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Der Verwaltungsakt

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RBEITSGRUPPE<br />

KAA<br />

KOMMUNALPOLITIK<br />

D-53170 Bonn<br />

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1. <strong>Der</strong> Begriff des <strong>Verwaltungsakt</strong>s<br />

1.1 <strong>Der</strong> <strong>Verwaltungsakt</strong> als „Zweckschöpfung“<br />

Wegbeschreibung für die<br />

kommunale Praxis<br />

<strong>Der</strong> <strong>Verwaltungsakt</strong><br />

VR10<br />

(Verwaltungsrecht)<br />

1.1.1. Geschichtlicher Überblick<br />

Die Lehre vom <strong>Verwaltungsakt</strong> ist eine Zweckschöpfung der Wissenschaft, die auf dem Hintergrund des das gesamte<br />

19. Jahrhundert beherrschten Kampfes um die Ablösung des absolutistischen Polizeistaates durch eine rechtsstaatliche<br />

Ordnung zu sehen ist.<br />

<strong>Der</strong> Begriff des <strong>Verwaltungsakt</strong>s wurde im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts in der Literatur des deutschen Staatsund<br />

Verwaltungsrechts bekannt. Er ist eine Übersetzung des französischen Begriffs „acte administratif“. Mit dem<br />

„acte administratif“ war jede Maßnahme der Verwaltung gemeint, sei es auf dem Gebiet des Privatrechts oder auf<br />

dem Gebiet des öffentlichen Rechts. In Deutschland wird der Begriff des <strong>Verwaltungsakt</strong>s von Anfang an nur im Zusammenhang<br />

mit Maßnahmen der Verwaltung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts verwendet. Otto Mayer definierte<br />

den <strong>Verwaltungsakt</strong> in seinem Verwaltungsrechtslehrbuch von 1895 wie folgt:<br />

<strong>Der</strong> <strong>Verwaltungsakt</strong> ist „ein der Verwaltung zugehöriger obrigkeitlicher Anspruch, der dem Unterthanen gegenüber<br />

im Einzelfall bestimmt, was für ihn rechtens sein soll.“<br />

In der Folgezeit kam dem <strong>Verwaltungsakt</strong> hauptsächlich unter dem Gesichtspunkt des Rechtsschutzes durch die Verwaltung<br />

Bedeutung zu. <strong>Der</strong> Rechtsschutz des Bürgers gegen Maßnahmen der Verwaltung war nämlich häufig auf<br />

Klagen gegen <strong>Verwaltungsakt</strong>e beschränkt (vgl. Art. 107 WRV). Insbesondere die nach 1945 in den westlichen Besatzungszonen<br />

erlassenen Verwaltungsgerichtsgesetze erhoben den <strong>Verwaltungsakt</strong> zum Zentralbegriff des gesamten<br />

Rechtsschutzsystems. Dementsprechend enthielt § 25 der VO Nr. 165 der britischen Militärregierung folgende<br />

Legaldefinition:<br />

„<strong>Verwaltungsakt</strong> im Sinne dieser Verordnung ist jede Verfügung, Anordnung, Entscheidung oder sonstige Maßnahme,<br />

die von einer Verwaltungsbehörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts getroffen<br />

wird.“<br />

1.1.2 Die gegenwärtige Bedeutung des <strong>Verwaltungsakt</strong>s<br />

1.1.2.1 § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten für alle öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten<br />

nichtverfassungsrechtlicher Art.<br />

1.1.2.2 Ebenso enthält Art. 19 Abs. 4 GG eine Rechtsweggarantie gegen jegliches Verwaltungshandeln, notfalls zu den Gerichten<br />

der ordentlichen Gerichtsbarkeit.<br />

1.1.2.3 Dementsprechend kommt dem Institut des <strong>Verwaltungsakt</strong>s keine Bedeutung für die Eröffnung des Rechtswegs<br />

gegen Verwaltungshandeln mehr zu.<br />

1.2 In folgenden Fällen erlangt das Institut des <strong>Verwaltungsakt</strong>s nach wie vor eine besondere Bedeutung:<br />

a) Als typisches Mittel, um das abstrakt-generelle Gesetz auf einen bestimmten Sachverhalt zu konkretisieren<br />

und auf einen bestimmten Bürger zu individualisieren.<br />

b) Im Verwaltungsverfahrensrecht:<br />

Nach § 9 BVwVfG bildet unter anderem der Erlaß eines <strong>Verwaltungsakt</strong>s das Ziel eines Verwaltungsverfahrens.<br />

c) Für die Zulässigkeit von Klagen:<br />

■ Für die Zulässigkeit der Anfechtungsklage:<br />

Nach § 42 Abs. 1 1. Alt/VwGO ist die Anfechtungsklage nur dann zulässig, wenn der Kläger die Aufhebung<br />

eines <strong>Verwaltungsakt</strong>s begehrt (vgl. Wegbeschreibung VS 2).


