02.10.2013 Aufrufe

Download-Dateigröße: 210 KB - Filmmuseum Potsdam

Download-Dateigröße: 210 KB - Filmmuseum Potsdam

Download-Dateigröße: 210 KB - Filmmuseum Potsdam

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Ralf Forster / Matthias Struch: Koordinierte Bewahrung audiovisueller Überlieferung von<br />

Museen und Archiven – Das Projekt „Amateurfilm im Land Brandenburg“<br />

Vortrag auf dem 14. Brandenburgischen Archivtag, Burg Beeskow, 5. und 6. 5. 2011<br />

Am 4. November vergangenen Jahres startete das <strong>Filmmuseum</strong> <strong>Potsdam</strong> in Kooperation mit<br />

dem Museumsverband das Projekt „Amateurfilm im Land Brandenburg“. Motto der<br />

damaligen Veranstaltung „Regionale Bilder entdecken“. Mittlerweile sind wir einige Schritte<br />

vorangekommen, Filme wurden lokalisiert, Daten gesammelt, erste Sichtungen durchgeführt,<br />

Verträge mit potentiellen Schenkern und Leihgebern vorbereitet, einige abgeschlossen. Eine<br />

kleine Ausstellung gewinnt Konturen. Zukünftige Qualifizierungen des Projektes deuten sich<br />

an. Wir möchten uns bedanken für die Einladung zum Archivtag und die Gelegenheit nutzen,<br />

in das Projekt einzuführen. Damit verbunden ist die Einladung zurück an Sie, an die Archive<br />

und Museen des Landes, sich aktiv am Projekt zu beteiligen.<br />

Ausgangslage<br />

Am Anfang standen drei wesentliche Befunde, die die Erforschung des Amateurfilms hier im<br />

Land sinnvoll erscheinen ließen:<br />

1. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern (Schleswig Holstein, NRW, Sachsen) existierte<br />

in Brandenburg keine zentrale, öffentlich finanzierte Stelle, die Filme mit regionalen Bezügen<br />

– darunter Amateurfilme von Studios und Personen aus Brandenburg – erforscht und<br />

bewahrt. Diese kritische Zustandsanalyse nahm das <strong>Filmmuseum</strong> nicht aus, denn auch wir<br />

hatten gemäß unserer Sammlungskonzeption lange Zeit schwerpunktmäßig Materialien zu<br />

professionellen Filmproduktionen aus den Babelsberger bzw. den DEFA-Studios akquiriert.<br />

Es galt die Regel: die Filme ins Bundesarchiv, das Material zu den Filmen ins <strong>Filmmuseum</strong><br />

<strong>Potsdam</strong>. Obwohl das damalige „<strong>Filmmuseum</strong> der DDR“ ein eigenes Amateurfilmstudio<br />

beherbergte, wurde die drum herum liegende Amateurfilm-Szene nicht aktiv besammelt,<br />

auch nicht nach 1990; immerhin: einige Bestände gelangten in unser Haus, wohl eher<br />

zufällig.<br />

Doch warum sollte das <strong>Filmmuseum</strong> nicht etwas Versäumtes bzw. an den Rand Gedrängtes<br />

nachholen, sich dabei der Hilfe des Museumsverbandes versichern und städtische und<br />

kommunale Archive und Museen des Landes mit ins Boot holen? Zumal unsere<br />

Filmsammlung seit Mitte 2010 in neu eingerichteten, klimatisch günstigen Räumen<br />

untergebracht ist.<br />

2. Untersuchungen zum DDR-Filmerbe fokussieren nach wie vor primär die DEFA und das<br />

DFF/Fernsehen der DDR. Daraus erwächst ein festes Reservoir an bewegten Bildern, das<br />

das audiovisuelle Gedächtnis einer vergangenen und abgeschlossenen Epoche nachhaltig<br />

prägt. Mit dem Ziel, diesen Bildervorrat zu erweitern, Wissenschaft und Publizistik also<br />

alternative Sichten auf ein „untergegangenes Land“ zu bieten, haben mein Kollege Volker<br />

