nachbarhaus herüber gekommen<br />

sind. Es ist eigentlich RWE-Vorstandssitzung, aber<br />

ich habe ihm gesagt, heute wäre der Vorstand aller<br />

Vorstände da. Da hat er gesagt: Ich komme. Und<br />

wenn Sie schon hier sitzen, will ich sagen: Ich finde<br />

Ihren Anlauf, den Sie da genommen haben, gut<br />

und ein Stück weit mutig. Denn wir haben einen<br />

überparteilichen Energiekonsens immer wieder<br />

probiert. Ich habe ja für Schröder schon drei Mal<br />

Energiekonsensrunden gemacht, ich glaube in<br />

den Jahren 1992, 1994, 1996. Ich habe damals<br />

eine hoch interessante Bundesumweltministerin<br />

in diesem Zusammenhang kennen gelernt. Es ist<br />

uns zum Schluss so richtig nie gelungen. Aber es<br />

ist notwendig und Sie sind in der Branche neu.<br />

Und vielleicht haben Sie eine Chance, weil in der<br />

Branche ja in kurzer Frist von vier Unternehmen<br />

drei neue Vorstandsvorsitzende da sind. Sie sind<br />

nicht in dem ewigen Denken verhaftet. Das gilt<br />

eigentlich für alle drei. Also, ich wünsche Ihnen<br />

bei Ihrer Initiative, dass Sie auf fruchtbaren Boden<br />

fällt. Und ich will ausdrücklich sagen, es muss ja<br />

nicht nur die Branche mitmachen, sondern beispielsweise<br />

auch die Politik muss Ihren Vorschlag<br />

positiv aufgreifen. Und mit Politik meine ich nun<br />

beispielsweise gewiss nicht die Bundeskanzlerin,<br />

sondern ich meine, all die müssen das energiepolitische<br />

Gespräch, das Sie initiieren, konstruktiv<br />

mitgehen, die die Zukunft von Kohle und Kernenergie<br />

in diesem Land eher ablehnen.<br />

Alles in allem darf ich noch einmal, bevor ich<br />

Herrn Schmoldt als nächsten Redner ankündige, ein<br />

herzliches Danke sagen, nicht nur aktuell, sondern<br />

auch für die gut vier Jahre, die ich in diesem Verband<br />

mitarbeiten durfte und darf mich dann aus<br />

den Aufgaben für den Bergbau hier verabschieden.<br />

Ich bleibe den Bergleuten nach 25 Jahren Mitarbeit<br />

wirklich immer herzlich verbunden und sage in<br />

diesem Sinn Ihnen allen ein herzliches Glückauf!

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