■ Für die Zulässigkeit der Verpflichtungsklage:<br />

Nach § 42 Abs. 1 2. Alt/VwGO ist die Verpflichtungsklage nur dann zulässig, wenn der Kläger die Verurteilung<br />

der Behörde zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen <strong>Verwaltungsakt</strong>s begehrt (vgl. Wegbeschreibung<br />

VS 2).<br />

d) Für die Zulässigkeit des Vorverfahrens:<br />

■ Für die Zulässigkeit des Anfechtungswiderspruchs:<br />

Nach § 68 Abs. 1 VwGO iVm § 42 Abs. 1 1. Alt/VwGO ist der Anfechtungswiderspruch grundsätzlich nur zulässig,<br />

wenn der Widerspruchsführer die Aufhebung eines <strong>Verwaltungsakt</strong>s begehrt (vgl. Wegbeschreibung VS 4).<br />

■ Für die Zulässigkeit des Verpflichtungswiderspruchs:<br />

Nach § 68 Abs. 2 VwGO iVm § 42 Abs. 1 2. Alt/VwGO ist der Verpflichtungswiderspruch grundsätzlich nur zulässig,<br />

wenn der Widerspruchsführer den Erlaß eines abgelehnten <strong>Verwaltungsakt</strong>s begehrt.<br />

e) Im Verwaltungsvollstreckungswesen<br />

<strong>Verwaltungsakt</strong>e können im Wege der Verwaltungsvollstreckung vollstreckt werden. <strong>Der</strong> <strong>Verwaltungsakt</strong> erlangt<br />

insoweit die Bedeutung eines vollstreckbaren Titels (vergleichbar mit einem gerichtlichen Urteil).<br />

2. <strong>Der</strong> Begriff des <strong>Verwaltungsakt</strong>s heute<br />

2.1 Definition<br />

§ 35 Satz 1 BVwVfG vom 25. Mai 1976, in Kraft seit 1. Januar 1977, definiert den <strong>Verwaltungsakt</strong> wie folgt:<br />

„<strong>Verwaltungsakt</strong> ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung<br />

eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach<br />

außen gerichtet ist“.<br />

2.2 Erläuterungen<br />

Einige der in § 35 Satz 1 BVwVfG enthaltenen Merkmale sind doppelt ausgeführt und daher überflüssig.<br />

Es sind dies:<br />

1. „Verfügung“, „Entscheidung“ im Verhältnis zur „hoheitlichen Maßnahme“,<br />

2. „hoheitliche“ im Verhältnis zu „auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts“,<br />

3. „unmittelbare Rechtswirkung“ im Verhältnis zur „Regelung“.<br />

Läßt man diese überflüssigen Merkmale weg und gliedert die verbliebenen Merkmale nach logischen und Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten,<br />

so erhält man folgende Begriffsmerkmale des <strong>Verwaltungsakt</strong>s:<br />

2.2.1 Hoheiltiche Maßnahme<br />

Maßnahme ist jedes zweckgerichtete Tätigwerden, das Menschen oder juristischen Personen zurechenbar ist.<br />

Beispiele:<br />

Schreiben, Handzeichen, Stempeln etc.<br />

In der Praxis haben Maßnahmen der Verwaltung, die <strong>Verwaltungsakt</strong>e sind, üblicherweise folgende Bezeichnungen:<br />

Bescheid, (Polizei-) Verfügung, Anordnung; oder in Bezug auf bestimmte <strong>Verwaltungsakt</strong>stypen: Bauschein, Enteignung,<br />

Beschlagnahme, Bewilligungsbescheid.<br />

2.2.2 Behörde<br />

Behörde ist in § 1 Abs. 4 BVwVfG definiert als „jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt“.<br />

Aufgrund dieser weiten Fassung des Behördenbegriffs wird jede organisatorisch selbständige Einheit in der öffentlichen<br />

Verwaltung, die Maßnahmen auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts wahrnehmen darf, zu einer Behörde.<br />

Die Stellung dieser organisatorischen Einheiten im Rahmen des Verwaltungsaufbaues ist hierbei ohne Belang. <strong>Der</strong><br />

Behördenbegriff hat in diesem Zusammenhang insbesondere die Bedeutung, Maßnahmen der Verwaltung von Maßnahmen<br />

der Regierung, der Rechtsprechung und der Gesetzgebung abzugrenzen.<br />

Beispiele:<br />

Grundsätzlich sind<br />

■ Regierungsorgane<br />

■ die Gesetzgebungsorgane und<br />

■ die Gerichte<br />

keine Behörden im Sinne des Verwaltungsverfahrensrechts.<br />

2.2.3 Regelung<br />

ist gegeben, wenn die Maßnahme auf die Herbeiführung konkreter Rechtsfolgen, d.h. auf unmittelbare Rechtswirkung<br />

gerichtet ist (vgl. BVerwG DÖV 1968, 428; BVerwGE 36, 192 ).<br />

<strong>Der</strong> Begriff der Regelung dient insbesondere der Abgrenzung gegenüber Maßnahmen, die nach dem Willen der<br />

Behörde keine unmittelbare Rechtswirkung erzeugen sollen.