Petzold und ich seit 2004 im Auftrag der DEFA-Stiftung große Bereiche des sog. „peripheren<br />

Filmschaffens“ der DDR in Datenbanken dokumentiert – den Amateurfilm (mit aktuell 4.100<br />

erfassten Filmen von 930 Studios und Einzelakteuren) und das Schaffen der professionellen<br />

privaten Filmproduzenten (rund 2.300 Filme von 48 Studios). Ein dritter Bereich – die sog.<br />

„Globallizenzträger“ (Studios in Kombinaten, Hochschulen und Ministerien) – wird demnächst<br />

1


in Angriff genommen. Letztendlich sollen die Datensammlungen in eine DDR-<br />

Gesamtfilmografie münden.<br />

Auf die genannten Erhebungen kann auch das <strong>Filmmuseum</strong> <strong>Potsdam</strong> zurückgreifen.<br />

Insbesondere beim Amateurfilm gingen wir davon aus, dass die erfassten Filme nur die sog.<br />

„Spitze des Eisbergs“ eines über 10.000 Titel umfassenden Korpus sind. Wir hofften auf<br />

regionale Initiativen, die entweder neue Filme und Studios ausfindig machen oder in der<br />

Datenbank verzeichnete Titel physisch nachweisen und ihre Inhalte durch Sichtungen<br />

dokumentieren würden. Mit dem Projekt „Amateurfilm im Land Brandenburg“ erfüllte sich<br />

dieser Wunsch.<br />

3. Andere wichtige Vorleistungen erleichterten den Start unseres Vorhabens. Da sind<br />

einerseits die 2009 begonnenen Abfragen des Museumsverbandes nach historischen<br />

Filmbeständen in kleineren Museen und Archiven im Land lobend zu erwähnen, die wir<br />

nutzen, um Einrichtungen, die Amateurfilme ihr Eigen nennen, in einem Netzwerk<br />

zusammenzubringen. Sehr unterschiedlich sind diese Bestände dokumentiert und gesichert<br />

– zum Teil recht gut, wie etwa im Stadtarchiv Frankfurt / Oder.<br />

Zum anderen existieren sowohl Erfahrungen in der landesweiten Dokumen-tation von Filmen<br />

(unterschiedlicher Bestandsträger) als auch diverse medien- bzw. kulturwissenschaftliche<br />

Reflexionen zum Thema.<br />

Aus der ersten Gruppe sei auf das Buch mit CD-ROM-Datenbank „Bewegte Bilder. Film- und<br />

Videobestände in Sachsen“ (aus dem Jahre 2000) hingewiesen.<br />

Innerhalb der zweiten Rubrik steht zwar eine zusammenhängende und genaue Darstellung<br />

des Amateurfilmschaffens der DDR noch aus – dafür finden sich bemerkenswerte<br />

Einzeluntersuchungen, auch zu Akteuren im Land Brandenburg: über die Veritas-<br />

Amateurfilme Wittenberge etwa schrieb Wilhelm von Kampen 2001 in den Mitteilungen des<br />

Vereins für Geschichte der Prignitz; und über das Amateurfilmcentrum Frankfurt verfasste<br />

Juliane Strauss 2007 eine ansprechende Diplomarbeit, die sie als Fallstudie der „staatlichen<br />

Einflussnahme auf das organisierte Amateurfilmschaffen der DDR“ verstanden wissen wollte.<br />

Forschungen zum Amateurfilm vor 1945 – und hier zuerst die Publikationen von Martina<br />

Roepke und Alexandra Schneider – lassen sich in ihrer methodolo-gischen Sicht auf den<br />

Gegenstand ebenso auf die DDR-Amateurfilmszene anwenden. Das betrifft zum Beispiel die<br />

