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Geschäftsbericht 2011 - Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien

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Gastkommentar<br />

6<br />

und Was JetZt?<br />

Dr. Hugo Portisch über den Euro und die Schuldenkrise.<br />

„Scheitert der Euro, so scheitert<br />

Europa“ – auf diese Kurzformel hat die<br />

deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel<br />

die Schuldenkrise gebracht, mit der Europa<br />

nun schon seit Monaten konfrontiert ist. Aber<br />

wieso konnte es so weit kommen? Was ist da<br />

geschehen, dass wir praktisch über Nacht,<br />

von Portugal bis Griechenland, vor einem<br />

finanziellen Abgrund stehen? Es hat doch alles<br />

so gut funktioniert in Europa? So gut,<br />

dass es fast an ein Wunder grenzte, und<br />

auch als solches bezeichnet wurde.<br />

1945 – halb Europa liegt in Trümmern, in<br />

Deutschland sind ganze Städte ausgelöscht,<br />

Millionen Menschen sind auf der Flucht.<br />

Nicht viel anders auch in Österreich. Keine<br />

Stadt bleibt vom Bombenhagel verschont,<br />

viele Industrieanlagen sind zerstört. Wie<br />

wird das alles wieder gut werden, wie kann<br />

Europa, kann Österreich wieder aufgebaut<br />

werden?<br />

Aber schon zwei Jahre später kommt Hilfe<br />

von den Siegern, auch für die Besiegten: das<br />

größte wirtschaftliche Hilfsprogramm aller<br />

Zeiten läuft an, der Marshallplan. Und bald<br />

darauf, völlig unerwartet, reicht Frankreich<br />

Deutschland die Hand: Nein, diesmal wird<br />

es keine Revanche geben, keine Bestrafung<br />

wie nach dem ersten Weltkrieg, auch keinen<br />

knebelnden Friedensvertrag. Stattdessen<br />

jetzt ein Angebot: Lasst uns den Frieden<br />

sichern, indem wir alle unsere Kohlengruben<br />

und Stahlwerke unter gemeinsame Verwaltung<br />

und Kontrolle stellen. Welch eine Idee!<br />

Ohne Kohle (damals fast die einzige Energiequelle)<br />

und ohne Stahl kann keiner mehr<br />

Krieg führen.<br />

Und diese geniale Idee wird erweitert: Nicht<br />

nur Kohle und Stahl, die gesamte Wirtschaft<br />

ist zu verzahnen, in einen einzigen gemeinsamen<br />

Markt zu bringen, die Grenzen müssen<br />

fallen! Ab 1957 wird das umgesetzt: die EWG<br />

wurde gegründet. Und sie wird zu einer großen<br />

Erfolgsgeschichte: eine Friedenszone, in<br />

der Freiheit, Demokratie, Menschenrechte,<br />

sozialer Ausgleich garantiert waren, ja, und<br />

es bald auch Wohlstand gab. Nicht zuletzt<br />

Wer hilft, der hilft sich selbst,<br />

das war immer schon das<br />

Geheimnis der krisenüberwindungen<br />

im großen<br />

europäischen experiment.<br />

war es dieser Erfolg, mit dem das Sowjetimperium nicht annähernd Schritt<br />

halten konnte und der die Menschen im Osten die Diktatur nicht mehr ertragen<br />

ließ. Das führte zur größten Wende in der jüngeren europäischen Geschichte:<br />

zum Zusammenbruch des Sowjetimperiums. Der stellte Europa nun vor große<br />

Entscheidungen: Was tun mit den frei gewordenen Völkern und Staaten –<br />

vom Baltikum bis zum Mittelmeer? Ihnen den Weg nach Europa verweigern?<br />

Unmöglich! Also hatte sich die europäische Gemeinschaft zu öffnen. Europa<br />

ist durch die Aufnahme der frei gewordenen Völker insgesamt auch stärker<br />

und wohlhabender geworden – auch wenn heute manche Bank durch ihre<br />

Ost-Investitionen in Schwierigkeiten gekommen ist.<br />

Aber da gab es noch ein größeres Problem: Deutschland, die Bundesrepublik<br />

und die DDR. Ihre Wiedervereinigung hing von der Zustimmung der<br />

ursprünglichen vier Siegesstaaten ab: der Sowjetunion, der USA, Englands<br />

und Frankreichs. In London und Paris gab es Bedenken – ein vereinigtes<br />

großes Deutschland, würde es nicht bald Europa dominieren? Seine Nachbarn<br />

wirtschaftlich erdrücken?<br />

Just in diesem Augenblick hatten die Deutschen selbst, Bundeskanzler Kohl<br />

und Außenminister Genscher, einen weiteren großen Integrationsschritt für<br />

Deutschland und Europa vorbereitet und heftig dafür geworben: Vertiefen wir<br />

die Europäische Gemeinschaft durch eine Wirtschafts- und Währungsunion,<br />

die auch gleichzeitig zur immer schon vorgesehenen politischen Union<br />

führen würden. Am Höhepunkt dieser deutschen Offensive zur totalen In-

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