Beispiele:<br />

■ Auskunft<br />

■ Warnungen<br />

■ Belehrungen über die Rechtslage.<br />

2.2.4 Einzelfall<br />

<strong>Der</strong> Einzelfall wird geregelt, wenn die Regelung einen konkreten Sachverhalt betrifft und sich an eine bzw. mehrere<br />

bestimmte Personen wendet.<br />

An dieser Stelle erfolgt die Abgrenzung des <strong>Verwaltungsakt</strong>s von der Rechtsnorm.<br />

Beachte: Auch die Allgemeinverfügung, die sich an einen „nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren<br />

Personenkreis richtet“, ist <strong>Verwaltungsakt</strong> (§ 35 Satz 2 BVwVfG). Es sind drei Fälle zu unterscheiden:<br />

■ die adressatbezogene Allgemeinverfügung,<br />

■ die dingliche Allgemeinverfügung,<br />

■ die Benutzungsregelung.<br />

2.2.5 Auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts<br />

ergeht eine Maßnahme, deren Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen sich nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften<br />

richten.<br />

An dieser Stelle erfolgt die Abgrenzung zu Maßnahmen, die dem Privatrecht zuzuordnen sind.<br />

2.2.6 Außenwirkung<br />

Auf eine unmittelbare Rechtswirkung nach außen ist eine Einzelfallregelung gerichtet, wenn sie sich an eine außerhalb<br />

der Verwaltung stehende natürliche oder juristische Person wendet.<br />

Dieses Merkmal dient der Abgrenzung des <strong>Verwaltungsakt</strong>s von lediglich verwaltungsinternen Regelungen, z.B. von<br />

Verwaltungsvorschriften.<br />

2.3 Subsumtionsbeispiele unter dem Begriff des <strong>Verwaltungsakt</strong>s<br />

2.3.1 Leistungsverwaltungsakt<br />

Ist die Baugenehmigung, die die Kreisverwaltung X erteilt, eine <strong>Verwaltungsakt</strong>?<br />

■ Es handelt sich um eine Maßnahme, da die Kreisverwaltung zum Zwecke der Erteilung der Genehmigung tätig wird.<br />

■ Die Kreisverwaltung ist Behörde, im Sinne des § 1 Abs. 4 BVwVfG, da sie Aufgaben der öffentlichen Verwaltung<br />

wahrnimmt.<br />

■ Die Baugenehmigung enthält eine Regelung, da die Rechtslage in Bezug auf das Bauvorhaben – nämlich seine<br />

rechtliche Unbedenklichkeit – konkretisiert wird.<br />

■ Es handelt sich um eine Einzelfallregelung in Bezug auf das jeweilige Bauvorhaben des Bürgers.<br />

■ Die Maßnahme wird auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts, nämlich aufgrund von Vorschriften des BBauG<br />

und der LBauO getroffen.<br />

■ Die Außenwirkung einer Baugenehmigung ergibt sich daraus, daß eine Baugenehmigung an den außerhalb der<br />

Verwaltung stehenden Bürger gerichtet ist.<br />

2.3.2 Eingriffsverwaltungsakt<br />

Ist die Beseitigungsanordnung, die die Kreisverwaltung X erteilt, ein <strong>Verwaltungsakt</strong>?<br />

■ Es handelt sich um eine Maßnahme, da die Kreisverwaltung tätig wird, um den Abriß eines Bauwerks anzuordnen.<br />

■ Die Kreisverwaltung ist Behörde im Sinne des § 1 Abs. 4 BVwVfG, da sie Aufgaben der öffentlichen Verwaltung<br />

wahrnimmt.<br />

■ Die Beseitigungsanordnung enthält eine Regelung, da die Rechtslage in Bezug auf ein Bauwerk konkretisiert wird.<br />

■ Die Einzelfallregelung ist in Bezug auf die jeweilige bauliche Anlage des Bürgers gegeben.<br />

■ Die Maßnahme erfolgt aufgrund der LBauO und somit aufgrund einer Vorschrift des öffentlichen Rechts.<br />

■ Die Außenwirkung der Beseitigungsanordnung ergibt sich daraus, daß sie an den außerhalb der Verwaltung<br />

stehenden Bürger gerichtet ist.<br />

Das vorliegende Faltblatt ist Teil einer Loseblattsammlung, die laufend ergänzt wird. Die systematische Übersicht und weitere Faltblätter erhalten Sie auf Anfrage.<br />

Stand: Januar 1999

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