These, die spezifische Kultur des Filmemachens, des Club-Lebens sowie des Umgangs mit<br />

den Filmen (bei Aufführungen oder TV-Ausstrahlungen) bei der Analyse eines Studios<br />

mindestens genauso schwer zu gewichten, wie die Inhalte der produzierten Filme.<br />

Mit momentan ermittelten 930 Studios und Einzelfilmern war der Amateurfilm in der DDR<br />

eine wichtige Facette der zumeist kollektiven Freizeitbetätigung; in Brandenburg existierten –<br />

vorsichtig geschätzt – rund 120 Akteure bzw. Gruppen.<br />

Eine hierarchische Wettbewerbs-, Kontroll- und Anleitungsstruktur sowie die finanzielle und<br />

organisatorische Anbindung an Betriebe und staatliche Institutionen ließen Amateurfilme oft<br />

mit Partei- und Staatsdoktrin konform gehen; Nischen und Ausbruchsversuche gab es<br />

dennoch – die Kritik zwischen den Zeilen im Naturfilm, die Radikalität des subversiven<br />

Künstlerfilms und das Erinnern an humanistische Werte in Schmalfilmen kirchlicher<br />

Einrichtungen.<br />

2


Der Amateurfilm hatte in der DDR wohl eine größere Bedeutung als in anderen Ländern, er<br />

wurde bisweilen gar als Wirtschaftsfaktor gehandelt. Seine spezifische Ausprägung und<br />

seine angenommene künstlerische Qualität beförderte unsere Entscheidung, DDR-<br />

Amateurfilme, die mit künstlerischer Intention in Studios auch und besonders für die<br />

Öffentlichkeit entstanden, für das Projekt als maßgeblich anzusehen. Außen vor bleiben<br />

sollen zunächst Amateurfilme vor 1945 und nach 1990, ferner die sog. „Privatfilme“, d.h.<br />

solche, die in erster Linie private, familiäre Ereignisse festhalten und vor der Familie, im<br />

privaten Kreis gezeigt wurden.<br />

Projektkoordinaten<br />

Einmal sahen wir es als dringendes Ziel an, bereits in den Archiven und Museen des Landes<br />

physisch vorhandene Amateurfilme in einem Netzwerk bzw. Datenpool zusammenzuführen.<br />

Eigentumsfragen am Material bleiben dabei unberührt, die Urheberrechte sowieso. Kleinere<br />

Einrichtungen ohne konservatorisch vertretbare Filmlager und ohne geeignete Sichtungsmöglichkeiten<br />

können Amateurfilme in unserem Archiv einlagern; dabei wird eine Übergabe<br />

an das <strong>Filmmuseum</strong> angestrebt, sie ist aber nicht Bedingung.<br />

Zweitens sollen die Anstrengungen intensiviert werden, von Privatpersonen über die Zeit<br />

gerettetes oder von Nachfolgegruppen der DDR-Amateurfilmstudios bewahrtes Material in<br />

die Obhut des <strong>Filmmuseum</strong>s zu überführen. Juristische Optionen sind dabei die Schenkung<br />

oder die Dauerleihgabe.<br />

Das Projekt läuft im <strong>Filmmuseum</strong> <strong>Potsdam</strong> neben den traditionellen Aufgabenfeldern ab.<br />

Sämtliche Arbeiten müssen nicht nur vom Stammpersonal zusätzlich zu den üblichen<br />

Tätigkeiten geleistet werden; auch Finanzmittel können nur eingeschränkt fließen. Dies<br />

zwingt zu Kompromissen und erfordert zusätzliches berufliches Engagement.<br />

Deshalb ist die Digitalisierung sämtlicher ermittelter bzw. übernommener Bestände im<br />

Rahmen des Projektes nicht möglich. Sie erscheint vor einer inhaltlichen Erschließung und<br />

technischen Begutachtung der Filme allerdings auch nicht unbedingt notwendig und sinnvoll.<br />

Kernaufgabe ist so neben der Material-Akquise die Sichtung und inhaltlich-technische<br />

Dokumentation der physisch vorhandenen Filme. Titel mit besonderem kulturellem Wert und<br />

solche, die stark vom Verfall bedroht sind, werden gemäß einer Prioritätenliste bei der<br />

folgenden digitalen Sicherung bevorzugt. Die ermittelten Angaben fließen in die vorhandene<br />

Datenbank ein. Die Sichtungsarbeiten unterstützt der Museumsverband mit Honorargeldern.<br />

Natürlich widmet sich das Projekt in erster Linie den überlieferten Filmen, doch gehören zum<br />

Gegenstand ebenso schriftliche Zeugnisse über (derzeit vorhandene oder noch nicht<br />

physisch nachgewiesene) Filme, Fotos und Drucksachen aus dem Studioleben,<br />

Erinnerungen der Filmemacher, speziell umgerüstete Technik oder Presseresonanzen. Denn<br />

die Filme tragen nicht selten konkrete regionale oder persönlich-biografische Verweise in<br />

sich, die sich in Gänze nur durch Hinzuziehung von Sekundärdokumenten erschließen.<br />

Materialseite<br />

Zunächst einmal zu den technischen Besonderheiten von Amateurfilmen. Sie liegen in der<br />

Regel in den Filmformaten Normal 8 mm, Super 8 mm und 16 mm vor – für die 1950er Jahre<br />

3


auch 9,5mm. Bei Filmen, an denen gesellschaftspolitisches Interesse bestand oder bei<br />

Amateurfilmstudios, die in engerer Verbindung zu Betrieben mit entsprechenden<br />

Möglichkeiten standen, wurden die Filme mitunter zwar auf 16mm gedreht aber auf 35mm<br />

kopiert oder „aufgeblasen“, wie der Vorgang in der Fachsprache heißt. Für diese Filme kam<br />

dann sogar ein lokaler Kinoeinsatz in Frage.<br />

Die Formatfrage steht in direktem Zusammenhang mit der Qualität des überlieferten<br />

Materials und der Möglichkeit ihrer Sichtung und damit ihrer inhaltlichen Erschließung und<br />

weiteren Verwendung.<br />

Liegt beispielsweise ein Amateurfilm aus den 1960er Jahren vor, gedreht auf 8mm-<br />

Umkehrmaterial, nicht umkopiert, d.h. also sie haben das Original als Unikat in den Händen,<br />

versehen mit zahlreichen Nassklebestellen, deren Klebekraft mittlerweile gegen Null tendiert,<br />

zusätzlich noch stark geschrumpft, muss ein enormer technischer und zeitlicher Aufwand für<br />

die Erschließung betrieben werden. Etwas besser wird es bei einem 16mm-Film, dessen<br />

Ausgangsmaterial vielleicht das geschnittene Umkehroriginal oder sogar ein Filmnegativ ist,<br />

der nun als Kopie vorliegt. Hier sind die Anforderungen an Aufbereitung und<br />

Sichtungstechnik etwas geringer. Ein 35mm-Film bietet die beste Möglichkeit im Umgang mit<br />

der Bildinformation.<br />

Nicht selten hat die Bildqualität durch Materialeigenschaften und häufige Projektion im Laufe<br />

der Zeit stark abgenommen. Der Filmstreifen ist bedeckt von Laufspuren oder zahlreichen<br />

kleinen Fehlstellen, sodass sich der Eindruck des Verregneten ergibt. Oft sind die Kontraste<br />

und Farben abgeflaut.<br />

Weitere Schwierigkeiten ergeben sich mit den Tonspuren, so diese vorhanden sind. Viele in<br />

den DDR-Amateurfilmstudios entstandene Werke haben entweder eine auf dem Filmstreifen<br />

aufgebrachte Magnettonspur, die heute nicht selten in Ablösung begriffen ist, oder es gibt<br />

separate Tonbänder, Magnetfilme bzw. Mischtonbänder mit zum Teil exotischen<br />

Abspielgeschwindigkeiten. Oft sind die Tonbänder im Zerfall begriffen oder bereits<br />

unwiederbringlich verloren.<br />

Materialeigenschaften, Zustand und Umgang bedingen für einen adäquaten Umgang mit<br />

dem Material also umfangreiche technische Voraussetzungen, d.h. sie müssen alte und<br />

neue Technik vorhalten und über das entsprechende Know How verfügen. Besitzen Sie die<br />

notwendigen technischen Vorrausetzungen für eine Aufbereitung und Sichtung der<br />

Materialien, kommen Sie bei der Arbeit nicht selten auf ein Zeitverhältnis von 1:5 bis 1:7, d.h.<br />

für eine Minute Sichtung müssen Sie 5 bis 7 Minuten Aufwand einrechnen.<br />

Bestände<br />

Wie bereits angesprochen, bildeten einige bereits im Besitz des <strong>Filmmuseum</strong>s <strong>Potsdam</strong><br />

befindliche Einzelbestände an Amateurfilmen den Ausgangspunkt für das Projekt. Als erstes<br />

wären hier die Amateurfilme von Richard Groschopp zu nennen, der in den 1930er Jahren<br />

als Amateurfilmer begann, später Kameramann von Kultur- und Industriefilmen und in der<br />

DDR zu einem bekannten Spielfilmregisseur wurde. Zudem gilt er als Nestor/Mentor des<br />

DDR-Amateurfilmschaffens. Zu den Beständen gehören weiterhin Produktionen des in den<br />

1980er Jahren <strong>Filmmuseum</strong> der DDR bestehenden Amateurfilmstudios, dass Filme wie<br />

„Lebendiges Erbe Sanssouci“ im Auftrag der „Staatlichen Schlösser und Gärten <strong>Potsdam</strong>-<br />

4


Sanssouci“ (DDR), einen dokumentarischen Imagefilm über das Museum selbst oder die<br />

herausragende Kriminalkömodie „Der alte Schinken“ über den Diebstahl eines Porträts, dass<br />

Friedrich den Großen zeigt – realisierte. Im Jahr 2000 wurde uns mit 14 Produktionen aus<br />

dem Filmstudio „Haus der Lehrer <strong>Potsdam</strong>“ ein weiterer Amateurfilmbestand übergeben. Das<br />

Filmstudio bestand von 1962 bis 1989. Zu dem Konvolut gehören Dokumentarfilme über<br />

<strong>Potsdam</strong>, Dokumentar- und Kurzspielfilme über das Dasein als Amateurfilmschaffende und<br />

Vertreter aus dem sehr beliebten Genre der Satire. Daneben kam es immer wieder zur<br />

Übernahme von Einzeltiteln, etwa vom Betriebsfilmstudio EKO Stahl Eisenhüttenstadt. Im<br />

Zuge des Aufbaus eines Archivs mit den Filmen von Andreas Dresen, kamen auch einige<br />

frühe Werke des heute international bekannten deutschen Regisseurs, der bereits als Kind<br />

erste Filme gedreht hat und dessen Amateurfilme später national und international<br />

ausgezeichnet wurden, in die Sammlung.<br />

Seinen letzten Amateurfilm „Schritte des Anderen“ realisierte Dresen mit Hilfe des<br />

Amateurfilmstudios im Bezirkskabinett für Kulturarbeit <strong>Potsdam</strong>. Zahlreiche Filme dieses<br />

Studios wurden uns in Vorbereitung des Projektstarts im November letzten Jahres und als<br />

Ergebnis dessen übergeben. Ein erster Erfolg.<br />

Wichtiger Bestandteil des Projektes ist nicht nur die Übernahme von Amateurfilmen und<br />

Kontextmaterialien in den eigenen Bestand. Vielmehr geht es auch um die fachliche<br />

Betreuung von Fremdbeständen, dort wo adäquate Aufbewahrung, Sichtung und digitale<br />

Sicherung vor Ort aus finanziellen, technischen oder personellen Gründen nicht möglich<br />

sind. Hier stellt das <strong>Filmmuseum</strong> <strong>Potsdam</strong> in Zusammenarbeit mit dem Museumsverband<br />

Brandenburg entsprechende Ressourcen zur Verfügung. So erfolgte im Februar 2011 die<br />

Übergabe von 42 Filmen aus der Produktion des Kreispionierfilmstudios Eisenhüttenstadt –<br />

durch das dortige Dokumentationszentrum Alltagskultur. Diese Filme wurden aufbereitet und<br />

gesichtet. Dazu gehört ein genaues Sichtungsprotokoll, das die materialtechnischen<br />

Angaben und eine Auflistung und Beschreibung des Inhalts enthält. Diese Angaben fließne<br />

später in die zentrale Amateurfilm-Datenbank DDR ein, die Inhaltsbeschreibung wird die<br />

Grundlage für die Verschlagwortung bilden, was die Recherche und den Zugriff auf das<br />

Material erleichtern wird.<br />

Der konzentrierte Blick auf die Materialien - in Verbindung mit ersten Schritten von<br />

Quelleninterpretation - ermöglicht erste Erkenntnisse, an denen eine fundierte<br />

kulturhistorische und -wissenschaftliche Forschung ansetzen und zu tragfähigen<br />

Ergebnissen führen kann. So geben beispielsweise die Materialien aus dem Pionierfilmstudio<br />

Eisenhüttenstadt, unter denen sich zahlreiche Filme über Pionierferienlager und<br />

Pioniertreffen befinden, über Generationen hinaus, Auskunft über Formen der Militarisierung<br />

der DDR-Gesellschaft, die bereits im Kindergarten einsetzte. Andere Filme zeigen - quasi als<br />

Nebeninformation - verschiedene städtebauliche Phasen in Eisenhüttenstadt und<br />

Frankfurt/Oder und können heute als architekturgeschichtliche Dokumente gesehen werden.<br />

Man bekommt Einblicke in den Umgang mit sorbischem Brauchtum oder in die DDR-<br />

Demonstrationskultur ebenso wie in die gesellschaftspolitische Einbindung der Bürger in die<br />

Stadt- oder Wohnbezirksstrukturen.<br />

Interessant beispielsweise auch die Belege für die „Kosmonauteneuphorie“ in den 1960 und<br />

1970er Jahren: Da das Pionierfilmstudio an die Station Junger Techniker und Naturforscher<br />

angegliedert war, wird bei jedem Straßenfest oder anderen gesellschaftlichen Ereignissen,<br />

das stationseigene Zentrifugenkarussell herausgeholt und aufgestellt, das scheinbar über<br />

5


viele Jahre von den Kindern genutzt und so auch zum Sujet zahlreicher Filme wurde.<br />

Besuche von Sigmund Jähn hielten die jungen Filmer ausführlich fest ebenso wie Besuche<br />

der Pioniere im „Kosmonautentrainingszentrum“ in der „Pionierrepublik Ernst Thälmann“ in<br />

der Berliner Wuhlheide.<br />

Im Rahmen des Amateurfilmprojektes wurden bisher aber nicht nur Materialien und<br />

Informationen zusammengetragen und bewertet. So hat Ralf Forster im Wintersemester<br />

2010/11 an der FH <strong>Potsdam</strong> (Europäische Medienwissenschaften) ein Seminar zum<br />

Amateurfilm in der DDR angeboten, im Zuge dessen Seminartexte zur Geschichte einzelner<br />

Amateurfilmstudios und Biografien von Filmemachern entstanden sind. Forschung, Lehre<br />

und museale Sammlungstätigkeit gingen hier Hand in Hand.<br />

Filmvorführung:<br />

1. „milchig trübe“ (1983-85)<br />

2 „Trikotwechsel“ (1984)<br />

3. Image- bzw. Werbefilm „5 Jahre Mgf“ (1988)<br />

Kurzer Ausblick<br />

Am 6. Oktober 2011 werden wir im <strong>Filmmuseum</strong> <strong>Potsdam</strong> die Foyer-Ausstellung „Zeitzeugen<br />

mit der Schmalfilmkamera. Amateurfilmer im Land Brandenburg“ eröffnen. Sie ist bis März<br />

2012 zu sehen. Etwa 10 Protagonisten des brandenburgischen Amateurfilmschaffens sollen<br />

den Kern der Exposition bilden; 10 von rund 120. Exemplarisch repräsentieren sie<br />

Ausformungen des organisierten Freizeitfilmens in der DDR:<br />

Großstudios (wie das AFC Frankfurt), Studios von Kombinaten an bedeutenden<br />

Wirtschaftsstandorten (Studio Cine Pentama des LEW Hennigsdorf), LPG-Studios auf dem<br />

Lande, Pionier- und Jugendfilmstudios, Einzelfilmer, Naturfilmer, Filmgruppen der Kirche<br />

(mgf-Studio) sowie Andreas Dresen als Beispiel für einen Laienfilmer, der erfolgreich sein<br />

Hobby zum Beruf machte.<br />

Begleitende Filmprogramme gliedern aufgefundene und gesicherte Filme nach thematischen<br />

Aspekten: Profi-Filme über Amateurfilme(r), Kinder vor der Amateurfilmkamera, Der Blick des<br />

Brandenburger Amateurfilmers in die Welt.<br />

Noch während der Ausstellung schalten wir auf den Internetseiten des Museumsverbandes<br />

und des <strong>Filmmuseum</strong>s eine Rubrik frei, in der einzelne Studios und Filmemacher porträtiert<br />

und Schlüsselfilme hervorgehoben werden.<br />

Als nächste Bestands-Erschließung planen wir ab Mai in Kooperation mit den Museen des<br />

Landkreises Oberspreewald-Lausitz die Filme des Studios des BKK (des<br />

Braunkohlenkombinates) Senftenberg, das sind rund 70 Titel.<br />

Zur selben Zeit wird das <strong>Filmmuseum</strong> die Überlieferung des Pionierfilmstudios Stegelitz (bei<br />

Templin) – eines der seltenen Kinder- und Jugendfilmstudios auf dem „flachen Land“ im<br />

Norden der DDR – erwerben.<br />

Schlussendlich wollen wir zusammen mit der HFF <strong>Potsdam</strong>-Babelsberg, Abt. Tontechnik, ein<br />

EU-Förderprojekt zur Digitalisierung „peripherer DDR-Filmbestände“ beantragen. Ziel ist u.a.<br />

6


die Anschaffung moderner Abtast- bzw. Digitalisierungstechnik, so dass wir in der<br />

Perspektive von kommerziellen Anbietern unabhängig sind.<br />

Für die fernere Zukunft stellen wir uns eine zentrale Internet-Datenbank vor, in der Nutzer<br />

vorhandene oder derzeit als verloren geltende Amateurfilme aus Brandenburg recherchieren<br />

können.<br />

Einige Titel lassen sich online, andere im <strong>Filmmuseum</strong> in elektronischer Form ansehen. Für<br />

wiederum andere Filme wird der Nutzer an den entsprechenden Bestandsträger verwiesen.<br />

Dies alles sind Varianten des koordinierten Zugangs zu einer höchst interessanten filmischen<br />

Hinterlassenschaft – der sich in der Zusammenarbeit zwischen den Archiven und Museen<br />

des Landes ergeben wird. Wir laden Sie herzlich zum Mittun ein.<br />

7

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!